191 78 53MB
German Pages 324 [315] Year 1993
Der vorliegende Band ist das Ergebnis einer im September 1990 im
Militärgeschichtlichen Forschungsamt in Freiburg durchgeführten internationalen Fachtagung über „Das Nordatlantische Bündnis
1949-1956". Er behandelt die innen- und außenpolitischen Bestim-
mungsfaktoren der Gründung und
Entwicklung des Bündnisses einschließlich der vorherrschenden
Bedrohungsperzeptionen in Ost
und West bis zur Suez-Krise. Die Beiträge zur politisch-ökonomischen und militärischen Zusammenarbeit beleuchten das Spannungsfeld zwischen atlantischer und europäischer Inte-
gration. Untersuchungen zur Nuklearpolitik einzelner Bündnisländer und zu deren Auswirkungen auf die NATO-Strategie bis hin zum
Problem der Kontrolle der Atomwaffen führen in den Grenzbereich zwischen Dominanz und Kooperation innerhalb des Bündnisses. Historische Erkenntnisse über die Struktur des Nordatlantischen Bündnisses sind eine wichtige Voraussetzung für dessen Weiterentwicklung unter den tiefgreifend veränderten internationalen Rah-
menbedingungen.
Oldenbourg
Das Nordatlantische Bündnis 1949—1956
Beiträge
zur
Militärgeschichte
Herausgegeben vom Militärgeschichtlichen Forschungsamt Band 37
R.
Oldenbourg Verlag München
1993
Das Nordatlantische Bündnis 1949-1956
Auftrag des Militärgeschichtlichen Forschungsamtes Im
herausgegeben von
Klaus A. Maier und Norbert unter
Wiggershaus
Mitwirkung von
Günther Hebert
R.
Oldenbourg Verlag München
1993
CIP-Einheitsaufnahme
Die Deutsche Bibliothek -
Das
Notdatlantische Bündnis 1949 1956 / im Auftr. des
Militärgeschichtlichen Forschungsamtes hrsg. von Klaus A.1993 Maier und Norbert Wiggershaus. München : Oldenbourg, (Beiträge zur Militärgeschichte ; Bd. 37) -
-
ISBN 3-486-55967-2 NE: Maier, Klaus A. [Hrsg.]; GT
Verlag GmbH, München außerhalb Das Werk einschließlich aller Abbildungen ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung strafbar. Das und des ohne unzulässig Verlages Zustimmung der Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist und die Einspeicherung Mikroverfilmungen Übersetzungen, für insbesondere Vervielfältigungen, gilt und Bearbeitung in elektronischen Systemen. Satz: Militärgeschichtliches Forschungsamt, Freiburg i.B. Druck und Bindung: R. Oldenbourg Graphische Betriebe GmbH, München © 1993 R. Oldenbourg
ISBN 3-486-55967-2
Inhalt
Vorwort.
7
Norbert
Wiggershaus Einführung: Zur Konzeption einer »Geschichte der NATO«.
9
Rahmenbedingungen.
15
Norbert Wiggershaus Nordatlantische Bedrohungsperzeptionen im »Kalten Krieg« 1948—1956.
17
Alexander Fischer Sowjetische Reaktionen auf die
Gründung der NATO.
55
II. Politische und ökonomische Zusammenarbeit.
69
I.
Klaus Schwabe
Bündnispolitik und Integration
1949—1956.
71
Rüstung, Wirtschaft, Rüstungswirtschaft: Wirtschaftliche Aspekte des Kalten Krieges in den fünfziger Jahren.
89
Heinz-Werner Würzler Die Anfänge kanadischer Militärhilfe für die europäischen NATO-Partner Probleme und Motivationen (1948/49—1951/52).
109
III. Die militärische
Integration.
131
Wichard Woyke Die Militärorganisation der NATO 1949 bis 1955.
133
Christian Greiner Zur Rolle Kontinentaleuropas in den militärstrategischen und operativen Planungen der NATO von 1949 bis 1958.
147
Rolf Tamnes Defence of the Northern Flank, 1949—1956.
177
Werner Abelshauser
—
Inhalt
6
Leopoldo Nuti Italy and the Defence of NATO's Southern Flank Wilhelm Meier-Dörnberg
1949-1955.
197
NATO und EVG.
213
Nuklearpolitik.
223
IV.
Klaus A. Maier Amerikanische Nuklearstrategie
unter
Jan Melissen The
Anglo-American Relationship
Truman und Eisenhower.
and the Limits of Britain's Nuclear
Policy,
1952-1957.
225
241
Jean Delmas
développement d'une politique nucléaire militaire en France (1945-1956).
Naissance
et
263
Peter Fischer
Zwischen Abschreckung und Verteidigung. Die Anfänge bundesdeutscher Nuklear-
politik (1952-1957). John Gillingham The Nature of
an
Alliance: A Summation.
273
293
Ulrich de Maizière Kommentar eines
Zeitzeugen.
311
Abkürzungen.
317
Referenten.
319
Personenregister.
321
Verzeichnis der
Vorwort
Mit seiner internationalen Fachtagung »Das Nordatlantische Bündnis 1949—1956« setzte das MGFA die bewährte Tradition fort, die im Rahmen seiner eigenen Forschungsprojekte gewonnenen Ergebnisse mit in- und ausländischen Fachkollegen auszutauschen und kritisch zu diskutieren. Gerade die Erforschung der Frühgeschichte des Bündnisses im Kontext des Kalten Krieges und den damit verbundenen vielfältigen und komplizierten internationalen Rahmenbedingungen läßt einen solchen Gedankenaustausch mit der sich immer mehr in die Erforschung einzelner Sachkomplexe aufspaltenden Fachwelt nicht nur nützlich, sondern geradezu unverzichtbar erscheinen. Das Nordatlantische Bündnis war immer auch ein politischer und wirtschaftlicher Staatenverbund, der auf eine Kooperation angelegt war, die weit über den Bereich der eigentlichen Sicherheits-
politik hinausstrebte. Neben dem weltpolitischen Umfeld, dem Ost-West-Konflikt und den darin wirksamen Bedrohungsperzeptionen verdient daher die innere, atlantische Perspektive in der Formationsphase des Bündnisses besondere historische Beachtung. Diese interne Perspektive des Bündnisses kann als Verstrickung von europäischer und amerikanischer Politik unter Aufgabe nationaler Souveränitätsrechte definiert werden. In diese Perspektive muß der zur nordamerikanisch-westeuropäischen Sicherheitsintegration parallel und nicht immer spannungsfrei verlaufende Prozeß der westeuropäischen Integration einbezogen werden. Diese breite historische Aufarbeitung der Formationsphase des Nordatlantischen Bündnisses erscheint nicht zuletzt aus aktuellen politischen Gründen bedeutsam. Mit Blick auf die dramatischen Umbrüche in den Staaten Mittel- und Osteuropas, die die internationale Nachkriegsordnung in Frage stellen, eröffnen sich Perspektiven für die Rückkehr dieser Staaten nach Europa. Auf dem Wege zu einer gesamteuropäischen Friedensordnung und einer Sicherheitspartnerschaft unter den neuen internationalen Konstella-
tionen sind fundierte Kenntnisse darüber erforderlich, welche Motive und Interessen die Entwicklung des Nordatlantischen Bündnisses bestimmt haben, um beurteilen zu können, welche der damaligen Entstehungsbedingungen unter Umständen heutige Strukturen und Entwicklungsprozesse positiv oder negativ beeinflussen können. Eine solche Geschichte des Nordatlantischen Bündnisses wäre dazu geeignet, den Zusammenhang zwischen Vergangenheit und Gegenwart herzustellen, den, so der Bochumer Geschichtsdidaktiker Jörn Rüsen, handelnde Individuen und Gruppen reflektieren müssen, wenn sie ihr Handeln sinnhaft in einer Zukunftsperspektive orientieren wollen. Dr. Günter Roth
Brigadegeneral Amtschef des
Militärgeschichtlichen Forschungsamtes
Norbert
Zur
Konzeption
Wiggershaus
Einführung:
einer »Geschichte der NATO«
Tagung »Das Nordatlantische Bündnis 1949—1956«, die das Militärgeschichtliche Forschungsamt Mitte September 1990 veranstaltete, sollte das Forschungsprojekt einer NATO-Geschichte befruchten, das in diesem Hause unter dem Arbeitstitel »Entstehung und Probleme des Atlantischen Bündnisses bis 1956« seit einigen Jahren betrieben wird. Es Die
erscheint daher nützlich und wird auch dem Informationsbedürfnis des Lesers entsprechen, vorab diese Forschungen in ihren großen Linien vorzustellen. Dabei soll das Hauptgewicht auf die Bedeutung des Vorhabens, auf Periodisierung und Methodenfragen, die Quellensituation und die Vorstellung inhaltlicher Schwerpunkte gelegt werden.
Bedeutung des
Vorhabens
Die Bedeutung des Vorhabens ergibt sich nicht nur daraus, daß eine »Geschichte der NATO« ein Desiderat der Forschung ist. Eine NATO-Geschichte erscheint auch deshalb als eine der reizvollsten Aufgaben der Militärgeschichte seit dem Zweiten Weltkrieg, weil das Bündnis maßgeblich die globale, europäische und deutsche Entwicklung seit 1949 beeinflußt hat. Hinzu kommt für den Wissenschaftler die Attraktivität der inter-
national-atlantischen
Perspektive. Bearbeitung des Themas sprechen nicht allein die begünstigten Zugangsmöglichkeiten des Militärgeschichtlichen Forschungsamtes zu einschlägigen Archiven und die hier gegebenen wissenschaftlichen Voraussetzungen, sondern auch Erwartungshal-
Für eine
tungen im In- und Ausland, in Wissenschaft, Bündnis und Bundeswehr. Ausländische Kollegen bestärken unsere Absichten mit dem Hinweis, daß ein wissenschaftliches Projekt dieser Größenordnung derzeit von keinem unserer Schwesterinstitute zu erwarten sei. Tatsächlich gibt es nach derzeitigem Informationsstand in vergleichbaren Instituten weder Forschungsarbeiten zur NATO-Geschichte mit international-integrativem Ansatz noch entsprechende Planungen. Hingegen widmen sich zahlreiche Kollegen wichtigen Teilaspekten der Bündnisgeschichte. Aktivitäten auf verwandten Arbeitsgebieten, z. B. das bekannte internationale »Nuclear History Program« oder »Das atlantische Dreieck: Washington—London—Ottawa« unter Leitung von Gustav Schmidt, Bochum, stellen keine Konkurrenzunternehmen dar, legen wegen der Berührungspunkte aber Abstimmung und Zusammenarbeit nahe. Eine wissenschaftliche Aufarbeitung der Entstehung und Probleme des Atlantischen Bündnisses bis 1956 ist eine wichtige Voraussetzung für die Neugestaltung der internationa-
Norbert
10
Wiggershaus
len Politik nach dem Ende des Kalten Krieges. Für eine künftige gesamteuropäische Friedensordnung muß man sich der Interessenstrukturen und Feindbilder vergewissern, welche die NATO geformt haben, um so die Entwicklungsmöglichkeiten und -problème dieses Bündnisses zu einem Element eben dieser neuen Friedensordnung und letztlich einer globalen Sicherheitspartnerschaft besser einschätzen zu können. Zeitliche
Begrenzung und Methodenfragen
Festlegung auf einen präzisen Einstiegstermin ist bewußt nicht erfolgt, weil der Eindruck einer Darstellung nach dem Motto »Die Geschichte beginnt jetzt« vermieden werden soll und die Ursprünge des militärischen Zusammenschlusses, die Erfahrungen der Zeitgenossen etc. berücksichtigt werden müssen. Dennoch werden die Schwerpunkte der Forschungstätigkeit überwiegend nach 1947/48 einsetzen, weil sich das Bündnis als Folge des konfrontativen internationalen Systems der Nachkriegszeit entwickelt hat. Das Jahr 1956 markiert einen gewissen Abschluß der Aufbauphase; zugleich steht die Eine
NATO zu dieser Zeit vor ihrer ersten großen inneren Krise. Diese Zäsuren korrespondieren zudem mit der üblichen Periodisierung in der Fachliteratur (1949—1955/56 Aufbauphase der NATO) bzw. des Ost-West-Konflikts (1947-1955 als 1. Phase). Die zeitliche Beschränkung auf die Jahre bis 1956 wird auch durch die derzeitige Quellensituation nahegelegt. Während die zeitgeschichtliche Erforschung der europäischen und westlichen Integration sich bisher überwiegend und dies meist mit nationalem Ansatz der politischen Einigung zugewandt hat, ist es nun an der Zeit, sich verstärkt dem atlantischen Bündnis und der militärischen Kooperation aufbauend auf wichtigen Analysen zur Sicherheitspolitik einzelner westlicher Länder zuzuwenden. Denn eine quellenfundierte Integrationsforschung aus international-atlantischer Perspektive ist inzwischen möglich geworden. Dies entspricht den Anregungen von Hans-Peter Schwarz für die Europaforschung1. Atlantische Perspektive heißt, daß »atlantische Politik« analysiert wird, daß westliche Außen- und Sicherheitspolitik, auch westliche Weltwirtschaft, als eine Einheit begriffen werden und daß die Dominanz der USA im Wettstreit der nationalen Interessen berücksichtigt wird. Man kann diesen Ansatz auch als Verstrickung von europäischer und amerikanischer Politik definieren. Es besteht die Aussicht, auf diese Weise die Vielzahl der Probleme und ihre enge Verknüpfung deutlich machen zu können. Das Bündnis als politischer und wirtschaftlicher Staatenverbund, der Zusammenarbeit über Bereiche der Sicherheitspolitik hinaus anstrebte, ist somit in seinem weltpolitischen Umfeld wie in seinem Innenleben zu untersuchen. Der Ost-West-Konflikt und die Bedrohungsperzeption hinsichtlich der Sowjetunion schlagen sich in der Darstellung ebenso nieder wie etwa die überragende Rolle der USA im Konflikt mit den nationalen Interessen der Partner. Sachzwänge der Wirtschaft und der verschiedenen innenpolitischen, gesell—
—
—
—
1
Hans-Peter Schwarz, Die europäische Integration als Aufgabe der Zeitgeschichtsforschung, in: Vierteljahrshefte für Zeitgeschichte, 31 (1983) 4, S. 555—572.
Einführung:
Zur
Konzeption einer »Geschichte
der NATO«
11
schaftlichen und sonstigen Antriebskräfte sind ebenso zu berücksichtigen wie Zusammenhänge zwischen politischen, wirtschaftlichen, rüstungsökonomischen und militärischen Faktoren einschließlich der sich daraus ergebenden Spannungsmomente. Es ist wünschenswert, daß hier auch die systembedingten Strukturprobleme bei der Schaffung des neuartigen integrativen Sicherheitsbündnisses zwischen nationalstaatlich organisierten westlichen Industriegesellschaften aufgezeigt werden. Nützlich erscheint (und dies bezeichnet auch konkrete Hoffnungen von Kollegen aus der Disziplin »Internationale Politik«), die jeweils unterschiedlichen außen- und sicherheitspolitischen sowie ökonomischen Interessenlagen der einzelnen (oder gewichtigsten) Mitgliedstaaten der Allianz vergleichend zu untersuchen. Auf dieser Basis können dann der zur nordamerikanisch-westeuropäischen Sicherheitsintegration (teilweise) parallel laufende Prozeß der westeuropäischen (Wirtschafts-)Integration in die Untersuchung einbezogen und insbesondere die Rolle und Handlungsmöglichkeiten der europäischen NATO-Staaten ergründet werden. Offensichtlich ist auch die Fragestellung unverzichtbar, wieweit nuklearstrategische Bedingungen bestimmend waren etwa für das »atlantische Verhältnis«, die Zusammenarbeit im Bündnis, und wieweit sie das Gewicht einzelner Länder (Großbritannien, Frankreich) verändert haben. Andere erwähnenswerte Fragestellungen betreffen die Rolle der Bundesrepublik Deutschland (Sicherheit mit und gleichzeitig vor Deutschland) sowie die Betrachtung der NATO als ein Bündnis der Werte und Gesinnungen einschließlich des Problems der ungleichen Gesellschaften innerhalb des Bündnisses. Mit all dem zielt das Projekt zumindest in wichtigen Teilen deutlich über den diplomatiegeschichtlichen Ansatz hinaus. Im übrigen ermuntert der komplexe Gegenstand neben der historischen Darstellung geradezu zur systematischen Analyse. Daher ist das Projekt auch offen für weitere Ansätze, die in der Wissenschaft von der internationalen Politik Ansätze des decision making, der Struktur, des Nationalinteresses etc. —
—
—
sind. Wie stets bleibt jeder Autor für seinen Ansatz selbst verantwortlich. Dementsprechend bieten die bisher vorliegenden Einzelkonzeptionen ein breites Angebot historischer bis —
gebräuchlich
theoriegeleiteter Vorgehensweisen.
Die
Quellensituation
Zur Quellensituation, die maßgeblich für den Erfolg eines jeden Forschungsprojekts ist, soll hier wenigstens ein Überblick gegeben werden. Die beteiligten Wissenschaftler werten möglichst alle Archive der NATO-Staaten aus, die über entsprechendes Material verfügen und zugänglich sind. Dies sind derzeit 18 Archive, darunter 15 ausländische. Die ausländischen Materialien sind in den letzten fünf Jahren nahezu abschließend erfaßt worden. Die Akten der politischen Organisation der NATO stehen zur Einsicht offen; vorerst dürfen aber nur Dokumente aus den Jahren bis 1952 zitiert werden, darunter die Akten des NATO-Rates und des Militärausschusses. Eine weitere Öffnung steht aber bevor. Das
Norbert
12
Wiggershaus
Bundesarchiv-Militärarchiv besitzt 1000 Filmrollen Bündnisakten aus der Ständigen Vertretung der Bundesrepublik Deutschland bei der NATO. Zu den für die Allgemeinheit gesperrten Akten des Auswärtigen Amtes besteht ein bevorzugter Zugang. Im Public Record Office in Kew sind die Akten bis 1962 einschließlich zugänglich. In den National Archives in Washington dürfen die Papiere der Joint Chiefs of Staff bis 1961 eingesehen werden. Die Akten des State Department sind heute größtenteils bis 1959 zugänglich. In den Presidential Libraries der Präsidenten Truman und Eisenhower sind nicht nur wichtige Dokumente aus dem Weißen Haus konzentriert, sondern auch Nachlässe von Ministern, Diplomaten und Beratern. Übrigens ist die wissenschaftliche Betreuung in beiden Archiven ausgezeichnet. Daß der NATO-Partner Kanada mit seinen Archiven (nicht nur wegen der kurzen Sperrfristen) eine Fundgrube für den Zeithistoriker ist, hat sich herumgesprochen. Inhaltliche
Schwerpunkte und Publikationsform
Die inhaltlichen Schwerpunkte ergeben sich weitgehend aus der atlantischen Perspektive. Folgende Themen und Zentralprobleme stehen im Mittelpunkt der Betrachtung: außenpolitische, wirtschaftliche und militärische Rahmenbedingungen; Gründung der NATO und Aufbau ihrer Organisation einschließlich des militärischen Instruments und der Rüstung; Zusammenhänge von Aufrüstung, wirtschaftlichem Wiederaufbau Europas, politischer Kooperation und Ost-West-Konflikt; Bedrohungsperzeptionen, Militärpolitik und Strategie; das atlantische Verhältnis in seinen vielfältigen Aspekten der internen Zusammenarbeit; Strukturprobleme und innere Auseinandersetzungen; möglicherweise Fragen des Völkerrechts und der zwischenstaatlichen Rechtsbeziehungen. Die Darstellung soll in zwei Serien erfolgen: Die Serie 1 widmet sich den NATO-Außenbeziehungen unter dem Titel Das Bündnis im globalen Spannungsfeld. Hier sind fünf Bände vorgesehen. Die Serie 2 mit dem Thema Interne Probleme: Integration und Zusammenarbeit umfaßt drei Bände. Außerdem ist eine Quellenedition geplant, die in einer 3. Serie verwirklicht werden soll. Personell wird das Projekt im wesentlichen von acht Mitarbeitern aus dem Hause getragen. Hinzu kommt eine gleiche Anzahl externer Mitarbeiter aus dem In- und Ausland, die überwiegend Spezialthemen aufgreifen, die das Militärgeschichtliche Forschungsamt nicht abdecken kann. Die Termine für die Abgabe der Manuskripte liegen in den Jahren 1993 und 1994. Insofern diente die Tagung nicht nur der Skizzierung des derzeitigen Forschungsstandes, sondern sollte auch eine Überprüfung der eigenen Ansätze und Arbeitsergebnisse, die Erschließung zusätzlicher Quellen, kurz: viele Anregungen für die eigene Arbeit bieten.
Einführung: Mit diesem Interesse
Zur
Konzeption
einer »Geschichte der NATO«
13
korrespondierte die Konzentration der Tagungsreferate auf einige wichtige, insbesondere weniger erforschte Bereiche, wobei thematische Vollständigkeit weder möglich noch intendiert war. In der Sektion I war der Aufklärungsbedarf bei dem Thema »Die NATO aus östlicher Sicht« wegen des weitgehend versperrten Quellenzugangs und der Sprachproblematik besonders groß. Die Sektion II stand ganz im Zeichen wirtschaftlicher und wirtschaftsintegrativer Fragestellungen, der Frage nach der Rolle wirtschaftlicher Interessen und nach den Wechselbeziehungen zwischen wirtschaftlichen, sicherheitspolitischen und anderweitigen Zielen. Damit sollten Probleme aufgegriffen werden, die sich für die Bündnisgeschichte immer mehr als zentral herausschälen, die aber noch weithin ungelöst sind. Das Arbeitsfeld der militärischen Integration und Zusammenarbeit (Sektion III) ist nur vermeintlich schon umfassender dargestellt als andere Bündnisaspekte. Jedenfalls sind quellenfundierte Arbeiten selten und etwa Probleme wie die Verteidigung der Nordflanke weitgehend nicht einmal als solche im Bewußtsein. Im übrigen liegen vor allem die Sektionen II und III, entsprechend der methodologischen Hauptzielrichtung der NATO-Geschichte, im atlantischen Blickwinkel. Die Bildung des Schwerpunktes Nuklearpolitik in der Sektion IV entspricht der zunehmenden Erkenntnis in der Wissenschaft über die Bedeutung der nuklearen Interessen der atlantischen Großmächte und der nuklearstrategischen Bedingungen für eine ganze Palette von Sachgebieten, angefangen beim Bedrohungsthema über die Militärstrategie und die politische Zusammenarbeit im Bündnis bis hin zur Deutschlandpolitik der westlichen Atommächte wie auch der Sowjetunion. Das Forschungsprojekt des Militärgeschichtlichen Forschungsamtes verdankt eine der hauptsächlichsten Anregungen für die Anwendung dieses jungen Ansatzes im NATO-Projekt den Verbindungen mit dem schon angesprochenen Nuclear History Program.
I.
Rahmenbedingungen
Norbert
Wiggershaus
Nordatlantische Bedrohungsperzeptionen im »Kalten Krieg« 1948-1956*
Nach dem offenen Ausbruch des Kalten Krieges im Jahre 1947 gewannen Bedrohungsanalysen eine zentrale Bedeutung im Prozeß der Formulierung westlicher Außen- und Sicherheitspolitik sowie des Integrationsverhaltens und der Bündnisstrategien. Diesem Beitrag liegt die Methode der »sicherheitspolitischen Lageanalyse« vor dem Hintergrund des konfrontativen bipolaren Mächtesystems zugrunde. Sie umfaßt neben dem Vergleich militärischer, geostrategischer, wirtschaftlich-technologisch-personeller und politisch-ideologischer Potentiale die Kalkulation der Kontrahenten auf diesen Gebieten sowie die Einschätzung der politischen Bedrohungsabsichten des angenommenen Gegners. In dem vorliegenden gerafften Überblick wurde freilich das Schwergewicht auf die Analyse der Absichten gelegt, doch sind Aspekte wie etwa die Frage des politischen Zusammenhalts in den jeweiligen Lagern und wirtschaftliche Zusammenhänge der Bedrohung
wenigstens punktuell berücksichtigt. I.
Bedrohungsperzeptionen in der Gründungsphase der NATO 1947/48-1949/50
Für die Periode
von 1947/48 bis 1949/50 kann wegen der günstigen Quellenlage nicht die allgemeine Bedrohungsperzeption in den westlichen Ländern dargestellt, sondern auch der Versuch unternommen werden, die speziellen sicherheitspolitischen Sorgen einiger insbesondere geographisch exponierter europäischer Mitgliedstaaten des Atlantikpaktes nachzuzeichnen. nur
—
1. Gemeinsame
—
Bedrohungsperzeptionen
1948/49
Im Westen herrschte eine weitgehende Übereinstimmung bei der Beurteilung der Ziele Moskaus vor dem Hintergrund des ideologischen Selbstverständnisses über die Bedrohung durch die militärische Potenz der Sowjetunion sowie über ihre politischen Absichten. Die Gemeinsamkeiten speisten sich nicht zuletzt aus der Tatsache, daß die USA, Kanada und Großbritannien im Frühjahr 1948 die Erarbeitung von Studien über die sowjetische Bedrohung vereinbart hatten. Ihre bald enge Zusammenarbeit auf diesem Gebiet resultierte in einer amerikanisch-britischen Studie QIC 435/12) vom 30. November 1948, deren Ergebnis die Grundlage der anglo-amerikanischen Beurteilung für die mili*
Ich danke der Deutschen ziell unterstützt hat.
Forschungsgemeinschaft, die meine Forschungen mit Reisemitteln finan-
Norbert
18
Wiggershaus
tärische Bedrohung Westeuropas bis zum Beginn der NATO-Planung bildete1. Hinzu kam, daß die beiden nordamerikanischen Staaten in den Washington Exploratory Talks für die Gründung eines nordamerikanisch-westeuropäischen Sicherheitspaktes ab Juli 1948 einen engen Meinungsaustausch mit den Mitgliedstaaten der Westunion (Brüsseler Pakt) pflegten. Die Unterhändler dieser sieben Staaten legten mit dem Washington Paper2 vom 9. September 1948 eine gemeinsame Analyse vor. Seit Herbst 1949 fertigte schließlich das atlantische Bündnis gemeinschaftlich Studien3. Die anglo-amerikanische Gruppe und die Mitglieder der Standing Group (SG), USA, Großbritannien und Frankreich, sahen im November 1948 (JIC435/12)4 bzw. um die Jahreswende 1949/50 (SG 13/16)5 als letztes Ziel sowjetischer Politik die Errichtung einer von Moskau kontrollierten kommunistischen Weltherrschaft an. So einigten sich die Unterhändler der Siebenergruppe in dem Washington Paper auf die These, daß »friedliche Koexistenz« mit der Sowjetunion auf die Dauer »unmöglich« sei6. Die innere Logik des Sowjetsystems, so hatte es ein Teilnehmer an den Washingtoner Verhandlungen zuvor formuliert, erstrebe die Weltdominanz7. Allein aus dieser Einschätzung, die durch die ideologisch-politisch-diplomatische Kompromißlosigkeit8 des Kreml in diesen Jahren bekräftigt zu werden schien, folgerten zumindest die Westeuropäer die Notwendigkeit zur Bildung einer westlichen Sicherheitsgemeinschaft9. Die militärische Bedrohung In der Darstellung einer gemeinsam
a.
empfundenen und vertretenen militärischen Bedrohung folge ich weitgehend der Studie JIC 435/12, da sie die westlichen Auffassungen für den gesamten Beobachtungszeitraum repräsentiert10. Jedenfalls stützte sich selbst die erste große NATO-Analyse DC 13 vom März 1950 noch auf dieses Dokument11. 1
2
3
Geographie Files 1948-50, USSR (3-27-45), Sec. 34, JIC 435/12, Soviet Intentions and Capabilities, 1949, 1956/57, 30.11.1948. Die Studie ist ausführlich zitiert und kenntnisreich kommentiert von Christian Greiner, Die alliierten militärischen Planungen zur Verteidigung Westeuropas 1947—1950, in: Roland G. Foerster/Christian Greiner/Georg Meyer/Hans-Jürgen Rautenberg/Norbert Wiggershaus, Von der Kapitulation bis zum Pleven Plan (= Anfänge westdeutscher Sicherheitspolitik 1945-1952, Bd 1), München u.a. 1982, S. 197ff. Washington Paper, 9.9.1948, FRUS 1948, III, S. 237-248; PRO, CAB 131/6, D.O. (48) 64, 20.9.1948, App.I; NAC, RG2, B2, Vol. 112, U-40-4, 1948 (March-Oct). Siehe z.B. die Direktive der Standing Group S.G. 13/16 vom 4.1.1950, NAC, RG 2, B 2, Vol. 204, NA, MMB, RG 218,
U-40-4-S,
1949-51.
Greiner (wie Anm. 1), S. 197; JIC 435/12 (wie Anm. 1), S. 12. 5 SG 13/16, Appendix: Intelligence Guidance for the North Atlantic Regional Planning, Ziff. 7. 6 Washington Paper (siehe Anm. 2). 7 PRO, F.O. 371/73072, Z 5613/2307/72G, Washington Exploratory Talks, 2nd Meeting, 6.7.1948 (Botschafter Sir Oliver Franks). 8 Eberhard Pikart, Militärische Lage und Bedrohungsperzeptionen, in: Norbert Wiggershaus/Roland G. Foerster (Hrsg.), Die westliche Sicherheitsgemeinschaft 1948—1950. Gemeinsame Probleme und gegensätzliche Nationalinteressen in der Gründungsphase der Nordatlantischen Allianz (= Militärgeschichte seit 1945, Bd8), Boppard a.Rh. 1988, S. 229. 9 In diesem Sinne Wilfried Loth, Die Formierung der Blöcke. Strukturen des Ost-West-Konflikts 1948— 1950, in: Wiggershaus/Foerster (wie Anm. 8), S. 14 f. 10 Greiner (wie Anm. 1), S. 198 ff. 4
Nordatlantische
Bedrohungsperzeptionen
im »Kalten
Krieg«
1948—1956
19
Angesichts der geographischen Gegebenheiten und des Entwicklungsstandes der strategischen Waffen der Sowjetunion erschien ein massiver Angriff auf den nordamerikanischen Kontinent noch nicht durchführbar. Im Bereich der Möglichkeiten lagen allenfalls vereinzelte sowjetische Luftüberfälle. Brooke Claxton, kanadischer Minister of Natio-
nal Defence, konnte daher 1949 feststellen, daß Kanada »still one of the most secure countries« sei12. Gegenüber Westeuropa war die Sowjetunion als Kontinentalmacht geostrategisch im Vorteil. Nach Ansicht der anglo-amerikanischen Militärs bot sich ihr ein militärischer Zweistufenplan an: 1. Eroberung des europäischen Festlands und Großbritanniens, 2. Kampf gegen die USA von dieser Basis aus13. Nach übereinstimmender Meinung der britischen und amerikanischen Stabschefs war die UdSSR in der Lage, den westlichen Teil Europas zu überrennen und zu besetzen, bevor amerikanisch-kanadische Hilfe mobilisiert werden konnte14. Zwar wurden die politischen, psychologischen, industriellen und vor allem wirtschaftlichen Schwächen der UdSSR und ihres Satellitensystems im Westen nicht übersehen. Jedoch würden diese Schwächen bei der sowjetischen Lagebeurteilung und eventuellen Entschlußfassung nicht so sehr ins Gewicht fallen, da ihre Auswirkungen in einer militärischen Auseinandersetzung überwiegend langfristig seien. Es schien kaum zweifelhaft, daß sich die UdSSR durch wirtschaftliche Überlegungen allein nicht von einem militärischen Angriff auf Westeuropa und damit der Durchführung des ersten Teils des im Westen angenommenen Zweistufenplanes würde abhalten lassen, wenn sie sicher sein konnte, das Ziel einer vollständigen Besetzung schnell zu erreichen15. Die präsenten sowjetischen Land- und Luftstreitkräfte galten als fähig, in fünf Monaten den europäischen Kontinent vollständig zu besetzen, dazu große Teile des Nahen und Mittleren Ostens. Das sowjetische Interesse an Ostasien galt demgegenüber als begrenzt; die westlichen Analytiker erwarteten hier lediglich Konsolidierung und kleinere Abrundungen des Besitzstandes16. Auf eine mögliche detaillierte Darstellung des militärischen Kräfteverhältnisses muß und kann hier verzichtet werden. Es genügt die Feststellung, daß man für den Zeitpunkt eines Kriegsausbruches bei den Landstreitkräften begründeterweise mit einem Kräfteverhältnis von 4:1 zugunsten der UdSSR rechnete. Die sowjetische Überlegenheit bei den Flugzeugen für die Erdkampfunterstützung lag sogar bei 5:117. Auf diesem konventionellen Szenario fußte die anglo-amerikanische Annahme, die Sowjetischen Streitkräfte könn11
Ebd., S. 204. Die NATO-Analyse vom März 1950: NATO, NISCA, 7/1, DC 13, North Atlantic Treaty Organization Medium Term Defense Plan, 1.7.1954, part II: Estimate of Enemy Capabilities and Possible Courses of Action, 28.3.1950.
12
NAC, RG 2, B 2, Vol. 125, D-19 (Vol. 1), Canada's Defence Forces. Address by Honourable Brooke Claxton to the Canadian Clut of Montreal, 28.2.1949, S. 4.
13 14
JIC 435/12 (wie Ebd., S. 4 f.
Anm.
1),
S. 35f.
Greiner (wie Anm. 1), S. 198, auf der Grundlage von JIC 435/12, S. 13 ff., 20. JIC 435/12 (wie Anm. 1), S. 4, 29f., 59ff., 53ff. (bez. Fernost). 17 Greiner (wie Anm. 1), S. 199. Zum west-östlichen Kräftevergleich im Jahre 1950 siehe Norbert Wig15
16
gershaus, Bedrohungsvorstellungen Bundeskanzler Adenauers nach Ausbruch des Korea-Krieges, in: MGM, 1/1979, S. 79-122.
20
Norbert
Wiggershaus
in fünf Tagen den Rhein, in 14 Tagen die Kanalküste, in einem Monat die Atlantikküste und in zwei Monaten die Pyrenäenlinie gewinnen. Dänemark ließe sich in einer 14tägigen Nebenoperation nehmen. Die kanadischen Stabschefs befürchteten sogar, sowjetische Truppen könnten unter Umständen in D + 180 Tagen die iberische Halbinsel überrennen und Gibraltar erreichen18. Über die Verteidigungsfähigkeit der britischen Inseln gelangte man zu keiner gemeinsamen Aussage. Die Vereinten Stabschefs in Washington glaubten, Großbritannien sei sechs Monate zu halten19. Ohne Zweifel lag ein deutlich asymmetrisches Kräfteverhältnis zugunsten der Sowjetunion vor; diese Wertung gilt es zu differenzieren. Aspekte wie Kampfwert (Bewaffnung und Ausbildung), Polizeifunktionen nicht unerheblicher sowjetischer Streitkräfte in Mittelost- und Südosteuropa, die Schwächung der militärischen Präsenz durch Ernte-
ten
und Wiederaufbaueinsätze zahlreicher Soldaten, unter Umständen die Aufgabe des sowjetischen Massenheeres, ein Gegenstück gegen die amerikanische Atombombe zu bilden, u.a.m. wären zu berücksichtigen bzw. genauer zu gewichten gewesen20. Freilich lagen hier keine gesicherten Fakten vor. Nach Einschätzung der gegnerischen militärischen Fähigkeiten durch die anglo-amerikanischen Militärexperten drohte somit 1948/49 im Falle eines sowjetischen Generalangriffs innerhalb von sechs Monaten die Eroberung weiter Teile des westeuropäischen Festlandes, während Nordamerika und Großbritannien erst danach ernsthaft bedroht werden würden21. Die britischen Stabschefs beurteilten die eigene Fähigkeit zur Verteidigung des Vereinigten Königreichs schwächer als 1938, dem Jahr, in dem Premierminister Chamberlain in München politisch kapituliert hatte22. Der konventionellen sowjetischen Überlegenheit standen freilich das atomare Monopol, die überwältigende waffentechnische und kriegswirtschaftliche Stärke und der selbstbewußte Glaube der Vereinigten Staaten an ihre politischen Wertauffassungen gegenüber, auch wenn die wirtschaftlich-technischen Potentiale und politischen Kräfte erst nach einem Kriegsausbruch mobilisiert werden würden und die Atomwaffen damals noch nicht die operative und erst recht nicht strategische Bedeutung besaßen, die man ihnen in der Öffentlichkeit und wohl auch in den sowjetischen Überlegungen schon zumaß. Die Atomwaffen waren noch nicht in der Verfügung der Streitkräfte, und man stritt über die notwendige Anzahl, Größe und militärische Verwendung der Superwaffe23. Der Vorrat an Atombomben betrug im April 1949 100 bis 14024. Die für einen Krieg minimal erforAnm. 1), S.41f., 59. damaligen Diskussion über die Möglichkeiten zur Verteidigung der britischen Inseln siehe Greiner (wie Anm. 1), S. 200. 20 In diesem Sinne Pikart (wie Anm. 8), S. 233; Wiggershaus (wie Anm. 17). 21 Greiner (wie Anm. 1), S. 201. 22 18
19
23 24
JIC 435/12 (wie Zur
PRO, DEFE 4/31, C.O.S. (50) 77th Meeting, 17.5.1950, Ziff. 9, Air Marshal Sir John Slessor.
Pikart (wie Anm. 8), S. 227 f. Bernd Greiner, Die Kategorie Risikoniveau Ein Paradigma zur Analyse amerikanischer Außenund Militärpolitik während des Kalten Krieges. Dargestellt anhand neueren Quellenmaterials, Frankfurt a.M., Bern, New York 1985, S. 179. Greiners Daten fußen auf Angaben von Larry Dean O'Brien, National Security and the New Warfare. Defense Policy, War Planning, and the Nuclear Weapons, 1945-1950, Ann Arbor, London 1982, S. 86, 89, 105, 204; Gregg Herken, The Winning Weapon. —
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derliche Bombenzahl lag jedoch bei 40025. Das Montagesystem für die Bomben war eher desolat26. Schließlich wies das Strategische Bomberkommando (SAC) ebenfalls gravierende Mängel auf, die keine erfolgreiche Kriegführung erwarten ließen27. Vielmehr hätte die Atomstreitmacht bei einem Angriff mit Verlusten bis zu 55 Prozent rechnen müssen28. »Mit einem strategischen Luftbombardement ob konventionell oder atomar [würde] die UdSSR nicht zu besiegen gewesen« sein29. Tatsächlich regten die strategischen Möglichkeiten der USA 1949 weit mehr die Phantasien an, als daß sie schon Realität gewesen wären. —
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b. Analyse der politischen Absichten Moskaus Wie wurden 1948/49, vor dem Erfolg der sowjetischen Kernphysik, auf westlicher Seite die politischen Absichten Moskaus eingeschätzt? Traute man den kommunistischen Machthabern trotz der bekannten sowjetischen Kriegsschäden und Wissenschaftsdefizite zu, die westliche Führungsmacht militärisch herauszufordern und dabei Territorialgewinne, Einflußzuwachs und Sicherheitsgürtel in Europa aufs Spiel zu setzen30? Glaubte man an eine Kongruenz von militärischer Bedrohung und Aggressionsabsicht? In der westlichen Welt bestand spätestens seit Herbst 1947 kein Zweifel daran, daß abgesehen von der Möglichkeit einer langfristigen, von einem wiedererstarkten Deutschland ausgehenden Gefahr nur die Sowjetunion als potentieller Gegner in Frage käme. Doch haben sowjetische Politik und Potenz trotz der Vielfalt möglicher Kriegsfronten in Europa, Mittelost und Fernost31 offenbar zu keinem Zeitpunkt der hier untersuchten Phase das Gefühl einer akuten militärischen Bedrohung hervorgerufen. In den Vereinigten Staaten hielten die Fachleute einen sowjetischen Angriff in den nächsten zehn Jahren für unwahrscheinlich, weil so die Argumentation Moskau erst dann die Schwächung durch den Weltkrieg überwunden, seine Herrschaft in Osteuropa gefestigt und das atomare Monopol Amerikas gesprengt haben könnte32. Selbst der zumindest aus heuti—
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The Atomic Bomb in the Cold War 1945-1950, New York 1980, S. 196f.; Harry R. Borowski, Air Force Atomic Capability from V-J Day to the Berlin-Blockade Potential or Real, in: Military Affairs, 44 (1980) 3, S. 108. So das Joint Strategic Survey Committee 1947. O'Brien (wie Anm. 24), S. 93; Greiner (wie Anm. 24), S. 179, FN 73; David Alan Rosenberg, American Atomic Strategy and the Hydrogen Bomb Decision, in: The Journal of American History, June 1979, S. 67, 68. David Alan Rosenberg, The Origins of Overkill: Nuclear Weapon and American Strategy, in: Norman H. Graebner, The National Security. Its Theory and Practice, New York 1986, S. 131; Greiner (wie Anm. 24), S. 179; Rosenberg (wie Anm. 25), S. 71. Greiner, ebd., S. 180; Rosenberg, ebd., S. 131. Greiner, ebd., S. 180. Ebd., S. 180. Pikart (wie Anm. 8, S. 228) urteilt, im Westen habe man die sowjetische Schwäche nur bedingt zur Kenntnis genommen. Donald Cameron Watt, Bemerkungen mit dem Ziel einer Synthese, in: Wiggershaus/Foerster (wie Anm. 8), S. 343—372. NA, MMB, RG 218, CDF 1946-1947 (10-09-1946), JPS 814/2, 8.11.1946 und JSPC 814/3, 11.12.1947. Auch die Analyse des NSC: NSC 7 vom 30.3.1948 verneint eine unmittelbare Kriegsgefahr. Abgedruckt in: FRUS 1948, 1,1, S. 547. —
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Prager Umsturz hat in den USA, trotz aller öffentlichen HinweiAnwachsen der se auf ein Gefahr, nicht zu der Einschätzung geführt, Moskau werde kurzoder mittelfristig militärisch ausgreifen33. Außenminister General George C. Marshall glaubte im Mai 1948, »that the Soviet government did not want war at this time«. In der amerikanischen Regierung überwog die Überzeugung, die Admiral Hillenkoetter, der Chef der Central Intelligence Agency (CIA), am 28. Oktober 1948 mit dem Satz ausdrückte: »No war in the immediate future34.« Im Zuge der Berlinblockade 1948/49 erhobene Forderungen der Militärs und des Verteidigungsministers James Forrestal nach einer Richtungsänderung in der Rüstungspolitik, von großen Teilen des State Departments unterstützt, scheiterten am Widerstand von Außenminister Marshall. Er vermochte keine bedeutende Verschärfung der internationalen Situation zu erkennen35. Befürchtungen, wie die des amerikanischen Militärgouverneurs in Deutschland, General Lucius D. Clay, Anfang März 1948, er habe einen Krieg in den kommenden Jahren bisher ausgeschlossen, jetzt aber das Gefühl, er könne dramatisch plötzlich kommen, blieben Ausnahmen36. Auch in Großbritannien analysierte man offenbar keine unmittelbar drohende Gefahr. Die britischen Chiefs of Staff hielten 1947 eine sowjetische Kriegsbereitschaft vor Mitte der 50er Jahre für unwahrscheinlich37. Außenminister Ernest Bevin war im Frühjahr 1948 überzeugt, daß Moskau nicht beabsichtige, »pushing things to the extreme of war38«. Bevin vertraute dabei auf das westliche Atommonopol. Außerdem schloß er nicht aus, daß die kommunistischen Führer mit den Mitteln des Kalten Krieges hauptsächlich den Erfolg suchten39. Die britischen Stabschefs bekräftigten diese Einschätzung auch im Jahre 1948. Nach dem Beginn der Berlinblockade konstatierten sie allerdings insofern eine Verschärfung der Bedrohung, als in den nächsten Jahren jederzeit als Ergebnis einer ähnlichen Krise ein Krieg ausbrechen könne40. Doch hinsichtlich eines großen Krieges lautete im Januar 1949 das Urteil, vor 1957 greife die Sowjetunion nicht an41. ger Sicht voraussehbare
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Czempiel, Das amerikanische Sicherheitssystem 1945—1949. Studie zur Außenpolitik der bürgerlichen Gesellschaft, Berlin 1966 (= Beiträge zur auswärtigen und internationalen Politik, Bd 1), S. 242 ff., 246 f., 265 ff., 290. Vgl. Daniel Yergin, Shattered Peace. The Origins of the Cold War and the National Security State, Boston 1977, Kap. XIII: Rebuilding the Arsenal, S. 336—365. The Forrestal Diaries, Walter Millis/E.S. Duffield (Ed.), New York 1951, S. 512. Günther Mai, Containment und militärische Intervention. Elemente amerikanischer Außenpolitik zwischen der Griechenland-Krise von 1946/1947 und dem Koreakrieg 1950, in: VfZg, 32 (1984), S. 511. The Forrestal Diaries (wie Anm. 34), S. 387. Donald Cameron Watt, British Military Perceptions of the Soviet Union as a Strategic Threat. 1945—1950, in: Power in Europe? Great Britain, France, Italy and Germany in a Postwar World. 1945-1950, Josef Becker/Franz Knipping (Ed.), Berlin, New York 1986, S. 332. FRUS 1948, IV, S. 844 (30.4.1948). PRO, CAB 129/23, C.P. (48) 7, Review of Soviet Policy, Bevin, 5.1.1948. PRO, DEFE4/14, C.O.S. (48) 90th Meeting, 30.6.1948, Confidential. Annex: M.P. (48) 63 (Revised Final): Western Union Defence Policy, 26.6.1948, Annex: Western Union Defence Policy. International Relations, Ziff. 6—8 (Zitat). PRO, CAB 131/7, D.O. (49) 3, 7.1.1949. Provision of Forces for Western Union. Von einer Revision der Auffassung spricht hingegen Donald Cameron Watt, Die Sowjetunion im Urteil des britischen Foreign Office 1945—1949, in: Gottfried Niedhart (Hrsg.), Der Westen und die Sowjetunion. EinstelErnst-Otto
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Anders als die nordamerikanischen Staaten und auch das britische Inselreich fühlten sich die kontinentaleuropäischen Länder allein schon wegen der geographischen Nähe der sowjetischen Militärmacht und angesichts der fehlenden eigenen Verteidigungskräfte stärker bedroht. Schließlich begann der sowjetische Herrschaftsbereich so das niederländische Argument nur 120 Meilen ostwärts der eigenen Grenze42, und es standen so der französische Verteidigungsminister Ramadier den für einen Angriff in Deutschland verfügbaren sowjetischen Kräften in Stärke von 35 Divisionen in Mitteleuropa nur 10—12 westliche Divisionen gegenüber43. Offensichtlich beeinflußten diese Fakten der militärischen Bedrohung das Urteil über die politischen Absichten der Sowjetunion nachhaltig und führten dazu, daß Frankreich und die Beneluxstaaten nach britischer Auffassung wenigstens zeitweise »are less confident than we are that the Russians will not attack in the immediate future44.« Insbesondere unter dem Eindruck der Prager Krise im Februar/März 1948 steigerte sich noch das Gefühl einer akuten militärischen Bedrohung45. Im Frühsommer 1948 fand die französische Regierung aber zu einer gelasseneren Beurteilung der konfrontativen Situation zurück. Außenminister George Bidault konstatierte nun, es gebe »no clear indication that the USSR is now prepared to make war46.« Obwohl gewisse Unsicherheiten auf Seiten der Kontinentaleuropäer blieben, gehörten Frankreich und die Beneluxländer zu den sieben atlantischen Staaten, die am 9. September das Washington Paper vorlegten. Dieses Kompromißpapier ging davon aus, daß »according to this [Soviet] ideology and doctrine the peaceful coexistence of the Soviet and non-Soviet worlds is impossible on any permanent basis. The Kremlin leaders aim at the maximum extension of their power and influence.« Die Sowjetunion benutze »the technique of indirect aggression« im Wege der Kominform und »the threat of direct aggression«. Potenz und Gruppierung der sowjetischen Streitkräfte »support the Kremlin program of intimidation designed to attain the domination of Europe. [...] While there is no evidence to suggest that the Soviet Government is planning armed aggression as an act of policy, there is always the danger that, in the tense situation existing at the present time, some incident might occur which would lead to war. War might also come about by a miscalculation of western intentions on the part of the Soviet Government. Alternatively, a sudden decision by the Kremlin leaders to precipitate war might result from fear: (1) that their own personal power was being undermined, or (2) that Soviet strength in relation to that of the western nations was declining, or (3) that these nations had aggressive intentions toward the Soviet Union47.« —
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lungen und Politik gegenüber der UdSSR in Europa und in den USA seit 1917, Paderborn 1983, S. 248. FRUS 1948, IV, S. 885. PRO, F.O. 371/72979, Z 8937/209/17, Record of Conversation Bevin-Ramadier, 26.10.1948. PRO, F.O. 371/73070, Z 4615/2307/72G, Minute BM C/21/48, Air Vice Marshai Huddieston,
21.5.1948. 45
PRO, F.O. 371/73955, Minute by Frank K. Roberts, 17.3.1948, zit. bei Wolfgang Krieger, Gründung und Entwicklung des Brüsseler Paktes 1948—1950, in: Wiggershaus/Foerster (wie Anm. 8), S. 198. Siehe auch Escott Reid, Time of Fear and Hope. The Making of the North Atlantic Treaty 1947—1949, Toronto 1977, S. 53. FRUS 1948, III, S. 142. —
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Siehe Anm. 2.
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Verneinung friedlicher Koexistenzmöglichkeiten ein kalkulierter Expanoder sionskrieg geplanter Großangriff der Sowjetunion in der gemeinsamen Feststellung sieben nordatlantischen Staaten derart deutlich als ziemlich unwahrvon der Vertreter scheinlich gekennzeichnet wurde, ist zu einem großen Teil der Überzeugungsarbeit der amerikanischen Unterhändler aus dem State Department zuzuschreiben: Under Secretary of State Robert A. Lovett, Counselor (of the Department of State) Charles E. Bohlen und dem Leiter des Policy Planning Staff, George F. Kennan. Die Hauptargumente der Amerikaner waren, daß die Sowjetunion vor der Notwendigkeit stand, zunächst die Kriegsschäden zu beheben; sie wiesen auf die sowjetische Erkenntnis aus dem Zweiten Weltkrieg hin, daß man Europa nicht einnehmen könne, ohne zuerst das amerikanische Industriepotential auszuschalten, und betonten, daß der Kreml zunächst einmal das eigene unsichere Regime konsolidieren müsse48. Statt der Gefahr militärischer Aktionen perzipierte die amerikanische Seite eine politischideologische Herausforderung an die europäischen Demokratien. Moskau glaube, leichter auf ideologischem Terrain als militärisch gewinnen zu können. Die ideologische Auseinandersetzung »was now in progress49.« Tatsächlich dominierte bei den westlichen Mächten die Furcht vor einem Umsturz des Gesellschaftssystems, hervorgerufen durch wirtschaftliche und soziale Krisen, den Einfluß und die Anziehungskraft des Kommunismus in Westeuropa sowie gezielte Infiltration nebst politischem und wirtschaftlichem Druck aus Moskau50. Diese Gefahr durfte vor allem für Frankreich und Italien, den Ländern mit starken kommunistischen Parteien und ernsten wirtschaftlichen Problemen, nicht leichtfertig abgetan werden. Außerdem demonstrierten die Sowjets äußeren Druck und interne Subversion zu dieser Zeit sehr augenfällig, so im Zusammenhang mit dem Coup d'etat in Prag, den Forderungen nach einem Vertrag mit Norwegen und der Verwicklung von Satellitenstaaten in den griechischen Bürgerkrieg, was u. a. zu einer scharfen Verurteilung Jugoslawiens führte. Freilich nahm die politisch-ideologische Anfälligkeit der westeuropäischen Gesellschaften gegenüber der kommunistischen Idee mit wachsendem wirtschaftlichen Aufschwung, vor allem infolge des Marshallplans, seit 1948 immer mehr ab. Die gemeinsame Kennzeichnung der Bedrohung in dem Washington Paper als Basis für die Gründung eines Sicherheitspaktes wurde bis zur Unterzeichnung des NATO-Vertrages im April 1949 nicht mehr modifiziert. Vielmehr bekräftigten zahlreiche nationale Analysen und Bewertungen der Westunion in diesem Zeitraum die Erwartung, daß unmittelbare geplante Kriegshandlungen nicht zu befürchten seien51. Nach Gründung der Daß
trotz
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PRO, F.O. 371/73072 [Record] Washington Exploratory Talks, 3rd Meeting, 7.7.1948; FRUS 1948, III, S. 186, 193. 49 FRUS, ebd. S. 157. *° Czempiel (wie Anm. 33), S. 263 f., 269 (Infiltration und Umsturz); FRUS 1948,1, S. 547 (NSC 7 vom 30.3.1948; Subversion, politischer und wirtschaftlicher Druck); PRO, Akten der Westunion, DG 1/5, 48
,
si
Memorandum FC (48) 31, COS Committee 15.11.1948; Watt (wie Anm. 41), S. 249 (Cameron Watt zitiert hier einen Bericht des Russian Committee über das Ende der Berlinblockade vom 13.5.1949 aus PRO, F.O. 371/77609). Siehe etwa PRO, DEFE4/16, COS (48) 128th Meeting, 14.9.1948, JP (48) 70 (Final), 11.9.1948, Annex II. Review of World Strategie Situation; ebd., DEFE 4/21, COS (49) 55th Meeting, 13.4.1949, Ziff. 6, J.P. (48) 65 (Final) vom 31.3.1949.
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NATO kehrte im Westen sogar ausgesprochene Zuversicht ein; hingegen konstatierte man jetzt umgekehrt beim Gegner Anzeichen eines Bedrohungsgefühls52. In einem Aufsatz über westliche Bedrohungsperzeptionen zur Zeit der NATO-Gründung bin ich auch ausführlich auf spezielle sicherheitspolitische Sorgen einiger europäischer Staaten eingegangen: Großbritannien, Norwegen, Italien und Dänemark, wobei Situationsmerkmale in Frankreich, Belgien und Schweden mitreflektiert wurden53. Hier kann lediglich mit kurzen Strichen ein grobes Bild gezeichnet werden. In Großbritannien bewahrte sich z. B. das Foreign Office nach dem Urteil von Donald Cameron Watt54 im gesamten Zeitraum seine professionelle Abgeklärtheit, während sich der Generalstab in der Phase nach dem sowjetischen Atombombentest im Zusammenhang mit Erkenntnissen über eine hohe sowjetische Bomberproduktion zunehmend beunruhigt zeigte. Die Sorgen der norwegischen Regierung fußten insbesondere auf der exponierten geographischen Lage des Landes und der Erkenntnis, daß man Italien und Dänemark vergleichbar im Falle eines großen Krieges keine rasche Hilfe erwarten dürfe55. Oslo, Rom und Kopenhagen sahen sich somit vorerst allein auf die politische und atomare Abschreckungswirkung der Allianz verwiesen56. Aus dieser Sicht ist es nicht verwunderlich, daß alle drei Länder u. a. früh für die Bewaffnung der Westdeutschen argumentierten, um in ihrer Folge von der Vorverlegung der Verteidigungslinie in Europa vom Rhein nach Osten strategisch zu profitieren. In Italien sorgten sich Regierungs- und Militärkreise zusätzlich wegen der Möglichkeit eines Stellvertreterangriffs durch Jugoslawien ganz ähnlich den entsprechenden westdeutschen Analysen, die einen Angriff Ostdeutschlands nicht ausschlössen. In Rom verknüpften sich mit diesen Ängsten zudem stets Befürchtungen in Richtung auf einen gleichzeitigen ferngesteuerten Coup der KPI, dem angesichts der wirtschaftlichen und sozialen Probleme des Landes erhebliche Wirkkraft eingeräumt wurde57. Diese und andere Formen einer politisch-ideologischen Bedrohung wurden auch für die ähnlich strukturierten Gesellschaften in Frankreich und Belgien perzipiert. —
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Veränderung des Bedrohungsbildes im Herbst 1949 Die für Frühjahr 1949 konstatierte allgemeine Zuversicht in den Hauptstädten des atlantischen Bündnisses dauerte nicht lange an. Zwei Ereignisse im Herbst des Jahres änder2.
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PRO, CAB 131/7, D. O. (49) 33, 25.4.1949, Ziff. 5: Meeting of W. U. Defence Ministers, 7.1%. 4.1949.
Norbert Wiggershaus, La mise en place de l'OTAN durant les années 1947 à 1949 et les perceptions occidentales de la menace soviétique, in: Paul Létourneau (dir.), Le Canada et l'OTAN après 40 ans, 1949-1949, Québec 1992, S. 13-48. Watt (wie Anm. 41), S. 248; ders., (wie Anm. 37), S. 334. FRUS 1948, HI, S. 81 (Außenminister Lange zu Marshall). PRO, DEFE4/19, C.O.S. (49) 22nd Meeting, 10.2.1949 (Gladwyn Jebb). Antonio Varsori, Bestrafung oder Aussöhnung? Italien und Großbritannien 1943—1948, in: Hans Woller (Hrsg.), Italien und die Großmächte 1943—1949, München 1988, S. 159; Varsori, Italy between Atlantic Alliance (1949—1955), in: Ennio Di Nolfo (Ed.), Power in Europe? II. Great Britain, France, Germany and the Origins of the ECC, 1952—1957, Berlin, New York 1992, S. 260—299; Leopoldo Nuti, The Italian Military and the Atlantic Pact, in: Ennio Di Nolfo, The Atlantic Pact Forty Years Later. A Historical Reappraisal, Berlin, New York 1991, S. 251—253.
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Bedrohungsbild nämlich deutlich58. Die Sowjetunion zündete Ende August 1949 Atombombe; einen Monat später, am 1. Oktober 1949, rief Mao Tse-tung die Volksrepublik China aus, Höhepunkt des kommunistischen Sieges über die jahrelang von den USA unterstützten nationalchinesischen Kräfte unter Tschiang Kai-schek im chinesischen Bürgerkrieg. Bislang vertraute die amerikanische Administration auf eine lange Fortdauer des eigenen Atomwaffenmonopols. Wenige Tage vor der sowjetischen Kernwaffenexplosion hatte der Verteidigungsminister der USA, Johnson, noch vor dem kanadischen Kabinett versichert, Moskau werde die Atombombe später besitzen als bisher vermutet59. Entsprechend groß
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das
ihre
erste
jetzt die Überraschung. Würde die UdSSR, deren nunmehr zunehmende Atomwaffen die amerikanische Nuklearabschreckung in Frage stellen konnten, gemäß den bisherigen Erwartungen und Unterstellungen tatsächlich zum Angriff blasen? Ohne Zweifel schuf der Erfolg der sowjetischen Kernphysik handfeste sicherheitspolitische Fakten und eine verstärkte Bedrohung, die zahlreiche Fragen aufwarf. Zunächst einmal fügte die sowjetische Atombombe der konventionellen Bedrohung die nukleare hinzu. Die amerikanischen Stabschefs rechneten mit einem zügigen Ausbau des sowjetischen Nuklearpotentials und taxierten die Anzahl der einsatzbereiten sowjetischen Atombomben für 1950 auf 30, für 1951 auf 63 Stück60. In Verbindung mit einem großangelegten Ausbau der sowjetischen Fernbomberflotte die amerikanischen Schätzunzeichnete sich die Gefahr gen sprachen von 1200 einsatzbereiten TU-4 bis 195261 nicht sondern auch der USA und Kananur einer atomaren Bedrohung Großbritanniens, das ab. Mit wachsender atomarer Potenz Moskaus erhöhte sich im west-östlichen Kräftefeld zugleich die Bedeutung der konventionellen Überlegenheit der UdSSR62. Strittig blieb, welche regionalen Prioritäten die Sowjetunion im Falle eines atomaren Vorgehens setzen und wann Moskau in der Lage sein würde, einen atomaren Überraschungsangriff zu führen. Nach amerikanischer Auffassung bedrohten die sowjetischen Langstreckenbomber mit Massenvernichtungswaffen zunehmend vor allem Ziele in den Vereinigten Staaten mit Alaska, in Kanada und Großbritannien als SAC-Stützpunkt. Die Wahrscheinlichkeit eines Einsatzes sowjetischer Atombomben in Kontinentaleuropa schien dagegen abzunehmen63. Dieser Beurteilung widersprach die Bedrohungsanalyse, die die Ständige Gruppe der NATO im Frühjahr 1950 vorlegte, indem sie eine Zunahme der Bedrowar
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Militärstrategische Konzeptionen für die Verteidigung Westeuropas 1948 bis 1950, Wiggershaus/Foerster (wie Anm. 8), S. 275; Manfred Knapp, Die Einstellung der USA gegenüber der Sowjetunion in der Periode des Kalten Krieges 1947—1969, in: Gottfried Niedhart (Hrsg.), Der Westen und die Sowjetunion. Einstellungen und Politik gegenüber der Sowjetunion in Europa Christian Greiner, in:
und in den USA seit 1917, Paderborn 1983, S. 213. NAC, RG2, B2 (= Series 16), T-2367, Vol. 17, 24.8.1949. 60 NA, MMB, RG 218, GF 1948-50, USSR (3-2-46), Sec. 41, JCS 1844/46, Joint Outline Emergency War Plan »OFFTACKLE«, 8.11.1949, S. 347, zit. bei Greiner (wie Anm. 1), S. 202. 61 NA, MMB, RG 218, GF 1948-50, CCS 092 Western Europe (3-12-48), Sec. 42, JIC 2073/7, S. 109, zit. ebd. 62 Siehe insgesamt Greiner (wie Anm. 1), S. 133, 202 f.; ders. (wie Anm. 58), S. 275 f. 63 JIC 2073/7 (wie Anm. 1), S. 80, 103, 110, 114; FRUS 1950, I, S. 181 (betr. Großbritannien als SAC*9
Stützpunkt), insges.
zit. bei Greiner
(wie
Anm.
1),
S. 203.
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hung für alle NATO-Regionen konstatierte und die Konsequenzen der Entwicklung für Nordamerika herausstrich, aber mit Entschiedenheit eine Verringerung der Gefahren für Europa in Frage stellte64. Indem die NATO die Eindringlichkeit der amerikanischen Darstellung nicht zur Kenntnis nehme und keine Angaben über die strategische Luftwaffe der UdSSR und ihre Fähigkeiten in die Bedrohungsanalyse des Bündnisses aufnehme65, verharmloste sie nach Auffassung der Joint Chiefs of Staff in Washington in unan-
nehmbarer Weise die atomare Gefahr für die USA und Großbritannien66. Die ersten Schätzungen über den frühesten Termin eines sowjetischen Atomangriffs relativierten allerdings die frühen Sorgen. Die britischen Stabschefs glaubten Ende September 1949 nicht, daß Moskau vor 1957—1959 für einen Atomkrieg gerüstet sein würde67. Ähnlich lautete die gemeinsame amerikanisch-britische Analyse Anfang November 1949. Sie sprach von einem »sizeable stockpile« sowjetischer Atomwaffen in den Jahren 1955 bis 195768. Die bekannte Lageanalyse des Nationalen Sicherheitsrates der USA vom April 1950, NSC 68, terminierte die Möglichkeit eines atomaren Überraschungsangriffes auf die Zeit ab 1954/5569. Die Bewertung der sowjetischen nuklearstrategischen Fähigkeiten entsprach der amerikanischen Analyse der möglichen Kriegsabsichten der UdSSR. Jedenfalls vermochte Botschafter Kirk in Moskau wegen des plötzlichen Nuklearerfolgs keine grundsätzliche Ände-
rung der derzeitigen sowjetischen Abneigung zu erkennen, Feindseligkeiten zu akzeptieren oder zu initiieren70. Vielmehr bestätigte Kirk die Einschätzung durch die Botschaft vom 5. April 1949: »The Soviet Union will not resort to direct military action against the West in the near future and expects and counts on a period of several years
of peace71.« Trotz der relativ beruhigenden Ergebnisse bei der zeitlichen Prognose und Einschätzung der Drohabsichten nahm man die mit der beginnenden sowjetischen Atomrüstung verbundenen Gefahren ernst, schließlich waren Vorsorge- und Gegenmaßnahmen auch nicht in Jahresfrist zu verwirklichen. Vor diesem Hintergrund sind die »fieberhafte[n] Reaktionen und Aktivitäten72« zu verstehen, die der sowjetische Nukleartest in den USA auslöste, darunter die Anordnung zur Entwicklung der Wasserstoffbombe durch Präsident Truman im Januar 1950. Aus dem zweiten Großereignis auf der internationalen Bühne, dem Erfolg der kommunistischen Revolution in China, resultierte eine maßgebliche Stärkung der gegnerischen DC 13, Part II, S. 31, zit. bei Greiner, ebd., S. 204f. JCS 2073/7, S. 109 f., zit. bei Greiner, ebd., S. 204. " NA, MMB, RG 218, GF 1948-1950, Western Europe (3.12.48), Sec. 43, JIC 479/14, North Atlantic Treaty Organization Medium Term Defense Plan, 1.7.1954, Part II (SG 20/2), 16.3.1950, S. 2, zit. bei Greiner, ebd., S. 205. 67 PRO, DEFE 4/25, C.O.S. (49) 143rd Meeting, 28.9.1949, Zif. 7, Annex: J.P. (49) 45 (Final Revise), Effect of Atomic Weapons on the Organization of the Armed Forces. 68 NAC, RG 2, B 2, Vol. 109, U-12-6, 1943—49, Memorandum for Robertson, 7.11.1949, J. George. 69 Knapp (wie Anm. 58), S. 214; Abdruck des Dokuments NSC 68 in: FRUS 1950, I, S. 234—292. 70 FRUS 1949, V, S. 658f. 71 Ebd., S.603. 72 Knapp (wie Anm. 58), S. 213. 64
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Gesamtkapazität73 und eine Bedrohung der amerikanischen und französischen Positionen im Fernen Osten. Sie zwang die USA und Frankreich »zu einer Gewichtung ihrer politischen Interessen und ihres militärischen Potentials zwischen Europa und dem Pazifik74.« Unmittelbar bewirkte Mao Tse-tungs Sieg fortan die tatkräftige Unterstützung der asiatischen Aufstandsbewegungen durch die Volksrepublik China75. Die Intensivierung der Kämpfe in Malaya und Indochina Folge dieser Unterstützung band zunehmend europäische Truppenkontingente in Asien, die dadurch der Verteidigung Westeuropas entzogen wurden. Eine Bilanzierung der Situation und der jüngsten Entwicklungen, aufgestellt von Vertretern der Vereinigten Staaten, Großbritanniens und Frankreichs während eines trilateralen Meinungsaustausches im Frühjahr 1950, stellte diesen kommunistischen Erfolgen auf der Habenseite des Westens primär die Gründung der NATO gegenüber. Als weiteres Plus kam die Westorientierung der Bundesrepublik Deutschland hinzu sowie der (nicht zu überschätzende) Abfall Jugoslawiens von Moskau76. Das Verhandlungsprotokoll läßt aber keinen Zweifel daran, daß der gegnerische Macht- und Propagandagewinn bedeutender als der eigene eingeschätzt wurde. Doch trotz der gestärkten Position der Sowjetunion als Nuklearmacht mit chinesischer Rückendeckung verneinte man in dieser Runde, daß sich die sowjetische Kriegsbereitschaft erhöht hätte. Unwidersprochen konnte Botschafter Sir Gladwyn Jebb feststellen, die Sowjetunion werde wie bisher immer vorsichtig handeln. Deshalb sei ein von Moskau kalkulierter offener Angriff trotz verbesserter Position in den nächsten Jahren unwahr—
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scheinlich, zumindest bis die kommunistische Seite ein Übergewicht erreicht habe genommen seien
3. Antworten
aus
auf die
Fehlkalkulationen
entspringende
Konflikte.
aus—
perzipierten Gefahren
In den Jahren 1947 bis 1949 konstatierte der Westen eine verstärkte Konfrontation mit
der Sowjetunion. Die perzipierten Gefahren lassen sich in folgenden Hauptfaktoren zusammenfassen: (1) Die sowjetische Außenpolitik wurde im Westen weitgehend als expansionistisch empfunden, und man traute der Sowjetunion die Absicht zu, ihr Territorium und ihren Einflußbereich notfalls auch mit militärischen Mitteln zu erweitern. Ein erheblicher Teil der politischen und militärischen Verantwortlichen hielt einen Krieg für letztlich unvermeidbar. (2) Der konventionellen Stärke des potentiellen Gegners hatte der Westen nichts annähernd Gleichwertiges entgegenzusetzen. Monopol bzw. Vorsprung bei den atomaren Waffen konnten einen laufenden Angriff nicht wesentlich behindern. Strategische Studien kalkulierten deshalb den Rückzug bis hinter die Pyrenäen. Die potentielle wirt73
DND, 112.3M2 (D 120), BDF MO 47 (E) Vol. 4 (DMO and P Coord.), Ottawa, 31.10.1949.
lich wurden sowjetische und chinesische Divisionen nicht einfach addiert. Greiner (wie Anm. 58), S. 276. Greiner (wie Anm. 1), S. 134. NA, DB, RG59, CDF 1950-54, Box 3425, 740.5/4-2750, London Tel. Secto 23, 27.4.1950. -
74 75 76
Frei-
Nordatlantische
Bedrohungsperzeptionen
im »Kalten
Krieg«
29
1948—1956
schaftliche, militärische, technologische und politische Kraft Nordamerikas ermög-
allerdings eine Rückeroberung Westeuropas. (3) Angesichts der geographischen Nähe der sowjetischen Streitkräfte fühlten sich die lichte
Westeuropäer unmittelbar bedroht. Die nordamerikanischen Staaten befürchteten vor-
eine indirekte Bedrohung; direkte Gefahren schätzten sie als mittel- und langfristig ein; lediglich die politische Vormachtstellung in der internationalen Politik und wirtschaftliche Interessen sahen sie unmittelbar tangiert. Insbesondere wegen der wirtschaftlichen Kriegsfolgen, des nuklearen Abstands, des politisch ungefestigten »Satelliten«-Gürtels, aber auch wegen erkannter weiterer Schwä-
erst nur
(4)
chen der
Sowjetunion hielt man die außenpolitisch scharf kalkulierende Moskauer
Führung für einsichtig genug, für einen Überfall politisch-strategisch bessere Zeiten abzuwarten. Ein Generalangriff vor Mitte der 50er Jahre galt deshalb als höchst unwahrscheinlich. Allerdings mochte man Fehlkalkulationen des Kreml nicht ausschließen; insbesondere bezog man in das Gefahrenkalkül mit ein, daß kleinere Krisen wie die Berlinkrise zu leichtfertig gehandhabt werden und unbeabsichtigt
außer Kontrolle geraten könnten. (5) Angesichts der diffusen wirtschaftlichen, sozialen und politischen Situation der Schwäche und Erneuerung in einigen westeuropäischen Ländern bündelten sich trotz politisch-moralischer Vorteile, zunehmender wirtschaftlicher Stabilität und wachsender politischer Festigkeit der europäischen Demokratien die akuten Sorgen auf mögliche politisch-ideologische Initiativen und »indirekte Aggressionen« des Gegners. Wie reagierte man in den westlichen Hauptstädten auf diese Bedrohungsanalyse? Angesichts der primär politischen und auf Europa gerichteten Bedrohung betrieben die Vereinigten Staaten im Rahmen ihrer Containmentstrategie seit 1947 eine gezielte Politik der ökonomischen und politischen Rekonstruktion und Stabilisierung Westeuropas, zunächst in Form wirtschaftlicher Hilfe für Griechenland und die Türkei, bald in Form der Marshallplanhilfe. Diese Maßnahmen waren eine angemessene und ausreichende Antwort auf Art und Ausmaß der Bedrohung. Um die europäische Stabilität dauerhaft zu gestalten, wurde mit der OEEC zudem eine feste Organisation geschaffen und die wirtschaftliche Zusammenarbeit der Europäer insti—
—
—
—
tutionalisiert. Die Annahme der Marshallplangelder durch die Westeuropäer bedeutete eine erste Verkuppelung der Sicherheit Westeuropas mit den USA und die Vorstufe zur militärischen Sicherheitspartnerschaft77. In dieser Phase festigten sich die parlamentarischen Demokratien und die liberalen Wirtschafts- und Gesellschaftsordnungen in Europa. Da vorerst kein Krieg in Sicht war, hielten die Vereinigten Staaten eine eigene Aufrüstung nicht für notwendig. Gestützt auf den exklusiven Besitz der Atombombe, die maritime Überlegenheit und seine Produktionskapazität nahm Amerika fürs erste ein gewisses Risiko sowjetischen Übergewichts bei den Landstreitkräften in Europa und Asien in Kauf. Der Anstoß zum militärischen Zusammenschluß ging von den westeuropäischen Staaten selbst aus. Ihm lag die Überzeugung zugrunde, daß es keine wirtschaftliche StabiliWichard Woyke, Anm. 8), S. 210.
Gründung und Entwicklung der NATO 1948—1950, in: Wiggershaus/Foerster (wie
Norbert
30
Wiggershaus
ohne gleichzeitige politische und militärische Sicherheit geben könne. Der Brüsseler Pakt und die Gründung der NATO manifestierten den Willen, der sowjetischen Herausforderung notfalls auch militärisch zu begegnen78. Als ein »politisches Instrument« sollte der Atlantikpakt die nordamerikanischen Staaten mit den westeuropäischen Demokratien sicherheitspolitisch verstricken, der Sowjetunion den gemeinsamen Verteidigungswillen demonstrieren und die Kriegsgefahr zumindest zeitlich zurückdrängen. Das wesentliche Motiv der amerikanischen und kanadischen Regierung für ihre Teilnahme am Bündnis lag in der Abschreckungswirkung79. Auf diese Absicht blieb der Nordatlantikpakt auch vorerst beschränkt. Tatsächlich wurde die militärische Verstärkung der Allianz erst nach Bekanntwerden der ersten sowjetischen Atombombenexplosion im September 1949 in Angriff genommen. Washington reagierte unter Vernachlässigung der konventionellen Streitkräfte mit einer zusätzlichen Beschleunigung und Ausweitung des Atomprogramms80 und mit dem Beschluß zum Bau der Wasserstoffbombe, um Mittel gegen die sowjetischen Ausgangspunkte möglicher Atomangriffe bereitzustellen. Mit der Bereitstellung amerikanischer Militärhilfe an die NATO-Partner und der Billigung einer ersten mittelfristigen Verteidigungsplanung für Westeuropa folgten politisch halbherzige Maßnahmen zur konventionellen Verstärkung der Allianz. Die Bildung einer atlantischen militärischen Führungsorganisation und eine wirksame Aufrüstung nahmen die NATO-Mitglieder erst in Angriff, nachdem der westlichen Welt mit der Entfesselung des Koreakrieges am 25. Juni 1950 ein weiterer Schock versetzt worden war. tat
II.
1. Die
Bedrohungsvorstellungen der Westmächte unter dem Eindruck des Kriegsausbruches in Korea, 1950/51
Bedrohungsanalyse
Die den Westen völlig überraschende nordkoreanische Aggression am 25. Juni 1950 warf erneut und jetzt dringlicher die Frage nach Art, Umfang, geographischer Ausdehnung und Zeitpunkt der östlichen Bedrohung auf. An ihr mußten sich vor allem die möglicherweise notwendigen langfristigen westlichen Abwehrmaßnahmen orientieren. An dem sowjetischen Übergewicht bei den konventionellen Streitkräften hatte sich seit Gründung der NATO kaum etwas verändert. Im Bereich der Atomwaffen und ihrer Trägersysteme waren die Vereinigten Staaten weiterhin dominant. Das Anwachsen der sowjetischen Fähigkeit bei diesem gewaltigsten aller militärischen Einsatzmittel drohte aber über kurz oder lang die westliche Nuklearpotenz zu paralysieren. In der dann herrschenden ato78
Vgl. Martin Geiling, Außenpolitik und Nuklearstrategie. Eine Analyse des konzeptionellen Wandels der amerikanischen Sicherheitspolitik gegenüber der Sowjetunion (1945—1963), Köln, Wien 1963,
79
Czempiel (wie Anm. 33), S. 411 (betr. die USA); NAC, RG 2, B 2,
S.59.
12.2.1949
813
(Truman,
FRUS 1949,
St. Laurent).
I, S.385ff.
Vol. 244, C-12. 1949, Minutes
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31
Pattsituation hätte das sowjetische konventionelle Übergewicht nach nahezu allgemeiner Sicht den Zeiger der Rüstungswaage weit zugunsten Moskaus ausschlagen lassen. Im Lichte dieses Kräfteverhältnisses kam der National Security Council in Washington zu der Auffassung, daß die Sowjetunion militärisch dazu fähig sei, »jedwedes an ihrer Peripherie gelegene Land zu besetzen, ganz Westeuropa, den Nahen und Mittleren Osten zu überfallen, das Vereinigte Königreich, den nordamerikanischen Kontinent und die Ozeanschiffahrt direkt anzugreifen und die militärischen Anstrengungen im Fernen Osten erheblich zu verstärken. Doch wird die UdSSR nicht für fähig gehalten, die USA daran zu hindern, einen atomaren Schlag zu führen oder unser industrielles Potential auf der Stelle lahmzulegen« (NSC 73/1)81. Eine andere Studie (NSC 7682) listete detailliert all die Fronten auf, an denen sowjetische und Satellitentruppen aktiv werden könnten, strich aber die Bedrohung für Westeuropa und hier wiederum für die Bundesrepublik Deutschland und West-Berlin besonders heraus. Der britische Generalstab traute der Sowjetunion eher noch größere militärische Fähigkeiten zu. Die Sowjetischen Streitkräfte könnten ganz Europa überrennen. Man glaubte, daß dazu sogar die 22 in der DDR stationierten Divisionen 1. Staffel allein imstande seien83. Der nordkoreanische Einmarsch nach Südkorea schien die vorher in allen drei westlichen Hauptstädten zum Ausdruck gekommenen Befürchtungen über den Aggressionswillen der Sowjetunion zu bestätigen. Innerhalb der westlichen Regierungen bezweifelte damals kaum jemand, daß für den Angriff die Kremlführung verantwortlich war84. Heute kann als gesichert gelten, daß Moskau den Angriff im Ergebnis der Fehlkalkulation, Südkorea liege außerhalb der amerikanischen Sicherheits- und Interessenzone, nicht verhindert hat. Jedenfalls warf der damalige sowjetische Außenminister A.Ja. Wyschinski kurz vor seinem Tode einem amerikanischen Verantwortlichen vor: »Sie haben uns in dem Glauben gewiegt, daß Sie nichts in Korea unternehmen würden und dann haben Sie es doch getan85.« Chinesische Quellen belegen, daß das nordkoreanische Vorgehen von Moskau gebilligt sowie auch das spätere Eingreifen Pekings in die Kämpfe mit der Sowjetunion diskutiert worden war86. maren
—
—
81
82
NA, MMB, RG 341, OPD 388 Russia TS (7-1-45), See. 12, NSC 73/1, 29.7.1950, Ziff. 5. Vgl. die geringfügigen Änderungen der Version NSC 73/4 vom 25.8.1950: FRUS 1950, I, S. 375ff. Zit. bei Laurence W Martin, The American Decision to Rearm Germany, in: American Civil-Military Decisions. A Book of Case Studies, ed. by Harold Stein, Birmingham, Alabama 1963, S. 651. Zu den Hauptgefahrenpunkten wurde Deutschland
neben Jugoslawien und Persien auch von George gezählt. FRUS 1950, I, S. 325. PRO, DEFE 4/33, C.O.S. (50) 113th Meeting, 19.7.1950, Ziff. 3; ebd., C.O.S. (50) 124th Meeting, 10.8.1950, Ziff. 17 (mit Hilfe der 22 Divisionen in der DDR). PRO, F.O. 371/86756, NS 1052/68G, RC/102/50: The Soviet Union and Korea, 1.7.1950. Zit. in Glenn D. Paige, Comparative Case Analysis of Crisis Decisions: Korea and Cuba, in: International Crisis. Insights from Behavioral, ed. by Ch.F. Hermann, New York, London 1973, S. 49. Bernd Bonwetsch, Die Sowjetunion und der Beginn des Korea-Krieges, Juni—Oktober 1950, in: Unruhige Welt. Konflikt- und Kriegsursachen seit 1945, hrsg. vom Arbeitskreis für Wehrforschung (Militärgeschichte International, Bd 1), Koblenz 1989, S. 11, 10; Peter M. Kuhfus, Widerstand und Hilfe. Hintergründe der chinesischen Intervention in Korea (September 1950—Januar 1951), in: ebd., S. 25, 30—40. Kennan und CIA-Direktor Rear Admiral Roskoe H. Hillenkoetter —
83
84 85
86
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32
Norbert
Wiggershaus
Schon das Dokument NSC 68 vom April 1950, nach Billigung durch Präsident Truman Grundlage für die außenpolitische Strategie der USA, hatte die Sowjetunion sowohl aus machtpolitischen wie aus ideologischen Gründen als aggressiv beurteilt. In dem Konflikt der Gesellschaftssysteme ziele Moskau auf die Weltherrschaft87. Die aktuellen Analysen fanden dieses Urteil nun bestätigt88. In ideologischer Betrachtung des Kriegsausbruches in Korea unterstellten weite Teile der amerikanischen Administration der Kremlführung, einen Krieg zwischen der kommunistischen und der demokratischen Welt für grundsätzlich unvermeidbar zu halten. Jedenfalls perzipierte die politische Führung der USA einen zentral gelenkten kommunistischen Imperialismus89. Folglich schloß man sowjetische Angriffsabsichten nicht mehr aus. Die im Nationalen Sicherheitsrat vermuteten strategischen Vorgehensweisen der Sowjetunion bezogen einen globalen Krieg, lokale und begrenzte Aktionen Moskaus sowie Aggressionen von Satellitenstreitkräften (Stellvertreterkriege) als Möglichkeiten ein. Seine bisherige Annahme, daß Moskau keinen allgemeinen Krieg beginnen wolle und auch in der Zukunft durch ausreichende politische, wirtschaftliche und militärische Stärke davor abgeschreckt werden könne, sah das Gremium durch den Koreakrieg nicht notwendigerweise entkräftet; möglicherweise verfolge der Kreml nur begrenzte Ziele oder habe gehofft, gar nicht mit dem Konflikt in Zusammenhang gebracht zu werden. Die Gefahr von Stellvertreterkriegen lokalisierte der Nationale Sicherheitsrat vor allem in Asien. Die Wahrscheinlichkeit eines Stellvertreterkrieges durch die DDR schätzte der Rat nicht sehr hoch ein, weil er ohne direkte Involvierung der Sowjetunion nicht denkbar schien90. Zu keiner Zeit dieser Phase wurden die amerikanischen Bedrohungsanalytiker und führenden Köpfe der Administration in der relativen Sicherheit schwankend, daß die Sowjetunion derzeit keinen großen Krieg beginnen wolle91. In Großbritannien fand man durch den Kriegsausbruch nicht nur die Richtigkeit einer im Frühjahr 1950 begonnenen Untersuchung bestätigt, in der die Sowjetunion als aggressiv eingeschätzt wurde92. Auch Premierminister Attlee zum Beispiel legte seiner Beurteilung der Ereignisse in Korea eine ideologische Prämisse zugrunde, als er feststellte, der Angriff 87
Text in: FRUS 1950, III, S. 234ff. Zur
Bewertung des Dokuments: P.Y Hammond, NSC 68: Prologue to Rearmament, in: WR. Schilling/P. Y Hammond/G.H. Shyder, Strategy, Politics, and Defense Budgets, New York 1962, S. 267-578; S.F. Wells, Jr., Sounding the Tocsin: NSC 68 and the Soviet Threat, in: International Security, 4 (2, Fall 1979), S. 116-158; J.L. Gaddis/P. Nitze, NSC 68 and the Soviet Threat Reconsidered, in: International Security, 4 (4, Spring 1980), S. 164—176; Knapp (wie Anm. 58), S. 214-215. 88 Siehe z.B. NAC, RG 2, B 2, Vol. 167, K-10 (Vol. 1), 1950 (Aug.-Sept.), Memorandum for the Prime
89
913 91
92
Minister. Discussion on Korea, Pearson, 2.8.1950, Enclosure: Discussion with Mr. Acheson and Officials in Washington. Insgesamt Norbert Wiggershaus, Die Entscheidung für einen westdeutschen Verteidigungsbeitrag 1950, in: Anfänge westdeutscher Sicherheitspolitik (wie Anm. 1), S. 340ff.
Knapp (wie Anm. 58), S. 215. NSC 73/4. Siehe auch FRUS 1950,1, S. 353 ff. Zum Gesamtproblem siehe Wiggershaus (wie Anm. 17). Diese Einschätzung resultierte aus der Untersuchung aller Eventualitäten in dem Dokument NSC 73/4. Zahlreiche weitere Quellen bestätigen diese Auffassung. Verteidigung im Kalten Krieg (Defence in the Cold War). Bericht einer Studiengruppe des Chatham House, hrsg. vom Royal Institute of International Affairs, Konstanz, Zürich, Wien 1951.
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habe gezeigt, daß kommunistische Streitkräfte bereit seien, günstige Gelegenheiten für einen Krieg zu nutzen93. Im übrigen zweifelte er nicht daran, daß Moskau für den Kriegsausbruch verantwortlich sei94. Doch mochte London später ebensowenig wie Washington an eine akute Weltkriegsgefahr glauben95. Allgemein fügten die britischen Sicherheitsexperten den nordkoreanischen Angriff in ein vermutetes globales weltpolitisches Konzept der östlichen Führungsmacht ein96. In London stellte man sich entlang der südlichen und westlichen Peripherie der Sowjetunion eine Gefahrenkette von Südostasien bis nach Nordeuropa vor, in deren asiatischem Teil die britische Krone mit Malaya, Burma, Singapur und Hongkong eigene Glieder besaß, die durch die kriegerische Entwicklung in Indochina schon seit geraumer Zeit der Gefahr des Verlustes durch eine Dominoreaktion ausgesetzt waren. Mit Korea hatte sich ein weiterer Ausgangspunkt für diese gefährliche Entwicklung gebildet. Amerikanisch-britische Gespräche über die Hauptgefahrenherde im Licht der nordkoreanischen Aggression, die in der zweiten Julihälfte in London stattfanden, zeigten eine grundsätzliche Übereinstimmung sowohl im Hinblick auf die Möglichkeiten weiterer kommunistischer Aktionen als auch darüber, daß sie auf einen »sowjetischen Generalplan (overall Soviet plan)« zurückzuführen seien97. Die britische Regierung stellte sehr viel stärker als die amerikanische die Möglichkeit eines selbständigen Vorgehens der DDR in Rechnung98. Eine zusätzliche Gefahr erblickte London in einem möglichen Zusammenspiel von »Volkspolizei« und einer »5. Kolonne« in Westdeutschland99. Angesichts der Erfahrung in Indochina, wo im September 1950 bereits 150000 französische Soldaten gebunden waren, kann es nicht überraschen, daß der Koreakrieg gerade auch in Frankreich nur als ein weiterer Beweis für die Existenz eines sowjetischen Generalplanes zur Welteroberung gedeutet wurde. Paris benutzte gegenüber den Verbündeten seit langem das Argument vom globalen Charakter des Indochinakrieges. Jetzt bekräftigte der Ausbruch der koreanischen Krise die in Washington nach französischer Meinung bisher unzureichend gewürdigten Mahnungen. Daß der Konflikt nach Indochina und Malaya wiederum in Asien begonnen hatte, bestätigte den Franzosen die These von der durch Moskau betriebenen zielbewußten Ablenkung von Europa100. Im übrigen schlössen schon im Juli 1950 alle drei Westmächte ein Eingreifen Rotchinas in den Indochinakrieg jetzt nicht aus101. —
—
93 54
* 96
97
98
99 100 101
Am 23.6.1950 im Unterhaus. Clement Richard Attlee, As It Vgl. FRUS 1950, VII, 1, S. 187 mit Anm. 3, S. 198. Ebd., S. 522.
Happened,
London 1954, S. 199.
Hierzu und zum Folgenden G. Mai, Westliche Sicherheitspolitik im Kalten Krieg. Der Korea-Krieg und die deutsche Wiederbewaffnung 1950, Boppard a.Rh. 1977 (= Militärgeschichte seit 1945, Bd 4), S. 44 ff. FRUS 1950, III, 2, S. 1656 ff., 1661 ff. (Zitat: S. 1658). Ebd., III, 1, S. 264f., 265f. Vgl. ebd., S. 310, III, 2, 1019f. Zu einer möglichen Bedrohung durch die Kasernierte Volkspolizei sei verwiesen auf Wiggershaus (wie Anm. 17). The Times, 9.8.1950, zit. in: Mai (wie Anm. 96), S. 54. Mai, ebd., S. 67f., 69, 71 f. (mit zahlreichen Belegen). FRUS 1950,
III, 2, S. 1172f.,
1175.
Norbert
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Unterstellte man mit dem Stichwort »Ablenkung« auch in erster Linie einen möglichen Angriff der Sowjetischen Steitkräfte in Europa, so rechnete man in der Regierung, in Kreisen der Opposition und der militärischen Elite Frankreichs durchaus auch mit einem vorherigen deutschen »Korea«102. Mehr noch als Amerikaner und Briten sorgten sich die Franzosen vor einem »Dominoeffekt«. Seit langer Zeit herrschte Angst vor politischen Krisen in Italien, die auf Frankreich übergreifen könnten. Jetzt befürchtete das französische Außenamt sowohl Rückwirkungen auf Indochina, falls Südkorea kommunistisch werde103, als auch auf Frankreich, wenn mit dem eroberten Westdeutschland der nächste Dominostein fiele. In einer ganz knappen, nur etwa einwöchigen Phase Ende Juli 1950 war die französische Regierung sogar einer Weltuntergangsstimmung nahe. Man nahm fast als sicher an, daß die seit dem Kriegsausbruch in Korea mobilisierten westlichen, insbesondere amerikanischen Energien und projektierten Rüstungsanstrengungen und eine daraus resultierende Veränderung der militärisch-politischen Weltlage zuungunsten Moskaus die sowjetischen Führer bestimmen könnten, die völlig unzulängliche militärische und wirtschaftliche Bereitschaft des Westens zu nutzen, um in den Monaten August und September —
blitzartig anzugreifen104. Washington, London und nach den großen Befürchtungen im Juli auch Paris waren sich im Spätsommer 1950 darin einig, daß Moskau derzeit keinen großen Konflikt wünsche105. Auf amerikanischer Seite nahm man im Juli 1950 an, daß die Sowjetunion etwa 1952 auf einen allgemeinen Krieg vorbereitet sein würde106. Diese Befürchtung beruhte auf der Erwartung sowjetischer Fortschritte auf dem Sektor der nuklearen Rüstung107. Die National Intelligence Estimate No. 3 (NIE-3) rechnete hinsichtlich des sowjetischen A-Bombenvorrats im November mit der folgenden Entwicklung: —
—
—
Mitte 1950: 22 Mitte 1953: 165 Mitte 1951: 50 Mitte 1954: 235 Mitte 1952: 95 Die permanente Überlegenheit Amerikas galt nicht als Hinderungsgrund für eine Angriffsentscheidung Moskaus. »When the Soviet rulers believe that they have produced a sufficient quantity of atomic bombs to be seriously crippling or decisive against the Western Powers, the danger of Soviet attack will be greatly increased. When the Soviets have attained this atomic capability, the US superiority in total numbers of atomic bombs will no longer be a deterrent to the Soviet decision for war, in the same relative degree 20 (1950), S. 2477, 11.7.1950 (Ch. de Gaulle); Konrad Adenauer, Erinnerungen 1945-1953, 1965, S. 352 (A. François-Poncet); Le Monde, 3.9.1950 (R.Pleven). Stuttgart i°3 FRUS 1950, VII, 1, S. 175f. (A. Parodi). 104 Befragung Botschafter a. D. H. Blankenhorn am 7.6.1977. Hochkommissar André François-Poncet am 16.7.1950 gegenüber Min.Dir. Herbert Blankenhorn, Bundeskanzleramt. 105 FRUS 1950, I, S. 325f., 327, 361, 367 (USA); FRUS 1950, III, 2, S. 1135 (Großbritannien), 1136 (Frankreich), 1136f. (USA), 1167 (USA), 1170 (drei Westmächte). Zur ähnlichen Haltung der Niederlande vgl. FRUS 1950, VII, 1, S. 185 (Stikker). 106 102
107
KAG,
FRUS 1950, III, 2, S. 1667. Vgl. ebd., III, 1, S. 287 (Acheson; in einigen Jahren), S. 294 (Acheson; in 18—24 Monaten sollte die Verteidigung Westeuropas stehen), S. 298 (Acheson) sowie NSC 73/1 und 73/4 (siehe Anm. 101), Ziff. 5.
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before. The extent of Soviet vulnerability to a retaliatory US attack will, however, affect Soviet calculations. 17. It is impossible to state when the Soviets may estimate they have reached this capability. This may occur at any time and the situation may become critical at any time within the next two years108.« Eine der jeweiligen Bombenzahl entsprechende Trägerkapazität für Angriffe auf Großbritannien und die Vereinigten Staaten wurde Moskau unterstellt109. Hier sind aus heutiger Sicht die größten Zweifel an den damaligen amerikanischen Analysen angebracht, wie die kritischen Untersuchungen zur sowjetischen Bomberentwicklung von Matthew Evangelista, aber auch zeitgenössische Bewertungen zeigen110. Im übrigen grenzte Washington im Oktober und November 1950 den spätest denkbaren Zeitpunkt für einen möglichen sowjetischen Angriff auf den Westen mit dem Jahr 1954 ab. Zu diesem Zeitpunkt wäre die NATO gemäß ihrer Streitkräfteplanung in Europa in der Lage, einen sowjetischen Anfangsstoß aufzufangen; außerdem würde sich 1954 die Streitkräftelücke zwischen Ost und West zu schließen beginnen. Etwa im Jahre 1952 drohe die größte relative Überlegenheit der Sowjetunion111. In den Jahren 1952 bis 1954 schien die Gefahr durch die Sowjetunion somit ihren Höhepunkt zu erreichen. In Großbritannien glaubte man indes, mehr Zeit für die Vorbereitungen auf einen möglichen Ausbruch des erwarteten Weltkrieges zu haben. Nach Auffassung des britischen Nachrichtendienstes verfügte der Kreml nicht vor 1955 über die entsprechenden Voraussetzungen112. Über die Vorstellungen der französischen Regierung über einen mutmaßlichen sowjetischen Angriffstermin ist nach wie vor wenig bekannt. Offenbar legte man sich auch gar nicht genau fest. Einzelne Stimmen lassen erkennen, daß sie die Gefahr eines Krieges mit dem Erreichen des atomaren Patts verbanden113. Stellvertreterkriege schloß man im Westen einhellig auch für die nahe Zukunft nicht aus114. Das Urteil der drei Westmächte über die Frage des mutmaßlichen Zeitpunktes eines möglichen sowjetischen Überfalls gründete sich also auf die schon vor Korea relevanten Vorstellungen. Dementsprechend blieben noch mindestens zwei Jahre Zeit, um sich auf eine etwaige sowjetische Offensive vorzubereiten. Im Dezember 1950 änderte sich diese Einschätzung in Washington allerdings unter dem Eindruck des massiven chinesischen Eingreifens in den Koreakonflikt für kurze Zeit; man befürchtete einen möglichen, unmittelbar bevorstehenden sowjetischen Angriff115. as
108
NA, DB, RG 59, PPS 1947-53, Box 23, NIE-3, 13.11.1950.
109
Ebd., Ziff. 30. Matthew Evangelista, Innovation and the Arms Race. How the United States and the Soviet Union Develop New Military Technologies, Ithaca, London 1988, S. 166 f., 171 f.; NA, DB, RG 59, UM Minutes, UM M-248, 29.7.1950 (Mängel bei der Lieferung von Langstreckenbombern und A-Bomben). FRUS 1950, I, S. 414ff. Vgl. FRUS 1950, VII, 1, S. 523. FRUS 1950, III, 2, S. 1667. Die amerikanisch-britischen Meinungsunterschiede bestanden offenbar auch nach einer weiteren Aussprache in dieser Sache im Oktober 1950 fort. Vgl. ebd., S. 1686; aber: FRUS 1950,1, S. 414 ff. KAG (wie Anm. 102). Siehe z.B. NA, DB, RG59, PPS 1947-53, Box 17, Truman Attlee Talks, Minutes 5th Meeting, 7.12.1950, S. 3 (Acheson). FRUS 1950, I, S. 463, 464, 466f., 479f„ 481; FRUS 1950, VII, 2, S. 1293, 1308ff.; Robert Spencer,
110
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Wiggershaus
Wichtige Antworten
man die zunächst unterstellte sowjetische Zustimmung zum Angriff des kommunistischen Nordkorea auf Südkorea als eine ausgemachte politische Dummheit ein, weil er den westlichen Regierungen die Argumente für die als notwendig erachteten Verteidigungsanstrengungen lieferte und in Parlamenten und Öffentlichkeit die Atmosphäre für umwälzende sicherheitspolitische Entscheidungen schuf116. Tatsächlich wurde die Gunst der Stunde in den USA und Großbritannien dankbar begrüßt und kühl ausgenutzt. Dies gilt vor allem für die britische Regierung, die gemäß ihrer Bedrohungsanalyse eigentlich gar nicht zu massiven Sofortmaßnahmen gezwungen gewesen wäre. Whitehall bekannte sich dazu, keine Zeit zu verlieren und mit dem Rückenwind des Krieges in Asien sicherheitspolitisch jetzt Nägel mit Köpfen zu machen117. Die drei Westmächte und die Atlantische Allianz verließen nun die verteidigungspolitische Defensive und vollzogen einschneidende, langfristig wirkende Weichenstellungen. Die wohl gravierendste war die auf Europa konzentrierte allgemeine konventionelle Aufrüstung im Bündnisrahmen. Und in der Tat ließ sie sich unter der Schockwirkung des Krieges in Korea ohne große Debatten und Schwierigkeiten durchsetzen. Sozusagen im Handumdrehen war in Westeuropa die bisherige Prioritätenfolge von wirtschaftlichem Wiederaufbau vor Verteidigungsanstrengungen auf den Kopf gestellt wor-
In Washington stufte
den. Die Konzentration auf Europa entsprach der Einschätzung, Westeuropa sei das Schlüsselgebiet für die Verteidigung der ganzen freien Welt. Der konventionelle Rüstungsschwerpunkt resultierte aus der erst im Koreakrieg gewonnenen Erkenntnis, daß auf konventionelle Aktionen nukleare Abschreckung nur begrenzt wirke und konventionelle Stärke somit nicht allein am Eintritt des atomaren Patts orientiert werden dürfe, sondern auch für »begrenzte Kriege« vor Erreichen der Pattsituation kalkuliert werden müßte. Parallel zur konventionellen Aufrüstung nahm das Bündnis den Auf- und Ausbau der Nordatlantischen Verteidigungsorganisation in Angriff. Die USA beteiligten sich an den Maßnahmen zur Verteidigung auf dem europäischen Kontinent direkt, u. a. durch schon im Frieden stationierte Truppen und durch Einbindung in die neue Militärorganisation, an deren Spitze ein amerikanischer Oberbefehlshaber trat. In der internationalen Öffentlichkeit und unter den westlichen Regierungen besonders umstritten war die Entscheidung der NATO-Staaten zugunsten eines westdeutschen Verteidigungsbeitrages im Herbst 1950. Sie kennzeichnet besonders auffällig das Ausmaß der sowjetischen Fehlkalkulation anläßlich des nordkoreanischen Überfalls.
116
i'7
Einschätzungen im Bündnis insgesamt 1949—1985, in: Carl-Christoph Schweitzer, Bedrohung durch die Sowjetunion? Westliche Analysen der politischen Absichten Moskaus im Zeitvergleich der 50er und 80er Jahre, Baden-Baden 1989, S. 27 (in den ersten Wochen des Jahres 1951). NAC, RG 2, B 2, Vol. 167, K-10 (Vol. 1), 1950 (Aug.—Sept.), Discussions with M. Acheson and Officials in Washington, 29./30.7.1950, LBP(earson). PRO, CAB 134/37, Atlantic (Official) Committee, A.O.C. (50) 16 (Revise), 2.8.1950; NA, DB, RG 59, PPS 1947-53, Box 17, Amerikanisch-Britische Stabschef-Gespräche, Summary of Conclusions,
23.10.1950.
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1948—1956
Die militärstrategische Folgerung aus der westlichen Bedrohungsanalyse ist mit dem Begriff »Vorwärtsstrategie« umrissen, die im Herbst 1950 beschlossen wurde. Der potentielle Gegner sollte in Europa so weit im Osten wie möglich aufgehalten werden, die Verteidigung ohne Aufgabe eigenen Gebiets erfolgen, also so dicht am »Eisernen Vorhang« wie möglich beginnen. Auf lange Sicht förderte der Koreakrieg eine vorher selbst in den kühnsten Träumen nicht vorstellbare Verbesserung des militärischen Kräfteverhältnisses zugunsten des Westens. Innenpolitisch resultierte die Bedrohungsanalyse in den NATO-Staaten in unterschiedlichen Maßnahmen gegen die Ausbreitung des Kommunismus. In den Vereinigten Staaten arteten sie zu der Hexenjagd des sogenannten McCarthyismus aus. III. Wandel der
Bedrohungsvorstellungen im Zeichen nuklearer Abschreckung beginnender nuklearer Verteidigung, 1952—1956
und
1. Das Scheitern der konventionellen
Streitkräftepläne
Die Analysen nach Ausbruch des Koreakrieges legten das Urteil nahe, daß Verringerung und Abbau der Bedrohung vom Erfolg militärischer Rüstung abhängig seien. Die Aufrüstung Europas mit Schwerpunkt auf dem konventionellen Sektor als westalliierte Hauptantwort konzentrierte sich 1950 auf das Jahr 1954 als Abschluß des Streitkräfteaufbaus118. Bis zu diesem Zeitpunkt sollten für den Befehlsbereich Mitteleuropa 32 präsente sowie 22 in 30 Tagen und 14 in 90 Tagen zu mobilisierende Divisionen bereitgestellt werden. Insgesamt galten damit 68 Divisionen als erforderlich, um die »forward strategy« zu verwirklichen. Erste Zusagen der betroffenen Bündnismitglieder ergaben bis 1954 ein Fehl von 13 präsenten Divisionen. Während es um die Einbeziehung deutscher Streitkräfte im zweiten Halbjahr 1950 zu einer ernsten Auseinandersetzung zwischen den USA und Frankreich kam, wies diese »Lücke« schon auf die künftigen Divisionen der Bundesrepublik Deutschland hin. Die Aufrüstungspläne zerbrachen aber sehr schnell an der harten Realität der nicht vorhandenen und nicht zu beschaffenden Mittel. Auch ein neues, im Februar 1952 beschlossenes Verteidigungsprogramm, das insgesamt 96 Verbände, für Zentraleuropa 54, vorsah davon allerdings nur 42 bzw. 35 präsente, sofort einsetzbare
Verbände —, mußte aus innenpolitisch-wirtschaftlichen Gründen korrigiert werden. In der Bundesrepublik Deutschland konnte die Aufrüstung nach dem Scheitern der Europäischen Verteidigungsgemeinschaft erst 1955 anlaufen. Trotzdem verfügte das Bündnis im Oktober 1952 im Bereich Europa-Mitte bereits über 17 operationsfähige und fünf bis sieben Reservedivisionen119 und hatte somit gegenüber dem erwarteten Gegner konventionell erheblich, wenn auch nicht entscheidend aufgeholt. Ein erfolgreicher »Angriff aus dem Stand« sowjetischer Truppen in Mitteleuropa —
118
Siehe hierzu Greiner
119
BA-MA, BW 1/54912, Sten. Protokoll des EVG-Ausschusses des Deutschen Bundestages,
24.10.1952.
(wie
Anm.
58),
S. 281 f. 14.
Sitzung,
Norbert
38
Wiggershaus
mußte nun nicht mehr befürchtet werden, obwohl die Sowjetunion ihre konventionellen Streitkräfte bei etwa gleichbleibender Mannschaftsstärke qualitativ verbesserte und waffentechnisch kontinuierlich modernisierte. Als die Allianz im Dezember 1952 die militärstrategische Richtlinie MC 14/1 formulierte, übernahm sie damit nicht nur die amerikanische Strategie der massiven Vergeltung, sondern bekräftigte die Betonung der konventionellen Direktverteidigung, allerdings schon unterstützt durch den taktisch-operativen Einsatz von kleinen, »taktischen« Atomwaffen auf dem Gefechtsfeld. Diese »nukleare Option«, die Idee der Nuklearisierung der Verteidigung, schob sich bei den militärstrategischen Konzeptionen der NATO120 ab 1953 immer mehr in den Vordergrund. Allerdings resultierte die neue, billigere Verteidigungsoption nicht wie häufig angenommen wird ausschließlich und überwiegend aus dem finanziellen Unvermögen, angemessene Steigerungen der konventionellen Rüstung zu erzielen, sondern wurde auch stark beeinflußt vom Abschreckungswert der Zerstörungskraft atomarer Waffen und der Unabsehbarkeit ihrer Folgen sowie den Entspannungstendenzen in den OstWest-Beziehungen seit dem Tode Stalins 1953. —
—
2.
Ost-West-Entspannung und Vertrauen in die Verläßlichkeit der nuklearen Abschrekkung, 1952/53-1956
1952/53, in einer Phase, in der die technischen Fortschritte in der Bomber- und Nuklearproduktion der Sowjetunion am 20. August 1953 testete sie erfolgreich eine WasserstoffAb
bombe
den amerikanischen und kanadischen Verteidigungsstrategen die verstärkte Gedes fährdung nordamerikanischen Kontinents vor Augen führte121, konfrontierte die britische Regierung ihre Bündnispartner mit der These einer verringerten sowjetischen Gefahr. In London perzipierten die politischen und militärischen Verantwortlichen entgegen ansonsten üblicher Meinungsverschiedenheiten gemeinsam weitreichende Veränderungen in der internationalen Szene, die nach ihrer Auffassung eine Überprüfung der globalen Strategie der NATO erforderte. Die bedeutsamste Veränderung erblickte man in der durch erhöhte Eindringsicherheit, Zielgenauigkeit und Zerstörungskraft gewachsenen amerikanischen strategischen Fähigkeit, gleich zu Beginn eines Krieges einen verheerenden Atomangriff gegen die Sowjetunion zu führen. Unter der Prämisse, daß der Kreml diese Fähigkeit kenne und in Rechnung stellen würde, erschien nun ein vorsätzlicher Kriegsbeginn Moskaus unwahrscheinlich. Vielmehr werde es seine Anstrengungen auf einen längerandauernden Kalten Krieg richten122. —
—
120 121
122
Greiner (wie Anm. 58), S. 281 f. Siehe FRUS 1952-54, VIII, S. 1096-98
(NIE-65, 16.6.1953); ebd., 96th Meeting, 3.11.1953.
(Special Estimate (SE)-36, 5.3.1953); ebd., S. 1188-1192 (SE-46, 8.7.1953); DND, Cabinet Defence Committee,
S. 1196-1205
Australian Archives, Belconnen, Prime Minister A 5954, Box 1793, C.O.S. (S) (52) 5th Meeting, Minute of Staff Conference 30.5.1952 (Auf dieses im PRO, London, nicht zugängliche Dokument hat erstmals aufmerksam gemacht Ritchie Ovendale, The English-Speaking Alliance. Britain, the United States, the Dominions and the Cold War 1945—1951, London 1985, S. 281 f.); PRO, CAB
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Bedrohungsperzeptionen
im »Kalten
Krieg«
1948—1956
39
Die beiden anderen hauptsächlichen Veränderungen betrafen nach britischer Einschätzung die Entwicklung kleiner, taktischer Atombomben und das Unvermögen der westeuropäischen Volkswirtschaften, die beschlossenen Programme für den Aufbau ihrer konventionellen Verteidigung ohne eine folgenreiche Überdehnung der Kräfte durchzuführen123. Für Großbritannien lag die Alternative zur Fortsetzung der massiven Truppenverstärkung auf der Hand: Die abschreckende Wirkung der strategischen Vergeltungswaffen und die Möglichkeit, nukleare Miniaturwaffen herzustellen und als taktische A-Waffen auf dem Gefechtsfeld einzusetzen im November 1951 prognostizierte man für Juli 1952 607 strategische und 278—348 taktische Nuklearsprengkörper, für Juli 1954 sogar 1710 bzw. 890 —, rechtfertigte eine Reduzierung der teuren Bodentruppen124. London hielt fünfzig alliierte und zwölf deutsche Divisionen (statt insgesamt 96 Divisionen) als für die Abwehr eines Angriffs allemal ausreichend, während der Gegenangriff aus der Luft erfolge125. Vor allem die Deutschen würden erfahrungsgemäß auch gegen starke sowjetische Übermacht »halten«126. Die freiwerdenden Ressourcen konnten die Allianz in die Lage versetzen, den zu erwartenden »long pull« (»long haul«) im »Kalten Krieg« (»Bolschewisierung Mitteleuropas«, Untergrundtätigkeit, Spaltungsbemühungen etc.) durchzustehen sowie London den Aufbau einer strategischen A-Bomberflotte ermöglichen. Ohne Zweifel wurde die neue britische Perzeption der sowjetischen Gefahr stark von wirtschaftlichen Interessen geprägt. Strategischen Ambitionen auf eine von den USA unabhängige Abschreckung, zumindest aber auf eine Mitsprache an deren strategischer Zielplanung und Teilhabe am atomaren Bombardement dirigierten Vorstellungen, die ohne eigene Nuklearkompetenz nicht realisierbar schienen127. Außerdem spielten besondere regionale Interessen im Fernen und Mittleren Osten mit128. Die britischen Vorstellungen stießen zunächst auf häufig von kanadischer Seite unterstützte Gegenargumente der USA; beide vermochten zunächst einmal kein vermindertes Kriegsrisiko zu erkennen129. So stimmte der amerikanische Außenminister Acheson zwar der britischen These zu, daß die Sowjetunion in den nächsten Jahren keinen wolle. Doch ein von sowjetischer Seite initiierter allgemeiner Krieg allgemeinen Krieg —
—
—
134/764, A. O. C. (52) 106, 5.12.1952, Ziff. 3; ebd., CAB 134/766, A. O. C. (53) 29, New Directive N. A. T. O., 25.7.1953. Siehe neuerdings Ian Clark/Nicholas J. Wheeler, The British Origins of
to 123
Nuclear Strategy 1945-1955, Oxford 1989, S. 160ff. NAC, RG 25, B 3, Vol. 2146, C-l/23-6, Summary of Conversation at a Dinner Given by Sir Oliver Franks for Air Marshal Slessor, PMT (Washington), 7.8.1952; PRO, CAB 134/764, A.O.C. (52)
106, 5.12.1952 (Ziff. 3,
124
125
Überdehnung).
PRO, DEFE 4/55, COS (52) 105th Meeting, 22.7.1952, Ziff. 7. Evangelista (wie Anm. 110), S.
143
(Zahlenangaben).
NAC, RG 2, B 2, Vol. 223,1-60-1: International Situation. Global Strategy, Memorandum Pearsons,
22.9.1952. Claxton
an Pearson, 8.9.1952. Pearson, 8.9.1952.
126
Ebd., Claxton
127
Ebd. C.O.S. (S) (52) 5th Meeting, 30.5.1952, siehe Anm. 122. NAC, RG 2, B 2, Vol. 223, 1-60-1. Office of the Chairman, Chiefs of Staff, Notes on Discussions with Gen. Bradley, 15.9.1952; ebd., Canadian Comments on United Kingdom Paper »Global Strategy and Defence Policy«, 25.9.1952, Ziff. 2.
128 129
an
Norbert
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Wiggershaus
erschien den Nordamerikanern auch gar nicht als die wirkliche Gefahr. Kriegsrisiken entstünden aus einem Geflecht von Umständen und Ereignissen im Umfeld von Krisengebieten und Konflikten. In sie seien die Sicherheitsinteressen der Sowjetunion, der Vereinigten Staaten und anderer Mächte so engagiert, daß unvorhergesehene Entwicklungen unkontrollierbare Wirkungsketten auslösen könnten. Als Ausgangspunkte für einen allgemeinen Krieg nach diesem Entstehungsmuster nannte Acheson Korea und Berlin. Daneben trügen lokale Konflikte, die Moskau und Washington zunehmend tangierten, wie die in Indochina und Mittelost, das Risiko eines allgemeinen Krieges in sich130. Im übrigen bewirkte eine strategische A-Bombenoffensive nach amerikanisch-kanadischem Urteil überwiegend längerfristige Beeinträchtigungen der Kriegsbereitschaft; einen sowjetischen Truppenvormarsch vermochte sie nicht zu stoppen. Nur Bodentruppen konnten derzeit, d.h., »bis neue Waffen für das Gefechtsfeld« vorhanden sein würden, ein weiteres Vordringen der Sowjetischen Streitkräfte verhindern131. Zweifellos überschätzten die Briten die Einsatz- und Wirkungsmöglichkeiten sowohl der amerikanischen strategischen Bomberkommandos als auch der noch nicht verfügbaren taktischen A-Waffen. Daß sich der strategische »new look« der Briten, der bei amerikanischen Atomwissenschaftlern, Militärs und Politikern auf eine parallele Sichtweise traf, im Bündnis bald durchsetzte, hatte viele Gründe. An erster Stelle stand wohl der Druck der wirtschaftlichen Notwendigkeiten. Es folgte die schnell massenhafte Verfügbarkeit der nuklearen Gefechtsfeldwaffen. Schließlich ist die zunehmende allgemeine Wahrnehmung der Gefahrenminderung und der Entspannungstendenzen zu nennen. Die Überzeugung, die Sowjetunion habe die selbstmörderische Natur des modernen Nuklearkrieges, insbesondere die Implikationen eines strategischen Vergeltungsschlages erkannt und ihre Expansionsabsichten relativiert, wuchs nur schrittweise; selbst in Großbritannien herrschten Bedenken, wie man dem potentiellen Gegner die beispiellose nukleare Zerstörungskraft und ihre unabsehbaren Folgen bewußt machen könne132. Offenbar wurde die militärische Spitze in der Allianz noch am geringsten von Zweifeln an der Verläßlichkeit der nuklearen und thermonuklearen Abschreckung geplagt. General Gruenther, Oberbefehlshaber der NATO-Streitkräfte Europa, vertraute im Frühjahr 1954 auf die überwältigende Vernichtungs- und Vergeltungskapazität der in Marokko und Großbritannien stationierten A-Bomberflotten. Der Gegner müsse sie gewissenhaft in Rechnung stellen. Logischerweise hielt Gruenther einen offenen sowjetischen Angriff für unwahrscheinlich133. 130
Ebd., Visit of the Secretary of State for External Affairs, Washington, Summary of Conversation,
131
Ebd., Comments on the United Kingdom Strategic Concept, 3.9.1952, Ziff. 3,12; ebd., Vol. 185, R-100-A (V.2), 1951 (Aug—Dec), Desp. No. 3056, Washington, 6.10.1951 (Verteidigungsminister Lovett) (Zitat). PRO, CAB 128/28, C.C. (55) 5th Conclusion, 20.1.1955 (Eden). Siehe den Versuch einer Aufar-
5.9.1952.
132
beitung des Gesamtproblems bei Uwe Nerlich/Trutz Rendtorff (Hrsg.), Nukleare Abschreckung Politische und ethische Interpretationen einer neuen Realität. Unter Mitwirkung von Lothar
Waas, Baden-Baden 1989 (= Internationale Politik und Sicherheit, Bd 25). PRO, CAB 129/66, C. (54) 86, 5.3.1954, North Atlantic Treaty Organisation: Speech by the Supreme —
133
Commander, Allied
Powers in
Europe.
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41
Aber auch in der britischen Regierung und in der amerikanischen Administration vertraute man zunehmend auf den thermonuklearen Abschreckungsschirm, zumal Anzahl und Vernichtungskraft der amerikanischen Nuklearwaffen sich rasant vergrößerten. Im Februar 1956 vermeinte der Nationale Sicherheitsrat in Washington sogar, in Kürze eine nukleare Erstschlagkapazität gegenüber der Sowjetunion zu erreichen134. Erste positive Reaktionen des Kreml im erhofften Sinne beobachteten britische und amerikanische Experten und eine Arbeitsgruppe der NATO aber erst im Jahre 1955135. Im amerikanischen State Department hielt man diese Entwicklung dem militärischen und politischen Sachverstand sowie eindringlichen Warnungen des sowjetischen Marschalls Shukow vor den verheerenden Folgen einer Nuklearoffensive zugute136. Die parallel zu diesem Fortschritt einsetzenden Entspannungstendenzen im Ost-West-Konflikt wurden unmittelbar nach dem Tode Stalins im Frühjahr 1953 manifest. Sie steigerten sich zu einem Höhepunkt während der Genfer Gipfelkonferenz 1955. Das mildere politische Klima äußerte sich zunächst in konzilianterem Auftreten der sowjetischen Politiker und Diplomaten auf dem internationalen Parkett und stabilisierte sich schließlich im Juli 1955 in Genf zu dem Eindruck, Moskau bemühe sich um eine Beruhigung der internationalen Spannungen und suche normale und freundschaftliche Beziehungen mit den westlichen Demokratien137. Unter diesen Vorzeichen war es nicht verwunderlich, daß im Westen allgemein das Risiko eines militärischen Konfliktes mit der Sowjetunion als verhältnismäßig gering bewertet wurde und die meisten Mitglieder der Atlantischen Allianz einhellig eine Verringerung der Kriegsgefahr konstatierten138. Außerdem konnte nun angesichts der im Volksaufstand vom 17. Juni 1953 deutlich zu Tage tretenden Schwäche des Regimes in der DDR und der mangelnden Akzeptanz der sowjetischen Außenpolitik in der Bevölkerung der DDR ein »Stellvertreterkrieg« von dieser Seite aus (und zweifellos auch von seiten anderer Satelliten Moskaus) nahezu zuverlässig ausgeschlossen werden. Über die Gründe für das politische Tauwetter gingen die Meinungen freilich z. T. erheblich auseinander. Starkes Mißtrauen herrschte vor allem in den USA und im britischen Foreign Office vor. Die neue sowjetische Politik wurde in Washington und London nicht nur von Hardlinern als eine taktische Variante klassifiziert, ersonnen, um die westliche Wachsamkeit und Verteidigungsbereitschaft zu unterminieren139. Im Bündnis erkannte 134
NA, RG 273, NSC 5602, 8.2.1956, und NSC 5602/1.,
15.3.1956. Teilabdrucke in: Ernst-Otto Czem-
piel/Carl Christoph Schweitzer, Weltpolitik der USA nach 1945. Einführung und Dokumente (= Bundeszentrale für politische Bildung. Studien zur Geschichte der Politik, Bd 276), aktualisierte Neuausgabe, Bonn 1989, S. 172-174, 191-193. 135 PRO, CAB 128/29, CM. (55) 26th Conclusions, Zif. 4, 26.7.1955; NA, DB, RG 59, 661.00/10-1455, Special Assistant to the Secretary, Armstrong, betr. NIE 11-13-55. NA, DB, RG 59, 661.00/9-1055, Tel. Moskau 609 Bohlen (Part 2, Zif. 2); PRO, F.O. 371/116742, NS 1242/156, Tel. Moskau 569, 13.6.1955. Zu den Vorstellungen des amerikanischen Präsidenten Eisenhower siehe John Lewis Gaddis, Strategies of Containment. A Critical Appraisal of Postwar American National Security Policy, Oxford, New York 1982, S. 173 f. 137 PRO, CAB 128/29, CM. (55) 26th Conclusions, 26.7.1955 (Premierminister Eden). 138 PRO, CAB 128/26, Pt. 2, C.C. 50 (53), Zif. 2, 25.8.1953. 139 PRO, CAB 134/766, A.O.C. (53) 14 (Revised), 17.4.1953, Annex; F.O. 371/106 526, NS 1021/61, 136
Norbert
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überwiegend eine Verlagerung von der militärischen Bedrohung zur wirtschaftlich-gesellschaftlichen Herausforderung140. Außerdem setzte sich in der NATO bis Ende 1953 die britische Auffassung durch, daß sich die Mitgliedstaaten auf ein langes Anhalten der Bedrohungen einstellen müßten141. Angesichts dieser Einschätzung der sowjetischen Außenpolitik142 und in der Überzeugung von der Existenz riesiger und ständig zunehmender kommunistischer Streitkräfte143, plädierte die britische Regierung im NATO-Rat für die Beibehaltung der Stärke und Einigkeit zur Abschreckung der Sowjetunion144 sowie man
für verstärkte Wachsamkeit145. Doch bei dem Mißtrauen gegenüber dem moderateren sowjetischen Auftreten auf der internationalen Bühne ist es keinesfalls geblieben. Die Außenminister der Vereinigten Staaten, Großbritanniens und Frankreichs, John F. Dulles, Lord Salisbury und Georges Bidault, stimmten vielmehr darin überein, die Vorteile des Wandels zum Zwecke der Annäherung zu nutzen146. Sie schufen damit die Grundlage für die bekannten west-östlichen Außenminister- und Gipfeltreffen in den Jahren 1954 und 1955. Außerdem mehrte sich in den westlichen Hauptstädten die Bereitschaft, zahlreiche Faktoren als glaubwürdige Sachgründe für die sowjetische Richtungsänderung zu akzeptieren. Sie reichten von der Annahme, daß sich auch der Kreml der Gefahren eines Nuklearkrieges bewußt war, bis hin zu inneren Schwierigkeiten in der Sowjetunion und im »Ostblock«. Wirtschaftliche Probleme erzwangen dort die Verminderung von Rüstungsausgaben. Die Sorge über eine zu starke Zementierung der westlichen militärischen und politischen Integration unter Einbeziehung der Westdeutschen als Folge unversöhnlicher Ost-West-Gegensätze kam hinzu. Die differenzierte Charakterisierung der Nachfolger Stalins an der Spitze der Sowjetunion führte beispielsweise in Kanada dazu, Moskau die Einsicht zuzuerkennen, daß der doktrinäre Glaube an den wirtschaftlichen Kollaps der westlichen Volkswirtschaften nach dem Zweiten Weltkrieg eine Fehldeutung gewesen sei147. Die Natur Bericht Botschaft Bern, 23.5.1953; ebd., NS 1021/69, Botschafter Gascoigne an Churchill, Moskau, 17.6.1953; F.O. 371/106527, NS 1021/118, Sir W. Hayter an Eden, Moskau, 24.11.1953; ebd., F.O. 371/116652, NS 1021/34, Bericht Nr. 464, Hayter, Moskau, 11.5.1955; F.O. 371/116654, NS 1021/53, Tel. 673, United Kingdom Permanent Delegation, Paris, 20.10.1955 (betr. Aussagen des kanadischen Delegierten Wilgress über den »war of smiles«); Spencer (wie Anm. 115), S. 29; James Mathew Jones, Britische Bedrohungsanalysen in den 50er Jahren, in: Schweitzer (wie Anm. 115),
140
141
S. 183-185. Gustav Schmidt, Großbritannien, die Gründung der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft und die >Sicherheit des Westensc »The American Connection«, in: Nationale Identität und Europäische Einigung. 15 Vorträge für die Ranke-Gesellschaft, hrsg. von Michael Salewski, Göttingen, Zürich 1991, S. 211; Jones (wie Anm. 139), S. 172, 182. NATO Final Communiques 1949—1974, Brüssel o. J., S. 79 (Communiqué der Ratssitzung in Paris am
142
16.12.1953).
PRO, CAB 128/26, Pt. 1, C.C. (53) 29th Conclusions, 28.4.1953, 7th North Atlantic Council.
Spencer (wie
Anm. 115), S. 78 (NATO Communique zum Ministertreffen am 23.—25.4.1953). FRUS 1952-54, V, 2, S. 1789 (Außenminister Eden, 6.12.1953). 145 PRO, CAB 134/767, A.O.C. (54) 12, Draft Steering Brief, 10.12.1954, Annex B. 146 PRO, PREM 11/425, Visit Lord Salisbury's to Washington, First Tripartite Meeting, 10.7.1953. 147 John W Homes, The Shaping of Peace: Canada and the search for world order 1943—1957, Bd 2, Toronto, Buffalo, London 1982, S. 383. 143 144
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all dieser Motive versprach schließlich selbst nach Meinung eines interministeriellen Intelligence Committee in Washington, daß die sowjetische Politik der graduellen Reduzierung von Spannungen mehr wäre als eine kurzfristige taktische Maßnahme148. In den ersten Jahren dieser Phase setzte sich neben Großbritannien, dessen konservative Regierung unter Churchill in den Augen des Pentagon die sowjetische militärische Gefahr generell zu gering schätzte, die kanadische Regierung zeitweise sichtbar von den amerikanischen Bedrohungsperzeptionen ab. Seit 1947 ging Ottawa von der Vermeidbarkeit kriegerischer Konflikte aus; auch wurde hier keine global angelegte sowjetische Expansionsstrategie unterstellt. Vielmehr konstatierte die kanadische Seite ähnlich der britischen in erster Linie einen politischen Wettkampf der Sowjets mit dem Westen. Konsequenterweise benötigten die gefährdeten europäischen Demokratien nach kanadischem Urteil primär politischen und wirtschaftlichen Beistand. Die Auffassung bestimmter außenpolitisch relevanter Zirkel in den USA, daß »friedliche Koexistenz« mit der UdSSR unmöglich sei, wurde von dem Sowjetunionexperten des Außenamtes, Robert Ford, als selbstmörderisch eingestuft149. Ford gestand Stalin zu, vorrangig defensive Interessen verfolgt zu haben. Die »unentschuldbare Brutalität« der Sowjetisierung in Osteuropa und das »neurotische« Bedürfnis zur Bildung eines vorgelagerten ostmittel- und südosteuropäischen Sicherheitsgürtels von Moskau abhängiger Staaten belege nicht den Willen zu weiterer Expansion. Den derzeitigen Wandel in der sowjetischen Außenpolitik schrieb der Diplomat der sowjetischen Einsicht in die Schwere eigener interner Probleme zu, mit denen eine sichtbare Prosperität im Westen kontrastiere. Diese Umstände legten es dem Kreml nahe, die Auseinandersetzung in Form des kalten statt des heißen Krieges zu führen —, eine Sichtweise, die in Washington erst relativ spät als zutreffend akzeptiert wurde. Mit den Analytikern in London und Washington war sich Ford einig, daß auch in Entspannungszeiten nur politische Standfestigkeit und militärische Glaubwürdigkeit außenpolitisch Zinsen brächten. Eine Art Counterpart zu Fords Einschätzungen stellte George Ignatieff von der kanadischen Botschaft in Washington dar. Angesichts der neuen Taktik der Nachgiebigkeit drohten nach seiner Auffassung Macht und Absichten der Sowjetunion für den Zusammenhalt und das Überleben der freien Welt eher noch gefährlicher zu werden150. —
Unsicherheiten und Uneinigkeiten in der Einschätzung der sowjetischen Absichten und die abbröckelnde Solidarität im westlichen Lager verflüchtigten sich nach der Genfer Gipfelkonferenz der »Großen Vier« im Juli 1955, die in der westlichen Öffentlichkeit von erheblichen Hoffnungen begleitet worden war. Die Bündnisstaaten fanden bald bestäauf was sie ihrem Ministertreffen vom April 1953 gemeinsam tigt, festgestellt hatten151 und was seither nie ganz aus den Hinterköpfen der Bündnispartner verbannt worden war152: Zu einem grundlegenden Wandel der sowjetischen Haltung und Bedrohung war 148
NA, DB, RG 59, 661.00/10-1455, Special Assistant to the Secretary, Armstrong, Subject: NIE 11-13-55. Holmes
(wie Spencer (wie
147), S. 382f. 115), S. 34. 151 NATO Final Communiques, S. 78. Siehe auch Spencer, ebd., S. 31. 152 Vgl. FRUS 1952-54, V, 1, S. 551 (betr. die Trenduntersuchung CM (54) 116 vom Jahresende 1954); 149
150
Anm. Anm.
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nicht gekommen. Das oberste Ziel der Sowjetunion bleibe es, stellte Kanadas Außenminister Lester B. Pearson auf dem Ministerrat der Allianz im Dezember 1955 fest, »die NATO zu schwächen und zu zerstören«153. Im Schlußkommunique der Konferenz hieß es, daß Moskaus »jüngste provozierende Maßnahmen und Erklärungen, die sich auf den Nahen Osten bezogen, [...] in Verbindung mit einem ständigen Anstieg des sowjetischen Militärpotentials neue Probleme und eine neue Herausforderung für die freie Welt« hervorgebracht hätten154. Vom Ende der Entspannung unberührt blieb die Auffassung, daß die gewachsene nukleare Abschreckung den globalen Krieg weniger wahrscheinlich gemacht habe155. es
3. Westliche Reaktionen
Antworten auf die veränderte
Bewertung der Bedrohung in den Jahren 1952/53 bis 1955/56 waren relativ einfach zu finden. Die Verminderung des akuten Kriegsrisikos erlaubte eine Verzögerung beim Streitkräfteaufbau. Zudem konnte das mit zunehmender Schnelligkeit verfügbar werdende Arsenal an taktischen A-Waffen einen Teil der ursprünglich für notwendig gehaltenen konventionellen Kräfte ersetzen. Das führte im Dezember 1954 zum einen zur Verringerung der Streitkräfteziele. Der NATO-Rat setzte die für den Kommandobereich Europa-Mitte geplante Anzahl an Divisionen von 54 auf 30 herab (Präsent waren zu diesem Zeitpunkt 21 1/3 Divisionen). Eine Verteidigungsstrategie mit »integrierter Atomfähigkeit« (MC 48, The most effective Pattern of NATO Military Strength for the next few Years) sah den sofortigen Einsatz aller nuklearen Mittel für den Fall eines sowjetischen Angriffs vor. Zum anderen folgten Verfeinerungen der Strategie und eine Präzisierung ihrer Mittel. Mit der Annahme der Direktiven MC 14/2 (Overall Strategie Concept for the Defense of NATO Area) und MC 48/2 hatte sich 1957 das Konzept der lückenlosen nuklearen Abschreckung und nuklearen Verteidigung auf allen Ebenen durchgesetzt156. The Joint Chiefs of Staff and National Policy, Bd 5: Robert DC. 1986, insbes. S. 21, 24, 41, 52f. Spencer (wie Anm. 115), S. 34 (Zitat); FRUS 1955-57, IV, S. 37. Vgl. F.O. 371/116654, NS 1021/73, Tel. 673, United Kingdom Permanent Delegation, Paris, 20.10.1955. Spencer, ebd., S. 35; NATO Final Communiques, S. 96. Vgl. PRO, CAB 129/79, C.P. (56) 30, Statement on Defence 1956. Note of the Minister of Defence, 8.2.1956. C.P. (56) 30 (siehe Anm. 154); FRUS 1955-57, IV, S. 37 (Pearson, Kanada; Spyros Theotakis, Griechenland); Carl-Christoph Schweitzer, Politische Bedrohungsanalysen in den 50er Jahren, in: Schweitzer (wie Anm. 115), S. 93 (betr. ein National Intelligence Estimate [NIE] des Verteidigungsministeriums vom Mai 1955); NA, DB, RG 59, 661.00/10-1455, Special Assistant (Armstrong) to the Secretary cone. NIE 11-13-55, 14.10.1955. Christian Greiner, Das militärstrategische Konzept der NATO von 1952 bis 1957, in: Bruno Thoß/Hans-Erich Volkmann (Hrsg.), Zwischen kaltem Krieg und Entspannung. Sicherheits- und Deutschlandpolitik der Bundesregierung im Mächtesystem der Jahre 1953—1956 (= Militärgeschichte seit 1945, Bd 9), Boppard a.Rh. 1988, S. 211—245. Siehe die ausführliche Zusammenfassung des immer noch als COSMIC/Top Secret eingestuften Dokuments MC 48, in: NAC, RG 25, Acc. 1990—91/008, Vol. 57, 50030-AG-1-40, Pt.4.
History of the Joint Chiefs of Staff.
153
154
155
156
J.Watson, 1953-1954, Washington
Nordatlantische
Bedrohungsperzeptionen
im »Kalten
Krieg«
1948—1956
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Nach einem ersten Ausloten der Glaubwürdigkeit bzw. des taktischen Kalküls der sowjetischen Entspannungstendenzen versprach eine Haltung uneingeschränkter Gesprächsbereitschaft auf der Basis westlicher Standfestigkeit, Einigkeit und Stärke langfristig die Methoden der sowjetischen Außenpolitik zu zivilisieren und einvernehmliche Lösungen zu produzieren157. Diese Motive gewannen 1955 in britischen Augen durch die Überzeugung erhöhtes Gewicht, daß die relative militärische Stärke des Westens den Höhepunkt erreicht und sein politischer Zusammenhalt nicht zuletzt wegen des unsicheeher abbröckeln als wachsen werde158. Die Idee der ren Standortes der Deutschen Genfer Gipfelkonferenz 1955 in London und Washington unabhängig voneinander geboren fußte auf solchen Überlegungen. Konkret war die Politik der Entspannung durch gegenseitige Respektierung der Einflußsphären, beiderseitige Besitzstandswahrung, faktische Hinnahme des Status quo und Einrichtung in der Pattsituation in Mitteleuropa gekennzeichnet, ablesbar etwa am Abschluß des Österreichischen Staatsvertrages 1955. An der Politik der Entspannung wurde selbst dann noch eine Zeitlang festgehalten, nachdem die grundsätzliche Kompromißlosigkeit der sowjetischen Zielsetzung gegenüber der NATO festgestellt worden war und die Sowjetunion ab 1955 erfolgreich die kommunistisch-ideologische Ausdehnung auf den Nahen Osten und die Dritte Welt insgesamt —
—
—
—
verlegte.
Während der »Geist
von
Genf« tatsächlich bald nach dem
Gipfeltreffen
von
Moskau
begraben wurde, stellte die NATO das Ende der Entspannungsphase auf ihrer Frühjahrstagung 1956 fest: »No progress has been made towards solving certain vital Europe1955
problems, [...] Soviet military power continues to increase. Security remains therefore a basic problem159«. Der letztere Aspekt ist in diesen Jahren angesichts des steigenden sowjetischen Nuklearund Luftangriffspotentials ohnehin nie in Frage gestellt worden. Dies belegen vor allem die kontinuierliche Stärkung der militärischen Abschreckung durch den amerikanischen Ausbau des strategischen und taktischen Nuklearwaffenarsenals (Sommer 1948: 50; Sommer 1953: ca. 1000; 1955: 4750; 1959: ca. 18000 Nuklearwaffen160) und die Forcierung der britischen und französischen Atompolitik161. Daneben sind die fortschreitende Dislozierung nuklearer Waffen und die Verbesserung der Gegenschlagskapazität auf amerian
kanischer Seite162 sowie der forcierte Ausbau des nordamerikanischen Frühwarn- und
Abwehrsystems 157
158 159 160
161 162 163
zu
nennen163.
Nach der Demonstration westlicher Einigkeit und Stärke im Zuge der Londoner Vereinbarungen über die militärische Integration Westdeutschlands schienen die Bedingungen für fruchtbare Gespräche mit Moskau gegeben. NA, DB, RG 59, Box 2911, 641.61/11-454, Tel. London Nr. 1292, 4.11.1954. PRO, CAB 129/74, C. (55) 83, Talks with the Soviet Union, A.Eden, 26.3.1955. NATO Final Communiques, S. 99. Rosenberg (wie Anm. 26), S. 131, 138. Robert S. McNamara, Blundering into Disaster. Surviving the first century of the nuclear age, New York 1987, S. 54 (1955: 4750). Siehe die Beiträge von Jean Delmas und Jan Melissen in diesem Band. Siehe den Beitrag von Klaus Maier in diesem Band. Günther Mai, Dominanz oder Kooperation im Bündnis? Die Sicherheitspolitik der USA und der Verteidigungsbeitrag Europas 1945—1956, in: HZ, 246 (1988), S. 359; Spencer (wie Anm. 115), S. 32.
Norbert
46
IV. 1. Das
Perzeptionen
Wiggershaus im
Krisenjahr
1956
militärische Kräfteverhältnis
Das militärische Kräfteverhältnis war 1956 unverändert maßgeblich durch das amerikanische bei den strategischen Waffen (Nuklearwaffen und Bombenflugzeuinterkontinentaler mit ge Reichweite) und die sowjetische Überlegenheit bei den konventionellen Kräften bestimmt. Die Vereinigten Staaten 1955 im Besitz von 4750 Atombomben hatten die Sowjetunion inzwischen mit einer geschlossenen Kette von Basen für die strategische Bomberflotte eingekreist164, gegen die die Sowjetunion kaum zu verteidigen war. Jedenfalls besaß Moskau nach Meinung des SACEUR im Sommer 1954 kein Mittel, die amerikanischen B-47-Bomber zu stoppen165. Zwei Jahre später erwartete der National Security Council sogar eine zeitweise amerikanische Erstschlagkapazität166. Zusätzlich verfügte Großbritannien seit 1956 über einsatzfähige Atomwaffen167. Doch ließ sich auch eine Zunahme der atomaren und thermonuklearen Bedrohung durch die Sowjetunion ausmachen. Der sowjetische Bestand an nuklearen Sprengkörpern wurde 1955 auf 300 geschätzt168. Außen- und Verteidigungsminister in Washington nahmen im Januar 1953 an, daß die strategische Luftwaffe des Gegners in der Lage sei, 65 bis 85 Prozent ihrer auf die USA gerichteten Atombomben ins Ziel zu bringen169. Obwohl 1956 nur einer von vier sowjetischen Bombertypen, der Turboprop-Bomber »Bear«, die meisten amerikanischen Ziele ohne Luftbetankung bzw. auf einer Einwegmission erreichen die relative Immunität des nahm nordamerikanischen Kontinents gegen sokonnte170, wjetische Angriffe nach Auffassung westlicher Experten zunehmend ab171. Gleichzeitig
Übergewicht
—
—
wuchs die sowjetische Fähigkeit, Westeuropa schnell zu zerstören und lähmende Schläge gegen die Überseebasen des amerikanischen SAC zu führen172. Das Force Posture ACE 1960/62 der NATO aus dem Jahre 1956 ging davon aus, daß Moskau zu Anfang des kommenden Jahrzehnts genügend Sprengköpfe und Einsatzmittel besitzen werde, um alle lohnenden Ziele im NATO-Bereich angreifen zu können173. Die Vereinten Stabschefs 164 165
166 167
168
169 170
171
172
173
Stanley R. Sloan, NATO's Future. Toward a New Transatlantic Bargain, Washington 41988, S. 39.
DND, Cabinet Defence Committee, 10.6.1954, Meeting with General Gruenther.
NSC 5602 und 5602/1, siehe Anm. 42. Robert O'Neill, Großbritannien und die atomare Abschreckung, in: VfZg, 37 (1989) 4, S. 596f. NA, MMB, RG 218, GF 1954-56, 092 Western Europe (3-12-48) (2), Sec. 8, J.I.C. 558/332, 7.3.1955. Siehe dagegen BA-MA, BM 1/724, Blatt 416-608, Studie Nr. 3, S. 451 ff. (1000). Rosenberg (wie Anm. 26), S. 131, 138, geht ebenfalls von 300 aus. Clark/Wheeler (wie Anm. 122), S. 176; NA, RG273, NSC 141, 19.1.1953. NA, MMB, RG 218, Radford File, Box 19, 091 Russia (1956), Selected Soviet Aircraft Production
Estimate, 27.3.1956. Alastair Buchan, NATO
in the 1960's. The Implications of Interdependence, with a Foreward by Marshal of the Royal Air Force Sir John Slessor, New York, London 1960, S. 7, 14; Watson (wie Anm. 152), S. 43; Sloan (wie Anm. 164), S. 40; NAC, RG 25, Acc. 1990—91/008, Vol. 299, 50 128-40, Pt. 6, DEA to NATO Delegation Paris, DLDL 385, 29.10.1956. Buchan, ebd., S. 14. Siehe auch den Killian Report für den NSC vom Februar 1955, in: Lawrence Freedman, The Evolution of Nuclear Strategy, London, Basingstoke 1981, S. 158ff. BA-MA, BW 2/2717-2, blaue Mappe, Auszüge.
Nordatlantische
Bedrohungsperzeptionen
im »Kalten
Krieg«
1948—1956
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in Washington vermuteten erst für 1964, daß die sowjetischen Interkontinentalraketen eine tödliche Gefahr für die USA darstellen würden174. Der dramatische ICBM-Erfolg (Sputnik-Satellit) der Sowjetunion im Jahre 1957, ein Jahr vor dem amerikanischen, eröffnete früher als erwartet neue Angriffsmöglichkeiten ohne risikoreiche Warnzeiten175. Der Vergleich der konventionellen Mittel wies eine gestiegene östliche Überlegenheit aus. Die Stärke der sowjetischen Landstreitkräfte war mit 175 Kampfdivisionen konstant geblieben. Die europäischen Verbündeten der Sowjetunion (ohne Jugoslawien) hatten ihre Streitkräfte aber seit Anfang des Jahrzehnts auf nunmehr 84 Divisionen verdoppelt. Im europäischen Raum verfügte der 1955 gegründete Warschauer Pakt über 166, in Mitteleuropa (DDR und CSSR) über 43 Divisionen176. Den östlichen Divisionen konnten die Westmächte in Zentraleuropa nur 15 Divisionen (13 Divisionen und verschiedene kleinere Verbände), nach anderen Quellen 18 Divisionen entgegensetzen177; das entsprach einer erheblich geringeren Präsenzstärke als 1954. Allerdings war bereits mit der Einführung der atomaren Gefechtsfeldwaffen begonnen worden. Die verringerte westliche Stärke war hauptsächlich eine Folge des französischen Engagements in Algerien (dorthin hatte Paris vier Divisionen abgezogen), des Abbaus der britischen Rheinarmee zugunsten der britischen Nuklearrüstung und schließlich der britischfranzösischen Aktion in Ägypten. Außerdem ließ sich schon jetzt absehen, daß sich der 1955 begonnene Aufbau der westdeutschen Divisionen erheblich verzögern würde178. Die Schwächung der konventionellen Kräfte in Europa und eine deutliche britische Tendenz zur Fortsetzung dieser Entwicklung zugunsten der nuklearen Abschreckung179 stellte die seit 1950 mühsam und Schritt für Schritt halbwegs verwirklichte Forward Strategy der NATO gänzlich wieder in Frage. Sie verdeutlichte zugleich die Abhängigkeit der europäischen Sicherheit von Reaktionen auf außereuropäische Krisenherde und Konflikte. Im Sommer 1956 warnte General Gruenther, das im Zusammenhang mit MC 48 beschlossene essentielle Minimum von 30, überwiegend atomgerüsteten Divisionen (einschließlich der geplanten 12 deutschen) in Mitteleuropa nicht weiter zu reduzieren. Sie galten als entscheidend für die nuklear geführten Operationen in den ersten 30 Kampftagen, der Zeit vor dem Wirksamwerden der nuklearen Vergeltungsinitiative180. Die Standing Group der NATO beurteilte die aktuelle Lage (mit 21 2/3 Divisionen) im September 1956 als so ernst, daß sie für den Fall eines sowjetischen Angriffs den Rückzug hinter die Rhein-Ijssel-Linie innerhalb von 48 Stunden voraussagte. Die Verteidigungsfähigkeit der Allianz schien damit in die Situation des Jahres 1949/50 zurückgeworfen wor174 175 176 177
178
179
180
Czempiel/Schweitzer (wie Anm. 134), S. 158, 174 f. (Okt. 1956). Buchan (wie Anm. 171), S. 7. Studie Nr. 3 (wie Anm. 168), S. 489, 493, 508-514, 463 f. BA-MA, BW2/4041, Bl. 171, NATO-Streitkräfte, 28.6.1956. Siehe die zusammenfassende Stellungnahme von Außenminister Dulles, NA, DB, RG 59, Box 3130, 740.5/5-2256, Memorandum of Conversation, 22.5.1956. FRUS 1955-57, IV, S. 84ff.; NA, DB, RG 59, 740.5, Box 3132; NAC, RG 25, Acc. 1990-91/008, Vol. 56, 50030-AG-1-40, Pt. 2. NAC, RG25, Acc. 1990-91/008, Vol. 299, 50030-E-40, Pt. 5, NATO Delegation. Paris, No. 1120, 16.7.1956.
Norbert
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Wiggershaus
den zu sein. Der Notverteidigungsplan der NATO, SACEUR EDP 1-57181, setzte daher alle Hoffnungen auf den Einsatz der nuklearen Mittel, der nun selbst für begrenzte Konflikte äußerst wahrscheinlich wurde. -
2.
Einschätzung des Kriegsrisikos
Im Jahre 1956 galt nach Lage der Quellen in der Allianz unverändert die sowjetische Furcht vor den verheerenden Folgen eines thermonuklearen Vergeltungsschlages als die beste Sicherheitsgarantie gegen militärische Abenteuer der Kremlführung182. Dahinter rangierte die Existenz des Atlantischen Bündnisses und seiner Verteidigungslinie von Narvik bis zum Kaukasus als Demonstration des gemeinsamen Verteidigungswillens, so unvollkommen und schwach die Verteidigungskräfte auch noch sein mochten. Es war General Gruenthers Überzeugung, daß eine ähnliche Macht- und Willensbekundung gegen Hitler im Jahre 1939 den Zweiten Weltkrieg verhindert hätte. Allerdings blieb die Möglichkeit von Fehleinschätzungen als Kriegsursache bestehen183. Als unverrückbares Ziel wurde Moskau weiterhin das Streben nach der kommunistischen Dominanz über die Welt unterstellt, was seit einiger Zeit vorrangig mit dem Mittel der »friedlichen Penetration« betrieben werde und unter Umständen mit kleineren militärischen Aktionen kombiniert werden könne184. Im Zusammenhang mit dieser flexibleren Strategie der sowjetischen Politik beobachtete man in den westlichen Hauptstädten seit 1955 vor allem eine schleichende sowjetischkommunistisch-ideologische und handelspolitische Expansion in die Dritte Welt und insbesondere in den Mittleren und Nahen Osten185. Die damit verbundene Bewegung in der Mächtekonstellation und die sowjetische Politik des Waffenexports in den Mittleren Osten verschlechterten keineswegs nur das Klima zwischen Ost und West, sondern störten die militärische Balance und erhöhten die Kriegsgefahr in dieser Region. Brisant wurde die Lage im Nahen Osten, als der die wirtschaftlich-militärische Anlehnung an Moskau suchende ägyptische Staatschef Gamal Abdel Nasser den Suez-Kanal nationalisierte, damit die internationalen Benutzerrechte außer Kraft setzte und die Sicherheit der traditionellen Ölrouten in Frage stellte. Für Briten und Franzosen bedeutete die Krise am Suez-Kanal nicht nur eine Ölkrise mit nicht abzuschätzenden wirtschaftlichen und strategischen Folgen186, sie bündelte sich zudem insofern mit den beiden anderen 181
182
183
184
185
BA-MA, BW 2/2717-2, handschriftl. Auszug. NA, DB, RG 59, Vol. 3128, 740.5/4-556, Tel. Paris 4598, 5.4.1956 (Aussagen Gruenthers); PRO, F.O. 371/122791, NS 1023/55, 58, 65, 67; FRUS 1955-57, IV, S. 106. NA, DB, RG 59, Vol. 3128, 740.5/4-656, Foreign Service Despatch No. 684, Ottawa, 6.4.1956 (Aussagen Gruenthers); NA, RG273, NSC 5602/1, 15.3.1956 (betr. Fehleinschätzung). Ebd., Vol. 3127, 740.5/3-1556, Memorandum 15.3.1956. Vgl. NA, MMB, RG 218, Radford File, Box 19, 091 Russia (1956), Comments on Intelligence Study »The Nature and Problems of Soviet Economic Penetration of Underdeveloped Areas«, 28.3.1956,
Layton. 186
NA, DB, RG59, Vol.3129, 740.5/5-956, Memorandum of Conversation Merchant de Areilza, 9.5.1956.
Nordatlantische
Bedrohungsperzeptionen im »Kalten Krieg«
1948—1956
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Krisenherden im Mittelmeerraum, als Nasser sowohl als Drahtzieher hinter der algerischen Befreiungsfront als auch als Schürer des britisch-griechisch-türkischen Zypernkonfliktes feststand bzw. verdächtigt wurde187. Weniger militärisches Ausgreifen der UdSSR als eskalierendes Übergreifen des Konfliktes auf östliche und Dritte-Welt-Mächte bestimmten die Gefährdungsanalyse. Freilich trieben westliche Staaten die Krise am Suez-Kanal auf ihren Höhepunkt. Die britisch-französisch-israelische Militäraktion zur Wiederherstellung der internationalen Benutzerrechte an der Wasserstraße wuchs sich zudem wegen der scharfen amerikanischen Gegenreaktion sowie wegen unübersehbarer Auffassungsunterschiede über die Motive für die Aktion und die weitere Behandlung des Problems zu einer Allianzkrise aus. Dies alles geschah zu einem Zeitpunkt, zu dem die parallel verlaufende blutige Unterdrückung des ungarischen Volksaufstandes durch sowjetische Truppen ein handlungsfähiges Bündnis erfordert hätte. Es liegt eine gewisse Ironie in der Tatsache, daß mit den Verantwortlichen für die Suezaktion, wie etwa Premierminister Eden, teilweise gerade diejenigen die Bündniskrise auslösten, die sich seit geraumer Zeit um den Zusammenhalt der westlichen Sicherheitsgemeinschaft gesorgt hatten188. Man darf als sicher annehmen, daß die Kremlführung angesichts der blockinternen Verwicklungen keine Angriffsabsichten hegte. Es gehört auch wenig Phantasie dazu zu folgern, daß Moskau die Nahostkrise dankbar begrüßte, weil sie die Aufmerksamkeit der Weltöffentlichkeit von den blutigen Geschehnissen in Ungarn ablenkte und überdies den sowjetischen Einfluß in der arabischen Welt zu fördern versprach. Gehört die sowjetische Raketendrohung gegen London und Paris im Zusammenhang mit der Suezaktion insofern in den Bereich der politischen Taktik? Auf dem Höhepunkt der Nahostkrise wurde die sowjetische Gewaltandrohung von den Europäern jedenfalls weitgehend ernst genommen189. Kurzfristig schloß man sowohl den angedrohten Raketeneinsatz190 als auch eine sowjetische Militärintervention in Ägypten nicht aus191. Vage deutete die französische Regierung selbst eine Gefahr für das neutrale Österreich an, nachdem eine Konzentration sowjetischer Truppen in der Tschechoslowakei beobachtet worden war192. Auf die Drohung Moskaus mit einem atomaren Schlag hat der Westen verhältnismäßig spät reagiert. Es verstrichen ganze acht Tage, bis der Supreme Allied Commander Europe die atomare Vergeltung androhte193. 187
Thoß, Bündnissolidarität und Regionalkonflikt. Die Suche der NATO nach einem System gegenseitiger Konsultation und die Suez-Krise 1955—1956, in: Konflikte starker und schwacher Intensität seit dem 2. Weltkrieg (= Internationale Kommission für Militärgeschichte, Acta No. 14), OttaBruno
wa
1989, Bd II, S. 691-710.
PRO, CAB 129/74, C. (55) 83, Talks with the Soviet Union, Eden, 26.3.1955. Für die USA siehe NA, DB, RG59, Box 3130, 740.5/5-1056, The Haag No. 1828 (betr. Dulles). 189 NA, DB, RG 59, Box 2620, 651.62A/11-856, Tel. Bonn 1784 (betr. Informationen Mollets für Ade188
nauer); Schweitzer (wie
Anm. 155), S. 101. Box 2324, 751.5/11-656, Unterredung
"°
NA, DB, RG 59,
191
Jaques Fauvet, Von de Gaulle bis de Gaulle. Frankreichs Viene Republik, Tübingen 1959/60, S. 324f.; PRO, PREM 11/1170, Tel. No. 1564, 6.11.1956.
192
Siehe Anm. 190.
193
Ebd., 611.61/1-257, Despatch Paris 1110,
2.1.1957.
Alphand-Herter am
6.11.1956.
Norbert
50
Wiggershaus
heutiger Sicht darf die sowjetische Drohung wohl eher als ein diplomatischer Versuch gedeutet werden, aus der Situation in Ägypten maximales politisches Kapital zu schlagen und die Vereinigten Staaten von den europäischen Invasoren Großbritannien
Aus
und Frankreich zu trennen, wie dies ein kanadischer Beobachter vermutete194. Vor dem Hintergrund der nuklearen Kräfteverhältnisse und der den sowjetischen Führern zugestandenen Ratio im Umgang mit Macht erscheint die Vorstellung jedenfalls mehr als abenteuerlich, Moskau habe im November 1956 mit dem Gedanken eines nuklearen
Schlagabtausches gespielt.
Während und unmittelbar nach der Niederwerfung des Aufstandes konstatierten zahlreiche westliche Analytiker eine markante Schwächung des sowjetischen Satellitenverbandes und des Kommunismus in der freien Welt als Folge der Vorgänge in Ungarn wie kurz vorher in Polen. Außenminister Dulles sah die kommunistischen Parteien in den westlichen Ländern in Unordnung und Verwirrung gestürzt. Die Satelliten galten für ihn nicht mehr als verläßliche Bastionen Moskaus. Zu einer ähnlichen Schlußfolgerung gelangte der Quai d'Orsay195. In Großbritannien, dessen Regierung mit keinem Vorstoß der sowjetischen Streitkräfte nach Westen rechnete, bestätigte das kompromißlose Vorgehen des Militärs in Ungarn nur die Überzeugung der Osteuropafachleute im Foreign Office, daß die Kremlführung unter keinen Umständen auf ihren Satellitengürtel verzichten wollte196. Das kanadische Außenamt erachtete die sowjetische Version der Volksdemokratie als total diskreditiert und sah als Folge des Eingreifens in Ungarn unkalkulierbare Probleme für die Kremlherren voraus197. Schließlich hatte sich die Revolution in Ungarn nicht allein gegen die von Moskau auferlegte Führerschaft gerichtet, sondern gegen den Kommunismus selbst, während die Unruhen und Veränderungen in Polen lediglich nationalistisch und antisowjetisch gekennzeichnet gewesen waren198. Es war leicht zu übersehen, daß mit der Krise des politischen Zusammenhalts zugleich die Existenz der militärstrategischen Pufferzone (einschließlich ihrer Luftverteidigungseinrichtungen gegen Nuklearangriffe) und des wirtschaftsstrategischen Ressourcengürtels (polnische Kohle, rumänisches Öl, deutsches und ungarisches Uran) Moskaus gefährdet war199. Insgesamt erschien die ungarische Revolte als ein »Augenöffner« hinsichtlich des wahren politischen Zustandes in den mittel- und südosteuropäischen Staaten: »das sowjetische Experiment hat sich in jeder Hinsicht als Fehlschlag herausgestellt, psychologisch, politisch, wirtschaftlich, militärisch und ideologisch200.« 194
NAC, RG 25, Acc. 1990-91/008, Vol. 299, 50128-40, Pt. 6, Memorandum for the Acting Minister,
>95
FRUS 1955-1957, IV, S. Ill (Dulles); Documents Diplomatiques Français 1956, Bd3, Paris 1990, No. 240. Jones (wie Anm. 139), S. 169, 189; PRO, CAB 129/86, C (57)3, Germany, 4.3.1957; ebd., F.O. 371/ 122791, NS 1023/64. NAC, RG 25, Acc. 1990-91/008, Vol. 299, 50128-A-40, Pt. 6, Memorandum for the Acting Mini-
8.11.1956.
196
197
ster, 8.11.1956.
198 199
200
Ebd., The Implications of Developments in Ebd.
Ebd., Vol. 303, 50128-B-40, Pt. 2, Bogota
Eastern
Europe for the USSR,
No. 337, R. A.D.
Ford,
16.9.1957.
27.11.1956.
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Hintergrund erachtete man es im Bonner Verteidigungsministerium als unredie sowjetischen Streitkräfte in Europa einmarschieren werden. Der offendaß alistisch, kundige Mangel an Zusammenhalt im Warschauer Pakt bei Fortbestehen der bisherigen Abschreckungsfaktoren hatte den sowjetischen Offensivspielraum weiter eingeengt. Nicht einmal für die Anzettelung lokaler militärischer Aktionen an der Peripherie ihres Machtbereiches in Europa und Asien trauten Bonner Militärexperten der Sowjetunion nun Absicht und Energie zu. Es herrschte die Zuversicht vor, daß Moskau Zeit für die innere Festigung benötige und im Wettkampf mit der kapitalistischen Welt weiterhin auf nichtmilitärische Mittel setzen würde201. Diese optimistische deutsche Sicht fand im westlichen Bündnis offenbar keinen breiten Nachhall. Die Leitung des State Department schloß z.B. nicht aus, daß Moskau von der inneren Krise durch äußere Schwierigkeiten ablenke202. Als das Bündnis im Dezember 1956 die Risse im eigenen Haus zu reparieren suchte und die sicherheitspolitische Außenlage analysierte, schwankte man trotz der offenkundigen Schwächung beim Kontrahenten zwischen Zuversicht und Sorge. Zwar wurde unverändert eingeräumt, daß sich die Angriffsgefahr seit dem Tode Stalins verringert habe, doch perzipierten die Bündnispartner nicht allein ein sowjetisches Festhalten am Ziel der Weltdominanz, sondern schlössen auch einen gegnerischen Generalangriff nicht ganz aus203. Nur militärische Stärke und zweifelsfreier Wille zu ihrem Einsatz würden laut John F. Dulles die Panzer der sowjetischen Streitkräfte, die in Budapest im Einsatz waren, vom Vormarsch nach Westen abschrecken204. Die von den Außenministern verabschiedete Politische Direktive für die künftige militärische Planung umfaßte die ganze Palette möglicher sowjetischer Angriffsformen, vom örtlichen Vorstoß und Angriff gegen periphere Ziele über mittelbare Interventionen außerhalb des NATO-Gebietes und erneute Interventionen im Satellitenbereich bis hin zum allgemeinen Angriff205.
Vor diesem
Möglichkeit war gegen die erklärte britische Auffassung in die Direktive aufgenommen worden, die Vergeltungskraft der H-Bombe setze der sowjetischen Feindseligkeit Grenzen und folglich werde Moskau einen globalen Krieg sowie risikoreiche internationale Spannungen zu vermeiden trachten. London hatte schließlich aus taktischen Gründen die amerikanische Überzeugung übernommen, eine Verhärtung bzw. Umkehrung der derzeitigen sowjetischen Linie sei nicht auszuschließen. Mit diesem Schachzug gelang es den Briten, die »gefährliche« Bewertung durch eine starke Fraktion im Ständigen NATO-Rat aus der gemeinsamen Analyse herauszuhalten, Moskau riskieDie letztere
201
Studie Nr. 3 (wie Anm. 168), S. 429, 436, 474. Zu den Details siehe Norbert Wiggershaus, Aspekte westdeutscher Bedrohungsvorstellungen 1956—1959. Wahrnehmungen durch Adenauer und die militärischen Verantwortlichen, in: Feindbilder und Militärstrategien seit 1945, hrsg. von Jürgen Rohwer, Bremen 1992.
202 203
204 205
FRUS 1955-57, IV, S. 111; Spencer (wie Anm. 115), S. 36. Siehe den Beitrag von Christian Greiner in diesem Band; Spencer, ebd., S. 35; Schweitzer Anm. 155), S. 101. Schweitzer, ebd., auf der Grundlage von FRUS 1955—57, IV, S. 112 ff. Greiner (wie Anm. 203).
(wie
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auch einen allgemeinen Krieg, um seine Einflußsphäre auszudehnen; ein Generalangriff drohe vor allem dann, wenn die Kremlführer ihre essentiellen Positionen in Osteuropa gefährdet sähen206. Selbst eingedenk der Tatsache, daß diese Sicht stark von den grausamen Ereignissen in Ungarn beeinflußt war, läßt sie sich angesichts der erkennbaren Erschütterung des gegnerischen Blocks und der gewachsenen Disziplinierungsaufgaben im Satellitenbereich, die noch stärkere Kräfte der Sowjetischen Streitkräfte absorbierten, zumindest heute kaum noch nachvollziehen. Die westliche Reaktion auf die Herausforderungen dieser Phase erzielte aus dem Blickwinkel der Allianz nur in der Rüstungspolitik ausreichende Erfolge. Neben die schon skizzierte weitere Ausrüstung der Streitkräfte mit taktischen Atomwaffen trat eine allgemein höhere Gewichtung der konventionellen Komponente. Angesichts der gewachsenen sowjetischen Atomkapazität räumte die NATO dem Ausbau des Frühwarnsystems und der Verbesserung der Luftverteidigung in Europa erste Priorität ein. Insgesamt wurde das Verteidigungsdispositiv verbreitert, wie dies in der Streitkräfteplanung der NATO für die Jahre 1958 bis 1961 (MC 70) zum Ausdruck kommt. Als Unsicherheitsfaktoren standen aber das schwer kalkulierbare Aufbautempo der westdeutschen Bundeswehr und neue Tendenzen der Amerikaner zu Buche, ihr militärisches Engagement in Europa abzubauen. Da in keinem Falle überall in Europa und an allen Brennpunkten in der Welt verteidigt werden konnte, blieb das Hauptaugenmerk der westlichen Sicherheitspolitik bei der nuklearen Abschreckung207. Auf dem politischen Feld war die NATO zunächst so stark mit ihren Dissensen über das Suezunternehmen beschäftigt, daß sie der flexibleren und offensiveren Dritte-Welt-Politik der Sowjetunion kaum etwas Gleichwertiges entgegensetzen konnte. Über Rezeption der Probleme und Projektierung von wirtschaftlich-politischen Lösungen kam man noch kaum hinaus. Ohnehin war dieses Terrain infolge der Militäraktion der NATOStaaten Großbritannien und Frankreich noch unwegsamer geworden, als es wegen der Kolonialpolitik westlicher Länder schon vorher war. re
V.
Zusammenfassung
(1) Die sowjetische Außenpolitik wurde im Westen weitgehend und durchgängig als expansiv gedeutet. Die Sowjetunion erschien als eine Macht, die, ideologisch bedingt, eine kommunistische Weltherrschaft oder zumindest -dominanz anstrebte. Ihr wurde zuge-
traut, daß sie ihre Ziele auch militärisch durchsetzen würde, wenn die Erfolgschancen dafür gut und die Risiken gering wären. In Verbindung mit dem konstatierten Systemunterschied zwischen West und Ost
begründete die perzipierte Zielrichtung die weitverbreitete Auffassung, daß ein Krieg zwischen den antagonistischen Lagern letztlich unvermeidbar sei. Diese Sicht verlor 206
PRO, F.O. 371/122791, NS 1023/65.
207
Greiner
(wie Anm. 203).
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in dem Maße Anhänger, indem die Existenz von Sicherheits- und Bewahrungsinteressen als Motiv für konkretes sowjetisches Handeln Befürworter fand. Diese Entwick-
lung wurde allerdings durch die kompromißlose und blutige Unterdrückung von Aufständen wieder zurückgeworfen. (2) Zu keiner Zeit unterstellte man der sowjetischen Führung die unmittelbare Absicht eines militärischen Großangriffs nach Westen; von den kurzen Episoden nach Ausbruch des Koreakrieges, nach Eingreifen der VR China in den Koreakrieg und auf dem Höhepunkt der Suezkrise (sowjetisches Raketengerassel) darf hier abgesehen werden. Fehlkalkulationen (wie für den Koreakrieg angenommen) wurden als potentielles Angriffsmotiv freilich ebenfalls nie ausgeschlossen. Die Spekulationen über mögliche Angriffstermine zielten anfänglich sehr weit in die Zukunft, räumten aber auch später wenigstens eine Frist von mehreren Jahren ein. Mit dem Ausbau der amerikanischen nuklearen und thermonuklearen Vergeltungskraft und zunehmender sowjetischer Erfahrung mit dieser »absoluten Waffe« wuchs zudem das Vertrauen in die kriegverhindernde Wirkung des Zerstörungspotentials, obwohl die Sowjetunion nach westlichen Erkenntnissen ständig ihre militärischen Kräfte verstärkte und sowjetische Fernbomber den nordamerikanischen Kontinent (3)
(4)
(5)
mit H-Bomben erreichen konnten. Ein gewisser Wandel vollzog sich auch in der
Einschätzung der möglichen sowjetimilitärische Aktionen, etwa in Form von Stellvertreterkriebegrenzte 1953 und verstärkt 1956 Kohäsionsschwächen im gen, zu initiieren, nachdem sich östlichen Satellitengürtel auftaten. Welche Satellitenarmee hätte man denn vorschicken können? Und zumindest in Europa konnte die Kremlführung auch kleinere eigene militärische Abenteuer vorerst nicht wagen. Hingegen bildete die Vorstellung Anlaß zu immer wiederkehrender Sorge, politische Krisen und periphere militärische Operationen könnten aus dem Ruder laufen und sich zu einem Krieg auswachsen. Die für kriegerische Auseinandersetzungen maßgeblichen militärischen Kräfteverhältnisse erlaubten der westlichen Seite zunehmend eine größere Gelassenheit. Insgesamt hatten sie sich unübersehbar zugunsten der Atlantischen Allianz verbessert. Zwar büßte der Westen die atomare Monopolstellung ein, doch verfügte er im gesamten Beobachtungszeitraum über einen markanten Vorsprung an nuklearen Waffen. Auf dem konventionellen Sektor gelang den Bündnisstreitkräften fast der militärstrategische Sprung von der Rückzugsplanung zur Vorwärtsverteidigung. Die Bedeutung der Perzeptionen seitens der Westmächte bezüglich des Einsatzes von nichtmilitärischen Mitteln des Gegners gleicht dem Auf und Ab einer Wellenbewegung. Auf Spaltung und Schwächung der westlichen Sicherheitsgemeinschaft zielenschen Absicht,
durchgehende Formen von politischem Druck, Infiltration, Subversion etc. sah differenziert. In der Zeit der darniederliegenden Volkswirtschaften und der instabilen politischen Gesellschaften in Westeuropa in der zweiten Hälfte der vierziger und in den beginnenden fünfziger Jahren stellten etwa Diskreditierung und Einschüchterung der westeuropäischen Regierungen erfolgversprechende Haupteinsatzmittel dar und wurden auch als solche empfunden. Seitdem die Marshallplanländer in der ersten de
man
Norbert
54
Hälfte der fünfziger Jahre zunehmend wirtschaftlich prosperierten, galten die Methoden des Kalten Krieges in den meisten NATO-Staaten kaum mehr als scharfe Waffen. Allerdings bereiteten den Regierungen in der Phase relativer Entspannung zwischen den Blöcken die nachlassende Rüstungs- und Verteidigungsbereitschaft nicht unerhebliches Kopfzerbrechen. Mit sich mehrenden wirtschaftlichen, industriellen und technischen Erfolgen der Sowjetunion in der zweiten Hälfte der fünfziger Jahre tauchten in den westlichen Überlegungen nicht nur erstmals bange Sorgen vor einem wirtschaftlichen Konkurrenzkampf mit der Sowjetunion auf. Angesichts der Zerstrittenheit und nachlassender Rüstungsbereitschaft im Bündnis lebten nun alte Befürchtungen wieder auf, der Kreml könne trotz Schwächung der eigenen Position in den Satelliten seine Ziele mit militärisch und wirtschaftlich abgestütztem Druck erreichen. Eine neue Gefahr bildete seit Mitte des Jahrzehnts die politisch kluge und effiziente Dritte-Welt-Politik des Kreml. Sie paralysierte die westliche Containmentpolitik in der Region des Bagdad-Paktes, dehnte das Schlachtfeld des Kalten Krieges weiter aus und drohte das globale Kräfteverhältnis zuungunsten des Westens zu verändern. Der neue sowjetische Ansatz wurde auch deshalb ernst genommen, weil er die Allianz unvorbereitet und zerstritten antraf. weitgehend —
(6)
Wiggershaus
—
Alexander Fischer
Sowjetische Reaktionen auf die Gründung der NATO
I.
Anfang März des Jahres 1990 berichtete Galina Sidorowa, politische Kommentatorin der
»Neuen Zeit« den »Moskauer Heften für Politik«, wie sich die Zeitschrift im Untertitel nennt —, fast euphorisch von der »Open Sky Conference« im kanadischen Ottawa. Die Begegnung hatte sie vor allem durch ihren »konkreten Charakter« und die erzielten »bedeutsamen Ergebnisse« beeindruckt. Es habe in letzter Zeit wohl keine Konferenz gegeben, so schrieb sie, »die in zwei Tagen so viele Probleme gelöst hätte« wie eben dieses Treffen in Kanada. Nicht zuletzt zeigte sich die sowjetische Journalistin von der Tatsache beeindruckt, daß »die kompliziertesten Fragen« auf diesem Ministertreffen »bilateral entschieden« worden seien. Die Bedeutung dieser Aussage läßt sich erst ermessen, wenn man die Themenliste des Treffens in Kanada studiert und die Teilnehmer ausmacht: Erörtert und tatsächlich jeweils mit einem einvernehmlich verabschiedeten Kommunique abgeschlossen wurden zentrale Themen der internationalen Politik, die jahrzehntelang auf der Tagesordnung gestanden hatten, ohne einer Lösung nähergebracht oder gar zugeführt worden zu sein, z.B. Fragen der Abrüstung (in diesem Falle Probleme der konventionellen Waffen in Europa), Fragen von Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa und nicht zuletzt die »deutsche Frage«; und Verhandlungs- oder besser: Gesprächspartner waren die Außenminister der NATO und des Warschauer Paktes1. Es lag auf der Linie dieses politischen Einvernehmens zwischen Ost und West, wenn anläßlich des Bonner 2 + 4-Treffens im Mai 1990 die schon erwähnte Galina Sidorowa und ihr Kollege Nikita Sholkwer, als Sonderkorrespondenten der »Neuen Zeit« bei dieser Begegnung dabei, auf der abschließenden Pressekonferenz dem amerikanischen Außenminister James Baker die Frage stellten, ob er »in absehbarer Zukunft die Möglichkeit eines Eintritts der Sowjetunion in die NATO« sehe. Was von den beiden Journalisten angesichts der problematischen Situation von Hundemausenden von Sowjetsoldaten in einem künftig geeinten Deutschland (»Wer ist denn eigentlich gegen wen?«) als Denkanstoß für eine Umgestaltung der Beziehungen Moskaus zur NATO gedacht war, wurde vom amerikanischen wie vom sowjetischen Außenminister nicht einmal prinzipiell ausgeschlossen: James Baker äußerte sich vorsichtig dahingehend, daß ein solcher Schritt seitens der UdSSR »sicher nicht in nächster Zukunft« erfolgen werde, und Eduard Sche—
—
—
—
1
Galina Sidorowa, Die Arithmetik des »offenen
Himmels«,
in: Neue Zeit,
(1990) 9,
—
S. 7—9.
Alexander Fischer
56
wardnadse stellte klar, daß die Sowjetunion »vorerst« noch keinen Antrag auf Beitritt zur NATO stellen werde2. Es war nicht immer so, daß wie in den soeben zitierten Kommentaren und Berichten in sowjetischen politischen Wochenschriften von der NATO als von der »lebensfähigsten und stärksten Sicherheitsstruktur« in Europa die Rede gewesen ist und Moskauer Journalisten nicht ausschließen wollten, daß ausgerechnet das westliche Bündnis »die Basis für die gesamteuropäische Sicherheit bilden« könne3. In einem Moskauer Lexikon aus dem Jahre 1955 war unter dem Stichwort »Nordatlantikpakt« von einem »Vertrag über ein aggressives Militärbündnis« die Rede, das »gegen die UdSSR, die Länder der Volksdemokratien und die nationale Befreiungsbewegung in den kolonialen und abhängigen Ländern« gerichtet sei4. Dieser Ton änderte sich in den nächsten Jahrzehnten nicht: Die NATO war solcher Sprachregelung zufolge stets ein »aggressiver Militärpakt unter Führung der USA«, der sich gegen ziemlich alles richtete »gegen das sozialistische Lager, die unabhängigen Nationalstaaten und die Befreiungsbewegung in den kolonial unterdrückten und abhängigen Ländern« und zudem als angebliches »Instrument zur Unterdrückung der Volksmassen in den Teilnehmerstaaten« auch noch eine verwerfliche innenpolitische Funktion besaß. Unter solchen Voraussetzungen war die NATO für Moskau und seine Verbündeten nichts anders als »eine ernsthafte Bedrohung des Friedens und der Sicherheit der Völker«. Trost schöpften diese allein aus den Vorgaben der marxistisch-leninistischen Ideologie und natürlich aus der Stärke der »sozialistischen Staatengemeinschaft«: Die NATO könne nämlich, so hieß es zum einen unter Rückgriff auf die Leninsche Imperialismustheorie, »die zwischen den Koalitionspartnern bestehenden imperialistischen Widersprüche« nicht beseitigen, und zum anderen sei der Nordatlantikpakt »in Anbetracht der Stärke der sozialistischen Staaten und ihres Verteidigungsbündnisses [...] nicht in der Lage, das Kräfteverhältnis in der Welt zugunsten des Imperialismus zu verändern5«. Wie sich z. B. aus dem Ostberliner »Wörterbuch zur deutschen Militärgeschichte« von 1985 ersehen läßt, ist diese Argumentationslinie sogar bis in die 80er Jahre hinein unverändert geblieben. Von den Autoren des Militärgeschichtlichen Instituts der DDR wurde die NATO nach wie vor als »ein militärisch-politischer Block« bezeichnet, »der seinen aggressivsten Kreisen als Hauptinstrument zur Durchsetzung ihrer Globalstrategie gegen die sozialistischen Staaten vor allem in Europa sowie als Zentrum des weltumspannenden imperialistischen Militärblocksystems gegen die nationale Befreiungsbewegung in Asien, Afrika und Lateinamerika dient und zugleich auch gegen antimilitaristische, demokratische Kräfte in den Paktländern selbst gerichtet ist«. Die Nordatlantikpaktorganisation sei »auf Initiative der USA als Instrument des kalten Krieges und der vor allem gegen —
—
—
—
—
—
2
Diesselbe/Nikita Skolkwer, Keine heimtückischen
3
Ebd.,
4
Bolschaja Sowjetskaja Enziklopedija, Bd 38, Moskau 21955, S. 333. Diese Formulierung wurde von den Lexikonredakteuren in der DDR nahezu wörtlich übernommen: vgl. Lexikon A—Z in einem Bd, Leipzig 1955, S. 61. Vgl. Meyers Neues Lexikon, Bd 6, Leipzig 1964, S. 175f., und Bolschaja Sowjetskaja Enziklopedija, Bd 18, Moskau 31974, Sp. 1427 ff.
5
S. 6.
Gegner mehr,
in:
ebd., (1990) 20,
S. 7.
Sowjetische Reaktionen auf die Gründung der NATO
57
die UdSSR gerichteten Politik der Stärke« entstanden. »In einer seitens der aggressivsten Kräfte des Imperialismus verschärften internationalen Situation« hätten »die USA ihre Stellung als kapitalistische Führungsmacht ausgebaut« und seien außerdem bestrebt gewesen, »ihre Verbündeten über ein Militärblocksystem mit der NATO als Kern in ihre Globalstrategie einzuordnen«. Die westeuropäischen Mitglieder der NATO hätten mit ihrem Beitritt in Übereinstimmung mit den USA hauptsächlich das Ziel verfolgt, »einer weiteren Vertiefung der allgemeinen Krise des Kapitalismus entgegenzuwirken und den Vormarsch der Kräfte des Friedens, der Demokratie und des Sozialismus in erster Linie in Europa aufzuhalten«. Es entsprach dem damals gültigen leninistischen Weltbild, in der NATO das militärisch-politische Instrument zur Durchsetzung der Hegemonie der USA gegenüber Westeuropa zu sehen. Es war ebenso selbstverständlich zu behaupten, daß die Bildung des Nordatlantikpaktes »im Widerspruch zu den im Potsdamer Abkommen und in anderen Dokumenten der Antihitlerkoalition völkerrechtlich verankerten Prinzipien über die Zusammenarbeit mit der Sowjetunion bei der Gewährleistung von Sicherheit und Frieden in Europa« gestanden habe und zudem mit den Prinzipien der UNO-Charta unvereinbar sei6. Unter solchen Voraussetzungen die Frage nach den sowjetischen Reaktionen auf die Gründung des Nordatlantikpaktes zu stellen, macht es zunächst einmal erforderlich, sich der Grundprinzipien der sowjetischen Europapolitik nach dem Zweiten Weltkrieg zu erinnern, ehe den Fragen nachgegangen werden kann, welche Interpretation die westliche Politik der wirtschaftlichen Gesundung und militärischen Stärkung Europas in Moskau erfuhr und welche Initiativen die Gründung der NATO bei der Führungsmacht des sich herausbildenden kommunistischen Ostblocks auslöste.
H.
Frage nach den außenpolitischen Zielvorstellungen Moskaus, insbesondere den Grundprinzipien seiner Europapolitik, nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges stellen,
Die
heißt unwillkürlich versucht zu sein, sie mit dem nunmehr schon klassisch zu nennenden von dem ehemaligen jugoslawischen Kommunisten Milovan Djilas überlieferten Ausspruch Stalins aus dem Frühjahr 1945 zu beantworten. In diesem Kriege lägen die Dinge anders als im vorigen, so soll er seinerzeit im Gespräch mit führenden Vertretern der jugoslawischen Kommunistischen Partei erklärt haben; wer immer ein Territorium besetze, der zwinge ihm auch »sein eigenes System« nach dem Motto auf: »Jeder führt sein System ein, so weit seine Armee vordringt7«. Der vielzitierte Ausspruch Stalins läßt erkennen, daß die sowjetische Außenpolitik am Ende des Zweiten Weltkrieges in der Tat nicht nur auf die Befreiung des Sowjetlandes von den »faschistischen Aggressoren« oder auf das Bewahren schon erreichter Einflußsphären aus der Zeit des Hitler-Stalin-Paktes, sondern möglicherweise im Blick auf —
—
—
6 7
Wörterbuch zur deutschen Militärgeschichte, Bd2, Berlin (Ost) 1985, S. 692. Milovan Djilas, Der Krieg der Partisanen. Memoiren 1941—1945, Wien u.a. 21978, S. 558.
Alexander Fischer
58
den offenbar für unvermeidlich gehaltenen Zusammenstoß mit den »imperialistischen Mächten« des Westens auch auf eine Erweiterung der eigenen Einflußzone ausgerichtet gewesen ist. Schließlich äußerte Stalin im Gespräch mit seinen jugoslawischen Genossen auch die Überzeugung, daß man sich in fünfzehn, zwanzig Jahren erholt haben werde, und dann, so glaubte er offenbar, werde es »von neuem losgehen8«. So ist es wohl auch nicht nur einfach dahergeredet gewesen, wenn sich Stalin gegenüber dem amerikanischen Diplomaten Avereil Harriman 1945 in Potsdam darüber beklagte, »nicht wie sein ¡Vorgängen Zar Alexander I. bis Paris gekommen zu sein«. Auch Äußerungen gegenüber hochrangigen chinesischen Politikern belegen seinen offensiven »Drang nach Süden und Westen«: Er beabsichtige, so erklärte Stalin dem in Moskau weilenden Tschiang Tsching-ko, Sohn des Marschalls Tschiang Kai-schek, im Jahre 1945, »seine Herrschaft in den angrenzenden Gebieten überall dort, wo er dazu in der Lage sei, zu verstärken und so viele strategische Positionen wie möglich zu erlangen9«. Die in solchen Äußerungen anklingende dynamische Grundkonzeption der Stalinschen Außenpolitik im allgemeinen wie der Moskauer Europapolitik im besonderen ist in der westlichen Öffentlichkeit immer Zweifeln ausgesetzt gewesen. Manche Historiker oder Publizisten wollten nicht wahrhaben, daß für Stalin zu den Früchten des Sieges nicht nur »die Zerschlagung des Faschismus«, sondern auch »die Verwandlung der Sowjetunion in einen der einflußreichsten Staaten der Erde« zählte10. Es ist vor allem der tschechoslowakische Exilhistoriker Karel Kaplan gewesen, der auf der Basis bemerkenswerten Quellenmaterials den Nachweis geführt hat, daß die Moskauer Außenpolitik nach 1945 im wesentlichen von der offensiven »Konzeption eines sozialistischen Europas« bestimmt worden ist, vor allem aber von den Vorstellungen Stalins »über den allmählichen Sieg der Revolution in Europa und die Erweiterung des sowjetischen Einflusses auf dem gesamten Kontinent11«. Diese Europakonzeption Moskaus war unter zwei Voraussetzungen konzipiert worden: Zum einen lag ihr die Annahme zugrunde, daß das militärische Engagement der Vereinigten Staaten von Amerika nicht von Dauer sein werde; zum anderen war mit ihr die Auffassung verbunden, daß sowohl Großbritannien als auch Frankreich eine nachhaltige, wenn nicht sogar entscheidende Schwächung ihrer Stellung als europäische Großmächte erfahren hatten. Damit glaubte sich die UdSSR nicht nur imstande, sondern als siegreiche Großmacht auch berechtigt, das Machtvakuum in Europa ausfüllen und so »schrittweise ihren Einfluß und den Sozialismus auf den gesamten Kontinent« ausdehnen zu können. Stalin kalkulierte offenbar damit, »daß zusammen mit der allgemeinen Verlagerung Europas nach links soziale Krisen in den westlichen Staaten die Voraussetzungen für ein machtpolitisches Übergewicht der Kommunisten, insbesondere in Italien, Frankreich und Deutschland, bilden würden«. Im Vertrauen auf den beträchtlichen —
8
Ebd., S. 559.
Vgl. Alexander Fischer, Die Sowjetunion und die »deutsche Frage« 1945—1949, in: Die Deutschlandfrage und die Anfänge des Ost-West-Konflikts 1945—1949, Berlin 1984, S. 45. 10 Dimitri Wolkogonow, Stalin Triumph und Tragödie. Ein politisches Porträt, Düsseldorf 1989, S. 676. 11 Karel Kaplan, Der kurze Marsch. Kommunistische Machtübernahme in der Tschechoslowakei 9
—
1945—1948, München, Wien 1981, S.
89 ff.
Sowjetische Reaktionen auf die Gründung der NATO
59
politischen Einfluß der kommunistischen Parteien in Frankreich und Italien sowie auf den Führungsanspruch der deutschen Kommunisten, die nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges in vermeintlicher Ermangelung einer sozialdemokratischen oder »bürgerlichen« Alternative die politische Führung und Erziehung der deutschen Nation zu übernehmen beanspruchten, scheint in Moskau die Vorstellung geherrscht zu haben, den westlichen Teil Europas »auf friedlichem Wege« in die sowjetische Einflußsphäre integrieren
zu
können12.
Vorstellung war es in dem Moment vorbei, als die USA im Juni 1947 mit der Verkündung des Marshall-Plans vor aller Welt deutlich machten, entgegen ihrer ursprünglichen Absicht auch weiterhin in der europäischen Politik als dauerhafter Faktor wirken zu wollen. Es spricht vieles dafür, daß diese Erkenntnis bei den sowjetischen Führungskadern zu der Überzeugung geführt hat, die bisher verfolgte europapolitische Konzeption Moskaus müsse als gefährdet angesehen werden. Mit dieser
III.
Die in Moskau herrschende dichotomische Weltsicht ließ keinen Spielraum für eine kontrovers geführte öffentliche Diskussion über den Marshall-Plan, der in der westlichen Forschung inzwischen gemeinhin als »Hilfsprogramm für das kriegsgeschädigte, paralysierte System der europäischen Industriestaaten« (Manfred Knapp) beschrieben wird. Aus einer leninistischen, von Konfrontation und Klassenkampf geprägten Perspektive war ein negatives Urteil schnell gefällt. Die zeitgenössischen sowjetischen Kommentare zum Marshall-Plan und zur damit in Verbindung gebrachten Entstehung des Nordatlantikpaktes riefen den Eindruck hervor, als rüste »der Imperialismus« nunmehr zum nächsten, zum letzten Gefecht. Insbesondere Stalin, der sein Mißtrauen gegenüber seinen ehemaligen westlichen Verbündeten nie ganz unterdrücken konnte, hat offenbar die Auffassung vertreten, die Amerikaner wollten ihm nunmehr seinen Rang in Europa streitig machen. Bei ihm setzte sich die Vorstellung fest, daß die USA beabsichtigten, mit Hilfe des Marshall-Plans, die aus Moskauer Sicht als eine Neuauflage der Truman-Doktrin erschien, die Sowjetunion international zu isolieren. Diese Interpretationstendenz ist in der Sowjetunion stets latent vorhanden gewesen. Stalin selbst hatte wenige Tage nach der berühmten Rede Churchills in Fulton in einem Interview in der »Prawda« vom 13. März 1946 geäußert, »daß die Einstellung Churchills eine Einstellung für den Krieg ist, ein Aufruf zu einem Krieg gegen die UdSSR«. Er ging sogar so weit, Churchills außenpolitische Konzeption mit Hitlers Rassentheorie zu vergleichen, »die schließlich zur Entfesselung des Zweiten Weltkrieges geführt habe«, und erinnerte daran, daß sein britischer Gegenspieler »bereits in der Zwischenkriegszeit gegen die Sowjetunion habe Krieg führen lassen«. Selbstverständlich war diese Bedrohungsanalyse mit einer zuversichtlichen Einschätzung der eigenen Verteidigungsmöglichkeiten gegen eine drohende Aggression verbunden: »Ich weiß nicht«, so führte Stalin aus, —
12
Nach Fischer
(wie
Anm.
9),
—
S. 46;
vgl. Kaplan (wie Anm. 11),
S. 90f.
60
Alexander Fischer
»ob es Churchill und seinen Freunden gelingen wird, nach dem Zweiten Weltkrieg einen neuen militärischen Feldzug gegen das östliche Europa zu organisieren, aber wenn ihnen das gelingen sollte, was wenig wahrscheinlich ist, weil Millionen der einfachen Menschen als Hüter des Friedens stehen, so kann man mit Gewißheit sagen, daß sie genauso geschlagen werden, wie sie in der Vergangenheit vor 26 Jahren geschlagen worden sind13«. Nachdem die Truman-Doktrin und vor allem der Marshall-Plan im Laufe des Jahres 1947 aus Moskauer Sicht für eine Zuspitzung der internationalen Lage gesorgt hatten, wurde jeder weitere Schritt der Westmächte hin zu einer Koordinierung ihrer Politik als ein Schritt in Richtung auf einen Krieg interpretiert. In der Regel war damit in den sowjetischen Massenmedien eine Flut von polemischen Stellungnahmen gegen die Politik der Westmächte verbunden. Deutlich läßt sich das auch im Vorfeld der Gründung des Nordatlantikpaktes beobachten, z.B. als am 17. März 1948 Großbritannien, Frankreich und die Beneluxländer als Ergänzung des Paktes von Dünkirchen vom 4. März 1947 den sogenannten Brüsseler Pakt unterzeichneten, der der Stärkung der wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Bindungen der Vertragspartner und der wirtschaftlichen Gesundung Europas, aber eben auch der militärischen Abwehr eines Aggressors dienen sollte14. Eine erste Bilanz des Vertrages in der Moskauer »Neuen Zeit« von Anfang Juni 1948 sprach den daran beteiligten Staaten unter Hinweis auf den Marshall-Plan jede selbständige Politik ab: Über ihnen hänge »die Geißel des Marshallplans«, so hieß es aus Moskau, und die angestrebte Koordinierung im wirtschaftlichen Bereich erfolge »von jenseits des Atlantik über den Kopf der europäischen Regierungen hinweg«. Nur in einer Beziehung habe der Brüsseler Pakt bereits »bestimmte Resultate« gezeitigt: Die Unterzeichnung dieses Dokuments sei »zum Ausgangspunkt der Erweckung einer Kriegspsychose in Westeuropa und verstärkter Kriegsvorbereitung« geworden. Unter vorrangiger Herausstellung dieses Aspekts wurde davon gesprochen, daß der Brüsseler Pakt keineswegs der »kollektive[n] Selbstverteidigung«, sondern der »kollektivefn] Aggressionsvorbereitung« diene. Er ziele auch nicht darauf ab, »ernste Garantien gegen eine Wiedergeburt des deutschen Militarismus« zu geben, wie das bei Verträgen der Sowjetunion mit »einer Reihe von Ländern der Volksdemokratie« der Fall sei; es werde vielmehr nicht einmal verhehlt, daß dieses »westliche Kriegsbündnis« gegen Osteuropa, »also gegen die Länder der Volksdemokratie und die Sowjetunion«, gerichtet sei15. Obgleich westliche Politiker wie Bevin, Spaak und Bidault seinerzeit nichts unversucht ließen, den Brüsseler Pakt als einen Beitrag zur Sache des Friedens in Europa darzustellen, wurde ihnen in Moskau prinzipiell kein Glauben geschenkt. Dieser Vertrag sei, so hieß es in der bekannten Tonlage des Kalten Krieges, im Grunde »zu einem neuen Schritt in der Politik der Kriegsentfesselung geworden16«.
Vgl. Othmar Nikola Haberl, Die sowjetische Außenpolitik im Umbruchsjahr 1947, in: ders./Lutz Niethammer (Hrsg.), Der Marshall-Plan und die europäische Linke, Frankfurt a.M. 1986, S. 77 f. Vgl. Christian Greiner, Die alliierten militärstrategischen Planungen zur Verteidigung Westeuropas 1947—1950, in: Roland G. Foerster, Christian Greiner, Georg Meyer, Hans-Jürgen Rautenberg, Norbert Wiggershaus, Von der Kapitulation bis zum Pleven-Plan, München, Wien 1982 (= Anfänge westdeutscher Sicherheitspolitik 1945—1956, Bd 1, hrsg. vom MGFA), S. 148—162. 15 L. Sedin, Über das Kriegsbündnis der westeuropäischen Länder, in: Neue Zeit, (1948) 23, S. 6f. 16 13
14
Ebd., S.
10.
Sowjetische Reaktionen Der
auf die
Gründung der NATO
61
Bezug zum Marshall-Plan und damit die politische Verantwortung der USA waren
Moskauer Sicht unübersehbar: Es könne kein Zweifel daran sein, so hieß es in der »Neuen Zeit«, daß die Bildung »eines neuen Aggressionsblocks im dritten Jahr nach Beendigung des Krieges nur möglich wurde, weil die USA dieses Beginnen von allem Anfang an inspirierten, billigten und unterstützten«. Man erkenne unschwer, so wurde der Bezug zu der amerikanischen Finanzhilfe für Europa hergestellt, daß der neue Zusammenschluß »mit den Zielen der amerikanischen Expansion auf dem europäischen Kontinent« zusammenfalle. Die westeuropäische Presse betone auch nicht zufällig, »daß sich der Brüsseler Kriegsblock logisch aus dem Marshallplan ergibt«. Dieser Plan, »der die ökonomische Expansion der amerikanischen Monopole in Form brachte«, stehe vor den Völkern jetzt in seiner neuen Form da »als eine Stufe zur militärischen Expansion«. In diesem Zusammenhang wurde den Regierungskreisen in Washington vorgeworfen, der »Brüsseler Verschwörung gegen den Frieden« schon »in deren Inkubationsperiode« ihren Segen gegeben zu haben, als Truman am 17. März, also einen Tag vor Abschluß des Vertrages, die Unterstützung der USA für diesen Zusammenschluß zugesagt habe. Diese Erklärung, so merkte die »Neue Zeit« kritisch an, habe »die reaktionären Kräfte Westeuropas« beflügelt und deren »sowieso schon unmäßige Rauflust« nur noch aus
—
vergrößert17.
Als sich nicht zuletzt unter dem Eindruck des kommunistischen Umsturzes in der Tschechoslowakei vom Februar 1948 und der sowjetischen Blockade der Westsektoren Berlins seit Juni 1948 die Konturen eines spezifisch antisowjetischen, atlantischen Verteidigungsbündnisses abzuzeichnen begannen, blieb die Kampagne Moskaus gegen die »kriegstreiberischen« Westmächte abgesehen von dem Argument, die USA und England rückten mit ihrem Verhalten »von der in den Abkommen von Jaita und Potsdam proklamierten demokratischen Politik« und damit von international übernommenen Verpflichtungen ab18 im Grundtenor unverändert: Den westlichen Staaten wurde vorgeworfen, die mit dem deutschen Militarismus verbundenen Gefahren völlig aus den Augen zu verlieren und deshalb Zusammenschlüsse einzugehen, die nicht den Zweck hätten, »die Wiederholung einer deutschen Aggression unmöglich zu machen«, wie es die Sowjetunion und die volksdemokratischen Länder sich zum Ziele gesetzt hätten. Im Gegensatz zu den Verträgen zwischen der Sowjetunion und den volksdemokratischen Ländern hätten die Verträge zwischen den westlichen Staaten nicht »die Konsolidierung des Friedens im Auge«, sondern seien vielmehr »ein Werkzeug der aggressiven imperialistischen Politik der USA und Englands«. Den »in Bildung befindlichen Blocks« wurden »aggressive Zwecke« unterstellt, wie u. a. an dem »ununterbrochene[n] Wettrüsten«, an der Ablehnung von Vorschlägen zur zum und Rüstungsbeschränkung Atomwaffenverbot, an der Schaffung von amerikanischen Militärstützpunkten »in ganz weit von Amerika entfernten Gebieten« oder an der Verhinderung von Friedensverträgen mit Deutschland und Japan nachzuweisen sei. —
—
—
—
—
—
—
17
Ebd., S. 7f.
18
Vgl.
Der
Nordatlantikpakt
eine Gefahr für den —
Frieden, ebd., (1949) 6,
S. 2.
Alexander Fischer
62
Mit Bezug auf die Heranziehung Franco-Spaniens, Portugals, Italiens und der Türkei, die geplante Bildung einer Mittelmeer-Union unter amerikanischer und englischer Führung sowie die »projektierte Schaffung einer Gruppierung von Ländern Südostasiens« wurde auf den Weltherrschaftsanspruch »der regierenden Kreise« der USA und Englands in allen Teilen der Welt verwiesen. Den »imperialistischen« Staaten wurde vorgeworfen, es abgelehnt zu haben, mit den »Ländern der Volksdemokratie« zusammenzuarbeiten, vor allem aber eine »Politik der Isolierung« gegenüber der Sowjetunion mit einem hohen Risiko durchsetzen zu wollen: Dieser alte sowjetfeindliche Kurs aus den Jahren vor dem Zweiten Weltkrieg habe schließlich »die Zivilisation Europas fast in die Katastrophe geführt19«. —
—
IV.
Die Sowjetunion hat selbstverständlich nicht nur in der Propaganda ihrer Massenmedien auf die politische Entwicklung im Westen reagiert. Die »Weltherrschaftsbestrebungen«, wie die Moskauer Partei- und Staatsführung die amerikanische Politik empfand, wurden auch mit wichtigen Ergänzungen in der außenpolitischen Leitlinie der Sowjetunion beantwortet. Diese blieb nicht mehr nur vage auf die Vorstellung ausgerichtet, in längerfristiger Perspektive ein »sozialistisches Europa« verwirklichen zu können, sondern erfuhr auch eine konkretere Ausformung durch die Abkehr von einer aus taktischen Gründen während des Zweiten Weltkrieges betriebenen »slawischen« d. h. an den vorgeblichen Interessen der slawischen Völker orienPolitik Moskaus, tierten die ideologische Ausrichtung der kommunistischen Parteien wie der Staaten der sowjetischen Einflußsphäre in Ostmittel- und Südosteuropa auf ein eindeutiges Feindbild im Sinne der in Moskau gültigen dichotomischen Weltsicht, den entschiedenen Widerspruch gegen föderative Tendenzen im ostmittel- und südosteuropäischen Einflußgebiet der Sowjetunion und den damit einhergehenden Beginn des Aufbaus einer eigenen, von Moskau dominier—
—
—
—
—
—
ten
Blockorganisation.
Zu den ersten Anzeichen einer Veränderung in der außenpolitischen Leitlinie Moskaus im Sinne einer Straffung der eigenen Einflußsphäre gehörte die Abkehr von dem bis kurz nach Ende des Zweiten Weltkrieges betonten Anspruch, eine Politik im Interesse der slawischen Völker und des Slawentums zu betreiben. Das war insofern eine wichtige Voraussetzung für die Ausbildung eines eigenen Blocks, als sich zwischen slawischen und nichtslawischen Staaten des sowjetischen Machtbereiches eine ähnliche Trennungslinie ergab wie zwischen Siegern und Besiegten. Auch die bisherigen Begründungen für die Zusammenarbeit der slawischen Staaten, die Verteidigung gegen eine deutsche Aggression und der Verweis auf die natürliche Mentalität der slawischen Völker als Friedensträger, ließen sich nicht mehr aufrechterhalten: Zum einen war die Teilnahme DeutschSedin
(wie
Anm.
15),
S.
6f.; Nordatlantikpakt (wie
Anm.
18),
S. 2f.
Sowjetische Reaktionen
auf die
Gründung der NATO
63
lands oder zumindest der sowjetischen Besatzungszone Deutschlands an dem zu bildenden Ostblock nicht mehr von vornherein auszuschließen, und zum anderen schrieb Moskau die Eigenschaft des Friedensträgers nunmehr »dem Sozialismus« zu. Dies besagte, daß die besondere Betonung einer slawischen Politik in dem Moment beendet wurde, als Moskau nicht mehr in Deutschland, sondern im »amerikanischen Imperialismus« den Hauptgegner ausgemacht zu haben meinte20. Vor diesem Hintergrund war es folgerichtig, wenn Moskau spätestens seit dem »Umbruchsjahr 1947« (Othmar N. Haberl) bemüht gewesen ist, neue Formen der Kooperation zwischen den kommunistischen Parteien der eigenen Einflußsphäre in Ostmittel- und Südosteuropa durchzusetzen. Dabei genoß offenbar die Festlegung einer gemeinsamen ideologischen Linie Vorrang, die entsprechend den Vorgaben des Marxismus-Leninismus auf eine Zweiteilung der Welt hinauslief. Schon im Juni 1946 hatte das theoretische Zentralorgan des ZK der KPdSU (B), der »Bolschewik«, in einem redaktionellen Artikel zum fünften Jahrestag des deutschen Angriffs auf die Sowjetunion »gefährliche Tendenzen in der internationalen Politik« ausgemacht und dabei sowohl Washington als auch London vorgeworfen, eine neue »imperialistische Expansion« und damit »die Weltherrschaft des angelsächsischen Imperialismus« anzustreben. Wenig später, im November 1946, hatte Andrej Shdanow, für ideologische Fragen zuständiger Sekretär des Zentralkomitees der KPdSU (B) und enger Vertrauter Stalins, diesen Vorwurf noch verstärkt. In den internationalen Beziehungen, so behauptete er damals, seien ein reichliches Jahr nach Beendigung des Weltkrieges zwei widersprüchliche Tendenzen nachweisbar: zum einen die von der UdSSR vertretene, die zur Festigung der Stellung der Vereinten Nationen führe, und zum anderen die von den USA und Großbritannien verfochtene, die darauf abziele, die UNO »zur Gewinnung der Weltherrschaft« zu mißbrauchen21. Angesichts solch vermeintlich bedrohlicher Situation hielt es Stalin offenbar für angebracht, die eigenen Reihen, d.h. die kommunistischen Parteien und damit die Staaten des sowjetischen Einflußbereiches, im Sinne der marxistisch-leninistischen Weltsicht auszurichten. Seit der taktisch bedingten Auflösung der Kommunistischen Internationale im Jahre 1943 hatten die kommunistischen Parteiführungen in den einzelnen Ländern einen gewissen Spielraum besessen, der unter Berücksichtigung nationaler Eigenheiten die Erprobung eigener Wege erlaubte. In diesem Freiraum waren Entscheidungen getroffen worden, die nicht immer mit den politischen Vorstellungen und Zielsetzungen des Kreml übereinstimmten. Die Beseitigung dieser Vielfalt in taktischer und ideologischer Hinsicht, darunter auch der Vorstellung von unterschiedlichen Wegen zum Sozialismus, gehörte zu den Voraussetzungen einer Neuorientierung der Politik Moskaus gegenüber den Staaten seiner europäischen Einflußsphäre22. —
—
—
—
Vgl. Karel Kaplan, Rat der Gegenseitigen Wirtschaftshilfe (RGW) 1949—1956, ungedr. Ms. (im Besitz des Bundesinstituts für ostwissenschaftliche und internationale Studien, Köln), S. 10, und Jörg K. Hoensch, Sowjetische Osteuropa-Politik 1945—1975, Kronberg/Ts. 1977, S. 36f. 21 Nach Haberl (wie Anm. 13), S. 78. 22 Vgl. Jens Hacker, Der Ostblock. Entstehung, Entwicklung und Struktur 1939—1980, Baden-Baden 20
1983, S. 349ff.
Alexander Fischer
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Ihre ausführliche Darlegung erfolgte auf einer Konferenz der kommunistischen Parteien Bulgariens, Frankreichs, Italiens, Jugoslawiens, Polens, Rumäniens, der Sowjetunion, der Tschechoslowakei und Ungarns, die Ende September 1947 im schlesischen Schreiberhau (Szklarska Porçba) stattfand23. Den dort versammelten hochrangigen Funktionären trug Andrej Shdanow die sowjetische Einschätzung der internationalen Lage vor, die auf die These von den bestehenden »zwei Lagern« hinauslief: dem »imperialistischen und antidemokratischen« Lager auf der einen und dem »antiimperialistischen und demokratischen« Lager auf der anderen Seite. Shdanow behauptete, der amerikanische Imperialismus, der vom britischen Imperialismus und von allen reaktionären Kräften in der Welt unterstützt werde, stelle die größte Gefahr für den Weltfrieden dar. Ihm sei es im Rahmen seiner Bemühungen um die Beherrschung Europas gelungen, so formulierte der auf sowjetische Spitzenfunktionär in Anspielung den Marshall-Plan, einen westlichen Block zu bilden. Da dem Streben der USA »nach der Weltherrschaft« von den angeblich rechtsorientierten Führungen der sozialistischen und sozialdemokratischen Parteien kein Widerstand geleistet werde, nannte es Shdanow eine Aufgabe der Kommunisten unter Führung der Sowjetunion, den Kampf gegen die vermeintliche Kriegsgefahr und vor allem gegen die Weltherrschaftspläne der Amerikaner zu führen: »Deshalb«, so begründete er das sowjetische Streben nach einer Zusammenfassung der Kräfte, »müssen die kommunistischen Parteien sich an die Spitze des Widerstandes gegen die Pläne der imperialistischen Aggression und Expansion auf allen Gebieten stellen auf staatlichem, wirtschaftlichem und ideologischem —, sie müssen sich zusammenschließen, alle ihre Anstrengungen auf der Grundlage einer allgemeinen antiimperialistischen und demokratischen Plattform vereinigen und alle demokratischen und patriotischen Kräfte des Volkes um sich sammeln24«. Es ist rasch erkennbar geworden, daß eine Kräftekonzentration für eine östliche »Machtblockbildung« (Karel Kaplan) nur nach den Vorstellungen Moskaus verwirklicht werden sollte. Im Widerspruch zu diesen Plänen standen für Moskau föderative Tendenzen, wie sie seit dem Jahre 1944 zwischen einzelnen Balkanstaaten zu beobachten gewesen sind. Bestrebungen dieser Art gab es zwischen Bulgarien und Jugoslawien (Balkanföderation), Albanien und Jugoslawien sowie Ungarn und Rumänien (Donauföderation)25. Im Januar 1948 hatte der bulgarische Kommunist Georgi Dimitroff sogar von der möglichen Bildung einer »Föderation oder Konföderation der Balkan- und Donauländer, in die Polen, die Tschechoslowakei und Griechenland miteinbezogen würden«, gesprochen, ohne freilich deutlich zu machen, ob es sich um ein politisches Programm für ein fast hundert Millionen Einwohner zählendes Staatsgebilde »volksdemokratischen« Zuschnitts handeln sollte, das ökonomisch selbständig und politisch zwar eng mit der Sowjetunion verbunden, aber im Prinzip unabhängig gewesen wäre. Ehe die Repräsentanten der einzelnen Staaten des sowjetischen Einflußbereiches reagieren konnten, griff Moskau in einer —
Hoensch
(wie Anm. 20),
S.
46ff.; Hacker (wie
Anm. 22), S. 35Iff.
Vgl. Für Frieden und Volksdemokratie. Bericht über die Tätigkeit einiger kommunistischer Parteien gehalten auf der Konferenz in Polen Ende September 1947, Berlin o.J., S. 29 f. Kaplan (wie Anm. 20), S. lOff.; Hoensch (wie Anm. 20), S. 37f.
Sowjetische Reaktionen auf die Gründung der
65
NATO
Weise ein, daß von den Vorstellungen Dimitroffs nichts mehr übrigblieb: Ende Januar 1948 ließ sich die »Prawda« dahingehend vernehmen, daß diese Länder nicht »irgendeine Föderation, Konföderation oder Zollunion« brauchten, »sondern viel eher Konsolidierung und Schutz ihrer Unabhängigkeit und Souveränität«. Die Sowjetunion sah offenbar in den Föderationsbestrebungen eine Bedrohung der eigenen Interessen, zudem ein Vorgehen, das im Widerspruch zu den Bemühungen stand, eine von Moskau direkt geführte Staatengruppierung zu formieren26. Bei den sowjetischen Bestrebungen, den eigenen Einflußbereich strukturell zu festigen, muß davon ausgegangen werden, daß von den beiden bedeutendsten Paktorganisationen des ehemaligen Ostblocks, dem Rat für Gegenseitige Wirtschaftshilfe (RGW) und der Vertragsorganisation des Warschauer Paktes, vor allem die Gründung des RGW im Jahre 1949 in engem Zusammenhang mit der Entstehungsgeschichte der NATO und den damit einhergehenden Veränderungen in den internationalen Beziehungen steht. Damit rückt entsprechend quellengesättigter Untersuchungen von Karel Kaplan27 ein bisher in der Literatur eher als »zwischenstaatliche Organisation zur wirtschaftlichen Zusammenarbeit«28 charakterisiertes Gebilde wie der RGW als Gegenpol zur NATO in den Mittelpunkt und nicht das vermeintlich natürliche militärische Gegengewicht, der erst im Jahre 1955 gebildete Warschauer Pakt. Im Zuge einer immer engeren Anbindung der Volkswirtschaften der Staaten Ostmittelund Südosteuropas an die Sowjetunion nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges sind offenbar mehrfach Vorschläge zur Einrichtung einer internationalen Institution für diese Kooperation gemacht worden29. Rudolf Slánsky, damals Generalsekretär der tschechoslowakischen KP, hatte schon im September 1947 auf der Gründungsversammlung des Kominform mit Malenkow und Shdanow darüber gesprochen, stieß aber auf Ablehnung, weil sich die sowjetische Seite damals offensichtlich international nicht dem Vorwurf aussetzen wollte, die Souveränität der im Entstehen begriffenen »Volksdemokratien« einzuschränken30. Die Forderung wurde im Frühjahr 1948 aus Prag wiederholt und von sowjetischer Seite erneut abgelehnt, obwohl ähnliche Pläne auch aus Rumänien und Bulgarien vorgebracht worden waren. Das damals bestehende System langfristiger Wirtschaftsverträge beeinflußte bereits die ökonomische Struktur der sogenannten volksdemokratischen Länder und erwies sich zu diesem Zeitpunkt durchaus als ein wirksames Beherrschungsinstrument, so daß in Moskau zunächst kein Bedarf an einem anderen gesehen wurde. Offenbar sollte aber auch nach außen hin der Eindruck vermieden werden, die Lage zuspitzen zu wollen31. Auf der Grundlage einer rumänischen Initiative aus dem —
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27
28 29
30 31
Fejtö, Die Geschichte der Volksdemokratien, Bd 1: Die Ära Stalin 1945—1953, Frankfurt a.M. 1988, S.213f. Karel Kaplan, Die Entwicklung des Rates für gegenseitige Wirtschaftshilfe (RGW) in der Zeit von 1949 bis 1957. Zu einigen Fragen der Kontinuität in den Integrationsproblemen und -tendenzen, Ebenhausen 1977; ders., (wie Anm. 20 und 11). Meyers Neues Lexikon (wie Anm. 5), S. 820. Vgl. z.B. Kaplan (wie Anm. 20), S. 39ff. Ebd., S. 43. Francois
Ebd., S.44f.
Alexander Fischer
66
Herbst 1948, die nach Diskussionen im Moskauer Politbüro schließlich die Zustimmung Stalins fand und daraufhin zu einem sowjetisch-rumänischen Dokument erweitert wurde, kam es dann Anfang Januar 1949 zu einem Treffen hochrangiger Partei- und Staatsfunktionäre aus der Sowjetunion und den volksdemokratischen Ländern in Moskau, das zur Gründung des Rates für Gegenseitige Wirtschaftshilfe führte32. Alle verfügbaren Unterlagen über diese Tagung bringen zum Ausdruck, daß die Vertreter der »Volksdemokratien« mit der neuen Organisation die Vorstellung von einer »engeren oder loseren Organisationsbasis für die wirtschaftliche Zusammenarbeit«33 verbanden. Der tschechoslowakische Vertreter, Rudolf Slánsky, sprach sich für eine Zusammenarbeit auf dem Gebiet des Außenhandels, bei der Spezialisierung der Produktionsprogramme und bei der Errichtung einer einheitlichen Rohstoffbasis aus. Er wurde von dem Polen Hilary Mine unterstützt, der u. a. für eine Abstimmung der langfristigen Wirtschaftspläne und den Austausch von technischem Know-how eintrat. Auch der ungarische Vertreter forderte die Koordination der Wirtschaftspläne und die Vereinheitlichung der Planungsmethoden zwischen der Sowjetunion und den »Volksdemokratien«. Die zustimmende Erklärung des bulgarischen Vertreters Wasil Kolarow war mit der Aufforderung verbunden, die beteiligten Staaten sollten sich im internationalen Zahlungsverkehr nicht mehr an den US-Dollar, sondern an den sowjetischen Rubel binden. Molotow hatte in seiner abschließenden Erklärung keine Mühe, die Übereinstimmung der Ansichten über die Schaffung einer Organisation für die wirtschaftliche Zusammenarbeit festzustellen und zu empfehlen, das Dokument um einen Passus über die Zusammenarbeit auf den Gebieten von Wissenschaft und Technik zu ergänzen34. Als sich die Delegationen zum Abschluß der Gründungsversammlung des RGW am 8. Januar 1949 bei Stalin zusammenfanden, gab sich dieser zunächst als großzügiger Gastgeber. Allen versprach er Hilfe und Unterstützung: den Ungarn beim Aufbau eines Kraftwerks und eines metallurgischen Kombinats, den Rumänen bei der Modernisierung ihrer Erdölförderung und den Bulgaren bei der Abwehr des das benachbarte Griechenland beherrschenden »amerikanischen Imperialismus«. Zum Abschluß der Unterredung mit den Delegationsmitgliedern formulierte er aber auch seine Vorstellungen über die Aufgaben der gerade gegründeten internationalen Organisation. Diese unterschieden sich wesentlich von den vorrangig wirtschaftlichen Interessen der anwesenden Vertreter der »Volksdemokratien«: Er wies dem RGW nämlich nicht nur die Funktion eines Koordinators der wirtschaftlichen Zusammenarbeit innerhalb des entstehenden Ostblocks zu, sondern auch und vor allem die eines politischen Instruments in der Auseinandersetzung mit dem »anglo-amerikanischen Imperialismus«35. Wie Kaplan nachgewiesen hat, spielte Stalin überhaupt »die entscheidende Rolle« bei der Entstehung des RGW. Er hat nicht nur, den Ausführungen Molotows zufolge, »den Zeitpunkt für die Gründung einer solchen Organisation bestimmt«, sondern auch die —
Kaplan (wie Anm. 27), S. 14. Ders. (wie Anm. 20), S. 46. 34 32
33
35
Ebd., Ebd.,
S. 46 ff. S. 50 f.
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Sowjetische Reaktionen
auf die
Gründung der NATO
67
zunächst
vorrangig politische Aufgabe des RGW festgelegt36. Wenn Stalin der neuen Organisation eine bedeutendere Rolle zusprach, als sie die Kommunistische Internationale innegehabt hatte, dann hing das mit seiner Überzeugung zusammen, daß die westliche »kapitalistische« Welt in eine Wirtschaftskrise geraten werde, aus der die führenden Kreise der USA »den Ausweg im Krieg suchen« würden. In der Absicht, sich auf diese Situation vorzubereiten, wurde der RGW sowjetischerseits vom Beginn seiner Existenz an »zu einer Art >Gefechtsstabgrowthmanship< ein, die der langfristigen Entwicklung des Wachstumspotentials nicht zuletzt auch aus strategischen Gründen hohe Priorität einräumte1. In Westdeutschland, dessen wirtschaftliche Rekonstruktion bis dahin noch nicht konsolidiert zu sein schien, schuf die Koreakrise Bedingungen für den Durchbruch zu einem sich selbst tragenden Wirtschaftsaufschwung, der über die »Langen Fünfziger Jahre«2 hinweg anhielt, obwohl Rüstungsausgaben als solche in dieser Zeit keine große volkswirtschaftliche Bedeutung erlangten3. Dies gilt in abgeschwächter Form auch für andere kontinentaleuropäische Länder, in denen die Aufrüstung als Folge der Koreakrise schon wesentlich früher einsetzte. Lediglich für Großbritannien, dessen wirtschaftliche Entwicklung vergleichsweise stagnierte, brachten die frühen fünfziger Jahre keinen Aufschwung. Die Aufrüstung schien den wirtschaftlichen Niedergang eher noch zu verstärken4. Schon dieser Umstand machte deutlich, daß es eine innere Korrelation zwischen Rüstung und Wirtschaftswachstum keineswegs zwangs—
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3
4
Walt W. Rostow, The Stages of Economic Growth, Cambridge 1960; dt.: Studien wirtschaftlichen Wachstums. Eine Alternative zur marxistischen Entwicklungstheorie, Göttingen 1960. Zum Begriff der >Langen Fünfziger Jahre< siehe Werner Abelshauser, Die Langen Fünfziger Jahre. Wirtschaft und Gesellschaft der Bundesrepublik Deutschland 1949—1966, Düsseldorf 1987. Ders., The Causes and Consequences of the 1956 West German Rearmament Crisis, in: NATO. The Founding of the Atlantic Alliance and the Integration of Europe, ed. by F. H. Heller/J.R. Gillingham, New York 1992. Siehe u.a. Andrew Shonfield, British Economic Policy since the War, Harmondsworth 1958.
Werner Abelshauser
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läufig geben muß. Die Debatte über die Wachstumsrelevanz von Rüstungsinvestitionen, die in den fünfziger Jahren in Großbritannien einsetzte, war daher von Anfang an kon-
und hält noch immer an5. Während in der zeitgenössischen Literatur und innerhalb des keynesianischen Weltbildes der Nachfragewirkung von Rüstungsausgaben große Aufmerksamkeit geschenkt wurde, blieb der Zusammenhang zwischen Aufrüstung, Ordnungspolitik und den langfristigen Veränderungen der Wirtschaftsstruktur zwar nicht unbeachtet, zog aber bei weitem nicht die Aufmerksamkeit auf sich, die wachstumspolitische Fragen über zwei Jahrzehnte der Nachkriegszeit hinweg beanspruchen konnten. Aus der Perspektive der späten achtziger und frühen neunziger Jahre, vor dem Hintergrund des wirtschaftlichen und politischen Zusammenbruchs des >OstblocksRüstungstauglichkeit< von Wirtschaftsordnungen erforderlich. Dabei blieb die paradoxe Dimension von Rüstungswirtschaft im Kalten Krieg nicht lange verborgen. Es galt nämlich dafür zu sorgen, daß Maßnahmen, die zur Vorbereitung (oder Abwendung) eines möglichen >heißen Krieges< sinnvoll sein mochten, nicht gleichzeitig zur Ursache dafür würden, den Kalten Krieg auf wirtschaftlichem und sozialem Gebiet zu verlieren. Rüstung durfte nicht zum Selbst-
mord aus Angst vor dem Tode< verführen, gleichgültig, ob der Spannungszustand als ein Kalkül des Gegners zur fortschreitenden Zermürbung des eigenen Lagers im Wettbewerb der Systeme angesehen wurde oder nicht. Am grundsätzlichsten und wohl auch am schärfsten wurde diese Debatte innerhalb der marktwirtschaftlichen Schule geführt, weil diese am ehesten fürchten mußte, daß es unter rüstungswirtschaftlichen Aspekten zu Abstrichen von der reinen Lehre kommen müßte. Freilich waren sich auch die meisten Neoliberalen darüber im klaren, daß der moderne Krieg, d.h. nach den Erfahrungen des Zweiten Weltkrieges der totale Krieg, keinen Till Geiger, Defence Production Policy, Supply Departments and Defence Contractors in Britain. 1945—1957, Vortrag, gehalten im Rahmen des Forschungsprojektes »Europa im Kalten Krieg« des Europäischen Hochschulinstituts (EHI) Florenz, Januar 1991.
Rüstung, Wirtschaft, Rüstungswirtschaft: Wirtschaftliche Aspekte des Kalten Krieges 91 Platz für marktwirtschaftliche Freiheiten mehr bot und auch in der Vorbereitungszeit auf einen solchen Krieg die Marktwirtschaft in eine »bedenkliche Gefahrenzone« kommen mußte6. Für den Züricher Nationalökonomen und prominenten Vertreter der neoliberalen Marktwirtschaftslehre, Wilhelm Röpke, stand deshalb außer Zweifel, daß der »totale Krieg von heute [...] die vorübergehende Ablösung der freien Marktwirtschaft durch den uns wohlbekannten Kriegskollektivismus« zugleich fordert und ermöglicht und damit die »Kriegsuntauglichkeit der Marktwirtschaft« deutlich werden läßt7. In dieser Lage am schädlichen Doktrinarismus< der reinen Lehre festzuhalten, erschien Röpke gefährlich. Der totale Krieg habe nämlich die Tendenz, jede Nation (auch die neutrale) in eine Art von wirtschaftlichem Belagerungszustand zu versetzen, in der die Rationierung lebenswichtiger, aber durch Produktion oder Einfuhr nicht mehr hinreichend zu vermehrender Güter sich aufzwingt. Eine Mobilisierung und Militarisierung der nationalen Wirtschaftskraft sei zwar theoretisch durchaus im Rahmen einer freien Marktwirtschaft vorstellbar, käme aber aus vielerlei Gründen unter den Verhältnissen eines modernen Krieges nicht mehr in Betracht. Röpke machte aber zugleich deutlich, daß es ihm nicht darum ging, die freie Marktwirtschaft auf dem Altar der Verteidigung der freien Welt zu opfern, sondern ganz im Gegenteil angesichts des zu erwartenden Rückfalls in den von ihm verabscheuten wirtschaftlichen >Kriegskollektivismus< den Schaden zu begrenzen: »Es wäre aber ein Fehler, anzunehmen, daß es zweckmäßig sein könnte, die Grundsätze der Kriegswirtschaft bereits auf die Rüstungswirtschaft anzuwenden. Vielmehr kann im einzelnen der Beweis geführt werden [...], daß es gerade unter dem Gesichtspunkt höchstmöglicher Rüstungsleistung und größtmöglicher Schonung der für den Krieg aufzusparenden politisch-seelischen Reserven des Volkes geboten ist, die Ordnungs- und Antriebskräfte der Marktwirtschaft bei solider Geld- und Finanzgebarung möglichst ungemindert zu nutzen und die Kontrollen auf ein Mindestmaß zu beschränken«8. Den Protagonisten der sozialen Marktwirtschaft um Ludwig Erhard ging schon diese defensive Haltung viel zu weit. Für die ordnungspolitische Auseinandersetzung sahen sie im Angriff die beste Verteidigung und empfahlen ihre Wirtschaftsordnung auch zur Lösung der neuen Aufgaben, die nach dem Ausbruch des Koreakrieges vor der westlichen Welt standen: »Zum Teufel mit der Marktwirtschaft, wenn sie nicht sowohl für die Rüstungsais auch gerade für die Kriegs-Aufgaben mehr leistet als jede andere Wirtschafts-Form«9! Sie sahen ganz im Gegenteil »die größte Gefahr für die Welt« vor allem darin, daß aus Angst eine »Rüstungswirtschaft« aufgezogen würde, die »ihrem Wesen nach« zu gar nichts anderem als zu einer Verelendung, wenn nicht gar zum heißen Krieg führen müßte10. 6
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8 9
Wilhelm Röpke, Weltkrise und Marktwirtschaft, in: Schweizer Monatshefte, 30 (1951) 10 (Januar), S. 610. Ebd., S. 611. Ebd. (Hervorhebung im Original). Ludwig Erhard/Erwin Hielscher/Max Schönwandt, >EditorialRüstungswirtschaft< barg aus dieser Sicht ein Paradoxon. Was zur Vorbereitung des heißen Krieges sinnvoll sein konnte, mochte gleichzeitig die Ursache dafür sein, den Kalten Krieg zu verlieren —, zumindest aber stand zu befürchten, daß die Werte, die verteidigt werden sollten, auf dem Altar der Rüstung geopfert würden. Bei diesem Streit im neoliberalen Lager ging es keineswegs nur um eine akademische Frage. Handfester Ausgangspunkt der Debatte waren vielmehr Veränderungen in der nationalen und internationalen Wirtschaftspolitik der USA, die den liberalen Charakter der amerikanischen Wirtschaft fraglich werden ließen und die darüber hinaus auch die Wirtschaftsordnungen der verbündeten Staaten in Europa tangieren mußten. Mit dem Ausbruch des Koreakrieges war in den USA die Phase der Deregulierung der Wirtschaft, die nach Kriegsende eingesetzt hatte, abrupt zu Ende gegangen. Mit der Verabschiedung des Defense Production Act am 8. September 1950 verfügte der Kongreß die Drosselung der privaten Nachfrage über Preis- und Lohnkontrollen sowie die Bewirtschaftung von Rohstoffen und andere Lenkungsmaßnahmen zugunsten der Rüstungswirtschaft durch das neue Office of Defense Mobilization unter dem Präsidenten der General Electric Company, Charles E. Wilson. Nach der Erklärung des nationalen Notstandes am 16. Dezember, die dem Eingreifen Chinas in den Krieg folgte, entstand in Washington sogar ein ganzes Netzwerk spezifischer Rüstungsbehörden unter Leitung führender Industrieller und Manager der Privatwirtschaft. Wilson wurden nun wesentliche Vollmachten des Präsidenten übertragen, die ihn praktisch zum >Rüstungsdiktator< machten, der, wie es im Erlaß hieß11, »an Stelle des Präsidenten alle im Zusammenhang mit der Mobilisierung stehenden Schritte der Regierungs-Exekutive leiten, überwachen und koordinieren [soll]; wobei sein Wirkungsbereich die Produktion, Beschaffung, Stabilisierung des Arbeitsmarktes und Transportwesen umfaßt, aber nicht dadurch begrenzt wird«. Das National Security Resources Board unter W Stuart Symington, das schon seit Oktober 1948 die US-Rohstoffpolitik koordinierte, die Defense Production Administration unter William H. Harrison, dem Präsidenten der International Telephone and Telegraph Corporation, und die Economic Stabilisation Agency unter Allan Vallentine wurden der »Leitung und Kontrolle« des Office of Defense Mobilization und damit Wilson unterstellt. Die Übertragung hoheitlicher Aufgaben auf Sonderbeauftragte, die das Vertrauen der Privatindustrie genossen, sowie die uneingeschränkte Gewalt über alle industriellen Kontrollen, wie Dringlichkeitsstufen, Zuteilungen oder Materialkürzungen, sowie Preis- und Lohnkontrollen für die Gesamtwirtschaft erinnerten deutsche Diplomaten und Industrielle übereinstimmend eher an die Mobilisierungsphase zu Beginn des Zweiten Weltkrieges (1939—1941) denn an das Bild der »Personifikation der wirtschaftlichen Freiheit«, das man sich von den USA nach 1945 gemacht hatte12. Die Vorgänge in den Vereinigten Staaten mußten früher oder später ihre Schatten auch auf Europa werfen. Die USA waren fest entschlossen, die europäischen Verbündeten voll in die Rüstungsanstrengungen der westlichen Welt einzubeziehen, und schlugen im Zweifel 11
"
Defense Production Act, Durchführungsverordnung Nr. 10200, zit. nach: OEEC, 5. Informationsbrief (NfD), betrifft: Kontrolle knapper Güter (Washington, D.C., 17.1.1951), BA, B 102/12580/2. BDI-Geschäftsbericht 1950/51, Köln 1951, S.21.
Rüstung, Wirtschaft, Rüstungswirtschaft: Wirtschaftliche Aspekte des Kalten Krieges
93
die Übernahme ihrer eigenen Vorstellungen und Prioritäten in der Rüstungspolitik durch die Verbündeten vor, um dieses Ziel zu erreichen. Zur Durchsetzung dieser Politik standen den USA vor allem zwei Instrumente zu Gebot. Zum einen kontrollierten sie nach dem Truman-Attlee-Abkommen vom 6. Dezember 1950, dem im Januar 1951 auch Frankreich beitrat, den Weltrohstoffmarkt. Zum anderen nutzten sie dort, wo sie als Geber von Wirtschafts- oder Militärhilfe eine wichtige Rolle spielten, wie in Deutschland und Italien, auch direkte Interventionsmöglichkeiten. Das Washingtoner Rohstoffkartell umfaßte unter dem Dach der International Material Conference (IMC) sieben Warenausschüsse (commodity groups), die u. a. die weltweite Allokation von NE-Metallen, Baumwolle, Wolfram, Molybdän, Mangan, Nickel, Kobalt, Wolle, Schwefel und Zellstoff lenkten und dabei vor allem auch die Interessen der NATO und ihres Oberkommandierenden, General Eisenhower, berücksichtigten. Im Mai 1951 wurden Leitsätze für die Zuteilung knapper Güter formuliert, entsprechend denen »bei der Zuteilung der von den Vereinigten Staaten für ausländische Bedürfnisse zur Verfügung zu stellenden Ressourcen [...] grundsätzliche Richtlinien zu befolgen« waren13. Bei konkurrierenden Anforderungen sollten demnach Prioritäten für die »Rüstungsproduktion der freien Welt«, für die »Verminderung zukünftiger Abhängigkeit von militärischer und wirtschaftlicher Unterstützung durch die USA« und für die »Verringerung der Abhängigkeit von Lieferungen aus dem Sowjetblock«, aber auch für die »Verhinderung von politischer Zerrüttung in [...] Gebieten, die für die gemeinsame Stärke der freien Welt von wesentlicher Bedeutung sind«, gesetzt werden. In der Verlagerung der Kompetenzen für die Rohstofflenkung von Paris, dem Sitz der Organisation für Europäische Wirtschaftliche Zusammenarbeit (OEEC), nach Washington spiegelt sich der Übergang von der Phase der wirtschaftlichen zur militärischen Eindämmung der Sowjetunion im Rahmen der OEEC, deren Mitgliedsstaaten, die Empfänger von Marshallplanhilfe also, im Februar 1951 von den Signatarmächten des Kartells aufgefordert wurden, an der Lösung der Rohstofffrage in sachlicher und personeller Hinsicht mitzuwirken14. An der integrativen Zielsetzung der OEEC im Sinne einer dauerhaften wirtschaftlichen Zusammenarbeit und Verflechtung der westeuropäischen Verbündeten der USA änderte der Übergang zur wirtschaftlichen Kriegführung nichts. Die militärische Herausforderung war für die Vereinigten Staaten im Gegenteil ein neuer Anlaß, sich in der Rolle des Föderators zu üben, um auf dem Weg über die wirtschaftliche und politische Integration Westeuropas ihr globales Vorfeld auf der anderen Seite des Atlantiks zu stabilisieren. Schon im Herbst 1949 hatte die Washingtoner Marshallplanverwaltung (ECA) alle Hoffnung aufgegeben, daß sich die OEEC noch zu einem schlagkräftigen Instrument der wirtschaftlichen und politischen Einigung Westeuropas entwickeln könnte. Sie änderte
Spielregeln für die Vergabe von Wirtschaftshilfe. Nicht mehr die TeilnehEuropean Recovery Program selbst, sondern ECA stellte nun die Jahrespläne der Mittelverteilung auf. Vorübergehend setzte Avereil Harriman jetzt alle Hoffdeshalb die merstaaten
13 14
des
Leitsätze der USA für die Zuteilung knapper Güter, BA, B 102/12581/1. BA, B 102/12580/2.
Werner Abelshauser
94
gegründeten Nordatlantikpakt, in dem er eine neue integrative Kraft für Wirtschaft und Politik Westeuropas sah. Es dauerte indessen nicht lange, bis sich die Unfähigkeit der NATO herausstellte, einen wirtschaftlichen Rahmen für die Koordinierung der westlichen Rüstungsanstrengungen bereitzustellen15. Für wirtschaftliche Fragen war deshalb nach wie vor die OEEC zuständig, die zwar von Anfang an auch mit Rüstungs- und militärischen Zielsetzungen des Marshallplans konfrontiert gewesen war, jetzt aber erleben mußte, daß sich der Charakter der Hilfe völlig ins Militärische verlagerte. Zu ihren bisherigen Aufgaben, wie der Kontrolle der Europäischen Zahlungsunion und der Förderung des Liberalisierungsprozesses im Außenhandel, kam daher die Bewältigung der wirtschaftlichen Folgen der Aufrüstung hinzu. Da sie mit Österreich, Irland, Schweden und der Schweiz vier neutrale Mitglieder hatte, die nicht offiziell an NATO-Angelegenheiten mitwirken konnten, bildete sich parallel dazu ein Komitee der OEEC-Chefdelegierten unter dem Dach der NATO, das seinen Sitz in Paris nahm. In London, dem Hauptquartier des Bündnisses, hatte der Atlantikpakt schon im November 1949 das Military Production and Supply Board (MPSB) mit seinem Permanent Working Staff (PWS) ins Leben gerufen, das im Dezember vom Defence Production Board abgelöst wurde. Mit der Verkündung des Schumanplanes und dem Beginn der Verhandlungen über die Europäische Verteidigungsgemeinschaft (EVG) schienen der OEEC weitere Kompetenzen zuzufallen und dem Prozeß der europäischen Integration neue Schubkraft aus den rüstungswirtschaftlichen Aufgaben zu erwachsen. Die meisten der direkten Kontrollen auf Ressourcen und die Lohn- und Preiskontrollen wurden in den USA im Lauf des Jahres 1953 wieder abgeschafft und der Rüstungsbehördenapparat stark vereinfacht16. Aus der Erfahrung, daß die Errichtung eines effektiven Systems von Produktions- und Ressourcenkontrollen sowohl im Zweiten Weltkrieg als auch im Koreakrieg fast ein Jahr gedauert hatte, blieb am Ende der Mobilisierungsphase das Desiderat, diesen Prozeß im Hinblick auf kommende Herausforderungen stark zu verkürzen und zu diesem Zweck schon in Friedenszeit eine administrative Grundausstattung und ein funktionierendes Informationssystem im Rüstungsbereich zwischen Regierung und Industrie vorzuhalten. Dem entsprachen zwei Zielsetzungen der amerikanischen Politik, die schon auf dem Höhepunkt der Koreakrise öffentlich diskutiert worden waren: »1) to get set so that if war breaks out we can mobilize fully in months rather than years«, und »2) to develop enough ready strength in the crucial European theater to guarantee us the necessary months in the case of war17«. Zu den Erfahrungen der Koreakrise gehörte aber auch, daß eine solche >readiness economy< auf die enge Zusammenarbeit von Unternehmen, Gewerkschaften und Regierung angewiesen war und deshalb ein gut funktionierendes System von >Rüstungskorporatismus< zu den Grundvoraussetzungen jeder wirtschaftlichen Strategie zur Führung des Kalten Krieges gehörnung auf den gerade
15
Alan 252.
Milward, NATO, OEEC, and the Integration of Europe,
in: NATO
(wie
Anm.
3),
S. 241—
16
Defence Mobilization, Report to the President by the Director of the ODM, Oct. 1, 1953 (U.S. Govern-
17
Albert G. Hart, General Strategy of Economic Policy for Less-Than-Total War, in: American Economic Review, 41 (1951) 1, S. 51.
ment
Printing Office, 0-1953, Washington,
D. C).
Rüstung, Wirtschaft, Rüstungswirtschaft: Wirtschaftliche Aspekte des Kalten Krieges te18. Den
95
Versuchen, das US-System der Produktions- und Ressourcenkontrollen für Rü-
stungszwecke auch auf andere OEEC-Länder zu übertragen, blieb freilich ein direkter und sichtbarer Erfolg versagt. In den Monaten nach Ausbruch der Koreakrise wurden die westeuropäischen Volkswirtschaften von inflationären Preisschüben geschüttelt, denen Wirtschaftskrisen und Desintegrationserscheinungen im Außenhandel folgten. Vor allem die Preise für Rohstoffe gingen als Folge des strategischen Bevorratungsprogramms der Vereinigten Staaten dramatisch nach oben. Lediglich Großbritannien mit dem Sterlingraum, das selbst in der Lage war, strategische Rohstoffe zu exportieren, konnte davon profitieren und erhöhte seine Verteidigungsanstrengungen auf freiwilliger Basis19. Für Frankreich dagegen geriet die Koreakrise zu einem Lackmustest seiner wirtschaftlichen Schwäche und machte schlagartig seine Abhängigkeit von amerikanischer Wirtschaftshilfe deutlich. Frankreich stand darüber hinaus vor dem Dilemma, entweder an den anglo-amerikanischen Verteidigungs-
anstrengungen teilzunehmen, was ohne weitere massive Hilfe auf Kosten von Lebensstandard und Stabilität gehen mußte, oder den bisherigen Kurs rüstungspolitischer Abstinenz beizubehalten, was gleichbedeutend mit dem endgültigen Verlust seiner machtpolitischen Satisfaktionsfähigkeit gewesen wäre20. Frankreichs Entscheidung für die erste Option gab den Vereinigten Staaten die wirtschaftliche Hebelwirkung in die Hand, die nötig war, um Frankreich auf dem Weg in die europäische Zusammenarbeit auf dem Gebiet der Rüstung und der Verteidigung gegen inneren Widerstand voranzudrängen. Während der Marshallplan in Frankreich bis 1950 ausschließlich zivilen Zwecken diente, flössen 1951 schon 25 v.H. der ERP-Hilfe in den militärischen Bereich. In der ersten Hälfte des Jahres 1952 stieg dieser Anteil sogar auf 90 v.H.21. Frankreich sah sich gezwungen, nach rüstungspolitischen Lösungen zu suchen, die das amerikanische Interesse an der Einbeziehung des westdeutschen Militärpotentials mit den französischen Sicherheits- und Machtansprüchen verbanden. Was mit der Verkündung des Pleven-Planes für eine europäische Verteidigungsgemeinschaft zunächst als die erfolgreiche Umsetzung amerikanischer Integrationspläne für Westeuropa erschien, endete aber gerade wegen dieser unorganischen Genesis mit einem ihrer empfindlichen Rückschläge. In Italien und Westdeutschland gingen die amerikanischen Interventionsmöglichkeiten noch ein gutes Stück weiter. In beiden Ländern hatte die ECA-Mission aus Sorge um die innere Stabilität heftige Kritik am neoliberalen Wirtschaftskurs geübt, die sich nach Ausbruch der Koreakrise noch dramatisch steigerte. In Italien erreichte diese Kritik im November einen Höhepunkt, als der Chef der ECA-Mission, Dayton, die italienische Regierung offen der Verschwendung von Ressourcen und der schuldhaften Verzögerung des Wiederaufbaus bezichtigte. Schon drei Monate später, am 10. Januar 1951, lobte aber 18
19
20
21
Michael J.
Hogan, The Marshallplan. America, Britain, and the Reconstruction of Western Europe. 1947—1952, New York 1987. Von 7,1 v. H. im Jahre 1949 auf 10,4 v. H. des Bruttoinlandsprodukts des Jahres 1952, OEEC, Statistics of National Product and Expenditure, 1938, 1947 to 1955, Paris 1957. Frances Lynch, The Economic Effects of the Korean War in France. 1950—1952, European University Institute, Working Paper No. 86/253. Siehe
Stephen S. Cohen, Modern Capitalist Planning.
The French Model,
Berkeley 1977,
S. 120.
Werner Abelshauser
96
derselbe Dayton Italien, daß es »sehr wohl in der Lage sei, auch in der bevorstehenden >kritischen Periode< den seiner Bedeutung zukommenden Platz in der westlichen Welt einzunehmen und für die Verteidigungsbedürfnisse des Westens einen besonders wertvollen Beitrag zu leisten22«. In der Zwischenzeit hatte Italien mit dem Gesetz vom 8. Januar betreffend »Ressourcen und Produktionskapazität« die meisten amerikanischen Forderungen auf dem Gebiet der Rüstungslenkung im Prinzip erfüllt. Darüber hinaus legte die Regierung noch den Entwurf eines Ermächtigungsgesetzes vor, das sie in die Lage versetzen sollte, die »Disziplinierung des Verbrauchs und der Produktion« auf nahezu allen Gebieten und mit nahezu allen Mitteln durchzusetzen23. Italien hatte damit zumindest die Möglichkeit geschaffen, zu einer autoritären Wirtschaftspolitik zurückzukehren. In den Augen des deutschen Geschäftsträgers in Rom war es tatsächlich in »die erste Phase der gelenkten Wirtschaft« eingetreten und hatte damit vielleicht sogar schon »den ersten Schritt in die Kriegswirtschaft« zurückgelegt24. Italien hatte dem amerikanischen Druck überraschend schnell nachgegeben, dachte aber keineswegs daran, seinen liberalen wirtschaftspolitischen Kurs grundsätzlich zu ändern.
Koordinierungs- und Lenkungsaufgaben zur Sicherstellung rüstungswirtschaftlicher Prio-
ritäten, die von den USA gesetzt worden waren, übernahmen zum guten Teil öffentlich-
rechtliche Wirtschaftsorganisationen, wie die >enti pubblici economici< oder die >aziende pubbliche autonomes die Industrie- und Handelskammern und die Wirtschaftsverbände der Confederazione Generale dell'Industria und der Confederazione Generale del Commercio. Wegen des hohen Anteils staatlicher Rüstungsunternehmen eines Erbes der aus der Not der Weltwirtschaftskrise geborenen Verstaatlichungswelle der frühen dreißiger Jahre ließen sich rüstungspolitische Interventionen relativ leicht vom zivilen Bereich der Wirtschaft fernhalten und auf den im Entstehen begriffenen militärischindustriellen Komplex begrenzen. Angesichts hoher Arbeitslosigkeit und nachhaltiger regionaler Ungleichgewichte in der wirtschaftlichen Entwicklung sah die italienische Staatswirtschaft in dem durch die Ausrüstung von nunmehr 12 Divisionen sowie von Verbänden der Marine und der Luftwaffe ermöglichten militärischen Keynesianismus< vielmehr eine Chance, mit amerikanischer Hilfe, die etwa die Hälfte der Gesamtaufwendungen ausmachen sollte, bisher schwach entwickelte Teile der Industrie und Regionen wirtschaftlicher Rückständigkeit anzukurbeln, ohne den liberalen Duktus der Wirt—
—
schaftspolitik insgesamt aufgeben zu müssen. Auch die westdeutsche Regierung mußte sich zunächst amerikanischem Druck beugen. Es bedurfte allerdings erst einer ultimativ formulierten Demarche des Hohen Kommissars der Vereinigten Staaten, um den amerikanischen Forderungen nach direkten, staatlichen Bewirtschaftungs- und Lenkungsmaßnahmen für die Wirtschaft, nach Preis- und 22
Zit. nach: Gutachten des Generalkonsuls
auswärtige Angelegenheiten, 23 24
von
Brentano
an
das Bundeskanzleramt, Dienststelle für
5.2.1951, BA, B 102/12581/2. Gesetz Nr. 1 vom 8.1.1951, Richiesta di dati sulla giacenza di alcune merci e sui Potenziale produttivo di alcune settori industriali, in: Gazzetta Ufficiale, Nr. 5 vom 8.1.1951, S. 42f, sowie Dekret Nr. 9 des Präsidenten der Republik vom 20.1.1951, in: ebd., Nr. 17 vom 22.1.1951, S. 163f. Gutachten
(wie
Anm.
22).
vom
Rüstung, Wirtschaft, Rüstungswirtschaft: Wirtschaftliche Aspekte des Kalten Krieges
97
Devisenkontrollen, Prioritätenfestsetzungen und Planungsstäben zugunsten der Vertei-
der westlichen Welt Nachdruck zu verleihen25. John McCloy Fortsetzung der Dollarhilfe und die Belieferung der Bununentbehrlichen mit Rohstoffen von einer sofortigen Erfüllung der ameridesrepublik kanischen Forderungen abhängig. Vor die Wahl gestellt, die Außenwirtschaft, die Verteilung von Rohstoffen und die Entscheidung über Investitionen direkten staatlichen Kontrollen zu unterwerfen oder die Macht auf diesen Gebieten der Wirtschaftspolitik mit den großen Wirtschaftsverbänden zu teilen, entschied sich die Bundesregierung für das scheinbar kleinere Übel. Indem er den Verbänden hoheitliche Aufgaben übertragen mußte, um den amerikanischen Forderungen Rechnung zu tragen, ohne zu staatlicher Planung und Lenkung zurückzukehren, mußte Ludwig Erhard allerdings eine bedeutende Modifizierung seines neoliberalen Kurses in der Wirtschaftspolitik hinnehmen. Seitdem war er sich der Gefahr wohl bewußt, die von der Verbindung zwischen amerikanischem »Rüstungskorporatismus« und der von ihm bekämpften korporativen Tradition der deutschen Wirtschaft ausging. Diese Befürchtungen schienen durch die Erfahrungen erneut gerechtfertigt, die die deutsche Seite während der Vorbereitungsphase der Europäischen Verteidigungsgemeinschaft machen mußte. Der EVG-Vertrag hatte nicht nur ein einheitliches europäisches militärisches Kommando und ein gemeinsames Verteidigungsbudget auf übernationaler Grundlage vorgesehen. Auch das Rüstungs- und Beschaffungswesen sollte supranational organisiert werden. Was als eine Maßnahme gedacht war, um direkte nationale, vor allem aber deutsche Macht und Verfügungsgewalt über die Rüstungswirtschaft auszuschließen, bereitete gleichzeitig den Boden für eine weitgehende Einbeziehung der Industrieverbände wie des Conseil National du Patronat Français (CNP) in Frankreich und des Bundesverbandes der deutschen Industrie (BDI) in Westdeutschland. Erneut, wie schon in der Frage der rüstungswirtschaftlichen Antwort auf die Koreakrise, schien Ludwig Erhard gezwungen, gegen seinen Willen hoheitliche Aufgaben an private Verbände zu übertragen. Tatsächlich hatte der BDI im Vorgriff auf seine künftige Rolle innerhalb der Europäischen Verteidigungsgemeinschaft im April 1953 einen weitverzweigten Apparat von Arbeitsgruppen und Fertigungsausschüssen ins Leben gerufen, die das gesamte Spektrum künftiger Rüstungsbeschaffungen abdeckten. Die Arbeitsgruppen waren beratende Gremien, die innerhalb der EVG bei der Festlegung der Rüstungsziele zusammenwirken sollten. Die Fertigungsausschüsse sollten den supranationalen Beschaffungsämtern bei der Realisierung bestimmter Beschaffungsprogramme helfen, ohne daß ihnen das Recht, an den Entscheidungen teilzuhaben, ausdrücklich übertragen wurde26. Diese Konzentration von Sachverstand im Rahmen der Spitzenverbände der Industrie schien unverzichtbar zu sein, vor allem weil der westdeutsche >Verteidigungsminister< Theodor Blank ganz bewußt seine fast völlige Zurückhaltung auf dem Feld der Rüstungswirtschaft demon-
digungsanstrengungen machte
am
6. März 1951 die
Siehe Werner Abelshauser, Ansätze
»korporativer Marktwirtschaft« in der Korea-Krise der frühen in: VfZg, 30 (1982) 4, S. 715—756. Amt. Blank HI/2 (Bergemann), Protokoll eines Treffens von Vertretern des BDI mit dem EVG-Chefdelegierten Dr. Krautwig, Wirtschaftsministerium, Bonn, 2.6.1953, BA-MA, BW 1/2843.
fünfziger Jahre,
Werner Abelshauser
98
strierte. So wurde z. B. innerhalb seines Amtes das gesamte Beschaffungswesen für optische Instrumente von nur einem Beamten durchgeführt, der noch dazu nur an einem Tag in der Woche dafür zur Verfügung stand. Für die Beschaffung von Textilien waren lediglich vier Beamte zuständig ein Aufgabenbereich, in den sich vor dem Krieg 430 Referenten teilten. Noch 1956 umfaßte die gesamte Beschaffungsabteilung des Verteidigungsministeriums nur 400 Beamte und Angestellte. Blank stellte sich auch entschieden Bestrebungen im eigenen Amte entgegen, die schon im März 1953 die Einrichtung einer eigenen Wirtschaftsabteilung für sein Ressort reklamierten27. Während der BDI seinen wehrwirtschaftlichen Apparat unter der Leitung des früheren Vizeadmirals Wilhelm Meendsen-Bohlken immer weiter ausbaute und die Voraussetzungen für eine umfassende Mitwirkung der Industrie an der Beschaffung und Produktion von Rüstungsgütern schuf, erhöhte er gleichzeitig seinen Druck auf das Amt Blank, der Rüstungswirtschaft und -technik wie schon in den dreißiger Jahren innerhalb der Wehrverwaltung hohe Priorität einzuräumen. Alle Voraussetzungen für die Entstehung eines militärisch-industriellen Komplexes in der Bundesrepublik schienen damit gegeben zu sein. Eine dichte und leistungsfähige rüstungswirtschaftliche Organisation seitens der Industrie, eine große Zahl ehemaliger Rüstungsexperten aus dem Heereswaffenamt und anderen Beschaffungseinrichtungen der früheren Wehrmacht, die der Industrie als Lobbyisten zur Verfügung standen, ein schwaches öffentliches Beschaffungswesen, das auf den sachlichen Rat und die Expertise der Industrie angewiesen schien und ein zu erwartendes gigantisches Ausgabenvolumen, das die ganze Angelegenheit lohnend erscheinen ließ. Es waren nicht zuletzt diese Aussichten auf eine ordnungspolitisch schädliche Verflechtung zwischen Rüstungsbehörden und Industrie, die Ludwig Erhard alarmierten und seinen Widerstand gegen jede Art von selbständiger Mitwirkung der Industrie bei der Rüstungsplanung, aber auch gegen den Ausbau eines eigenen rüstungswirtschaftlichen Apparats des Militärs hervorriefen. Als im August 1954 mit dem Scheitern des EVGVertrages im französischen Parlament das Ende der dirigistischen EVG-Planungsperiode gekommen war, sah Erhard darin seine Chance, die Verantwortung für die wirtschaftliche Seite der Aufrüstung wieder für sich zu gewinnen. Vor allem ergriff er die, wie es schien, letzte Gelegenheit, den rüstungswirtschaftlichen Apparat des BDI zu umgehen, der bis dahin zum nationalen Pfeiler des supranationalen Rüstungskartells ausgebaut werden sollte, das die Europäische Verteidigungsgemeinschaft de facto intendierte. Erhard verfolgte dieses Ziel konsequent in drei aufeinander aufbauenden Schritten. Zunächst engagierte er sich ganz persönlich für die Verhinderung des französischen Vorschlags eines Rüstungspools, der nach dem Scheitern der EVG wenigstens eine »europäische Verteidigungsgemeinschaft ohne Soldaten« retten sollte. Die Franzosen wollten die gesamte künftige Rüstungsproduktion durch eine Behörde kontrollieren, die nach dem Modell der supranational geleiteten und dirigistisch verwalteten Institutionen der Europäischen Gemeinschaft für Kohle und Stahl (Montanunion) aufgebaut werden sollte. Ein —
—
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Niederschrift über die Besprechung (mit 18.3.1953, BA-MA, Bestand »Pollex«.
Ludwig Erhard)
im Bundeswirtschaftsministerium
am
Rüstung, Wirtschaft, Rüstungswirtschaft: Wirtschaftliche Aspekte des Kalten Krieges
99
wesentlicher Teil des französischen Plans war auch die Vorstellung, eine >Pulverlinie< quer durch Westdeutschland zu ziehen, um ein strategisches Vorfeld abzugrenzen, auf dem jegliche Rüstungsproduktion verboten sein sollte28. Nach den Vorstellungen der Franzosen sollte der Rüstungspool alle Neuinvestitionen in die Rüstungsproduktion kontrollieren und hätte deshalb aus deutscher Sicht die zu errichtende deutsche Rüstungsindustrie noch weiter diskriminiert29. Erhards Widerstand gegen den Plan eines Rüstungspools versteifte sich weiter, als er erfuhr, daß auch der BDI in einer deutsch-französischen Zusammenarbeit auf dem Felde der Rüstungsproduktion durchaus Vorteile sah. Tatsächlich hatte der Spitzenverband der deutschen Industrie von sich aus vorgeschlagen, eine enge Zusammenarbeit auf dem Gebiet der Standardisierung und der Produktion von Waffen und militärischer Ausrüstung zu begründen. Diese Zusammenarbeit sollte zwischen privaten Rüstungsunternehmen beider Länder wirksam werden. Der Vorschlag sah aber auch eine gemeinsame staatlich kontrollierte »Auftragsausgleichstelle« vor, die leicht die Funktion eines Rüstungskartells der einschlägigen Industrien beider Länder hätte übernehmen können30. Zur Abwehr eines in seinen Augen unangemessen großen Einflusses des BDI versuchte Ludwig Erhard in einem zweiten Schritt, den Ausschuß für verteidigungswirtschaftliche Fragen des industriellen Spitzenverbandes Zug um Zug von allen Planungen auszuschließen, die Rüstungswirtschaft und Beschaffung betrafen. Nur noch »echte Produzenten« und keine Syndici oder Verbandsfunktionäre sollten als Experten in die Rüstungsplanung einbezogen werden. Ein Ministerialbeamter brachte diese Taktik des Wirtschaftsministeriums auf einen kurzen Nenner: »Herr Prof. Dr. Erhard sucht nach einem Weg, die Industrie zwar in die Verantwortung hineinzuziehen, sie aber trotzdem am Zügel zu halten31«. Als 1955 die heiße Phase der westdeutschen Aufrüstung schließlich einsetzte, war daher der BDI nicht länger direkt in die Rüstungsplanung einbezogen. Seine mit großer Beharrlichkeit vorgetragene Forderung nach einem »Katalog mit Zeitplan« wurde bewußt nicht erfüllt. Nicht einmal der Munitionsauftrag an die Türkei, der mit einem Volumen von 700000 DM das bei weitem größte Projekt der Auslandsbeschaffung der Jahre 1955/56 darstellte, war mit dem BDI beraten worden oder gar abgestimmt. In einem dritten Schritt zog das Wirtschaftsministerium im November 1954 schließlich alle rüstungswirtschaftlichen Kompetenzen wieder ganz an sich. Erhard und Blank besiegelten die neue Demarkationslinie zwischen ihren Ministerien durch ein Abkommen, dessen »Leitsätze« praktisch jede Verantwortung für die wirtschaftliche Seite der Rüstungsplanung und des Beschaffungswesens ins Wirtschaftsministerium verlagerten und damit dem marktwirtschaftlichen Prinzip auch auf dem Gebiet der Rüstung volle Geltung verschafften. Erst nach dem Scheitern Theodor Blanks als Verteidigungsminister,
Zusammenstellung der wesentlichen Gesichtspunkte aus dem französischen Memorandum und den deutschen »Anregungen« zum Rüstungspool, BA-MA, BW 9/1294/3. 29 28
Erhard
30
31
an Adenauer am 18.10.1954, ebd. BDI, Grundzüge eines deutschen Gegenvorschlages zum französischen Plan der Errichtung einer Rüstungsagentur, Köln, 13.4.1955, ebd. Vermerk AK/B Amt Blank, betreff Beteiligung der Industrie an den Besprechungen über einen europäischen Rüstungspool, vom 11.2.1955, BA-MA, BW 9/823.
Werner Abelshauser
100
Lenkungs- und Planungsschwäche eines streng marktwirtschaftlich gefahrenen Rüstungskurses zu einem gerüttelten Maß beigetragen hatte, hielten Staatsinterventionen und >Rüstungskorporatismus< wieder stärker Einzug in den Aufbau der Bundeswehr. Dann allerdings vor dem Hintergrund einer ordnungspolitisch weithin gefestigten Bundesrepublik und eines sich selbst tragenden Massenkonsums, der der Aufrüstung in der zweiten Hälfte der fünfziger Jahre ihre potentiell verformende Kraft auf Wirtschaftsstruktur und -Ordnung nahm. wozu
die
III.
Rüstung und die
Grenzen wirtschaftlicher Belastbarkeit
Die britische Reaktion auf die amerikanischen Ambitionen einer
globalen Rüstungsof-
fensive unterschied sich signifikant von denen der Länder des westeuropäischen Kontinents, obwohl auf den Inseln was das Verhältnis zwischen sozialer Stabilität nach innen und militärischer Verteidigung nach außen angeht unter der Labour-Regierung der Nachkriegszeit dieselben ordnungspolitischen Grundsätze galten wie in Europa: »Defence policy must be compatible with the national need not only because of the heavy demands made on national resources both manpower and material by the Armed Forces, but also because a successful defence policy must find its roots in healthy social and economic conditions32«. Ungeachtet dieser im Verteidigungsweißbuch 1947 festgeschriebenen Maxime bewegten sich die Verteidigungsausgaben Großbritanniens in den unmittelbaren Nachkriegsjahren mit einem Anteil von rund 10 v.H. am Bruttoinlandsprodukt selbst im Vergleich mit den Vereinigten Staaten ganz klar am oberen Rand einer für Friedenszeiten vorstellbaren Bandbreite der Belastung. Für diese hohe Wertschätzung militärischer Sicherheit waren ganz unterschiedliche Motive verantwortlich. Das Trägheitsmoment wirtschaftlicher Planung spielte gewiß eine Rolle. Noch gaben in den Wirtschaftsverwaltungen die Rüstungsplaner der Kriegsjahre den Ton an und pflegten ihre guten Verbindungen zum rüstungswirtschaftlichen Sektor. Hohe Verteidigungsausgaben galten darüber hinaus als Garantie dafür, ein Abgleiten in die erwartete Nachkriegskrise der Wirtschaft zu verhindern. Immerhin hatten die Kriegskosten in Großbritannien mehr als die Hälfte des Bruttoinlandsprodukts verschlungen und übertrafen damit sogar die entsprechenden deutschen Ausgaben33. Eine zu schnelle und zu radikale Konversion schien vor diesem Hintergrund konjunkturelle Risiken in sich zu bergen. So gesehen, lag Rüstungswirtschaft offensichtlich irgendwo innerhalb jenes Spektrums wirtschaftlicher Handlungsmöglichkeiten, das John M. Keynes in polemischer aber durchaus realen mit zur Absicht, Hintergedanken Krisenabwendung angeboten hatte: »Pyramidbuilding, earthquakes, even wars34«. —
—
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—
32
33
34
Ministry of Defence, Statement relating to Defence 1947, Parliamentary Papers 1946/47, Cmd 7042,
S.2. Mark Harrison, Resource Mobilisation for World WarII: the U.S.A., U.K., U.S.S.R. and Germany. 1938—1945, in: Economic History Review, 41 (1988) 1, S. 174. John M. Keynes, The General Theory of Employment, Interest, and Money, London 1936, S. 129.
Rüstung, Wirtschaft, Rüstungswirtschaft: Wirtschaftliche Aspekte des Kalten Krieges 101 Der Ausbruch des Koreakrieges stärkte aber auch jene Perzeption sowjetischer Bedrohung, die in Großbritannien mit den kommunistischen Aufständen in Griechenland und Malaya sowie unter dem Eindruck der Berlinblockade entstanden war und eine Invasion der Sowjetischen Streitkräfte nach Westeuropa und dem Mittleren Osten nicht ausschließen wollte. In ihrem Zweifel an einem langfristig erfolgreichen Appeasement der Sowjetunion setzte das Vereinigte Königreich voll auf seine erprobte Fähigkeit, einen militärisch starken Gegner mit wirtschaftlichen Mitteln >auszusitzen< und schließlich niederzuringen. Diese Einschätzung der Lage mündete jedoch nicht in eine Strategie der Tiefenrüstung, um die britische Wirtschaft auf eine lange Phase des Kalten Krieges vorzubereiten, sondern verlangte viel eher ein Stadium rüstungswirtschaftlicher Bereitschaft, das dem Szenarium eines totalen Krieges entsprochen hätte35. Für ein hohes Maß an rüstungswirtschaftlicher Einsatzbereitschaft, mit privilegiertem Zugang der Rüstungsindustrie zu den Arbeits- und Rohstoffmärkten, sprachen auch ganz praktische Erwägungen, die mit den militärischen Bedürfnissen einer Kolonialmacht auf dem Rückzug verknüpft waren. Weniger praktisch, aber dafür um so realer fiel die britische Entscheidung ins Gewicht, koste es, was es wolle, am Status einer Großmacht festzuhalten. Da die wirtschaftliche Basis britischer Macht schnell zerrann, gewann die Rüstung als >des Reiches neue Kleider< eine vorrangige politische Bedeutung. Die Zustimmung zu dieser Außen- und Militärpolitik der Labour-Regierung war nahezu allgemein. Insbesondere die konservative Opposition fand daran wenig auszusetzen36. Lediglich innerhalb
der Regierungsfraktion regte sich Widerstand gegen das bei Ausbruch der Koreakrise entworfene neue Verteidigungsprogramm, das im Januar 1951 auf seinem Weg durch das Parlament sogar noch von 3600 auf 4700 Mio Pfund Sterling anstieg. Aneurin Bevan und Harold Wilson traten von ihren Ministerämtern zurück, weil sie einerseits am militärischen Erfolg des Programmes zweifelten, andererseits aber die wirtschaftlichen und sozialen Errungenschaften des Kabinetts Attlee durch eine rüstungslastige Schieflage der Staatsausgaben gefährdet sahen. Dessenungeachtet blieb die Rüstungspolitik über die Regierungszeit von Labour hinaus Grundlage britischer Weltmachtpolitik. So wurde die Entscheidung über den Bau der britischen Wasserstoffbombe im Jahre 1954 ungeachtet aller wirtschaftlichen und moralischen Bedenken mit dem Argument des Premierministers herbeigeführt: »We would not expect, to maintain our influence as a world power unless we possessed the most up-to-date nuclear weapons37«. Spätestens im Verteidigungsweißbuch von 1957 wird deutlich, daß diese Position allmählich ins Wanken kam und schließlich zu einer steilen Wende in der Rüstungspolitik geführt hat38. Die Einsicht, daß im Großbritannien der Nachkriegszeit weder eine konjunktu35
36 37
38
Michael L. Dockrill, British Defence Policy since 1945, Oxford 1988; George Peden, Economic Aspects of British Perceptions of Power on the Eve of the Cold War, in: Power in Europe? Great Britain, France, Italy, and Germany in a Postwar World. 1945—1950, hrsg. von J. Becker/F. Knipping, Berlin 1986, S. 249-250. Kenneth Morgan, Labour in Power, Oxford 1985, S. 239. PRO, Bestand CAB 128/27. Ministry of Defence, Defence. Outline of Future Policy, Her Majesty's Stationery Office (HMSO) 1957, S. 1-2.
102
Werner Abelshauser
relie >Liquiditätsfalle< noch ein anderes deflationistisches oder auch nur entfernt >keynesianisches< Szenarium drohte39, sondern im Gegenteil Übernachfrage, Arbeitskräftemangel und Geldentwertung, setzte sich durch und lenkte auf der Suche nach den Ursachen der relativen Wachstumsschwäche der britischen Wirtschaft den Blick auf schädliche Wirkungen >übermäßiger< Rüstung. In ihr wurde immer häufiger die Hauptursache für eine vergleichsweise schwache Investitionsentwicklung als der wesentlichen Determinante des wirtschaftlichen Wachstums und für die chronisch defizitäre britische Zahlungsbilanz
gesehen.
Gab es einen >Trade-off< zwischen den Mitteln, die in die Rüstung investiert wurden, und anderen Verwendungszwecken, die angesichts steigender Rüstungsausgaben zu kurz kamen? Ein solcher Zusammenhang mußte sich um so restriktiver auswirken, als gleichzeitig auch der Anteil der Investitionen in das >Sozialkapital< (vor allem in den öffentlichen Wohnungsbau) von 10,4 v.H. 1937 auf 14,8 v.H. der gesamten inländischen BruttoKapitalbildung 1950/51 anstieg40 und damit der vorhandene Spielraum zu Lasten produktiven Investitionen tendenziell weiter eingeengt wurde. Hatte die kurzfristige Verlagerung von Mitteln in den Rüstungssektor tatsächlich die befürchteten langfristigen Verwerfungen in der Kapitalstruktur zur Folge, die zu einem >Displacement< von Investitionen aus den Exportindustrien und den wachstumsintensiven Konsumgüterindustrien führten? Lag hierin die Ursache der nachlassenden Exportdynamik, während andere Länder, wie namentlich Deutschland und Italien, auf Kosten Großbritanniens Weltmarktanteile (zurückgewannen? Resultierte aus der überproportionalen Entwicklung des wachstumschwachen (Rüstungs-)Sektor der Volkswirtschaft eine Überbeanspruchung, ein >Overcommitment< der verfügbaren Ressourcen, mit sektoralen Engpässen des Arbeitsmarktes und den inflationären Folgen sektoraler Übernachfrage? Aus solchen Zusammenhängen folgten so die überwiegende Meinung der zeitgenössischen Literatur extrem hohe Opportunitätskosten der Rüstung, die das wirtschaftliche Wachstum in —
—
Großbritannien
zügelten.
Correlli Barnett41, Martin Chalmers42, Andrew Shonfield43 und viele andere haben für die erste Hälfte der fünfziger Jahre solche Effekte für Großbritannien nachgewiesen. Shonfield nennt darüber hinaus drei weitere, sich teilweise überlappende Gründe, warum die britische Zahlungsbilanz durch zu hohe Rüstungsausgaben beeinträchtigt wurde: den Verlust von Exportmärkten aus Mangel an Produktionskapazität, Engpässe in der Investitionsgüterindustrie, die Investitionen in die Exportwirtschaft verhindert oder wenigstens verzögert haben, und die Devisenausgaben für britische Garnisonen im Ausland. Es ist ihnen freilich nicht gelungen, darin die Ursachen der britischen Wachstumsschwä39
40 41
Siehe dazu Werner Abelshauser, Wiederaufbau vor dem Marshall-Plan. Westeuropas Wachstumschancen und die Wirtschaftsordnungspolitik in der zweiten Hälfte der vierziger Jahre, in: VfZg, 29 (1981) 4, S. 545-578. Sidney Pollard, The Development of the British Economy 1914—1967, London 21970, S. 407. Correlli Barnett, The Audit of War. The Illusion & Reality of Britain as a Great Nation, London 1986.
42 43
Martin Chalmers, Wie Anm. 4.
Paying for Defence, London 1985,
S. 111.
Rüstung, Wirtschaft, Rüstungswirtschaft: Wirtschaftliche Aspekte des Kalten Krieges
103
fünfziger Jahre überzeugend nachzuweisen44. Immerhin steigt die Brutto-Investitionsquote von 1948 bis 1957 ununterbrochen von 14,3 auf 17,8 v.H. an. Gleichzeitig fiel der Anteil der Militärausgaben am Bruttoinlandsprodukt bis 1949 auf 7,2 v.H., um während der Koreakrise für drei Jahre wieder auf ein Niveau von rund 11 v.H. zu steigen und dann wieder auf 8,4 v.H. (1957) abzufallen45. Ronald P. Smith hat in einer statistischen Analyse des Zusammenhangs zwischen Militärausgaben und Investitionen auch gezeigt46, daß eine alternative Verwendung der Militärausgaben für Zwecke der industriellen Kapitalbildung hypothetisch zwar auch für Großbritannien höhere Wachstumsraten, wegen unterschiedlich hoher marginaler Kapitalkoeffizienten nicht aber vergleichsweise höhere Zuwächse ergeben hätte. Es ist auch mehr als fraglich, ob Mittel, die nicht in die Rüstung geflossen wären, tatsächlich für die Erweiterung und Verbesserung der Exportbasis eingesetzt worden wären. Es entsprach noch zu Beginn der fünfziger Jahre viel eher der Überzeugung britischer Industrieller, im Export auf die Tradition industrieller >craftsmanship< zu setzen, die in der britischen Arbeiterschaft in ganz besonderer Weise verkörpert war und ihrer Exportwirtschaft auf den Weltmärkten noch immer ganz augenscheinlich komparative Vorteile verschaffte. Hier lag wohl eher ein Mangel an technischem, kaufmännischem und produktinnovatorischem Problembewußtsein denn ein Mangel an >produktiven< Investitionsfonds vor. Vor diesem Hintergrund spricht vieles dafür, den Erklärungszusammenhang zwischen Rüstung und wirtschaftlicher Entwicklung in den fünfziger Jahren für Großbritannien umzudrehen. Nicht Überlastung durch Militärausgaben und Rüstung hätte dann die ehe der
Wachstumsschwäche verursacht, sondern die Wachstumsschwäche der britischen Wirtschaft, deren Ursachen anderswo zu suchen sind, ließ relativ hohe Rüstungsanstrengungen wirtschaftlich untragbar werden. Rüstungsausgaben, die während der Labour-Regierungszeit 60 v. H. der Staatsausgaben ausmachten, waren in ihrer Wirkung auf den Wirtschaftskreislauf mit gewaltigen >keynesianischen< Konjunkturspritzen zu vergleichen, ohne daß es die Voraussetzungen für eine erfolgreiche Politik dieser Art gegeben hätte. Nicht einmal die hinter ihr stehende Motivation war wirtschaftlicher Natur. Weder litt die britische Wirtschaft unter konjunktureller oder gar chronischer Unterauslastung der Produktionsfaktoren, noch waren Rüstungsausgaben wie in Italien geeignet, regionale Entwicklungsdisparitäten auszugleichen. Im Gegenteil, die britische Wirtschaft operierte hart an ihrer Kapazitätsgrenze, litt auch unter akutem Facharbeitermangel und dies ganz besonders in jenen Regionen, die, wie London, der Süd-Osten oder die Midlands, vorrangig an der Rüstungswirtschaft teil hatten. Kurz gesagt, Großbritannien praktizierte in der ersten Hälfte der fünfziger Jahre Rüstungskeynesianismus ohne wirtschaftliche Not und am untauglichen Objekt. —
44
45 46
Geiger (wie
Anm.
5).
—
Central Statistical Office, National Income and Expenditure 1958, HMSO 1958, Tab. 1, 44, 45. Ronald P. Smith, Military Expenditure and Investment in OECD Countries. 1954—1973, in: Journal of Comparative Economics, (1980) 4, S. 19—32.
104
Werner Abelshauser
IV.
Rüstung und europäische Wirtschaftsintegration
Das Spannungsfeld zwischen den wirtschaftlichen Möglichkeiten einerseits und den politischen Ambitionen und Bündniszwängen andererseits, das die Rüstungspolitik im Vereinigten Königreich prägte, bestimmt den Weg der Aufrüstung auf dem europäischen Kontinent nicht in demselben Maße. Einerseits lassen sich in den westeuropäischen Rekonstruktionsländern Investitionen in den Rüstungsbereich leichter zu Vehikel eines Wirtschaftswachstums machen, das in den fünfziger Jahren noch auf hohe Produktivitätsreserven (vor allem im Arbeitskräftepotential) zurückgreifen kann. Bei einem deutlich niedrigeren marginalen Kapitalkoeffizienten als in Großbritannien und damit einer höheren Effektivität des eingesetzten Kapitals eignen sich Rüstungsinvestitionen durchaus (wenn auch nicht unbedingt besser) als probates Mittel staatlicher Industriepolitik, wie dies in Frankreich und in geringerem Maße in Italien der Fall ist, wo der technologische spill over
staatlich geförderter Rüstungsprojekte negative Kapazitätseffekte wohl mehr als aus-
gleicht.
Andererseits lassen sich dort, wo Großmachtambitionen fehlen oder an ihrer Entfaltung gehindert sind, Rüstungsziele leichter wirtschaftlichen Überlegungen unterordnen. Die Bundesrepublik Deutschland ist hierfür ein Beispiel. Don scheitert der erste Anlauf, Westdeutschland binnen drei Jahren aufzurüsten, 1956 weder an fehlenden finanziellen Mitteln noch an den Kapazitätsgrenzen der deutschen und internationalen Rüstungsindustrie. Ausschlaggebend ist vielmehr, daß die Regierungsparteien vielen anderen politischen Zielen Priorität vor der Aufrüstung einräumen und die westdeutsche Wirtschaft auf hochgesteckte Aufbauziele dilatorisch reagiert, weil sie zum einen in der Rüstungswirtschaft einen Hebel für die Durchsetzung weitgehender Partizipation der Wirtschaftsverbände an der Gestaltung der westdeutschen Wirtschaftspolitik sieht und andererseits und vor allem —, ihrer ökonomischen Rationalität folgend, die Rüstungsaufträge in eigenen erster Linie als staatlichen >Eventualhaushalt< in Konjunkturphasen mit rückläufiger wirtschaftlicher Gesamtnachfrage einsetzen will47. Der Koreakrieg und die von ihm weltweit ausgelösten Rüstungsanstrengungen haben vor dem Hintergrund national unterschiedlicher institutioneller, (macht-)politischer und wirtschaftlicher Voraussetzungen tatsächlich nicht zu einer >Gleichschaltung< der ordnungspolitischen Prinzipien der westlichen Welt im Sinne der von neoliberaler Seite befürchteten >Rüstungswirtschaft< geführt. Vielmehr wirkte die Koreakrise als Katalysator der Herausbildung unterschiedlicher Rüstungsregime in Westeuropa, die sich der vorherrschenden jeweils ordnungspolitischen Orientierung unterzuordnen hatten. Innerhalb dieser Regime, seien sie nun marktwirtschaftlich-liberal, staatsinterventionistischkeynesianisch oder korporativ, gewann jedoch die Praxis des >Rüstungskorporatismus< überall an Bedeutung. Ohne daß es in den fünfziger Jahren zur Herausbildung ausgeprägter >militärisch-industrieller Komplexe< kam, nahm die Zusammenarbeit der staatlich-militärischen Seite mit der Rüstungsindustrie fast zwangsläufig zu, sei es unter der Führung des Staates (vor allem dort, wo der Anteil staatlicher Rüstungsunternehmen —
Abelshauser
(wie
Anm.
3).
Rüstung, Wirtschaft, Rüstungswirtschaft: Wirtschaftliche Aspekte des Kalten Krieges 105 hoch war) oder der Verbände, die unter marktwirtschaftlich-liberalen Bedingungen für ein Mindestmaß an Lenkung, Koordination und Kontrolle sorgen mußten. Überraschenderweise haben sich diese Sachzwänge zur Zusammenarbeit nicht auf das Gebiet der inter- oder gar supranationalen Kooperation übertragen lassen. Die Verbindung von Rüstung und europäischer Integration liefert in den fünfziger Jahren nicht den Stoff für eine Erfolgsgeschichte, obwohl es mit den Vereinigten Staaten zumindest einen Autor und in der wirtschaftlichen Logik attraktive Ingredienzen dafür gab. Das Scheitern der Europäischen Verteidigungsgemeinschaft und die im Prinzip großen, in der Praxis aber extrem geringfügigen Kompetenzen der Westeuropäischen Union, die den Ausfall der Gemeinschaft auf dem Rüstungssektor kompensieren sollte, werfen die Frage auf, warum militärische und rüstungswirtschaftliche Integrationsversuche im Europa der fünfziger Jahre so erfolglos geblieben sind. Wenn es wahr ist, daß sich supranationale, den Nationalstaat überwiegende Regime am wahrscheinlichsten dort entwickeln, wo die souveräne Handlungsfreiheit des Nationalstaates nicht ausreicht oder sich als unproduktiv erweist, um ein Problem zu lösen48, dann müßte es gerade die Rüstungswirtschaft gewesen sein, die im europäischen Integrationsprozeß die Führung übernommen hätte. Die nationale Verteidigung ist nach 1945 das erste Feld der Politik gewesen, auf dem das Versagen der Einzelstaaten auf einem existenziell wichtigen Gebiet offenkundig war —, spätestens nachdem 1954 die nukleare Waffentechnik zum praktischen Bestandteil jeder Rüstungsplanung geworden ist. Die Lehren, die aus dem Scheitern dieser Entwicklung zu ziehen wären, stellen deshalb unsere Kenntnisse über theoretische Zusammenhänge der wirtschaftlichen Integration schlechthin auf eine Probe. Die Erfahrungen mit Rüstung und europäischer Integration scheinen die praktische Relevanz der funktionalistischen Integrationstheorie zu widerlegen und die realistische oder statische Theorie zu bestätigen, die hinter jedem Integrationsschritt zunächst einmal das nationalstaatliche Interesse der beteiligten Regierungen erkennen will. Ernst B. Haas49, der Begründer der funktionalistischen Theorie, sah in technologischen Entwicklungsprozessen den Treibstoff und in der Logik des Marktes den Motor der Integration: Streben nach wirtschaftlicher Modernisierung mußte früher oder später zur politischen Einheit führen. Supranationalität wird dabei wohlgemerkt nicht naiv als eine entpolitisierte Form technischer Entscheidungsfindung verstanden. Sie ist vielmehr eine Form politischen Verhaltens zur Realisierung politischer Interessen: »The supra-national style stresses the indirect penetration of the political by way of the economic because the >purely< economic decisions always acquire political significance in the minds of the participants50«. Beispielhaft für diesen Zusammenhang sind die zahlreichen Versuche, die Rüstungspolitik der westeuropäischen Verbündeten zu koordinieren sowie die westeuropäischen Rü48
49
50
Stanley Hoffman, Reflections on the Nation-State in Western Europe, in: Journal of Common Mar-
ket Studies, vol.21, 1982, S. 21—37. Ernst B. Haas, The Uniting of Europe. Political, Social and Economical Forces. 1950—1957, London 1958; ders., Beyond the Nation-State. Functionalism and International Organization, Stanford, Cal. 1964. Technocracy, Pluralism and the New Europe, in: A New Europe? Ed. by Stephen R. Graubard, Boston
1964, S. 65.
106
Werner Abelshauser
stungskapazitäten und das Know-how zu integrieren, um den Output zu optimieren, die Kosten zu senken und bestimmte Rüstungsschritte erst möglich zu machen. Die Notwendigkeit dazu wird am klarsten im »Grand Design« der britischen Regierung für eine Kooperation mit Westeuropa zum Ausdruck gebracht. In dieser Denkschrift Selwyn Lloyds vom 7. Januar 1957 heißt es:51 »A Country which wishes to play the role of a
great Power [...] must have the power to use the whole range of thermo-nuclear weapons, including the megaton bomb. Although, if all goes well, Britain will shortly have the know how of the megaton bomb and the possession of some kiloton weapons, Britain cannot by herself go the whole distance. If we try to do so, we shall bancrupt ourselves. The choice is therefore clear. [...] Britain and the other six Western European Union Powers have a combined population of over 210 millions, together with very considerable industrial capacity, resources and skill. If these were pooled, the resultant association could afford to possess full thermo-nuclear capacity. It could be the third great Power«. Das Angebot zielte ganz unverblümt auf die wirtschaftliche und finanzielle Stärke Westdeutschlands52, die aus britischer Sicht dazu beitragen konnte, die eigene Belastung auf ein Viertel des bisherigen Standes zu reduzieren und qualifizierte Arbeitskräfte für zivile Zwecke freizusetzen. Es wollte aber auch die Integrationsbemühungen der sechs kontinentaleuropäischen Länder auf ein Feld verlagern, in dem Großbritannien anders als auf dem Gebiet der Zoll-, Industrie- oder Agrarpolitik die Führung beanspruchen konnte. Schon vorher, in Memoranden vom 28. April und 25. September 1956, hatte die französische Regierung versucht, die bilaterale Rüstungszusammenarbeit mit Westdeutschland zu institutionalisieren, und diesen Vorstoß vor allem wirtschaftlich begründet53. Die deutsche Reaktion blieb zunächst skeptisch, vermutete man doch, daß Frankreich erneut den schon im EVG-Vertragswerk vorgesehenen Plan eines Deutschland diskriminierenden Rüstungspools lancieren und sich den Zugriff auf deutsche Rüstungsaufträge sichern wollte. Immerhin wurde im November auf höchster Ebene vereinbart, so schnell wie möglich an die Regierungen der übrigen Staaten heranzutreten und sie zu bitten, der neuen europäischen Rüstungsgemeinschaft< beizutreten54. Als aber die französische Regierung unter Ministerpräsident Gaillard und Außenminister Pineau im November 1957 ihr Angebot auf die gemeinsame Produktion von Raketen und Atomwaffen ausdehnte und die Mitarbeit Italiens in Aussicht stellte, erklärte sich Bundeskanzler Adenauer mit dem Projekt einverstanden, das eine deutliche Spitze gegen die angelsächsischen Atommächte hatte55. —
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The Grand Design (Co-operation with Western Europe), Memorandum by the Secretary of State for Foreign Affairs, C.P. (57) 6, 5th January, 1957, PRO, CAB 129/84. In § 18 des Grand Design heißt es: »We should thereby enlist not only the resources and skill of our European neighbours, particularly the Germans, but also their finance«. Ebd. Aufzeichnung betr. Besprechung Bundeskanzler/Guy Mollet am 6.11.1956 in Paris, hier: DeutschFranzösische Zusammenarbeit auf dem Rüstungssektor, AA, Politisches Archiv, Büro Staatssekretär, Bd 203. Aufzeichnung über die Verhandlungen mit Maurice Faure am 6.11.1956 im Hotel Matignon, ebd., Bd278. Aufzeichnung über eine Unterredung Konrad Adenauers mit Maurice Faure am 16.11.1957, ebd., Bd279, 115—9/57.
Rüstung, Wirtschaft, Rüstungswirtschaft: Wirtschaftliche Aspekte des Kalten Krieges Die sachliche
Übereinstimmung beider Initiativen, die Westeuropa wieder näher
Verteidigungsgemeinschaft heranzubringen schienen, ist offenkundig.
an
107
eine
In beiden Fällen
auch die deutschen Interessen berücksichtigt, die nach dem Radford-Schock in einer vorsichtigen Lösung vom amerikanischen Schutzmonopol lagen. Kurz vor der Diskussion des »Grand Design« im britischen Kabinett hatte sich das Bundeskabinett noch für den beschleunigten Aufbau der Bundeswehr, für eine Zusammenfassung der europäischen Rüstungsressourcen und für die Herstellung nuklearer Waffen in der Bundesrepublik entschieden56. Die Europäisierung der Atomrüstung müßte vor diesem Hintergrund ein Ziel sein, für dessen Realisierung schon aus politischen Gründen jeder Einsatz lohnte. Vor allem aber lagen die wirtschaftlichen Vorteile einer gemeinsamen Atomrüstung auf der Hand. Gleichwohl scheiterten beide Vorstöße und das nicht aus wirtschaftlichen Gründen: der britische am Einspruch der USA, die eine Weiterverbreitung von Atomwaffen verhindern wollten, und an der britischen Option für die Rolle des atomaren Juniorpartner der Vereinigten Staaten, die Großbritannien gleichsam im Huckepack-Verfohren den Status einer Weltmacht zu sichern versprach. Die Zusammenarbeit zwischen Frankreich, Deutschland und Italien endete soweit sie Atomwaffen betraf unverzüglich nach der Machtübernahme General de Gaulles, der Frankreichs Weltmachtanspruch nicht mit den kontinentaleuropäischen Partnern teilen wollte. Beide Beispiele bestätigen die Ergebnisse historischer Forschung auf anderen Gebieten, die in den Formen der europäischen Integration der fünfziger Jahre und bis heute vor allem Maßnahmen zur Sicherung nationalstaatlicher Souveränität sehen, die auf andere Weise nicht mehr garantiert gewesen wäre57. Wirtschaftliche Integration auch auf dem Rüstungsgebiet endet bisher dort, wo Kernbereiche nationaler Souveränität beginnen, und schreitet nicht, wirtschaftlichen Sachzwängen folgend, quasi automatisch fort, wenn sie einmal in einem oder mehreren Sektoren der Wirtschaft verwirklicht worden ist. In einem allgemeineren Sinne haben die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen des Nordatlantischen Bündnisses allerdings entscheidend zum Erfolg der Allianz beigetragen. Es ist den meisten Mitgliedstaaten gelungen, ihre Rüstungsaufgaben mit den Erfordernissen einer »gesunden sozialen und wirtschaftlichen Grundlage« für ihre Menschen zu verdas es wie der britischen knüpfen, Verteidigungsweißbuch Labour-Regierung 1947 gefordert hatte. Dabei kamen den meisten Mitgliedstaaten vor allem aber den Kontinentaleuropäern jene günstigen Wachstumsbedingungen des Nachkriegsjahrzehnts zugute, die als >Rekonstruktionsperiode< bezeichnet worden sind und die Produktivitätsreserven genug freisetzten, um beides möglich zu machen Kanonen und Butter. Am Ende des Kalten Krieges ist es schwer zu sagen, was für die Überlegenheit der NATO den Ausschlag gegeben hatte. Militärische Verteidigung war sicher notwendig, um gegebenenfalls die Linien zu halten. Als wirksamste Offensivwaffe im Krieg der Systeme erwies waren
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Auszug aus dem Protokoll der Kabinettsitzung am BA-MA, BW 1/48957.
19.12.1956
(164. Kabinettsitzung 1-1324 IV/56),
Dies ist die Formel, auf die das Ergebnis zahlreicher einschlägiger Forschungsarbeiten am EHI gebracht werden kann.
108
Werner Abelshauser
sich aber in der Retrospektive die wirtschaftliche und soziale Überlegenheit des Westens, die nicht zuletzt aus ordnungspolitischen Grundsatzentscheidungen folgte. Aus dieser Sicht war ebenso wichtig wie die Rüstung selbst, daß Rüstung nicht die wirtschaftlichen Grundlagen des Sozialstaates zerstörte und eine Militarisierung der Wirtschaft im Kalten Krieg vermieden werden konnte. Beide Beispiele bestätigen aber auch jene Ergebnisse historischer Forschung, die in den und bis heute MaßnahFormen der europäischen Integration der fünfziger Jahre men zur Sicherung nationalstaatlicher Souveränität sehen, die auf andere Weise nicht mehr garantiert gewesen wäre. Die Beziehungen zwischen der Europäischen Gemeinschaft und ihren Mitgliedstaaten sind kein Nullsummen-Spiel. Die Gemeinschaft trägt mehr dazu bei, den Nationalstaat in seinem Kern zu konservieren als daß sie ihn beseitiauch auf dem Rüstungsgebiet endet bisher gen hilft. Wirtschaftliche Integration Kernbereiche nationaler Souveränität wo dort, beginnen, und schreitet nicht wirtschaftlichen Sachzwängen folgend quasi automatisch fort, wenn sie einmal in einem oder mehreren Sektoren der Wirtschaft verwirklicht worden ist. Man kann das Argument aber auch umkehren: Eine europäische Rüstungs- und/oder Verteidigungsgemeinschaft würde die Souveränität des Nationalstaates weit mehr schwächen als alle wirtschaftlichen und monetären Integrationsschritte, die bisher zurückgelegt worden sind. —
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Heinz-Werner Würzler
Anfänge kanadischer Militärhilfe europäischen NATO-Partner Probleme und Die
für die
Motivationen
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(1948/49-1951/52)
Für die kanadische Außen- und
Sicherheitspolitik, die bis weit in die sechziger Jahre hinein durch den dominierenden Bezug auf die NATO gekennzeichnet war, läßt sich nach 1947/48 ein konstitutiver Zusammenhang zwischen sicherheitsrelevanten Faktoren und wirtschaftsstrategischen Interessen konstatieren. Beispielhaft hatte bereits im April 1948 Norman A. Robertson, High Commissioner in London, mit Blick auf die Ingangsetzung des Marshall-Plan-Programmes durch die USA einerseits und die Pentagon-Gespräche zwischen den USA, Großbritannien und Kanada andererseits das wechselwirksame Zusammenspiel zwischen sicherheitspolitischen Notwendigkeiten und ökonomischen Orientierungen akzentuiert, das Kanada zu einem Engagement hinsichtlich der Formierung einer nordamerikanisch-westeuropäischen Partnerschaft zwang: »A situation in which our special relationship with the United Kingdom can be identified with our special relationships with other countries in western Europe and in which the United States will be providing a firm basis, both economically [Marshall aid] and probably militarily [NATO], for this link across the North Atlantic, seems to me such a providential solution for so many of our problems that I feel we should go to great lengths and even incur considerable risks in order to consolidate our good fortune and ensure our proper place in this new partnership1«. Doch mit der institutionellen Formierung der nordatlantischen Partnerschaft stellte sich auch die Frage nach den damit verknüpften Risiken und anfallenden Kosten für die kanadische Regierung, zumal sowohl die westeuropäischen Verbündeten als auch die USA mit erheblichen Forderungen an die kanadische Adresse aufwarteten. 1956 konnte Lester Pearson, Außenminister in der liberalen St. Laurent-Regierung (1948—1957) mit folgender Bilanz die Leistungsbereitschaft Kanadas unter der Rubrik Mutual Aid herausstreichen: Demnach hatte sich Kanada nicht nur an der Integrated Force in Europa beteiligt, sondern darüber hinaus auch noch Militärhilfe in Höhe von rund CAN-$ 1 Mrd. an 1
Robertson an das Department of External Affairs, 21.4.48, FA, RG 25 A 12, Vol. 2097, file: AR 69/4 (auch zitiert in: Escott Reid, Time of Fear and Hope. The Making of the North Atlantic Treaty. Toronto 1977, S. 132); zur Einordnung kanadischer Außen- und Verteidigungspolitik in den NATOZusammenhang siehe Heinz-Werner Würzler, Kanada und die NATO 1948/49—1957/58. Die Neuformulierung der kanadischen Außen- und Verteidigungspolitik nach dem Zweiten Weltkrieg, in: J. Becker/R.-O. Schultze (Hrsg.), Im Spannungsfeld des Nordatlantischen Dreiecks: Kanadas Außenpolitik nach dem Zweiten Weltkrieg, Bochum 1989, S. 75—99; Horst C. Zipfel, Die Verteidigungspolitik Kanadas zwischen nationalem Eigeninteresse und internationalem Engagement, München, Köln, London 1986.
no
Heinz-Werner Würzler
die europäischen Partner geleistet. Die Militärhilfe umfaßte nach Darstellung Pearsons die Bereitstellung von Ausbildungsplätzen in Kanada für 5 800 Angehörige alliierter Luftstreitkräfte, die Übergabe kanadischer Reservebestände als Beitrag für die Ausrüstung westeuropäischer Verbände in der Stärke von drei Divisionen sowie die Entnahme aus der laufenden kanadischen Rüstungsproduktion, insbesondere in Form von 600 Flugzeugen und 1000 Triebwerken2. Diese Erfolgsbilanz, die Pearson dem kanadischen Unterhaus präsentierte, durfte allerdings nicht darüber hinwegtäuschen, daß es innerhalb der Regierung hinsichtlich der Ausgestaltung und der Höhe der kanadischen Militärhilfe sowie ihrer Voraussetzungen erhebliche Kontroversen gegeben hatte, die auch in den Folgejahren immer wieder aufbrachen. Die Konzipierung der ersten kanadischen Militärhilfeprogramme 1950/51 war nur mit erheblicher zeitlicher Verzögerung und letztendlich erst nach Ausbruch des Koreakrieges erfolgt. Parallel dazu geriet Kanada seit den Diskussionen über die Etablierung eines Economic and Financial Committee im Organisationsgefüge der NATO und besonders nach den ersten Untersuchungen des Temporary Council Committee über die individuellen Verteidigungsbeiträge der NATO-Mitgliedstaaten zunehmend unter den Druck der Verbündeten, die eigenen Verteidigungsanstrengungen zu intensivieren und gerade auch im Bereich von Mutual Aid umfangreichere Maßnahmen zu ergreifen. Im Department of External Affairs, das in Mutual Aid ein Instrument sah, den kanadischen Einfluß bei den europäischen Verbündeten zur Geltung zu bringen und den diplomatischen Handlungsspielraum Kanadas gegenüber den USA (und Großbritannien) im Sinne der »Gegensogthese« Pearsons aufrechtzuerhalten, stieß diese Kritik durchaus auf Resonanz. Auch der kanadische Politologe R.S. Ritchie vertrat 1956 in einer Studie für das Canadian Institute for International Affairs die These, daß die kanadischen Wachstumsraten im Verteidigungshaushalt zwar insgesamt seit 1950 recht imposant ausgefallen seien, daß aber Wiederaufrüstung und Militärhilfe für Europa kein »really serious sacrifice of the Canadian people« erfordert hätten3; insofern relativierte er die oben referierten Angaben Pearsons und verwies zugleich auf Restriktionen, die primär aus dem innenpolitischen Spektrum auf die Formulierung der konkreten Militärhilfepolitik Kanadas einwirkten. Der Widerstand von Sozial- und Haushaltspolitikern gegen allzu großzügig dimensionierte Militärhilfeprogramme4, der zum Teil sicherlich aus dem Umstand resultierte, daß das sozialliberale Programm der St. Laurent-Regierung zum Ausbau des »welfare state« mit den Anforderungen für den Aufbau des »national security state« (Lawrence R. Aronson) kollidierte und von Abstrichen bedroht wurde, kann allerdings nicht allein das kanadische Lavieren bei der Formulierung einer tragfähigen Mutual Aid-Politik erklären. Als gravierender er2
3 4
Die Zahlenangaben finden sich bei J. McLin, Canada's Changing Defence Policy. 1957—1963. The Problems of a Middle Power in Alliance, Baltimore 1967, S. 18. Eine präzisere Auflistung der kanadischen Mutual Aid-Leistungen bietet das Memorandum der Information Division des DEA: Canadian Defence and NATO, das allerdings im DND erstellt wurde und vom Februar 1958 datiert; Archiv des DND, Ottawa, 000.6 (D 13). Ronald S. Ritchie, NATO. The Economics of an Alliance, Toronto 1956, S. 44—62, 84—96, Zitat S. 87. Dabei war die Bündnispolitik als solche Mitgliedschaft in der NATO aufgrund des in der kanadischen Gesellschaft stark ausgeprägten antikommunistischen Konsenses nicht umstritten. —
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Die
Anfänge
kanadischer Militärhilfe für die
europäischen NATO-Partner
111
wiesen sich vielmehr industrie- und wirtschaftsstrategische Faktoren sowie daran geknüpfte
Entscheidungen zur Umrüstung der kanadischen Streitkräfte auf amerikanisches Rüstungsmaterial, die zusammen die kanadischen Abhängigkeiten von den USA akzentuierten und die ebenso die von Pearson formulierte (und von Robertson auf den Punkt gebrachte) außenpolitische Strategie, den enormen politischen und wirtschaftlichen Sog der USA via NATO mit Unterstützung eines stabilen und prosperierenden Westeuropas/Großbritanniens zu kompensieren, zumindest mit Fragezeichen versahen. Denn parallel zur Gründung der NATO ließen sich im kanadisch-amerikanischen Verhältnis deutliche Ansätze
zu
einem stärker
ausgeprägten »continentalism« im militärischen wie im wirt-
schaftlichen Bereich konstatieren, wobei die
Ausgestaltung der kanadischen Militärhilwesentlich durch die fepolitik Herausbildung eines stärker integrierten nordamerikanischen Wirtschaftsraumes im Gefolge des Koreakrieges mitbestimmt wurde5. Die
Ausgangslage
1948/49
Die kanadische Verteidigungsstrategie war seit 1946/47 durch zwei Prämissen charakterisiert: Zum einen durfte Kanada nicht erneut wie 1914 und 1939 zeitlich früher und unabhängig von den USA in einen Krieg involviert werden, zum anderen sollte Kanadas Beitrag zur westlichen Verteidigung primär durch die Mobilisierung industrieller Rüstungskapazitäten und die Sicherstellung einer ausreichenden Versorgung der Verbündeten in Europa mit Rohstoffen und Nahrungsmitteln abgeleistet werden6. Die Entwicklung insbesondere von Rüstungskapazitäten und die Gewährleistung eines hohen Mobilisierungsgrades der kanadischen Industrie besaßen demnach eindeutig einen größeren Stellenwert als die rasche Mobilisierung von Streitkräften, zumal die kanadische Regierung zunächst nicht an eine Stationierung kanadischer Streitkräfte in Europa, d. h. vor dem Eintritt des Bündnisfalles, dachte. Beide Prämissen prägten die kanadische Haltung in den NATO-Verhandlungen 1948/49 sowie in den Diskussionen über das künftige Institutionengefüge der NATO im Sommer und Herbst 1949. Auf nationaler Ebene wurden seit dem Frühjahr 1948 mit der Gründung des Industrial Defence Board erste Schritte eingeleitet, um das Mobilisierungspotential der kanadischen Industrie für den Verteidigungsfall zu konservieren und den Kontakt zwischen dem »national security establishment« —
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Im militärischen Bereich wurden auch nach
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Kriegsende 1945 die Arbeiten an einem gemeinsamen nordamerikanischen Verteidigungsplan fortgeführt und seit Ende der 40er Jahre mit Überlegungen ergänzt, die bereits auf den späteren Aufbau von NORAD verwiesen. Die nordamerikanische Planungsgruppe der NATO blieb in ihrer Bedeutung hinter den von ihr unabhängigen, rein bilateralen kanadisch-amerikanischen Planungsgruppen auf Service-Ebene zurück. Auch im Bereich der »industrial mobilization« wurden seit 1948/49 die kanadisch-amerikanischen Kontakte verstärkt und durch die Gründung des Joint Mobilization Planning Committee im Frühjahr 1949 institutionalisiert. Zum »continentalism« siehe besonders G. Schmidt, Kanada, Großbritannien und die Gründung der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft 1955—1958, in: Becker/Schultze (wie Anm. 1), S. 167—196, sowie ders., Kanada und die Britische Beitrittspolitik zur Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft 1958—1963, in: ebd., S. 197—262. Verteidigungsminister Claxton hatte diese Prämissen in drei Memoranden für den Premierminister Anfang 1947 formuliert und festschreiben lassen; siehe FA, MG 31 § 46, Vol. 6, file 12.
112
Heinz-Werner Würzler
(Aronson) und der Industrie nicht abreißen zu lassen. Die Institutionalisierung der Kontakte des Industrial Defence Board zum amerikanischen National Security Resources Board sowie zum Munitions Board durch die Gründung des Joint Industrial Mobilization Committee im April 1949 aufgrund einer amerikanischen Initiative diente dem Zweck, die kanadischen mit den amerikanischen Mobilisierungsplanungen für die Industrie zu koordinieren, um im Verteidigungsfalle erneut und problemlos die Schaffung eines nordamerikanischen Wirtschaftsraumes analog zu den Verhältnisses während des Zweiten Weltkrieges im Gefolge des Hyde Park Agreements vom April 1941 realisieren zu können. Das Permanent Joint Board on Defence, das 1940 mit dem Ogdensburg Agreement gegründet worden war und das auch nach 1945 dem informellen politisch—
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militärischen Gedankenaustausch zwischen Kanada und den USA diente7, hatte zudem im Oktober 1949 nach ständigem Drängen des kanadischen Delegationsleiters, General John McNaughtons, eine Empfehlung verabschiedet, die die kanadischen Mónita (s. u.) aufgriff und die die Realisierung der folgenden Ziele zur Voraussetzung für eine Maximierung der gemeinsamen Verteidigungsanstrengungen erklärte: a) eine breitere Streuung der relevanten Industrie- und Rüstungskapazitäten über den gesamten nordamerikanischen Kontinent, um die Folgen eines möglichen sowjetischen Überraschungsangriffes auf die amerikanischen Industrie- und Bevölkerungszentren besser auffangen zu können; damit sollte Kanada proportional an der nordamerikanischen Industrieproduktion beteiligt werden, wobei die Board-Mitglieder allerdings Widerstände insbesondere der amerikanischen Rüstungslobby und des Kongresses antizipierten; b) Ergänzung amerikanischer Nachschubquellen durch kanadische, womit implizit die Erschließung kanadischer Rohstofflager und der Aufbau kanadischer Industriekapazitäten sowie deren gleichberechtigte Nutzung gefordert wurde; c) eine forcierte Realisierung der Standardisierungspolitik der amerikanischen und kanadischen Streitkräfte, wobei die Umrüstung der kanadischen Streitkräfte auf amerikanisches Rüstungsmaterial durch amerikanische Rüstungskäufe in Kanada finanziell abgefedert werden sollte8; d) zwischen Kanada und den USA sollte im Waffenhandel ein annäherndes Gleichgewicht angestrebt werden9. Die Emp7
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Zum Folgenden siehe besonders das
umfangreiche Material im Howe-Nachlaß, FA; D.W. Middlemiss, The Canadian-American Defence Production And Development Sharing Arrangements: A Canadian Perspective, Toronto 1980, DND 80/394, S. 5ff.; ders., A Pattern of Co-operation. The Case of the Canadian-American Defence Production and Development Sharing Arrangements, 1958—1963, Diss. University of Toronto 1976; Lawrence R. Aronson, From World War to Limited War: Canadian-American Industrial Mobilization for Defence, in: Revue Internationale d'Histoire Militaire, 51 (1982), S. 208—245; ders., Canada's Postwar Rearmament. Another Look at American Theories of the Military-Industrial Complex, in: Canadian Historical Association. Historical Papers 1981, S. 175—196. Das Permanent Joint Board on Defence besaß keine exekutiven Vollmachten und führte auch keine konkreten Planungen durch; seine Vertreter kamen aus den Teilstreitkräften sowie aus den Außenministerien. Gleichwohl ist seine Bedeutung nicht zu überschätzen, da im Board beide Seiten Initiativen auf ihre Durchführbarkeit testen konnten. Beschlüsse des Board wurden in Form unverbindlicher Empfehlungen an die Regierungen weitergeleitet. Die seit 1946 geführten Gespräche über Rüstungsstandardisierung hatten dabei allerdings Großbritannien einbezogen. Neben dem Howe-Nachlaß siehe J. Swettenham, John McNaughton 1944—1966, vol. 3, Toronto 1969, S. 196-198.
Die
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Anfänge kanadischer Militärhilfe für die europäischen NATO-Partner
fehlungen des Permanent Joint Board on Defence besaßen somit durchaus einen ambivalenten Charakter, da sie zwar einerseits im Stadium der Planungen für den Verteidigungsfall verblieben und auf Mobilisierungs- und Koordinierungskapazitäten »on D-Day« abzielten, andererseits aber auch konkrete Maßnahmen vorstellten, die die bereits vorhandenen Kapazitäten in Kanada optimal zur Geltung bringen sollten und die stärker den Gedanken einer »industry in being« (und nicht so sehr einer schnell zu mobilisierenden Industrie) in den Vordergrund rückten. Aus ähnlichen Erwägungen hatte sich Verteidigungsminister Claxton bereits im April 1948 an einer Wiederaufnahme kanadischer Munitionslieferungen an Westeuropa interessiert gezeigt, die im Rahmen des Marshall-Plans durch amerikanische »offshore«-Käufe in Kanada finanziert werden sollten (allerdings schlössen die ECA-Bestimmungen eine Einbeziehung kanadischer Rüstungsgüter in das offshore-Programm aus). Auch die kanadischen Streitkräfte, insbesondere die Armee, verknüpften ihr Plädoyer für eine kanadische Partizipation im Chiefs of Staff Committee der Western Union auf »non-member«-Basis analog zu den Bedingungen für die USA mit dem Argument, daß dadurch nicht allein der Selbstbehauptungswille der Westeuropäer gestärkt werde, sondern Kanadas Vertreter in diesem Gremium zugleich die Diskussion über Wiederaufrüstungsprogramme der Western Union-Staaten kritisch begleiten könne. Auch die USA, so Foulkes, der Chairman des kanadischen Chiefs of Staff Committee, zeigten sich interessiert an einer kanadischen Mitarbeit im genannten Gremium: »One of the reasons was that Canada still held large stocks of U. K.-type military equipment which might be released for use by Western Union countries and replaced by US-type in the interests of Canada-US. standardization10«. Die kanadische Armee war bis zu diesem Zeitpunkt noch überwiegend mit Material aus der britischen Rüstungsproduktion ausgestattet, doch bestand erhebliches Interesse an einer Umrüstung auf amerikanisches Material, zumal seit Februar 1947 die Regierungen in Washington und Ottawa nach offizieller Annahme einer entsprechenden Empfehlung des Permanent Joint Board on Defence auf die Politik nordamerikanischer Standardisierung festgelegt waren. Hier schien sich aus kanadischer Sicht (Armee) ein günstiger Tausch anzubieten: Umrüstung der kanadischen Armee auf amerikanische Rüstungsmaterialien und Verschiffung kanadischer Ausrüstung aus britischer Produktion nach Europa mit der Wirkung einer Steigerung westeuropäischer Verteidigungsfähigkeit und Konsolidierung transatlantischer Sicherheit. Zugleich konnten Probleme im Zusammenhang mit dem Standardisierungsvorhaben in Nordamerika, insbesondere die kanadischen Beschaffungsprobleme in den USA seit dem Sommer 1948 und die amerikanische Enthaltsamkeit bei Waffenkäufen in Kanada, thematisiert und ggf. im kanadischen Sinne einer Lösung zugeführt werden, zumal das Permanent Joint Board on Defence im Oktober 1949 wie erwähnt die kanadischen Mónita als berechtigt anerkannt und in überzeugende Politikempfehlungen umgesetzt hatte (so die kanadische Sicht). Insbesondere Hume Wrong, der kanadische Botschafter in Washington, plädierte für eine Verknüpfung der beiden —
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Siehe die Ausführungen Foulkes' vor dem Cabinet Defence Committee am 14.9.48, in: FA, RG 2 Series 18, Vol. 60, file: C-10—9—M (60th Meeting, Atlantic Security and Western Union Military
Conversations).
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Heinz-Werner Würzler
Themenbereiche »kanadische Militärhilfe für Westeuropa« und Rüstungskooperation/ -beschaffung in Nordamerika, indem er auf das Interesse des State Department verwies,
in den Verhandlungen mit dem Kongreß bezüglich des Militärhilfeprogrammes die eigene Position durch Hinweise auf Beiträge von Drittstaaten, in diesem Falle Kanadas, verbessern zu können11. Ein Entgegenkommen Kanadas in der Frage der Militärhilfe für Europa sollte ein Umsetzen der kanadischen Wünsche, die dann in den Empfehlungen des Permanent Joint Board on Defence ihren Niederschlag fanden, durch die USA fördern und akzellerieren, wobei allerdings die Widerstände im Kongreß und bei der amerikanischen Rüstungslobby auf kanadischer Seite nicht unterschätzt wurden. Der kanadische Vertreter in der Western European Regional Planning Group, Major-General Clarke, fügte im November dieser Linkage-Strategie noch einen weiteren Gesichtspunkt hinzu, indem er die Militärhilfe stärker noch als die diplomatischen Vertreter an die Zielsetzung der unmittelbaren Kriegsvermeidung koppelte und eine Abkehr von der bisherigen, auf Mobilisierung beruhenden Planung für den Verteidigungsfall einforderte; Planung allein reiche nicht aus für die Verhinderung des Krieges, notwendig sei vielmehr eine »industry in being« und die Aufnahme der Produktion für den Krieg bereits in »Friedenszeiten«. Militärhilfe konnte in diesem Sinne eine Modifizierung der bisherigen
Regierungspolitik einleiten12. Doch unter welchen Voraussetzungen konnte die Inaugurierung kanadischer Militärhilfe vollzogen werden? Und sollte sich der in Aussicht gestellte Transfer von Rüstungsgütern primär auf die Bereitstellung von Reservebeständen beschränken, ohne daß Lieferungen aus der laufenden Rüstungsproduktion für die europäischen Verbündeten abgezweigt wurden? Ließ sich eine solche Haltung überhaupt mit der oben genannten Prämisse der kanadischen Sicherheitspolitik vereinbaren? Escott Reid vom Department of External Affairs hatte zwar bereits im Januar 1949 in einem Memorandum für Pearson dafür plädiert, im Verteidigungshaushalt 1949/50 die kanadische Verpflichtung, wie er meinte, zur Ausrüstung der europäischen Verbündeten zu berücksichtigen und dementsprechende Ansätze im Budget vorzuhalten13. Auch hatte Pearson im Oktober 1948 in einem Memorandum für das Kabinett, in dem er den Stand der Washingtoner NATO-Verhandlungen skizzierte, bereits in vagen Formulierungen eine Erhöhung des Verteidigungsetats und die Bereitstellung von Ressourcen für die Wiederbewaffnung der westeuropäischen Alliierten als potentielle Maßnahme im Rahmen künftiger kanadischer Bündnisverpflichtungen angedeutet14. Doch präzise Vorschläge hinsichtlich der konkreten Form kanadischer Zur Haltung Wrongs siehe sein Tel. an DEA resp. Military Aid to Western Europe, FA, RG 25 B 3, Vol.2130, file: 1948/491. 12 Siehe Aufzeichnung James' über ein Gespräch mit Ritchie über: The U.K., Canada and the US MiliAid Programme, PRO, DO 35/2441. tary 13 Memorandum Reids for Pearson, 21.1.49: National Defence Estimates 1949/50, FA, RG 2 Series 18, Vol.246, file: D-19. 14 »These costs [für den Zuwachs im Verteidigungsetat) would be for the purpose of maintaining our own armed forces and our industrial machine in a state of readiness and, possibly, for assisting in the rearming of the Western European countries.« Siehe Memorandum to the Cabinet No. 754 (Pearson): North Atlantic Treaty, 4.10.48, FA, RG 2, Series 18, Vol.245, file: C-20-5, 1948/49. 11
Die
Anfänge kanadischer Militärhilfe für die europäischen NATO-Partner
115
Militärhilfe und ihrer etatmäßigen Abdeckung wurden vorerst, d. h. im Frühjahr und Sommer 1949, nicht vorgelegt. Vielmehr vermieden die kanadischen Vertreter in den entsprechenden Gremien der Western Union und in Gesprächen mit Vertretern des State Department jegliche Festlegung. Die Anweisungen aus Ottawa ließen in dieser Frage auch überhaupt keinen Spielraum: »We should, however, be very careful«, so instruierte das Department of External Affairs am 8. März 1949 die High Commission in London, »not to leave with the Western Union countries (particularly at this time) the impression that Canada will automatically follow the lead given by the United States in providing financial assistance to the Western Union countries to aid them in their military recovery15«. Auch gegenüber amerikanischen Anfragen im Juni und Juli 1949 blieb die kanadische Regierung zunächst unverbindlich, während sie allerdings zu diesem Zeitpunkt in ihrer Argumentation den Vorbehalt autonomer Entscheidungsfindung weniger stark betonte. Vielmehr wurde die Verabschiedung eines kanadischen Parallelprogrammes zum amerikanischen Mutual Defence Assistance Act (MDAA) »zum jetzigen Zeitpunkt« als verfrüht abgelehnt (damit aber für einen späteren Zeitraum in Aussicht gestellt), da aus kanadischer Sicht wesentliche Bedingungen für eine erfolgreiche Implementierung eines solchen Programmes noch nicht erfüllt waren. Wrong nannte gegenüber den Vertretern des State Department insbesondere die ausstehende Ratifizierung des NATO-Vertrages durch sämtliche Unterzeichnerstaaten sowie die kanadischen Beschaffungsprobleme in den USA, für die zunächst eine Lösung gefunden werden müßte. Intern mußten Wrong und die Beamten des Department of External Affairs/Unterstaatssekretär Heeney aber eingestehen, daß diese Argumentation, besonders der Hinweis auf die noch ausstehende Ratifizierung des NATO-Vertrages, nicht eben überzeugend wirkte und zunehmender Kritik durch die Alliierten ausgesetzt sein würde. Aus diesem Grunde forderten gerade auch die kanadischen Vertreter in Washington und London eine Überprüfung der kanadischen Position ein. Allerdings hatte Wrong gegenüber dem State Department bereits zwei Charakteristika der künftigen kanadischen Militärhilfepolitik vorgestellt, die dann seit 1950 prinzipiell festgeschrieben wurden; a) Die kanadische Militärhilfe resultierte allein aus dem Artikel 3 des NATO-Vertrages und kam somit ausschließlich den NATO-Vertragspartnern in Westeuropa zugute. Anders als mit dem Mutual Defence Assistance Act der USA wollte Kanada keine globalen Sicherheitsinteressen der westlichen Welt absichern, sondern die Unterstützungsleistungen auf Westeuropa konzentrieren; b) Kanada wollte ausschließlich als Geber, nicht als Empfänger von Militärhilfe auftreten. Kanadische Waffenkäufe in den USA zur Umrüstung der eigenen Streitkräfte sollten somit durch im Bereitstellungen Verteidigungsetat, nicht aber durch amerikanische Finanzkontributionen im Rahmen der amerikanischen Militärhilfe finanziert werden. Diese Position schloß aber eine kanadische Beteiligung an der Durch-
führung des amerikanischen Militärhilfeprogrammes (in Form von amerikanischen offshore-Käufen in Kanada zugunsten der westeuropäischen Verbündeten) nicht aus, sondern vielmehr wurde implizit ein erfolgversprechendes kanadisches Militärhilfeprogramm Instruktion des DEA
Vol.2097, file:
an
die
AR 69/4/1.
High
Commission
London, Reid for Ritchie, No. 447, FA,
RG 25,
116 von
Heinz-Werner Würzler
einer stärkeren
gemacht (s.u.)16.
Integration
des nordamerikanischen
Rüstungsmarktes abhängig
Für die oben
konstatierte, zu diesem Zeitpunkt (Frühjahr und Sommer 1949) sehr vorkanadische sichtige Haltung waren drei Faktoren von ausschlaggebender Bedeutung, wobei der erste nur zeitlich begrenzte Wirkung entfaltete: a) Die liberale Partei ging mit einem ambitionierten sozialpolitischen Programm und dem Versprechen auf Steuererleichterungen in die Wahlen vom April 1949, und weder Claxton, der Verteidigungsminister, noch C. D. Howe, der Industrieminister, zeigten in ihren Parteifunktionen als Wahlkampfleiter und Spendeneintreiber Interesse an einer zeitlich parallel zum Wahlkampf erfolgenden Diskussion über höhere Verteidigungslasten einschließlich neuer Aufwendungen für Mutual Aid-Maßnahmen. Auch die Aussichten für die Ratifizierung des NATO-Vertrages sollten nicht durch Spekulationen über mögliche höhere Rüstungslasten beeinträchtigt werden, zumal in der Öffentlichkeit der Eindruck vorherrschte, die kanadische Partizipation in der NATO könne den angenehmen Effekt einer Minderung der Rüstungslasten im Gefolge haben. Auf Kabinettsebene wurde diese Erwartung, wie gezeigt, allerdings nicht geteilt. b) Die Unsicherheit über die amerikanische Kooperationsbereitschaft in Fragen der Rüstungsstandardisierung und der damit verknüpften Problematik der amerikanischen Rüstungskäufe in Kanada für die US-Streitkräfte, nicht als offshore-Käufe mit Bestimunterminierte die kanadische Fähigkeit, ein eigenes Hilfspromung für Westeuropa für Westeuropa aufzulegen. gramm Solange nicht sichergestellt war, daß die kanadischen Streitkräfte die nach Europa verschifften Bestände problem- und reibungslos durch Käufe in den USA substituieren konnten, und solange nicht gewährleistet war, daß die USA durch Vergabe von Beschaffungsaufträgen nach Kanada die dortige Rüstungsindustrie stärkten und ihr durch größere Produktionslinien ein effizienteres Wirtschaften ermöglichten durch Reduzierung der Stückkosten; die kanadischen Rüstungsaufträge waren in der Regel nicht groß genug, um Wirtschaftlichkeit zu garantieren —, solange konnten aus kanadischer Sicht definitive Verpflichtungen zur Militärhilfe für Europa nicht übernommen werden. Die amerikanische Regierung hatte sich zwar offiziell auf das genannte Programm der Standardisierung festgelegt und zeigte sich ebenso an einer Aufrechterhaltung der Mobilisierungsfähigkeit der kanadischen Industrie und an Maßnahmen zur Stärkung der kanadischen Rüstungsindustrie interessiert, wurde aber seit 1948 wieder erheblich bei der Vergabe von Beschaffungsaufträgen nach Kanada durch die restriktiven Bestimmungen des Buy American Act behindert. Zudem gab es starke Gegenkräfte im Kongreß vor »Korea« —, die mit Blick auf Überkapazitäten in der US-Rüstungsindustrie und auf Probleme am Arbeitsmarkt (Rezession von 1949) in der Frage der Vergabe von Rüstungsaufträgen wenig Entgegenkommen zeigten und auch kein Interesse an kanadischer Rüstungsproduktion mit amerikanischen Patenten bekundeten. Dieser letzte Punkt betraf insbesondere Bemühungen, den Ausbau und die Modernisierung der kana—
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Meinungsaustausch im Sommer 1949 siehe FRUS 1949, rV, Memorandum of Conversation (Snow), 19.7.49, S. 311—313, sowie den Schriftwechsel zwischen Heeney und Wrong in: Archiv des DEA 50030—40, Vol. 1, und DEA 50030—L—40, Vol. 1. Für den amerikanisch-kanadischen
Die
Anfänge kanadischer Militärhilfe für die europäischen NATO-Partner
117
dischen Flugzeugindustrie mit Hilfe amerikanischer Lizenzvergaben ins Werk zu setzen. Industrieminister Howe propagierte spätestens seit 1948 gegenüber amerikanischen Gesprächspartnern ein Vorhaben, wonach der kanadische Flugzeugproduzent »Canadair«, der von der Electric Boat Company of Cleveland (USA) übernommen worden war, in Lizenzbau die Produktion des F86-Fighter aufnehmen sollte, mußte sich aber bis 1950 mit eher vagen Absichtserklärungen seiner Gesprächspartner zufrieden geben17. Andererseits waren die kanadischen Procurement-Bemühungen in den USA mit erheblichen bürokratischen und gesetzlichen Hemmnissen belastet, wobei auch in diesem Bereich erst im Laufe des Sommers 1950 für beide Seiten halbwegs zufriedenstellende Regelungen erreicht werden konnten. Der »Economist« beschrieb die kanadische Situation sehr anschaulich, als er darauf hinwies, daß die USA zwar über die finanziellen Mittel verfügten, um kanadische Waffen und Ausrüstung beschaffen zu können, daß sie aber genau dies nicht wollten, während die europäischen Verbündeten diese Waffen zwar gerne beschaffen würden, ihnen aber dazu die finanziellen Mittel fehlten18. Ohne Abhilfe in diesem Bereich schien eine kanadische Militärhilfe an Europa aus kanadischer Sicht kaum praktikabel. S. D. Pierce, Deputy Minister im Department of Trade and Commerce, wurde in diesem Zusammenhang im Rahmen der ersten Zusammenkunft des Joint Industrial Mobilization Committee im August 1949 noch deutlicher: »Canada's productive capacity in terms of military supplies and equipment had two particular characteristics: I. It was much greater than Canada by itself could make use of. II. It was at the same time dependent on U. S. sources for many materials and components. Hence, Canada needed to have the U.S. purchase some of its production to help balance the exchange and keep Canadian industry in being at a suitable level of production19«. Die Applikationen von Howe, Pierce und anderen kanadischen Vertretern wurden zudem auf höchster politisch-diplomatischer Ebene aufgegriffen und somit in ihrer Dynamik verstärkt, als zum Beispiel Premierminister St. Laurent nach einer ersten Stellungnah—
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Das kanadische Interesse an amerikanischen Lizenzen, das gekoppelt war mit der Absicht, die Royal Canadian Air Force partiell auf amerikanische Flugzeugtypen umzurüsten (neben der Fortführung der Entwicklungsarbeiten an eigenen Prototypen), wurde von Seiten der britischen High Commission in Ottawa zwar bedauert, letztendlich aber als unvermeidlich deklariert. Zugleich bekundete die britische Seite Interesse an Lieferungen von Flugzeugen (F86-Fighter) aus kanadischer Produktion im Rahmen des amerikanischen Mutual Aid-Programmes (seit 1949 ff.) sowie an der Errichtung von »stand-by«-Kapazitäten in Kanada für die britische Flugzeugproduktion (seit 1952). Der erste Punkt fand starke Resonanz auf kanadischer Seite, den zweiten Teil des Vorschlags lehnte man dort allerdings ab. Für einen »Situationsbericht« der britischen High Commission in Ottawa siehe das Schreiben Clutterbucks an Machtig vom 4.12.48, PRO, DO 35/2336. Der Economist berichtete mehrfach im Untersuchungszeitraum ausführlich über die Probleme der kanadischen Politik in diesem Bereich, wobei die Artikel in der Regel sehr »kanadafreundlich« ausfielen. Es scheint, daß der Korrespondent des Economist in Ottawa über sehr guten Zugang zu kanadischen Offiziellen verfügte und von ihnen regelmäßig gebrieft wurde. Vgl. besonders den Artikel vom 3.6.50, S. 1223 f.: Can Defences be Integrated? Siehe Memorandum Snow of the U.S. Section des Permanent Joint Board on Defence vom 20.6.49 resp. Cooperation in Industrial Mobilization Planning, DND 112.3M2.009 (D 116). Die Beratungen im PJBD waren in der Regel von großem Verständnis für kanadische Wünsche gekennzeichnet, so auch im Falle der gegenseitigen Beschaffungsmaßnahmen.
118
Heinz-Werner Würzler
auch öffentlich in einer Rede me auf dem Gipfeltreffen mit Truman im Februar 1949 in Troy (Bundesstaat New York) im Oktober 1949 das kanadische Junktim bekräftigte und zugleich werbend auf die amerikanische Öffentlichkeit und Politik einwirkte. Nach seinen Worten dienten die Suspendierung des Buy American Act und die Reaktivierung des Hyde Park Agreements im Beschaffungswesen der Streitkräfte eindeutig beiderseitigen Interessen. »Without some arrangements for reciprocal defence purchasing with the United States, Canada cannot make the most effective contribution to the security of this continent and the North Atlantic area. And our aim in Canada is the greatest possible co-operation for our common security consistent with the maintenance of our independence as a nation20«. c) Die innenpolitisch motivierte Zurückhaltung und die rüstungswirtschaftlichen Restriktionen wurden allerdings im Laufe des Jahres 1949 von den zunehmenden Problemen an der währungs- und außenhandelspolitischen Front partiell überlagert und verstärkt. Die Krise des Pfund Sterling, die sich seit dem Sommer 1949 beschleunigte, die außenwirtschaftliche Stellung Kanadas wesentlich unterminierte21 und auch die Position des kanadischen Dollars in Mitleidenschaft zog, sollte im August/September 1949 im Rahmen einer trilateralen Regierungskonferenz in Washington unter amerikanischer, britischer und kanadischer Beteiligung bereinigt werden. Die im Vorfeld der Regierungskonferenz arg belasteten Beziehungen zu Großbritannien sowie die prekäre Position des kanadischen Dollars und der kanadischen Währungsreserven beschnitten zu diesem Zeitpunkt den Spielraum kanadischer Sicherheitspolitik bei der Ausgestaltung eines Militärhilfeprogrammes ganz wesentlich, zumal die Abwertung des kanadischen Dollars um 10% gegenüber dem US-$ am 20. September 1949 die Schwierigkeiten im rüstungswirtschaftlichen Bereich für den Fall zu verschärfen drohte, daß für kanadische Rüstungsexporte in die USA keine gesicherten Märkte von amerikanischer Seite angeboten wurden, während sich gleichzeitig die Einfuhr dringend benötigter Komponenten für die kanadische Rüstungsproduktion aus den USA verteuerte. Das im Mai 1950 in diesem Kontext durch Notenaustausch sanktionierte »reciprocal procurement agreement« zwischen Kanada und den USA, das jährliche reziproke Rüstungskäufe in Höhe von 15 bis 25 Millionen US-$ als Richtmarke festsetzte, stellte in kanadischer Sicht keinen entscheidenden Durchbruch dar, weil die bislang erfolgten Beschaffungsmaßnahmen der USA in Kanada im Durchschnitt der Jahre 1946 bis 1950 schon einen Wert von rund 21 Millionen US-$ erreicht hatten und zudem für kanadische Exporte in die USA die Bestimmungen des Buy American Act —
20
21
St. Laurents Rede in Troy am 14.10.1949, in: Statements and Speeches, 49/34. Auf Einzelheiten soll an dieser Stelle verzichtet werden. Einen guten Überblick über die Problematik dieser Krise und die daraus erwachsenden Bemühungen um eine Bereinigung auf trilateraler Grundlage (Großbritannien—USA—Kanada) bietet G. Schmidt, Vom Nordatlantischen Dreieck: Großbritannien—USA—Kanada zum Trilateralismus EG—USA—Japan, in: Geschichte und Gegenwart, 7/1 (Februar 1988), S. 3—39, hier S. 7—17. Für die kanadisch-amerikanische Dimension der trilateralen Wirtschaftsbeziehungen siehe R. Cuff/J. L. Granatstein, American Dollars Canadian Prosperity. Canadian-American Economic Relations 1945—1950, Toronto 1978. Zur Bedeutung der amerikanischen Rezession von 1949 für die Formulierung kanadischer Wirtschaftsstrategien siehe J. L. Granatstein, A Man of Influence. Norman A. Robertson and Canadian Statecraft 1929—68, Toronto 1980, Kap. IX, S. 246 ff. —
Die
Anfänge
kanadischer Militärhilfe für die
europäischen NATO-Partner
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nicht gravierend geändert wurden22. Das Abkommen konnte aber im Zusammenhang mit der inneramerikanischen Diskussion über »Objectives and Programs for National Security« (NSC 68)23 als Indiz und Signal für größeres amerikanisches Problembewußtsein hinsichtlich der kanadischen Schwierigkeiten gewertet werden und schien amerikanische Bereitschaft anzudeuten, in einer günstigen innenpolitischen Konstellation die von Kanada monierten und inkriminierten Handelshemmnisse (im rüstungswirtschaftlichen Bereich) auszusetzen. Die enge wirtschaftliche Verzahnung sollte allerdings nicht auf den Rüstungsbereich beschränkt bleiben, wie Industrieminister Howe in einer Kontroverse mit Pearson im Frühjahr 1950 deutlich zu erkennen gab. Ausgehend von der These, daß die kanadische Exportwirtschaft in Zukunft keine Wachstumsimpulse von den europäischen Märkten und den Märkten in der Sterling-Zone erwarten könne und sich auf den nordamerikanischen Markt orientieren müsse, plädierte Howe für eine möglichst weitgehende Integration der kanadischen und amerikanischen Wirtschaft, während Pearson aus politischen Gründen hier eher für größere Zurückhaltung eintrat und die Entwicklung hin auf einen »continentalism« deutlich vorsichtiger bewertete. Die Ungewißheit auf kanadischer Seite über die währungspolitischen Auswirkungen der Pfund-Krise und die Unsicherheiten über die handelspolitischen Konsequenzen der europäischen Einigungsbestrebungen, die diejenigen Kräfte in der kanadischen Regierung stärkten, die im ökonomischen Bereich einem stärkeren kanadisch-amerikanischen Bilaterismus das Wort redeten, korrespondierten mit Entwicklungen in der NATO, die auf kanadischer Seite ebenfalls zu Befürchtungen Anlaß gaben. Auf die von Kanada mit Mißtrauen verfolgte Diskussion über die Etablierung eines Economic and Financial Committee, das mit kanadischen Widerständen gegen die Einsetzung des Temporary Council Committee einherging, ist bereits verwiesen worden24. Auf Druck des Finanzministeriums wurde Ende 1949 als Leitlinie auch unter dem Eindruck der negativen Wirtschaftsentwicklung in Kanada im Gefolge der amerikanischen Rezession von 1949 festgehalten, daß Kanada in näherer Zukunft keine Finanzhilfen für Europa bereitstellen könne. Diese Leitlinie zeitigte unmittelbare Konsequenzen für die kanadische Haltung in der Diskussion über die Implementierung der Artikel 2 und 3 des NATO-Vertrages: Ohne eine Klärung der wirtschaftlichen und besonders außenwirtschaftlichen Position Kanadas sollten keine »commitments« eingelöst, d.h. keine konkreten Hilfsleistungen zugesagt werden25. Als Fazit kann Folgendes festgehalten werden: Ähnlich wie im währungs- und im außenwirtschaftlichen Bereich befand sich Kanada im Bereich der Militärhilfe in einer Mittelposition zwischen Großbritannien/Westeuropa auf der einen und den USA auf der anderen Seite: Kanada war kein Empfänger amerikanischer Wirtschafts- und Militärhilfe, sondern unter bestimmten Voraussetzungen durchaus bereit zur Hilfestellung an Westeuropa —
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22 23
Vgl. Middlemiss (wie Anm. 7), S. 7 ff. Vgl. NSC 68: The United States Objectives and Programs for National Security, 14.4.1950, FRUS 1950, I, S. 237-239.
Vgl. J. Eayrs, In Defence of Canada, Bd 4: Growing up allied, Toronto 1980, S. 194ff., 229ff., 257ff. Eayrs verkennt allerdings die rüstungswirtschaftliche Dimension der kanadischen Mutual Aid-Politik. 25 Vgl. das umfangreiche Material im Reid-Nachlaß, FA, MG 31 E 46, file: 14. 24
120
Heinz-Werner Würzler
und an Großbritannien. Aber zur Ingangsetzung und Aufrechterhaltung dieser Schützenhilfe an Westeuropa schienen amerikanische unterstützende Maßnahmen absolut notwendig, die in ihrer Tendenz auf eine engere Integration der beiden nordamerikanischen Volkswirtschaften hinwiesen. Die innerkanadische Diskussion über Militärhilfe
an
Westeuropa 1949/50
Das kanadische Lavieren im Verlauf des Jahres 1949 hinsichtlich der Implementierung eines Militärhilfeprogrammes für Westeuropa darf nicht als gleichbedeutend mit prinzipieller Ablehnung einer solchen Hilfe interpretiert werden. Vielmehr erklären die oben referierten Faktoren das kanadische Zögern, eine offizielle und verbindliche Verpflichtungserklärung in den entsprechenden Gremien abzugeben. Intern bestand seit dem Herbst 1949 kaum noch ein Zweifel darüber, daß Kanada Hilfestellung würde leisten müssen, wenn auch die Auffassungen über Form und Höhe noch weit auseinanderlagen und die Gewährung amerikanischer Kompensationsmaßnahmen als Vorbedingung für die Implementierung des kanadischen Programmes klar definiert wurde. Claxton erklärte ohne Widerspruch zu erfahren —, daß die am 13. September 1949 vor dem Kabinett
kanadische
NATO-Mitgliedschaft unvermeidlich zu höheren Aufwendungen für die gemeinsame transatlantische Verteidigung führen müsse26. Die eingehenden Botschaftsberichte aus Westeuropa dokumentierten eindeutig, in den Worten Ritchies von der High Commission in London, den Zusammenhang von hohen Rüstungslasten und retardierender wirtschaftlicher Entwicklung insbesondere in Großbritannien, woraus die High Commission in London »Handlungsbedarf« ableitete, um die antizipierten negativen Folgen auch für die kanadische Volkswirtschaft auffangen zu können27 (über die Maßnahmen selber bestand weniger Übereinstimmung). Auf der Beamtenebene kam die Diskussion über Form und Höhe einer möglichen kanadischen Militärhilfe seit dem Sommer 1949 in Gang. Der stellvertretende Verteidigungsminister Drury stellte im Juli 1949 drei Modelle kanadischer Militärhilfe zur Diskussion: »a) Direct financial assistance; b) Some form of gift or lend-lease of military equipment in possession of the Canadian forces or produced in Canada; c) Some form of service such as garrisoning and maintaining a station in Europe, or alternatively, providing training facilities in this country for European complements28«. Anlaß für Drurys Vorstoß war die Erwartung, daß die europäischen Verbündeten in naher Zukunft mit einer offiziel26 27
—
Vgl. Kabinettssitzung vom 13.9.49, FA, T-2367. Vgl. Ritchie an Plumptre, 12.8.49, FA, RG 19, Vol. 770, file: 304 SB-1-1; Ritchie schlug 2 Alternativen zur Abhilfe vor: a) Übernahme von Rüstungsbeschaffung für Großbritannien durch Drittstaaten mit Entlastungen für den britischen Etat und die britische Wirtschaft; daraus könne eine Beruhigung an der Inflationsfront resultieren, die auch Nordamerika zugute komme; b) Entschädigungszahlungen an Großbritannien durch Drittstaaten, die die finanziellen Belastungen Großbritanniens reduzieren könnten.
28
for the Chairman, Chiefs of Staff Committee, 19.7.49, FA, RG 2 Series 18, Vol. 246, file: D-19, vol. 1.
Drury-Memorandum
Die
Anfänge kanadischer Militärhilfe für die europäischen NATO-Partner
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len Anfrage an Kanada herantreten würden und Kanada für einen solchen Fall eine überzeugende Antwort parat halten müßte. Das Department of External Affairs teilte zwar diese letzte Auffassung, wollte aber nicht unbedingt dem Chiefs of Staff Committee die Federführung in dieser Frage überlassen, wie Drury vorgeschlagen hatte, sondern diese in Eigenregie übernehmen29. Das Cabinet Defence Committee als der zuständige Kabinettsausschuß befaßte sich am 23. November 1949 angesichts der anstehenden Tagung des NATO Defence Committee erstmalig mit dem Problem kanadischer Militärhilfe, nachdem das Kabinett einige Tage zuvor prinzipiell die Bereitschaft zur Auflegung eines solchen Programmes erklärt, den Zeitpunkt der Implementierung und die Form der Hilfe allerdings offen gelassen hatte. Zum Ausgangspunkt der Diskussion avancierte dabei die Überlegung, die bereits gegenüber dem State Department im Sommer 1949 geltend gemacht worden war, daß nämlich kanadische Militärhilfe allein auf der Implementierung des Artikels 3 des NATOVertrages basieren sollte und nicht in den Rahmen bilateraler Abmachungen gepreßt werden durfte; insofern sollte sich kanadische Militärhilfe positiv von der amerikanischen Form unter dem Mutual Defence Assistance Act abheben und zugleich zu einer Stärkung der Funktionsfähigkeit der NATO-Gremien beitragen. Dementsprechend war in der kanadischen Diskussion auch zunächst weniger von Militärhilfe die Rede als vielmehr von der kanadischen Beitragsleistung für die gemeinsame Verteidigung. Hinter dieser Begriffsbildung verbargen sich somit weniger semantische Übungen zur Beruhigung der Öffentlichkeit hinsichtlich der Höhe der kanadischen Leistungen obgleich diese Überlegung auch eine Rolle gespielt haben mag —, sondern durchaus die kanadische Sichtweise der NATO als Organisation gleichberechtigter Partner, in deren Verteidigungspool jeder Partner analog zu seinen Fähigkeiten seinen Anteil einzubringen habe. Art und Höhe des Beitrages sollte dabei aber dem Ermessen des souveränen Mitgliedes anheim gestellt bleiben, wobei bei der Bemessung des Beitrages die spezifische Position des Mitgliedes in finanzieller, wirtschaftlicher, militärischer und entwicklungspolitischer Hinsicht zu berücksichtigen war; simple Rechenübungen, die etwa den Anteil der Verteidigungsausgaben am Gesamtbudget oder am Nationaleinkommen zur Ausgangslage bei der Bemessung des besagten Anteiles heranziehen wollten, ohne daß die genannten qualitativen Kriterien berücksichtigt wurden, konnten aus kanadischer Sicht nicht von Rele—
vanz
sein30.
Claxton griff auf der Sitzung des Cabinet Defence Committee die Überlegungen seines Stellvertreters vom Juli 1949 auf, ergänzte sie um eine Variante und gab deutlich Präferenzen zu erkennen, die letztlich auch seine Marschroute, die er auf der Tagung des Defence Committee der NATO in Paris einnehmen wollte, absteckten. Während Claxton zu diesem Zeitpunkt noch die Stationierung von Truppen in Europa als Form der kanadischen 29
Siehe Memorandum MacKays for the Undersecretary of State of External Affairs, 22.8.49: Item No. 15 CSC Agenda for August 23, 1949: Programme of Military Aid, DEA 50030—40, Vol. 1. Sehr deutlich wurde diese Position dann im Zusammenhang mit der Erörterung der Aufgaben des Temporary Council Committee und des Annual Review-Verfahrens formuliert; siehe Eayrs (wie Anm. 24), S. 275ff., 284ff.; zum Begründungszusammenhang siehe auch das Memorandum von Pierce für das CDC, 23.11.49, D-237, FA, RG2, Series 18, Vol. 123, file: C-10—9—D. on
30
122
Heinz-Werner Würzler
Hilfe für Westeuropa verwarf und lediglich die Entsendung eines Geschwaders der RCAF nach Europa auf eine »tour of duty« in Betracht ziehen wollte, präferierte er die Bereitstellung von Trainingsmöglichkeiten für die europäischen Verbündeten und faßte darüber hinaus noch die Entnahme aus laufender kanadischer Rüstungsproduktion ins Auge, obgleich er in diesem Kontext darauf verwies, daß solche Leistungen einen hohen US-DollarAnteil enthalten würden und entsprechende Absprachen mit den USA zur Voraussetzung hätten; in dieser Einschätzung wurde er von C. D. Howe, dem Industrieminister und stärksten Befürworter einer wirtschaftlichen Verflechtung mit den USA, voll unterstützt. Interessanterweise brachte Claxton eine weitere Form kanadischer Hilfeleistung ins Spiel, auf die hier etwas genauer eingegangen werden soll, obgleich sie letztendlich verworfen wurde. Dennoch läßt sich mit Hilfe dieser Erörterung die kanadische Haltung noch schärfer fassen und insbesondere die kanadische Unterscheidung zwischen »military« and »economic aid« verdeutlichen. Claxton stellte nämlich die Überlegung an, ob nicht auch Rohstofflieferungen, wie von den USA angeregt, in das kanadische Hilfsprogramm mit aufgenommen werden sollten. Er konnte hier, ähnlich wie Howe, auf Überlegungen zurückgreifen, die auf der Beamtenebene im Department of Trade and Commerce angestellt worden waren und deren Ausgangspunkt in der schlechten konjunkturellen Lage der kanadischen Rohstoffindustrie im Gefolge der amerikanischen Rezession lag (mit den daraus resultierenden Arbeitslosenzahlen und den Überkapazitäten in diesem Bereich). Die kanadischen Mutual Aid-Leistungen sollten die zivile Wirtschaft des Landes, das war Konsens in Ottawa, möglichst nicht berühren oder in Mitleidenschaft ziehen, und angesichts der konjunkturellen Situation im Rohstoffbereich und der Schwierigkeiten mit den hohen Dollarkosten, die durch eine Entnahme aus laufender Produktion verursacht werden konnten, schienen sich Rohstofflieferungen unter Mutual Aid geradezu anzubieten31. Instruktionen an die High Commission in London der High Commissioner fungierte zugleich als Deputy des North Atlantic Council von Anfang Januar 1950, die von St. Laurent, Claxton und Abbott, dem einflußreichen Finanzminister, abgezeichnet worden waren, wiesen den Permanent Representative on the Working Staff des Finance and Economic Committee an, in seiner Stellungnahme deutlich zu machen, daß die kanadische Regierung neben der Bereitstellung von »training facilities« und Übergabe militärischer Ausrüstung auch an Rohstofflieferungen als Form der Mutual Aid denke32. Doch dieses —
—
—
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1
Dies
galt insbesondere für Pikrinsalze, die Pierce als strategische Reserve in Großbritannien einla-
er die Besitzrechte an dieser Reserve in kanadischer Hand belassen wollte, hoffte er, durch entsprechende Aufträge die Produktionskapazitäten in Kanada besser auslasten und zugleich die USA für entsprechende Aufträge interessieren zu können. Die Instruktionen waren vom einem Interdepartmental Committee am 6.1.1950 formuliert worden; das besagte Committee konstituierte sich wenig später als Panel on the Economic Aspects of Defence Questions und befaßte sich primär mit Fragen der Auswirkung der Aufrüstung auf die Wirtschaft und die Finanzlage des Landes. Die Bedeutung des Panels wurde auch daran sichtbar, daß die Vertretung der beteiligten Ressorts auf der Ebene der stellvertretenden Minister erfolgte unter Beteiligung der Bank of Canada; Vorsitz führte der Secretary to the Cabinet. Ebenso bezeichnend scheint mir der Umstand zu sein, daß das Panel in der ersten Hälfte des Jahres 1950 fast ausschließlich mit Fragen von reciprocal procurement zwischen Kanada und den USA bzw. mit Fragen der rüstungswirtschaftlichen Kooperation in Nordamerika beschäftigt war. Zu den Instruktionen siehe
gern wollte. Während
2
Die
Anfänge
kanadischer Militärhilfe für die
europäischen NATO-Partner
123
Angebot wurde letztlich wie bekannt nicht aufrechterhalten, und die Kanadier lehnten in den Folgejahren mehrfach Forderungen der NATO nach Bereitstellung von Roh—
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stoffen unter der Rubrik Mutual Aid ab. Zwei Faktoren waren für die Revision der kanadischen Position ausschlaggebend: a) Durch die amerikanischen Maßnahmen hinsichtlich strategischer Bevorratung kriegswichtiger Rohstoffe und engerer Kooperation in Nordamerika sowie infolge des Booms nach Ausbruch des Koreakrieges hatte sich die Situation in der kanadischen Rohstoffindustrie nachhaltig gebessert, so daß in wichtigen Bereichen Engpässe zu konstatieren waren, b) Verbunden mit dieser Konstellation waren Überlegungen auf kanadischer Seite, daß aufgrund der Konkurrenz um knappe Rohstoffe, die zwischen den zivilen und rüstungsindustriellen Branchen der westeuropäischen Volkswirtschaften zu beobachten war, eine Gewähr dafür, daß die unter Mutual Aid gelieferten Rohstoffe auch tatsächlich in der europäischen Rüstungsproduktion eingesetzt würden, nicht mehr zu erhalten war. Kanadische Rohstofflieferungen hätten damit aber die Form von »economic aid« angenommen, und zu solcher Hilfe fand sich Kanada, das sich selbst als »halbes« Entwicklungsland charakterisierte, nicht bereit. Zwei weitere Überlegungen traten hinzu. Rohstofflieferungen unter Mutual Aid, die in den zivilen europäischen Sektor gingen, hätten zu Lasten der kanadischen Industrie die europäische Konkurrenz stärken und zugleich durch eine mögliche Überbeanspruchung der kanadischen Rohstoffressourcen die Inflationsgefahren in Kanada anheizen können. Insbesondere Howe vertrat in diesem Zusammenhang eine eindeutig skeptische Position, und auch Claxton revidierte im Laufe des Jahres 1950 seine Position vom Januar33. Die High Commission in London hatte zudem die Vorschläge, daß Kanada unter der Rubrik Mutual Aid strategische Rohstoffvorräte in Großbritannien anlegen sollte, als defätistisch abgelehnt, da solche Bevorratungsmaßnahmen als Indiz für einen baldigen Kriegsausbruch interpretiert werden konnten. Wichtiger erschienen der High Commission Maßnahmen zu sein, die den Abschreckungswert des in Europa vorhandenen Streitkräftedispositivs vergrößerten, womit die Überlegungen erneut auf »training facilities« für Angehörige europäischer Streitkräfte sowie die Übergabe von Rüstungsmaterial zurück verwiesen wurden34. Die Überlegungen hinsichtlich der Bereitstellung von Trainingsmöglichkeiten waren im Februar/März bereits weit gediehen. Das kanadische Kabinett hatte schon Ende Februar das Protokoll der entsprechenden Sitzung des Interdepartmental Committee, FA, RG 2 Series, Vol. 204, file: U-40—(p)-(m) sowie ein Memorandum des DEA vom 18.1.50, DEA 50030—L-40, Vol. 1. Zu den Inflationserwartungen resp. -befürchtungen Howes, falls die kanadische/nordamerikanische Industrie durch zivile und militärische Produktion sowie Hilfsleistungen für Europa überbeansprucht würde, vgl. R. Bothwell/W. Kilbourn, C. D. Howe. A Biography, Toronto 1979, S. 224—282; auch auf Beamtenebene wurden ähnliche Befürchtungen geäußert, siehe Granatstein (wie Anm. 21), S. 246—282; dazu die Minutes des Panel on Economie Aspects of Defence Questions, FA, RG 2, Series 18, Vol.204, file: U-40—4—(p)-(m) 1950-1951. Siehe Ritchie, High Commission London, an George, DEA, 25.2.50, DEA 50030—L-40, Vol. 1. Ritchie hatte eindeutig die Lieferung von Ausrüstung als adäquate Form der Mutual Aid präferiert und auch auf kommerzielle Interessen verwiesen, die durch die Stärkung der westeuropäischen Abwehrbereitschaft gesichert werden könnten. Er aktualisierte damit die alte These, daß Kanada seine lebenswichtigen Märkte in Europa nur aufrechterhalten könne, wenn dort ähnliche Gesellschaftsformationen wie in Nordamerika/Kanada am Leben erhalten werden könnten.
Heinz-Werner Würzler
124
Vorschlag Claxtons zugestimmt, der Ausbildungsplätze für etwa 250 Angehörige alliierter Streitkräfte vorsah und dem Kabinett als Maßnahme zur Implementierung von Artikel 3 vorgelegt worden war. Die Annahme des Vorschlages wurde durch den Umstand erleichtert, daß keine zusätzlichen Ausgaben mit diesem Trainingsprogramm involviert waren, da mehr oder weniger nur bestehende Vakanzen in den entsprechenden Trainingsstätten gefüllt werden sollten. Schwieriger gestaltete sich der Klärungsprozeß in der Frage der Bereitstellung von Ausrüstungsgegenständen, sei es aus laufender Produktion, sei es aus aktiven oder Reservebeständen. Während im Panel on the Economic Aspects of Defence Questions die Mehrzahl der beteiligten Ressorts prinzipiell eine Lösung ins Auge faßte, wonach die kanadischen Mutual Aid-Leistungen mit der Umrüstung der kanadischen Streitkräfte auf amerikanische Rüstungsmaterialien verknüpft werden sollten, artikulierten Army-Vertreter im Panel Widerstand. Die Army erklärte sich nur unter der Voraussetzung zur Konversion auf amerikanisches Material bereit, daß ein schneller Ersatz gewährleistet werden könne, d.h., daß die USA eine bevorzugte Lieferung an Kanada zusagten. Diese Forderung ließ auf erhebliche Allokationskonflikte zwischen Luftwaffe und Heer schließen, wodurch nach den Worten der Vertreter des Department of External Affairs lange Zeit eine Einigung im Panel verhindert wurde. Erst als nach Ausbruch des Koreakrieges die USA den Rüstungslieferungen an Kanada erste und oberste Priorität zuerkannten, 1950 einem
ließ sich auch dieser Konflikt beheben. Insofern ist auch die These von Eayrs, erst der Ausbruch des Koreakrieges habe die kanadische Regierung zur Verkündung ihrer Mutual Aid-Politik bewegen können, ergänzungsbedürftig. Zwar ist seiner Aussage zuzustimmen, daß seit Ausbruch des Krieges in Korea im Juni 1950 der Druck auf Kanada mächtig anwuchs, endlich die bislang nur im Grundsatz beschlossenen Maßnahmen (Trainingsmöglichkeiten, F86 Fighter-Produktion) auszuweiten und zu einem umfassenden Hilfsprogramm zusammenzufassen35. Entscheidend war aber, daß sich die Voraussetzungen durch entsprechende Maßnahmen der amerikanischen Regierung verändert und damit verbessert hatten und daß die amerikanische Regierung mehr oder weniger eine Neuauflage des Hyde Park-Abkommens vom April 1941 anbot. Die USA würden sich bereit erklären, so vermutete das Department of External Affairs im Vorfeld der kritischen Sitzung des Joint Industrial Mobilization Committee am 8. August 1950, die spezifischen kanadischen Probleme im Bereich der Rüstungswirtschaft und der Rüstungskonversion einer zufriedenstellenden Lösung zuzuführen, allerdings unter der Voraussetzung, daß Kanada seinen Part übernehme und ein umfassendes Mutual Aid-Paket für Westeuropa schnüre: »What seems to be brewing, therefore, is an agreement with the United States under which they would spend much more than 24 mill, a year on defence purchases in Canada, and in other ways as well make it possible for us to re-equip our Army with U S.type equipment. In the present our
35 36
plant to
work
at
full
mood, the U. S. authorities seem more interested in putting
capacity than in quibbling about
costs36«. In diesem Kontext
Siehe Eayrs (wie Anm. 24), S. 194 ff. Siehe das Memorandum von George für Escott Reid vom 26.7.50, DEA 50030—L-40, Vol. 1. Es bleibt anzumerken, daß auf der Sitzung des JIMC in der Tat eine Neuauflage des Hyde Park-Agree—
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kanadischer Militärhilfe für die
europäischen NATO-Partner
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wurde auch eine Lösung für den kanadischen Lizenzbau des F 86-Fighter gefunden, der im Rahmen des kanadischen Hilfsprogramms eine überragende Rolle spielen sollte und insbesondere an Großbritannien ausgeliefert wurde. Zwischen den USA und Kanada hatte sich dabei eine für spätere Projekte typische Arbeitsteilung ergeben, in der die USA u. a. Triebwerke und elektronische Komponenten beisteuerten, während Kanada (Canadair) den Rumpf produzierte und die Endmontage übernahm. Die Triebwerke und Komponenten, die für Großbritannien designiert waren, wurden im Rahmen des amerikanischen Mutual Defence Assistance Act finanziert. Nachdem die Voraussetzungen für ein kanadisches Mutual Aid-Programm erfüllt waren und sich als Komponenten eines solchen Programmes die Maßnahmen a) Bereitstellung von Trainings- und Ausbildungsmöglichkeiten, b) Rüstungskonversion mit Verschiffung der aus britischen Beständen stammenden Materialien nach Europa, c) Produktion von Flugzeugen und Flugzeugmotoren insbesondere für Großbritannien neben anderen kleineren Posten herauskristallisiert hatten, stand die Frage zur Entscheidung an, in welcher Form Kanada sein Hilfsprogramm den NATO-Partnern anbieten sollte: a) in der Form eines präzise formulierten Angebotes mit deutlich erkennbaren finanziellen Obergrenzen bei den einzelnen Posten oder b) in Form einer Bereitschaftserklärung, europäische Wünsche wohlwollend zu prüfen, wobei allerdings der Umfang des kanadischen Hilfsprogrammes nicht exakt mitgeteilt werden sollte; ein solches Verfahren hatte den Vorteil, daß eine flexible Koppelung des Hilfsprogrammes an die budgetäre und konjunkturelle Entwicklung möglich blieb und innenpolitische Belange stärker ins Spiel gebracht werden konnten. Während die High Commission in London und die Botschaft in Washington wegen bündnispolitischer Rücksichten und taktischer Erwägungen zugunsten einer Erklärung der kanadischen Regierung plädiert hatten, in der Höhe, Umfang und Charakter des kanadischen Hilfsprogrammes präzise umrissen sein sollten37, hatte sich bei den Beratungen auf Beamtenebene in Ottawa zunächst die Auffassung durchgesetzt, daß Kanada eher auf Äußerungen der Standing Group der NATO hinsichtlich der gröbsten Defizite in der Ausstattung der europäischen Truppen reagieren sollte und erst dann dementsprechende Angebote zur Übergabe von Reservebeständen resp. zur Neuproduktion unterbreiten sollte. Dieser eher passive Ansatz resultierte zwar einerseits primär aus den Unsicherheiten auf Beamtenebene über die konkreten Vorstellungen im Kabinett und in den USA über Voraussetzungen und Höhe kanadischer Mutual Aid-Leistungen, er hinderte aber andererseits die Beamten im Panel on the Economic Aspects of Defence Questions nicht daran, eingehende Situationsberichte über die von —
—
37
ments in Aussicht genommen und im Oktober 1950 in Form eines Statement of Principles unterzeichnet wurde. Erste Ansätze zu einer Neuauflage hatte es aber schon seit Juni 1950 gegeben. Die amerikanischen Rüstungskäufe in Kanada verfünffachten sich bis 1953 und deckten die kanadischen Rüstungskäufe in den USA weitgehend ab (Middlemiss, wie Anm. 7, S. 45/Anm. 24). Nach anderen Berechnungen des Department of External Affairs übertrafen die amerikanischen Rüstungskäufe in Kanada zeitweilig sogar die kanadischen Käufe in den USA. Diese Linie verfochten Wrong und Wilgress seit Ende 1949, hatten aber damit in Ottawa nur geringe Resonanz gefunden, da das Kabinett aus den aufgeführten Gründen sich vorerst zu einer umfassenden Erklärung nicht in der Lage sah.
126
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der NATO konstatierten Rüstungsdefizite in Europa zu prüfen, erste kanadische Überlegungen zur gezielten Kompensation dieser Defizite anzustellen und Alternativvorstellungen zu entwickeln; dabei wurde schnell deutlich, daß dieser passive Ansatz zunächst von der verzögerten Entscheidung des Kabinetts diktiert wurde, keinen Absolutheitsanspruch einfordern konnte und relativ problemlos zu modifizieren war, sofern die Aus-
gangsbedingungen geändert wurden. Für die Revision dieses passiven Ansatzes zeichneneben der Konkretisierung der Vorstellungen ten dann im Laufe des Sommers 1950 zwei im Kabinett und der Aussicht auf eine Neuauflage des Hyde Park-Agreement —
weitere Faktoren verantwortlich: a) Die von der NATO konstatierten Defizite als Orientierungsmarken kanadischer Hilfeleistungen ließen Ottawa nur wenig Spielraum bei der Ausgestaltung der Hilfsprogramme und gestatteten keine ausreichende Berücksichtigung der vorhandenen kanadischen Rüstungskapazitäten, zumal die Anforderungen der NATO oftmals nicht mit den kanadischen Vorstellungen bezüglich der Produktion und Konversion von Ausrüstung in Übereinstimmung zu bringen waren. Insbesondere Forderungen der britischen Regierung, Kanada möge als »contribution to the common cause« »stand-by capacity« für die britische Bomberproduktion schaffen, stießen in Ottawa auf heftigen Widerstand, zumal die kanadische Flugzeugproduktion seit 1948 auf den Lizenzbau amerikanischer Flugzeuge (F 86-Fighter) resp. Eigenentwicklungen (CF 100 Chanuck) umgerüstet wurde. Ähnlich geartete Vorschläge wurden für den Fall antizipiert, daß Kanada Divisionsausrüstungen aus britischer Produktion an westeuropäische Länder abtrat; aus kanadischer Sicht sollten die Empfängerstaaten daraus nicht die Forderung nach Ersatzteilproduktion in Kanada ableiten dürfen. Unpräzise kanadische Stellungnahmen bargen somit die Gefahr, daß sie nur europäische Begehrlichkeiten weckten und dazu beitrugen, kanadische Produktionsinteressen in den Hintergrund zu drängen. Eine präzise formulierte kanadische Angebotsliste implizierte eine solche Gefahr dagegen nicht. b) Die kanadische Regierung konstatierte mit großer Besorgnis die Tendenz in den NATOGremien, die Defizite an Truppen und Ausrüstung als eklatant zu beschreiben, um daraus die Forderung nach schnellerer Wiederaufrüstung und nach vermehrten Mutual AidLeistungen der Nordamerikaner abzuleiten und zu rechtfertigen. Während die amerikanischen Vertreter in den NATO-Gremien, so die kanadische Beobachtung, mit Blick auf die politische Konstellation im Kongreß eine »Überzeichnung« der europäischen Rüstungsdefizite wohlwollend akzeptierten, befürchteten die kanadischen Vertreter eine Hypertrophierung europäischer Ansprüche auf kanadische Ressourcen. Insbesondere Claxton fand in diesem Zusammenhang deutliche Worte für entsprechende britische Vorstöße: »Because Canada was independent and wealthy every country looked to us for something and none more than the British who would take the shirt off our backs if we let them and insinuate that we were disloyal if we did not38«. Die hier skizzierte Kritik an den Planungsmethoden der NATO und den daraus resultierenden Anforderungen an Kanada schlug sich auch in der reservierten kanadischen Haltung zu den »burden sharing exercises« der NATO nieder. Mit Blick auf die Mutual —
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Claxton-memoirs, FA, MG 32
B 5, Vol. 222, file: Defence
(9).
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Anfänge kanadischer Militärhilfe für
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europäischen NATO-Partner
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Aid-Leistungen leitete man kanadischerseits die Schlußfolgerungen ab, daß nicht ReakPassivität, sondern Initiative und präzise Beschreibung der kanadischen Möglichkeiten zur Hilfe die kanadische Haltung prägen müßten.
tion und
Das kanadische Mutual Aid
Programm
1950/51
August 1950 erstattete Wilgress, High Commissioner in London und Deputy im NATO-Rat, dem Kabinett über die jüngsten Erörterungen der NATO bezüglich einer Akzellerierung der Rüstungsanstrengungen der NATO-Staaten und der Notwendigkeit nordamerikanischer Militärhilfe für Westeuropa Bericht39. Nach seinen Worten hatte insbesondere Spofford Druck auf Kanada, endlich offiziell Art und Umfang eines Militärhilfeprogrammes bekanntzugeben, auszuüben versucht. Das Kabinett hatte sich bereits während der Sitzungen am 2./3. und 7. August 1950, die ausschließlich dem Thema einer Beschleunigung der kanadischen Verteidigungsanstrengungen gewidmet waren, dem Gedanken einer offiziellen Erklärung angenähert. Nachdem Howe auf die veränderten Voraussetzungen aufgrund der Bereitschaft der USA zu einem größeren Entgegenkommen in Fragen einer nordamerikanischen Rüstungskooperation hingewiesen und eine Stärkung der kanadischen Industrie im allgemeinen und der Rüstungsindustrie im besonderen vorausgesagt hatte, führte Pearson ein neues Argument für kanadische Militärhilfe Am 8.
in die Debatte ein. Der Druck auf Kanada nehme nicht nur im Bereich der Militärhilfe zu, sondern werde auch ausgeübt im Hinblick auf die Verschickung kanadischer Land- und Luftstreitkräfte zwecks Stationierung in Europa. Ob Pearson sich in seiner Argumentation eher von taktischen Gesichtspunkten leiten ließ, um die letzten Widerstände der Haushalts- und Sozialpolitiker gegen ein ansehnliches Programm kanadischer Militärhilfe auszuschalten, oder ob er hier zugleich eine Widerstandsfront gegen die entsprechenden Forderungen der NATO aufzubauen suchte, läßt sich nicht eindeutig entscheiden. Wahrscheinlich spielten beide Aspekte eine Rolle. Claxton jedenfalls sekundierte und wollte entsprechende Forderungen mit dem Argument kontern, daß im Fall einer Stationierung kanadischer Streitkräfte in Europa ein erheblicher Teil der kanadischen »manpower« dann Dienst in den Streitkräften ableisten müsse und in der Rüstungsproduktion ausfalle: »However, this would obviously not be an effective answer unless Canada was prepared to produce substantial amounts of equipment for other countries.« In mehreren Schritten, die hier nicht weiter nachvollzogen werden können, einigte sich das Kabinett schließlich am 17. August 1950 auf ein Statement, das Wilgress auf der anstehenden Sitzung der Deputies am 28. August verlesen sollte und in dem die Grundlinien des kanadischen Militärhilfeprogrammes nun eindeutig festgeschrieben wurden40. Das
Statement präsentierte Kanada als einen Bündnispartner, dessen vornehmster und effektivster Beitrag zur gemeinsamen Verteidigung in der Rüstungsproduktion bestand und 39
40
Siehe Cab.-Doc. 193-50, FA, RG 2, Series 18, Vol.203, file: U-40—4—N. Siehe Memorandum to the Cabinet, 17.8.50, D-199-50, FA, RG 2 Series 18, Vol. 245, file: C-20—5: Approved statement...; zu den Beratungen des Kabinetts am 16.8.50 siehe das entsprechende Protokoll in T 2368.
128
Heinz-Werner Würzler
der durch die entsprechenden NATO-Gremien zur Verteilung gebracht werden sollte. Der Begriff Mutual Aid wurde in diesem Zusammenhang nicht gebraucht. Als finanzielles Limit des kanadischen Hilfsprogrammes wurde ein Beitrag in Höhe von CAN-$ 300 Millionen genannt, wobei im Statement selbst keine präzisen Angaben hinsichtlich des Zeitraumes, in dem dieser Betrag abfließen sollte, gemacht wurden. Wilgress sollte im Rat der Deputies allerdings andeuten, daß die kanadische Regierung einen Zeitraum von 18 Monaten ins Auge faßte, zumal die Auflegung neuer Produktionslinien längere Zeit in Anspruch nehmen werde41. Das Hilfsprogramm umfaßte drei Komponenten: a) Trainingsprogramme für europäische »air crews« in Kanada; b) Verschiffung von Ausrüstungsgegenständen der kanadischen Armee (in Stärke von zwei Divisionen, später aufgestockt auf drei Divisionen) nach Europa, wobei allerdings der Transfer explizit abhängig gemacht wurde von entsprechenden Zusagen der USA, Ersatz umgehend bereitzustellen (gegen Bezahlung durch die kanadische Regierung). Die Ersatzbeschaffung selbst sollte zum großen Teil aus dem Etatansatz für das kanadische Hilfsprogramm finanziert werden, d.h., die Konversion der kanadischen Armee auf amerikanisches Rüstungsmaterial erfolgte im Rahmen des kanadischen Mutual Aid-Programms; c) zugleich war eine »Entnahme aus laufender Produktion« vorgesehen, für die aber letztlich, wie Howe 1951 feststellte, nur 9% der Finanzmittel unter Mutual Aid aufgewendet wurden und die erst in den folgenden Jahren ihren proportionalen Anteil am kanadischen Hilfsprogramm erhöhen konnte. Die Diskussionen im Cabinet Defence Committee machten denn auch deutlich, daß genau hier der schwache Punkt der kanadischen Position zu finden war: Kanada präsentierte sich seinen kontinentaleuropäischen Partnern eben nicht als »arsenal of democracy«, das bereits in Friedenszeiten für alle produktiv wurde, zumal da ein erheblicher Teil der Hilfeleistungen aus kanadischer Produktion nach Großbritannien verschifft wurde. Großbritannien wurde auch hinsichtlich der Qualität der gelieferten Rüstungsgüter eindeutig bevorzugt, da es Rüstungsgüter mit fortschrittlicher Technologie (aus amerikanischen Patenten) erhielt, die den Kontinentaleuropäern in Absprache mit den USA aus angeblichen Sicherheitsgründen versagt wurden. Der Einfluß, den Pearson und das Department of External Affairs mit Hilfe eines kanadischen Hilfsprogrammes bei den Westeuropäern zu gewinnen suchten, ließ sich unter diesen Voraussetzungen wohl kaum erzielen.
Zusammenfassung Die kanadische Haltung zu Fragen der Militärhilfe läßt sich in vier Punkten
zusammen-
fassen. a) Kanada befand sich gegenüber Westeuropa und den USA in einer singulären Position. Selbst nicht abhängig von direkter amerikanischer ökonomischer und militärischer Hilfe 41
Das Ende des genannten Zeitraumes fiel somit mit dem Ende des Haushaltsjahres 1951/52 zusammen. Das Hilfsvolumen wurde 1951 auf insgesamt rund CAN-$ 360 Millionen ausgeweitet. Bei der Lektüre der entsprechenden Kabinettsakten stellt sich der Eindruck ein, als ob einige Kabinettsmitglieder das Hilfsprogramm prinzipiell auf einen einmaligen Vorgang beschränken wollten.
Die
Anfänge
kanadischer Militärhilfe für die
europäischen NATO-Partner
129
(Marshall Aid resp. Mutual Defence Assistance Act), aber von den amerikanischen Programmen durch off-shore-Transaktionen profitierend, sah Kanada sich gegenüber West-
nur zu Hilfsmaßnahmen bereit, falls und wenn die USA ihrerseits den kanadischen Beitrag mit unterstützenden und flankierenden Maßnahmen honorierten und absicherten, zwar nicht in Form finanzieller Unterstützung, aber doch durch ein Angebot zu großzügiger und weitreichender Kooperation. Kanadische Militärhilfe und nordamerikanische Kooperation im wirtschaftlichen und rüstungswirtschaftlichen Bereich sind m.E. nicht voneinander zu trennen. b) Die kanadische Militärhilfe war anfangs sehr stark auf die Bedürfnisse der kanadischen Streitkräfte (Rüstungskonversion) und der kanadischen Industrie (Aufbau und Ausbau von Kapazitäten, insbesondere im High-Tech-Bereich) zugeschnitten und weniger daran interessiert, Konkurrenz für die eigene Rüstungsindustrie in Europa zu fördern. Auf der anderen Seite machten viele der kanadischen Initiativen im Hinblick auf Standardisierung im bilateralen (USA-Kanada), trilateralen (Großbritannien-USA-Kanada) und im NATO-Rahmen durchaus Sinn. Zudem ist hervorzuheben, daß die kanadische Hilfe trotz aller Kritik der Europäer und der USA (und in Kanada/Department of External Affairs) keine zu vernachlässigende Größe war, zumal diese Hilfe ohne diskriminierende Politikauflagen vergeben wurde. c) Die kanadische Militärhilfe war zudem an dem Ziel einer Stärkung der NATO-Gremien interessiert, denen die Verteilung der Hilfsgüter, die die kanadische Regierung in souveräner Entscheidung bewilligt hatte, überantwortet wurden. d) Die limitierenden Faktoren für die Ausweitung der kanadischen Militärhilfe waren in der Folgezeit beträchtlich, zumal Pearson im Kabinett eine spürbare Ausweitung nur durchsetzen konnte, wenn Koalitionsbildungen mit Howe und Claxton gelangen. Dies war aber nur selten der Fall. Howe als Minister des im April 1951 neu gegründeten Department of Defence Production war eher an nordamerikanischer Verflechtung und »reciprocal procurement« interessiert und befürchtete zudem die inflatorischen Gefahren für eine Volkswirtschaft, die mit zivilen und militärischen Produktionsanforderungen konfrontiert wurde. Claxton mußte dagegen die Erfahrung machen, daß eine Aufstockung des Militärhilfeetats nur zu Lasten seines Verteidigungsbudgets erfolgen sollte, so daß er gleichfalls eher reserviert blieb. Das bewilligte Militärhilfeprogramm war daher ein Kompromiß: zwischen der Außenpolitik die für einen kanadischen Versuch zur Einflußgewinnung in der NATO im Sinne der »Gegensogthese« eintrat und letztlich auch an einer wirtschaftlichen Liberalisierungspolitik für Europa festhielt —, den wirtschaftlichen und rüstungswirtschaftlichen Erfordernissen Kanadas wie sie von Howe formuliert wurden, der aufgrund der protektionistischen Bestrebungen in Europa dort immer weniger Marktchancen für kanadische Produkte sah, in seiner zunehmend pessimisti-
europa
—
—
scheren
Einschätzung vom Finanzministerium und der Bank of Canada bestärkt wurde
und daher immer vehementer auf eine engere nordamerikanische Verflechtung setzte und der Verteidigungspolitik, die ebenfalls in den Sog des »continentalism« geriet.
—
III. Die militärische
Integration
Wichard
Die
Woyke
Militärorganisation der NATO 1949 bis 1955
1. Der
Gründungsprozeß der NATO
Die dramatische Verschärfung der Ost-West-Beziehungen im Jahr 1947 Truman-Doktrin am 12. März 1947, Shdanow-Rede im September 1947 führte zur Institutionalisierung des antagonistischen Bipolarismus zwischen den USA und der UdSSR. Die sowjetische Politik wurde im Westen als weitgehend expansionistisch perzipiert, und Befürchtungen wurden geäußert, daß die Sowjetunion ihr Territorium, notfalls auch mittels militärischer Gewalt, zu erweitern suchte1. Konnten die Westeuropäer sich aber angesichts ihrer geographischen Nähe zum sowjetischen Herrschaftsbereich in ihrer Sicherheit unmittelbar bedroht fühlen, so ging es bei den USA primär um die Infragestellung und mittel- und langfristige Bedrohung ihrer Vormachtstellung in der internationalen Politik: »Es ging ihnen vielmehr um die militärischstrategische ebenso wie um die wirtschaftliche Absicherung von Regionen, die an der Peri—
—
pherie des neuen Sowjetimperiums antikommunistisch stabilisiert werden sollten2.« Europa bildete nun für die USA eine Zone strategischer Sicherheit, die allerdings zunächst ökonomisch mit Hilfe des Marshallplans stabilisiert werden mußte, um dem Kommunismus keine Möglichkeit zur Entfaltung zu geben. Europa wurde deshalb von den USA als für die eigene Sicherheit zentral beurteilt, so daß in den Überlegungen der US-Außenpolitik zumindest Westeuropa zu einem Bollwerk gegen den Kommunismus ausgebaut werden mußte. Aber sowohl die Marshallplanhilfe als auch das Militärhilfeprogramm wurden zunächst von den USA als ausreichend für eine Stabilisierung Westeuropas bewertet, so daß ein direktes Engagement der USA in Europa (noch) nicht erforderlich schien. Doch die militärische Stabilisierung sollte bald folgen. Bereits seit 1945 wurden von französischer Seite Vorstellungen über eine militärische Verbindung der USA mit Westeuropa sondiert. In Europa wurde immer klarer erkannt, insbesondere vom britischen Außenminister Bevin, daß eine möglichst enge militärische Bindung der USA in Form eines
Vertrages geschlossen werden mußte. Doch die US-Amerikaner forderten eine Vorleistung der Europäer, um eine Bindung außerhalb ihres Kontinents auch gegenüber der
eigenen Gesellschaft rechtfertigen zu können. Das Ergebnis war der 1948 abgeschlossene
Brüsseler Vertrag, ein Militärbündnis mit automatischer Schutzklausel zwischen Frank-
reich, Großbritannien und den Beneluxstaaten3. 1
2
3
stellvertretend Paul-Henri Spaak, Memoiren eines Europäers, Hamburg 1969, S. 195 ff. Ernst-Otto Czempiel/Carl- Christoph Schweitzer (Hrsg.), Weltpolitik der USA nach 1945. Einführung und Dokumente, Opladen 1984, S. 37. Vgl. Wolfgang Krieger, Gründung und Entwicklung des Brüsseler Pakts 1948—1950, in: Norbert Wig-
Vgl.
134
Wichard
Woyke
Doch war der Brüsseler Pakt lediglich das Vorspiel für ein Verteidigungsbündnis im atlantischen Rahmen. Wenige Tage nach seiner Unterzeichnung am 22. März 1948 begannen die geheimen Verhandlungen über den Nordatlantikpakt zwischen den Botschaftern Großbritanniens, Kanadas und Vertretern des US-Außenministeriums in Washington, um in diesem kleinen Gremium schon den Rahmen für die nachfolgende Diskussion mit den übrigen Teilnehmern abzustecken. Einige Monate später wurden die Gespräche um die übrigen Teilnehmer des Brüsseler Pakts erweitert. Schließlich zog man in der Abder 15. 1949 bis vom zum 4. die Vertreter ItaMärz schlußphase Verhandlungen April Am Dänemarks und hinzu. 4. 1949 liens, Portugals, Norwegens April folgte in Washington die Unterzeichnung des Nordatlantikpaktes. Der Vertragstext weist die NATO ausdrücklich als politisches Bündnis aus, denn in den Verhandlungen wurde keine militärische Organisation vereinbart. Der NATO-Vertrag wurde von der politischen Führung der USA als notwendige politische Unterstützung für die Europäer verstanden. Aber die USA waren sich bewußt, daß sie in eine neue militär-politische Ära eintraten: »Die Unterzeichnung des NATO-Vertrags eröffnete militärisch und politisch eine neue Ära, in der das Ziel gemeinsamer Verteidigung realisiert werden sollte4«. Grundlage für die militärische Organisation in der NATO ist der Artikel 3 des Vertrages, in dem es heißt: »Um die Ziele dieses Vertrages besser zu verwirklichen, werden die Parteien einzeln und gemeinsam durch ständige und wirksame Selbsthilfe und gegenseitige Unterstützung die eigene und die gemeinsame Widerstandskraft gegen bewaffnete Angriffe erhalten und fortentwickeln«. So versteht sich die NATO nicht nur als ein Bündnis souveräner Staaten, sondern gleichzeitig auch als eine übernationale, aber nicht supranationale, Organisation, die in wichtigen Aspekten nach dem Prinzip der überstaatlichen Integration arbeitet. Integration ist somit das wesentliche Charakteristikum der NATO-Militärorganisation. Sie besagt, daß bereits in Friedenszeiten gemeinsame Kommandobehörden der verbündeten Streitkräfte sowie koordinierte Planung und Kontrolle der gemeinsamen Verteidigung existieren. Integration zielt auf Steigerung der Qualität der gemeinsamen Führung. 2. Vorläufer der
Militärorganisation
Bereits während des Zweiten Weltkriegs gab es zwecks einer Erhöhung der militärischen Kampfbereitschaft unter den westlichen Alliierten ein gemeinsames Oberkommando. Das unter Führung des amerikanischen Generals Eisenhower gebildete Supreme Headquarters Allied Expeditionary Forces (SHAEF) diente als Vorbild für die Kommandostruktur des Brüsseler Pakts. In ihm wurde ein dem Ständigen Rat unterstelltes Militärkomitee gebildet, das ein multinationales Oberkommando anstrebte. Dabei stand man vor der Frage, wem die Befehlsgewalt übertragen werden sollte, dem Briten Montgomery
gershaus/Roland G. Foerster (Hrsg.), Die westliche Sicherheitsgemeinschaft 1948—1950. Gemeinsame Probleme und gegensätzliche Nationalinteressen in der Gründungsphase der Nordatlantischen Allianz (= Militärgeschichte seit 1945, Bd 2, hrsg. vom MGFA), Boppard a.Rh. 1988, S. 191—207. 4 Vgl. FRUS 1949, IV, S. 352.
Die
Militärorganisation der NATO
135
1949 bis 1955
oder dem Franzosen de Lattre de Tassigny. »Während Montgomery Vorsitzender des Ausschusses blieb, waren zwei der vier alliierten Befehlshaber Franzosen, und im Kriegsfalle würde ein Franzose die Landstreitkräfte führen5«. Doch für die spätere militärische Organisationsstruktur der NATO spielte ein anderes Faktum eine wichtigere Rolle. Seit Aufnahme der Arbeit waren US-amerikanische Generale nicht stimmberechtigte Teilnehmer in den Sitzungen. »Sie waren aktiv am Geschehen beteiligt und nahmen in jeder wichtigen Frage Einfluß, sowohl auf ihre europäischen Kollegen als auch im Gegenzug auf ihre Vorgesetzten im Pentagon6.« Somit gab es 1948 eine De-facto-Allianz zwischen den Amerikanern und den Staaten des Brüsseler Pakts7. »Solange ein Angriff aus dem Osten über deutsches Territorium hinweg erfolgen würde, war ein amerikanisches Engagement, trotz gegenteiliger Äußerungen, unvermeidbar«. Die Stationierung der US-Truppen in Europa besaß den Charakter einer Geiselfunktion8. 3. Die
Installierung der Militärorganisation
Auf militärischer Ebene setzte der NATO-Rat in seiner ersten Sitzung am 17. September 1949 den Militärausschuß ein. Er bestand aus den Stabschefs der Mitgliedstaaten. Island wurde es ermöglicht, einen zivilen Beamten in dieses Gremium zu entsenden, da es über keine Streitkräfte verfügte. Die Aufgabe des Militärausschusses sollte die Versorgung der ständigen Arbeitsgruppe mit allgemeinen Richtlinien und Anleitungen militärischer Art zum Inhalt haben wie auch die Beratung des Verteidigungsausschusses und anderer Organe. Darüber hinaus sollte der Militärausschuß dem Verteidigungsausschuß Empfehlungen über militärische Maßnahmen für eine militärische Verteidigung des nordatlantischen Gebietes zukommen lassen9. Die Sitzungen des Militärausschusses sollten in der Regel in Washington stattfinden. Um die Arbeit dieses Gremiums zu erleichtern und effizienter zu gestalten, wurde ein Unterkomitee, die ständige Arbeitsgruppe (Standing Group), eingerichtet (vgl. Schaubild 1). Sie sollte aus je einem Vertreter Frankreichs, des Vereinigten Königreichs und der USA bestehen. Aufgabe der Standing Group war es, spezifische militärpolitische Informationen an die verschiedenen regionalen Planungsgruppen zu geben. Um eine schnelle und effiziente Planung der gemeinsamen Verteidigung zu ermöglichen, allerdings auch um die Verantwortung zwischen den Bündnismitgliedern aufzuteilen, wurden vom Rat auf der militärischen Ebene fünf regionale Planungsgruppen gebildet. Diese dezentralisierte Planung geht auf amerikanische Vorstellungen zurück und sollte eine automatische Einbeziehung der USA wie auch ihre unmittelbare militärische Zuständigkeit für das gesamte Gebiet verhindern. 5
Lawrence S.
stellung 6
7
aus
Kaplan, Die Westunion und die militärische Integration Europas 1948—1950. Eine Daramerikanischer Sicht, in: Die westliche Sicherheitsgemeinschaft (wie Anm. 3), S. 46.
Ebd., S. 49. Steven Rearden, History of the Office of Secretary of Defence. The Formative
Washington D.C. 1984, S. 469. 8 Kaplan (wie Anm. 5), S. 52. 9 Vgl. NATO. Final Communiques
1949-1970
Years.
1947—1950,
(Ed. NATO-Informationsservice), Brussels o.J., S. 35.
136
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Die
Militärorganisation der NATO
137
1949 bis 1955
Planungsgruppe Nordeuropa bestand aus Dänemark, Norwegen und Großbritannien, die westeuropäische Gruppe aus Belgien, Luxemburg, den Niederlanden, Großbritannien und Frankreich, die Gruppe Südeuropa/westliches Mittelmeer aus Frankreich, Italien, Großbritannien, die nordamerikanische Planungsgruppe aus den USA und Kanada sowie die Planungsgruppe Nordatlantik aus allen Mitgliedstaaten außer Luxemburg und Italien10. Diese vom NATO-Rat verabschiedete Organisationsform entsprach fast vollständig den amerikanischen Vorstellungen vom Juni 194911. Einerseits wollten sich die USA eine starke militärische Führungsposition sichern, andererseits aber ihre Handlungsfreiheit in der neu zu errichtenden Militärorganisation weitgehend behalten, so daß eine regionalisierte Planung in Form der fünf Planungsgruppen entstand, also keine zentrale Planung und keine zentrale Befehlsgewalt erwünscht waren. »Weltweite Planung und Kriegführung waren die ausschließliche Domäne der USA, die für diesen Zweck bilaterale Verhandlungen mit den dazu benötigten Bündnispartnern führen wollten12.« Zwar versuchten die Europäer, Veränderungen dieses Konzepts zu erreichen; ihre Bemühungen waren jedoch nicht von Erfolg gekrönt. Die USA hatten sich damit entsprechend ihrem politischen Gewicht eindeutig die Führungsrolle innerhalb des atlantischen Bündnisses gesichert. Aber daneben gab es durch die Einrichtung der Ständigen Gruppe eine Art Direktorat von de Gaulle 1958 vergeblich in der politischen Organisationsstruktur der NATO gefordert —, da die drei in Die
—
—
—
diesem Organ vertretenen Staaten USA, Großbritannien und Frankreich eine Art strategische Führung in der Allianz übernahmen. »Den übrigen Vertragspartnern, die nur im Militärausschuß vertreten sind, aber nicht in der Ständigen Arbeitsgruppe, wurde das Recht eingeräumt, sich dann einzuschalten, wenn die Vorschläge der regionalen Planungsgruppen über Einsatz der Streitkräfte, Einrichtungen oder Hilfsquellen des betreffenden Partnerstaates von den >Großen Drei< abgeändert werden13«. Faktisch wurde somit die Standing Group jedoch zum eigentlichen Steuerungsorgan der NATO. In ihr wurden die Entscheidungen der Großen Drei vorgeprägt und faktisch vorweggenommen. 4. Der
Koreakrieg und seine Auswirkungen auf die Militärorganisation der NATO
Am 25. Juni 1950 überschritten nordkoreanische Truppen den 38.
Breitengrad und lösten damit den Koreakrieg aus. Die Befürchtungen in Westeuropa und den USA, daß die Sowjetunion auch die Demarkationslinie in Europa überschreiten könnte, wuchsen darauf10
Ebd.,
S. 31 ff.
Vgl. Christian Greiner, Die alliierten militärstrategischen Planungen zur Verteidigung Westeuropas 1947—1950, in: Roland G. Foerster/Christian Greiner/Georg Meyer/Hans-Jürgen Rautenberg/Norbert Wiggershaus, Von der Kapitulation bis zum Pleven-Plan (= Anfänge westdeutscher Sicherheitspolitik, hrsg. vom MGFA, Bd 1), München, Wien 1982, S. 231. 12 11
Ebd.,
13
S. 232. Hermann Volle, S. 4745.
Atlantikpakt und Europäische Verteidigungsgemeinschaft, in: EA, 7 (1952) v. 5.5.1952,
138
Wichard
Woyke
hin enorm. Nun wurde ein deutscher Verteidigungsbeitrag unabdingbar. Die Frage war nur noch, in welcher Form er erfolgen sollte. Wie auch immer dieses Problem gelöst werden würde, es sollte Auswirkungen auf die Organisationsstruktur der atlantischen Allianz haben. Eine deutsche Wiederaufrüstung lag nun im offenen Interesse der USA. Auf die Militärorganisation der NATO mußte die deutsche Wiederaufrüstung nachhaltige Auswirkungen haben wie auch die Einbeziehung der US-amerikanischen Truppen in Europa. Eine deutsche Wiederaufrüstung war aber nur mit Zustimmung Frankreichs möglich. Diese konnte jedoch lediglich erreicht werden, wenn eine Lösung gefunden wurde, die ein Verbleiben amerikanischer Truppen in Europa als Gegengewicht gegen die aufzubauenden deutschen Truppen garantierte. Der Außenminister der Vereinigten Staaten, Dean Acheson, erkannte, daß ein integriertes atlantisches Verteidigungssystem, einschließlich amerikanischer Truppen, geschaffen werden mußte14. Immer stärker kristallisierte sich die Notwendigkeit heraus, daß die USA einen substantiellen Beitrag in Form der Stationierung von Landstreitkräften in Europa leisten mußten. Im September 1950 verdichtete sich in den Vereinigten Staaten die Vorstellung, daß eine vom Europarat im August 1950 in einer Entschließung geforderte europäische Armee das Problem der deutschen Aufrüstung und der amerikanischen militärischen Präsenz in Europa lösen könnte. Außenminister Acheson und Verteidigungsminister Marshall hielten die Europaarmee im Rahmen des Atlantikpakts für den Maximalbeitrag der Europäer15. Die Europaarmee hätte auch zur Entwicklung eines Oberbefehlshabers mit einem integrierten Stab geführt, so daß die Deutschen, ohne eine nationale Armee zu besitzen, darin hätten integriert werden können. Nach zeit- und nervenaufreibenden Verhandlungen es ging insbesondere um die Haltung Frankreichs zur deutschen Wiederaufrüstung gelangte der Atlantikrat hinsichtlich der zukünftigen Militärstruktur der NATO zu einem Durchbruch, als er eine Resolution verabschiedete, die besagte, daß frühestmöglich die Aufstellung einer einheitlichen (integrated) Streitmacht unter zentralem Kommando erfolgen würde. Sie sollte auf folgenden Grundsätzen beruhen: »1. Die Streitmacht wird im Rahmen der Organisation des Nordatlantikpaktes aufgestellt und wird politisch sowie strategisch der Führung der entsprechenden Behörden der Organisation unterstellt. 2. Die Streitmacht wird einem Oberkommandierenden unterstehen, der ausreichende Vollmachten hat, um sicherzustellen, daß die unter seinem Kommando vereinigten nationalen Einheiten sowohl in Friedens- wie in Kriegszeiten zu einer wirksamen, einheitlichen Streitmacht zusammengestellt und entsprechend ausgebildet werden. 3. Der Oberkommandierende wird durch einen internationalen Stab unterstützt, in dem alle zur Aufstellung der Streitmacht beitragenden Nationen vertreten sind. 4. Bis zur Ernennung eines Oberkommandierenden soll ein Stabschef ernannt werden, der für Ausbildung und Organisation verantwortlich ist. 5. Die ständige Arbeitsgruppe des Militärausschusses des Nordatlantikpaktes wird für die höhere strategische Führung der einheitlichen Streitmacht verantwortlich sein16«. —
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—
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14
15
Dean Acheson, Present at the Vgl. FRUS 1950, III, S. 274.
Creation,
New York 1969, S. 436.
Die
Militärorganisation der NATO
5. Die
Militärorganisation
1949
139
bis 1955
nimmt Gestalt
an
Frankreich legte inzwischen am 24. Oktober 1950 den Pleven-Plan vor, der die Schaffung einer integrierten Europaarmee auf der kleinstmöglichen Basis nationalhomogener Truppenkontingente, nämlich Bataillonsstärke, vorsah. Doch die Europaarmee sollte erst geschaffen werden, wenn ein europäisches Rahmenwerk europäischer Verteidigungsminister, europäisches Parlament mit Budgetkompetenz und ein europäischer Rat der Verteidigungsminister errichtet sein würde. Die Amerikaner bewerteten den PlevenPlan als Versuch Frankreichs, die deutsche Wiederaufrüstung zu verzögern sowie den amerikanischen Einfluß auf die deutsche Wiederaufrüstung zu reduzieren. Solange aber die Lösung des Problems der deutschen Aufrüstung nicht in Sicht war, weigerten sich die USA, eine endgültige Form über die Integrations- und Kommandostruktur in der NATO zu verabschieden. Die Lösung wurde in einer langen Auseinandersetzung zwischen den Vertretern der USA, Großbritanniens und Frankreichs gefunden. Grundlage dafür bildete der Spofford-Plan, der vorsah, daß militärische und politische Maßnahmen getrennt voneinander abliefen, allerdings die militärischen Maßnahmen sofort eingeleitet wurden: Deutsche Einheiten sollten in einer Übergangsphase auf der Basis der Regimental Combat Teams aufgestellt werden, wobei die USA nach wie vor auf der Divisionsgröße als oberster nationaler Einheit bestanden. »Der noch zu ernennende Oberbefehlshaber soll diese Combat Teams zu Divisionen zusammenfassen und in die atlantische Streitkraft integrieren können (im übrigen gehen die Amerikaner davon aus, daß am Ende schlagkräftige Divisionen stehen, ohne daß man dabei zuviel Zeit verloren hat). Den Franzosen wird gleichzeitig zugestanden, ihren Europaarmeeplan weiterzuverfolgen und zu einer entsprechenden Konferenz in Paris einzuladen. Kommt eine solche mit den damit verbundenen politischen Institutionen soll sie in Armee zustande die internationale NATO-Armee integriert werden17.« Frankreich akzeptierte schließlich den Spofford-Vorschlag, da die USA die Garantie gaben, dauerhaft und aufrecht mit Europa zusammenzuarbeiten18. Am 19. Dezember 1950 beschloß der »Atlantik-Rat die Bildung einer vereinten Streitmacht unter einem zentralen Oberbefehl19«. Nachdem Präsident Truman General Eisenhower für das Amt des Oberbefehlshabers freistellte, nahm der NATO-Rat dessen Ernennung zum 19. Dezember 1950 zum Oberkommandierenden der Streitkräfte in Europa vor. Nun konnte die Planungsphase der Organisationsstruktur ein Ende finden, denn Eisenhower sollte mit Beginn des Jahres 1951 das Kommando übernehmen und die alliierten Hauptquartiere aufbauen. Die Mission Eisenhowers hatte darüber hinaus noch einen —
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16
Klaus
von
Schubert
—
(Hrsg.), Sicherheitspolitik der Bundesrepublik Deutschland.
1945—1977, Teill, Bonn 1977, S. 17
18
19
Dokumentation
89 f.
Rolf Steininger, Wiederbewaffnung. Die Entscheidung für einen westdeutschen Verteidigungsbeitrag. Adenauer und die Westmächte 1950, Erlangen, Berlin, Wien 1989, S. 313. Vgl. Timothy P. Ireland, Creating the Entangling Alliance. The Origins of the North Atlantic Treaty Organization, Westport, London 1981, S. 206. Vgl. EA, 6 (1951) 1 v. 5.1.1951, S. 3639.
140
Wichard
Woyke
innenpolitischen Grund: Die Entscheidung über die Entsendung zusätzlicher Truppen der USA nach Europa stieß auf starke Kritik, insbesondere durch die Republikaner, so daß der allseits populäre General Eisenhower als Stütze der Administration Truman galt. 6. Die Struktur der
Militärorganisation
Auf der Brüsseler NATO-Konferenz wurde neben der Schaffung des Obersten Alliierten Hauptquartiers in Europa auch die Errichtung eines Atlantikkommandos (Atlantic Ocean Command) mit einem obersten alliierten Befehlshaber (Supreme Allied Commander Atlantic SACLANT) an der Spitze beschlossen (vgl. Schaubild 2). Während die Ernennung Eisenhowers zum Oberbefehlshaber in Europa unbestritten war, sollte es um die Ernennung des Oberbefehlshabers Atlantic einen Disput geben, den der britische Oppositionsführer Winston Churchill auslöste, der anstelle eines amerikanischen Admirals auf den Posten des Alliierten Oberbefehlshabers Atlantic einen britischen Offizier verlangte, denn »den Kernpunkt der Debatte bildete die Erkenntnis, daß im Falle eines Krieges die britische Flotte im Atlantik dem amerikanischen Oberbefehl unterstellt sein könnte«20. Im Dezember 1950 hatte der NATO-Rat beschlossen, einen Ausschuß der Stellvertreter der Stabschefs (Military Representatives Committee) zu bilden, wie auch ein militärisches Standardisierungsbüro (Military Standardisation Agency). Der Stellvertreterausschuß hat vor allem die Funktion, den Militärausschuß zu entlasten. Bei ihm handelt es sich um ein ständiges Gremium mit Sitz in Washington. Das Standardisierungsbüro erhielt die Aufgabe, die Standardisierung der Waffen und Ausrüstung der NATO stark zu verbessern. Mitglieder dieser Institution waren Frankreich, Großbritannien, Kanada und die USA. Am 2. April 1951 nahm SHAPE seine Tätigkeit als oberste Kommandobehörde der NATO in Europa auf. Es erhielt die Verantwortung für die Verteidigung der kontinentalen NATO-Staaten gegen eine Invasion. Im Falle eines Krieges ging die Leitung aller Land-, See- und Luftoperationen auf den SACEUR über. Die Funktionen für den ersten SACEUR, General Eisenhower, wurden wie folgt beschrieben: »a) Organisation und Ausbildung der verschiedenen Einheiten der bewaffneten Streitkräfte der Nordatlantikländer, die seinem Kommando zugeteilt sind, um zu gewährleisten, daß diese zu einer einheitlichen Streitmacht verschmolzen werden. =
b) Die Vorbereitung von Verteidigungsplänen. c) Erteilung von Empfehlungen an den Ständigen Militärausschuß über Angelegenheiten wie beispielsweise die angemessene Zahl und den Ausbildungsstand seiner Truppen sowie über alle militärischen Fragen, die die Durchführung seiner Verantwortung in Frieden oder Krieg betreffen21«. 20
21
Hermann Volle, Die Positionskämpfe innerhalb der 1 v. 5.1.1952, S. 4622. Vgl. wie Anm. 13, S. 4750 ff.
Atlantikpakt-Organisation,
in:
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normalized< use of atomic weapons in the defense of Western Europe« festschrieben, ebenso wie zuvor Ridgway, davon aus, daß ein künftiger Krieg wahrscheinlich in den ersten Tagen durch einen intensiven atomaren Schlagabtausch entschieden würde. Daher sollte die NATO anstelle der Planung eines maximalen Streitkräfteaufwuchses zu Beginn eines Krieges sich auf die Unterhaltung einsatzbereiter, atomgerüsteter Verbände im Frieden konzentrieren, die zusammen mit westdeutschen Streitkräften eine erfolgreiche Verteidigung aus der Rhein-Ijssel-Linie heraus gewährleisteten. Im Dezember 1954 billigte der NATO-Rat einen entsprechenden Bericht des Militärausschusses über The most effective Pattern of NATO Military Strength for the next few Years (MC 48), ohne jedoch die jeweils nationale Regierungsverantwortung »for putting plans into action in the event of hostilities« auf die NATO-Kommandobehörden zu 41
42 43
COS (53) 490, Estimate of the Situation and Force DEFE 5/49. FRUS 1952-1954, II/l, S. 593.
Ebd., II/2,
S. 1256-1285.
Requirements
an
for 1956, 2.10.1953, PRO,
Amerikanische
Nuklearstrategie
unter
Truman und Eisenhower
237
delegieren44. Mit diesem Vorbehalt der Verbündeten hatte man in Washington gerechnet: »For political purposes such a Statement may indeed be necessary in the interest of preserving the appearance of unity, harmony and continuity of effort in the North Atlantic Community. However, we should have no illusions as to possible implications in event of war where in one of our allies might endeavor to impose a veto on actions which the United States considers essential to its own security or to the security of its armed forces exposed to enemy attack.« Briten und Franzosen seien deshalb davon in
as NATO is concerned the United States reserves the atomic right instantly weapons in event of enemy attack should the circumstances, in the view of the U. S. Government, be such as preclude the delay inherent in obtaining concurrence of each of its NATO allies45.« Dieser Aufforderung kam Dulles am 16. Dezember während einer Unterredung mit seinen britischen und kanadischen Kollegen nach. Für ihn kam es darauf an, daß die NATO-Kommandobehörden in ihren konkreten Planungen für den Nuklearkrieg fortfahren konnten, ohne darauf warten zu müssen, bis der NATO-Rat einen Entschluß darüber gefaßt hat, »how forces would be ordered into action«, eine Frage, die, so Dulles, »may pose issues which can be solved only by the event46.« Die gefundene Formel stellte sowohl den SACEUR, General Gruenther, wie auch den Vorsitzenden der Joint Chiefs of Staff, Admiral Radford, zufrieden, und auch Präsident Eisenhower war überzeugt, daß die Verbündeten nach einigem Nachdenken zur Kenntnis nehmen würden, daß das Recht, Atomwaffen einzusetzen, nicht allein beim NATO-Rat residieren könne, sondern daß man dem NATO-Oberbefehlshaber einen gewissen Spielraum einräumen müsse, um im Notfall entsprechende Entscheidungen treffen zu können47. Trotz der nachfolgenden Bemühungen um mehr Flexibilität blieb der nukleare Gegenschlag im Zentrum der NATO-Strategie, zumal die unerwartet langsame Aufstellung westdeutscher Streitkräfte und die Verlegung französischer Truppen nach Nordafrika die konventionelle Schlagkraft des Bündnisses in Zentraleuropa schwächten. Gegenüber dem verständlichen Wunsch der Verbündeten nach Mitsprache betonten die USA immer wieder die Notwendigkeit autonomer amerikanischer Entschlüsse im Interesse der Abschreckung und, um notfalls die Fähigkeit zum sofortigen, von zeitraubenden politischen Konsultationen unbehelligten, Gegenschlag zu bewahren, der tendenziell auch die Form eines »preemptive strike« annehmen konnte. Deshalb bestanden am 17. Januar 1956 die Joint
Kenntnis
zu
setzen, »that insofar to use
44
45 46
47
J.P. (54) 86 (Final), 21.10.1954, The Most Effective Pattern of NATO Military Strength for the Next Few Years, Report by the Joint Planning Staff, PRO, DEFE 4/73. Siehe auch COS (54) 130th Meeting, 12.12.1954, PRO, DEFE 4/74; Watson (wie Anm. 8), S. 304; Wampler (wie Anm. 40), S. 11 ff. Die Resolution lautete: »The council approves the report MC 48 as a basis for planning and preparations by NATO military authorities noting that this approval does not involve the delegation of responsibility of governments for putting the plans into action in the event of hostilities«, FRUS 1952—1954, V/l, S. 557f. History of the Joint Chiefs of Staff (wie Anm. 8), Bd 6: Kenneth W. Condit, 1955-1956, S. 20 ff. Memorandum for Admiral Radford, 8.12.1954, NA, RG218, Radford File, 092.2 NAT. FRUS 1952-1954, V/l, S. 547f. FO an Sir Christopher Steel, Nr. 363, 20.12.1954, PRO, FO 371/ 125105. Für Gruenther und Radford: FRUS
S.317.
1952—1954, V/l, S. 548f., für Eisenhower: Watson (wie Anm. 8),
238
Klaus A. Maier
Chiefs of Staff darauf, daß Gruenther in seinen unilateralen Planungen fortfahren sollte, solange mit den Verbündeten kein einvernehmliches Konzept für eine erfolgreiche Beendigung eines Krieges mit der Sowjetunion gefunden sei48. Neben der unilateralen amerikanischen Handlungsfreiheit wurde, ebenfalls im Interesse
einer erfolgreichen nuklearen Gegenoffensive, von der Möglichkeit der »predelegation« nuklearer Einsatzbefugnisse Gebrauch gemacht. Obwohl auch hier wiederum gesagt werden muß, daß die bis heute zugänglichen Akten noch keine abschließende Beurteilung des Umfangs der »predelegation« zulassen, mit denen der SACEUR ausgestattet war, scheint immerhin festzustehen, daß 1954 gegebene Richtlinien, die dem SACEUR die Fälle verdeutlichen sollten, in denen er vor einem Einsatz seiner Streitkräfte politische Weisungen einzuholen hatte, 1956 dahingehend präzisiert wurden, daß er solche politische Weisungen nicht einholen solle für »moves of a routine or administrative nature or in cases of emergency where the degree of urgency precludes following the full procedure49«. Ende 1957 äußerte Dulles gegenüber dem deutschen Außenminister Heinrich von Brentano, daß US-Heeresbefehlshaber vorab autorisiert seien, taktische Nuklearwaffen einzusetzen, wenn es darum ging, eine Vernichtung ihrer Verbände abzuwenden50. Die mit massiver Vergeltung beschriebene Nuklearisierung der westlichen Verteidigung und die damit verbundenen Veränderungen in den militärischen Einsatzmodalitäten verschärften das Problem der nuklearen »Asymmetrie« innerhalb der NATO zwischen dem angelsächsischen Dreieck USA, Großbritannien und Kanada einerseits und den kontinentaleuropäischen »Habenichtsen« andererseits. Eines der prominentesten Opfer dieser Entwicklung wurde die Europäische Verteidigungsgemeinschaft. Die sicherheitspolitische Rückbesinnung Frankreichs auf seine Rolle in der NATO und damit weg von dem supranationalen EVG-Konstrukt, welches der französischen Atomrüstung Fesseln anlegte, war schon während der Konferenz der westlichen Regierungschefs auf den Bermudas im Dezember 1953 deutlich geworden, als Außenminister Bidault von der Parallelität des französischen Engagements in der EVG und der französischen Rolle in der NATO sprach, die nicht zu Lasten der Stimme Frankreichs in der mit der Einsatzplanung des Bündnisses befaßten NATO Standing Group gehen dürfe51. Am 30. März 1954 ließ Bidault im U. S. State Department vorschlagen, daß in einem privaten Gespräch zwischen ihm, Außenminister Eden und Dulles der Einsatz atomarer Waffen ganz allgemein und im besonderen deren Einsatz von französischen Basen diskutiert wurde52. Im Juni 1954 schlug der französische Heeresgeneralstab als Alternative zur EVG eine neue europäische Verteidigungsorganisation in Form einer Modifizierung und Erweiterung 48 49 50 51 52
Wampler (wie Anm. 40),
S. 26 f. Zit. nach ebd., S. 67, Fußnote 139 (ohne dessen Hervorhebung). Ebd., S. 47. FRUS 1952-1954, V/2, S. 1799. Gesprächsnotiz des Special Assistant to the Counselor of the Department of State, Galloway, vom 30.3.1954, FRUS 1952—1954, V/l, S. 486f; Gesprächsnotiz des Special Assistant to the Secretary of State for Atomic Energy Affairs, R. Gordon Arneson, über eine Unterredung mit dem Ersten Sekretär der französischen Botschaft in Washington, Jacques Martin, am 30.3.1954, NA, RG 59, 740.5/3-3054.
Amerikanische
Nuklearstrategie unter Truman und Eisenhower
239
des Brüsseler Vertrages vor. Die Bundesrepublik sollte der NATO beitreten, durfte jedoch nach den Plänen des französischen Heeresgeneralstabes nicht Mitglied der Standing Group werden. Nach einem Schreiben des französischen Heeresgeneralstabes an den Quai d'Orsay vom 11. September 1954 liefen diese Überlegungen letztlich auf eine europäische Gruppierung unter Einschluß Großbritanniens innerhalb der NATO hinaus, welche Atomwaffen besitzen sollte, um nicht vollständig von den USA abhängig zu sein53. Warum sollte Frankreich auf den kollektiven oder nationalen Besitz von Atomwaffen verzichten, die ihm den eigenen New Look ermöglichten, seiner Stimme in der NATO ein zumindestens mit der britischen Stimme vergleichbares Gewicht verliehen und ihm obendrein die als wichtig angesehene Balance mit dem westdeutschen Verteidigungsbeitrag ermöglichten, die, mit konventionellen Mitteln im Rahmen der EVG zu erreichen, sich als unmöglich herausgestellt hatte? Daß auch Mendès-France in seinem Bemühen um die Wiederherstellung der politischen, ökonomischen und sozialen Stabilität in Frankreich unter Wahrung der Bündniskohärenz, möglichst in Form eines amerikanisch-britisch-französischen »tripartisme«, diesen Weg beschritt, ist wenig verwunderlich. Am 25. August 1954 lag ihm ein Memorandum vor, in dem die Situation Frankreichs innerhalb der NATO untersucht und die Schaffung einer nationalen französischen Atomstreitmacht vorgeschlagen wurde. Am 22. Oktober 1954, drei Monate nach dem Scheitern der EVG in der französischen Nationalversammlung, setzte Mendès-France seine Unterschrift unter ein Dekret, das die Errichtung einer Commission supérieure des applications militaires vorsah54. Anstelle des deutschen EVG-Beitrages wurde mit den Pariser Verträgen vom Oktober 1954 die Aufstellung NATO-integrierter deutscher Streitkräfte beschlossen, die gemäß MC 48 vom Dezember 1954 ohne atomare Kampfmittel und ohne atomare Mitsprache im Bündnis ihr Land verteidigen sollten, das vor der eigentlichen Verteidigungslinie an Rhein und Ijssel und in der Zone des voraussichtlich heftigsten nuklearen Schlagabtausches lag. So ist es verständlich, daß bald auch deutsche Bemühungen für eine atomare Ausrüstung der Bundeswehr einsetzten, die eine deutsche Mitsprache bei den nuklearen Dispositionen im Bündnis sicherstellen sollten55. Einer der Hauptbetreiber dieser AmbiPierre Guillen, Die französische Generalität, die Aufrüstung der Bundesrepublik und die EVG (1950—1954), in: Hans-Erich Volkmann/Walter Schwengler (Hrsg.), Die Europäische Verteidigungsgemeinschaft. Stand und Probleme der Forschung (= Militärgeschichte seit 1945, hrsg. vom MGFA, Bd 7), Boppard a. Rh. 1985, S. 125—157; Dominique Mongin, Forces armées et genèse de l'armement nucléaire français, in: Relations internationales, Nr. 59, automne 1989, S. 301—315. 54 Aline Coutrot, La politique atomique sous le gouvernement de Mendès-France, in: François Bédarida/Jean-Pierre Rioux (Eds.), Pierre Mendès-France et le Mendèsisme, Paris 1985, S. 309—316; GeorgesHenri Soutou, The French Military Program For Nuclear Energy 1945—1981 (CNHP, Occasional Paper Series, Nr. 3), College Park, MD: Center for International Security Studies at Maryland 1989; ders., La politique nucléaire de Mendès-France, in: Relations internationales, Nr. 59, automne 1989, S. 317—330; Klaus A. Maier, Die internationalen Auseinandersetzungen um die Westintegration der Bundesrepublik Deutschland und um ihre Bewaffnung im Rahmen der EVG, in: Lutz Köllner/Klaus A. Maier/Wilhelm Meier-Dörnberg/Hans-Erich Volkmann, Die EVG-Phase (= Anfänge westdeutscher Sicherheitspolitik 1945—1956, hrsg. vom MGFA, Bd 2), München 1990, S. 194 ff. Siehe auch den Beitrag von Jean Delmas in diesem Band. 55 Siehe Christian Tuschhoff, Die MC 70 und die Einführung nuklearer Trägersysteme in die Bundeswehr 1956—1959 (Arbeitspapier im Rahmen des NHP), 28.2.1990; Mark Cioc, Abschreckung und 53
240
Klaus A. Maier
tionen, Franz Josef Strauß, beurteilt in seinen Erinnerungen die reellen Chancen einer
solchen Mitsprache der Nicht-Atommächte jedoch als sehr gering. Sogar die schließlich eigens hierfür im Dezember 1966 eingerichtete Nuclear Planning Group der NATO ist für Franz Josef Strauß »bei nüchterner Beurteilung kaum mehr als eine Geste des guten Willens der Amerikaner, ein Placebo für die Verbündeten und ein Feigenblatt für die amerikanische Suprematie«. Sarkastisch stellt er fest: »Da läßt man den kleinen Kasperl mit der Kindertrompete neben der Militärmusik herlaufen und ihn glauben, er sei der
Tambourmajor56.« Die Bemühungen der Verbündeten um Mitsprache bei den nuklearstrategischen Planungen der NATO waren freilich alles andere als bloße Profilierungsversuche innerhalb eines Bündnisses mit starkem Machtgefälle und mehr als bloßer Ausdruck der daraus resultierenden Spannung zwischen Dominanz und Kooperation. Angesichts der von Bedrohungsperzeption, ökonomischen Zwängen und technologischem »Fortschritt« erzeugten Vehemenz, mit der die Nuklearwaffen in den fünfziger Jahren in das militärische Kalkül eindrangen, stand die Frage der politischen Kontrolle über ihren Einsatz schlechthin auf dem Spiel. Prinzipiell hat sich daran seither wenig geändert: Nuklearwaffen »usable but not too
usable«
zu
halten, bleibt ein »delikater Balanceakt«57.
Verteidigung. Die Kontroverse über die Atombewaffnung in der Ära Adenauer 1949—1963, in: Ludolf Herbst (Hrsg.), Vom Marshallplan zur EWG. Die Eingliederung der Bundesrepublik Deutschland in die westliche Welt (= Quellen und Darstellungen zur Zeitgeschichte, Bd 30), München 1990, S. 501—514; Ulrich de Maizière, Zur Mitwirkung der Bundesrepublik Deutschland an der Nuklearstrategie der NATO 1955—1972, in: Karl Dietrich Bracher/Manfred Funke/Hans-Peter Schwarz (Hrsg.), Deutschland zwischen Krieg und Frieden. Beiträge zur Politik und Kultur im 20. Jahrhundert (= Schriftenreihe. Bundeszentrale für Politische Bildung, Bd 295. Studien zur Geschichte und Politik), Bonn, Düsseldorf 1990, S. 277—290. Siehe auch den Beitrag von Peter Fischer in diesem Band. 56
57
Hans-Peter Schwarz, Adenauer. Der Staatsmann. 1952—1967, Franz Josef Strauß. Die Erinnerungen, Berlin 1989, S. 366. Sagan (wie Anm. 10), S. 177.
Stuttgart 1991,
S. 385—401.
Jan Melissen
The Anglo-American Relationship and the Limits of Britain's Nuclear Policy, 1952-1957
Introduction
has never been Britain's priority. This in the sense that, from 1942 onwards, the British wartime coalition as well as post-war Labour and Conservative governments all aimed at nuclear cooperation with the United States. It was the monopolistic policy of the Truman Administration, confirmed by the ratification of the 1946 McMahon Act, which forced Prime Minister Attlee and a small group of ministers in the beginning of 1947 to >go it alone< and opt for independent development of nuclear weapons1. Not until 1952 but most clearly from the beginning of the Eisenhower Presidency did Anglo-American atomic negotiations begin to take a different, more cooperative course, and during the years 1957 and 1958 the bilateral nuclear relationship reached an unprecedented climax. >Interdependence< became the mutually agreed keyword that characterised defence relations between the two countries after the Declaration of Common Purpose that Eisenhower and Macmillan signed on 25 October 19572. By that time the United States had already offered the British intermediate range missiles, and the complete resumption of nuclear cooperation after the 1958 amendments to the US Atomic Energy Act was not far ahead. This article will attempt to provide a survey of the importance of the Anglo-American relationship in British nuclear policy during the period of Conservative rule that preceded the blossoming of an intimate nuclear alliance in 1957/58. As a broad analysis of the origins and short-term consequences of the gradually changing nuclear relationship in the early and mid-1950's, it will focus on a) the negotiations about the exchange of technical information as well as matters of Nuclear
independence
consultation;
b) the impact of the thermonuclear weapon on British of the relationship with the United States; and i
2
nuclear
policy
in the
context
Among the major reasons for the Labour Government's determination to develop a British bomb was that this was expected to give Britain a measure of influence in Washington. Margaret Gowing, Independence and Deterrence. Britain and Atomic Energy. 1945—1952, Vol. 1: Policy Making, London, Basingstoke 1974, pp. 21—22, 179—185; Ian Clark/Nicholas J. Wheeler, The British Origins of Nuclear Strategy 1945—1955, Oxford 1989, pp. 43—55. A valuable concise account of the AngloAmerican nuclear relationship in the first quinquennium after the war is Robin Edmonds, Setting
the Mould. The United States and Britain. 1945—1950, Oxford 1986, pp. 67—93. The Declaration of Common Purpose is printed in: Documents on International Affairs 1957, London 1960, pp. 400—403.
242
Jan Melissen
c) decisions regarding the development and acquisition of adequate delivery vehicles like the medium range bombers, and the Thor and Blue Streak missiles. The close relationship with the United States, it will be argued, led to substantial and partly self-imposed limitations on Britain's nuclear weapons policy in the form of an increasing dependence on her major ally. By early 1957 Britain's declared policy had moved to a stance of independent deterrence^ but this belied a trend in actual policy towards an increasing cooperation with, and control by the United States Government. The latter implied that like the other European allies Britain was, in a sense, subject to American non-proliferation objectives within NATO. The Case for Consultation and Technical
Cooperation
Atomic energy was the domain of the Prime Minister, and Churchill was an advocate of intensive personal diplomacy to enhance the nuclear relationship with the United States. When he returned to office after the general election of October 1951, he had set his mind on a quick restoration of the wartime nuclear relationship with the United States. Churchill seemed to fail to understand the real nature of the changes that had occurred in the Anglo-American nuclear relationship after the war, when the powers of the American executive had been severely restricted by Congress. Contrary to the briefings he received from his principal adviser on atomic energy matters, Paymaster General Lord Cherwell, the 77-year old Prime Minister believed firmly that »when we produce the Treaty we made in the war and demand that it shall be published we shall get very decent treatment from Truman and his military advisers3«. The new Prime Minister's trust in the reliability of the Truman Administration was put to the test during an encounter with the American President in the beginning of January 1952. His efforts to re-establish an intimate relationship were rebuffed by Truman and his Secretary of State Dean Acheson, who cut off the Prime Minister's powerful and emotional declarations of faith in the exceptional nature of their bilateral relationship, and emphasized the importance of NATO. Private Secretary Evelyn Shuckburgh wrote in his diary: »It was impossible not to be conscious that we are playing second fiddle4«. Churchill's bid for restoration of technical nuclear cooperation did not have a chance in the election year 1952 and in the face of persistent opposition in the Joint Committee on Atomic Energy (JCAE). Nevertheless, during a White House meeting on 7 January the American delegation expressed the general intention to explore a more liberal interpretation of the nine areas of cooperation that were defined in the 1948 Modus Vivendi. According to the British record and recollection however, Truman had agreed to cooperate to the maximum extent within the existing law. Such misunderstandings were inherent in Anglo-American atomic negotiations, they occurred more often and were, of course, generated by a combination of British eagerness to expand cooperation and American 3 4
Gowing (see fn. 1), pp. 407—411. Dean Acheson, Present at the Creation. My Years in the State Department, New York 1969, pp. 307— 308; Evelyn Shuckburgh, Descent to Suez. Diaries 1951—1956, London 1986, p. 32.
The
Anglo-American Relationship
and the Limits of Britain's Nuclear
Policy
243
reluctance to brush off their major ally openly. They occasionally caused friction in the fragile nuclear alliance, and caused British nuclear illusions to evaporate into thin air more than once. Indeed, during follow-up talks between British and American experts in early 1952 it turned out that the Department of Defence was opposed to any increased cooperation with the British5. In the preceding year the Atomic Energy Commission (AEC) under Chairman Gordon Dean had developed a sympathetic attitude towards more cooperation with the British in areas serving its own interest, but an AEC precondition for any move forward would be a close scrutiny of British security standards. This was an important factor in the aftermath of British spy scandals, notably the apprehension of atom spy Klaus Fuchs in February 19506. Truman and his advisers seemed somewhat more forthcoming on two other topics pertaining to the nuclear relationship: the United States' strategic air plan and AngloAmerican consultation on the launching of atomic warfare. Churchill's briefing of Strategic Air Command operations was apparently quite extensive. This brought to an end the curious situation that Britain served as an airstrip for the United States Air Force without having any knowledge about the US air plan. By the end of 1952 the British Chiefs of Staff were informed about the plan on a personal basis, but with the qualification that they were not allowed to communicate any of the newly received information to the commanders-in-chief for planning purposes7. In January 1952 Truman and Churchill formalised an earlier understanding about American use of bases in Britain that had been concluded between Truman and Attlee in October 19518. The British now received a reaffirmation in print that »the use of these bases in an emergency would be a matter for joint decision by His Majesty's Government and the United States Government in the light of circumstances prevailing at the time9«. However, as research by Simon Duke and David Gates has shown, the joint-decision mechanism was a vague and ambiguous political statement that served the interests and needs of both parties. What was crucially significant, was that the Truman Government did not interpret the published communiqué as a statement that would oblige the United States Government to consult the United Kingdom in the event of use of American bases in Britain. This was another occasion on which the British and American interpretations of the atomic negotiations diverged, »so that on the one hand America would not feel tied and on the other the United Kingdom would feel it had a guarantee«10. 5
6
7
7.1.1952, United States Delegation Minutes of the Second Formal Meeting of Truman and Churchill, FRUS 1952-1954, VI, pp. 763-765; 15.1.1952, Memorandum by Gordon Arneson to Acheson, ibid., II, pp. 846-848; Gowing (see fn. 1), p. 415. 17.5.1951, Memorandum by Thomas E.Murray for Gordon Dean; 18.5.1951, Memorandum by Gordon Dean to the Executive Secretary of the National Security Council, FRUS 1951,1, pp. 722—730. Gowing (see fn. 1), pp. 316, 414—415; Acheson (see fn. 4), p. 601.
John Baylis, American Bases in Britain. The Truman-Attlee Understandings, in: The World Today, 42 (1986) 8/9, pp. 155—159; David Gates, American Strategic Bases in Britain. The Agreements Governing Their Use, in: Comparative Strategy, 8 (1989) 1, pp. 104—109. 9 9.1.1952, Communiqué issued by President Truman and Prime Minister Churchill, FRUS 1952—1954, 8
VI, p. 837.
,0
Simon
Duke, US Defence Bases in the United Kingdom. A Matter for Joint Decision? Houndmills,
244
Jan Melissen
The change of president from Truman to Eisenhower did not alter American policy on this point. Secretary of State John Foster Dulles stated that the United States would of course wish to consult with the United Kingdom »to the extent that time and circumstances permitted«, and during a meeting between Dulles and Foreign Secretary Anthony Eden in March 1953 the existing Truman-Churchill understanding was confirmed. But, as recently released documents show, Dulles told his counterpart flatly that even if Eisenhower chose to give a personal assurance to Churchill about the British right to be consulted, such a guarantee could not be binding on the United States Government11. Committing the United States to consult with the British, Dulles briefed Eisenhower, »would be tantamount to giving the United Kingdom a veto on our ability effectively to wage war«. The President himself made clear to Eden on this occasion, and during the December 1953 Bermuda meeting to Churchill, that it would be »treasonous« to give a binding assurance of consultation with Britain12. The question of consultation, however, required vagueness in public statements because it could potentially affect the stability of the alliance and domestic politics in Britain13. This compelled the US Government to be woolly in its pronouncements on the subject. But there could be no doubt on the part of British political leaders that Britain was impotent to influence American nuclear policy on this score. It is interesting to note that, vis-à-vis the Truman Government, Churchill never ventured to use the existence of American bases in Britain as a bargaining counter to secure the right to be consulted on the use of American atomic weapons from British soil, or to receive more nuclear information. Earlier, while in opposition, Churchill had raised the American use of bases in Britain to get the 1943 Quebec Agreement published, and in December 1951 Truman had anticipated that Churchill would adopt a hard line on the base question in the forthcoming bilateral talks14. During the Truman Presidency the United States Government did not actively pursue the idea of sharing nuclear secrets with Britain. Getting rid of the British veto on the American use of nuclear weapons, but especially the raw materials question, were major incentives for the Americans to return to the negotiation table in the second half of
Basingstoke 1987, p. 82. See for two similar interpretations of the communiqué: ibid., pp. 80—85, and Gates (see fn. 8), pp. 109—112. 11 6.3.1953, Memorandum of Conversation by Arneson, NA, RG59 711.5611/3—653, box3174. 12 7.3.1953, Memorandum by Dulles for Eisenhower, ibid., 711.5611/3—753, box 3174; Duke (see fn. 10), p. 84; Shuckburg (see fn. 4), p. 159. 13 The explosiveness of the consultation issue became clear in the House of Commons debate on the thermonuclear bomb, on 5 April 1954, when Churchill claimed that the Labour Government had not defended and dropped the right to be consulted. Even the normally loyal Times was critical of Churchill turning the debate into a partisan issue. 6.4.1954, Telegram by Aldrich to Dulles, NA, RG 59, 711.5611/4-654, box 3174; also in: Dwight D. Eisenhower Library (DDEL), Ann Whitman File (AWF), International Series, box 17, folder President—Churchill 1.1.—30.6.1954 (2). 14 In February 1951 he had warned Truman over the American use of bases in the United Kingdom to get the 1943 Quebec Agreement published. 12.2.1951, Churchill to Truman, FRUS 1951, I, pp. 690—694; 5.12.1951, Memorandum by Brian McMahon to Truman, NA, General Records of the Department of State, RG 59, Policy Planning Staff, Lot 64 D 563, box 17, Great Britain 1947—1953.
The
Anglo-American Relationship
and the Limits of Britain's Nuclear
Policy
245
the 1940's. Spy cases in Britain left American officials obsessed with the supposed lack of adequate British security standards, and the McCarthyist mood in the country worsened possible prospects for a resumption of nuclear cooperation. Further, a curious coalition of isolationist nationalists and multilaterally-minded internationalists in Congress and the JCAE had been able, since 1946, to find common ground in retaining American atomic secrets to itself15. The President was not prepared to challenge seriously the various factors that inhibited an Anglo-American atomic rapprochement, and although this remains conjecture he may well have used them as a cloak for his own unwillingness to share nuclear secrets with the British. It is also true, however, that the British Government took insufficient account of the limited mandate of the American executive in this sensitive policy area, and that it seemed to underestimate the extent to which the powers of Congress, and in particular the JCAE, could make the case of cooperation more problematic. The British did not have an atomic lobby in Washington, but it is doubtful whether more pressure could have steered US nuclear policy under Truman in the direction of British wishes for more cooperation. —
—
The Rhetoric of
Cooperation
in the second half of 1952 raised British hopes for a better Anglo-American understanding: the explosion of an atomic device on 3 October 1952 in the Monte Bello Islands off the Australian coast although ideally the British would have liked to use and the election of Dwight Eisenhower as President16. an established American range Eisenhower showed genuine respect and affection for Churchill although he felt that the British statesman »had developed an almost childlike faith that all the answers are to be found merely in British-American partnership« and was »trying to relive the days of World War II«. He believed strongly in very close ties with the United Kingdom, though, as he wrote in his diary, »no such special relationship can be maintained or even Two
events
—
—
suggested publicly«17. 15
(see fn. 1), p. 93; Peter Malone, The British Nuclear Deterrent, London, Sydney 1984, Boyle, The »Special Relationship« with Washington, in: John W Young (ed.), The Foreign Policy of Churchill's Peacetime Administration. 1951—1955, Leicester 1988, p. 45; Gowing (see fn. 1), p. 111. Edmonds
pp. 57—58; Peter
6
"
In the House of Commons Churchill stated, »I do not doubt« that the explosion of a British atomic device »will lead to a much closer American interchange of information than has hitherto taken place«, and he expressed similar hopes to the new president. Quoted from: Telegram by Penfield to Department of State, 23.10.1952, NA, RG 59, Lot 57 D 688, box 59, folder 411.22, UK Tests 1951—1952; 7.2.1953, Churchill to Eisenhower, DDEL, AWF, International Series, box 16, folder the President—Churchill (vol. I), 20.1.1953—28.5.1953 (I). See for the predominantly political but also military reasons why Britain finally opted for an Australian range: Lorna Arnold, A Very Special Relationship. British Atomic Weapon Trials in Australia, London 1987, pp. 19—22. The United States reaction was rather lukewarm: Gowing (see fn. 1), p. 450; Arnold, ibid., p. 52. 6.1.1953, DDEL, AWF, DDE Diary Series, box 9, folder 3; 13.2.1953, ibid., folder 2. See also: Anthony Seldon, Churchill's Indian Summer. The Conservative Government. 1951—55, London etc. 1981, pp. 390—391; Stephen E. Ambrose, Eisenhower, Vol. 2: The President, New York 1984, pp. 19, 222, 268.
246
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More than anything else, important changes in US security policy lay at the root of the new American attitude towards nuclear cooperation with Britain and, to a lesser extent, the other NATO allies in Europe. The new president had long disapproved of the 1946 McMahon Act and he was sympathetic to expanding the relationship with the allies. His administration's New Look in defence emphasised the importance of allied relationships for the United States. The new basic security policy, NSC 162/2, adopted on 30 October 1953, stressed that the United States could not meet its defence needs without the support of allies and bases overseas. About a month later the National Security Council agreed on NSC 151/1, which resulted in an important change in the administration's policy pertaining on the disclosure of atomic information to allied countries. The major proposals in NSC 151/2, subject to revision of the existing atomic energy legislation, concerned the sharing of information about the effects of nuclear weapons, the tactical and strategic use of such weapons, and Soviet atomic capabilities. Eisenhower's personal attitude towards
the sharing of information with the allies was clearly very liberal, and at this juncture he overrode more restrictive interpreters of the new nuclear policy, like the Joint Chiefs of Staff and above all Chairman of the Atomic Energy Commission Lewis Strauss18. During Eisenhower's first term the British did receive more positive American signals of cooperation. However, a more detailed analysis shows that until the enforcement of the new Atomic Energy Act of August 1954, and the following bilateral Agreement for Cooperation in June 1955, the United States could not meet British requests for nuclear cooperation where they exceeded the stipulations of the 1946 McMahon Act. As Timothy Botti demonstrated convincingly, progress in the nuclear relationship during the period 1952—1956 hardly went beyond the rhetoric of cooperation. A major impediment to increased nuclear cooperation was resistance in the US governmental bureaucracy, in particular from the AEC and Department of Defence, and from the JCAE19. Atomic cooperation was discussed in bilateral meetings at Bermuda and in Washington, in December 1953 and June 195420. The British delegation prepared a broad range of subjects related to atomic energy, to be discussed at the three-power conference in Bermuda21. 18
19 20 21
30.10.1953, NSC 162/2, Report to the NSC by Lay on Basic National Security Policy, FRUS 1952-1954, II, pp. 577-597; 4.12.1953, NSC 151/2, Report to the NSC by Lay on Disclosure of Atomic Information to Allied Countries, ibid., pp. 1256—1285; 4.12.1953, NSC Memorandum of Discussion, DDEL, AWF, NSC Series, box 5, 173rd Meeting, 3.12.1953. Also: Timothy J. Botti, The Long Wait. The Forging of the Anglo-American Nuclear Alliance. 1945—1958, New York 1987, pp. 121—126; Ambrose (see fn. 17), pp. 145—146. The importance of alliances in NSC 162/2 has generally been overshadowed by other aspects of the New Look. See: John Lewis Gaddis, Strategies of Containment. A Critical Appraisal of Postwar American National Security Policy, New York, Oxford 1982, pp. 152—154.
(see fn. 18). Undated, Schedule for Bermuda meeting, PRO,
Botti
Prime Ministerial File
(PREM)
11/418.
5.12.1953, Notes by Strauss of Eisenhower-Churchill Meeting, FRUS 1952—1954, V, pp. 1767—1769; Dwight D. Eisenhower, The White House Years. Mandate for Change 1953—1956, New York 1963, p. 250; Richard G. Hewlett/Jack M. Holl, Atoms for Peace and War 1953—1961. Eisenhower and the Atomic Energy Commission, Berkeley etc. 1989, pp. 213—214; Lewis L. Strauss, Men and Decisions, New York 1962, p. 373.
The
Anglo-American Relationship and the
Limits of Britain's Nuclear
Policy
247
During the bilateral talks Churchill made his classical plea for the resumption of wartime technical cooperation, and, as a somewhat more realistic request, he urged that it would be important for the United Kingdom to be able to design its planes with appropriate knowledge of the weight, dimensions and ballistics of American nuclear weapons. Further, as long as the United Kingdom did not possess its own stockpile of atomic weapons, he said in a private talk with the President, the Royal Air Force would have to rely on a certain number of American atomic bombs, stored in England and under US custody, for use by British bombers in the event of war. Eisenhower expressed his sympathy in principle but he was not in the position to answer this barrage of questions immediately. He and Strauss explained that steps were being taken to amend the McMahon Act during the next session of Congress22. To support his requests and facilitate a good climate in atomic energy matters, Churchill produced a photocopy of the 1943 Quebec Agreement, but to no avail. The British Ambassador in Washington, and long time expert in atomic negotiations, Sir Roger Makins, had informed the State Department earlier on a personal and highly confidential basis, that the way »the old man« was rankled by the past should not be taken too seriously. He stated that »Churchill would be strongly advised not to take this matter up with the President, and in particular not to make a harangue about the past promises broken by the US in this field«23. Real progress was rather at odds with Churchill's ambitious schemes for atomic collaboration. Some weeks before Bermuda, the AEC had found ways within the existing statute to effect an exchange of data with Britain on the effects of atomic weapons, although it would take more than six months before this was put into effect. Contrary to initial British beliefs, however, the evaluation of the data collected about Russian atomic explosions was not permitted under the existing atomic energy legislation24. Eisenhower's Atoms for Peace speech, presented at the United Nations on 8 December 1953, was the atomic issue that, unexpectedly, received much more attention during and after Bermuda. The President showed the draft proposal for the creation of an International Atomic Energy Agency to Churchill, who, at first sight, generally agreed with it but proposed corrections on a few points. Cherwell doubted whether, in the present form, the plan would achieve much and predicted »interminable arguments« with the Soviet Union25. 22
23
24
25
5.12.1953, Notes by Strauss of Eisenhower—Churchill meeting, see fn. 21; 2.12.1953, Memorandum of Conversation by MacArthur, FRUS 1952-1954, V, pp. 1725-1726.
Ibid.; Jan Melissen, Prelude to Interdependence. The Anglo-American Relationship and the Limits of Great Britain's Nuclear Policy. 1952-1957, in: Arms Control, 11 (1990) 3, S. 205-231. 12.11.1953, Memorandum of Discussion at the 170th Meeting of the NSC, FRUS 1952-1954, II, pp. 1244-1247; Strauss (see fn. 21), pp. 372-373; 7.12.1953, Cherwell to Churchill, DDEL, AWF, International Series, box 17, folder the President—Churchill (vol. Ill), October—December 1953 (2); 26.6.1954, Memorandum by Strauss, FRUS 1952-1954, VI, pp. 1096-1097. Hewlett/Holl (see fn. 21), p. 71; John W. Young, Churchill, the Russians and the Western Alliance: the three power conference at Bermuda. December 1953, in: The English Historical Review, 101 (1986) 3, pp. 905-906; 6.12.1953, Churchill to Eisenhower, PRO, PREM 11/1074; 7.12.1953, Churchill to Eisenhower, DDEL, AWF, DDE Diary Series, box 4, folder 2; Strauss (see fn. 21), pp. 358—359. See also: Shuckburgh (see fn. 21), p. 155; Eisenhower (see fn. 21), p. 251.
248
Jan Melissen
Churchill's nuclear diplomacy led to another encounter in Washington at the end of June 1954. In the meantime, on 17 February 1954, Eisenhower had asked Congress for amendments to the 1954 Atomic Energy Act, that would authorise the United States Government to provide NATO allies with tactical information for the development of defence plans and the training of personnel for atomic warfare, as well as exchange of information concerning the use of atomic weapons26. Before his trip to Washington Churchill wrote to Eisenhower that among the subjects that would be discussed »the main and obvious topic is interchange of information about atomics, etc., and the progress of your great design to develop its harmless side«. The two points were related to some extent, as the British apparently feared that the International Atomic Energy Agency might dilute American interest in bilateral atomic agreements. Shortly before the conference the Prime Minister tried to press Eisenhower on the subject of sharing information by threatening him with the interdependent character of the nuclear relationship. Apparently exasperated by the slow progress in the negotiations with the United States he wrote: »I am sure you will not overlook the fact that by the Anglo-American base in East Anglia we have made ourselves for the next year or two the nearest and perhaps the only bull's eye of the target27«. During the meeting at the end of June, that for different reasons neither Eden nor Dulles had wanted, Eisenhower found it difficult to talk about matters of substance to an »old and feeble« Churchill28. His requests for an increased interchange of secret atomic information could not be met because it required, as a first step, amendments to American atomic energy legislation. With this in mind Dulles could report to the National Security Council that in »the area of atomic energy matters, nothing of great significance had transpired«. Even so, American sources suggest that Eisenhower now promised Churchill that his Government would give the United Kingdom nuclear weapons in the event of an emergency, which necessitated the conversion of British bombers to carry American nuclear weapons. This was to remain secret despite later attempts by the then Prime Minister Anthony Eden, during the Suez crisis, to announce publicly that British bombers had been adapted to carry American bombs29. Eisenhower's Special Address to the Congress is printed in: Public Papers of the Presidents of the United States Series. Papers of Dwight D. Eisenhower, 1954, Washington D. C. 1958, pp. 260— 269.
24.5.1954, Churchill
to Eisenhower, DDEL, AWF, DDE Diary Series, box7, folder 1; 18.6.1954, Telegram by Aldrich to Dulles, FRUS 1952-1954, VI, pp. 1065-1067; John Colville, The Fringes of Power. Downing Street Diaries, vol. II: 1941—April 1955, London 1987, p. 357; Hewlett/Holl (see fn. 21), p. 226; 21.6.1954?, Churchill to Eisenhower, FRUS 1952—1954, VI, pp. 1069—1071. David Carlton, Anthony Eden. A Biography, London 1981, pp. 351, 352; Robert Rhodes James, Anthony Eden, London, Basingstoke 1986, pp. 379—380; Shuckburg (see fn. 4), p. 197; Ambrose (see
fn.
17), pp. 197, 198. 2.7.1954, Memorandum of Discussion, 205th Meeting, 1.7.1954, DDEL, AWF, NSC Series, box 5; 23.6.1954, Memorandum by MacArthur, NA, RG 59, 711.56/6—2353, box 3174; Botti (see fn. 18), p. 138; 29.6.1954, Statement by President Eisenhower and Prime Minister Churchill, FRUS 1952-1954, VI, pp. 1132-1133; 12.10.1956, Eisenhower to Eden, DDEL, AWF, Dulles-Herter Series, box 6, folder Dulles October 1956 (2); Rhodes James (see fn. 28), pp. 525, 526.
The
Anglo-American Relationship
and the Limits of Britain's Nuclear
The US Bureaucratic
Policy
249
Impasse
Congress passed the new Atomic Energy Act that allowed for the the external characteristics of nuclear weapons in terms of their size, weight, shape, yield and effects. Information on the design and fabrication of nuclear weapons remained restricted data. In December 1954 Dulles persuaded the NATO Council to adopt a tactical nuclear strategy30. One source of increased information for Britain, however limited, was thus through NATO. But this was not the British conception of Anglo-American nuclear cooperation. Through NATO the United Kingdom would not get the technical information it really wanted, and in the 1950's British political leaders felt that within the North Atlantic Alliance, the European continent was one thing, and Britain and the United States were another. In contrast, leading figures in American nuclear policy-making conceived of the special nuclear link with Britain as an element, however important, of US nuclear policy towards the European allies. AEC Chairman Strauss was a radical and influential exponent of such an approach. In March 1955 he wrote to Eisenhower that Churchill, who constantly comthe lack of nuclear information had about plained exchange, »quite possibly« no information that the conveyance of information to NATO »is progressing so favourably«. Beyond doubt he would not have reassured the Prime Minister with such an answer31. According to the new atomic energy law Britain received preferred treatment, but after amending the law the cumbersome US political machinery became involved in the negotiation and confirmation of a subsequent bilateral agreement. The AEC especially, under the cautious Strauss, imposed its restraining influence on the coming about of such an executive agreement with the British. Moreover, the new law stipulated that for 30 days, while Congress was in session, any agreement for cooperation should lay before the Joint Committee on Atomic Energy. This complicated Eisenhower's desire for a quick agreement, because the Joint Committee stood firm on the principle of nonproliferation, it was mistrustful of the President's liberal attitude towards sharing nuclear information with the allies and wary of British security standards. The complicated and protracted process of negotiating and implementing the »Agreement for Cooperation regarding Atomic Information for Mutual Defence Purposes« of 15 June 1955, reinforced British frustrations about the slow advance in nuclear cooperation with the United States. Throughout 1955 AEC-DOD differences over the information exchange on atomic weapons characteristics prevented the passing of such information. As late as March 1956 Strauss expressed to Eisenhower his opinion that »disclosure of even limited external information would tell too much about other features«. However, On 30
August
sharing of data
30
31
1954 on
Andrew J. Pierre, Nuclear Politics. The British Experience with an Independent Strategic Force 1939—1970, London etc. 1972, p. 139. Pierre's classical study is strong on the NATO context of USUK nuclear cooperation; 30.8.1954, Public law no. 703, 83rd Congress, To amend the atomic energy Act of 1946, as amended and for other purposes, in: Atomic Energy Act of 1946 and Amendments, Washington D.C. 1975, pp. 33-75. 3.3.1955, Strauss to DDE, DDEL, AWF, Administration Series, box 4, folder Atomic Energy Commission 1955—56 (8).
Jan Melissen
250
the President disapproved of such a reluctant approach and said he »saw merit in saving our allies false starts, and putting them in a position to make a full contribution both as a deterrent and in actual operations«. Inter-agency disputes and clashes between the executive branch and the JCAE came to a head about the intended transfer of nuclearsubmarine propulsion information to Great Britain. On 15 June 1956, exactly one year after the conclusion of the original bilateral, an amended US/UK agreement was put before the JCAE. It was implemented on 5 February 195732. The American bureaucratic impasse in the mid-1950's lay, of course, beyond British influences and lobbying power, and the change of leadership in Britain did not affect it in any way What is true, however, is that during his short period as Prime Minister Anthony Eden did not show the same drive to reach a better nuclear understanding with the Americans as his predecessor. He flew to Washington at the end of January 1956 to discuss, among other things, nuclear matters. From the incomplete documentary evidence on this trip, however, it is rather unclear whether anything of importance was agreed at that time, although Eden reported to Cabinet that Eisenhower »had made most generous offers of assistance over weapon development«33. In sharp contrast with Churchill, Eden did not consider Anglo-American understanding as a crucial precondition for major decisions of foreign policy, and he was often irritated by the neglectful way Britain was treated by her major ally. According to one generally very sympathetic biographer his perception of the nature of the alliance with the United States was »a serious lacuna in his international wisdom and understanding«34. Eisenhower, no doubt influenced by the behaviour of Eden during the Suez crisis complained in a conversation with Dulles about him: »one of the most disappointing things was to start with an exceedingly high opinion of a person and then to have continually to downgrade this estimate on the basis of succeeding contacts with him35«. In the period 1952—1956 progress in the Anglo-American nuclear relationship was very slow, and on the whole atomic negotiations were a frustrating experience for the British. 32
Agreement for Co-operation regarding Atomic Information for Mutual Defence Purposes, Washington, 15.6.1955, Command Papers (Cmnd.) 9555, Treaty Series no. 52.; 8.3.1956, Memorandum of Conference with the President by Goodpaster, DDEL, AWF, DDE Diary Series, box 13, folder Goodpaster; Amending the Atomic Energy Act of 1954. Hearings before the Subcommittee ...
on
Agreements for Cooperation of the Joint Committee of Atomic Energy, 85th Congress, 2nd Ses-
sion, Exchange of Military Information and Material with Allies, Washington 1958, Appendix B., pp. 513—519; see for a detailed analysis of the bureaucratic resistance and delays in the United States,
well as opposition by the JCAE affecting the negotiation and enforcement of the 1955 agreement: Botti (see fn. 18), pp. 143—165. 1.2.1956, Communiqué January—February Meeting in Washington between Eisenhower and Eden, PRO, PREM 11/1134; 1.2.1956, Telegram by Makins to Foreign Office, ibid.; 2.2.1956, Eisenhower to Strauss, DDEL, AWF, Administration Series, box 4, folder Atomic Energy Commission 1955—56 (5); 3.2.1956, Telegram by Barbour to Department of State, NA, RG 59, 611.41/2-356, box 2477; 9.2.1956, PRO, CAB 128/30 CM 10 (56) 2. Rhodes James (see fn. 28), pp. 352, 353; see also Carlton who is even more critical of Eden (see fn. 28), pp. 299-300, 344. 17.11.1956, Memorandum of Conversation by Macomber, DDEL, Dulles Papers, White House Memoranda Series, box 4, folder Meetings with the President, August through December 1956 (3). as
33
34
35
The
Anglo-American Relationship
and the Limits of Britain's Nuclear
Policy
251
The rhetoric of cooperation at the time and a considerable part of the existing literature related to the subject suggested a much rosier picture, however. Nevertheless, the positive perception of cooperation and persistent efforts to increase information exchange with the British by the American executive, were the first steps towards the provision of the critical American help which supported the modernisation of the British deterrent in later years. Progress towards technical cooperation quickly accelerated in 1957. Britain claimed her first thermonuclear tests; and the restoration of mutual confidence after the Suez crisis in a declared policy of interdependences as well as the impact of the launching of Sputnik in the United States, drove both countries further together in the nuclear field. In July 1958 the Atomic Energy Act was finally amended to allow the much needed American assistance to the British nuclear weapon programme. During the Churchill-Eden years all this would have seemed far away. But the period 1952—1956 showed the extent to which the Conservative Governments were committed to cooperation with the United States, and the tenaciousness of British nuclear diplomacy aimed at fulfilling this goal. The obvious reason for this attitude was that, despite the country's efforts on its own, Britain fully depended on the United States if it wanted to develop a nuclear deterrent quickly. The H-Bomb: Decision and Because of the Americans' poor record as
Impact
atomic partner the Churchill Government decided to develop a thermonuclear capability of its own. At Bermuda, in December 1953, Cherwell had announced to the Americans that Britain did not have any intention of building the H-bomb because he thought it beyond Britain's means and technological capabilities, but during the June 1954 visit to Washington Churchill informed Eisenhower of Britain's decision to proceed with thermonuclear development36. Despite the discussions on atomic issues at Bermuda, the real significance of this highly destructive arm had apparently escaped Churchill at the time. What really made him aware of the impact of the H-bomb was an ominous speech by Sterling Cole, member of the JCAE, in Chicago on 17 February 195437. Once convinced of the new revolution in weapon development, the Prime Minister said to his private secretary, with rather characteristic hyperbole, that »the difference between the hydrogen bomb and the atomic bomb is greater than that between the atomic bomb and the bow-and-arrow38«. The advent of the H-bomb was rather overrated by Eden and Churchill, and governmental thinking on the impact of the new weapon was rather inconsistent. The Foreign Secretary said later that the Geneva Conference in 1954 was »the first international meeting at which I was sharply conscious of the deterrent power of the hydrogen bomb [...]. I do not believe that we should have got through the Geneva Conference and avoided a major 36 37
38
an
Hewlett/Holl (see fn. 21), pp. 214, 276; 7.7.1954, PRO, CAB 128/27 CC 47 (54) 5. March 1954, Churchill to Eisenhower, DDEL, AWF, International Series, box 17, folder the Presi-
dent—Churchill, 1.1.—30.6.1954. Rhodes James (see fn. 28), pp. 382,
383.
252
Jan Melissen
without it«. In terms of the military equation, he thought that »the evolution from the atomic to the hydrogen bomb was to diminish the advantage of physically larger countries. All became equally vulnerable39«. In contrast to this Churchill had painted to Eisenhower the gloomy picture of the explosion of four or five thermonuclear weapons on the British Isles, and »the ugly idea« of »the dropping of an H-bomb in the sea to windward of the Island«. The 1955 White Paper also admitted that the new weapon »greatly increases the difficulty of defence«. The common denominator in the incoherent governmental thinking about the impact of the new weapon was the view shared by official strategic thinkers, that not only Britain but also the Soviet Union and the United States became vulnerable to thermonuclear destruction40. On 13 April 1954 Churchill had announced that he »would like to invite the Cabinet at an early date to decide in principle that hydrogen bombs should be made in the United Kingdom«. On 16 June the Defence Policy Committee agreed on the production of the thermonuclear bomb, and in the beginning of July quite vehement discussions took place in a largely unprepared Cabinet. On the 26th of that month, Cabinet approved the proposal that Britain's atomic energy programme should be able to develop thermonuclear bombs. About six months later, in February 1955, the Government made its decision public in its White Paper on defence41. There were clear similarities with Attlee's decision to go atomic seven and a half years earlier. In both cases the traditional argument about Britain's power status played a role: »we could not expect to maintain our influence as a world power unless we possessed the most up-to-date nuclear weapons«. But as had been the case with the 1947 decision, uncertainty about US policy loomed largest in the H-bomb decision. A proper insurance against a possibly bellicose American ally, it was believed, »was to maintain our influence with the United States; and they would certainly feel more respect for our views if we continued to play an effective part in building up the strength necessary to deter aggression than if we left it entirely to them to match and counter Russia's strength in thermonuclear weapons42«. The maintenance of a maximum measure of British power and influence through the relationship with the United States, and not a rather abstract world power status per se, was of overriding importance in concrete policy-making. Fears about the future behaviour of the United States in the cold war, and the expectation that Britain's restraint might carry weight with the Americans, rather than threatening Soviet capabilities, influenced the decision to build thermonuclear weapons43. war
39 40
The Memoirs of The Rt. Hon. Sir Anthony Eden. Full Circle, London 1960, pp. 123, 368. March 1954, Churchill to Eisenhower, DDEL, AWF, International Series; Statement on Defence 1955, op. cit.; see for the evolution of government thinking in this period also the earlier literature: A.J. R. Groom, British Thinking About Nuclear Weapons, London 1974, pp. 93—113; Pierre (see fn.
41
42 43
30),
pp. 86-94.
13.4.1954, Note of a Meeting of Ministers, PRO, CAB 130/101, GEN 464/lst Meeting; 7.7.1954, PRO, CAB 128/27 CC47 (54) 5; 8.7. 1954, ibid. 48 (54) 2; 26.7. 1954, ibid. 53 (54) 3; February 1955, Statement on Defence 1955, Cmnd. 9391. 7.7. 1954, PRO, CAB 128/27 CC47 (54) 5; 8.7. 1954, ibid., 48 (54) 2. See for this interpretation also Clark/Wheeler (see fn. 1), p. 214.
The
Anglo-American Relationship and the
Limits of Britain's Nuclear
Policy
253
The H-bomb decision was also based on the judgment that future technical cooperation with the United States might only be achieved, if Britain could demonstrate the technical ability to produce thermonuclear weapons44. Conversely, the danger of nuclear proliferation in Europe as a result of British thermonuclear development, by countries perhaps applying an analogous kind of logic, was dismissed in Cabinet discussions. Nigel Birch, Parliamentary Secretary to the Minister of Defence, opposed the development of the H-bomb on the grounds that it might encourage nuclear proliferation and endanger disarmament efforts. But apart from Birch's doubts, voices of opposition to H-bomb development do not seem to have been very loud. Against proliferation worries it was countered in Cabinet that »we had already embarked on the production of atomic weapons. There was no sharp distinction in kind between atomic and thermonuclear weapons«. Accordthe Cabinet Eden minutes silenced to concerns ing finally proliferation by stating that »our power to control the of in production thermonuclear weapons Western Europe would not [...] be weakened by the fact that we ourselves were making these weapons45«. Political leaders did not regard Britain's own atomic performance in terms of proliferation, but one outcome of the objective to force a close nuclear link with the United States, as will be discussed later, was that the British nuclear force was to be hedged in by the Americans. The advent of thermonuclear weapons also triggered a debate about the requirements of strategy, as related to the transatlantic strategic relationship with the Americans. In this respect it is worth noting that the Churchill Government did not draw the conclusion that, since North America would now also become vulnerable to Soviet nuclear destruction, the credibility of the United States nuclear guarantee to Western Europe would decline. It is true however, as Lawrence Freedman, Martin Navias and Nicholas Wheeler remark in their excellent study of British rationales for possessing nuclear weapons, that such thoughts were expressed by officials involved in military planning46. This is not the place to analyse in detail the military thinking that underpinned the deterrent policy of the Churchill and Eden Governments. But what is of importance here, is that the twin aims of reliance on the United States and the necessity of influencing American nuclear weapons policy with a British contribution to the allied deterrent had been part and parcel of the strategic thinking on which the Conservative Governments' security policy was based. In mid-1952 the Chiefs of Staff's Global Strategy Paper, which preceded American thinking on the growing importance of the nuclear deterrent, argued that »to have no share in what is recognised as the main deterrent in the cold war and the only Allied offensive in a world war would seriously weaken British influence on United States policy and planning in the cold war«. Almost three years later the case against relying solely on the US nuclear deterrent was phrased in a similar fashion in
John Simpson, The Independent Nuclear State. The United States, Great Britain and the Military Atom, Houndmills, Basingstoke 1983, p. 95. « 8.7. 1954, PRO, CAB 128/27 CC 48 (54) 2; Pierre (see fn. 30), p. 91; Clark/Wheeler (see fn. 1), p. 215. 46 Clark/Wheeler, ibid., pp.216, 217; Lawrence Freedman/Martin Navias/Nicholas Wheeler, Independence in Concert: The British Rationale for Possessing Strategic Nuclear Weapons, College Park, MD 1989, Occasional paper 5, pp. 12, 13. 44
254
Jan Melissen
the House of Commons by Harold Macmillan, then Minister of Defence: »Politically it surrenders our power to influence American policy and then, strategically and tactically it equally deprives us of any influence over the selection of targets and the use of our vital striking forces. The one, therefore weakens our prestige and our influence in the world, and the other might imperil our safety«. An unequal division of labour between the Royal Air Force and the United States Air Force served political and strategic
goals simultaneously47. governmental thinking on the H-bomb took place against the background of a very heated public debate about the dangers of radioactive fall-out, as a result of experimental thermonuclear explosions, and early thoughts about a test ban. Foreign British
issue of a test moratorium with Dulles in May and June 1954. In the spring of 1954 British scientists considered it feasible to detect thermonuclear explosions, and Eden seemed to favour a moratorium on tests48. From the outset the question of a test ban was linked to British requests for secret nuclear information. According to Dulles's paraphrase in the telegram style of an NSC memorandum, Eden had said in Geneva that he hoped that if there were a moratorium the United States would be »as kind to UK as possible within US laws«. On this point the American and British records tell a somewhat different story. Eden told a Cabinet subcommittee meeting on questions of nuclear policy that Dulles himself had indicated that, »if such a moratorium was not to work to our advantage, the United States might have to consider whether they could either supply us with hydrogen bombs or with such technical information as would enable us to make them without further experiments49«. This is another example of how misperceptions of one another's intentions could slip into Anglo-American nuclear diplomacy, and give the British groundless hopes. However, at this stage, a group of British senior officials did not give themselves any illusions that the Americans would be able to provide them with knowledge on the design and production of thermonuclear weapons. Nevertheless these advisers argued that, if the Government were to decide to take the moratorium proposal further, they might initially make it a condition that they be told about the effects and possible use of the hydrogen weapon. They concluded Britain would be well placed to »press that the United States Administration should seek means of giving us information about design and production50«. American thinking about a ban was all shadowboxing at this time. The moratorium was not a practical option in the American Government, all federal agencies agreed on and »Dulles had favoured the idea as a means of improving United States relations that, with the United Kingdom51«. Britain's real desire for a test moratorium ceased as soon
Secretary Eden discussed the
47
48 49
50 51
Gowing (see fn. 1), p. 441; Lawrence Freedman, Britain and Nuclear Weapons, London, Basingstoke
1980, p. 5; Clark/Wheeler, ibid., p. 167—168. 2.5.1954, Telegram by Dulles to Department of State, FRUS 1952—1954, II, pp. 1418—1419. 6.5.1954, Memorandum of Discussion at the 195th Meeting of the NSC, ibid., pp. 1423—1424; 13.4.1954, PRO, Note of a Meeting of Ministers, CAB 130/101 GEN. 464/lst Meeting. 13.4.1954, see fn. 49. Hewlett/Holl (see fn. 21), pp. 224; 17.5.1954, Anderson to Dulles, FRUS 1952—1954, II, pp. 1437— 1440; 27.5.1954, Memorandum of Discussion at the 199th Meeting of the National Security Coun-
The
Anglo-American Relationship and the Limits of Britain's Nuclear Policy
255
develop an H-bomb of her own. For the new Eden Government, however, an outright and public rejection of proposals for a test ban in 1955 was not so simple. After a general election in which the vote for such a ban was an important issue parliamentary pressure by Labour had only increased. The Prime
as
it became clear that she would
Minister could not dismiss the idea of a ban out of hand. He wanted to reassure the British public that Britain and the United States were studying the matter; AngloAmerican readiness to consider plans for a test limitation or regulation might make domestic political pressure more manageable52. Eden raised the problem of a joint approach again during his January 1956 visit to Washington, but the Eisenhower Administration remained unwilling to consider any proposal for the regulation or limitation of tests. Later in 1956, a presidential election year, Eden's requests did not have any chance either. High-ranking British officials were also much disturbed by such demarches of the Prime Minister. Ambassador Makins cabled: »Of the three states making nuclear weapons we alone have not tested the megaton weapon and we cannot do so before 1957 [...] we have the most to lose from any curtailment of our freedom to conduct nuclear tests, and therefore the most to lose from raising the question of limitation53«. In the autumn of 1956 Foreign Secretary Selwyn Lloyd and Minister of Defence Anthony Head also advised against independent moves in the face of US opposition. They argued that »a unilateral declaration by the United Kingdom, coupled with an invitation to the United States and Russia to make corresponding declarations is a conceivable method, but to do this would be straining too far our relationship with the United States«. Therefore it would be »absolutely essential to carry the United States with us«. It was decided that the United States would be approached again after the presidential elections. As it turned out this would also be after the fall of Eden54.
Delivery
Vehicles
The fear of too strong a dependence on the United States has always been present in British nuclear policy and after the Suez crisis it became a notable feature of the declared policy of independent deterrence. International prestige and the political situation at home demanded that Britain maintains her image of a nuclear power »standing alone«. However, successive decisions taken by the Eden Administration about the size of its principal strategic delivery system, the medium bomber force, reveal an increasingly modest conception of the British nuclear deterrent during the years 1955/1956. Several compromises
52
53
34
eil, ibid., pp. 1452—1456; 23.6.1954, Memorandum of Discussion at the 203rd Meeting of the NSC, ibid., pp. 1467—1472; 23.6.1954, Memorandum by Dulles to the NSC, ibid., pp. 1463—1467. Arnold (see fn. 16), pp. 82, 83; Robert A. Divine, Blowing on the Wind. The Nuclear Test Ban Debate
1954-1960, New York 1978, pp. 58, 59. 1.2.1956, PRO, Record of a Meeting in the White House, PREM 11/1334; 9.2.1956, PRO, CAB 128/30, CM 10 (56) 2; Hewlett/Holl (see fn. 21), pp. 333, 334; Arnold (see fn. 52). 24.10.1956, Memorandum by Lloyd and Head, PRO, CAB 129/83, CP (56) 243; 25.10.1956, ibid., CAB 128/30 CM 74
(56)
6.
256
Jan Melissen
Cabinet, which led to the reduction of the planned number of V-bombers, show a trend in real policy that can only be understood as resulting from a perception of the British nuclear force as a deterrent force in alliance with the American deterrent55. During the Churchill and Eden Governments the V-force was not yet operational. Development of the bombers had only received a super-priority rating in 1952; and the first squadron of Valiants was operational in 1957, the year in which delivery of the first production aircraft of the other two types, the Vulcan and Victor, began56. Development of the three bombers put a heavy claim on a strained defence budget in the mid-1950's, and funding for the manned aircraft met with competition from research expenditure for the Blue Streak intermediate range ballistic missile. It had been at the insistence of the Royal Air Force that three types of medium range bombers be produced instead of one as was the American practice because the RAF was fearful of concentrating on the development of only one bomber and running the risk of making the wrong choice57. Apart from the obvious military reasoning for a sizeable force of strategic bombers, the political criterion for keeping a large V-force was, the refrain is all too familiar, to maintain influence over the United States in strategic policy. However, as Navias writes in his recent study of the bomber force: »if Britain wished to maintain influence over the United States in the making of strategic policy and the taking of political decisions then, relative to SAC, Bomber Command force levels could not be allowed to drop, assuming, as British decision-makers seemed to assume, that the British nuclear force did in fact influence the Americans58«. But this is exactly what did happen during the Eden years. As a result of several costcutting operations in Cabinet the number of aircraft was reduced from 240 to 184. On 19 December 1956, a few weeks before he became Prime Minister, Chancellor of the Exchequer Harold Macmillan even proposed to cut the number of bombers to the round figure of 10059. Such savings were not based on strategic calculations or political considerations but solely on economic grounds. In August 1957 Macmillan's Cabinet reinforced the existing trend when it agreed to reduce the size of the V-force even further to 144 aircraft60. A reduction from 240 to 144 V-bombers, that is 40 percent between 1955 and August 1957, was at variance with an increasing emphasis on the development of a British nuclear force with a large number of sophisticated delivery vehicles. Even less can it be harmonised with the notion of a Britain moving in the direction of independent deterrence during this period. in
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56
57
This section on the V-bombers draws largely on Martin S. Navias, Strengthening the Deterrent? The British Medium Bomber Force Debate. 1955—56, in: The Journal of Strategic Studies, 11 (1988) 2,
pp.203, 219. Gowing (see fn. 1), Alfred
pp. 234, 235, 442.
Goldberg, Military Origins of the British Nuclear Deterrent, in: International Affairs, (1964) 4, p. 612. Navias (see fn. 55), p. 205. 14.10.1955, The Defence Programme, PRO, CAB 131/16 DC 55 (43); 4.11.1955, ibid., DC 13 (55) 1; 19.12.1956, ibid., CAB 130/122, GEN 564/2nd Meeting. The
40 58 59
60
19.12.1956, ibid., CAB 130/122.
The
Anglo-American Relationship
and the Limits of Britain's Nuclear
Policy
257
As early as 27 July 1954, one day after formal Cabinet approval to develop the hydrogen weapon, the then Foreign Secretary Eden had aired his doubts about a large V-force in Cabinet. He proposed that »we might well consult with the United States government
the extent to which we should supplement the lange resources of their strategic bomber force61«. The synchrony of the H-bomb decision and Eden's statement may lead one to suggest that his early thoughts about the possible reduction of the medium bomber force were related to the idea that, because of the enormous increase in explosive power of thermonuclear weapons, fewer delivery systems would suffice for Britain's nuclear force. There is no evidence, however, that such a link was made by Eden or his colleagues. Financial savings dictacted the budgeting exercises of the Eden Government, and political and military arguments against the imposed cuts were ignored. It left Britain with plans for a reduced delivery force which seemed to be based on the notion of possession of nuclear weapons only, but could certainly not fulfil aspirations towards an independent strategic force. Cabinet decisions in 1955 and 1956 merely reflected the need for some sort of nuclear capability, with an important political-psychological function, and an increasingly limited military role within the alliance. In August 1957, notwithstanding the rhetoric of independent deterrence, Minister of Defence Duncan Sandys remarked in the Defence Committee: »Though the V-bomber force had not been assigned to the North Atlantic Treaty Organisation, the Supreme Allied Commander, Europe, had been assured that its primary task was to support the forces under his command62«. The Blue Streak IRBM was supposed to supplement the V-bombers from the mid-1960's onwards as the centrepiece of Britain's nuclear force. Following an agreement in June 1954 between the American Secretary of Defence Charles Wilson and Duncan Sandys, then Minister of Supply, the United Kingdom had undertaken the development of an indigenous IRBM, and the decision was made public in the Statement on Defence of 195563. The development of Blue Streak placed a great strain on Britain's limited technological base. And although intended as an insurance for an operationally independent nuclear force, the development of the missile was heavily dependent on American technology and financial assistance. The motor and internal guidance system were from US blueprints, and the Americans had promised to contribute 15 percent of the production costs. By early 1957 the United States had contributed over 5 million dollars to the research project64. In 1955 and 1956 the case for a possible cancellation of Blue Streak aroused some disagreements in the British defence establishment. Influential voices, like that of the Chairman of the Chiefs of Staff Sir William Dickson, argued against the urgings of scientific adviser Sir Frederick Brundrett that Britain would be better off relying on American IRBMs without having to pay for them. In December 1956, however, Minister of Defence Anon
61 62
27.7.1954, ibid., CAB 128/27, CC 54 (54) 2.8.1957, ibid., CAB 131/18 DC 7 (57) 2.
4.
The History of the Joint Chiefs of Staff. The Joint Chiefs of Staff and National Policy, Vol. V: Robert J.Watson: 1953-1954, Washington D.C. 1986, pp. 185-186. 64 8.3.1957, NA, Brown to Timmons, RG 59, 741.5612/3—857, box 3199; Freedman (see fn. 47), pp. 8-9; 63
Groom
(see
fn.
40),
pp. 124—126.
Jan Melissen
258
thony Head directed that research and development work (R&D) on Blue Streak should
continue65. The new Macmillan Government gave limited support to the development of Blue Streak. Concern was expressed in Cabinet that abandonment of the IRBM project »would pass the responsibility for the deterrent entirely to the United States«, but it was also realized that there would be no alternative to obtaining United States weapons to meet earlier demands for missiles66. As early as January 1957 Macmillan himself expressed doubts about the project to develop an indigenous IRBM, and at the close of his second month at Number 10 Downing Street he said to his colleagues on the Defence Committee: »At this stage we need not plan to produce ourselves a medium-range ballistic rocket, but we should continue a modest programme of research so that we could still make a contribution to the United States development programme67«. The Prime Minister apparently recognized and accepted that Britain's technological inferiority to and dependence on the United States in the missiles field was such that, even in the most optimistic estimation, she might only make a very small research contribution to the American missile programs. During the subsequent years it became increasingly clear that the liquid-fuel-fixed-site Blue Streak was going to be obsolete before it was operational. The IRBM project was cancelled in 1960, and from then onwards Britain bought all its strategic missiles from the Americans. Yet, in the period 1954—1957 the far-reaching dependence on the United States was already patently obvious, and finally accepted by those who held the highest positions in government. From the moment Macmillan came into office he seized upon the IRBM problem to strike out on his new course of a policy of increasing reliance on, and interdependence with the United States. This became even more clear in the case of the acquisition of the American Thor missile. During a meeting in Washington between Minister of Defence Sandys and his American counterpart Wilson, in January 1957, the US Defence Secretary offered Britain US missiles in the 1500 miles range under a dual-key arrangement. The transfer of four squadrons of 15 IRBMs equipped with American warheads, and to be held under US custody on bases in Britain, was arranged in principle during the March 1957 Bermuda meeting between Eisenhower and Macmillan. The conditions attached to the Thor agreement, which was not concluded until February 1958, make the missile deal a good example of how entwined the British nuclear force with the American deterrent68. A full became closely of the examination Thor saga would go beyond the period evaluated here. Together with British policy towards the V-bombers and Blue Streak, however, governmental attitude towards the deployment of Thor during 1957 give a clear picture of Britain's move towards 65
«• 67 68
Martin Stephen Navias, The Sandys White Paper of 1957 and the Move to the British New Look. An Analysis of Nuclear Weapons, Conventional Forces and Strategic Planning. 1955—57. PhD thesis, London, Departmenrof War Studies, King's College of the University of London, 1989, pp. 195—201. 27.2.1957, PRO, CAB 131/18 DC 2 (57) 1. 23.1.1957, Note of a Meeting of Ministers, ibid., CAB 130/122, GEN./567; 27.2.1957, ibid. February 1958, Supply of Ballistic Missiles by the United States to the United Kingdom, Cmnd. 366; 22.2.1958, Exchange of Notes concerning the Supply to the United Kingdom Government of Intermediate Range Ballistic Missiles, Cmnd. 406. ...
The
Anglo-American Relationship
and the Limits of Britain's Nuclear
Policy
259
conception of her deterrent in alliance with the United States, and as one in which the role of Thor was largely political. A look at the in-house perception of the role of these missiles clarifies the extent to which the new Government was willing to give up national control over its deterrent force. It was clear from the outset that Britain would not be able to use Thor in a war in which the United States were not engaged. This might raise the objection, as Sandys explained to Cabinet colleagues, that the United Kingdom was merely helping to execute American defence policy at a cheap price, but, as he continued, »we should not need to use these weapons except in a war against the Soviet Union, and there was no question of entering into such a war except in alliance with the United States69«. In a later meeting of a Cabinet subcommittee the Minister of Defence said he was satisfied that the American veto over the use of the missiles »might not be of great practical importance«70. It was for reasons of domestic sensibilities, as the British specified to the American Government at the end of 1957, that they wanted to write the joint-decision phrase from the 1952 Truman-Churchill understanding about American bases into the Thor agreement as well. Essentially, Macmillan said, he wanted to develop a formula so that »we can quote it«. In the negotiations with the Americans the Prime Minister got his way, but, as the Cabinet Defence Committee acknowledged, »in practice, there might be little time for consultation between the two governments71«. It was one thing to accept that »American missiles cannot, of course, be regarded as an element of independent British nuclear power«, as Sandys observed, but quite another to agree with the automatic use of the missiles in NATO72. The wording of the American draft of the missile agreement included an unequivocal commitment to article 5 of the North Atlantic Treaty, while the British were sensitive about going much further than just showing general solidarity with NATO. Here, for the second time in the Thor negotiations the British Government got its own way. Against the advice of Dulles and Secretary of Defence Neil McElroy, as the American record shows, Eisenhower gave in to Macmillan's wishes, and agreed to water down the phrase about automatic use of Thor in NATO73. The final wording of the ballistic missiles agreement was: »The decision to launch these missiles will be a matter for joint decision by the two Governments. Any such joint decision by the two Governments will be made in the light of the circumstances at the time and having regard to the undertaking the two Governments have assumed in Article 5 of the North Atlantic Treaty74«. This vague and ambiguous wording would help the a
69 70 71
72
73
74
23.1.1957, Note of a Meeting of Ministers, PRO, CAB 130/122, GEN./567. 30.5.1957, ibid., GEN. 570/2nd Meeting, Minute 2. 14.12.1957, Memorandum of Conversation by Smith, DDEL, White House Office, Office of the Staff Secretary, International Trips and Meetings Series, box 4, folder NATO, Heads of Government Meeting, December 14, 1957 (1); 31.12.1957, PRO, CAB 131/18 DC 14 (57) 3. 11.2.1958, Memorandum by the Minister of Defence, PRO, CAB 129/91, CM 40 (58). 31.12.1957, ibid., 31.12.1957, Undated (December 1957), Memorandum, DDEL, see fn. 71,16.12.1957 (1); 18.2.1958, PRO, CAB 128/32 CC 17 (58) 3; 21.2.1958, Memorandum by Dulles for Eisenhower, DDEL, AWF, Dulles-Herter Series, box 7, folder Dulles February 1958 (1). February 1958, Supply of Ballistic Missiles by the United States to the United Kingdom (see fn. 68), p. 3.
260
Jan Melissen
British Government to prevent any possible political uproar in Parliament, but in reality the woolly language obscured the fact that the deployment of Thor would mean a net loss of operational independence. In the Defence Committee it was admitted that »it was not unlikely« that the Supreme Allied Commander, Europe, »would be given delegated authority by the United States Government to authorize on their behalf the use of the missiles stationed in this country«75. As far as the value of the missile itself was concerned, the political implications of placing Thors in Britain were greater than their military significance. The American Government stressed above all the psychological importance of deploying the IRBMs in Britain and, at the time of the 1957 Bermuda understanding, Eisenhower himself was still inclined to discount their military impact. Indeed, throughout 1958 the development of the testing of the missile faced insurmountable problems, and at the end of 1958, almost two years after the Sandys-Wilson talks, only 10 Thors had been delivered to the UK. They remained in the hands of the contractors and were not transferred to the RAF or the USAF; six of them stayed in their hangars and the remaining four were used for training purposes only. In the beginning of 1959 Thor became operational and the four squadrons entered the United Kingdom. By that time, however, in a more friendly international climate, the British Government was reluctant to declare Thor operational. Under American pressure this finally happened in December 195976. A Non-Proliferation Balance Sheet In the 1950's the British nuclear force
gradually became closely entwined with the American deterrent. On the one hand, one may regard this development as the inevitable result of a strong technological dependence on the United States and a political and military subordination to that country in nuclear policy. On the other hand, however, the forging of strong Anglo-American ties and, perforce, a considerable measure of reliance on the United States was a basic assumption of British nuclear policy. An interdependent relationship, it was believed, would safeguard British influence on American policy and be an insurance policy for American involvement in the defence of Europe. The twin political aims of influencing the United States and, through the relationship with that country, maintaining a place at the top table of nuclear affairs loomed large in all major decisions about the future of the deterrent. Above all, the meaning of the nuclear force was thus defined in political terms, in the context of the Anglo-American alliance, and not in military terms, in relation to the perceived threat by the Soviet Union. By 75
76
12.2.1958, PRO, CAB 128/32 CC 16 (58) 5. 23.3.1957, Memorandum of Conference with Eisenhower, DDEL, AWF, DDE Diary Series, box 22, folder (1); 2.12.1958, Sandys to Macmillan, PRO, PREM 11/2633; 27.1.1959, McElroy to Eisenhower, DDEL, AWF, Administration Series, box 25, folder McElroy 1959 (4); 18.11.1959, Telegram by Whitney to Department of State, NA, RG 59, 741.5612/11—859, box 3199; 25.11.1959, Sandys to Macmillan, PRO, PREM 11/2633; 10.12.1959, Telegram by Whitney to Department of State, NA, RG59, 741.5612/12-1059, box 3199.
The
Anglo-American Relationship and the
Limits of Britain's Nuclear
Policy
261
saw the national deterrent primarily as an instrument link the solid with United States in security policy. forging the fact that the Britain first country that had decided to make the atomic was Despite bomb and had become a nuclear power in its own right, the British deterrent was an object of American concerns about the proliferation of independent nuclear capabilities within NATO. In the late 1940's and 1950's British Governments of different persuasions nominally resisted the American policy of non-proliferation towards the NATO allies in Europe. Britain's nuclear deterrent was increasingly checked by the United States, however, and controlled assistance by that country gradually eased Britain into American nuclear policy-making. The Eden and Macmillan Governments shared American aims of non-proliferation on the European continent, provided that they would be regarded as primus inter pares and get assistance in developing a thermonuclear capability. A legal technicality in the 1958 amendments to the McMahon Act, discriminating in favour of the United Kingdom, finally assured the British of access to future US information about nuclear weapons design, development and production77. The markedly successful American policy of nuclear sharing with the NATO allies, as it developed during Eisenhower's Presidency, had a dual purpose: it aimed at fulfilling both American and NATO security needs and preventing the spread of national nuclear capabilities on the European continent. Between 1952 and 1956 the political and strategic preconditions for such a policy involving the nuclearisation of Europe came into existence. In the course of 1957 the Eisenhower Administration developed plans for the establishment of a NATO nuclear stockpile and, together with this, the Americans offered to deploy Thor and Jupiter IRBMs in Europe at the 1957 NATO Heads of Government meeting. The non-proliferatory aspects of this policy were revealed most explicitly during the spring 1958 hearings preceding the amendment of the McMahon Act78. As John Simpson succinctly describes, with its aim to place nuclear policy in the framework of an International Atomic Energy Agency, the United States thus sought to discourage NATO allies from acquiring nuclear weapons on grounds both of the undesirability of such a development and the need to avoid duplication of research and development efforts in the alliance. At the same time the Eisenhower Administration offered »these allies credible assurances that in the event of attack they would have access to nuclear weapons within an alliance framework. The resultant »two-key« system involved no formal transfer or dissemination of nuclear bombs and warheads to American allies in peacetime79«.
1957 the Macmillan Government
for
a
2.7.1958, Public Law 85-479, 85th Congress, in: Atomic Energy Act (see fn. 30), p. 131. The wording of the amended section 144c included that the president might pass such restricted data to another nation »provided that nation has made substantial progress in the development of atomic weapons«.
Only
Britain
met
this
requirement.
31.1.1958, Recommendations for Revising the Atomic Energy Act, Statement by Under Secretary of State Murphy, in: The Department of State Bulletin, vol. 38, no. 974 (24.2.1958), p. 314; 17.4.1958,
Sharing Nuclear Knowledge With Our NATO Allies, Statement by Secretary of State Dulles, in: ibid., no. 984 (5.5.1958), pp. 740-742; 1.4.1958, Telegram by Caccia to Foreign Office, PRO, PREM 11/2554. John Simpson, Global non-proliferation policies: retrospect and prospect, in: Review of International Studies, 8 (1982) 2, pp. 70-71.
Jan Melissen
262
of Britain in standing up to this American non-proliferation policy was qualified, because in part the British deterrent merged into US nuclear policy. As an exercise in counterfactual history it is also arguable that the Anglo-American nuclear relationship was, paradoxically, anti-proliferatory in its consequences. The United States
The
success
could have opposed British ambitions to develop a fully-fledged nuclear weapons capability with up-to-date technology and delivery systems much more strongly. Such obstruction would not have prevented Britain from being a modern nuclear weapons state per se, but it would have resulted in a much more modest British nuclear force. Without any hope of being able to cooperate with the United States, as David Carlton contended, British Governments might well have looked for other atomic partners in NATO or even the Commonwealth. Of course, Britain would have been the senior partner in such relationships and, as that author wrote: »The result might have been that the various junior partners could have become in due time independent nuclear weapons states80«. In the given circumstances however, restrictive agreements as well as never ceasing hopes of a renewed Anglo-American partnership, and the fear of spoiling chances of achieving it, prevented this. To the chagrin of the Churchill Government, the restrictive 1948 Modus Vivendi even prohibited the joint acquisition of uranium with Australia. More important, the intimate Anglo-American relationship, which had evolved with so many difficulties, implied, that an Anglo-French nuclear entente was out of the question. Now British Governments in the 1950's did not aspire to atomic cooperation with France at all, but a strict and even-handed US policy of non-proliferation towards all allies might have led to afterthoughts. Nuclear cooperation with France would certainly not have been suspectible to the same degree of American control and influence as the existing British and French projects, sharing separate bilateral links with the United States, but not with one another81. Finally, nuclear cooperation between Britain and France could, however speculative, possibly have stirred up German desires in this area or have been the starting point of the emergence of a West-European nuclear force.
80
David Carlton, The Anglo-American Nuclear Relationship: Proliferatory or Anti-Proliferatory, in: David Carlton/Carlo Schaerf (eds.), Arms Control and technological innovation, New York 1976,
81
The secret US-French nuclear connection, it seems, did not come into being before the mid-1970's. Richard H. Ullman, The Covert French Connection, in: Foreign Policy, (1989) 75 (Summer), pp. 3—33.
pp. 138-139.
Jean Delmas Naissance et développement d'une politique nucléaire militaire en France
(1945-1956)
Quand le général de Gaulle, peu de temps après son retour au pouvoir en 1958, décide de la date de la première explosion atomique française, il n'innove pas en initiant une politique nucléaire; il met un terme à un lent et discret processus de développement dont la paternité exacte est difficile à établir. Pendant des années, la discrétion exigée par les études n'encourageait pas les aveux de paternité. Par contre ceux-ci se multiplièrent sous la Ve République lorsque un consensus national se forma autour de l'armement nucléaire français. Seul Pierre Mendès-France, devenu l'adversaire politique du général de Gaulle, parut refuser toute responsabilité dans un processus auquel néanmoins il avait pris une part probablement décisive. La IVe République se caractérise par une instabilité ministérielle chronique, palliée par une administration qui gère efficacement le pays. Hauts fonctionnaires, militaires, ingénieurs, scientifiques et quelques hommes politiques d'influence innovent, lancent des études et les mènent à un point tel que les projets s'imposent aux chefs de gouvernement qui se succèdent rapidement. L'élaboration d'un armement nucléaire français est particulièrement caractéristique de cette situation. Recherches techniques menées isolément dans quelques laboratoires, réflexions de quelques officiers sur les bouleversements qu'apporte dans la stratégie l'armement atomique, prise de conscience par des diplomates du rôle politique de la bombe dans les relations internationales convergent dans les années 1952-1956 pour que soient prises à l'échelon gouvernemental, avec discrétion, les décisions qui permettront la première explosion atomique française le 13 février 1960. I
Les —
premières
initiatives
Deux mois après Nagasaki, le général de Gaulle, chef du Gouvernement provisoire de la République française, crée, le 18 octobre 1945, le Commissariat à l'Energie atomique (CE. A.), organisme public à qui sont confiées toutes les responsabilités en matière atomique dans les divers domaines de la science, de l'industrie et de la défense nationale. C'était, ainsi que le souligne Bertrand Goldschmidt1, le premier organisme civil créé dans le monde, depuis la fin de la guerre, pour présider au développement de la technologie atomique. Doté de la responsabilité civile, jouissant de l'autonomie administrative et financière, placé sous l'autorité et le contrôle du président du Conseil des ministres, 1
Bertrand Goldschmidt, Les rivalités
atomiques (1939—1966),
Paris 1967, p. 178.
Jean Delmas
264
le C. E. A. est une création originale qui sera le pilote de tout le développement nucléaire français. Pendant les premières années de son existence, le CE. A. se livre aux travaux de base indispensables comme la construction de la première pile de recherche française, en 1948, à partir de laquelle quelques milligrammes de plutonium sont isolés. On était donc, à l'époque, très éloigné du point à partir duquel divergeraient les recherches entre la combustion contrôlée et l'explosion, donc entre domaine civil et militaire. La révocation en 1950 de Joliot-Curie, haut commissaire du CE.A., responsable scientifique et technique, provoquée par son appartenance au parti communiste et ses prises de position publiques contre l'O.T. A.N., la mort en 1951 de Raoul Dautry, administrateur général du CE. A., provoquent la nomination, à la tête du CE. A., d'une nouvelle équipe composée de Francis Perrin, le savant, et Pierre Guillaumat, l'administrateur. Elle dirige le CE.A. pendant les années 1950, période cruciale pour l'industrialisation et la militarisation de l'énergie atomique. Pendant que les scientifiques du CE.A. poursuivent leurs recherches de base en vue d'une domestication de l'énergie nucléaire, certains militaires ne peuvent rester indifférents aux bouleversements que provoque la bombe d'Hiroshima dans la technique des armements.2 Ils sont généralement officiers ou ingénieurs militaires de l'Armement ou des Poudres, issus de Polytechnique, prestigieuse grande Ecole française, ou ont acquis une formation scientifique dans le cadre du brevet technique, créé en 1935, pour permettre à l'armée de disposer d'officiers capables de dialoguer avec les scientifiques et les ingénieurs. Après 1947, de nouvelles filières de spécialisation scientifique sont offertes à de jeunes officiers et notamment la physique nucléaire que l'ingénieur de l'Armement Chanson enseigne à l'Ecole polytechnique. L'armée disposait donc d'un petit capital de sciendont étaient certains affectés à la Section technique de l'Armée (S. T. A.), groupetifiques
(armes chimiques) ou Y (armes atomiques). ingénieurs du Service des Poudres sont les pionniers de la recherche militaire, dans leur domaine spécifique, la détonique. Les premiers brevets qu'ils déposent en 1951 sur l'implosion vont permettre des travaux expérimentaux qui seront développés lorsqu'ils rejoindront le CE. A. en 1955. Un autre ingénieur des Poudres, H. Piatier, docteur en physique nucléaire, est affecté au CE.A. au moment où les responsables de cet organisme se sont convaincus qu'un programme atomique complet doit comprendre la production du plutonium et aussi la séparation des isotopes de l'uranium. Un autre organisme, la Direction des Etudes et Fabrications d'Armement (D.E.F. A.), dépendant également du Ministre des Forces Armées, crée, en septembre 1951, une section atomique, confiée à l'ingénieur en chef Chanson, qui a pour but, à l'origine, d'étudier les effets des armes atomiques mais qui aborde rapidement les problèmes de l'amorçage d'une bombe expérimentale et en trouve la solution qu'elle proposera ultérieurements
Z
Les
ment au CE.A. A la même époque,
chef le 2
général
au début des années 50, l'Etat-Major de l'Armée de terre a pour Clément Blanc, un polytechnicien très orienté vers les recherches pros-
Sur la participation des forces armées à l'effort nucléaire, cf. l'article de D. Mongin, Forces armées et genèse de l'armement nucléaire français, in: Relations internationales, n° 59, automne 1989, p. 301—315.
Naissance
et
développement
d'une
politique nucléaire
militaire
en
France
(1945—1956) 265
pectives. Au moment où le conflit indochinois impose de lourdes charges aux armées, le général Blanc s'efforce de ne pas laisser compromettre la modernisation de l'armée
de terre par une guerre révolutionnaire surtout »mangeuse d'hommes«. Il est soucieux de respecter les engagements pris dans le cadre de l'O.T.A.N. et, en même temps, de développer une recherche scientifique à des fins militaires qui puisse redonner une certaine autonomie à l'armée française vis-à-vis des alliés anglo-saxons. Aussi passe-t-il en 1950 des contrats d'étude avec l'Institut de physique atomique de Lyon pour mener des recherches en matière atomique militaire dans le fort de la Vitriolerie. Quatre ans plus tard, c'est encore à Lyon que sera créée l'Ecole militaire de spécialisation atomique. Entretemps, en 1952, le général Blanc crée le Commandement des Armes Spéciales, organisme chargé de s'intéresser à toutes les armes nouvelles et spéciales (nucléaires, biologiques et chimiques), de coordonner les études, de créer des formations spécialisées et d'assurer l'information des cadres de l'armée. La direction en est confiée au colonel Ailleret. Auteur, en 1950, d'une première conférence à l'Ecole supérieure de guerre sur les possibilités de la guerre atomique, Ailleret va se consacrer jusqu'en 1960 à l'adoption et à la réalisation d'un programme atomique militaire. C'est lui qui, en 1960, sera le responsable des premiers essais à Reggane.3 Ces différentes initiatives militaires pouvaient aboutir à leur regroupement dans un organisme unique spécifiquement militaire chargé du développement d'un armement nucléaire national. Certains en eurent la tentation. Mais Pierre Guillaumat, administrateur du CE. A., sut finalement convaincre les différents responsables militaires que la recherche atomique à des fins de défense nationale, était du domaine du CE.A. comme le prévoyait son statut de 1945. On peut dater exactement le grand tournant de la politique nucléaire française en décembre 1954 lors de la création, au sein de CE. A., d'un Bureau d'Etudes générales, nom encore camouflé de ce qui deviendra en 1958 la Division des applications militaires (D.A.M.) du CE.A. II
Le
tournant
—
1951, Félix Gaillard,
un jeune député, inspecteur des finances, homme politique de nommé sous-secrétaire d'Etat à la présidence du Conseil des ministres. grand avenir, Il demande à être chargé du suivi des programmes atomiques et le sera dans quatre gouvernements successifs, pendant deux ans. Il est le premier homme politique à s'être engagé vigoureusement pour que la France ne reste pas à l'écart de la révolution atomique. Les travaux du C. E. A. permettaient à l'époque d'envisager la production de plutonium, une des deux matières fissiles concentrées, avec l'uranium 235, susceptibles de servir à produire de l'énergie mais aussi d'être utilisées comme explosifs. Aussi Félix Gaillard fait-il inscrire, dans le plan quinquennal qu'il prépare, la construction de deux piles au gra-
En
est
3
Charles Ailleret, L'aventure atomique française. Comment naquit la force de frappe, Paris 1968. Même s'il privilégie fortement le rôle de l'auteur dans l'aventure atomique, ce livre apporte des renseignements intéressants.
Jean Delmas
266
phite et d'une usine d'extraction de plutonium afin d'assurer une production de 50 kgs de plutonium par an. Il n'est pas pensable à l'époque de pouvoir simultanément élaborer un programme de production d'uranium 235 par séparation isotopique. Ce plan quinquennal de développement de l'énergie atomique (1952—1957) est soumis au Parlement en juillet 1952 par le président du conseil, Antoine Pinay. Il n'y est fait aucune mention d'un usage possible du plutonium à des fins militaires. Mais lorsque le parti communiste dépose un amendement exigeant du gouvernement la garantie que ce plutonium ne serait jamais utilisé pour la fabrication de bombes, cet amendement est repoussé à une large majorité. L'avenir n'était pas hypothéqué. D'ailleurs Félix Gaillard, au cours du débat, avait souligné qu'au moment où les U. S. A. et l'U. R. S. S. rivalisaient de vitesse dans la course aux armements nucléaires (bombe H), il ne paraissait pas possible que la France se privât unilatéralement de la possibilité de fabriquer un armement atomique.4 Trois mois plus tard, en octobre 1952, l'explosion de la première bombe atomique anglaise justifiait cette volonté. Mais, à beaucoup, en France comme à l'étranger, cette déclaration de Félix Gaillard n'apparaissait que comme une déclaration d'intention. Il était admis que la France n'avait pas les moyens ni financiers ni industriels de fabriquer la bombe, en admettant que ses savants aient su résoudre tous les problèmes techniques alors qu'ils avaient été privés de toute aide américaine par la loi Mac-Mahon. Pourtant deux études de faisabilité demandées par le ministre de la Défense, René Pleven, et par le commandant des Armes Spéciales, le colonel Ailleret, concluent en 1952 et 1953 que la mise en place d'un armement nucléaire est à la portée des moyens du pays même si l'une d'entre elles sous-estime largement l'effort financier exigé. Le plan quinquennal, d'un montant de 40 milliards, permettait désormais au CE.A. de travailler »à l'échelle industrielle et non plus à l'échelle du laboratoire« et de s'orienter vers des productions importantes de plutonium, clé de tous les développements ultérieurs. On pouvait espérer disposer en France, à partir de 1958—1959 de quantités significatives de matières fissiles.5 Les techniciens pouvaient donc commencer l'étude d'un engin expérimental.
Mais pendant que ces travaux s'effectuent le plus discrètement possible, une alerte extérieure et des oppositions internes risquent de compromettre le projet.
L'alerte de la C.E.D. Au cours des négociations sur le traité de la communauté européenne de défense (C. E. D), le chancelier Adenauer avait obtenu que les autres Etats contractants renoncent à impo4
Cf. la communication de Bertrand Goldschmidt, La genèse et l'héritage, in: L'aventure de la bombe. De Gaulle et la dissuasion nucléaire (1958—1968), Actes du colloque d'Arc-et-Senans (septembre 1984), organisé par l'Université de Franche-Comté et l'Institut Charles de Gaulle, Paris 1985, p. 23—37. Malgré son sous-titre, livre très intéressant pour les origines de l'armement nucléaire grâce aux témoignages d'acteurs comme B. Goldschmidt, les généraux Buchalet et Crépin, et les discussions consécutives aux
5
exposés.
Général Albert Buchalet, Les premières étapes (1955—1960), in: L'aventure de la bombe (cf.
note
4), p. 40.
Naissance
et
développement
d'une
politique
nucléaire militaire
en
France
(1945—1956) 267
à l'Allemagne fédérale des mesures discriminatoires. Or il avait été décidé de limiter la production allemande future de plutonium à 500 grammes par an, ce qui lui interdirait toute utilisation à des fins militaires. En conséquence le traité de la C.E.D. reprit la limitation de 500 grammes pour les six partenaires. Des autorisations de la Communauté seraient nécessaires pour tout dépassement à des fins civiles, avec contrôle d'utilisation. C'était un mécanisme fort compliqué et qui risquait d'interdire tout développement à des fins militaires. Ainsi que le dit un haut fonctionnaire des Affaires étrangères: »On ligote d'abord l'Allemagne, puis au nom de l'égalité des droits on se ligote avec, puis ensuite on se casse la tête pour se déligoter.«6 L'administrateur du CE. A., P. Guillaumat, qui n'avait pas été tenu au courant des négociations, découvre tardivement, après la signature du traité de Paris (1952), des clauses très restrictives pour les activités du CE.A.: dans le domaine civil, elles soumettaient à un contrôle et donnaient à l'Allemagne accès aux données techniques sur le plutonium; elles signifiaient, pour la France, la quasi impossibilité d'entreprendre un programme atomique militaire, l'accord des partenaires étant nécessaire. Michel Debré, alors conseiller de la République, pouvait déclarer: »Dans le mesure où la France voudrait acquérir, au point de vue militaire, la relative avance qu'elle recherche en Europe au point de vue civil, elle se trouve dans la situation tragique, en vertu de ce traité, d'aboutir automatiquement à autoriser l'Allemagne à employer l'énergie atomique à des fins militaires.«7 Le C. E. A. obtient du gouvernement que des modifications substantielles soient apportées aux clauses atomiques du traité. Ces modifications font partie des préalables devenus nécessaires pour obtenir la ratification parlementaire française. Ces préalables ayant été repoussés par nos partenaires à Bruxelles le 24 août 1954, le traité n'était pas ratifié. C'était l'échec de la C.E.D.
ser
Des
oppositions
internes
Si le projet d'une bombe française n'était pas officiellement avoué, la perspective de recherches nucléaires à des fins militaires se heurtait à de nombreuses oppositions. Le personnel du CE. A. était, dans sa grande majorité, et par principe, hostile à toute participation à une recherche à des fins militaires. Le Haut Commissaire lui-même, Francis Perrin, craignait que le coût de la recherche militaire ne compromette le programme civil de l'énergie nucléaire. Dans les armées l'opposition n'était pas moins grande. Le général Blanc, les officiers et les ingénieurs militaires qui travaillaient ou militaient pour un armement nucléaire, étaient très minoritaires. Après le départ du général Blanc, ses successeurs au poste de chef d'étatmajor de l'armée, s'engagèrent beaucoup moins en faveur d'un armement atomique qui ne pouvait se développer qu'au détriment de l'armement conventionnel des forces. Certes les accords de Genève en juillet 1954 avaient mis fin à la guerre d'Indochine mais, dès novembre 1954, éclatait l'insurrection algérienne dont la réduction n'exigeait pas un 6
Goldschmidt
7
Idem,
p. 203.
(cf.
note
1),
p. 201.
Jean Delmas
268
atomique. »La guerre dans la foule« que théorisaient certains officiers survivants des camps de prisonniers vietminh, était une guerre psychologique qui n'avait pas besoin de matériels sophistiqués et surpuissants. D'autre part, le CE. A. envisageant à partir de 1953 la réalisation de réacteurs atomiques orientés vers la propulsion des navires, un comité CE. A.-Marine est constitué le 6 avril 1954 qui propose l'application de la propulsion nucléaire à un sous-marin.8 Ce projet de sous-marin va entrer en compétition car on ne peut tout faire simultanément sur le plan financier avec les projets de la bombe présentés par l'Armée de Terre et bien accueillis par l'Armée de l'Air qui sait, à l'époque du Strategie Air Command, que l'avion sera le premier vecteur de cette bombe. Il est donc évident que les forces armées ne présentent pas un front uni et que la Terre et la Marine sont elles-mêmes déchirées entre partisans de l'armement conventionnel et du sous-marin classique et partisans de l'armement nucléaire et du sous-marin à propulsion nucléaire. armement
—
—
L'évolution de P. Mendès-France
Quand Pierre Mendès-France devient président du Conseil en mai 1954 pour obtenir la paix en Indochine, il n'a probablement pas une information précise sur l'avancement des travaux du CE. A., ni sur le poids des armements nucléaires dans les relations internationales. En quelques mois, plongé dans les négociations qui aboutissent, après l'échec de la C.E.D., aux accords de Paris créant l'Union de l'Europe occidentale (U.E.O.), et très exactement informé des possibilités de réalisation d'un armement atomique, P. Mendès-France prend une nette conscience de la nécessité de ne pas entraver le processus scientifique et technique qui peut mener à la fabrication de la bombe. G. H. Soutou, dans un article documenté, a bien analysé les facteurs qui ont pesé sur l'évolution intellectuelle du président du Conseil. Il estime que »l'élément décisif pour l'évolution du gouvernement Mendès-France fut la volonté des instances de l'O.T.A.N. d'étendre à l'Europe la nouvelle doctrine des représailles massives élaborée aux Etats-Unis au cours de l'année 1953 et annoncées au public par un discours de John Foster Dulles en janvier 1954«9. Le 24 août 1954 le général Valluy, représentant français au Standing Group de Washing-
cabinet de Mendès-France que le commandant en chef des forces alliées en Europe allait demander aux autorités de l'Alliance délégation permanente pour pouvoir faire usage des armes nucléaires. Et Valluy, en informant simultanément le chef d'EtatMajor de l'armée, conclut: »La défense européenne maintenant centrée autour de l'arme nucléaire, devient entièrement dépendante de la volonté américaine.«10 A la même époque, Jean-Marc Boegner, chef du service des Pactes au quai d'Orsay, tire, à l'attention de Mendès-France, les conséquences de cette évolution stratégique: »La directon,
8
9
10
annonce au
Cf. l'article de M. Vaïsse, La filière sans issue: l'histoire du premier sous-marin atomique in: Relations internationales, n° 59, p. 331—346. G. H. Soutou, La politique nucléaire de Pierre Mendès-France, in: idem, p. 319.
Idem,
p. 320.
français,
Naissance
et
développement d'une politique
nucléaire militaire
en
France
(1945—1956) 269
tion de la stratégie appartiendra désormais de plus en plus aux puissances disposant de l'arme atomique. Bien plus, une armée dépourvue de moyens atomiques ne sera plus une armée. Elle ne jouera qu'un rôle d'appoint dans le dispositif général de défense. Il est donc essentiel que la France entreprenne un programme atomique militaire. Sinon, sa sécurité sera entièrement assurée par les Anglo-Saxons. L'indépendance nationale, l'autonomie de notre diplomatie, d'où dépend, dans une large mesure, la sauvegarde de l'Union française, exigent que la France fasse son propre effort atomique dans le domaine militaire....«11 Que Mendès-France se soit vite convaincu, quelles que soient ses dénégations futures, de l'utilité, peut être plus diplomatique que militaire, de la bombe, on peut en trouver la preuve dans les efforts qu'il mène pour préserver la liberté d'action de la France dans le domaine atomique. C'est d'abord à Bruxelles pour défendre les préalables français à la ratification de la C.E.D. (cf. supra). C'est ensuite à la conférence de Londres (septembre octobre 1954) pour la négociation de l'U.E.O., lorsqu'il s'oppose à toute déclaration de renoncement à l'armement nucléaire que les partenaires de la France veulent obtenir de tous les membres continentaux. Le compromis auquel on parvient laisse la France libre de produire des bombes; seul le stockage sur le continent doit être réglementé par le Conseil de l'U.E.O. (mais les départements algériens sont hors continent). Ainsi P. Mendès-France est parvenu à écarter les obstacles juridiques et politiques qui pouvaient barrer la voie d'un programme nucléaire militaire. Et dès la fin de la conférence de Paris (23 octobre) qui entérine le réarmement allemand et les décisions de Londres, Mendès-France signe, le 4 novembre, un arrêté, resté secret, créant un Comité des explosifs nucléaires qui a »pour mission en ce qui concerne les projets, études et réalisations d'engins explosifs nucléaires, d'orienter, coordonner et suivre l'action des organismes tant civils que militaires ou mixtes concourant à la réalisation du programme arrêté le par gouvernement«12. Encore fallait-il arrêter un programme. Une réunion informelle, mais regroupant une quarantaine de personnes (ministres, autorités du CE.A., les responsables des études nucléaires militaires etc.), se tient le 26 décembre 1954, présidée par Mendès-France. Il s'agissait d'envisager une loi permettant la construction de deux sous-marins à propulsion nucléaire et une décision secrète lançant l'expérimentation de la bombe atomique. Il n'y a eu aucun procès verbal de cette séance. Un des participants, Bertrand Goldschmidt témoigne: »La conclusion de Mendès-France fut nette: il était devenu très conscient du décalage, sur le plan international, même dans les négociations sur le désarmement, entre les puissances dotées de l'arme et les autres, ainsi que de l'avantage que la France avait sur l'Allemagne du fait de la renonciation de celle-ci. Il était donc favorable à l'examen d'un programme secret d'études de fabrication d'armes nucléaires et de sous-marins ato—
miques.«13 i 12
'3
Idem,
p. 320.
présidence en est confiée au général Crépin, qui assure aussi l'intérim du secrétariat général de la Défense nationale, cf. la note de Crépin, Histoire du comité des explosifs nucléaires, in: L'aventure de la bombe (cf. note 4), p. 80. Bertrand Goldschmidt, La genèse et l'héritage, in: idem, p. 33. La
Jean Delmas
270
Le
général Crépin, autre participant à la réunion, confirme en style télégraphique: »Pour
Mendès-France les arguments en faveur de la bombe étaient: premièrement: que l'on n'est rien sans la bombe dans les grandes négociations internationales, deuxièmement: que ce serait la principale différence entre la France et l'Allemagne.«14 Trois jours après cette réunion est créé au C. E. A. le bureau des Etudes générales, confié au colonel Buchalet et qui est l'embryon de la future division des applications militaires. Le partisans de l'armement atomique exultent: pour eux, Mendès- France a donné le feu vert au développement des applications militaires de l'énergie atomique. Mais dans les semaines qui suivent, sous différentes pressions, Mendès-France réduit le programme envisagé: »On se contenterait de sous-marins et d'une infrastructure générale utile au nucléaire civil aussi bien qu'au nucléaire militaire, la décision finale de faire la bombe étant renvoyée à quelques années plus tard, à l'issue de ce tronc commun.«15 La chute du cabinet Mendès-France reporte toute décision en ce domaine. Des décisions
III
discretes,
mais
—
indispensables
Les deux successeurs de P. Mendès-France, Edgar Faure, puis Guy Mollet, ont le comportement très caractéristique des chefs de gouvernement de la IVe République devant un programme d'armement nucléaire: versatile, ou incertain, mais laissant faire les ministres. Le général Buchalet, qui fut un des artisans de la bombe au CE.A., décrit ainsi l'attitude d'Edgar Faure: »[...] Adopter une position d'attente, prudente, qui consiste à
prendre à l'échelon du gouvernement aucune décision et à ne rédiger aucune instruction qui puisse lui être opposée et lui créer une difficulté sur le plan de la politique intérieure ou étrangère. Mais dans le même temps, il va laisser à ses ministres toute latitude pour agir, à leur échelon comme ils l'entendent, à la condition qu'aucune indiscrétion ne filtre à l'extérieur du système clos des Armées (cabinet du ministre) C. E. A. (bureau des études générales). Cette attitude va faire précédent et être adoptée par tous les présidents du Conseil jusqu' à la date du 11 avril 195816.«17 C'est ainsi qu'en 1955, deux ministres d'Edgar Faure, le général Koenig, ministre de la Défense, et Gaston Palewski, chargé de la recherche scientifique et l'oeil du général de Gaulle —, signent un protocole spécifiant que le Bureau d'études générales du CE.A. est chargé d'étudier et de développer un »programme bombes«. Des crédits importants sont virés de la Défense ne
—
—
Nationale au CE. A. pour accroître son infrastructure, construire un troisième réacteur plutonigène à Marcoule et aussi un sous-marin atomique.18 C'est le premier acte gou14 15
16
17
18
Jean Crépin, Histoire du comité des explosifs nucléaires, Soutou (cf. note 9), p. 328.
in:
idem,
p. 81.
Date où Félix Gaillard devenu président du Conseil prend officiellement la décision d'expérimenter la bombe en 1960. Albert Buchalet, Les premières étapes (1955—1960), in: L'aventure de la bombe (cf. note 4), p. 45. Ce projet de sous-marin sombrera après 1956, la filière choisie uranium naturel eau lourde ayant été une erreur. Mais les Américains refusent de fournir de l'uranium enrichi pour tout projet militaire, cf. M. Vaïsse (cf. note 8). —
Naissance
et
développement d'une politique
nucléaire militaire
en
France
(1945—1956) 271
vernemental en faveur de la bombe. Cependant tout paraît être remis en question lors de l'investiture de Guy Mollet, successeur d'Edgar Faure, le 31 janvier 1956. C'est en pleine période de la négociation Euratom. Le Comité J. Monnet prône la renonciation commune à l'arme. Euratom serait le seul possesseur de matières fissiles de la Communauté et l'énergie atomique ne devrait être développée qu'à des fins pacifiques. Dans son discours d'investiture, Guy Mollet reprend ce thème: »Le gouvernement demandera qu' Euratom ait la propriété exclusive de tous les combustibles nucléaires et la conserve à travers leurs transformations.«19 C'est le même président du Conseil qui laisse dix mois plus tard, le 30 novembre 1956, son ministre des Armées, M. Bourgès-Maunoury, signer avec G. Guille, secrétaire d'Etat chargé de l'énergie atomique, un protocole qui définit les objectifs du programme nucléaire de défense nationale: le C. E. A. est chargé des études préparatoires aux explosions atomiques. C'est un acte décisif dans la processus de la fabrication d'un armement nucléaire. Entre temps, la mise au point d'Euratom avait donné satisfaction à la France en limitant le droit de propriété de la Communauté sur les matières fissiles concentrées à celles non utilisées pour la défense nationale. Et surtout la crise de Suez avait montré l'isolement de la France et son incapacité à disposer de la liberté d'action nécessaire à la défense de ses intérêts. G. Mollet qui avait voulu l'intervention à Suez, très marqué par l'impasse à laquelle il est parvenu, face à l'hostilité des Etats-Unis comme de l'U.R.S.S., en tire les conséquences. Ses options personnelles énoncées lors du débat d'investiture sont sacrifiées à la nécessité de récupérer une autonomie d'action que peut procurer l'accession à la puissance nucléaire. *
Ainsi, de
1954 à
1956, des chefs de gouvernement comme P. Mendès-France et G. Mol-
let, peu enclins par conviction à acquérir un armement nucléaire, ont néanmoins donné
le feu vert à un développement qu'autorisent les succès de la recherche scientifique. Car la bombe est d'abord perçue, en France, comme une nécessité politique; elle est un facteur d'autonomie de décision. Pendant ces deux années, les dépendances qu'entraînent l'alliance atlantique et surtout l'O.T A.N., le quasi monopole de décision américain sont de plus en plus difficilement subis par les diplomates ou officiers généraux affectés à l'O. T. A. N. L'extrême suspicion avec laquelle les Etats-Unis surveillent le développement atomique français pèse également fort lourdement. Le général Buchalet explique le comportement fort prudent (c'est un euphémisme) d'E. Faure vis-à-vis du programme nucléaire militaire, par son souci de ne pas heurter les Etas-Unis auxquels il était redevable d'avoir financé partie de la guerre d'Indochine. Mais cette volonté, plus ou moins avouée, de
récupérer une autonomie de décision par la possession d'un armement nucléaire n'est jamais envisagée, à cette époque, en dehors de l'alliance.20 Il est caractéristique que tous 19
20
Journal officiel de la République Française. Débats parlementaires. Assemblée nationale, 1956, p.
Cf. l'article du général J. Delmas, A la recherche des signes de la puissance: L'armée la bombe A, in: Relations internationales, n° 57, printemps 1989, p. 77—87.
et
1er février
137.
entre
l'Algérie
Jean Delmas
272
les avertissements, tous les conseils adressés à P. Mendès-France ou à G. Mollet sur l'extrême dépendance de la France se concluent identiquement: l'indispensable accession à la puissance nucléaire ne peut s'effectuer qu'en coopération avec les Alliés, mais dans un cadre assoupli de PO.T. A.N., voire une structure européenne intermédiaire.21 La bombe peut être un facteur de coopération et en même temps de coopération au sommet avec les Anglo-Saxons. L'idée d'un Directoire à trois, proposé par le général de Gaulle ultérieurement, existe déjà dans les dossiers de P. Mendès-France.22 Le colonel Ailleret suggère même dans une note adressée au conseiller militaire de Mendès-France, le colonel Binoche, une force atomique intégrée reposant sur le couple franco-allemand où la France apporte ses ressources en uranium, son savoir-faire scientifique, la profondeur géographique de l'Union française et l'Allemagne son potentiel scientifique et industriel. Mais en 1956, si le programme français d'armement nucléaire est suffisamment lancé, sans aucune aide étrangère, pour que l'on entrevoie la possibilité d'une expérimentation vers les années 1960—1961, tout n'est qu'à l'état d'ébauche sur la manière dont cet armement pourra s'intégrer dans le cadre de l'O.T. A.N. Techniquement les voies sont assurées; politiquement elles sont fort incertaines.
21
22
Cf. P. Guillen, Les chefs militaires français, le réarmement de l'Allemagne et la C.E.D. in: Revue d'Histoire de la deuxième guerre mondiale, n° 129 (1983), p. 330. Soutou
(cf.
note
9),
p. 330.
(1950—1954),
Peter Fischer
Abschreckung und Verteidigung. Anfänge bundesdeutscher Nuklearpolitik (1952-1957)
Zwischen Die
»Ich fürchte, daß dieser Atomschreck etwas auf die Frauen wirkt. Der Hauptteil unserer Wähler besteht aus Frauen, so daß eine solche Sache uns besonders schlimm treffen kann.« (Konrad Adenauer vor dem CDU-Bundesvorstand am 11. Mai
1957)1
Die vorliegende Untersuchung stellt sich die Aufgabe, die Anfänge einer Nuklearpolitik in der Bundesrepublik auf der Basis historischen Quellenmaterials nachzuzeichnen2. »Nuklearpolitik« soll hier, bewußt weit gefaßt, als die auf das Vorhandensein der Nuklearwaffen reagierende Außen- und Sicherheitspolitik eines Staates verstanden werden3. Eine zu eng am Merkmal der faktischen Verfügung über Atomwaffen haftende Begriffsfassung hat bisher den Blick auf die Komplexität der mit Nuklearpolitik umschriebenen Materie eher verstellt, indem sie das Problem auf die simple, wenn auch als solche keineswegs unzulässige Frage reduzierte, ob denn die Bundesrepublik tatsächlich eine nationale Verfügung über Atomwaffen angestrebt habe oder nicht. Während die einen die Frage für sich schon entrüstet zurückzuweisen pflegten, wähnten andere hier durchaus düstere Machenschaften am Werk4. Auf der Strecke blieb in dieser bis vor kurzem noch andauernden Debatte eine Auseinandersetzung mit der sehr viel interessanteren und auch ergiebigeren Fragestellung, wie denn die Bundesregierung auf die sich seit Anfang der fünfziger Jahre formierende nukleare Herausforderung reagiert hat. Diese Herausforderung trat dabei nicht nur mit der seit Ende 1952 erkennbar werdenden Neubeweri
2
3
4
Adenauer, »Wir haben wirklich etwas geschaffen«. Die Protokolle des CDU-Bundesvorstandes. 1953—1957, bearb. von Günter Buchstab, Düsseldorf 1990 (= Forschungen und Quellen zur Zeitgeschichte, Bd 16), S. 1231.
Die Ausarbeitung basiert zum Teil auf noch nicht allgemein zugänglichen Quellen und Protokollen aus dem Dokumentenarchiv des »Nuclear History Program's« (NHP), dem der Autor für die ihm gewährte großzügige Unterstützung Dank schuldet. Für die korrekte Wiedergabe der Zitate verbürgt sich der Autor. Eine ausführlichere Fassung der Studie wird voraussichtlich Anfang 1993 in den vom Militärgeschichtlichen Forschungsamt Freiburg herausgegebenen »Militärgeschichtlichen Mitteilungen« erschienen. Vgl. Jürgen Schwarz, Bedingungen und Entwicklungslinien westdeutscher Nuklearpolitik, in: Handbuch der deutschen Außenpolitik, hrsg. von Hans-Peter Schwarz, München, Zürich 1975, S. 513—523, hier S. 514. Vgl. stellvertretend die Beiträge von Matthias Küntzel, Auf leisen Sohlen zur Bombe? Bonner Begehrlichkeiten und der Atomwaffenverzicht, und Udo Schelb, F.J. Strauß und der Griff nach der Atommacht, in: Reaktoren und Raketen, hrsg. von Udo Schelb, S. 176—238 bzw. S. 238—266.
274
Peter Fischer
tung der Rolle der Nuklearwaffen in der westlichen Verteidigungsstrategie in Erscheinung. Sie war für die Bundesrepublik ganz unmittelbar mit dem Umstand verknüpft, daß sie mit der im Herbst 1953 beginnenden Stationierung amerikanischer Atomwaffen auf ihrem Territorium ihre nukleare Unschuld bereits zu einem Zeitpunkt verloren hatte, an dem sie sich durch das nach wie vor geltende Besatzungsstatut immer noch im Stadium staatlicher Unmündigkeit befand. Im folgenden soll deshalb zunächst versucht werden, die für die Bundesrepublik Mitte der fünfziger Jahre bestehende Ausgangssituation auf dem Nukleargebiet in rechtlicher wie in politischer Hinsicht näher zu beschreiben, um dann in einem zweiten Schritt die Frage zu verfolgen, wie die Bundesregierung auf die nukleare Herausforderung nach der Wiederherstellung der staatlichen Souveränität reagiert hat. In einem letzten Abschnitt sollen schließlich einige Schlußbetrachtungen zu den nuklearen Optionen der Bundes-
republik folgen.
I
Die bereits seit Ende 1948 in kleinstem Kreis um Adenauer angestellten Überlegungen und Planungen zur militärischen Integration Westdeutschlands fanden ihren ersten verbindlichen Niederschlag in der Himmeroder Denkschrift5. Nachdem sich die Außenminister der drei westlichen Besatzungsmächte im September 1950 in New York grundsätzlich über die Unverzichtbarkeit einer westdeutschen Wiederaufrüstung verständigt hatten, war Anfang Oktober 1950 eine Gruppe deutscher Militärexperten zusammengetreten, die im Auftrag Adenauers ein Konzept für einen deutschen Militärbeitrag erarbeiten sollten. Auf dieser Zusammenkunft, die aus Geheimhaltungsgründen im Kloster Himmerod in der Eifel stattfand, kam es auch zu einer ersten Verständigung über die Nuklearproblematik. Dabei wurde kurz und knapp festgestellt, daß der gesamte Komplex militärische Nutzung der Atomenergie beim Aufbau der deutschen Streitkräfte nicht weiter berücksichtigt zu werden brauchte. Die entschiedene Ausklammerung der Nuklearproblematik durch die deutschen Militärexperten reflektierte zum einen den Stand der internationalen Nuklearentwicklung6. Anfang 1950 war das absolute Atomwaffenmonopol der USA zwar gerade durch die Sowjetunion durchbrochen worden. Die Amerikaner blieben jedoch zunächst auch weiterhin eifersüchtig darum bemüht, das Atomgeheimnis wenigstens im westlichen Lager solange wie möglich weiter zu hüten, und auch strategisch machte bei der klaren Aufga5
Vgl. Hans-Peter Schwarz, Die Ära Adenauer. Gründerjahre der Republik 1949—1957 (= Geschichte der Bundesrepublik, hrsg. v. Karl Dietrich Bracher/Theodor Eschenburg/Joachim Fest/Erhard Jäckel,
Bd 2), Stuttgart, Wiesbaden 1981, S. 136ff.; Norbert Wiggershaus, Die Entscheidung für einen westdeutschen Verteidigungsbeitrag 1950, in: Roland G. Foerster, Christian Greiner, Georg Meyer, HansJürgen Rautenberg, Norbert Wiggershaus, Von der Kapitulation bis zum Pleven-Plan (= Anfänge westdeutscher Sicherheitspolitik 1945—1956, hrsg. vom MGFA, Bd 1), München, Wien 1982, S. 325—402. 6 Vgl. Lawrence Freedman, The Evolution of Nuclear Strategy, Houndsmill, London 21989; David A. Rosenberg, The Origins of Overkill. Nuclear Weapons and American Strategy, 1945—1960, in: International Security, 7 (1983) 4, S. 3—71.
Zwischen
Abschreckung und Verteidigung
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benteilung zwischen den USA (Nuklearschutz) und ihren westlichen Verbündeten (konventionelle Verteidigung) eine Berücksichtigung der Nuklearproblematik für die deutsche Wiederaufrüstung keinerlei Sinn. Zum anderen waren die innen- und außenpolitischen Widerstände gegen eine westdeutsche Wiederaufrüstung Anfang der fünfziger Jahre für sich schon hoch genug7, so daß jeder Schritt in Richtung dieser Machttechnologie die sich sowohl auf Seiten der Besatzungsmächte als auch auf Seiten der eigenen Bevölkerung gerade erst herausbildende Akzeptanz sofort überstrapaziert hätte. An diesem Bedingungsrahmen hatte sich auch anderthalb Jahre später, als im September 1951 die Verhandlungen über die Aufhebung des Besatzungsstatuts und die Schaffung der Europäischen Verteidigungsgemeinschaft in ihr entscheidendes Stadium traten, im wesentlichen nichts geändert8. Ohne diesen Punkt während der Verhandlungen eigens zur Diskussion zu stellen, hatten sich die Besatzungsmächte bereits im Vorfeld untereinander darüber verständigt, daß jegliche militärische Nutzung der Atomenergie für die Bundesrepublik für die Zukunft vollkommen ausgeschlossen werden sollte9. Kodifiziert wurde dieses totale Betätigungsverbot in Art. 107 des EVG-Vertrages sowie in drei Zusatzbriefen des Bundeskanzlers, die dem Vertragswerk beigefügt wurden. Die Regelung des eigentlichen Verteidigungsbeitrags der Bundesrepublik wurde in einem »Militärischen Sonderabkommen« zum EVG-Vertrag vorgenommen10. Hierin verpflichtete sich die Bundesrepublik u.a. zur Aufstellung von 12 Heeresdivisionen sowie zur Bereitstellung von 1326 taktischen Flugzeugen und 202 kleineren Schiffen. Dies entsprach einer Gesamtstärke der deutschen EVG-Streitkräfte von ca. 498 000 Mann, so daß sich die Bundesrepublik im Rahmen der bereits auf der NATO-Ministerratskonferenz in Lissabon im Februar 1952 beschlossenen und im Dezember des gleichen Jahres in der »NATO Strategie Guidance« (MC 14/1) kodifizierten Doppelstrategie von nuklearer Abschreckung (Schild) und konventioneller Verteidigung (Schwert) mit guten Gründen Hoffnung darauf machen konnte, bald, wie Christian Greiner dies treffend formuliert hat, zu einem »konventionellen Machtfaktor« innerhalb des westlichen Verteidigungsbündnisses zu werden11. Vgl. Roland G. Foerster, Innenpolitische Aspekte der Sicherheit Westdeutschlands 1947—1950, in: Anfänge westdeutscher Sicherheitspolitik, Bd 1 (wie Anm. 5), S. 403—575. 8 Vgl. Lutz Köllner, Klaus A. Maier, Wilhelm Meier-Dörnberg, Hans-Erich Volkmann, Die EVG-Phase (= Anfänge westdeutscher Sicherheitspolitik 1945—1956, hrsg. vom MGFA, Bd2), München 1990; Die Europäische Verteidigungsgemeinschaft. Stand und Probleme der Forschung, im Auftrag des MGFA hrsg. von Hans-Erich Volkmann/Walter Schwengler, Boppard a. Rh. 1985. 9 Für eine detaillierte Rekonstruktion der Behandlung der Atomklauseln in den EVG-Verhandlungen vgl. Peter Fischer, Die Anfänge der Atompolitik in der Bundesrepublik Deutschland im Spannungsfeld von Kontrolle, Kooperation und Konkurrenz, Dissertation, Europäisches Hochschulinstitut, 7
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Florenz 1989, S. 16—55. Vgl. Wilhelm Meier-Dörnberg, Die Planung des Verteidigungsbeitrags der Bundesrepublik Deutschland im Rahmen der EVG, in: Anfänge westdeutscher Sicherheitspolitik, Bd 2 (wie Anm. 8), S. 605— 756, hier S. 699-714. Christian Greiner, Zwischen Integration und Nation. Die militärische Eingliederung der Bundesrepublik Deutschland in die NATO, 1954 bis 1957, in: Westdeutschland 1945—1955. Unterwerfung, Kontrolle, Integration, hrsg. von Ludolf Herbst, München 1986, S. 267—278, hier S. 268 f.
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Peter Fischer
wenige Monate nach der Vertragsunterzeichnung. Zum einen stieß die Ratifikation des EVG-Vertrags in der französischen Nationalversammlung auf unerwartet heftigen Widerstand, und ein Scheitern des gesamten Vertragswerks war spätestens nach dem Regierungswechsel in Paris Anfang 1953 und der hier sogleich erhobenen Forderung nach Revision des EVG-Vertrags nicht mehr auszuschließen. Zum anderen und für die weitere Entwicklung entscheidend, zeichnete sich schon Ende 1952, vollends aber im Verlaufe des Jahres 1953, eine radikale Neubewertung des Verhältnisses von konventioneller und nuklearer Verteidigung ab. Während auf der einen Seite immer offensichtlicher wurde, daß keiner der NATO-Staaten wirklich willens war, die in Lissabon beschlossenen konventionellen Aufrüstungsziele durch Bereitstellung entsprechender Verteidigungsbeiträge zu erreichen bis 1954 sollten insgesamt 96 Divisionen, davon 54 präsente Divisionen in Mitteleuropa aufgestellt werden —, machten sich die britischen Stabschefs bereits im Sommer 1952 in einem »Global Strategy Paper« dafür stark, das enorm kostenintensive Konzept eines konventionellen Gleichgewichts mit den Streitkräften des Ostblocks aufzugeben und durch ein auch ökonomisch realistischeres Konzept der massiven nuklearen Abschreckung zu ersetzen12. Obgleich erste Reaktionen Washingtons auf den britischen Vorstoß eher kühl waren, fiel der Vorschlag bei der Anfang 1953 ins Amt gekommenen neuen Eisenhower-Administration, die sich die Erarbeitung eines neuen, den amerikanischen Staatshaushalt weniger strapazierenden Verteidigungskonzepts zu einer ihrer vordringlichsten Aufgabe gestellt hatte, auf fruchtbaren Grund. Nach monatelanger intensivster interner Beratung wurde der »New Look« der amerikanischen Sicherheitspolitik im Oktober 1953 im Richtlinienpapier NSC 162/2 durch den National Security Council kodifiziert13 und der Öffentlichkeit Anfang 1954 in einer Aufsehen erregenden Rede durch den amerikanischen Außenminister Dulles vorgestellt14. Der Kern dieses neuen Verteidigungskonzeptes war die Strategie der massiven Vergeltung (»massive retaliation«). Nuklearwaffen sollten, im Gegensatz zur bisher gültigen nuklear-konventionellen Doppelstrategie, nicht mehr nur Schild-, sondern selbst Schwertfunktion ausfüllen, d.h., auch im Falle eines lediglich konventionellen Angriffs sollte das gesamte Nukleararsenal der Vereinigten Staaten unverzüglich zum Einsatz gebracht werden15. Obwohl von den Verbündeten zunächst große Vorbehalte bzgl. des massiven Einsatzes von Atomwaffen artikuliert wurden16 der Erste Risse in diesem harmonischen Bild zeigten sich jedoch schon
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hierzu ausführlich Ian Clark/Nicholas J. Wheeler, The British Origins of Nuclear Strategy 1945—1955, Oxford 1989, S. 160—183; Margaret Gowing, Independence and Deterrence Britain and Atomic Energy 1945—1952, Bd I: Policy Making, London 1974, S. 440 f.; Peter Malone, The British Nuclear Deterrent, London, Sydney, New York 1984, S. 85—91. FRUS 1952-1954, II/l, S. 578-597; Freedman (wie Anm. 6), S. 81-86, und Rosenberg (wie Anm. 6),
Vgl.
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S. 28—32. Die Rede von Dulles vor dem Council on Foreign Relations am 12.1.1954 ist abgedruckt in: Department of State Bulletin, Washington DC, 25.1.1954, S. 107—110. Zur Bewertung der Rede vgl. Robert E. Osgood, NATO. The Entangling Alliance, Chicago, London 1966, S. 102 ff. Vgl. Helga Haftendorn, Sicherheit und Entspannung. Zur Außenpolitik der Bundesrepublik Deutschland 1955-1982, Baden-Baden 1983, S. 156f. Vgl. FRUS 1952-54, II/2, S. 1188 f.
Zwischen
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amerikanische Außenminister Dulles versuchte dieser Schwellenangst mit einer offensiven Kampagne zur Konventionalisierung der taktischen Atomwaffen zu begegnen17 —, folgte die NATO schon bald dieser neuen Entwicklung und beschloß mit der Verabschiedung von MC 48 (»The Most Effective Pattern of NATO Military Strength for the Next Few Years«) im Dezember 1954, die »modernen«, d.h. nuklearen Waffen nunmehr in ihren Planungen prominent zu berücksichtigen18. Die militärstrategischen Rahmenbedingungen für den erst Mitte 1952 beschlossenen deutschen Verteidigungsbeitrag hatten sich damit in kürzester Zeit dramatisch verändert. Die enorme Aufwertung der Nuklearwaffen bedeutete nicht nur eine bedrohliche Abwertung der konventionellen Streitkräfte. Mehr noch war die Bundesrepublik durch die seit Herbst 1953 begonnene Stationierung amerikanischer Atomwaffen auf ihrem Territorium in die neue Nuklearisierungsstrategie bereits unmittelbar involviert worden. Zwar war die Bundesregierung schon Mitte 1953 von den USA in dieser Angelegenheit konsultiert worden19. Diese Verständigung vermochte jedoch kaum darüber hinwegzutäuschen, daß die Entscheidung zur Nuklearisierung der US-Verbände in der Bundesrepublik unter dem Besatzungsrecht, d.h. unter amerikanischer Hoheit, vorgenommen wurde. Die Bundesregierung, deren außen- und sicherheitspolitische Aktionsmöglichkeiten durch die laufenden Ratifikationsverhandlungen weitgehend eingeschränkt waren, vermied es denn auch zunächst, zu dieser Tatsache gegenüber den Verbündeten oder in der Öffentlichkeit Stellung zu nehmen. Mit dem endgültigen Scheitern des EVG-Vertrages Ende August 1954 war dagegen unverhofft die Gelegenheit gegeben, die nunmehr erneut zur Verhandlung stehenden Verträge über die Aufhebung des Besatzungsstatuts und die Regelung des deutschen Verteidigungsbeitrags den veränderten Bedingungen des Jahres 1954 anzupassen. So erklärte die Bundesregierung noch vor Beginn der eigentlichen Verhandlungen, daß jede der Bundesrepublik abverlangte Rüstungsbeschränkung im Unterschied zum EVG-Vertrag nur noch auf der Basis einer »freiwilligen Verzichtserklärung« erfolgen und diese Beschränkung sich auch nur auf quantitative, nicht aber auf qualitative Begrenzungen beziehen könne20. Zwar konnte sich die Bundesregierung mit dieser Maximalposition letztendlich nicht durchsetzen. Die von Adenauer auf der Londoner Neun-Mächtekonferenz ausgesprochene Verzichtserklärung auf die Produktion von ABC-Waffen auf eigenem Territorium bedeutete jedoch nicht nur den Durchbruch auf den schon zu scheitern drohenden Verhandlungen21, sondern markierte zugleich auch einen Kompromiß, der den Interessen beider Seiten im Hinblick auf die veränderten Rahmenbedingungen weitestgehend Rechnung trug. Mit der Kodifizierung der Verzichtserklärung des Bundeskanz—
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hierzu vor allem die Rede von Dulles auf der Frühjahrstagung des NATO-Ministerrats am 23.4.1954, in: FRUS 1952-54, V/l, S.511Í. Zum Inhalt von MC 48 vgl. UK-Chiefs of Staff Committee: Briefs for the Military Committee Meetings (Report by the Joint Planning Staff) v. 2.12.1954, in: NHP-Documents (Sammlung deklassifizierter US-Dokumente, National Security Archives, Washington D.O), Nr. 4L Vgl. FRUS 1952-54, V/I, S. 437-439.
Vgl.
BA, NL-351 (Blankenhorn),
Vgl.
Konrad Adenauer,
Nr. 33 b, S. 131.
Erinnerungen 1953—1955, Stuttgart 1966,
S. 328 ff.
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Peter Fischer
lers in den Pariser Verträgen wurde der Bundesrepublik, im Unterschied zum EVG-Vertrag, nunmehr ausdrücklich eine begrenzte militärische Nuklearoption eingeräumt. Zwar sollte der unmittelbare Zugang zu Atomwaffen und damit die Möglichkeit einer selbstbestimmten militärischen Nuklearpolitik der Bundesrepublik auch weiterhin versperrt sein. Nicht berührt von der Verzichtserklärung des Bundeskanzlers waren jedoch ausdrücklich der gesamte Bereich der nuklearen Kooperation sowie die Möglichkeiten einer nationalen Atomforschung für militärische Zwecke22. II
Auf Seiten der Bundesregierung blieb man jedoch auch nach der Ratifikation der Pariser Verträge und der offiziellen Aufnahme der BRD in die NATO von einer aktiveren Stellungnahme zur Nuklearproblematik so weit entfernt wie zuvor. Dies lag zum nicht geringsten Teil an den enormen Schwierigkeiten, die bei der Aufstellung deutscher Streitkräfte sowohl in organisatorischer wie auch in legislativer und finanzieller Hinsicht als solche schon zu überwinden waren23. Dazu kamen die nach wie vor bestehenden starken innenpolitischen Widerstände gegen die Wiederaufrüstung, denen die Regierung nicht mit Fragezeichen, sondern nur mit einem klaren sicherheitspolitischen Konzept entgegentreten konnte. Dieses Konzept konnte deshalb auch nur in einem kompromißlosen Bekenntnis zu dem der NATO in den Pariser Verträgen zugesagten rein konventionellen Verteidigungsbeitrag von nach wie vor 12 Divisionen entsprechend einer Gesamtstärke von 500000 Mann liegen, der, wie der Bundeskanzler sich vom SACEUR öffentlich bestätigen ließ24, eine wirkliche Vorneverteidigung erst möglich mache und der Bundesrepublik damit das Schicksal eines Schlachtfeldes in einem künftigen Krieg ersparen werde25. Zwar bemühte man sich intern nunmehr verstärkt um Informationen über die Nuklearwaffenentwicklung und ihre Bedeutung für Organisation, Ausrüstung und strategisches Konzept der NATO-Streitkräfte. Alle einschlägigen Nachrichten, die hierüber vor allem vom Pariser NATO-Hauptquartier, aber auch aus den USA, in Bonn eintrafen26, waren allerdings so widersprüchlich, daß sich eine abrupte sicherheitspolitische Kurskorrektur von selbst verbat27. Sicherlich war man sich, wie entsprechende Aufzeichnungen General a.D. Speidels zeigen, auf Seiten der deutschen Militärexperten sehr wohl über den Mangel im klaren, daß der Bundesregierung, ebenso wie anderen Bündnispartnern, alle 22
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Für eine ausführliche Rekonstruktion der Behandlung der Atomproblematik bei der Londoner NeunMächtekonferenz und der Festschreibung der Verhandlungsresultate in den Pariser Verträgen vgl. Fischer (wie Anm. 9), S. 186-220. Vgl. Christian Greiner, Die militärische Integration der Bundesrepublik Deutschland in die WEU und die NATO 1954—1957, unveröffentl. Manuskript o.D. Vgl. die Aufzeichnung über ein Gespräch zwischen Gruenther und Speidel am 3.2.1955, in: NLSpeidel (Privatarchiv, Wackernheim), Nr. 60. BA-MA, Tagebücher de Maizière, N673, Heft 1, Eintragung vom 23.2.1955. Vgl. NL-Speidel (wie Anm. 24), Nr. 56 u. 60. Vgl. die Aufzeichnung eines Gesprächs zwischen Gruenther und Speidel am 14.12.1954, in: ebd., Nr. 56.
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konkreten Informationen über die nukleare Einsatzplanung der USA vorenthalten wurden28. Ebenso klar war aber auch, daß die NATO, trotz ihres im Dezember 1954 gefaßten Nuklearisierungsbeschlusses, auch 1955 noch über keinerlei Konzept zu seiner Durchführung verfügte29. Gültige strategische Richtlinie war vielmehr nach wie vor die Direktive MC 14/1 vom Dezember 1952, die immer noch eine Gleichberücksichtigung der konventionellen und der nuklearen Komponente im westlichen Militärbündnis vorsah. Daß in der Nuklearisierungsproblematik jedoch ein nicht zu unterschätzender politischer Sprengstoff verborgen war, das mußte die Bundesregierung im Sommer 1955 erfahren, als die NATO, hauptsächlich auf dem Boden der Bundesrepublik, unter dem Namen »Carte Blanche« ein spektakuläres nukleares Luftmanöver durchführte30. Ganz im Gegensatz zu der bei diesen Veranstaltungen sonst üblichen Geheimhaltung, hatte die NATO mit Blick auf die UdSSR diesmal auch Pressevertreter zugelassen, die über die gewaltige nukleare Abschreckungskapazität des westlichen Verteidigungsbündnisses berichten sollten31. Auf die Meldungen über die fiktiven Millionenzahlen von Toten und Verletzten, die eine nukleare Verteidigung der Bundesrepublik unter realen Bedingungen gekostet hätte, reagierte die deutsche Öffentlichkeit mit Schrecken und Entsetzen. Unvorbereitet war man damit konfrontiert worden, daß der Bundesrepublik, trotz Mitgliedschaft in der NATO, im Ernstfall nicht mehr als die Rolle eines nuklearen Schlachtfelds zugedacht war32. Die forsche Behauptung des Bundeskanzlers, der den NATO-Beitritt als eine Versicherung gegen dieses trostlose Schicksal bezeichnet hatte, war damit durch die NATO selbst öffentlich desavouiert worden33. Während die Bundesregierung sich nach außen mit dem Argument zu rechtfertigen versuchte, das Manöver habe schließlich der Demonstration der Abschreckung, nicht aber der Demonstration der Verteidigung gedient und der deutsche Verteidigungsbeitrag einer konventionell gerüsteten 500000 Mann Armee sei im Rahmen der Arbeitsteilung im Bündnis nach wie vor sinnvoll und unverzichtbar34, waren intern durchaus erste selbstkritische und mahnende Stimmen zu vernehmen. So hatte der deutsche NATO-Botschafter Blankenhorn bereits in seinem ersten Arbeitsbericht aus Paris, unter Verweis auf die neue Verteidigungsdoktrin des Bündnisses, eine »Anpassung der überkommenen militärischen Planung für die Einschaltung der Bundesrepublik in die westliche Verteidigung« gefordert35. Deutlicher noch ließ Sonderminister Strauß, der sich in der Bundestagsdebatte über »Carte Blanche« mit vehementem Einsatz und geschickten Argumenten als eigentlicher Atomexperte der Regierung profiliert hatte, im engeren Kreis keinen Zweifel dar28
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Vgl. hier z.B. die Aufzeichnung Speidels über ein Operations-Briefing bei SHAPE am 28.6.1955,
in: ebd. Vgl. NHP-Documents (Memorandum General Collins für die JCS vom 21.11.1955). Vgl. Catherine McArdle Kelleher, Germany and the Politics of Nuclear Weapons, New York, London 1975, S. 35-43. Vgl. BA-MA, BW 9/2479. Vg. Frankfurter Allgemeine Zeitung vom 23. und 27.6.1955. Vgl. Verhandlungen des Deutschen Bundestages, 2. Wahlperiode, 70. Sitzung, 25.2.1955, Stenogra-
phische Berichte, Bonn 1955, S. 3736. Vgl. ebd., 100. Sitzung, 16.7.1955, S. 5603-5610. 35 BA, NL-351 (Blankenhorn), Nr. 47, S. 160. 34
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daß die sicherheitspolitische Planung der Bundesregierung, das eiserne Festhalten an der Aufstellung einer schwerfälligen 500 000 Mann Armee, durch die neuere waffentechnische Entwicklung längst überholt sei und diese nukleare Herausforderung nur durch Schaffung einer entschieden kleineren, dafür aber mit den modernsten Waffen ausgerüsteten Qualitätsarmee begegnet werden könne36. Nicht ohne Grund aber hatte sich Adenauer bei der Ernennung des Verteidigungsministers nicht für den progressiven Bayern, sondern für den sehr viel schwerfälligeren Theodor Blank entschieden und damit zum Ausdruck gebracht, daß er bei der Aufstellung der deutschen Streitkräfte Experimente tunlichst vermeiden wollte. Seiner Überzeugung, daß die faktische Integration der Bundesrepublik in die NATO durch die unverzügliche Aufstellung der 12 Divisionen unbedingter Vorrang vor jeder Diskussion über Anpassungsmaßnahmen eingeräumt werden müsse, diese sich vielmehr dann schon von selbst ergeben würden, hatte der Bundeskanzler schon bei der Londoner Neun-Mächtekonferenz intern zum Ausdruck gebracht37. Durchhalten ließ sich der von Adenauer eingeschlagene sicherheitspolitische Kurs jedoch nur unter der Voraussetzung, daß es der Bundesregierung erstens auch wirklich gelang, ihre der NATO gegenüber eingegangenen Verpflichtungen nach Umfang und Zeit auch tatsächlich einzuhalten, und daß zweitens die Widersprüchlichkeit zwischen Nuklearisierungsentscheidung (MC 48) einerseits und Festhalten an einer von diesen Planungen ziemlich unberührten konventionellen Verteidigungskomponente (MC 14/1) andererseits, noch für eine gewisse Zeit, d. h. mindestens für die drei Jahre, in denen die Aufstellung der 12 deutschen Divisionen abgeschlossen werden sollte, bestehen blieb. Wie sich jedoch schon in den ersten Monaten des Jahres 1956 immer deutlicher abzuzeichnen begann, war das genaue Gegenteil der Fall. So mußte sich die Bundesregierung im März 1956 eine erste scharfe Kritik der Amerikaner an den völlig unzureichenden finanziellen Anstrengungen bzgl. des Aufbaus der deutschen Streitkräfte gefallen lassen. Ein offizielles US-Memorandum ging sogar so weit, die gesamte bisherige Aufstellungsplanung Bonns als »nicht durchführbar« zu bezeichnen38. Offensichtlich hatte die Bundesregierung, wie vor allem bei der Vorbereitung der ersten deutschen Antwort auf die von der NATO jedes Jahr durchgeführten statistischen Truppenerhebung (Annual Review) erkennbar wurde, die organisatorischen, legislativen und finanziellen Anstrengungen, die zur Aufstellung einer 500 000 Mann Armee in nur drei Jahren erforderlich waren, bei weitem unterschätzt39. Ebenfalls im März 1956 drangen in Bonn erste Meldungen über einen angeblich bevorstehenden Rückzug britischer Truppen vom Kontinent durch40. Während sich diese Gerüchte zunächst nicht weiter verdichteten, kam es vier Monate später jedoch zu einem echten Eklat, als durch Indiskretion bekannt wurde, daß sich auch die Amerikaner bereits an,
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McArdle Kelleher (wie Anm. 30), S. 56 ff. Vgl. Hans-Peter Schwarz, Adenauer und die Kernwaffen, in: Vierteljahrshefte für (1989) 4, S. 567-593, hier S. 578. BA, NL-351 (Blankenhorn), Nr. 61b, S. 6-12. BA-MA, Tagebücher de Maizière, N 673, Heft 3, Eintragung vom 7.5.1956.
Ebd., Eintragung
vom
3.3.1956.
Zeitgeschichte, 37
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mit ähnlichen Absichten trugen und das Pentagon eine Reduzierung der in Europa stationierten US-Truppen in einer Größenordnung von nicht weniger als 800000 Mann konkret in Erwägung gezogen hatte41. Der Bundeskanzler, der zu allem Unglück, erst wenige Tage vor Bekanntwerden dieses sog. »Radford-Plans«, in der Bundestagsdebatte über die Wehrpflichtgesetzgebung die Behauptung aufgestellt hatte, daß die USA, wie ihm von Washington noch kürzlich wieder bestätigt worden sei, auch in Zukunft an ihren Verpflichtungen in Europa festhalten würden42, und der sich nun in aller Öffentlichkeit peinlichst blamiert sah, reagierte entsprechend heftig43. Zwar konnte er sein arg ramponiertes Ansehen durch ein den Amerikanern abverlangtes offizielles Dementi des Radford-Plans schon kurze Zeit später wieder einigermaßen herstellen. Die aufgerissene Wunde im Vertrauensverhältnis zu Washington war jedoch so tief, daß sie in wenigen Monaten zu einer radikalen und abrupten Kurskorrektur in der Sicherheitspolitik der Bundesregierung führte. Der erste Schritt bestand in einer einseitigen Herabsetzung der Wehrdienstzeit von 18 auf 12 Monate. Gegen den dezidierten Rat seiner Militärexperten setzte Adenauer diese Maßnahme im September 1956 zunächst im Bundesvorstand der CDU44 und dann im Bundeskabinett45 durch, ohne auch nur einen Zweifel daran aufkommen zu lassen, daß ihm im Hinblick auf die 1957 bevorstehenden Bundestagswahlen das innenpolitische Hemd näher sitze als der bündnispolitische Rock. Der nächste Schritt bestand in einer Umbildung der Bundesregierung. Am 16. Oktober wurde Franz Josef Strauß, der bis dahin das Amt des Atomministers und des stellvertretenden Vorsitzenden des Bundesverteidigungsrates inne hatte, als Nachfolger des glücklosen Theodor Blank zum neuen Verteidigungsminister ernannt. Die Entscheidung für den dynamischen Bayern war freilich zugleich auch eine Entscheidung für ein alternatives sicherheitspolitisches Konzept. Zwar stritt Adenauer in öffentlichen Stellungnahmen die unmittelbar nach der Ernennung von Strauß in der Presse sofort aufgekommenen Spekulationen über eine angeblich bevorstehende nukleare Umrüstung der Bundeswehr zunächst noch entschieden ab46. In seinen internen Äußerungen wurde die Radikalisierung der Einstellung des Bundeskanzlers zur Umrüstungs- und Nuklearisierungsproblematik jedoch mehr als offenkundig. So bezeichnete es Adenauer auf einer Sitzung des CDU-Bundesvorstands Mitte September mit einem Mal als »unerträglich, wenn zwei große Staaten in der Welt allein im Besitz von nuklearen Waffen sind und damit das Schicksal aller Völker dieser Erde in der Hand haben«47.
Vgl. Vgl. 43 Vgl. 41
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New York Times
v.
13.7.1956.
McArdle Kelleher (wie Anm. 30), S. 46. Konrad Adenauer, Erinnerungen, Bd3: 1955—1959, Stuttgart 1967, S. 197-214. Vgl. Protokoll der Sitzung (Nr. 20) vom 20.9.1956, in: Adenauer, »Wir haben wirklich etwas geschaffen« (wie Anm. 1), S. 1011—1102, hier S. 1029ff. Vgl. BA-MA, Tagebücher de Maizière, N 673, Heft 4, Eintragung vom 27.9.1956. Vgl. BA, NL-351 (Blankenhorn), Nr. 68, S. 134-139. Protokoll der Sitzung (Nr. 20) vom 20.9.1956, in: Adenauer (wie Anm. 1), S. 1029; siehe ferner Christian Greiner, The Federal Republic of Germany as a »Power-Factor«, in: NATO, 1954 to 1957, Manuskript o.D., S. 12 f.
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Dieser dramatische Einstellungswandel, der zunächst weniger ein klares sicherheitspolitisches Konzept als vielmehr den entschiedenen Willen zu radikalen Veränderungen zum Ausdruck brachte, korrespondierte mit der Tatsache, daß einer der zentralen Stützpfeiler der Adenauerschen Rekonstruktionspolitik, das feste Vertrauen in die amerikanische Sicherheitsgarantie für Europa und die Bundesrepublik, durch die Radford-Krise erheblich ins Wanken gekommen war48. Nicht nur die Zukunft seiner eigenen Regierung, sondern auch die der NATO sah er nunmehr von schwärzesten Wolken verhüllt. Diese Vertrauenskrise verschärfte sich noch, als Anfang November die Suez-Krise demonstrierte, daß im Konfliktfall von einer politischen Konsultation der USA mit ihren Verbündeten nicht auszugehen war. Verantwortlich für diese negativen und für den weiteren Zusammenhalt des Bündnisses äußerst bedrohlichen Entwicklungen waren nach Adenauers fester Überzeugung der amerikanische Präsident und sein Außenminister, denen er in einem spektakulären Interview mit US-Senator Green kurz nach Beendigung des Suez-Debakels offen Führungsschwäche vorwarf49. Eine erste Gelegenheit, die veränderte Position der Bundesregierung auch innerhalb des Bündnisses zum Ausdruck zu bringen, kam mit der NÄTO-Ministerratssitzung im Dezember 1956. Dabei verstand es der neue Verteidigungsminister Strauß geschickt, die offensichtlichen Defizite in der deutschen Aufstellungsplanung nicht nur mit innenpolitischen Schwierigkeiten zu entschuldigen, sondern zugleich auch als einen Reflex auf die durch die sich in vollem Gang befindende strategische Umorientierung des Bündnisses entstandene Unsicherheit zu rechtfertigen50. Vor allem auf Betreiben Großbritanniens waren hier die Dinge seit Frühjahr 1956 erheblich in Bewegung gekommen, als die britische Regierung, zunächst auf ausschließlich bilateraler Ebene mit den USA51, dann innerhalb der NATO, massiv auf eine eindeutige und verbindliche Klärung der strategischen Grundkonzeption des Bündnisses, d.h. auf eine Revision von MC 14/1, zu drängen begann52. Konkret zielte die britische Initiative, die vor allem auf dem Hintergrund wachsender finanzieller Probleme zu verstehen war, darauf ab, der militärischen Führungsspitze der NATO durch eine Politische Direktive des Ministerrates den Auftrag zu einer grundlegenden Überprüfung der strategischen Grundlagen der Allianz und der daraus abzuleitenden Forderungen für ihre Aufstellungsplanung zu erteilen. Ausdrücklich betont werden sollten in diesem Auftrag die nunmehr in ausreichender Anzahl und Stärke verfügbar gewordenen Nuklearwaffen, die es nach britischer Vorstellung erlauben sollten, das Konzept einer Kosten und Ressourcen strapazierenden Doppelstrategie konventioneller und nuklearer Verteidigung endgültig zu verabschieden und stattdessen zum Konzept einer alternativlosen nuklearen Abschreckungsstrategie überzugehen. Unmittelbar betroffen von dieser Revisionsforde-
Vgl. BA, NL-351 (Blankenhorn), Nr. 67, S. 192—201. Vgl. ebd., Nr. 69, S. 116—123. 3° Vgl. FRUS 1955-57, IV, S. 157. 51 Vgl. z.B. die Besprechung des britischen Botschafters 48
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Makins mit US-Außenminister Dulles am 18.6.1956, FRUS 1955—57, IV, S. 85, sowie das Schreiben des britischen Premierministers Eden an Eisenhower vom 18.7.1956, in: ebd., S. 90—92. BA, NL-351 (Blankenhorn), Nr. 67, S. 142—145.
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Großbritannien im WEU-Vertrag akzeptierte Verpflichtung zur dauernden Stationierung von vier Divisionen in der Bundesrepublik. Während sich die Vereinigten Staaten gegenüber der britischen Forderung nach einem »New Look« in der Sicherheitspolitik der Allianz, wie schon vier Jahre zuvor, zumindest in den bilateralen Gesprächen zunächst äußerst reserviert zeigten nach wie vor wurde als eines der Hauptargumente die angespannte innenpolitische Situation in der Bundesrepublik angeführt53 —, wurde in den internen Debatten der Washingtoner Administration sehr schnell deutlich, daß der britische Vorschlag im Kern durchaus mit gleichlaufenden amerikanischen Überlegungen übereinstimmte und deshalb von einzelnen Departments, allen voran vom Pentagon, aber auch vom Präsidenten selbst, mit deutlicher Sympathie aufgenommen worden war. Man verständigte sich deshalb intern auf einen Kompromiß. So sollte nach außen jede Spekulation über eine bevorstehende Reduzierung amerikanischer Truppen in Europa zwar offiziell dementiert, zugleich aber, unter Ausnutzung der britischen Initiative, eine Verminderung der US-Truppenpräsenz, unter dem unverfänglicheren Etikett eines sog. »streamlining«, durchaus aktiv angestrebt von
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werden54. Ein alter bündnispolitischer Stolperstein, der mit für die nur halbherzige Verwirklichung des »New Look« auf Seiten der Amerikaner verantwortlich war, lag jedoch auch jetzt noch bedrohlich auf dem Wege. Die Aufwertung der nuklearen Komponente in der westlichen Verteidigung zog mit Notwendigkeit die Frage nach dem verbleibenden Sinn der konventionellen Streitkräfte des Bündnisses nach sich. Während der britische Vorschlag diesen ganzen Problemkomplex ganz einfach ausklammerte, war man sich auf Seiten der amerikanischen Regierung dieser Gefahr nur allzu bewußt55, und es war Außenminister Dulles, der bereits Anfang Oktober in einem internen Memorandum für Eisenhower die Notwendigkeit einer Differenzierung der totalen nuklearen Abschreckungsstrategie betonte56. Danach sollte den konventionellen Schildstreitkräften die Aufgabe zufallen, dem Bündnis im Falle einer lediglich lokalen Aggression eine gewisse Flexibilität zu sichern. Wie freilich dieser begrenzte Konflikt von einem großen Konflikt, zumal in seinem Initialstadium, zu unterscheiden und die Glaubwürdigkeit der nuklearen Abschrekkung gleichzeitig unbeeinträchtigt weiter aufrechtzuerhalten war, darauf wußte Dulles genausowenig eine verbindliche Antwort zu geben wie die nachfolgende bündnisinterne Diskussion, in der dieser Punkt eine immer wichtigere Rolle spielen sollte. Die auf der NÄTO-Ministerratssitzung im Dezember schließlich verabschiedete und der Standing Group zur Bearbeitung übergebene Politische Direktive trug denn auch alle Zeichen eines politischen Kompromisses57. So hatten sich die Briten mit ihrer Forderung nach Betonung der nuklearen Abschreckung zwar weitgehend durchsetzen kön53
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FRUS 1955-57, IV, S. 84 ff. S. 93-95. Bericht Gruenthers über eine Besprechung mit dem britischen Generalstab an Dulles, Wilson Vgl. und Radford vom 8.8.1956, in: NHP-Documents, Nr. 60. Vgl. FRUS 1955-57, IV, S. 96-99. Textauszüge der Politischen Direktive, in: NHP-Aktenmaterial (Sprechzettel für die Sitzung des Bun-
Vgl.
Ebd.,
desverteidigungsrats
am
25.3.1958).
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Aber auch das Konzept einer konventionellen Reaktionsfähigkeit hatte in der Direktive Berücksichtigung gefunden. Wichtigstes Ergebnis der Beratungen über die Politische Direktive war jedoch eine verbindliche Verständigung der Minister darüber, daß auch die Schildstreitkräfte über eine eigene nukleare Kapazität verfügen können sollten. Als einer der Hauptpropagandisten dieser Forderung hatte sich der eben erst ins Amt gekommene neue deutsche Verteidigungsminister Franz Josef Strauß hervorgetan58. Im Hinblick auf den bereits zwei Jahre zuvor vom NATO-Rat gefaßten Nuklearisierungsbeschluß war diese Forderung als solche nur konsequent, bedeutete jedoch zugleich das definitive Ende des bisher von den kontinentaleuropäischen Verbündeten eingehaltenen nuklearpolitischen Moratoriums. Damit war aber zugleich auch für die Bundesregierung ein neuer sicherheitspolitischer Kurs vorgezeichnet. Die Dynamik, die der neue Verteidigungsminister in Bonn in kürzester Zeit zu entfalten wußte, fand ihren nächsten Niederschlag in einem Abkommen, das Strauß wenige Wochen nach der NATO-Ratssitzung mit seinem französischen Amtskollegen Bourges Maunoury vereinbarte und die umfassende technische und militärische Zusammenarbeit auf dem Rüstungsgebiet, die ausdrücklich auch die militärische Atomforschung mit einschließen sollte, zum Gegenstand hatte. Ein entsprechendes Protokoll, das am 18. Januar 1957 in dem algerischen Wüstenort Colomb Béchar von den beiden Verteidigungsministern unterzeichnet wurde, sah u.a. auch die Bildung eines gemeinsamen Rüstungskomitees vor59. Auf seiten der Bundesregierung wurden indessen freilich auch schon bald erste erhebliche interne Divergenzen über den neuen sicherheitspolitischen Kurs deutlich.So bezog man sich im Auswärtigen Amt mit Entschiedenheit auf den Teil der Politischen Direktive, der für die Schildstreitkräfte, im Sinne der angestrebten Flexibilität, die Aufrechterhaltung einer konventionellen Reaktionsfähigkeit gefordert hatte, wohingegen das Bundesministerium für Verteidigung seinerseits die Passagen betonte, die die Notwendigkeit einer Beteiligung der europäischen NATO-Partner an der nuklearen Abschreckungskapazität des Bündnisses formulierten. Ein neuer Konfliktgegenstand in dieser Kontroverse tauchte bereits Ende April auf, als das Militärkomitee der NATO den Regierungen der Mitgliedstaaten den mittlerweile ausgearbeiteten Entwurf einer neuen strategischen Richtlinie MC 14/2 (»Overall Strategie Concept for the Defence of the North Atlantic Treaty Area«) sowie eine Durchführungsvorschrift MC 48/2 (»Measures to Implement the Strategic Concept«) zur Stellungnahme vorlegte60. Diese Direktive MC 14/2, die an die Stelle des bis dato noch gültigen Dokuments MC 14/1 vom Dezember 1952 treten sollte, war eine Kodifizierung der massiven nuklearen Abschreckungsstrategie in Reinstform, die für die konventionellen Streitkräfte nicht mehr als eine Stolperdrahtfunktion (»trip-wire«) vorsah61. Zwar wurde in dem Dokument durchaus betont, daß die Schildstreitkräfte trotz anzustrebender Nuklearisierung im Falle einer lediglich lokalen Infiltration bzw. Aggression auch weiterhin über eine rein konventionelle Reaktionsfähignen.
Vgl. Vgl. 60 Vgl. 58 59
61
FRUS 1955-57, IV, S. 150. Franz Josef Strauß, Die Erinnerungen, Berlin 1989, S. 311f. NHP-Aktenmaterial (Vermerk der Abt. FüB III des BMVg vom November Zum Inhalt von MC 14/2 vgl. NHP-Documents (Nr. 72).
1960).
Zwischen
Abschreckung und Verteidigung
285
verfügen können sollten. Diese Flexibilisierung wurde jedoch zugleich durch die prinzipielle Feststellung wieder relativiert, daß die NATO über keinerlei Konzept eines begrenzten Krieges mit der Sowjetunion verfüge. keit
In der internen Diskussion über MC 14/2 war es wiederum das Bundesministerium für Verteidigung, das sich mit seiner Position gegen das Auswärtige Amt erneut durchzusetzen wußte62. Der Bundeskanzler, der in dem sicherheitspolitischen Grundsatzstreit zwischen Bundesministerium für Verteidigung und Auswärtigem Amt zunächst wohl eher der weichen Linie des Auswärtigen Amtes zugeneigt hatte die große WEU-Initiative vom März war denn auch in seinem Namen erfolgt —, setzte schließlich doch mehr auf —
den offensiven nuklearpolitischen Kurs, der vom Verteidigungsministerium gefahren wurde. Unmittelbarer Anlaß hierfür war offensichtlich die Veröffentlichung des britischen Weißbuches Anfang April, das nicht nur erhebliche Truppenreduzierungsmaßnahmen vorsah die Stärke der britischen Streitkräfte sollte sofort auf 690 000 Mann, dann zum 31. März 1958 auf 625000 Mann und schließlich bis Ende 1962 auf ganze 375000 Mann heruntergefahren werden63 —, sondern auch den diplomatischen Vorstoß des Auswärtigen Amtes in WEU und NATO in gewissem Sinne bereits ad absurdum geführt hatte. Seine entschiedenere Einstellung zur Frage der Nuklearisierung der Bundeswehr brachte Adenauer denn auch Anfang Mai bei einem Treffen mit dem amerikanischen Außenminister Dulles, unter ausdrücklichem Bezug auf das einseitige britische Vorgehen, zum Ausdruck64. Ein offenes Bekenntnis der Bundesregierung zur atomaren Ausrüstung der eigenen Streitkräfte hätte indessen, im Hinblick auf die bevorstehenden Bundestagswahlen und die in der Öffentlichkeit mittlerweile heftig entbrannte Atomdebatte, die der Bundeskanzler durch seine unglückselige »Artillerie-Äußerung« überdies noch selbst zusätzlich angeheizt hatte65, zu keinem Zeitpunkt unangebrachter sein können. In dem besagten Gespräch mit Dulles, das am Rande der NATO-Ministerratstagung in Bonn geführt wurde und an dem u. a. auch Verteidigungsminister Strauß und Außenminister Brentano teilnahmen, entwickelte Adenauer deshalb mit taktischer Finesse einen Stufenplan. So sollte der gesamte Problemkomplex Ausrüstung der Bundeswehr mit Atomwaffen bis zum Wahltermin im September ausgeklammert und stattdessen die Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit auf die Londoner Abrüstungskonferenz gelenkt werden, die sich nach dem Wunsch des Bundeskanzlers mindestens bis zum Herbst hinziehen sollte. Nach dem Termin der Bundestagswahl und dem zu erwartenden Scheitern der internationalen Abrüstungsverhandlungen hätte die Bundesregierung dann Gelegenheit, ihre Haltung zur Frage der Nuklearisierung auch öffentlich einer Überprüfung zu unterziehen. Auf der NATO-Ministerratssitzung in Bonn, die am gleichen Tage zu Ende gegangen war, waren keine spektakulären neuen Beschlüsse gefaßt worden66. Zwar hatten die Außenminister Frankreichs und der Niederlande, Pineau und Luns, eindringlich vor einer Vernachlässigung der konventionellen Verteidigungsfähigkeit gewarnt, zugleich wurde —
Vgl. BA-MA, Tagebücher de Maizière, N 673, Heft 5, Eintragungen vom 27.4. und 6.5.1957. Vgl. ebd., Eintragung vom 25.4.1957. 64 Aufzeichnung dieses Gespräches, das am 4.5.1957 in Bonn stattfand, in: NHP-Documents. 65 Vgl. Adenauer (wie Anm. 43), S. 296. 66 Vgl. FRUS 1955-57, IV, S. 167 ff. 62 63
286
Peter Fischer
jedoch von den europäischen Partnerstaaten erneut die Forderung nach einer Nuklearisierung der Schildstreitkräfte mit Nachdruck unterstrichen. Immerhin war aber durch einen Vorschlag Frankreichs zum ersten Mal ein Problemkomplex angesprochen worden, der in der gesamten bisherigen Diskussion peinlichst ausgeklammert worden war.
war man zwar bisher wie selbstverständlich davon ausgegangen, daß die Ausrüstung der NATO-Streitkräfte mit taktischen Atomwaffen durch die USA zu erfolgen habe. Bislang völlig ungeklärt geblieben waren aber die praktischen und juristischen Modalitäten dieser Übertragung und damit verbunden vor allem die Frage, wer über Freigabe und Einsatz dieser Waffen entscheiden sollte. Die Anregung Frankreichs, daß die der NATO übertragenen taktischen Atomwaffen in einem Pool (»nuclear stockpile«) zusammengefaßt werden sollten, bedeutete in dieser Hinsicht deshalb einen ersten praktischen Vorstoß, der jedoch zunächst unbeantwortet blieb. In Bonn standen derweil im Sommer, neben dem Wahlkampf, zunächst die sich aus der erneut fällig gewordenen Antwort auf die NATO-Jahreserhebung ergebenden Probleme im Mittelpunkt. Eine neue revidierte Aufstellungsplanung lag auch Monate nach dem Ministerwechsel im Verteidigungsministerium immer noch nicht vor67. Die NATO hatte darauf jedoch äußerst ungehalten reagiert und der Bundesregierung in einer diplomatischen Notenoffensive, an der sich außer dem Generalsekretär auch der Stab von SHAPE beteiligte, in ungewöhnlich scharfer Form deutlich gemacht, daß die fehlenden deutschen Angaben die gesamte AufStellungsplanung der NATO zu blockieren drohten68. In einem Brief an Blankenhorn übte Norstad denn auch schärfste Kritik am Fehlen klarer und verbindlicher deutscher Angaben und machte unmißverständlich klar, daß er seinen Auftrag, die Sicherstellung der Verteidigung Mitteleuropas, nur unter Verfügung über den gesamten der NATO 1954 zugesagten deutschen Verteidigungsbeitrag von 500000 Mann gewährleisten könne69. Damit kündigte Norstad zugleich seinen erbitterten Widerstand gegen etwaige deutsche Reduzierungsabsichten auf 200000—250000 Mann durch Herabsetzung der Divisionsstärke auf 6000 Mann, wie er einem Gespräch mit Strauß habe entnehmen müssen, an70. Solchermaßen unter Druck gesetzt, entschloß sich die Bundesregierung am 20. Oktober einen ersten Teil ihrer Beantwortung des NÄTO-Fragebogens zu übergeben, in der die Aufstellung von 203000 Mann bis zum 31. März 1959 angekündigt wurde71. Anfang November erläuterte Heusinger, seit 1. Juni Generalinspekteur der Bundeswehr, dann in einem Gespräch mit Norstad die weitere deutsche Aufstellungsplanung. So sollte bis zum 31. März 1961 eine Gesamtstärke von 323000 Mann erreicht sein72. Zugleich versicherte Heusinger dem SACEUR ausdrücklich, daß die Bundesregierung langfristig durchaus an ihrer Zusage zur Aufstellung einer 500000 Mann Armee festhalte73.
So
67
Vgl. BA, NL-351 (Blankenhorn), Nr. 79,
S. 257-259.
Vgl. ebd., Nr. 78a, S. 261 f. und Nr. 79, S. 257-259. 69 Vgl. ebd., Nr. 78a, S.34f. 70 Vgl. ebd., S. 115. 71 Vgl. NHP-Aktenmaterial (Sprechzettel des Herrn Generalinspekteurs für die Sitzung des Bundesverteidigungsrates am 11.11.1957). 72 Vgl. ebd. 73 Vgl. BA-MA, Tagebücher de Maizière, N673, Heft 6, Eintragung vom 6.11.1957. 68
Zwischen
Einen
Abschreckung und Verteidigung
Entwurf seiner Studie
(»Allied
287
Command Europe Minimum Force ReNorstad bereits Anfang Oktober 1957 vor74. Was quirements Study 1958—1963«) legte sich in der bündnisinternen Strategiediskussion schon seit einiger Zeit immer deutlicher artikuliert hatte, die Notwendigkeit einer Differenzierung der totalen Abschreckungsstrategie, fand hier ihren ersten entschiedenen Niederschlag. Die Unverzichtbarkeit einer massiven Abschreckung mit Nuklearwaffen wurde zwar erneut unterstrichen, gleichzeitig aber auch die Möglichkeit begrenzter Konflikte »local wars« im Unterschied zum »general war« zum ersten Mal offiziell mit in die Planung einbezogen. Eine glaubhafte Abschreckung, so erläuterte Norstad seinen neuen Ansatz vor dem Ständigen Rat der NATO, sei auf die Dauer durch ein rigides Festhalten an der Androhung massiver Vergeltung nicht durchzuhalten, sondern könne nur durch ein gewisses Maß an Flexibilität gewährleistet werden. Die Schildstreitkräfte müßten deshalb über eine sowohl nukleare wie auch konventionelle Reaktionsfähigkeit (dual capability) verfügen. Entscheidende Voraussetzung dafür sei aber, wie von Norstad ausdrücklich betont wurde, daß in Mitteleuropa eine ausreichende Anzahl von Bodenstreitkräften, d. h. mindestens 30 Divisionen, einsetzbar seien. Bezüglich der Frage der Ausrüstung der Schildstreitkräfte setzte sich Norstad offensiv für eine Berücksichtigung der nunmehr in großer Anzahl verfügbar werdenden Raketenwaffen ein. Daraus leitete sich auch eine Erweiterung der Forderungen an den deutschen Militärbeitrag ab. So sollte die Bundesrepublik nicht nur die zugesagten 12 Heeresdivisionen, sondern darüber hinaus bis 1963 zusätzlich noch 40 weitere Einheiten für Boden-Boden-Raketen bereitstellen. Von deutscher Seite wurden gegen diese Zusatzforderungen sogleich große Vorbehalte angemeldet75. Im sicherheitspolitischen Grundsatzstreit in Bonn konnten sich indessen beide Seiten durch die Ergebnisse der Norstad-Studie bestätigt fühlen. So war zum einen die Notwendigkeit einer Nuklearisierung der Schildstreitkräfte erneut unterstrichen, zugleich aber unter ausdrücklichem Bezug auf die vom Auswärtigen Amt im Frühjahr lancierauch die Unverzichtbarkeit einer echten konventionellen Verteidigungste Anfrage im komponente Sinne der angestrebten Flexibilisierung betont worden. Darüber hinaus hatte man erste Hinweise dafür, daß die USA auf der bevorstehenden NATO-Ministerratssitzung die Anregung Frankreichs vom Mai aufgreifen und entsprechende Vorschläge zur Bildung eines NATO-Atomwaffenpools sowie zu einer nuklearen Zusammenarbeit unterbreiten wollten und, um die Bedeutung der auf dieser Sitzung zu treffenden Entscheidungen noch zu unterstreichen, auf Initiative von Dulles eine Teilnahme der Regierungschefs selbst angeregt hatten76. Dieses harmonische Bild wurde jedoch Anfang Oktober jäh zerrissen, als die Sowjetunion der erstaunten Weltöffentlichkeit durch den erfolgreichen Sputnik-Start demonstrierte, daß sie, im Gegensatz zu den USA, bereits über mehrstufige ballistische Interkontinentalraketen verfügte. Die Reaktion des Bundeskanzlers, der sich schon seit einiger Zeit äußerst irritiert über die Vorschläge des Leiters der US-Delegation, Stassen, bei ersten
—
—
—
—
Vgl. Vgl. 7 Vgl. 74 75
FRUS 1955-57, IV, S. 170 f. NHP-Aktenmaterial (wie Anm. 71). FRUS 1955-57, IV, S. 183f., Anm. 9.
Peter Fischer
288
den Londoner Abrüstungsverhandlungen gezeigt hatte Adenauer gab hier die Schuld eindeutig Eisenhower, dem er Ermüdungserscheinungen im Antikommunismus und unverantwortliche Profilierungssucht als Friedens- und Abrüstungspräsident vorwarP7 —, war entsprechend heftig. Die Sorge, daß die USA im Angesicht der nunmehr bittere Wirklichkeit gewordenen eigenen Bedrohung nicht zu ihren Bündnisverpflichtungen stehen würden, traf hier zusammen mit der Befürchtung, daß die amerikanische Politik unter Eisenhower letztlich doch nicht auf nukleare Partnerschaft, sondern auf die von Stassen unter ausdrücklicher Betonung der Bundesrepublik und Frankreich propagierte Politik der Non-Proliferation ausgerichtet sei78. Im Verteidigungsrat zeigte sich der Bundeskanzler dann auch fest davon überzeugt, daß nunmehr eine »grundsätzliche Änderung der Lage« eingetreten sei, die von der Bundesregierung entsprechende Maßnahmen verlange79. Es war genau diese kritische Situation, in der die französische Regierung in Bonn den Vorschlag zu einer trilateralen nuklearen Zusammenarbeit unterbreitete, an der, außer der Bundesrepublik und Frankreich, nach bereits erfolgten Absprachen mit dem italienischen Verteidigungsminister Taviani, auch Italien beteiligt werden sollte80. Der Bundesregierung vorgestellt wurde die französische Initiative, die im wesentlichen auf einer Geheimsitzung des Kabinetts in Paris am 15. November 1957 entwickelt worden war, durch Staatssekretär Maurice Faure, der sich als »Merkur« der französischen Regierung schon mehrfach bewährt hatte und am 16. November zunächst mit dem Bundesaußenminister und direkt anschließend mit dem Bundeskanzler zusammentraf81. Während Brentano sich bezüglich des Angebots einer nuklearen Kooperation zwar grundsätzlich positiv äußerte, gegen die Einbeziehung der Produktion von Atomwaffen unter Berufung auf die Pariser Verträge jedoch erhebliche Bedenken geltend machte, war die Reaktion des Bundeskanzlers uneingeschränkt positiv. So erzielte man schnell Übereinstimmung in der Feststellung, daß auf der kommenden NATO-Konferenz ein gemeinsames Vorgehen der kontinentaleuropäischen Staaten erforderlich sei und daß man sich nur durch eigenes Initiativwerden auf dem Nukleargebiet, dadurch daß man erste Tatsachen schaffe, im Hinblick auf die unerträgliche nukleare Diskriminierung durch die angloamerikanischen Staaten hier auch wirklich Gehör verschaffen könne. Adenauer machte indessen in diesem Zusammenhang sogleich auch auf das delikate Problem aufmerksam, die NATO durch einen eigenständigen europäischen Beitrag stärken zu müssen, ohne die Vereinigten Staaten aus ihrer dem Bündnis bisher gewährten Sicherheitsgarantie zu entpflichten, und brachte bei dieser Gelegenheit erneut seine starken Vorbehalte gegen die aktuelle Politik des amerikanischen Präsidenten zum Ausdruck. Um unliebsame Zwischenfälle seitens des Weißen Hauses zu vermeiden, müsse deshalb das Projekt für eine —
77
Vgl.
Adenauer
(wie Anm. 1), S. 1260 f. Kritik an Stassen vgl. BA, NL-351 (Blankenhorn), Nr. 80, S. 175f. heftiger 79 Vgl. die Aufzeichnungen de Maizières über die Sitzungen des Verteidigungsrates am 11.11. und 19.11.1957, in: BA-MA, Tagebücher de Maizière, N 673, Heft 6, Eintragungen vom Tage. 80 Vgl. dazu ausführlich Peter Fischer, Das Projekt einer trilateralen Nuklearkooperation. Französischdeutsch-italienische Geheimverhandlungen 1957/1958, in: Historisches Jahrbuch (1992), 1. Halbbd, 78
Zu Adenauers
S. 143-156.
8)
Vgl.
Adenauer
(wie
Anm.
43),
S. 323-332.
Zwischen
Abschreckung und Verteidigung
289
Zusammenarbeit mit den USA soweit wie möglich offengehalten werden. Maurice Faure kam schließlich auch auf die entscheidende Frage zu sprechen, ob die Bundesregierung die Herstellung von Atomwaffen in die gemeinsamen Anstrengungen einbeziehen wolle. Diese Frage wurde vom Bundeskanzler ohne Einschränkung bejaht. Bezüglich der Regelung der Einzelheiten der nuklearen Zusammenarbeit kam man überein, die beiden Verteidigungsminister Chaban-Delmas und Strauß mit der umgehenden Ausarbeitung entsprechender Vorschläge zu beauftragen. Gleichzeitig sollten die beiden Außenminister Pineau und von Brentano das Projekt in Washington erläutern und die Möglichkeiten einer Zusammenarbeit mit den USA eruieren. Das Treffen zwischen Chaban-Delmas und Strauß fand am 20. November im Verteidigungsministerium in Paris statt82. Sehr viel forscher als in dem Gespräch beim Bundeskanzler wurde hier die »Notwendigkeit einer unabhängigen Stellung der europäischen Staaten im Interesse der Selbsterhaltung dieser Staaten und zur Stärkung der Allianz« unterstrichen. Bezüglich des gemeinsamen Vorgehens auf der bevorstehenden NATOGipfelkonferenz kam man überein, die beiden Atommächte USA und Großbritannien zunächst dazu aufzufordern, die nukleare Diskriminierung innerhalb des Bündnisses zu beseitigen. Für den Fall einer nicht zufriedenstellenden Lösung des nuklearen Kontrollproblems sollte als Antwort, durch eine entsprechende Stellungnahme des französischen Ministerpräsidenten Gaillard, die Entschlossenheit der kontinentaleuropäischen Staaten zu einer eigenständigen Anstrengung auf dem Gebiet der Rüstungsproduktion zum Ausdruck gebracht werden. Dabei sollte diese jedoch so allgemein wie möglich gehalten sein, um jede unliebsame Publizität zu vermeiden. Angesprochen wurden bei dieser Besprechung auch die der Bundesrepublik durch die Pariser Verträge auferlegten Rüstungsbeschränkungen. Hierzu stellte der französische Verteidigungsminister ausdrücklich fest, daß der nukleare Produktionsverzicht der Bundesrepublik sich nur auf das eigene Territorium beziehe, einer gemeinsamen Produktion auf französischem oder italienischem Staatsgebiet dementsprechend keinerlei rechtliche Bedenken entgegenstehen würden. Um bei der bevorstehenden NATO-Konferenz bereits etwas Konkretes in den Händen zu haben, kamen Strauß und Chaban-Delmas überein, den seinerzeit nach dem Abkommen von Colomb-Béchar gebildeten deutsch-französischen Rüstungsausschuß unter italienischer Beteiligung unverzüglich zusammentreten zu lassen und mit der Erarbeitung eines Programms für die Verteilung der Aufgaben zu beauftragen. Ein entsprechendes Dreier-Protokoll sollte schließlich noch im November durch die Verteidigungsminister der drei Partnerstaaten unterzeichnet werden. Unterdessen stieß Außenminister von Brentano bei seiner Sondierungsmission in Washington auf herbe Kritik an dem geplanten trilateralen Kooperationsprojekt83. Er halte es für eine Verschwendung der der Allianz zur Verfügung stehenden begrenzten Mittel,
so ließ der amerikanische Außenminister Dulles seinen deutschen Amtskollegen bei einer Besprechung am 23. November kühl wissen, wenn in diesem Stadium kleine Länder ver-
suchten, selbst Nuklearwaffen herzustellen. So hätten die USA, wie Dulles durch seinen 82 83
Vgl. Strauß (wie Anm. 59), S. 313. Vgl. FRUS 1955-57, IV, S. 190-209.
290
Peter Fischer
Atomberater Gerard Smith in Einzelheiten ausführen ließ, unter Aufwand ganz erheblicher finanzieller Mittel nicht weniger als 10 Jahre für die Entwicklung und Herstellung von Nuklearsprengköpfen für Raketen einer mittleren Reichweite (1200—1500 Meilen) benötigt. Zugleich verwies der amerikanische Außenminister auf die Initiative Washingtons zur Schaffung eines NATO-Nuklearpools, die schließlich zentral darauf abziele, gleiche Bedingungen für alle Verbündeten zu schaffen. Für eine militärische Allianz, die sich auf Interdependenz und gegenseitiges Vertrauen gründe, so gab Dulles dem deutschen Außenminister unmißverständlich zu verstehen, sei seiner Ansicht nach die Zusammenlegung (pooling) der Nuklearwaffen in Kriegszeiten und ihre Verfügbarkeit für alle Partner die einzige Lösung. Diese Ausführungen nahm von Brentano seinerseits zum Anlaß, das Problem der Kontrolle dieser gemeinsamen Atomwaffen explizit zur Sprache
bringen. Ergebnis wurde durch die harsche Reaktion Dulles' auf das europäische Kooperationsprojekt und seine Stellungnahme zur Frage der nuklearen Kontrolle das Mißtrauen des Bundeskanzlers bzgl. der Angebote Washingtons weiter verstärkt. Sollte die Entscheidung über den Einsatz der bei der NATO gelagerten amerikanischen Atomwaffen auch in Zukunft allein beim amerikanischen Präsidenten liegen, so war eine echte Rückversicherung der europäischen Staaten, sowohl zur Aufrechterhaltung einer glaubwürdigen Abschreckung als auch zur eigenen Sicherung, letztlich nur durch europäische Atomwaffen zu gewährleisten. Die hierfür erforderlichen Entscheidungen und Vorkehrungen mußten nach Adenauers Auffassung auch deshalb unverzüglich getroffen werden, weil der NATO-Vertrag nur auf 20 Jahre geschlossen war und eine Erneuerung der amerikanischen Sicherheitsgarantie durch die zum kritischen Zeitpunkt der Verlängerung bestimmende Administration in Washington keineswegs als gesichert betrachtet werden konnte. In einem Gespräch mit dem amerikanischen Außenminister Dulles, das zwei Tage vor Beginn der NÄTO-Gipfelkonferenz am 14. Dezember im Pariser Hotel Bristol stattfand, kam Adenauer auf seine großen Sorgen hinsichtlich des atlantischen Bündnisses zwar ohne Umschweife zu sprechen, bemühte sich jedoch zugleich aktiv darum, bei Dulles jeden Eindruck eines geplanten europäischen Alleingangs im Rahmen des trilateralen Kooperationsprojektes zu zerstreuen84. Aber auch der amerikanische Außenminister, der in das Gelingen der bevorstehenden Gipfelkonferenz viel Arbeit und Prestige investiert hatte, gab sich in diesem heiklen Punkt konziliant und räumte sogar die Möglichkeit einer Zusammenarbeit ein. Freilich machte Dukes dem Bundeskanzler zugleich auch deutlich, daß seine Regierung aktiv daran interessiert sei, eine ungebührliche Verbreitung (undue spread) von Atomwaffen zu verhindern. Die dreitägige NATO-Gipfelkonferenz in Paris (16.—19. Dezember 1957), auf der die 15 Mitgliedstaaten durch die Regierungschefs sowie die Außen- und Verteidigungsminister vertreten waren, stand ganz unter dem Zeichen der Bemühungen Washingtons, das Prozu
Im
blem der nuklearen Asymmetrie, das die interne Integration des Bündnisses seit der Nuklearisierungsentscheidung vom Dezember 1954 immer stärker belastet hatte, durch großzügige Angebote einer nuklearen Zusammenarbeit, auch auf dem Gebiet der Forschung 84
Vgl. NHP-Documents;
siehe auch Adenauer
(wie
Anm.
43),
S. 337—339.
Zwischen
Abschreckung und Verteidigung
291
Entwicklung, zu entdramatisieren und damit gleichzeitig den bereits erkennbaren Autonomisierungsbestrebungen der europäischen Verbündeten rechtzeitig den Wind aus den Segeln zu nehmen85. Eines der wichtigsten Ergebnisse dieser bündnispolitischen Offensive bestand in der Zusage der USA, die NATO-Partner mit Raketen kürzerer und mittlerer Reichweite auszustatten. Die Atomsprengköpfe für diese auch konventionell einsetzbaren Mehrzweckwaffen sollten, wie schon zuvor angekündigt, in einem unter amerikanischer Aufsicht stehenden NATO-Pool bereitgehalten werden86. Offen blieb freilich die Frage, ob der SACEUR in einer solchen Situation seine Entscheidungen als und
Oberbefehlshaber der NATO oder als amerikanischer General zu treffen haben würde. Die unbefriedigende Lösung des Kontrollproblems war denn auch genau der entscheidende Punkt, auf den sich der französische Ministerpräsident bei der Rechtfertigung der mittlerweile in Gang gekommenen trilateralen Nuklearkooperation zwischen der Bundesrepublik, Frankreich und Italien bezog87. Dabei ging Gaillard noch einen Schritt weiter, indem er für Frankreich eine nationale Kontrolle über Atomwaffen als »eine politische Notwendigkeit« bezeichnete und damit zugleich durchblicken ließ, daß Frankreich sich nicht von dem Ziel würde abbringen lassen, sich unter Ausnutzung aller verfügbaren Möglichkeiten, einschließlich der der Kooperation, so schnell wie möglich als vierte Atommacht
zu
etablieren88.
III
Nuklearpolitik Bonns standen deshalb Ende 1957, wie es scheinen konnte, zwei Wege offen. Die nukleare Zusammenarbeit mit den Vereinigten Staaten innerhalb des atlantischen Bündnisses unter grundsätzlicher Anerkennung eines nuklearen Status- und Der
Machtunterschiedes, aber in der sicheren Gewißheit, daß trotz aller Zweifel eine Sicher-
heitsgarantie für Westeuropa und für die Bundesrepublik im besonderen nur durch die USA gewährt werden konnte. Auf der Basis der amerikanischen Vorschläge vom Dezember und der Norstad-Studie wurde den Verteidigungsministern der Mitgliedstaaten im Februar 1958 ein von der Standing Group ausgearbeiteter Entwurf des Dokuments MC 70 (»Minimum Essential NATO Force Requirements 1958—1963«) zur Stellungnahme zugeleitet, der nach entsprechender Überarbeitung von der NATO auf ihrer Frühjahrskonferenz gebilligt wurde. Mit der deutschen Zustimmung zu MC 70 nach heftigster Debatte im Bundestag hatte sich die Bundesregierung durch einen entsprechenden Entschließungs—
Vgl. Vgl. 87 85 86
88
FRUS 1955-57, IV, S. 218 ff., 232 ff. Adenauer (wie Anm. 43), S. 344. Vgl. FRUS 1955-57, IV, S. 237 f. Zur französischen Nuklearpolitik vgl. das Heft Nr. 59 der Zeitschrift Relations Internationales vom Oktober 1989, das ausschließlich diesem Thema gewidmet ist und zugleich die ersten Forschungsergebnisse der französischen NHP-Gruppe vorstellt. Siehe ferner Lawrence Scheinman, Atomic Energy Policy in France Under the Fourth Republic, Princeton 1965; Samy Cohen, Les pères de la bombe atomique française, in: L'Histoire (1988), Nr. 117 (Dezember), S. 18—26; L'aventure de la bombe. De Gaulle et la dissuasion nucléaire 1958—1969, Institut Charles de Gaulle (Ed.), Paris 1985.
Peter Fischer
292
antrag der Koalitionsfraktionen am 25. März hierfür nunmehr auch öffentlich ein Mandat gesichert war die Entscheidung für die Ausrüstung der Bundeswehr mit modernen Mehrzweckwaffen endgültig gefallen89. Von einer echten nuklearen Partnerschaft innerhalb des atlantischen Bündnisses war man zwar auch jetzt noch weit entfernt90. Für die ferneren Zielen zustrebende Nuklearpolitik Bonns hatte dieser Weg jedoch den nicht geringen Vorteil, daß man die eigenen Ambitionen auf diesem nach wie vor äußerst heiklen Gebiet durch Verweis auf das Bündnis und die Erfüllung entsprechender gemeinsamer Verpflichtungen innen- wie außenpolitisch leichter rechtfertigen konnte. Der zweite Weg, die nukleare Kooperation mit Frankreich, ob auf bilateraler, trilateraler oder gar multilateraler Basis einer wiederbelebten EVG, konnte zwar für einige Zeit als der vielversprechendere und vor allem kürzere Weg zur Überwindung der als »unerträglich« empfundenen nuklearen Asymmetrie bzw. Diskriminierung erscheinen. Gegen diese Option sprach jedoch zum einen, daß sich diese durch den bestehenden Bündniskontext nicht unmittelbar geschützte Zusammenarbeit, wie sich bereits in den ersten Monaten des Jahres 1958 zeigte, längerfristig nicht würde geheimhalten lassen, mit entsprechenden Rückwirkungen auf das innen- und außenpolitische Klima91. Zum anderen mußte sich die Bundesregierung bei dieser Art von Zusammenarbeit von Anfang an über die Gefahr im klaren sein, daß man hier lediglich zur Finanzierung des letzten Endes doch eindeutig national ausgerichteten französischen Nuklearprogramms beitrug. Dieser Aspekt kam mit dem Ende der Vierten Republik und der Machtübernahme durch De Gaulle unübersehbar zum Vorschein und führte im Spätsommer 1958 schließlich zum Abbruch des trilateralen Kooperationsprojektes. Bundeskanzler Adenauer und der neue italienische Ministerpräsident Fanfani waren sich auf einer Besprechung am 1. September in Rom schnell darüber einig, daß eine Weiterverfolgung des Projektes unter nunmehr erklärter französischer Hegemonie unakzeptabel sei. Die europäische Option, das Projekt einer europäischen Nuklearstreitmacht, hatte damit zugleich aber kurz vor dem Ende der fünfziger Jahre bereits ihren Zenit überschritten. Am Problem der nuklearen Kontrolle wurde deutlich, daß Bonn im Unterschied zu Paris in seiner Sicherheitspolitik von grundsätzlich unterschiedlichen Voraussetzungen auszugehen hatte. Während Frankreich in der Folge seine Entschlossenheit demonstrierte, von einer befriedigenden Lösung des Kontrollproblems letztlich auch die Frage seiner weiteren Mitgliedschaft in der NATO abhängig zu machen, blieb die Bundesrepublik alternativlos auf das atlantische Bündnis und die Sicherheitspartnerschaft mit den Vereinigten Staaten angewiesen. Nicht ohne warnenden Unterton waren denn auch die ungewöhnlich scharfen Worte gemeint, die der amerikanische Außenminister Dulles bei einer Begegnung mit Strauß im Frühjahr 1958 für den französischen Wunsch, eigene Atomwaffen herzustellen, fand: »They are mad and crazy«92. —
89
90
9i 92
Zu MC 70 vgl. Christian Tuschhoff, Die MC 70 und die Einführung Nuklearer Trägersysteme in die Bundeswehr 1956—1959, NHP-Arbeitspapier, Stiftung Wissenschaft und Politik 1990. Vgl. Dieter Mahncke, Nukleare Mitwirkung. Die Bundesrepublik Deutschland in der atlantischen Allianz 1954—1970, Berlin, New York 1972. Vgl. Hartmut Soell, Fritz Erler Eine politische Biographie, Bonn-Bad Godesberg 1976, S. 347. BA, NL-351 (Blankenhorn), Nr. 86b, S. 73. —
John Gillingham The Nature of an Alliance: A Summation
This volume offers new and critical views of the North Atlantic Treaty Organization during its formative years. The fourteen authors of »Das Nordatlantische Bündnis 1945—1956« are not, as with most previous studies, concerned mainly with either the internal development of NATO or its effectiveness as an instrument of Cold War diplomacy; they focus instead on how the alliance unified, or failed to unify, the West. The approach that one encounters here owes much to the recent opening of public archives in several member-nations, but more still to the upheavals and transformations of the past few years. The reunification of Germany, the uniting of Europe, the political and economic demoralization of the United States, and the collapse and disappearance of the Soviet Union have together not only changed the context of the postwar world but put the future of NATO in question. To determine whether the alliance can (or should) survive, policy-makers need to understand better than at present why it was created in the first place; whether it has met its initial goals or accomplished others in the course of its early development; how, when, and where it may have been remiss in this respect; and whether its history suggests that it can still change or be changed. The authors of this book examine NATO's early years in light of threat perceptions, military strategy, the special interests of member states, and the development of nuclear weaponry as well as in relation to economic growth. These pages present a fresh characterization of NATO as an alliance of limited military but considerable political and even economic utility, something imperfect but important to the welfare of Europe and the United States in the early 1950's. I. Threat
Perceptions
Though NATO served the threefold purpose of »Keeping the Russians out, bringing the Americans in, and holding the Germans down!« the Soviet threat, as Norbert Wiggershaus demonstrates in »Nordatlantische Bedrohungsperzeptionen im >Kalten Krieg< 1948—1956« provided the alliance's official raison d'être from the very outset. The Red Army did not, however, constitute, nor was it even (except for brief moments of panic during the Korean War) thought to have represented, a clear and present danger to Western Europe. Never did NATO staff planners consider Soviet-initiated general war an imminent threat. They were convinced, however, that communism was inherently aggressive, intrinsically expansive, and a permanent menace. Nothing that the USSR either did or did not do changed this perception. Events the development of a nuclear war-making —
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capacity, the Korean War, repression in the Bloc merely confirmed the worst suspicions of NATO analysts. Wiggershaus implies that the experts may have been victims of an onsetting Cold War mentality. They regularly exaggerated the numbers and effectiveness of Soviet atomic weaponry while at the same time downplaying evidence of weakness within the bloc such as the June 1953 uprising in the German Democratic Republic and the lack of cooperation within the Warsaw Pact. The »threat perceptors« never considered the possibility that the Soviets were in a defensive posture, even though, as the author demonstrates, the balance of power shifted steadily in favor of the West: Stabilization and economic growth eliminated the threat of internal unrest and the rapid development of atomic weaponry between 1949 and 1956 made it in fact possible for the United States to an—
nihilate any enemy. must be considered in light of Wiggershaus's discussion as a preeminently political rather than a military response to the Soviet threat. The defense of the West, as he shows, never rested on holding territory. To be sure, after the twin shocks of the Soviet A-Bomb detonation and the communist takeover of China US military assistance began to flow to Europe, its purpose being to provision a NATO force of thirty divisions. The Truman Administration did not, however, expect such a force to keep the Soviets at bay, according to the author, but rather hoped merely to bolster civilian morale and protect the American investment in European recovery. Neither the shock of the Korean War nor the adoption of NSC-68 produced a viable defensive strategy, according to this account. The directive called for a rapid mobilization to protect Europe from 1952 to 1954, years of maximum vulnerability. Yet the buildup was slower than planned and came far too late to have been of crucial military importance. Before the thirty-two divisions thought necessary for a »forward strategy« of defense close to the eastern borders of the Federal Republic had been raised, NATO had gone nuclear. The adoption in 1953 of the »New Look« and its baptism by Secretary of State Dulles as Massive Retaliation relegated ground defenders to helpmates, tripwires of an American response and wagers of holding actions. The West's real defense rested on the enemy's fear that any violation of the borders guaranteed by NATO would result in certain and total destruction. The theory of deterrence, Wiggershaus reminds us, carried the day within NATO less because it was cheap for, contrary to promises and predictions, it indeed was not than because it was popular with the public. In an alliance beset by historic antagonisms, serious conflicts of economic and political interest, and inexperienced leadership, belief in the efficacy of nuclear deterrence was a common denominator of membership during the 1950's. Everyone agreed on the wisdom of running a tiny risk of instant obliteration rather than incurring the heavy economic costs and vexing political difficulties required to mount a successful conventional defense that in the end would probably fail and leave Europe in ruins. Alexander Fischer could not use primary sources as a basis for »Sowjetische Reaktionen auf die Gründung der NATO« but his analysis of the subject is nevertheless highly instructive. He argues that, contrary to official pronouncements, Stalin did not consider NATO
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a threat to the USSR but perhaps only and even then in but a small way his soaring postwar ambitions, which included »turning the Soviet Union into one of the world's greatest powers« and the »socialization of Europe«. The Marshall Plan, which Stalin viewed (not altogether incorrectly!) as a ploy to isolate the Soviet Union and as a first step towards the formation of a western alliance including the United States is, according to Fischer, what caused the USSR to re-direct its energies from expansion to consolidation. Shortly after its announcement, he argues, Soviet propaganda shifted from appeals to pan-Slavic cooperation to a new line warning of American world-domination. The integration of the GDR and the formerly German-allied Hungarians and Roumanians into a Kremlin-dominated bloc was thenceforth politically possible. The process began in 1947. Fischer dates it from the September meeting of communist parties at Schreiberhau in Polish Silesia, where Andrej Shdanow, representing Stalin, declared that the world had been divided into two distinct camps, one »imperialist and antidemocratic,« the other »anti-imperalist and democratic«. All of this, of course, happened prior to the founding of NATO. One might reasonably doubt therefore that the alliance appreciably hardened the already rigid fronts dividing east from west. Noting that the Warsaw Pact dates from 1955, Fischer argues that the formation in 1949 of the Council for Mutual Economic Cooperation (COMECON) was the Soviet response to NATO. Until government and party archives in the former Ostblock have been examined it cannot be determined conclusively whether this was the case, whether COMECON was merely a belated counter to the Marshall Plan spinoff the Organization for European Economic Cooperation (OEEC) —, or whether as yet unknown factors came into play. Fischer in any case doubts that the founding of NATO had much influence on thinking in Moscow: Stalin neither feared invasion nor doubted that »contradictions« in capitalism would soon make Western Europe ripe for communist expansion. His main worry, the author suggests, was that the glitter and glamor of a Marshall Plan-stimulated economic revival would weaken the Kremlin's hold on Eastern Europe and possibly even on the Soviet Union itself.
NATO
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to
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II. Structures and
Strategies
»Integration ist [...] das wesentliche Charakteristikum der NATO-Militärorganisation,« according to Wichard Woyke's contribution, »Die Militärorganisation der NATO 1949 bis 1956«. Thus common command authorities for the allied armed forces together with coordinated planning and control were features of the alliance's peacetime structure. Integration should not, however, be confused with equality: The set-up of five regional planning groups and, subsequently, of separate commands prevented the formation of a European bloc within the alliance and left United States' dominance intact, according to this organizational description. Command authority was in the hands of SACEUR, an American officer. The so-called Military Committee composed of the chiefs-of-staff of all the member-nations, which was supposed to formulate strategy, did so only nominally. Real responsibility devolved upon a sub-committee, the »Standing Group«, composed
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of the United States, Great Britain and France. The entrance in Turkey as the thirteenth and fourteenth members of the alliance as well as the inclusion of the Federal Republic some two years later, Woyke concludes, increased staffs but otherwise left the structure of NATO unaltered. Christian Greiner's »Zur Rolle Kontinentaleuropas in den militärstrategischen und operativen Planungen der NATO von 1949 bis 1958« shows that The Bomb governed strategy and even suggests that this awesome weapon, in its various permutations and refinements, may have been the invisible bond holding the alliance together. Greiner reminds us, first of all, that even before the United States had at its disposal enough atomic weapons, to destroy the Soviet Union, NATO strategy called for immediate use of them against the rear areas of the advancing Red Army. The primary mission of land forces, then as later, was to protect the nuclear sword. Greiner doubts that NATO could have ever mounted a successful conventional defense because no member was willing to pay the necessary price for one. In surveying the history of NATO strategy, he proves the point in spades. Greiner notes, first of all, that the immense effort undertaken to close the »window of vulnerability« thought to have been open between 1952 and 1954 resulted in the raising of only twenty-nine divisions a mere eighteen of them in the critical central European sector to confront the ninety-four of the Soviet and satellite armies. Rapid nuclearization was necessary to overcome the deficit, he argues, thereby endorsing President Truman's decision to invest heavily in the development of both the H-Bomb and tactical nuclear weaponry as well as the Eisenhower Administration's adoption of Massive Retaliation as official strategy. The new doctrine, as described operationally in MC-48 of 18 November 1954 (»The Most Effective Pattern of NATO Strength for the next few years«), called for instant and total nuclear retaliation in the event of a Soviet invasion of NATO-protected territory. This strategy was beset with problems. From the German standpoint the worst of them was that land forces were to defend only at the Elbe-Trave-Kanal line in the north and WeserFulda-Main-Ludwig-Kanal line in the south. An exchange involving nuclear-capable 280 mm artillery pieces, which could fire a distance of only thirty kilometers, would thus partly have taken place on the soil of the Federal Republic. Another troubling problem concerned the authority to initiate nuclear attack. Diplomatically and constitutionally correct procedures, if faithfully observed, could cause fatal delay in the event of an hostile action. The problem, Greiner suggests, was never satisfactorily resolved but only papered over by means of a JCS formula, later endorsed by the NATO Council, that the authority to initiate use of atomic weapons remained with the »nuclear powers«. The operational significance of this cryptic decision has fortunately never been tested. of
representatives
1952 of Greece and
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to being unsatisfactory, the JCS formula for the use of atomic weapons was worrisome to the alliance's nuclear have-nots. As Greiner demonstrates, however, they failed to come up with another one, or for that matter with any alternative strategy that might have better served their interests. This apparent helplessness was due in part to the American nuclear monopoly. The numbers, reliability, and destructive capabilities of atomic weapons, similar types of data about delivery systems, as well as much addi-
In addition most
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tional vital information remained closely guarded secrets; without knowledge of such things the non-nuclear powers could hardly hope to enter serious discussion of stationing, targetting, command control, or strategy generally. But what would co-determination, however understood, really have been worth? In nuclear warfare NATO was a mere appendage of the organization that controlled America's own nuclear arsenal, the Strategic Air Command, which reported only to the President. Once SAC had decided to give the green light to atomic warfare NATO could hardly have remained neutral, mounted a conventional defense, targeted selectively, or raised the level of violence in-
crementally.
Neither the nuclear have-nots, nor the UK, which became a »have« after mid-1953, nor France, which would become a »have« in 1961, attempted seriously to arrest, or otherwise modify, the progress of nuclearization. Rather the British, followed by the others, went along with the US decision, which in 1956 became an operational reality, to outfit field units with so-called tactical nuclear weapons. They hoped thereby to reduce force level commitments. The Germans later demanded that the Bundeswehr be assigned such devastating new weapons in order to reduce their obligations from 500000 to 340000 men. Neither they, nor the others, according to Greiner, seriously weighed the military consequences of the new departure. Dissatisfaction with the lack of options continued, but once again, he emphasizes, objections were not accompanied by the kind of action that would have made a conventional defense possible: The Belgians eliminated the draft in 1957, and in the following years the British cut back their NATO commitment from 77000 to 50000 men and United States made »adjustments« that resulted in further reductions. Significant strategic change came only with the stationing in Germany, Italy, the United Kingdom and elsewhere of Intermediate Range Ballistic Missiles. The US could now destroy the USSR from Europe, which opened at least the theoretical possibility of confining hostilities to the Eurasian land mass. The availability of intermediate range weapons also seemed to suggest the possibility of a graduated response to Soviet incursion. Yet the first operational directive to take account of the new missiles, MC-70 (»The Minimum Essential Force Requirements, 1963«) of 29 January 1958, actually lowered the nuclear threshold to permit massive retaliation in cases of »infiltration, incidents, and local actions«. The Germans, troubled that some petty incursion might turn their land into a nuclear battlefield, became strong advocates of a conventional build up and the development of »dual purpose« weapons but once again were not willing to pay the
price.
Greiner argues that even though relying on a nuclear defense, whose use would have been catastrophic, NATO was a convenient diplomatic fiction that enabled the European members to transfer responsibility for their security to the United States. Uneasy about giving Washington life and death power, they nevertheless suppressed their qualms. Savings were an important motivator, as was habit. And deterrence was strangely reassuring. It may not have actually worked but it never demonstrably failed.
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III.
Membership
and its
Advantages
NATO's reliance on a nuclear strategy that allowed only one finger on the button subjected an alliance originally designed for power-sharing to severe strains. Its survival and viability must therefore have stemmed in part from special offsetting advantages enjoyed by individual member nations. Three papers contained in this volume describe how they were sought and provided. Italy was committed to NATO because, strategically and diplomatically, it was a good bargain, or so one might reasonably conclude from Leopoldo Nuti's account of »Italy and the Defence of the Southern Flank, 1949—1955«. Italy was far from being a unanimous choice for membership in 1949. Anglo-Saxon opposition stemmed from wartime memories, to which Nuti alludes. Britain also clearly recognized that for geographic reasons the defense of the Italian peninsula in the event of invasion from the east would almost surely fall heavily to non-Italians. (France was unconcerned with this possibility, indeed vigorously advocated Italy's inclusion in the alliance as a forward rampart to its own southern flank.) It made military sense to defend Italy from the Austrian and Slovenian Alps. By itself, however, Italy could never have persuaded her neighbors, with whom it disputed possession of Südtirol on the one hand and Trieste on the other, to make their territory available to Italian troops fighting for the homeland; Italy stood to benefit strategically from NATO membership, in other words, to the extent that the alliance, or some other allied authority, directly or indirectly provided for a first line of defense in foreign territory. In February 1951, according to the author, the French, British, and Americans drafted plans for moving their occupation troops in Austria to the defense line Arlberg—Kufstein, Kufstein—Salzburg—Mallnitz, Mallnitz—Tarvisio, with the Italians being responsible for a sector, within Italy, from Tarvisio to the Adriatic. Agreement on a strategy of defense in the Julian Alps was more difficult to arrive at because of Trieste: Until the conflict over the disputed territory was resolved, the Italian General Staff, acting upon direction (one must presume) from the government, hemmed and hawed about the strategic importance of defense in the Julian Alps lest too strong an emphasis on their significance strengthen the Yugoslav hand. Nuti also points out that Italy refused to join, indeed tried to sabotage, the 1953 Balkan Alliance between Yugoslavia, Turkey, and Greece, even though it provided a critical link to the two eastern Mediterranean members of NATO. Italy's standing in the alliance hit bottom with the 1954 SHAPE European Defense Plan (EDP), which presumed that Yugoslavia, aligned with the West, could be counted upon to halt a Soviet invasion and therefore provide the necessary defence from the east. The Italian General Staff fumed but could do nothing. The Yugoslavs nevertheless foolishly overplayed their hand, according to Nuti: By challenging Italy to a game of »chicken« involving partial mobilization and deployment of troops around Trieste, they forced the Allies to impose a settlement. Italian fears that the August 1954 Treaty of Bled, which strengthened the Balkan alliance, would undermine their claims on Trieste proved unfounded, agreement with the Yugoslavs was reached
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October, and a coordinated defense of the southern area became possible. Italy therefore
urged at the North Atlantic Council in July 1954 that the Standing Group work closely with the Balkan Pact nations. This formerly feared and distrusted grouping was now, it seems, to have been called upon to bear the brunt of stopping an invasion of southern Europe from the east. The chief objective of the Italian General Staff was from thence to gain Yugoslavian assent, in case of war, to moving Italian troops as far as logistically feasible into the Julian Alps. Tito's 1955 rapprochement with Moscow along with the May 1955 Austrian state treaty, which ended the occupation, would open a new chapter in the history of Italy in NATO. Up to that point, however, membership in the alliance provided real strategic benefit at scant cost. Italy gained recognition of its special strategic requirements with little difficulty, was allowed to pursue nationalistic policies even though they stood in the way of military effectiveness, and above all never had to accept any mission other than defence of its own territory. The big job on the central front fell to others. Unlike Italy Norway was, and is, of immense strategic but little political concern in the security of the West, according to Rolf Tamnes's »Defence of the Northern Flank, 1949—1956«. Norwegians did not have to work themselves back into the good graces of the Americans and British after the war. Moreover, the threat of revolution, upheaval, or social instability was little greater in Norway than in Vatican City. The United States and Great Britain encouraged the semi-arctic nation to join NATO for geographic reasons. Norway was not only a »stepping stone« in North Atlantic supply but adjacent to the polar route, which was the most direct line between the Soviet Union and Canada and
the American West Coast. Norway wanted to join NATO in order to prevent the sort of isolation that had left it prey to German invasion in 1941 and could, it was feared, leave it vulnerable to Soviet blackmail in the future. By NATO the Norwegians meant the United States, Britain having previously failed as protector. An actual American presence in Norway was highly unwelcome, however. The Norwegians »invited« NATO defenders but at the same time »screened« them, to use the circumlocutions adopted there: The northern nation would, in brief, participate in the alliance only on the condition that no foreign troops actually be stationed on its territory. This never became a bone of contention primarily because of Sweden: The land defense of Norway in face of a Soviet invasion sweeping in from the east depended primarily upon this neutral nation. In the absence of an integrated plan to defend Scandinavia and none apparently existed NATO could in any case have ill-afforded to put a significant force at risk in the initial phase of hostilities. Defense planning for Norway, as Tamnes describes it, took place along the margins of overall strategy, except briefly in 1951—1952, when General Eisenhower became a shortlived convert to the fantastic »iron flanks« approach devised by Field Marshal Montgomery. It was meant to pinch and choke off a Soviet invasion force from positions in southern France on the one hand and Denmark on the other. Thereafter little of substance happened with regard to Norway and NATO. The Norwegians failed in their bid to get an American appointed commander-in-chief of the Northern Command, as the —
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Americans did in their attempt to appoint a Norwegian to the same post. A British officer eventually accepted the command as a compromise candidate. In 1954, after a year of effort, the Norwegians managed to convince CINCNORTH to use Trondelag as a bridgehead rather than land in the more southerly Lista-Sola area. Finally, Norway successfully resisted repeated American attempts to establish air bases on their soil. Like Italy, the northernmost alliance member got more out of NATO than it put in. Tamnes notes for instance that Norway received aid under the Military Assistance Program without either making a substantial contribution to rearmament or otherwise compromising the tradition of a citizens' army. More important still, it succeeded, as boasted by Defense Minister Hauge, in »putting a hook in the nose of the US Air Force«. With little sacrifice of the national heritage Norway enjoyed what her successive governments sought protection under the American nuclear umbrella. Military assistance was the linchpin of Canada's participation in the transatlantic alliance. The Canadians had no desire to station troops in Europe and preferred that their NATO contribution be made in plentiful material rather than scarce manpower. If, at the same time, the transfer of goods could be done in such a way as to strengthen ties to the United States, then so much the better! Canadian aid to Europe, Heinz-Werner Würzler demonstrates in »Die Anfänge kanadischer Militärhilfe für die europäischen Nato-Partner Probleme und Motivationen (1948/49— 1951/52)« served the primary purpose of strengthening bonds to the powerful neighbor to the south. In view was the re-creation of the wartime Hyde Park Agreements of April 1941, which provided for joint mobilization. Such an arrangement offered Canada many advantages: »access to advanced technologies and production methods; economies of scale; a higher degree of self-sufficiency than before the war, and a reduced reliance on Great Britain. Canada could well afford to rearm her own armed forces, had no need for American aid, and in lieu of it sought licensing agreements from American producers for hightech items as well as purchasing commitments for domestic manufacturers. In an initial aid proposal of July 1949 the Cabinet Defense Committee recommended as possible forms of aid financial assistance, the provision from stocks of British weapons of little use since the postwar decision to convert to American equipment —, and training facilities. Würzler also notes that raw materials were considered as a desirable form of aid. As demand grew tight in 1950, however, this option was rejected as harmful to Canadian industry. There were other problems as well. The Army objected to the transfer of material until after having received US-made goods and the effort to interest the US officials in contract displacement got snagged in »Buy American!« legislation. The Korean War brought a welcome change, according to Würzler. Canada's rearmament now became a priority matter in Washington, which was primed to pump $ 25 million into the project. Co-production arrangements, notably for the F-86 Sabrejet, soon began. »Hyde Park« was again the rule. Problems with aid recipients nonetheless persisted. The author thus quotes the Canadian defense minister to the effect that »because Canada was independent and wealthy, every country looked to us for something and none more than the British who would take the shirt off our backs if we would let them and insinuate that we were disloyal if we did not«. —
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A cabinet resolution of 17 August 1950 cleared up all outstanding ambiguities. Canada's NATO mission, it stated, was primarily to provide armaments, some $Can 300 million in value, over the following eighteen months. The aid would take the form of training programs in Canada, the provision of two divisions from stocks (presumably of UK equipment), and deliveries from current production amounting to no more than nine percent of
the total. The goods, Würzler comments, were not distributed even-handedly but preferentially to the British. Canada used military assistance as currency for transactions with the United States. Europe's defense requirements seem hardly to have entered Ottawa's calculations. The nation was, after all, thinly populated, remote, traditionally antimilitarist and had never maintained large peacetime armies. One could hardly have expected a heavy force commitment. Even then, it would not have counted for much overall. Canadians recognized that their fates were inextricably bound to the southern giant. If by providing aid to NATO, no matter in what form, they could raise their status in Washington, then so much the better. The politics of alliance served Canada because they strengthened a bilateral relationship. IV Nuclear Dilemmas In »Amerikanische Nuklearstrategie unter Truman und Eisenhower« Klaus A. Maier ex-
problem of historical interpretation and two dilemmas of nuclear policyThe making. problem is the classic one of break or continuity. The author's presentation puts him, as regards his subject, well within the latter camp. Maier argues that Truman, influenced by exaggerated estimates of the Soviet nuclear threat, began to prepare for the »long haul« at an early date, in March 1951, after the completion of Project VISTA. VISTA was the path-breaking study that demonstrated the feasibility of the tactical use of nuclear weapons. By November, he notes, the findings of the project had been incorporated into an army field manual, FM/100-31. Truman's official doctrine envisaged the use of nuclear weapons to terrorize rather than annihilate, but under his successor total destruction was the objective. During the Eisenhower years, Maier adds, the Strategic Air Command received authorization to develop the Single Integrated Operational Plan (SIOP) that by the end of the 1950's enabled SAC to monopolize the overall targeting and delivery of nuclear weapons. Although the author does not discuss the extent to which changes in strategy and command control might have been the result of differences in Presidential personality, he leaves the reader with the distinct impression that both men would have acted similarly under identical conditions. Advances in nuclear weaponry account for distinctions of policy. Neither Truman nor Eisenhower, in Maier's view, devised satisfactory decision-making procedures in war-threatening situations, in which split-second response was essential. Clearly, however, the President was to have bypassed Congress procedurally and had the last word in the decision to use nuclear weapons. Otherwise things were murky. While each of the governing directives the author cites called upon the President to seek military amines
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advice before initiating the use of nuclear weapons, none of them actually required him do so. Vagueness also surrounded the matter of precisely whose advice was to have been sought: This was to have depended upon the situation. After 1957, Maier adds, the Strategic Air Command was able to initiate the use of nuclear weapons on its own authority »if time and circumstance did not permit a decision by the President«. The author apparently agrees with McGeorge Bundy's 1961 comment to the effect that during the Eisenhower years »a subordinate [American] commander faced with a substantial Russian military action could start the thermonuclear holocaust on his own initiative« if, because communications failed, he could not reach the White House. The second dilemma concerned relations within NATO. The non-nuclear members, especially those in whose territory atomic weapons had been stationed, repeatedly demanded but never received a voice in the decision to employ them. In a transparently inadequate 1953 compromise, Maier points out that the United States apparently sought and in a number of cases was granted, »advance consent« to initiate nuclear warfare from governments of nations in which »nukes« had been emplaced. Such arrangements set the stage for the introduction in 1957 of »predelegation«, a policy enabling commanders whose units faced defeat to unleash nuclear weapons on their own authority. Maier cites the proposal made by French Foreign Secretary Georges Bidault at the December 1953 Bermuda meeting of the Big Three as one approach to restoring a measure of balance to an alliance made lopsided by the American nuclear monopoly Bidault hoped to form within NATO a European group consisting of Great Britain, France and West Germany (as a non-voting participant) that could control its own stock of nuclear weapons and therefore presumably be able to influence an American decision as to whether or not to use them. This premature initiative ran aground. West German Defense Minister Franz Josef Strauß also failed in his 1966 demand that the Bundeswehr, by then outfitted with nuclear weapons, be allowed a voice in their use. Power-sharing, Maier concludes, continued to be out of the question. In »Prelude to Interdependence: The Anglo-American Relationship and the Limits of Great Britain's Nuclear Policy, 1952—1957« Jan Melissen demonstrates that the UK elicited US cooperation in strategy as well as in the design and even use of nuclear weapons. But to what effect? This account suggests that at great cost and dearly bought US assistance the British developed a nuclear strike force of no conceivable use. The tale that Melissen relates begins with the 1942 Anglo-American agreement for mutual assistance and reciprocity in nuclear weapons development, which Congress then abrogated in 1948 by passing the McMahon Act virtually prohibiting cooperation in the atomic field. The British then decided to go it alone, according to Melissen, in the hope that the United to
States would relent and restore the wartime partnership. Improvement first began after Eisenhower took office, by which time the British had become a nuclear power. The US atomic energy act of 1954, as implemented by bilateral agreements of the following year, resulted in a period of cooperation lasting two years, according to this account. It is hard to fathom what the UK actually gained by it. With few nukes of her own at the time, Britain sought, and received, the design specifications of American weapons and thus could turn its planned new generation of aircraft, the V-Bombers, into a potent
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strike force. The United States retained custody of the weapons, however. In addition, the costs of building the V-Bomber fleet soon became excessive and it had to be reduced forty percent. Was something so modest still worthwhile? The decision to construct an H-Bomb is also questionable. As with its atomic predecessor, the British designed and assembled their own weapon only after the US refused to cooperate. By 1961, when the first test of the H-Bomb took place, the American nuclear arsenal was ready to burst. Stockpiles would soon have to be reduced. The Free World hardly needed more bombs. British assistance was superfluous. Delivery systems were a further problem. The »Blue Streak« IRBM project begun in 1954, which was to have been the main such British vehicle in the next decade, had to be dropped in 1960 as too costly. Yet rockets like these, if eventually fitted with miniaturized British warheads, might have given the UK enough operational independence to bargain with the Americans. The curtailment of Blue Streak left the British utterly dependent on the US for an air-to-ground missile that would extend the life of the otherwise outmoded V-Bomber force. The »Skybolt« was to have done this job. In December 1962, however, Secretary of Defense McNamara cancelled the project without warning, leaving Britain with weapons but no means of delivery. The bombs built at such cost might just as well have been ostrich eggs. To prevent the humiliation of Prime Minister Macmillan, the Kennedy Administration promised to sell the British Thor IRBMs. All missile sites came under a secret two-key arrangement that required the agreement of both parties for firing. Thor kept the UK in the nuclear club but it could be used neither as an instrument of national policy nor to restrain the Americans. In all out war British forbearance would have been pointless. Great Britain remained captive to the Americans. In »Naissance et développement d'une politique nucléaire militaire in France (1945—1956)« Jean Delmas argues that General de Gaulle's announcement shortly after having returned to power in 1958 that France would soon become an atomic power was merely the capstone of a national policy of nuclear development that he had himself initiated within months of the Hiroshima and Nagasaki explosions by founding the »Commissariat à l'Énergie Atomique« (CEA). The key decisions to advance from research to the manufacture of weaponry nevertheless occurred, sometimes by default, during his absence from politics. Noting the prevalence of political decision-begging during the Fourth Republic, Delmas shows that while successive Cabinets looked the other way, military research offices, acting independently, conducted experiments with atomic detonation after the war and began planning in 1950 for nuclearization by the end of the decade. However, »on peut dater exactement le de la tournant grand politique nucléaire française en décembre 1954 lors de la création, au sein de CE.A., d'un Bureau des Études générales, nom encore camouflé de ce qui deviendra en 1958 Division des applications militaires (D. A. M) du CE.A.« Felix Gaillard and Pierre Mendès-France are the two political figures chiefly responsible for incorporating the work of the military men into the official policy of France, according to Delmas. Gaillard, a former Inspector of Finance, was uniquely determined that his nation not be bypassed by the atomic revolution. As minister of state in numerous
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cabinets, he secured the construction from 1952 to 1957 of a graphite test reactor capable
of producting 50 kgs of plutonium annually, a fissionable material which (like uranium 235) could be used either to generate nuclear energy or provide explosives for weapons. In July 1952 the French Assembly refused to ban military application of the material. British detonation of an atomic weapon bomb three months later virtually eliminated the chances of passing such a motion. The remaining obstacles to eventual construction of the bomb were lack of money, the competing requirements of the Viet Nam and Algerian wars, and Monnet-devised, US-sponsored integration schemes. The intervention of Mendès-France in the case of one of them, the European Defense Community, would be critical. Only in 1952, after the EDC treaty had been drafted, according to Delmas, did the administrative director of CEA, Pierre Guillaumat, discover that it contained unacceptable clauses stipulating both civilian supervision and German access to technical data. MendèsFrance not only engineered the defeat of the EDC, but on 4 November 1954 signed a secret decree creating a »Comité des explosifs nucléaires«. This committee was entrusted, according to Delmas, with the construction of the A-Bomb: »en ce qui concerne la réalisation d'engins explosifs nucléaires, d'orienter, coordonner et suivre l'action de tous les organismes tant civils que militaires ou mixtes concourant à la réalisation du programme arrêté par le gouvernement«. Though Mendès-France would later deny having been the man who decided to build The Bomb, his reasons for having done so are obvious, according to Delmas: The Bomb would distinguish France from Germany, and without it France would count for nothing in NATO. No head of government after Mendès-France would publically admit that a decision to build an A-Bomb had been made, yet funds were routinely diverted from the military budget into the »Bureau d'Études générales« of the CEA, which assembled it. While France was negotiating for EURATOM, which in a preliminary draft was supposed to have inspected and guarded all stocks of fissionable material, defense minister BourgèsManoury authorized CEA to make preparatory studies for an atomic explosion. The threat of EURATOM soon disappeared and plans for the event, as developed from 1954 to 1956, proceeded as scheduled with the detonation of 1961. The angry American reaction to the French A-blast was uncalled for and ill-advised. Delmas's evidence suggests that the United States, whether through NATO or some other diplomatic mechanism, could have done little to prevent it. The explosion grew out of a policy of national nuclear development that transcended security issues and stemmed from an impulse to modernize. The military may have begun the nuclearization process, but civilian opposition to it was slight. Not even Monnet opposed construction of atomic weaponry; his objection was to national control of it. He was isolated, however. No one of equal prominence in either the government or civil service blocked, modified, or otherwise interfered with what, in retrospect, amounted to a ten year plan to build a French A-Bomb. Though possession of The Bomb surely provided a psychological boost, the strategic rationale for the project was weak. France faced no immediate threat and would face no future one from Germany unless NATO failed. The most plausible argument for
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going nuclear was that without The Bomb the Americans would never take France seriously: The French wanted the same high degree of American consideration they believed the British enjoyed, they hoped thereby to create the basis for »trilateralism« like that first proposed by Bidault at Bermuda, which Mendès-France would also champion and De Gaulle himself revive after 1958. Would France, however, have accepted a dual key, or other, veto on independent action? Would the United States have agreed to joint targeting without such an arrangement? Until we have the anwers, trilateralism will remain only an interesting idea, not a policy that could have kept France in NATO. »Zwischen Abschreckung und Verteidigung. Die Anfänge bundesdeutscher Nuklearpolitik (1952—1957)« by Peter Fischer takes up many of the themes discussed in this volume. The Federal Republic had the greatest need for NATO of any member nation but at the same time the most grounds for worry and complaint. NATO, along with the Coal and Steel Community, provided a road back to respectability for the citizens of the exReich. Yet the Federal Republic faced statutory discrimination within the alliance and would have been annihilated in the event of war. West Germany consequently, as Fischer shows, adopted the defense of the impotent nagging. It involved criticism of nuclear dependence on the one hand, refusal to raise conventional troops on the other, and above —
all the absence of constructive solutions. In 1955, he shows, the government weasled out of a scheduled build up to 500000 troops on the grounds that the recent »Carte Blanche« exercise proved that conventional troops were no longer strategically critical. The following year General Heusinger criticised an excessive dependence on nuclear weapons as leading to eventual nuclear stalemate, but once again the Adenauer Government refused to incur the expense of raising a large conventional force. The »leakage« of the so-called Radford Plan, which envisaged possible American troop reductions of 800000, finally goaded Adenauer into action, according to Fischer, by shocking him into a recognition of the critical importance of forming a European nuclear group within NATO. Is one to imagine, however, that a single leaked but quickly repudiated contingency plan, however troubling its contents, could have so completely undermined the Chancellor's confidence that he was prepared to enter nuclear partnership with France? Adenauer was not conversant with the arcana of military strategy and apparently seldom listened to those who were. He was, however, exceptionally adroit at the political manipulation of security issues. His first move after the Radford affair hardly suggests urgency: It was to reduce the term of Bundeswehr service from eighteen to twelve months. He insisted, moreover, that no public criticism of US policy take place until after the elections. Adenauer must have been disturbed, as Fischer suggests, by the asymmetry within NATO caused by the break-neck pace of nuclear weapons development in the late-1950's. Like the British and French, he recognized the political dangers of total dependence on the United States and to this end, as the author relates, he supported a renewed French attempt in fall 1957 to gain serious »Anglo-Saxon« consideration of trilateralism. In support of this policy, Fischer describes how the ambitious young defense minister, Franz Josef Strauß, conducted wide-ranging bilateral discussions with his counterparts in Paris that concluded with informal agreement on the need for Franco-German research cooperation in nucleonics and rocketry. —
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The French probably had a multiplicity of purposes in mind. One of them was surely not, however, to share power on an equal basis with Germans; one of the two purported
building the atomic bomb was indeed to maintain a »distinction« between the two nations. They might have been betting despite long odds that German scientists and technicians could be enlisted into their nuclearization program, but surely their imreasons
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mediate purpose was, as Fischer indicates, to frame a common position for the nuclear have-nots at the NATO summit conference that took place from 16 to 19 December 1957 in Paris. The »Allied Command Europe Minimum Force Requirements Study 1958—1963«, which General Norstad released for internal discussion in October 1957, set the stage for the conference. This analysis pointed to the immense progress made in the miniaturization of warheads. In an attempt to avoid automatic nuclear retaliation at the outbreak of hostilities it recommended arming field units with »dual capability« weapons that could fire both nukes and conventional shells. Dulles and his non-proliferation specialist Gerard Smith readily agreed that European units should be equipped with such weapons but firmly squelched the idea that they should control their own stockpiles: Only after war had broken out were the nuclear »eggs« to be transferred to their custody. This was nothing more than a strategic face-lift. Still, it improved appearances and thus served the interests of both NATO and Adenauer. What more could have been expected? V The
Emergence of West Germany
The three final articles in this volume all deal in different ways with how the Atlantic Alliance, broadly construed, contributed to the emergence of the Federal Republic. Each tells only a part of the complicated tale. Yet all three are suggestive. They reveal how well-laid plans could backfire, how wisdom was gained in defeat, and how preconceptions masked changes of historic significance. In »NATO und EVG« Wilhelm Meier-Dörnberg demonstrates that the very complexity of the Pleven Plan of October 1951 transformed a carefully-contrived scheme for securing French hegemony, the European Defense Community, into something more reasonable, the »NATO solution« to West German rearmament, the incorporation of German troop units into the alliance. The immediate purpose behind Pleven's proposal was, as the author states, to block the Federal Republic's entrance into the treaty organization. The French Prime Minister proposed that in lieu of West German membership in NATO a new European army should be formed to which all future troops from the Federal Republic would be attached. The NATO countries were to have assigned a portion of their troops to the new outfit, but the rest would have remained either as national contingents within the alliance or outside its jurisdiction altogether. The European army was originally to have comprised units of mixed nationality organized down to the smallest feasible units, presumably the company. Only after the threshold was raised to the divisional level and divisions then re-designated groupements de combat (Kampfgruppen) in order not to kindle unhappy French memories of defeat at the hands of Panzerdivisionen did —
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the proposal receive a serious hearing from General Eisenhower. Thanks to the labors of US High Commissioner John J. McCloy in Bonn and American Ambassador David Bruce in Paris, however, Ike soon became a convert to the EDC as the most suitable means available for incorporating Germany into Europe. The EDC was, Meier-Dörnberg repeatedly emphasizes, preeminently a political organization. Operationally it came under a NATO command geared to defending against the Soviets. This presented an unsuspected problem for France, which either could not, or did not, want to raise the equivalent of the twenty West German EDC divisions required for a forward defense. With a lesser commitment, however, dilution would ensue: An army that France had hoped to dominate would be subject to Hunnish takeover from within! If only for this reason, Meier-Dörnberg suggests, French military leaders were happy to let the proposal die. The failure of the EDC delayed German rearmament for nearly four years, as the author emphasizes, and may well have left the central front exposed, though nothing happened as a result. Adenauer was in no hurry to begin the costly rearmament process, however, until reconstruction from the war was over. And, as negotiations dragged on, he won immense credit for West Germany in Washington by supporting a cause cherised by President Eisenhower and Secretary of State Dulles but distrusted, disliked, and even despised by the very European whom it was supposed to have benefited. In the wake of the EDC debacle the NATO allies, including the Americans, had to beg the Germans to accept the preferred solution that the French had denied them four years earlier. The EDC would be the last major French attempt during the 1950's to conflate hegemony and integration. The collapse of the Euro-army did not, as feared at the time, end progress towards European economic and political unity but cleared the way to a more equitable, more permanent, and therefore better approach to attaining it, which involved Europeans, acting on their own, without American prompting or guidance. The European Economic Community is its monument. Klaus Schwabe also thinks that the EDC was a bad idea yet doubts that it altered the path to integration. In »Bündnispolitik und Integration 1946—1956«, Schwabe shows that after having at points tried and failed to chart Europe's course towards federalism, the United States acknowledged that Europeans could best determine their own political future and let them proceed. American integration policy may have been a strange amalgam of navité and realism, he admits, but in the end it succeeded in solving the German Problem and helped Europe take the first critical step towards unity. Such was the state of opinion in the Eighty-second Congress, the author argues, that the United States could enter Europe only by indirection, in the name of anti-communism and through participation in NATO. Once the alliance had been created, however, the State Department tried to expand the NATO Council into a governing authority for all the nations of non-communist Europe. The suggestion met with opposition from the UK. Partly out of frustration with its Anglo-Saxon partner, the US readily dropped its own integration schemes in favor of the Schuman Plan of 9 May 1950, even though it excluded all but »The Six« from participation. This drawback paled, however, by comparison to the great accomplishment of the European Coal and Steel Community (ECSC)
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the political reconciliation of France and Germany. The State Department could now consider a defense contribution from the Bundesrepublik, Schwabe proceeds. The United States eventually became a staunch advocate of organizing the EDC, imbedding it in the NATO command structure, linking it to the ECSC, and combining the EDC and the ECSC with a new European Political Community to become a future government of a united civilization. US influence hit a high-water mark, according to the author, with the conclusion of the Generalvertrag of May 1952, by which the allies were to have recognized German diplomatic equality once the EDC treaty, which Adenauer had already signed, was ratified by the other contracting parties. The EDC was of course a cooked goose. Yet the French, fearing an aid cut off, let the Americans chase wildly around the yard for another two years. Much embarrassment and many hard feelings could have been spared by a US willingness to discuss the NATO-solution to German rearmament, Schwabe believes. Yet the damage was not permanent: Occasional backsliding did not in the end prevent the United States from recognizing that only Europeans themselves could transform integration from idea to reality. The United States had played an essential if not wholly unambiguous role in a process whose favorable outcome is incontestable. Werner Abelshauser's »Rüstung, Wirtschaft, Rüstungswirtschaft: Wirtschaftliche Aspekte des Kalten Krieges in den fünfziger Jahren« argues that the realities of economic mobilization during the 1950's conformed to no one's presuppositions and followed no one's prescriptions. By laying bare the facts surrounding it he reaches a remarkable new conclusion: The rearmament process, as conducted in the Federal Republic, was iess a direct than an indirect source of strength. Though not an economic stimulant, it did not interfere with the development of a dynamic consumer capitalism modern though built on tradition that has provided the motor of European economic growth ever since. German Neo-liberals, from Wilhelm Röpke to Ludwig Erhard, predicted and feared that rearmament would replace the market economy with an inefficient and coercive new system of totalitarian character, according to Abelshauser. This never happened, in part because controls that the United States imposed on world trade during the Korean War, which might well have had such a consequence, were ineffective. The failure occurred in spite of a vigorous enforcement by US High Commissioner McCloy. The author also notes that the far-reaching plans of Averell Harriman to turn NATO into an economic directorate never got off the drawing boards. The relationship between rearmament and economic development is highly problematical, in Abelshauser's view. The British lacked a serious economic rationale for the high level of defense spending that they maintained during the 1950's; Keynesianism simply did not apply to decision-making on the military budget. Yet large outlays for armaments —
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did not slow Britain's economic growth, which was lacklustre because of deep-seated structural problems. Italian and French industry benefited indirectly from US military assistance, he argues, but rearmament had little impact on West Germany. The hapless defense minister, Theodor Blank, is less responsible for this surprising fact than general disinterest: West German producers, the author implies, had more attractive market opportunities available than the manufacture of arms and had become wary of
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inequitable pooling arrangements merchandised by France in the name of Europe. French moves towards nuclear trilaterism, as also discussed by Peter Fischer, might have made something of a difference to the West German industrial community, Abelshauser suggests, but they ended after De Gaulle's assumption of power. A military-industrial complex, whether in West Germany or on a European scale did not come into being. Contrary to the fears of Neo-liberals, the aims of American administrators, and the designs of French policy-makers the field of armaments proved to be barren ground for integration. The American political scientist, Ernst Haas's, claim that technology drives integration is not supported by the case at hand, Abelshauser concludes: A high tech industry with big capital requirements like armaments production should have provided a showcase example of supranational cooperation but failed to do so. But was national security, as he suggests, simply too important to entrust, to any outside authority? Is that why it did not provide much torque for integration? The history of German emergence from defeat and disgrace, to which this article is an important contribution, would seem to indicate precisely the contrary. Adenauer understood better than any of his contemporaries that by ceding responsibility for West Germany's defense to NATO his nation could put historic fears to rest, keep budgets under control, and direct the considerable energies of his people into what they did best, produce. With these things in mind, he struck a sound bargain. VI. The Nature of the Alliance
joining NATO the United States stabilized non-communist Europe and protected it from external threats. In return the nations of the Old World consigned their fate to the New, and to potential catastrophe: Any Soviet incursion was to have been met with instant and total nuclear retaliation that would have invited a similar response. NATO's strategy did not develop in response to real or perceived danger but merely presumed the existence of a mortal enemy. Threat analysis, whether American or Soviet, fitted preconceptions and was detached from reality. The alliance itself was less a cause than a consequence of the Cold War. Stalin did not worry about it; nor, one might add, did his successors. What troubled them were the seductions of capitalism. NATO developed less in response to Soviet sins than to high strategic benefits and low economic costs. The requirements of nuclear technology governed NATO strategy, in part because no head of state limited, or otherwise regulated, its development: Truman, Churchill, and Mendès-France along with many lesser men succumbed to the nuclear temptation. The American president endorsed the development of both the H-Bomb and tactical nuclear weapons without much hesitation or forethought, indeed used the powers of office to accelerate the process. Both France and Great Britain, the two NATO member-nations able to produce The Bomb, found special reasons for doing so, yet neither faced a present or future enemy against whom the weapons could have been employed. The British nuclear arsenal kept within NATO was useless, as was its French counterpart taken outside of NATO —, at least over the short run. Both had been built to gain membership in an American-run Club whose benefits were not worth the sacrifice. The British could In
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afford to admit this openly, however, and the French, having never gained admitthe privileged circle, did not realize it. European dependence on the American deterrent gutted trans-Atlanticism within the alliance and made power-sharing impossible. Never did, or would, Washington cede to any foreign power the authority to launch nuclear weapons. Such a decision rested in fact not with NATO but with the President, or SAC, or both depending on the circumstances. These realities could not, however, be admitted openly. Cosmetology then came to the rescue of an alliance whose members, though demanding to live under the protection of the American nuclear umbrella, felt understandably restive in doing so. The British received Thor missiles emblazoned with the Union Jack, which, however, they could fire only with American permission. German units could likewise parade in peacetime with »dual purpose weapons« that could be fitted with tac nukes but could gain access to them only after the outbreak of war and even then only after having received okays from the Amis. The ground forces of all member-nations were mere hostages, pawns on the board. Today only the French, who possess both The Bomb and adequate delivery systems, rank as a serious independent nuclear power alongside the United States. One can merely speculate about the extent of American knowledge of France's nuclear development plans in the 1950's. Would a clearer recognition of gallic determination to become an atomic power have made trilateralism something other than a recurrent proposal with a history of failure? The United States, if informed of the full extent of French preparations, just might have agreed to joint targeting. The chance that NATO would develop into something other than a cloak for the American deterrent, in any case, died with the failure of the French initiative. The Multilateral Force proposal of the Kennedy Administration would later be laughed out of court. Where cosmetology gave NATO transAtlanticism a farce-life in the late-1950's, the embalmers' art was needed to revive it thereafter. Yet NATO did work. It has outlived the Soviet bloc. In some complicated future calculus, it will be given at least a measure of credit precisely how much cannot be figured for having kept the peace over a generation fraught with the peril of the at present unknown. One is on firmer ground in discussing NATO's impact within Western Europe. By making the United States the underwriter of the postwar settlement, it eliminated a host of costly and potentially ruinous intra-European conflicts, liberated economic resources for better purposes than preparation for war, and thus promoted both proand the sperity public welfare. All military and diplomatic alliances are beset with problems that require tactful and sensible solutions. In the case of NATO these involved, in addition to the unprecedented not
tance to
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issues arising from nuclear warfare, the reconciliation of bitter enemies; the accommodation of rising and declining nations; the development of strategies fitting the vital interests of different regions and nations; the apportionment of costs among members at various levels of economic development and political stability; and the harmonization of a variety of quite distinct national traditions. Without a high degree of military statesmanship NATO would surely have failed.
Ulrich de Maizière
Kommentar eines
Zeitzeugen
Die Internationale Tagung des Militärgeschichtlichen Forschungsamtes im September 1990 versammelte für 2 1/2 Tage eine Gruppe von Historikern aus sechs Nationen, die sich durch vielseitige wissenschaftliche Forschungen in dem Tagesthema »Das Nordatlantische Bündnis 1949—1958« ein bemerkenswertes Maß an Sachkenntnis und Kompetenz angeeignet hatten. In diesen Kreis war ein Zeitzeuge geladen, der von 1951 an als Militärexperte beobachtend, beratend und zeitweise auch handelnd an dem Geschehen teilgehabt hatte. Er fühlte sich in eine zwiespältige Situation versetzt. Erfuhr er doch viel Neues, von dem er bisher nichts wußte, auch nicht wissen konnte. Das gilt nicht nur für Überlegungen und Erwägungen in den verschiedenen Ebenen des eigenen Regierungsapparates bis hin zur politischen Spitze, zu der er nur gelegentlich Zugang hatte; es gilt vermehrt für die Ziele, Absichten, Taktiken, unterschiedlichen Interessenlagen und Absprachen der jeweiligen Verhandlungspartner, die ihm seinerzeit natürlich verborgen geblieben waren, die er allenfalls analysieren oder in Andeutungen wahrnehmen konnte. Der Zeitzeuge erschrickt zunächst vor der Vielfalt der Vorgänge, die die Entscheidungsabläufe beeinflußt haben, die er aber bei seiner damaligen Tätigkeit nicht kannte. Hätte er einen anderen Rat erteilt oder anders entschieden, wenn er den nur aus der Rückschau möglichen Überblick schon damals gehabt hätte? Oder umgekehrt: Hätten ihn die Fülle der Informationen, die Kompliziertheit der politischen Zusammenhänge eingeengt und bedrückt? Hätten sie vielleicht seine Beratungs- und Entscheidungsfähigkeit negativ beeinflußt? Die Tagung belebte erneut die mich schon seit langem beschäftigende Frage: Worin unterscheiden sich Betrachtungsweise, Methodik und Arbeitsergebnisse des Historikers von denen des aktiv Handelnden? Wo liegen die Stärken und Schwächen des einen und des anderen, und wie können sie sich gegenseitig ergänzen? Die Antwort bedürfte einer gründlichen Untersuchung. Hier sollen nur einige Gedanken angerissen und durch Beispiele aus dem Verlauf der Tagung veranschaulicht werden. Der Historiker bewertet aus der Rückschau. Er versucht, die Wahrheit zu ergründen, und prüft kritisch, wie die Entscheidungsvorgänge wirklich abgelaufen sind. Dabei stützt er sich auf ein breites Spektrum von Quellen unterschiedlicher Provenienz. Er wertet sie sorgfältig aus, findet neue Bezüge und Zusammenhänge und legt bisher verdeckte Karten auf den Tisch. Er erkennt Mängel, Fehlbeurteilungen, Versäumnisse, aber auch mutige Entschlüsse und Erfolge. Diese seine Forschungstätigkeit steht nicht unter Zeitdruck. Er kann in Ruhe arbeiten. Wichtig für ihn ist die wissenschaftliche Glaubwürdigkeit und die Nachprüfbarkeit der vorgelegten Ergebnisse.
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Ulrich de Maizière
Zeitzeuge befand sich in einer anderen Lage. Entweder war er selbst zum Handeln berufen, oder aber er arbeitete dem Handelnden durch schriftliche Vorlagen, mündliche Aussprachen und Beratungen zu. Dafür verfügte er über viel weniger Informationen als der rückschauende Betrachter. Mehr noch, er hatte zu bewerten, welches Gewicht die ihm vorliegenden Informationen tatsächlich besaßen, ob sie vielleicht gar nicht zutreffend oder nur teilweise richtig waren. Oft konnte er sich nur auf seinen Instinkt verlassen. Er mußte in die Ungewißheit hinein entscheiden, mögliche Reaktionen der Partner abschätzen, sich wechselnden Lagen anpassen und nicht zuletzt seine Entscheidungen gegen voraussehbare oder unvorhergesehene Hindernisse auch noch durchsetzen. Auch der Zeitpunkt, zu dem Entscheidungen getroffen werden müssen, spielt eine Rolle. Die Politik vollzieht sich in einem ständigen Fluß von Ereignissen und Informationen. In diesem Ablauf kann man zu früh oder zu spät entscheiden und damit den Erfolg gefährden. Es gehört ein Stück Intuition dazu, den rechten Zeitpunkt zu finden. Der Zeitzeuge hat erlebt, daß politische Entscheidungsabläufe von einer Fülle von »Inponderabilien« mit beeinflußt werden, die in Dokumenten oder Akten in der Regel keinen Niederschlag finden. Wird die Lebenseinstellung der Akteure von optimistischer oder pessimistischer Grundhaltung bestimmt? In welcher gesundheitlichen Verfassung befinden sie sich im Augenblick des Geschehens? Sind sie durch private Sorgen zusätzlich belastet? Welche Beziehungen bestehen zwischen den Handelnden und ihren Beratern? Gibt es persönliche Freundschaften oder Abneigungen, offenes Vertrauen oder kühle Zurückhaltung? Auf welchen Erfahrungshintergrund können sich die Akteure stützen? Ist der »Chef« überzeugenden Gegenargumenten aufgeschlossen, oder gehört Zivilcourage dazu, ihm zu widersprechen? Wie stark sind die Einflüsse des sogenannten »Zeitgeistes«? Für wie stark oder wie schwach fühlt man sich in seiner eigenen Verhandlungsposition? Dies ist nur eine kleine Auswahl von Komponenten, deren Einfluß auf das GescheDer
hen nicht unterschätzt werden sollte.
In einer politikwissenschaftlichen Diskussion, an der ich vor Jahren teilnehmen konnte, sprach ein Teilnehmer von der »Rationalität des Irrationalen« oder der »Irrationalität des Rationalen«. Dies umschreibt andeutungsweise, was ich auszudrücken versucht habe. Drei selbst erlebte Beispiele, über die ich bereits in meinen 1989 veröffentlichten Lebenserinnerungen1 in anderem Zusammenhang berichtet habe, mögen dies verdeutlichen. Am 15. Februar 1951 eröffnete der französische Außenminister Robert Schuman in Paris eine »Konferenz zur Bildung einer Europaarmee« mit fünf aktiven Konferenzteilnehmern, einschließlich der Bundesrepublik Deutschland, und sieben Nationen als Beobachter, darunter vor allem die USA. Die Bundesregierung hatte mich als Militärexperten
der deutschen Verhandlungsdelegation zugeteilt. Mit diesem Auftrag war ich der erste Deutsche, der nach dem Kriege offiziell als militärischer Fachmann in das Ausland entsandt wurde natürlich in einem zivilen Status. Erst am Morgen des Eröffnungstages war ich in Paris eingetroffen, nachdem ich mir zwei Tage zuvor mit finanzieller Unterdurch das Bundeskanzleramt die wichtigste Konferenzgarderobe gekauft hatte. stützung —
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Ulrich de Maizière, In der Pflicht. Lebensbericht eines deutschen Soldaten im 20. Jahrhundert, Her-
ford
1989.
Zeitzeugen
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5 000 Kommunisten demonstrierten in Paris gegen meine
Ankunft, wenn auch vor dem
Kommentar eines
falschen Bahnhof. Man muß sich einmal in dieser Lage die Gefühle eines ehemaligen Wehrmachtoffiziers vorstellen, der noch 3 1/2 Wochen zuvor hinter dem Ladentisch einer Buchhandlung in Hannover gestanden hatte und zudem über keinerlei internationale Erfahrung verfügte. Seit der Kapitulation waren noch nicht sechs, seit meiner Entlassung aus britischer Kriegsgefangenschaft erst 3 1/2 Jahre vergangen. Die Bundesrepublik Deutschland lebte unter einem Besatzungsstatut, ihre außenpolitische Handlungsfreiheit war eingeschränkt, ein eigenes Außenministerium war ihr noch nicht erlaubt. Deutschen war jede militärische Tätigkeit durch Beschluß des Alliierten Kontrollrates streng verboten und mit harten Strafen, bis hin zur Todesstrafe, bedroht. Und nun saßen an einem internationalen Konferenztisch deutsche Diplomaten und ein ehemaliger Soldat als künftige Partner am selben Tisch mit Vertretern von Staaten, die zweimal zu unseren Lebzeiten zusammen mit Rußland bzw. der Sowjetunion im Kriege gegen Deutschland gestanden hatten. Jetzt sollte sich der besiegte Gegner zweier Weltkriege als Verbündeter gemeinsam mit den Siegern an der Sicherstellung der Verteidigung Westeuropas gegen eine sowjetische Bedrohung beteiligen. Wir traten als Neulinge in einen Kreis, der sich durch erfolgreiche Allianzen fest verbunden fühlte, dazu in einer Situation minderen Rechtes und belastet mit den Unrechtstaten des gerade erst überwundenen, aber noch nicht bewältigten und erst recht nicht vergessenen Nationalsozialismus. Dazu traten weitere, heute schwer vorstellbare fachliche und technische Schwierigkeiten. Die Fernmeldeverbindungen der deutschen Delegation von Paris nach Bonn waren gegen Mithörer praktisch ungeschützt. Die Bundesregierung verfügte über keinerlei militärisches Schriftgut aus der Zeit vor 1945. Alle am Kriegsende vorhandenen militärischen Akten, einschließlich der Personalakten, waren von den Siegermächten beschlagnahmt worden. Sie lagerten überwiegend in Washington und London. Erst nach und nach konnten Unterlagen und Aufzeichnungen aus Privatbesitz beschafft werden. Natürlich wußten wir auch so gut wie nichts von der Organisation, den Strukturen und Umfangszahlen der Streitkräfte unserer Verhandlungspartner, von der Strategie und den operativen Planungen der ja schon bestehenden Nordatlantischen Allianz, der wir aber als einziger Konferenzpartner nicht angehörten; auch fehlte jede Kenntnis über nukleare Waffen. Während sich die anderen Delegationen auf die hinter ihnen stehenden Verteidigungsministerien und Generalstäbe stützen konnten, arbeiteten wir in Paris übrigens auch in Bonn sozusagen »freischwebend« im Raum und »ohne Netz«, angewiesen nur auf unser Erinnerungsvermögen, unsere Erfahrungen und eigene Ini—
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tiativen. Ein forsches Auftreten hätte die schon so bescheidenen Wirkungsmöglichkeiten noch mehr eingeengt. Es galt zunächst, die anderen an die Anwesenheit eines deutschen Soldaten zu gewöhnen und Vertrauen zu gewinnen, um aus einer Position der Schwäche heraus die nationalen Interessen mit Takt und einer Mischung aus Geschmeidigkeit und Festigkeit vertreten zu können. Diese Ausgangsposition westdeutscher Sicherheitspolitik im internationalen Rahmen kann wahrscheinlich nur der Zeitzeuge beschreiben, der selbst in einer solchen psychisch belastenden Atmosphäre gearbeitet hat.
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Ein anderes Beispiel: Man hat später zu ergründen versucht, ob Bundeskanzler Konrad Adenauer im Rahmen seiner Politik der Einbindung der Bundesrepublik Deutschland in den Westen und der Sicherheit Westeuropas einen substantiellen deutschen militärischen Verteidigungsbeitrag tatsächlich für unerläßlich gehalten hat, oder ob er deutsche Streitkräfte vorwiegend als Instrument zur Wiedererlangung der Souveränität angesehen und deshalb die militärische und politische Bedrohung durch die Sowjetunion bewußt »überzeichnet« habe. Aus der Rückschau mag man Zweifel anmelden, ob die militärische Bedrohung Anfang der 50er Jahre objektiv wirklich so groß gewesen ist, wie sie der Öffentlichkeit dargestellt oder von ihr wahrgenommen wurde. Um aber die Erwägungen und die Entscheidungen der Träger der politischen Verantwortung jener Zeit zu verstehen und zu bewervom Kanzler ten, kommt es darauf allein nicht an. Die Menschen der Nachkriegszeit bis zum Mann auf der Straße waren von einer, nur aus der damaligen Lage verständlichen »Russenfurcht« erfüllt. Millionen von Soldaten hatten in der Sowjetunion die Rote Armee und die Folgen einer langen sowjetischen Herrschaft mit eigenen Augen kennengelernt. Millionen von Flüchtlingen hatten die Eroberung der Gebiete östlich der Elbe durch sowjetische Truppen mit ihren grausamen Begleiterscheinungen selbst erlebt, oder sie waren in letzter Minute vor dem Eintreffen der Roten Armee nach Westen geflohen und verloren dabei Hab und Gut. Die Angst, die Sowjets könnten auch jetzt noch versuchen, ihren Einflußbereich über die Elbe nach Westen auszudehnen, war weit verbreitet. Die kommunistische Machtergreifung in den ost- und südosteuropäischen Staaten, die Blockade Berlins, die Aufstellung kasernierter bewaffneter Polizeieinheiten in der sowjetisch besetzten Zone Deutschlands und die Stationierung starker sowjetischer Streitkräfte im westlichen Vorfeld der UdSSR sind nur einige Beispiele für Aktionen, die als Beweis einer ideologisch begründeten, militärisch unterstützten, expansiv orientierten Politik angesehen wurden. Die kommunistische Invasion in Südkorea im Juni 1950 versetzte den Menschen einen erneuten tiefen Schock. Subjektiv fühlte man sich bedroht. Mein Anfang 1951 gefaßter Entschluß, in den Dienst der Dienststelle Blank zu treten, war in erster Linie von der Überzeugung bestimmt, daran mitwirken zu können, den Teil Deutschlands, der noch nicht unter sowjetischer Kontrolle stand, auch weiterhin frei zu erhalten. Nach meinen persönlichen Eindrücken war auch für Adenauer das weit verbreitete Bedrohungsgefühl und der Wunsch nach Sicherheit vor weiterer sowjetischer Expansion nicht politische Manövriermasse, sondern Begründung für die Aufstellung militärischer Verbände deutscher Nation. Natürlich war es für den Kanzler selbstverständlich, daß die Mitwirkung deutscher Soldaten an der gemeinsamen Verteidigung Westeuropas die Wiedererlangung der Souveränität der Bundesrepublik Deutschland voraussetzte. Und ein letztes Beispiel: Der Vertrag für die Europäische Verteidigungsgemeinschaft, im Mai 1952 unterschrieben, entsprach dem weit verbreiteten europäischen Elan, der die frühen 50er Jahre bestimmte. Große Teile der Bevölkerung der Bundesrepublik Deutschland, vor allem die Jugend, so auch die meisten Mitarbeiter der Dienststelle Blank, waren von der euro—
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päischen Zielsetzung ergriffen und hofften auf die Verwirklichung der europäischen Einheit. Wer die drei großen Europäer von staatsmännischem Format Robert Schuman, Konrad Adenauer, Aleide De Gasperi, unterstützt von dem Belgier Paul-Henri Spaak, dem Niederländer Dirk Stikker und dem Luxemburger Joseph Bech in Beratungen und Konferenzen erlebt hat, war beeindruckt von ihrer europäischen Vision und dem starken politischen Willen, sie zu verwirklichen. Zwar hatten sich schon früh warnende Stimmen gemeldet, die ein Scheitern der Europäischen Verteidigungsgemeinschaft im französischen Parlament voraussagten. Die Bundesregierung, auch wir in der Dienststelle Blank, wollten dies aber nicht wahrhaben. Wir vertrauten auf das Gelingen des von Frankreich initiierten Werkes, von dem wir uns, trotz seiner unbestrittenen Mängel, eine große europäische Ausstrahlungskraft erhofften. Dies war einer der Gründe, weshalb weder an der Spitze, noch auf der Arbeitsebene rechtzeitig über Alternativen zur Europäischen Verteidigungsgemeinschaft nachgedacht worden ist, während die Alliierten, ohne daß wir das wußten, längst vertrauliche Gespräche über neue Wege der Einbindung eines deutschen Verteidigungsbeitrages in die westliche Verteidigung begonnen hatten. Rückschauend muß die deutsche Haltung als eine Fehlbeurteilung angesehen werden. Aber Adenauer wollte keinen Zweifel an der Festigkeit der deutschen Politik aufkommen lassen und hatte deshalb die vorsorgliche Vorbereitung alternativer Lösungen untersagt; und im Grunde genommen wünschten wir uns auch keine Alternative. Um so tiefer war die Enttäuschung, als die französische Nationalversammlung am 30. August 1951 die Behandlung des Vertragswerks von ihrer Tagesordnung absetzte und die EVG damit gescheitert war. Daß es dennoch innerhalb weniger Wochen gelungen ist, in den Pariser Verträgen eine neue, letztlich sogar bessere Lösung zu finden, war eine bemerkenswerte politische und sachliche Leistung aller beteiligten auch deutscher so und Soldaten. Nationen, Politiker, Diplomaten Für Historiker, die sich mit Zeitgeschichte befassen, sind Befragungen von Zeitzeugen eine wichtige Hilfe, ja unerläßlicher Teil ihres Quellenstudiums. Sie erleichtern es ihnen, sich in die Umwelt und persönliche Situation der jeweils Handelnden hineinzuversetzen, ihren jeweiligen Informationsstand und ihre Abhängigkeiten kennenzulernen und nicht zuletzt auch den »Zeitgeist« aufzuspüren, der nicht ohne Einfluß auf die Entscheidungsabläufe bleiben konnte. So wird der Hintergrund für politische Entwicklungen und Entscheidungen durchsichtiger. Zeitzeugen wissen eben manches, was in den Akten —
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nicht zu finden ist. Aber den Zeitzeugen fehlt die Distanz, so sehr sie sich darum bemühen mögen. Sie standen einmal mitten im Geschehen oder zumindest an seinem Rande, sind Miterlebende und Mithandelnde. Das Erinnerungsvermögen der Menschen ist nicht unfehlbar. Je länger der zu betrachtende Zeitraum zurückliegt und je höher das Alter der jeweils Befragten, um so mehr kann sich das Erlebte in den Köpfen verändert haben. Absichtliche oder auch ungewollte Rechtfertigungsversuche verführen dazu, Fehler zu verdrängen, Detailfragen überzubewerten, den Zeitablauf von Entscheidungsvorgängen zu verlängern oder zu verkürzen. Zeitzeugen sind immer subjektiv. Ihre Aussagen bedürfen daher stets der wissenschaftlichen Überprüfung ihres zeitlichen und sachlichen Inhalts. Sie müssen in die Gesamtzusammenhänge eingeordnet werden. Der Platz des Zeitzeugen innerhalb
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der damaligen Hierarchie und die mögliche Einengung seines Blickes durch das jeweilige Arbeitsgebiet sind zu berücksichtigen. Die »Atmosphäre« aber, in der sich das Geschehen abgespielt hat, die persönliche Kenntnis der handelnden Persönlichkeiten in ihren menschlichen Stärken und Schwächen, ihren Gefühlen, Hoffnungen und Enttäuschungen, in ihren Gedankengängen und Überlegungen oft nur mündlich geäußert, vielleicht bald wieder verworfen —, kurz, das »Irrationale in der Geschichte«, darüber kann nur der Zeitzeuge einigermaßen zuverlässig Auskunft geben. In diesem »emotionalen« Teil seiner Erinnerung wird er sich auch seltener irren als im Bereich der reinen Fakten, vor allem, wenn er sich auf persönliche Aufzeichnungen stützen kann. Aber auch der Historiker, vor allem der junge, unterliegt Gefährdungen. Beim Quellenstudium wird er auf Dokumente stoßen, die neue Erkenntnisse oder Erklärungsmöglichkeiten für bisher Unverständliches zu erbringen scheinen. Mancher mag sogar hoffen, dabei bisher unbekannte Initiativen, Einflüsse, Zusammenhänge »entdeckt« zu haben. Wer wäre darauf nicht stolz. Hier rate ich zu kritischer Vorsicht. Bei der Bewertung solcher »Entdeckungen« sollte geprüft werden, wo, unter welchen Umständen und auf welcher Arbeitsebene ein Papier entstanden ist. Ist es überhaupt in den eigentlichen Entscheidungsvorgang eingeführt worden? In jedem Führungsapparat werden vorsorgliche Überlegungen angestellt, Alternativvorschläge entwickelt, Bedenken und Warnungen mündlich oder schriftlich vorgetragen. Das ist sogar die Pflicht der Mitarbeiter. Aber die Existenz derartiger Papiere beweist zwar die Gedanken des jeweiligen Verfassers, aber noch nicht, ob diese in den Überlegungen des engeren Kreises von Beratern und Verantwortlichen eine Rolle gespielt haben, ob sie politisch überhaupt wirksam geworden sind. Auch bei einer solchen Prüfung kann die Befragung von Zeitzeugen von Nutzen sein. Wenn ich versucht habe, über den Nutzen und die Gefahren der »oral history« einige aus eigener Erfahrung geprägte, aber sicher unvollständige Bemerkungen zu formulieren, so soll dies kein Plädoyer gegen das Recht des Wissenschaftlers sein, historische Vorgänge aus der Rückschau kritisch und damit in gewissem Sinne auch subjektiv zu bewerten. Wohl aber mag es als Bitte an die Historiker gelten, Bedingungen, Gegebenheiten und Umfeld der zu bewertenden Persönlichkeiten und ihres Handelns unvoreingenommen zu erforschen, sich in sie hineinzudenken und erst dann zu urteilen. —
Verzeichnis der
Abkürzungen
AA BA
Auswärtiges Amt,
BA-MA
Bundesarchiv-Militärarchiv, Freiburg i.Br.
Bonn
Bundesarchiv, Koblenz
BDI
Bundesverband der Deutschen Industrie
BGBl
Bundesgesetzblatt
BMVg DEA DND EA ERP EVG FA FRUS HZ
JCS KAG MGFA MGM MMB NA NAC NHP ÑISCA NSC OEEC PRO RG
SACEUR SHAPE
VfZg WEU
Bundesministerium für Verteidigung Department of External Affairs, Ottawa Department of National Defence, Ottawa Europa Archiv
European Recovery Program (Marshall-Plan)
Europäische Verteidigungsgemeinschaft
Federal Archives, Ottawa Foreign Relations of the United States Historische Zeitschrift Joint Chiefs of Staff Keesing's Archiv der Gegenwart
Militärgeschichtliches Forschungsamt, Freiburg i.Br. Militärgeschichtliche Mitteilungen Modern Military Branch National Archives, Washington D.C
National Archives Canada, Ottawa Nuclear History Program NATO International Staff, Central Registry, Archives National Security Council Organization for European Economic Cooperation, Paris Public Record Office, London Record Group Supreme Allied Commander Europe Supreme Headquarters Allied Powers Europe Vierteljahrshefte für Zeitgeschichte Westeuropäische Union
Referenten
Professor Dr.
Werner Abelshauser
Universität Bielefeld
Fakultät für
Geschichtswissenschaft
—
Postfach 8640 4800 Bielefeld 1
Oberst i. G. Wilhelm Meier-Dörnberg Führungsakademie der Bundeswehr Manteuffelstraße 20 2000
Hamburg 55
Jan Melissen Weenahof 10 NL-1083 JE Amsterdam
Dr.
Général Dr. phil. habil. Jean Delmas Commission Française d'Histoire Militaire Château de Vincennes
Professor Dr. Leopoldo Nuti Universitá degli Studi di Firenze
B.P. 109 F-00481 Armées
Professor
Dr. Alexander Fischer
Via Laura, 48 1-50121 Firenze
Eichäckerstraße 18 6382 Friedrichsdorf
Klaus Schwabe Lehrstuhl für Neuere Geschichte der RWTH
Professor Dr.
Dr. Peter Fischer
European University Institute
Via Dei Roccettini 19 1-50016 San Domenico di Fiesole Firenze
Professor Dr. John Gillingham University of Missouri College of Arts and Sciences, Department of History 8001 Natural Bridge Road
St. Louis MO 63121-4499, U.S.A.
Oberstleutnant Dr. Christian Greiner
Brandenburger Straße 7819 Denzlingen Steinbruchweg 26
7801 Pfaffenweiler
General a. D. Ulrich Maizière 5300 Bonn 2
16
Rolf Tamnes Norwegian Institute for Defence Studies
Tollbugaten
10 N-0152 Oslo 1
Oberst Dr. Norbert Mooswaldstraße 9a 7801 Schallstadt
Wiggershaus
13
Oberstleutnant Dr. Klaus A. Maier
Eschenweg 37
Kopernikusstraße
5100 Aachen
Professor Dr.
Wichard Wbyke Westfälische Wilhelms-Universität Münster
Schloßplatz 2 4400 Münster Dr. Heinz-Werner Würzler Kirchstraße 66 4220 Dinslaken-Hiesfeld
Register
Abbott, Douglas 122 Acheson, Dean 32,34,36, 39f., 78-80,138,149f., 190, 192, 194, 207, 242 f. Adenauer, Konrad 19,49, 51, 84,99,106,139,163, 170, 235, 240, 266, 273f., 277f., 280-282, 285, 288, 290, 292, 306-309, 313, 315 Aldrich, Winthrop W 244, 248 Alexander I. Pawlowitsch 58
Alphand, Hervé 49 Anderson, Daniel V. 188, 254 Andrews, Sir William 141 Armstrong, W. Park 41, 43 f. Arneson, R. Gordon 231 f., 238, 243 f. Attlee, Clement 32f., 35, 101, 241, 243, 252 Baker, James 55 Barbour, Walworth 250 Bay, Charles U. 194
Bech,Joseph
97
count
242, 247, 251
Churchill, Winston S. 42f., 59f., 74, 84,140,182, 185
129
Clutterbucks 117
Boegner, Jean-Marc 268 Bohlen, Charles E. 24 Boothe-Luce, Clare 208 Botti, Timothy J. 246 Maurice 271, 284, 304 84
191
Brundrett, Sir Frederick 257 Buchalet, Albert 266, 270 f.
Chaban-Delmas, Jacques 289 Chamberlain, Neville 20 Cherrière, Paul 203 Cherwell, Frederick Alexander (Lindemann) Vis-
124, 126f.,
288 f.
Bradley, Omar 39, 199, 216 Brentano, Heinrich von 96, 238, 285, Brind, Sir Patrick 141, 183, 191 Brown, L. Dean 257 Bruce, David 79 f., 84, 307
208
Clay, Lucius D. 22, 77, 199 Cleveland, Stanley M. 84
Bevin, Ernest 22f., 60, 74, 76 Bidault, George 23, 42, 60, 81, 238, 302, 305 Binoche, François 272 Birch, Nigel 253 Blanc, Clément 264f., 267 Blank, Theodor 97-99, 280f., 308 Blankenhorn, Herbert 34, 277, 279-282, 286,
Boye
Cannon, Cavendish W. 209 Carlton, David 262 Carney, Robert B. 141, 143, 204f., Castiglione, M. de 141, 205
Clarke 114 Clarke, Sir H. Ashley 209 Claxton, Brooke 19, 39, 111, 113, 116, 120—122,
Bertoni, Guido 205 Bevan, Aneurin 101
Bowie, Robert R.
209
228, 242-245, 247-252, 309
Berthoud 182
Bougès-Maunoury,
Byington, Homer M. 204, Byrnes, James f. 72 Byroade, Henry A. 78
Clark, S.T.
315
Bergemann, Günther Berger, S.S. 184
Burns, James H. 79
288 f.
Cole, Sterling 251 Collins, Joseph Lawton 227, Conant, James B. 208
279
Crépin, Jean 266, Cucino, Andrea
269 f. 211
Dautry, Raoul 264 Dayton Kenneth 95 f.
Debré, Michel 267 Delmas, Jean 271, 303 f. Dickson, Sir William 257 Dimitroff, Georgi 64 f.
Djilas, Milovan
57
Drury, Charles Mills 120 f. Dulles, John Foster 42, 47, 49-51, 75, 82-86, 155f., 184, 187, 193f., 209, 233, 235, 237f., 244, 248-250, 254f., 259, 261, 268, 276f., 282f., 285, 287, 289f., 292, 306f. Durbrow, Elbridge 210
Eayrs, J.
Eddy,
124
M.S. 143
322
Register
Eden, Anthony 40-42, 45, 49, 85, 163, 188, 238, 248, 250-255, 257, 282 Edmonds, Robin 241 Eisenhower, Dwight, D. 12, 41, 79, 82, 85f„ 93f. 134, 139-142, 152-154, 163, 181 f., 188, 190, 194 f., 203 f., 215, 227, 232-237, 241, 244-252, 258-260, 282 f., 288, 299, 301, 307 Erhard, Ludwig 91, 97-99, 308
Evans-Lombe,
Sir Edward
Fanfani, Amintore
(Malcolm)
143
203
205
114
Kennan, Georgef. 24, 31, 72f., 75, 235
Kennedy, Johnf.
Gaillard, Félix 106, 265f., 270, 289, 291, Gale, Sir Richard Nelson 143 Galloway, William J. 238
303
Gandini 203
315
George 123 f. Gerosi 143 Glover, Cato D. 141 Goodpaster, Andrew J. 250 Gruenther, Alfred 40, 46-48, 157, 160, 162, 236-238, 278, 283 Gualano 211
Guillaumat, Pierre 264 f., 267, Guille, Georges 271
304
Harrison, William H. 92 Hauge, Jens Christian 185f., 190—193, 300
234
Keyes 199 Kibler, Franklin A. 200 Killian, James R. 46, 233 Kirk, Allen 27 Koenig, Pierre Marie 270
Koprulu," Kemal 207 Kolarow, Wasil
Krautwig,
Gates, David 243 Gaulle, Charles de 34, 107,137, 174,263,266,270, 272, 292, 303, 305, 309
Harriman, Averell 58, 308 Harrison, Geoffrey W. 210
43
Irwin, Staford LeRoy
Jaujard, Robert 141, 143 Jebb, Sir Gladwyn 25, 28 Johnson, Louis 26, 185 Joliot-Curie, Irene 264 Juin, Alphonse 141, 143
Ford, Robert 43 Forrestal, James 22 Foster, William C. 207 Foulkes, Charles 113, 120 François-Poncet, André 34 Franks, Sir Oliver, 18, 39 Frattini, Enrico 143 Fuchs, Klaus 243
Gascoigne, Alvary D. F. 42 Gasperi, Aleide de 198, 207,
Ignatieff, George James
292
Faure, Edgar 270 f. Faure, Maurice 106, 288 f.
Fongoli, Ugo
Adolf 147, 162, 166, 219, 286, 305 Hillenkoetter, Roskoe H. 22, 31, 199 Hitler, Adolf 58 f. Howe, Clarence D. 112, 116f., 119,122f., 127-129 Huddleston, Edmund C. 23 Hughes, John C. 207, 209 f.
Heusinger,
66
Carl 97
Lange, Halvard 25, 187f., 191-193 Tassigny, Jean-Marie Gabriel de Lay, James R. jr. 230, 232, 243, 246 Leatzy 200 Lattre de
Lemonnier,
A.
135
141, 143
Lewis 235
Lloyd, Selwyn 106, 255
Lovett, Robert A. 24, 40, 80, 232 Luns, Joseph 285
MacArthur, Douglas
247 f.
McCarthy, Joseph 37 McCloy, John 79, 97, 217,
307 f. 187
McCormick, Lynde D. 141,
McElroy, Neil 259 f. McGhee, George C. 208 Machtig 117
MacKays
121
Hayes 205 Hayter, Sir William G. 42 Head, Anthony 255, 257 f.
McMahon, Brian 244 Macmillan, Harold, 241, 254, 256, 258—260, 303 McNamara, Robert 303
Herter, Christian A.
Macomber 250 Maizière, Ulrich de 157, 278, 280f., 285f., 288
Heeney,
Arnold D.P. 115 f. 49
323
Register Makins, Sir Roger M. 247, 250, 255, Malenkow, Georgi 65 Mallet, Sir Ivo 210 Mancinelli, Giuseppe 210
Mansergh, Mao
Radford, Arthur 232, 237, 283 Ramadier, Paul 23 Reid, Escott 114f., 120, 124
282
Revers, George 199
Ridgway, Matthew B. 142f., 187,
Sir Eric G.R. 143
Tse-tung 26,
Marras,
28 Efisio 199, 205
Marshall, George C. 22, 25, 71,11, 138, 199, 216 Martin, Jacques 238 Mathews, E.G. 193 Matthews, H. Freeman 79
Maugeri, Franco
199
Meendsen-Bohlken, Wilhelm 98 Mendès-Frances, Pierre 81, 84, 86f., 239, 263, 268—272, 303—304-305, 309
Mine, Hilary 66 Moeller, Eric C.V. 141, 143 Mollet, Guy 49, 106, 270-272 Molotov, Vjaceslav M. 66 Monnet, Jean 87, 304 Montgomery of Alamein, Bernhard Viscount 135, 141, 143, 152, 162, 181, 198, 200, 206, 208 Mountbatten, Lord Louis 143
Murphy, Murray,
Robert D. 209, 261 Thomas E. 243
Nash, Frank C. 193,
207
Nasser, Gamal Abdel 48
Nicholl, Angus Dacres 202 Norstad, Lauris 141, 143, 167, 191, 286f.,
Ording, Arne
306
38
Alexander 207 Pearson, Lester B. 32, 36, 39, 44, 109—111, 114,
Papagos,
119, 127, 129
Penfield, James K. 245 Perrin, Francis 264, 267 David 117, 121
Pierre 249 Pikart 21 Pinay, Antoine 266
Pineau, Christian 106, 285, Pleven, René 213, 266, 306 A.F.W. 120
Pietro 199
117f.,
122
Salisbury, Lord Robert Arthur James (Gascoyne) 42
Sandys,
Duncan 257—260 143 Carlton 235
Saunders, Sir Hugh 141,
Savage,
Schewardnadse, Eduard 55 Schlatter, D.B. 141, 143 Schuman, Robert 80, 214, 312, Scott, A. I. 228 Sforza, Carlo Conte 198, 211 Shdanow, Andrej 63—65, 133 Shelanow, Andrej 295 Shinwell, Emanuel 216 Sholkwer, Nikita 55 f. Shukow, Georgij K. 41
315
Rudolf 65 f.
Soutou, Georges-Henri 268 Spaak, Paul-Henri 60, 68, 315
Speer, Albert 91 Speidel, Hans 218, 278f.
Spofford, Charles M. 127 Stalin, (Dschugaschwili) Josip W 38, 41—43, 51,
Peurifoy, John E. 207 f. Piatier, Henri Eugen 264
Quaroni,
185 St. Laurent, Louis Stephen 30, 111, Sala, Antoine P. 143
Slessor, Sir John 20, 39, 46 Smith, Gerard 290, 306 Smith, H. Alexander 207, 259 Snow, William P. 190, 194
Pacciardi, Randolfo 208 Palewski, Gaston 270
Plumptre,
Saebo, Nils
Slánsky,
188
Ovendale, Ritchie
Pierce, Sydney
236
Ritchie, Ronald S. 110, 114f., 120, 123 Roberts, Frank K. 23 Robertson, Bryan 27 Robertson, Norman A. 27, 109, 111 Roosevelt, Franklin D. 71, 228 Rüsen, Jörn 7
289
57-59, 63, 66f., 294f., 309 Stassen, Harold P. 287f. Steel, Christopher E. 237 Stikker, Dirk 34, 147, 315 Stirling, A.J.D. 228 Strauß, Franz-Josef 165, 240, 273, 279,
284—286, 289, 292, 302, 305 Strauss, Lewis 246 f., 249 f. Strong, L. Corrin 188, 193
Symington,
W. Stuart 92
281 f.,
324
Register
Tangen-Hansteen, W.
von
Tarchiani, Alberto 207, Taviani, Paolo E. 288
Taylor, Robert
141, 143
209
K. 141, 143, 191 f. Theotakis, Spyros 44 Timmons, Benson E. Lane III. 257 Tito, Josip (Broz) 207, 211 Torp, Oscar 186, 188 Trezzani, Claudio 203 Truman, Harry S. 12, 27, 30, 32, 35, 74-76, 118, 154, 226f., 230, 242-245, 301, 309 Tschiang Kai-schek 26, 58 Tschiang Tsching-ko 58
Vaisse, M. 268 Vallentine, Allan
Valluy, Jean 268
92
Venizelos, Sophocles 207 Villard, Henry S. 194 Walsh, John Patrick 188, Washington, George 71 Webb, James E. 78 f.
193
Wedemeyer, Albert C. 200 Whitney, John H. 260 Wilgress, L. Dana 42, 125,
127
Willis, Frances E. 191 Wilson, Charles E. 92, 232, Wilson, Harold 101
257 f. 283
Wrong, Hume 113, 114-116, Wyman, Willard G. 143 Wyschinski, Andrej J. 31 Zeeland, Paul
van
153
Zoppi, Vittorio 199, 209
125
Beiträge zur Militärgeschichte Herausgegeben vom Militärgeschichtlichen Forschungsamt Band 33 Generalfeldmarschall von Moltke Bedeutung und Wirkung Im Auftrag des Militärgeschichtlichen Forschungsamtes herausgegeben von Roland G. Foerster. 1992. XIII, 208 Seiten und 12 Abbildungsseiten ISBN 3-486-55900-1 Band 34 Wilhelm Deist Militär, Staat und Gesellschaft Studien zur preußisch-deutschen Militärgeschichte. Mit einer Einführung von Hans-Erich Volkmann. 1991. XV, 432 Seiten, geb. ISBN 3-486-55919-2, brosch. ISBN 3-486-55920-6 Band 35 RalfSchabel Die Illusion der Wunderwaffen Die Rolle der Düsenflugzeuge und Flugabwehrraketen in der Rüstungspolitik des Dritten Reiches 1993. Ca. 400 Seiten ISBN 3-486-55965-6 Band 36 Manfred Zeidler Reichswehr und Rote Armee 1920-1933 Wege und Stationen einer ungewöhnlichen Zusammenarbeit 1993. Ca. 400 Seiten ISBN 3-486-55966-4
Oldenbourg