Change Management: Veränderungsprozesse gestalten [1 ed.] 9783896739650, 9783896441430

Der Zwang, sich mit den Fragen eines gezielten Management von Veränderungen, im amerikanischen Schrifttum als Change Man

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German Pages 102 [103] Year 2000

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Change Management: Veränderungsprozesse gestalten [1 ed.]
 9783896739650, 9783896441430

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Heinz-Kurt E. Wahren

Change Management Veränderungsprozesse gestalten

Schriftenreihe - Erfolgsfaktoren der Unternehmensberatung Band 2

Autor Heinz-Kurt E. Wahren Dipl.-Betriebswirt

Geschäftsführer der ComConsult Unternehmensberatung GmbH, Bahnhofstraße 6, 73563 Mögglingen

Lehrbeauftragter an der Hochschule für Technik und Betriebswirtschaft Aalen, der Hochschule für Gestaltung Schwäbisch Gmünd und der Universität Augsburg

© 2000 Alle Rechte Vorbehalten Rationalisierungs-Kuratorium der Deutschen Wirtschaft (RKW) e.V. Düsseldorfer Straße 40 65760 Eschborn RKW-Nr. ISBN: Layout: Druck:

1396 3-89644-143-4 ComConsult Unternehmensberatung GmbH Druck Partner Rübelmann, Hemsbach

Unternehmen und Berater im Spiegel des Marktes Unsere Wirtschaftswelt wäre ohne „Consulting“ nicht, was sie ist. Beratung heißt, Unternehmen immer wieder umzubauen, sie strukturell zu verändern und effizienter zu machen, damit sie im Wettbewerb bestehen. Daher wird qualifizierte Unternehmensberatung künftig noch gefragter sein - in erster Linie bei kleinen und mittleren Unternehmen, die im Zuge der Internationali­ sierung besonders unter Druck geraten.

Das Potential für Unternehmensberatung war noch nie zuvor so groß, und die Dynamik der Branche wird weiter anhalten. Zugleich verschärft sich der Wettbewerb unter den Beratern selbst: Jährlich kommen zu den über 50.000 etablierten mehrere hundert neue hinzu; auch Banken, Großunter­ nehmen und sogar Universitäten drängen in diesen viel versprechenden Markt. Für die Rat suchenden Unternehmen bedeutet dies eine immer geringere Markttransparenz. Zudem engagieren sie externe Berater meist erst, wenn es ernste Probleme gibt und schnell reagiert werden muß. Die Fähigkeiten des Beraters sind dann von weitreichender, ja existenzieller Bedeutung für das Unternehmen. Ein Dilemma: Die Unternehmensberatung ist prinzipiell eine verantwor­ tungsvolle Dienstleistung, die hohen Ansprüchen genügen muß. Ande­ rerseits sind Berufsbezeichnung und Ausbildung der Berater ebenso wenig definiert, wie Qualitätsstandards für Arbeitsweise und Leistungsfähigkeit. Ob ein Berater geeignet, ob er überhaupt seriös ist, ist für das Unternehmen oft schwer zu beurteilen - oder erst, wenn es zu spät ist. Was folgt daraus für den Unternehmensberater? Eine Herausforderung, die zugleich Chancen eröffnet! Denn Kompetenz und Professionalität entscheiden auch in Zukunft über den Erfolg, und für den Berater lautet die Kernfrage:

Wie schaffe ich es, mich zu profilieren? Die wichtigste Antwort heißt Qualifizierung.

Die Zeiten ändern sich: Konnte sich das klassische Consulting bislang noch auf abgrenzbare Sachgebiete und einzelne Unternehmensbereiche beschränken, so ist das „Schubladen-Denken“ heute überwunden. Auch tritt die Rationalisierungsberatung immer mehr in den Hintergrund - statt­ dessen prägen Wachstumsorientierung und das Denken in Werten die immer komplexer werdenden Beratungsaufgaben. Aufgaben, für die es keine Standardlösungen gibt und die ein Berater nur bewältigen kann, wenn er es versteht, Veränderungsprozesse zu gestalten und Mitarbeiter zu motivieren. Dazu ist über die Fachexpertise hinaus ein hohes Maß an methodischer Kompetenz, an persönlichen und sozialen Fähigkeiten erfor­ derlich.

Eine Entwicklung, die nicht erst seit gestern absehbar war - und so entschloß sich das RKW Baden-Württemberg schon 1994, die BeraterAkademie (BeA) zu gründen; damals ein „Pionier“ in Sachen Unter­ nehmensberatung und Beratungsmethodik.

Nicht zuletzt deshalb genießen die Abschlüsse der Berater-Akademie einen hervorragenden Ruf und setzen Standards im bislang unübersicht ­ lichen Markt. Die BeA-Qualifikation hat schon vielen Beratern Türen geöffnet - ganz besonders bei mittelständischen Unternehmen, für die das RKW als kompetenter Beratungspartner seit langem ein fester Begriff ist. Die blaue Reihe der Berater-Akademie ergänzt die Qualifizierungsange­ bote. Unterschiedlichste Trainer und Referenten sowie Beratungsexperten geben einen Überblick über die Unternehmensberatungsbranche.

Stuttgart, im Juli 2000

Die Berater-Akademie RKW Baden-Württemberg

RKW - Rationalisierungsund Innovationszentrum der Deutschen Wirtschaft e.V.

VORWORT

In der vorliegenden Veröffentlichung werden die Intentionen, Ansatz­

punkte und Vorgehensweisen des Change- bzw. Veränderungsmana­ gements sowie deren Auswirkungen auf Berater in knappen Zügen

beschrieben. Sie wurde initiiert von der BeA, Beraterakademie BadenWürttemberg in Stuttgart und basiert auf Seminaren, die ich im Rah­

men der Berateraus- und -Weiterbildung in dieser Institution durchfüh­ re. Bei der Erstellung des Textes standen folgende Fragen im Vorder­

grund: -

Welche Bedeutung hat das Thema „Veränderungsmanagement”

für Unternehmen und für Berater?

-

Wie gestaltet man den Veränderungsprozeß und welche Ansätze bieten sich an?

-

Welche Auswirkungen haben die unterschiedlichen Ansätze des

Change Managements auf den Beratungsprozeß und den Berater?

Damit sich der Leser einen möglichst schnellen Überblick über das Thema verschaffen kann, wurde der Text bewußt kurz und weitgehend frei von theoretischen Ausführungen gehalten. Diejenigen Leser, die

sich etwas umfassender über das eine oder andere Detail informieren möchten, finden Hinweise zu weiterführenden Veröffentlichungen im

Literaturverzeichnis.

Mögglingen, Juni 2000

Heinz-Kurt E. Wahren

INHALTSÜBERSICHT

1

Notwendigkeiten eines Managements des Wandels

11

1.1 Ausgangslage und Perspektiven................................................... 11

1.2 Wie Unternehmen auf geänderte Anforderungen

reagieren (können)............. .....................................

13

1.3 Gründe und Ziele von Change-Projekten.................................. 15

2

Spektrum der Veränderungsmodelle........................... 21

2.1 Dimensionen von Veränderungsmodellen................................. 21

2.2 Vorgehensweisen im Veränderungsprozeß.............................. 28 2.3 Gliederung der Veränderungsmodelle.........................................33 2.4 Vorstellung ausgewählter Veränderungsmodelle.......................37

(1)

Lean Production und BPR.................................................... 37

(2)

Total Quality Management.................................................... 43

(3)

Customer Focus..................................................................... 45

(4)

Zielvereinbarungen...............................................................46

(5)

Projektmanagement...............................................................49

(6)

Netz- bzw. Teamstrukturen.................................................... 51

(7)

KVP / Kaizen............................................................................ 53

(8)

Teamentwicklung

(9)

Rapid Change-Modelle

................................................................. 56

(10) Lernende Organisation

........................................................58 ..........................................................61

2.5 Fazit..................................................................................................65

3 Vorgehensweisen und Fähigkeiten eines

Change-Beraters

.................................................... 71

3.1 Formen und Inhalte der Beratung................

3.2 Formen und Inhalte der Prozeßberatung

71

................................ 74

3.3 Die Person des Beraters................................................................ 79

7

■ Inhalt

3.4

Phasen von Change-Projekten

..................................................83

3.5 Zehn Empfehlungen zur Durchführung von

Change-Projekten.................................................................. 86 3.6

Fragebogen................................................................................... 95

Literaturverzeichnis..............................................................................99

8

Statt einer Einleitung einige Hinweise über das Spannungsfeld, innerhalb dessen sich Change Agents bewegen. Die folgenden Ausführungen wurden dem Wörterbuch der Winde entnom­ men, in dem Ivetta Gerasimchuk (1999) die Menschheit in zwei Gruppen teilt: in „Anemophile” und „Chronisten”:

„Anemophile (griech. anemos - „Wind”, phileo - „ich liebe”) - ursprünglich Windanbeter im al­ ten Griechenland. Im weiteren Sinn für alle, für die die Zukunft ohne Vergangenheit existiert. Die A. ziehen den Wind stets seiner Abwesen­ heit vor, selbst wenn es sich um den stärksten Sturm handelt. Die A. begrüßen stets alle Ver­ änderungen, selbst wenn es keine Veränderun­ gen zum Besseren sind. Dieser Optimismus gründet auf einem besonders hohen Grad an Überzeugtheit davon, daß die Zeit unendlich und der UHRMACHER allmächtig ist. Chronisten (Kronos - Gott des griechischen Pantheon) - ursprünglich Kronosanbeter, Mit­ glieder der Kronosgesellschaft. Im weiteren Sinn des Wortes alle, für die es eine Vergangenheit ohne Zukunft gibt.(...) Die Ch. haben ein feind­ liches Verhältnis zu allen Veränderungen, so­ gar zu den Veränderungen zum Besseren, da diese unweigerlich etwas Unbekanntes nach sich ziehen.(...) Die Statuten der Gesellschaft proklamieren die unbedingte Ergebenheit der Ch. gegenüber den Ideen der Ruhe (...) sowie des Verzichts auf Zukunftspläne.”

Daß diese zwei Möglichkeiten, mit Veränderun­ gen umzugehen, auch in einer Person wirken können, beschreibt Christian Deysson in der Wirtschaftswoche vom 25.5.2000:

„Wenn es um Veränderung geht, liegen in uns zwei Ichs ewig im Streit. Das eine kuschelt sich gern in ein Lebensfutteral von Stabilität, Bestän­ digkeit und Kontinuität.(...) Das andere Ich ist permanent auf Veränderung aus. Es giert nach dem Andersartigen, nach kreativer Zerstörung und der Droge des Exotischen.(...) Eines der Geheimnisse psychischer Hygiene liegt in der Aussöhnung dieser beiden Ichs. Dieser Balan­ ceakt fällt nicht leicht. (...) Eine der wichtigsten Kompetenzen, die man heute erwerben kann, ist denn auch der unverkrampfte, natürliche Um­ gang mit der Veränderung.”

9

1 NOTWENDIGKEITEN EINES

MANAGEMENTS DES WANDELS

1.1 Ausgangslage und Perspektiven Die derzeitige Situation in Unternehmen stellt sich wie folgt dar (siehe hierzu auch die Ausführungen bei Doppler & Lauterburg, 1995):

-

Die Entwicklungs- und Lebenszyklen von Produkten, die von Abneh­

mern geforderten Reaktionszeiten und die hieraus resultierenden Anpassungsleistungen werden immer kürzer. Dies führt zu einer

zunehmenden Dynamik der Prozesse und zu einer ständigen Ver­ knappung der Zeit, wobei der Faktor „Zeit” zu einem wesentlichen Wettbewerbsfaktor wird. -

Die im Rahmen der Globalisierung festzustellende Auflösung von

Grenzen und Branchenordnungen, die Bevorzugung von komplexen Lösungen (Alles aus einer Hand-Prinzip), der Einsatz neuer Medien

(insbesondere das Internet) und die verstärkte, z.T. auch internatio­

nale Vernetzung von Unternehmen führt zu einer zunehmenden

Komplexität, die es in unternehmerischen Handlungen zu berück­ sichtigen gilt. Die Problematik, die sich aus dem Zusammenwirken dieser beiden

Faktoren entwickelt, wird in USA mit dem Kunstwort „dynaxity”

umschrieben, das sich zusammensetzt aus den Begriffen „dynamics” und „complexity”. -

Die Menschen unserer Zeit werden immer selbstbewußter und sen­

sibler: Verbraucher stellen höhere Anforderungen an die Qualität von Produkten und Dienstleistungen, Mitarbeiter werden kritischer ge-

11

■ Notwendigkeiten eines Managements des Wandels

genüber dem Verhalten von Vorgesetzten und Unternehmen.

-

Die zuvor genannten Entwicklungen werden - u.a. auch gefördert

durch die wachsende Markt- bzw. Angebotstransparenz, die das Internet mit sich bringt - begleitet von einem zunehmenden Druck auf

die Preise bzw. Kosten von Unternehmen. Eine Folge dieser Entwicklungen ist, daß Unternehmen immer stärker

unter „Druck” geraten: Immer schneller, mit immer intelligenteren Lösungen auf Entwicklungen reagieren müssen, wobei sie die hierbei

geforderten Innovations- und Veränderungsleistungen nur bewältigen,

wenn sie Instrumente und Methoden einsetzen, die den permanenten Wandel unterstützen. Die Frage hierbei ist deshalb zumeist auch nicht,

ob man sich verändern möchte, sondern „lediglich” wie man den ge­

forderten Wandel realisiert: Wie schnell und/oder radikal soll der Wan­

del sein? Wo soll er ansetzen und was soll er bewirken? Welche Vorgehensweisen soll man wählen und welche unterstützenden Hilfs­

mittel einsetzen? Welche Ressourcen müssen bereitgestellt und wel­ che Zeiträume eingeplant werden? In welcher Form soll bzw. kann man

die Betroffenen in den Prozeß integrieren?... Der Zwang, sich mit den

Fragen eines gezielten Managements von Veränderungen, im amerika­ nischen Schrifttum bezeichnet man dies als „Change Management”, zu

beschäftigen, wird damit zu einer zentralen Herausforderung zukunfts­ orientierter Unternehmen - und in der Folge auch von Beratern.

12

Wie Unternehmen auf geänderte Anforderungen reagieren ■

1.2 Wie Unternehmen auf geänderte Anforderungen reagieren (können) Grundsätzlich gibt es für Unternehmen drei Möglichkeiten, sich auf verändernde Markt- bzw. Rahmenbedingungen einzustellen:

-

So haben sie die Möglichkeit, sich auf strategischer Ebene neu aus­

zurichten. Ansatzpunkte in diesem Bereich können z.B. sein: die Globalisierung von Aktivitäten, das gezielte Eingehen auf die Beson­

derheiten von Kunden oder von lokalen Märkten, verstärkte Anstren­ gungen im Bereich der Kundenorientierung, der Ausbau von Ser­

viceleistungen oder die Fokussierung auf Kernkompetenzen (siehe

z.B. General Electric, Siemens, Daimler-Chrysler...). -

Eine zweite Möglichkeit besteht in der Veränderung des Ressour­ ceneinsatzes. Zu nennen wären hier beispielsweise die Einführung neuer Technologien, Maßnahmen des Outsourcing, eine Internatio­

nalisierung der Produktion, Zusammenschlüsse von Unternehmen

zu Netzwerken oder eine Umorientierung des Fokusses auf zu­ kunftsorientierte Ressourcen (z.B. eine stärkere Berücksichtigung der Wachstumsfaktoren „Lernen” und „Wissen”), die zumeist ver­

bunden ist mit einer stärkeren Berücksichtigung des Human Factors.

-

Ein dritter Ansatzpunkt liegt im Bereich der Strukturen. Zu nennen

wären hier z.B. die Einführung neuer Formen der Führung, die De­ zentralisierung von Verantwortung und Kompetenzen, ein Empower­

ment der Mitarbeiter, also Ermächtigung zu selbstverantwortlichem Handeln, eine stärkere Prozeßorientierung oder die Einführung heterarchischer Organisationsstrukturen, die man heute häufig als

Netz(werk)strukturen bezeichnet. Die in den weiteren Ausführungen dargestellten Veränderungsmodelle

setzen an diesen Punkten an. So versucht man z.B. innerhalb einer Zukunftskonferenz die strategische Ausrichtung einer Organisation zu

13

■ Notwendigkeiten eines Managements des Wandels

überprüfen und neu zu formulieren, gestaltet man innerhalb eines Reengineering den Ressourceneinsatz eines Unternehmens in einer anderen Form und verändert man bei der Einführung von Gruppenar­ beit betriebliche Strukturen.

14

Gründe und Ziele von Change-Projekten ■

1.3 Gründe und Ziele von Change-Projekten Schauen wir uns zunächst einmal an, aus welchen Gründen Unterneh­ men Change-Projekte initiieren. Wie man in der Abbildung 1.1 sieht, gibt es hierfür ganz unterschiedliche Anlässe (die Daten entstammen einer Untersuchung des Internationalen Institutes für Lernende Orga­

nisation und Innovation aus dem Jahr 1997, bei dem 111 Unternehmen nach ihren Gründen zur Einleitung von Change-Aktivitäten befragt wur­ den. 85 Prozent der befragten Unternehmen hatten mehr als 500 Mit­

arbeiter):

Abbildung 1.1: Gründe für Veränderungsprojekte

15

■ Notwendigkeiten eines Managements des Wandels

Bei einer Analyse der Werte fällt auf, daß ressourcenorientierte Aktivi­ täten (z.B. eine Verringerung der Prozeßkosten und die Beschleuni­

gung der Durchlaufzeiten) die höchste Priorität haben. Hinter diesen Anlässen steht sicherlich der Zwang, Leistungen ständig zu optimieren und Kosten zu reduzieren. Eine hohe Bedeutung haben auch Aktivitäten

im Bereich der eher weichen, personenorientierten Ansätze. Hierunter

fallen z.B. Bemühungen, effiziente Systeme zur Vereinbarung von Sach- und Entwicklungszielen zu etablieren und Aktivitäten, die es

ermöglichen den Faktor Mensch sinnvoller in das Unternehmen zu

integrieren. Die letztgenannten Ansätze haben vor allem das Ziel, die

Identifikation mit dem Unternehmen zu erhöhen, Fehlzeiten zu reduzie­ ren, gegenseitige Schuldzuweisungen und mikropolitische Aktivitäten

zu verringern sowie eine Vertrauenskultur aufzubauen. In einer Erhebung zum Stand des Change Management in Deutschland

wurde festgestellt, daß sich die Strategien, die Unternehmen in diesem Bereich verfolgen, in den letzten Jahren erheblich verändert haben

(siehe Abbildung 1.2; die hier dargestellten Daten stammen aus der lAO-Studie zum Change Management in Deutschland, veröffentlicht von Jarmai, 1997). So haben Aktivitäten im Bereich Qualitäts- und Marktführerschaft eine (z.T. stark) abnehmende, während Aktivitäten in Richtung Kunden- und Innovationsorientierung eine deutlich zuneh­ mende Bedeutung erhalten. In fast allen Untersuchungen wurde dar­

über hinaus festgestellt, daß die Ressource Mensch zu einem zentralen Ansatzpunkt bei der Realisierung von Change-Projekten geworden ist.

Welche Ziele Unternehmen hierbei verfolgen, ist in Abbildung 1.3 dargestellt (die Daten entstammen einer Untersuchung der Beratungs­

gesellschaft PA Consulting, London, ermittelt bei über 400 größeren,

europäischen Unternehmen):

16

Gründe und Ziele von Change-Projekten ■

Abbildung 1.2: Veränderungen in den Zielen von Change ManagementProjekten

Aktivitäten

Bedeutung für die Unternehmen

nieder

hoch

Abbildung 1.3: Ansatzpunkte bei der Ressource Mensch

17

■ Notwendigkeiten eines Managements des Wandels

Favorit bei den personenorientierten Ansätzen ist die Einführung einer

lernenden Organisation. Desweiteren legen Unternehmen Wert auf

eine Flexibilisierung der Arbeitsbedingungen, die Einführung neuer Organisationsformen (z.B. in Form der Gruppen- und Teamarbeit), eine Veränderung der Firmenkultur (z.B. hin zu mehr Offenheit, Engage­

ment, Empowerment...) sowie auf eine erhöhte Qualifikation von Mana­

gern, Führungskräften und Mitarbeitern. Faßt man die bisherigen Ausführungen zusammen, kann man drei

Dinge feststellen: (1) Unternehmen stehen unter einem zunehmenden Markt-, Zeit-, Preis-, Konkurrenz- und Veränderungsdruck. (2) Sie reagieren auf diesen zunehmend mit Aktivitäten in Richtung „Change

Management”, wobei die Ziele, die sie hierbei verfolgen und die Ansätze, die hieraus resultieren, breit gestreut sind. (3) Die Kompe­

tenz, Veränderungen in Unternehmen zu initiieren und zu begleiten, wird damit, wie auch in einer Befragung bei 600 Managern festgestellt

wurde (veröffentlicht in der Wirtschaftswoche vom 3.2.2000; siehe Abbildung 1.4) zu einer zentralen Fähigkeit von Führungskräften. Viele Unternehmen können der Herausforderung, die die Dynamik wirtschaft­

licher Prozesse an sie stellt, nur bedingt gerecht werden und benötigen qualifizierte Hilfe von außen. Hier bieten sich für Berater sinnvolle

Ansatzpunkte, Organisationen auf ihrem Veränderungs-Weg beratend

zu begleiten. Gleichzeitig stellt sich aber auch die Frage, welche

Instrumente man in diesem Bereich einsetzt und in welcher Form man Beratungsleistungen gestaltet. Auf diese Fragen werden in den folgen­

den Kapiteln Anworten gesucht.

18

Gründe und Ziele von Change-Projekten ■

Abbildung 1.4: Anforderungen an Manager (Veränderungen jeweils in Prozent gegenüber einer im Jahr 1993 durchgeführten Befragung)

19

2 SPEKTRUM DER VERÄNDERUNGSMODELLE

2.1 Dimensionen von Veränderungsmodellen Unterschiedliche Modelle haben unterschiedliche Intentionen Die Begriffe Change- bzw. Veränderungsmanagement gehören zu

den heutzutage häufig verwendeten „Container”-Begriffen, mit denen alles mögliche bezeichnet wird, das en vogue ist und mit der Vokabel Veränderung irgendwie in Verbindung gebracht werden kann. (Doch

welche Beratungsleistung ist dies nicht?) Nachdem Container-Begriffe

zumeist mehr vernebeln als erklären, ist es zunächst einmal wichtig, den Begriff „Change Management” etwas näher zu beleuchten und in etwa

zu fixieren, welche Aktivitäten üblicherweise diesem zugeordnet wer­ den. Veränderungsaktivitäten haben den Zweck, einen beabsichtigten Wan­

del zu initiieren, zu gestalten und zu unterstützen. Kennzeichnend für

die unterschiedlichen, nachfolgend dargestellten Ansätze bzw. Modelle ist, daß sie Aktivitäten jeweils auf ein ganz spezifisches Objekt hin

bündeln. So gibt es z.B.

-

Modelle, die, wie Lean Management-Aktivitäten bzw. das Business Process Reengineering (kurz: BPR), primär an der Wertschöpfung bzw. den Prozessen eines Unternehmens ansetzen,

-

Modelle, bei denen, wie beim Total Quality Management (kurz:TQM), der Faktor Qualität oder, wie bei Customer Focus-Ansätzen, der

Kunde im Mittelpunkt stehen,

21

■ Spektrum der Veränderungsmodelle

-

Modelle, bei denen es, wie bei Projektmanagement-Aktivitäten oder

bei der Einführung von Netz- bzw. Teamarbeitsstrukturen, vor allem darum geht, organisatorische bzw. hierarchische Defizite zu reduzie­ ren,

-

Modelle, bei denen es, wie beim kontinuierlichen Verbesserungs-

Prozeß (KVP) oder dem organisationalen Lernen primäres Ziel ist, einen fortwährenden Nachdenk-, Kommunikations- und damit auch

Entwicklungsprozeß zu initiieren. Konzentriert man sich auf ein bestimmtes Modell, hat dies wiederum

Auswirkungen -

auf die Art des Vorgehens (so können Veränderungsprozesse z.B. in einer unterschiedlichen Schnelligkeit realisiert werden),

-

auf die angesprochenen Tiefendimensionen (so können Aktivitäten vorrangig die Korrektur von offensichtlichen

Defiziten zum Inhalt haben oder auch tiefere Schichten des Unter­

nehmensgeschehens in Veränderungsprozesse mit einbeziehen), -

auf die Form der Einbindung der Betroffenen (so kann man Veränderung im stillen Kämmerlein planen und die

fertigen Ergebnisse, quasi wie eine „Bombe”, in die Organisation

werfen oder die Betroffenen in geeigneter Form in die Planung von Change-Aktivitäten integrieren).

Vergleicht man die unterschiedlichen Modelle wird man feststellen, daß man bei einem Business Process Reengineering ganz anders vorgeht,

andere Werkzeuge einsetzt und die Betroffenen in einem ganz anderen

Maße in den Veränderungsprozeß integriert als dies bei der Einführung eines KVP-Systems oder bei Teamentwicklungs-Aktivitäten der Fall ist.

Fassen wir zusammen: Kennzeichnend für den Begriff Change- bzw. Veränderungsmanagement ist, daß mit dieser Vokabel Praktiken zu­

22

Dimensionen von Veränderungsmodellen ■

sammengefaßt werden, bei denen mit unterschiedlichen Vorgehens­ weisen unterschiedliche Ziele verfolgt werden, mit unterschiedlichen Werkzeugen (Tools) gearbeitet wird und hierbei auch unterschiedliche Aspekte der Unternehmenswirklichkeit angesprochen werden, wobei

die einzelnen Modelle eine unterschiedliche Komplexität bzw. Tragwei­ te besitzen und die Betroffenen in unterschiedlicher Form in die Verän­ derungsaktivitäten einbinden. Die nachfolgend dargestellten zehn Veränderungsmodelle können nach folgenden Kriterien unterschieden

werden (siehe hierzu im Detail z.B. die Ausführungen bei Baisiger,

1998): Harte und weiche Modelle

Die unterschiedlichen Change Management-Ansätze kann man zu­ nächst einmal in harte und weiche Modelle gliedern (siehe hierzu z.B. Morgan, 1998 und Kobi, 1994). Bei den harten Modellen stehen

sachorientierte, betriebswirtschaftliche bzw. technische Aspekte im

Vordergrund. Die Vorgehensweise ist vorrangig rational und das Bild,

das sich die Akteure von einer Organisation (und der in ihnen tätigen

Menschen) machen, eher mechanistisch. Ein typisches hartes Ver­ änderungsmodell ist das BPR.

Bei den weichen Modellen hingegen stehen eher die psycho- bzw. soziodynamischen Aspekte einer Organisation im Zentrum der Wahr­

nehmung und Veränderungsbemühungen. Das Bild der Organisation, das den Change Agents'* vor Augen steht, ist ein eher individuumzentriertes, bei dem die Organisation z.B. als sozialer Organismus, als Gehirn oder als „Mülleimer” gesehen wird (siehe hierzu z.B. die Ausfüh­

rungen von Baecker, 1999, Bardmann, 1994, Unseld, 1992 oder Weick, 1995). Typisch für weiche Modelle sind z.B. die Aktivitäten, die unter dem Begriff Organisationsentwicklung (OE) zusammengefaßt werden. *) Ich verwende in den folgenden Ausführungen die Begriffe „Change Agent” und „Change Manager” synonym, wobei die Funktion jeweils von Extern-beratenden oder internen Funktions­ trägern, also Mitarbeitern eines Unternehmens, wahrgenommen werden kann.

23

■ Spektrum der Veränderungsmodelle

Tiefenschärfe der Modelle In Fortführung des zuvor beschriebenen Kriteriums kann man die Modelle dahingehend unterscheiden, in welche Tiefe ihre Sonden vor­

dringen. So gibt es Modelle, bei denen Aspekte, die sich im „sicht”-baren Bereich des Unternehmensgeschehens befinden (wie in Abbildung 2.1

dargestellt, fallen unter diese Rubrik z.B. die Aufgaben, die Ziele und Strategien des Unternehmen, ihre Kunden, Märkte und Konkurrenten

sowie ihre Organisation etc.) Gegenstand des Interesses und von Ver­ änderungsaktivitäten sind. Auf dieser Ebene arbeiten z.B. die Lean

Management-Aktivitäten, das BPR und TQM.

Wie man seit langer Zeit weiß, werden Menschen wie auch Organisa­

tionen nicht nur von bewußten, leicht erkenn- und nachvollziehbaren Phänomenen bewegt, sondern vor allem von den in den Tiefen der Psyche verborgenen, eher unbewußten (Trieb-)Kräften. Sigmund Freud

(1975) hat die unterschiedlichen Schichten der Psyche beschrieben, wobei man diese auch in Form eines Eisbergs darstellen kann, bei dem

sich bekanntlich neun zehntel der Masse unter der Wasseroberfläche befinden (siehe Abbildung 2.1). Während sich das, was in einer Orga­

nisation offensichtlich ist (Abläufe, Prozesse, Artefakte) und über das

man „offiziell” spricht (Ziele, Aufgaben, Strategien), oberhalb der Was­

serfläche befindet, findet man in den Tiefenbereichen die sozialen und

kulturellen Kräfte, die die Aktivitäten in einer Organisation in großen Teilen bewegen: Persönliche Einstellungen, Beziehungen, (soziody­

namische und psychologische) Spiele, mikropolitische Aktivitäten, Seil­ schaften, Normen, Regeln, Werte, Weltbilder, etc. Diese beflügeln das Miteinander der Organisationsmitglieder oder machen es unmöglich

und sind von ganz entscheidender Bedeutung für den (Miß-)Erfolg von Veränderungsprojekten (siehe in diesem Zusammenhang die Veröf­ fentlichungen von Küpper & Ortmann, 1988, Ortmann et al., 1990 und

Sackmann, 1999). Geht man auf diese Aspekte als Change-Manager nicht ausreichend ein, kann man anvisierte Ziele nicht erreichen oder

erwirkt genau das Gegenteil dessen, was man eigentlich wollte.

24

Dimensionen von Veränderungsmodellen ■

Aufgaben, Ziele, Strategien, Kunden, Märkte, Konkurrenz, Abläufe, Prozesse, Organi­ sation, Artefakte...

Persönliche Einstellungen, Beziehungen (soziale Chemie), Vorurteile, Ressentiments...

Spiele, Mikropolitik, Einfluß- und Machtstruk­ turen, Seilschaften...

Normen, Regeln, Werte, Unwritten Rules, Theories in use, Weltbilder...

Abbildung 2.1: Das Eisbergmodell der Organisation Evolutionäre und revolutionäre Modelle Ein weiteres Kriterium, nach dem Veränderungsmodelle unterschieden werden können, ist die Zeitspanne, in der die Veränderungen realisiert

werden. Bei evolutionären Modellen erstreckt sich der Prozeß über

längere Zeiträume (z.T. sind dies mehrere Jahre), in denen Veränderun­ gen bei den Mitgliedern einer Organisation, ihren Denkweisen, Einstel­ lungen oder Handlungen, erreicht werden sollen. Typisch für evolutio­

näre Vorgehensweisen sind OE-Aktivitäten. Bei den revolutionären oder transformatischen Modellen geht es - wie

in Revolutionen üblich - darum, die Organisation abrupt, quasi im (Hand-) Streich, mit einem „Bombenwurf” oder einer Provokation (siehe hierzu

z.B. die Gedanken von Farrelly & Brandsma, 1986, de Shazer, 1995 und Bamberger, 1999) zu verändern. Revolutionäre Modelle wurden in den letzten Jahren, weil Unternehmen (vermeintlich) keine Zeit haben, sich

25

■ Spektrum der Veränderungsmodelle

in einer evolutionären Weise zu verändern, sehr populär. Typische

Vertreter transformatorischer Modelle sind das BPR und die verschie­ denen Rapid Change-Modelle.

Top-down und Down-top-Modelle

Ein viertes, für Change Manager sehr bedeutsames Unterscheidungs­ merkmal ist die Richtung, in der Veränderungen initiiert werden. So gibt

es einerseits Modelle, bei denen die Veränderung Top-down, also von der Spitze zur Basis hin vorangetrieben wird. Bei dieser Vorgehenswei ­

se haben die unteren Hierarchieebenen die Aufgabe, sich mit den Vorgaben von oben mehr oder weniger gut zu arrangieren. Ein typi­

sches Top-down-Modell ist das BPR. Mit einer ganz anderen Philosophie arbeiten die Down-top- oder Bottomup-Modelle. Bei ihnen versucht man, die Betroffenen zu Beteiligten zu

machen. Mitglieder der unteren Ebenen sollen hierbei Prozeßtreiber

werden, wobei man vor allem versucht, die Widerstände, die sich bei Top-down-Vorgehensweisen zeigen, elegant zu umgehen. Das Mana­

gement zieht sich bei Bottom-up-Strategien auf die Position des Propa­

gandisten, Ermöglichers oder Förderers zurück, während die eigentli­ che (Veränderungs-)Arbeit die Mitglieder der unteren Ebenen verrich­

ten. Stellvertretend für Bottom-up-Modelle möchte ich OE- sowie (Shopfloor-)KVP-Aktivitäten nennen.

Mix der Unterscheidungsmerkmale

Wie die vorausgegangenen Ausführungen vermuten lassen, kann man die unterschiedlichen Vorgehensweisen zu typisch-modellhaften

Ansätzen kombinieren: So gibt es Ansätze, die eher hart, revolutionär

und von oben nach unten gerichtet funktionieren. Ein typischer Stellver­ treter für diese Richtung ist das BPR. Diesen stehen Ansätze gegen­

über, bei denen die Interventionen eher als weich, evolutionär und von unten nach oben gerichtet beschrieben werden. Typische Vertreter

26

Dimensionen von Veränderungsmodellen ■

dieser Richtung sind der (Shop-floor-)KVP oder das lernende Unter­

nehmen.

Ob man mehr die eine oder andere Richtung einschlägt, hängt von verschiedenen Faktoren ab. Wesentlich sind hier vor allem:

-

die Ziele, die man mit den Change-Aktivitäten anstrebt (Geht es z.B. eher darum, Kosten zu sparen oder das Wissen und die Kreativität

der Mitarbeiter zu aktivieren?);

-

die Zeitspanne, die man (vermeintlich) für die angestrebten Verän­ derungen zur Verfügung hat (Muß man die Veränderungen auf einen Schlag erreichen, weil ansonsten das Unternehmen, der

„Kranke”, nicht „überlebt” oder will man einen langfristigen Wachs­ tumsprozeß für einen im Prinzip „Gesunden” einleiten?);

-

das Menschenbild der Entscheider und Change Agents (Hat man

ein vorrangig rational-mechanistisches Bild bzw. Verständnis der Organisation oder sieht man diese eher als ein psycho- bzw. sozio­ dynamisches Gebilde?).

In der Praxis wird der letztgenannte Aspekt die beiden anderen dominie­ ren: Rationalisten entscheiden sich zumeist für die schnellen, direkten, von oben nach unten agierenden Modelle und finden dann auch

genügend Gründe, warum bestimmte Ziele erreicht sowie Vorgehens­

weisen angestrebt werden sollten. Auch wenn es sich in Manage­ mentkreisen eingebürgert hat, den Menschen als wichtig(st)e Ressour­ ce zu bezeichnen, lassen sich Führungskräfte nur schwer für eine eher weiche, evolutionäre, mitarbeiterzentrierte Vorgehensweise gewinnen.

In ihrem tiefsten Herzen, so könnte man vermuten, mißtrauen sie diesen. Die schnellen, harten, von oben nach unten geführten Schritte

bzw. Schnitte sind für sie viel „natürlicher” als eine etwas tiefer schürfen­ de, die Betroffenen mit einbeziehende Vorgehensweise (siehe hierzu

die Ausführungen von Wimmer, 1999).

27

■ Spektrum der Veränderungsmodelle

2.2 Vorgehensweisen im Veränderungsprozeß Das Dreiphasenmodell von Kurt Lewin

Ausgangspunkt aller Beschreibungen von Change-Prozessen ist das Dreiphasenmodell von Kurt Lewin (1963), bei dem die Veränderung

sozialer Systeme, wie in Abbildung 2.2 dargestellt, in drei Schritte gegliedert wird: (1) eine Phase des Auftauens (unfreezing), in der vor­

handene Strukturen zunächst einmal gelockert werden, (2) die Phase

des Veränderns (move), in der beabsichtigte Veränderungen vorge­ nommen werden und (3) die Phase des Einfrierens (freezing), in der die

neu erarbeiteten Strukturen und/oder Verhaltensweisen stabilisiert und generalisiert werden. Wesentlich ist, daß in allen drei Phasen stets

retardierende, den Prozeß hemmende sowie akzelerierende, den Pro­ zeß fördernde Kräfte erkennbar sind, wobei im Laufe der Veränderun­

gen die hemmenden Kräfte (also die „Chronisten”, wie sie im Wörter­

buch der Winde genannt werden) ab- und die fördernden Kräfte (die „Anemophilen”) zunehmen sollten. Nur wenn dies der Fall ist, wird die Veränderung gelingen und auf breiter Ebene wirken.

Abbildung 2.2:

28

Das Dreiphasenmodell von Kurt Lewin

Vorgehensweisen im Veränderungsprozeß ■

Das Business Transformation-Modell von Gouillart & Kelley

In Abbildung 2.3 ist das Transformation-Modell von Gouillart & Kelley

(1995) dargestellt, das, wie man leicht erkennen kann, auf Gedanken des Dreiphasenmodells von Lewin zurückgreift, den Veränderungs­

prozeß jedoch in vier Phasen gliedert, die - im Vergleich zu Lewin - auch

inhaltlich etwas anders formuliert bzw. abgegrenzt werden.

4. • •



Renew Anreizsystem schaffen Individuelles Lernen forcieren Organisation erneuern

T

3 . Revitalize • Kundenfocussierung erreichen • Neue Geschäfts­ felder entwickeln • Quantensprünge durch Technologieeinsatz erreichen

Abbildung 2.3:

1. • • •

2.

Reframe Mobilisierung er­ reichen Vision entwerfen Ziel- und Meß­ größen verankern

4*

Restructure Wertschöpfungs­ orientiertes Modell aufbauen Infrastruktur aus­ bauen Prozesse umge­ stalten

Das Business Transformation-Modell von Gouillart & Kelley

Auch im Transformationsmodell geht es in den ersten Aktivitäten darum, eine Mobilisierung der Betroffenen zu erreichen sowie klare

Vorstellungen zu entwickeln, wohin man sich bewegen möchte. In den

Phasen 2 und 3 werden dann ganz spezifische, vorrangig ökonomische Veränderungen angestrebt, die in Phase 4 durch unterschiedliche

Maßnahmen ausgebaut und gefestigt werden.

29

■ Spektrum der Veränderungsmodelle

Das Strategie Change-Modell von Orgland

Das in Abbildung 2.4 dargestellte Prozeßmodell von Orgland (siehe hierzu im Detail die Ausführungen bei Baisiger, 1998) greift ebenfalls

auf Gedanken von Kurt Lewin zurück, ist jedoch etwas komplizierter,

indem es eine zweite Dimension, die sogenannten Prozeß-„Treiber”, einführt und hierbei die Aufgaben der unterschiedlichen hierarchi ­ schen Ebenen in ihrer Abhängigkeit formuliert und darstellt. So identi­

fiziert Orgland, und dies ist sicherlich auch praxisnah, innerhalb des

Prozesses einerseits Aufgaben, die Top-down zu erledigen sind, sowie Aufgaben, die horizontal und Bottom-up vollzogen werden müssen.

Wandel initiieren

Veränderung bewältigen

Bewegung aufrechterhalten

Top-down Richtung geben

Horizontale Prozesse umbauen

Bottom-up Leistungs­ verbesserung

Abbildung 2.4:

Das Strategie Change-Modell von Orgland (Quelle: Baisiger, 1998)

Faßt man die Erkenntnisse aus den bislang vorgestellten Veränderungs ­

modellen zusammen, kann man folgende Leitlinien für die praktische

Arbeit von Change Agents postulieren: -

Am Anfang jedes Veränderungsprozesses steht das Offensichtlich­

machen und Lockern vorhandener Strukturen und Verhaltenswei­

sen, wobei man Aktivitäten in dieser Richtung - im Sinne von Kurt

Lewin - als unfreezing bezeichnen könnte.

30

Vorgehensweisen im Veränderungsprozeß ■

-

In der Folge sollten die Beteiligten und Betroffenen sich klar werden, welche Ziele man mit den Veränderungen anstreben möchte, wobei

es sinnvoll ist, diese möglichst konkret zu umreissen und, wo es Sinn

macht, durch quantitative Festlegungen zu untermauern. -

In einer dritten Phase geht es darum, konkrete Veränderungen

durchzuführen, wobei diese um so präziser und zielführender sein werden, je konkreter die in der Phase zuvor entwickelten Vorstellun­ gen sind. Wichtig in dieser Phase ist, daß man nicht nur das „Was” (Was will ich tun und was erreichen?), sondern immer auch das „Wie”

(Wie will ich vorgehen und hierbei welche Mittel einsetzen?) im Auge behält. (Für Change Agents sollte deshalb auch folgender Leitsatz

von zentraler Bedeutung sein: Der Erfolg von Veränderungs­

maßnahmen hängt nicht nur davon ab, welche Mittel man einsetzt, sondern vor allem, wie man sie einsetzt!) -

In einer den Veränderungsprozeß abschließenden Phase geht es darum, das Neue zu stabilisieren und zu normieren, also - im Sinne

von Kurt Lewin - wieder einzufrieren. Verhindern möchte man damit, daß das System in alte Strukturen und/oder Verhaltensweisen zu­ rückfällt.

In all diesen Phasen sollte man stets im Auge behalten, daß personale

und strukturale Interventionen in einem sinnvollen Verhältnis stehen

(siehe hierzu Abbildung 2.5 und die Ausführungen bei von Rosenstiel, 1980, Neuberger, 1977 sowie in der Veröffentlichung von Sackmann, 1999). Bei personalen Interventionen geht es vor allem um die Beein­

flussung des Faktors Mensch. Sie sollten im Zentrum stehen, wenn man

die Beziehungen und Einstellungen der Menschen in einer Organisation verbessern will: wenn man z.B. ein besseres Zusammenwirken zwi­

schen Personen oder Gruppen, mehr Teamfähigkeit oder einen höhe­ ren Grad an selbstverantwortlichem Handeln erreichen will.

31

■ Spektrum der Veränderungsmodelle

Personale Interventionen

Strukturale Interventionen

Veränderung der „inneren” Situation (z.B. Wir-Gefühl von Gruppen)

Veränderung der „äußeren” Situation (z.B. Veränderung von Prozessen)

besseres Zusammenwirken, mehr Teamfähigkeit...

Dezentralisierung, mehr Selbstorganisation...

höhere Effizienz in Prozessen, Hand­ lungen...

Abbildung 2.5: Personale und strukturale Interventionen Strukturale Interventionen haben das Ziel, die Rahmenbedingungen,

innerhalb der die Organisationsmitglieder tätig werden, zu verändern.

Sie sollten das Schwergewicht bilden, wenn es z.B. darum geht, Organisationen flexibler zu gestalten oder Prozesse zu verbessern. In der Praxis wird es jedoch häufig darum gehen, in beiden Richtungen zu

wirken und die Aktivitäten in ein sinnvolles Verhältnis zueinander zu bringen. Veränderungsaktivitäten werden immer etwas „Halbes” blei­

ben, wenn man sich nur auf eine Seite konzentriert: z.B., wie dies bei den meisten BPR-Aktivitäten ist, nur den strukturalen Bereich anspricht

oder, wie bei vielen human-zentrierten Ansätzen, nur den personalen Bereich.

32

Gliederung der Veränderungsmodelle ■

2.3 Gliederung der Veränderungsmodelle Vom (Beratungs-)Bedarf zur (Beratungs-)Lösung Wie wir bereits gesehen haben, bedingen spezifische Vorstellungen,

die man im Rahmen eines Veränderungsprozesses realisieren möchte,

ganz spezifische Lösungen und damit den Einsatz ganz spezifischer, auf den jeweiligen Fall hin zugeschnittener Veränderungsmodelle. In

den folgenden Ausführungen möchte ich einige Möglichkeiten zur Gliederung von Veränderungsmodellen vorstellen, wobei sich diese primär an den Gegebenheiten in Unternehmen bzw. deren Erwartungen orientieren.

Die Gliederung von Jarmai Jarmai (1997) gliedert, wie in Abbildung 2.6 dargestellt, sechs Ver­ änderungsmodelle innerhalb eines Koordinatensystems mit folgenden

Achsen: (1) Dem aktuellen Veränderungsbedarf, der jeweils gering oder hoch sein kann und (2) der Veränderungsfähigkeit des Unterneh­

mens, die wiederum hoch oder gering sein kann. So stellt - nach Meinung von Jarmai - das BPR eine Intervention dar, die vor allem in

Organisationen sinnvoll einzusetzen ist, bei denen der Veränderungs­

bedarf hoch, die Veränderungsfähigkeit hingegen gering ist. BPR wäre in solchen Fällen die richtige Intervention, da es - wie wir noch sehen

werden - mit schnellen, tief greifenden Schnitten arbeitet, die, zumin­ dest in vielen Fällen, rasch vor allem zu ökonomischen Verbesserungen

führen. Die Organisationsmitglieder werden beim BPR nur in einem geringen Umfang in den Veränderungsprozeß integriert, weshalb die Veränderungsfähigkeit des Unternehmens, da zumeist die Berater das

Wesentliche tun, auch nicht groß sein muß. Der Ansatz lernende

Organisation hingegen macht - wie später dargestellt wird - nur Sinn,

wenn die Veränderungsfähigkeit des Unternehmens hoch und der

aktuelle Veränderungsbedarf eher gering ist.

33

■ Spektrum der Veränderungsmodelle

Reengi­ neering Strateg. Redesign

Org.Entwicklung Lernende Organisation

TQM

KVP / Kaizen

gering

hoch

Veränderungsfähigkeit des Unternehmens

Abbildung 2.6: Die Gliederung von Jarmai (1997) Die Gliederung von Doppler & Lauterburg Doppler & Lauterburg (1995) berücksichtigen in ihrer Gliederung, die in

Abbildung 2.7 in stark vereinfachter Form dargestellt ist, 45 Verände­

rungsansätze. Die Kriterien, nach denen hier gegliedert wird, unter­ scheiden sich fundamental von den von Jarmai verwendeten. So bilden Doppler & Lauterburg in der Vertikalen vier Ansatzpunkte für Verände­

rungen: (1) den Ansatzpunkt Individuum, (2) den Ansatzpunkt Gruppe, (3) den Ansatzpunkt Unternehmen und (4) den Ansatzpunkt Umwelt. In der Horizontalen hingegen gliedern sie in: (1) Modelle, die vorrangig auf

die Veränderung der weichen Faktoren (z.B. Einstellungen und Verhal­ ten) abzielen und (2) Modelle, die vorrangig auf die Veränderung der

harten Faktoren (z.B. Strukturen, Abläufe und Spielregeln) ausgerichtet

sind.

34

Gliederung der Veränderungsmodelle ■

_ . . Coac ing

bienenbeschreibung Assessment Center

Team­ entwicklung

Projekt­ organisation Ziel­ vereinbarung

Org.entwicklung

TQM

Strategie­ bildung