Bonifatius: Der europäische Heilige 9783806245295

Bonifatius, 672 (vermutl.) in England geboren, 754 oder 755 in Friesland erschlagen, ist einer der wahrhaft europäischen

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German Pages 272 [274] Year 2022

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Table of contents :
Cover
Titel
Impressum
Inhaltsverzeichnis
Vorwort
»Liebhaber der Schönheit«
I. Leben auf der Insel
Die Heimat
Landschaften der Kindheit
Klosterjahre
II. Leben auf dem Kontinent
Abenteuer Mission
Ein Bund fürs Leben
Eine »kluge Biene« in Germanien
Römischer Ritterschlag
Bewährungsprobe in Hessen und Thüringen
Ein Angelsachse in Bayern und Rom
III. Das sanfte Antlitz der Mission
Bonifatius und die Frauen
Eadburg von Thanet – eine geistliche Institution
Charismatische Frauen: Bugga – Lioba – Walburga
Das Kreuz mit der Moral
IV. Reformen und Rückschläge
Konziliare Politik
Widerstand
Späte Liebe und Enttäuschung
Bis zum bitteren Ende
V. Leben aus dem Wort
Praktische Theologie
Wurzeln der Spiritualität
Prüfsteine der Spiritualität
Der »Gute Hirte«
VI. Ein »europäischer« Heiliger
Von heiligen Leichen, Streit und Wundern
Vom Heiligen zum »Ampelmännchen«
VII. Anhang
Dank
Ein Leben in Daten
Anmerkungen
Quellen und Literatur
Bildnachweis
Rückcover
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Bonifatius: Der europäische Heilige
 9783806245295

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JUDITH ROSEN ist Historikerin und lehrte Alte Geschichte an der Universität Bonn. Heute ist sie freie Autorin und lebt mit ihrem Mann in der Nähe von Bonn. Von ihr erschien die Biographie des spätantiken Begründers des westlichen Mönchtums: »Martin von

Judith Rosen bringt uns in dieser anschaulichen Biographie den Menschen Bonifatius in seiner Zeit nahe. Gestützt auf seine umfangreiche offizielle und private Korrespondenz – eine ungewöhnliche Quelle für diese frühe Zeit – zeigt sie uns die europäische Dimension seines Wirkens zwischen Exeter, Rom, dem östlichen Germanien und Friesland. Die besondere Rolle der Frauen, die Bonifatius bei der Christianisierung unterstützt haben, ist ebenso Thema wie die Spiritualität des Kirchenreformers und seines Freundeskreises.

Tours. Der barmherzige Heilige«.

Wir wollen nicht stumme Hunde sein Nicht Mietlinge, die vor dem Wolf fliehen Sondern besorgte Hirten Die über die Herde Christi wachen Bonifatius

Umschlagabbildung: Bonifatius-Denkmal in Fulda, aufgestellt 1842 von Werner Henschel. © picture alliance / Florian Monheim www.bildarchiv / Florian Monheim Umschlaggestaltung: www.martinveicht.de

ISBN 978-3-8062-4503-5

€ 32,00 [D] € 32,90 [A]

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BONIFATIUS

© privat

Bonifatius – Mönch, Missionsbischof und päpstlicher Legat für Germanien – gehört zu den großen Gründergestalten der Kirche. Vermutlich 672 im angelsächsischen Südengland geboren und 754 in Friesland erschlagen, ist er wahrhaft ein europäischer Heiliger.

JUDITH ROSEN

Der › APOSTEL DER DEUTSCHEN ‹

Bis heute heißt Bonifatius wegen seiner

JUDITH ROSEN

BONIFATIUS DER EUROPÄISCHE HEILIGE

weitreichenden Missionstätigkeit unter den Germanen »Apostel der Deutschen«. Als Missionar unter widerständigen Vielgötterverehrern und teils »falschen« Mitbrüdern führte er ein aufregendes Leben. Bonifatius vermittelte zwischen geistlicher und weltlicher Macht, zwischen den Päpsten und den fränkischen Herrschern. Spät wurde er Bischof in Mainz. Auf seiner letzten Missionsreise zu den Friesen erlitt er mit seinen Gefährten bei Dokkum den Märtyrertod. Die Biographie des großen Heiligen ist zugleich eine spannende Geschichte des frühmittelalterlichen Frankenreichs.

BONIFATIUS

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Die Statue des heiligen Bonifatius vor dem Stadtschloss in Fulda.

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JUDITH ROSEN

BONIFATIUS DER EUROPÄISCHE HEILIGE

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Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über www.dnb.de abrufbar. Das Werk ist in allen seinen Teilen urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung ist ohne Zustimmung des Verlags unzulässig. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung in und Verarbeitung durch elektronische Systeme. wbg Theiss ist ein Imprint der wbg. © 2022 by wbg (Wissenschaftliche Buchgesellschaft), Darmstadt Die Herausgabe des Werkes wurde durch die Vereinsmitglieder der wbg ermöglicht. Lektorat: Nathalie Möller-Titel, Hamburg Satz: Arnold & Domnick, Leipzig Gedruckt auf säurefreiem und alterungsbeständigem Papier Printed in Germany Besuchen Sie uns im Internet: www.wbg-wissenverbindet.de ISBN 978-3-8062-4503-5 Elektronisch sind folgende Ausgaben erhältlich: eBook (PDF): ISBN 978-3-8062-4529-5 eBook (epub): ISBN 978-3-8062-4530-1

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Inhaltsverzeichnis Vorwort. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7 »Liebhaber der Schönheit«. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 14 I. Leben auf der Insel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 20 Die Heimat . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 20 Landschaften der Kindheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 28 Klosterjahre . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 40

II. Leben auf dem Kontinent. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 53 Abenteuer Mission. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Ein Bund fürs Leben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Eine »kluge Biene« in Germanien. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Römischer Ritterschlag. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Bewährungsprobe in Hessen und Thüringen . . . . . . . . . . . . . . . . Ein Angelsachse in Bayern und Rom . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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III. Das sanfte Antlitz der Mission. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 102 Bonifatius und die Frauen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 102 Eadburg von Thanet – eine geistliche Institution. . . . . . . . . . . . . 115 Charismatische Frauen: Bugga – Lioba – Walburga. . . . . . . . . . . 122 Das Kreuz mit der Moral. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 140

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IV. Reformen und Rückschläge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 148 Konziliare Politik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Widerstand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Späte Liebe und Enttäuschung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Bis zum bitteren Ende. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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V. Leben aus dem Wort . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 188 Praktische Theologie. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Wurzeln der Spiritualität. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Prüfsteine der Spiritualität. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Der »Gute Hirte« . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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VI. Ein »europäischer« Heiliger. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 213 Von heiligen Leichen, Streit und Wundern . . . . . . . . . . . . . . . . . . 213 Vom Heiligen zum »Ampelmännchen«. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 224

VII. Anhang . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 234 Dank. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Ein Leben in Daten. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anmerkungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Quellen und Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Bildnachweis. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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»So musst du Nachsicht mit meinen Fehlern haben.« Bonifatius an die Äbtissin Bugga, Brief 27

Vorwort Das Kreuz ragt in den Himmel. Es schmiegt sich in die rechte Armbeuge des Mannes, der den Ehrennamen »Apostel der Deutschen« bekam. Aufrecht und unerschütterlich steht der bronzene Bonifatius mit wallendem Haar und langem Gewand auf dem gleichnamigen Platz vor dem Barockschloss in Fulda. »Im Kreuz ist Heil, im Kreuz ist Leben, im Kreuz ist Hoffnung« – der Ruf der Litanei vom Leiden Jesu drängt sich in den Sinn. Bonifatius hat daran geglaubt und sein Leben in den Dienst des Kreuzes gestellt, bis er am 5. Juni 754 in der Nähe des friesischen Dokkum ermordet wurde. In der linken Hand der Statue liegt aufgeschlagen die Heilige Schrift, die der Angelsachse aus Exeter seinen Betrachtern entgegenhält. Sie war das Herzstück seiner Mission auf dem Kontinent und der Kompass in seinem über achtzigjährigen Leben. Die Geste der Statue erinnert an das Bekehrungserlebnis des Augustinus: »Nimm und lies«, forderte eine Stimme den späteren Kirchenvater auf, als er unruhig im Garten seines Mailänder Anwesens hin- und herlief. Er gehorchte und las ein Wort des Apostels Paulus, das ihm endgültig die Tür zum christlichen Glauben und zu einer geistlichen Weltkarriere aufstieß. Das etwa fünf Meter hohe Bonifatius-Kunstwerk stammt von dem deutschen Bildhauer Johann Werner Henschel (1782–1850). Zehn Jahre arbeitete er an der Statue. Noch länger, 15 Jahre, benötigte die Bürgerschaft Fuldas, um das etwa drei Tonnen schwere Ensemble zu finanzieren. Von den 8000 Talern Gesamtsumme schulterten 7

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Vorwort

die Bürger und Bürgerinnen bescheidene 500 Gulden. Den Restbetrag spendeten der bayerische König Ludwig I., etliche protestantische Fürsten, Adelshäuser sowie die Städte Ingolstadt, Passau, Vohenstrauß und Bayreuth. 1842 wurde die Monumentalstatue endlich eingeweiht. Es war das imposanteste Denkmal, das die Einwohner dem Patron ihrer Stadt und Diözese setzten. Denn Bonifatius war der geistliche Vater des Klosters Fulda, das sein bayerischer Schüler Sturmi in seinem Auftrag 744 gründete und das er sehr liebte.1 In der Abteikirche St. Salvator fand er auf eigenen Wunsch sein Grab. Seit 1712

Das Grab des heiligen Bonifatius in der Krypta des Hohen Doms zu Fulda. 8

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Vorwort

wölbt sich über der historischen Grablege in der Krypta der barocke St.-Salvator-Dom, Begegnungsstätte der deutschen Bischöfe, die seit 1867 ihre jährliche Herbsttagung in Fulda abhalten. Eine Inschrift des Sockels, auf dem die wuchtige Bonifatius-Statue ruht, erinnert: Verbum domini manet in aeternum – »Das Wort des Herrn bleibt in Ewigkeit«, so wie die Erinnerung an Bonifatius, seinen dienenden Apostel. Papst Zacharias lobte ihn 744 in einem Brief: Der Heilige Geist habe ihn wie den Apostel Paulus und dessen Schüler Barnabas zur Predigt bei den Heiden auserwählt (Brief 57). Der Ehrentitel »Apostel« ist universal. Vor diesem Hintergrund verengt die spätere Bezeichnung »Apostel der Deutschen« das Wirken und die Ausstrahlung des Bonifatius, zumal er nicht der erste und einzige Missionar in den »deutschen« Gebieten war.2 Das Apostolat des ehemaligen Mönchs, Lehrers, Diplomaten und Abts im Kloster Nursling bei Southampton hatte europäische Dimensionen, die bis in die Gegenwart nachwirken. Mithilfe angelsächsischer Missionare und Missionarinnen hat Bonifatius die Bindung zwischen seiner Heimat und dem Kontinent vertieft. Auf den Spuren seines Landsmanns Willibrord missionierte er unter den Friesen in den heutigen Niederlanden, gründete und reformierte Klöster und Bistümer in Thüringen, Hessen und Bayern. Das tat der Kirchenpolitiker in Absprache mit dem Papst, und er half maßgeblich mit, nördlich der Alpen eine romorientierte Landeskirche aufzubauen und den Einfluss des Adels auf den Episkopat zu schwächen. Zu Recht gilt er daher als »Baumeister des christlichen Europa«, so der BonifatiusBiograph Lutz von Padberg. Vor allem Bonifatius verkörpere »den Übergang von der Phase der Mission in einer religionsgeographisch noch zersplitterten Zeit zu jener der Christianisierung, welche die Kirche zu dem Fundament eines einheitlichen Europa werden lassen sollte«.3 Seine beeindruckende Bautätigkeit und sein Nachleben machen Bonifatius zu einem europäischen, vielleicht sogar zum ersten gesamteuropäischen Heiligen, was angemessener erscheint als sein späterer unhistorischer Beiname »Apostel der Deutschen«. Der Missionsbischof war ein tief im Glauben verwurzelter Grenzgänger, eine Persönlichkeit zwischen den Welten, zwischen der Anti9

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Vorwort

ke und dem frühen Mittelalter. Er stellte die Weichen für die Transformation der spätantiken Kirche zur fränkischen Reichskirche, und er ist auch ein Beweis dafür, dass Umbruchzeiten herausragende Persönlichkeiten hervorbringen. Was sich so leicht als Erfolgsgeschichte liest, war ein schwerer Weg, gepflastert mit bitteren Rückschlägen. Sein großes Ziel, die Bekehrung der Sachsen, hat Bonifatius nicht verwirklicht. So monumental, fast furchteinflößend die Bonifatius-Statue von Fulda den Menschen entgegentritt, so wenig trifft sie das Selbstverständnis des Heiligen. Der um die 1,90 Meter große, mit einer kräftigen Statur gesegnete Bonifatius war ein Zweifler, der sich und seine Leistungen infrage stellte. Sein überfeines Gewissen ließ ihn ständig grübeln, ob es ihm wegen seiner Sünden nach dem Tod vergönnt sei, in der ewigen Anschauung Gottes zu leben. Die Sorge steigerte sich zu einer Ängstlichkeit, die in seinen Briefen durchschimmert. Obwohl er Freundschaften pflegte und sich um seine Freunde und Freundinnen kümmerte, belastete ihn Einsamkeit – eine Einsamkeit, die das Leben in der Fremde noch verstärkte. Neben dem Gebet und der Bibel waren seine Brieffreundschaften sein Rettungsanker, der ihm die peregrinatio erleichterte. Er liebte den intellektuellen Austausch, das Spiel mit den Worten und einen gepflegten bilderreichen Stil. Ein großes theologisches Werk hat er nicht hinterlassen. Sein Charisma lag in der Verkündigung, in der Fähigkeit, Menschen für den christlichen Glauben zu begeistern; seine Begabungen äußerten sich in Organisations- und Reformfreude. Wer gegen Glaubenswahrheiten, die Kirchendisziplin oder die christliche Moral verstieß, konnte die raue und unerbittliche Seite des Missionsbischofs erleben. Seine Konsequenz und sein Bemühen um Wahrhaftigkeit trugen ihm nicht nur Freunde ein. Bonifatius’ Persönlichkeit vereint widersprüchliche Facetten, was ihn umso inspirierender macht. Sollten sich seine Gegner aus der fränkischen Elite und im Episkopat am Ende seines Lebens darüber gefreut haben, dass der lästige Mahner im kirchenpolitischen Abseits stand, demonstrierte ihnen dieser ein letztes Mal seine Unabhängigkeit. Er kehrte zu den Friesen zurück, dorthin, wo seine Berufung 10

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Vorwort

zum Missionar ihren Anfang genommen hatte. Im Rückblick scheint für Bonifatius die Kirchenpolitik mit all ihren Fallstricken die Pflicht gewesen zu sein, die Mission aber die Kür. So tat er am Ende seines Lebens das, was jedem Menschen vergönnt sein sollte und ein französisches Sprichwort auf den Punkt bringt: On revient toujours à ses premières amours – oder weniger poetisch auf Deutsch: »Alte Liebe rostet nicht«.

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DA S F RA N K EN REI C H Z U R ZVorwort E I T D E S B O N I FAT I U S Bistum Bistumsgründung durch Bonifatius Bistum durch Bonifatius reformiert Kloster

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»Weisheit siegt über Bosheit.« Bonifatius an den Jüngling Nithard, Brief 9

»Liebhaber der Schönheit« Die Mörderbande plünderte das Lager und raffte, was ihr in die Hände fiel.1 Hastig schnappten die Räuber die schweren Kisten und trugen sie zu den Schiffen der Ermordeten am Ufer der Boorne, eines kleinen Flusses unweit von Dokkum in der heutigen niederländischen Provinz Friesland. An Bord befanden sich Proviant und einige Gefäße mit Wein. Gierig begannen die Männer zu trinken, als ob sie sich für den Höhepunkt ihres Beutezugs, die Verteilung der geraubten Kostbarkeiten, stärken wollten. Als der Zeitpunkt nahte, disziplinierte sich die Horde und fing an zu beraten, wie viel jedem von ihnen zustehe. Die Verhandlungen waren von kurzer Dauer. Gier und Neid siegten, und die Männer droschen aufeinander ein. Nur wenige überlebten das Gemetzel. Die Sieger öffneten die Kisten und wähnten sich schon im Gold- und Silbersegen. Doch der Schatz, den sie entdeckten, war von anderer Natur: Bücher und Reliquien lagen vor ihnen. Es war der Seelenschatz des Bonifatius, seine geistliche Wegzehrung, der treue Begleiter seiner Missionsreisen, der Wächter seiner Seele und die unverbrüchliche Verbindung zum Himmel. Bevor er im Herbst 753 von Mainz aus zu seiner letzten Missionsreise zu den Friesen aufbrach, hatte Bonifatius seinen bischöflichen Nachfolger Lul in Mainz gebeten: »Und leg in meine Bücherkiste auch ein Leintuch bei, darin mein zermürbter Leib eingehüllt werden kann.«2 Der Greis spürte seinen nahen Tod, hatte er doch die damalige Lebenserwartung schon weit übertroffen. Seine Reisebibliothek umfasste etwa 20 bis 25 Werke. Herz des frommen Vademecum 14

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»Liebhaber der Schönheit«

war die Heilige Schrift. Ob der Missionsbischof sie als Gesamtwerk oder nur in Teilabschriften mit sich führte, ist nicht sicher. Überliefert ist, dass er seine Brieffreunde und Briefreundinnen aus der angelsächsischen Heimat mehrfach gebeten hat, für ihn biblische Texte abschreiben zu lassen und auf den Kontinent zu schicken. Ab und an revanchierte er sich mit »Sprüchen«. So entschuldigte er sich einmal bei der angelsächsischen Äbtissin Bugga: »Wegen der Zusammenstellung von Sprüchen, um die du gebeten hast, so musst du Nachsicht haben mit meinen Fehlern, denn wegen drängender Arbeit und fortwährender Reisen habe ich das, was du wünschtest, noch nicht vollständig niedergeschrieben; sobald ich aber damit fertig bin, werde ich Sorge tragen, es in die Hände Deiner Liebden zu senden.«3 Der Äbtissin ging es nicht viel anders als ihrem Briefpartner. In einem Schreiben aus dem Jahr 720 bedauerte Bugga, sie habe »die Märtyrerakten, um deren Zusendung du mich gebeten hast«, noch nicht erhalten.4 735 bat Bonifatius seinen ehemaligen Schüler Abt Duddo, der ihm wohl bei der Abfassung seiner Grammatik geholfen hatte und dessen Kloster unbekannt ist,5 ihn mit Abschriften, »vor allem mit den geistlichen der heiligen Väter«, zu stärken. Seinen Wunsch begründete er: »Weil bekanntlich eine geistliche Lehrschrift ein Lehrmeister derer ist, welche die Heilige Schrift lesen, so bitte ich dich, den mir fehlenden Teil der Schrift über den Apostel Paulus zuzusenden, um meine Gottesgelehrtheit zu fördern; ich habe nämlich nur über zwei seiner Briefe Lehrschriften, über den an die Römer und den ersten an die Korinther.« Der selbst in fortgeschrittenem Alter wissbegierige Gelehrte ging noch einen Schritt weiter: »Ebenso wollen wir, wenn es dir recht ist, es beide miteinander so halten, dass du den Auftrag gibst, was du in deinem Klosterarchiv findest und deiner Meinung nach für mich von Nutzen ist, aber deines Erachtens mir unbekannt und nicht schriftlich zur Hand ist, mir dann mitzuteilen wie ein getreuer Sohn seinem unwissenden Vater.« Auch an kirchenrechtlichen Abhandlungen war der bildungsbeflissene »Vater« interessiert, weil er als Bischof Recht sprach. In einem besonderen Fall sollte ihm Abt Duddo Amtshilfe leisten. Sie betraf eine Eheschließung zwischen einem Paten und einer Patin, die vermut15

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»Liebhaber der Schönheit«

lich miteinander verwandt waren. Der Mitbruder wurde beauftragt, das kanonische Eherecht zu studieren und Bonifatius umfassend zu unterrichten. Seinen wissenschaftlichen Anspruch hielt der Gelehrte auch in der Fremde aufrecht.6 Mit hoher Wahrscheinlichkeit begleiteten Bonifatius die Lehrbücher des Alten Testaments, der Unzial-Kodex mit den sechs Büchern der Propheten, das Neue Testament und die Petrusbriefe. Liturgische Werke wie Sakramentar, Lektionar, Passionale und vermutlich ein Psalter kamen hinzu. Bibelkommentare, Schriften der Kirchenväter und kirchenrechtliche Literatur vervollständigten die theologische Handbibliothek.7 Wie existentiell das Studium der Bibel für Bonifatius war, hatte er 716/717 dem jungen Nithard anvertraut, mit dem ihn eine enge Freundschaft verband.8 In seinem ältesten überlieferten Brief fragt er den Mitbruder: »Was wird von jungen Leuten in angemessenerer Weise erstrebt oder von alten Männern schließlich einsichtiger besessen als die Kenntnis der heiligen Schriften?« Denn sie lenkt ohne Zwischenfall »das Schiff unserer Seele« durch bedrohliches Unwetter, damit sie ihr Ziel, das Paradies, erreicht. »Weisheit siegt über Bosheit«, fährt der Lehrmeister fort und bekennt: »Diese habe ich von Jugend an geliebt und gesucht, und ich bin ein Liebhaber ihrer Schönheit geworden.« Vor der Weisheit der Bibel verblassen irdische Kostbarkeiten, »sei es im Glanz von Gold und Silber, sei es in der Buntheit glitzernder Edelsteine oder im Genuss luxuriöser Speisen und dem Kauf feiner Kleidung«. Alles vergeht. Nur die Weisheit der Heiligen Schrift überdauert die Zeit. Daher erwartet Bonifatius zufolge die Jäger irdischer Güter ein qualvolles Schicksal in der Unterwelt: »Und aus diesem Grunde legen sich, wie man weiß, sämtliche habgierigen Goldsucher fern von den Wissenschaften, vom Heiligen enttäuscht niedergeschlagen auf die Lauer und haben die leicht zerreißenden Netze der Spinnen ausgespannt, die Nichtiges fangen wie leeren Wind oder Staub. Denn nach dem Psalmisten sammeln sie Schätze, wissen aber nicht, für wen sie diese zusammenraffen. Und wenn der Scherge des verhassten Pluto, ich meine den Tod, mit blutigen Zähnen grausam knirschend 16

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»Liebhaber der Schönheit«

an der Schwelle bellt, dann werden sie zitternd und von jedem göttlichen Beistand verlassen, plötzlich ihre kostbare Seele und zugleich den trügerischen Schatz, dem sie habgierig Tag und Nacht voll Unruhe dienstbar waren, fallen lassen und einbüßen, und danach treten sie, von teuflischen Händen fortgerissen, ein in die verriegelten Tore der Unterwelt, um ewige Strafen zu verbüßen.« Der Asket Bonifatius kannte offensichtlich die Verführungskraft des Konsums und glaubte, ihr nur mit Höllenangst beikommen zu können. Im Rückblick muten seine Worte fast prophetisch an. Fast 50 Jahre vor seinem Tod im Jahr 754 scheint er im Brief an Nithard sein Urteil über seine raffgierigen Mörder bereits gefällt zu haben.9 Wer der Besitzer der spirituellen Juwelen war, wussten die Bischofsmörder wohl nicht. Sie wussten auch nicht, dass Bücher nicht nur immaterielle Kostbarkeiten waren, sondern damals auch Wertgegenstände. Wütend warfen sie Bücher und Reliquienbehälter ins Gebüsch, zerstreuten sie auf den Feldern, begruben sie im Dickicht der Sümpfe oder schleppten sie in ihre Verstecke. So beschrieb der Mainzer Presbyter Willibald, der Autor der ältesten Bonifatius-Vita, das Schicksal der geistlichen Handbibliothek.10 Dem Priester angelsächsischer Herkunft, der an der Mainzer Kirche St. Viktor wirkte,11 hatten die Bischöfe Lul von Mainz und Megingoz von Würzburg den Auftrag gegeben, eine Lebensbeschreibung des Bonifatius zu verfassen. Willibald folgte dem literarischen Geschmack seiner Zeit und seines geistlichen Standes und schrieb eine hagiographische Biographie. Bonifatius’ vita, virtus (Tugend), pietas (Frömmigkeit) und abstinentia (Enthaltsamkeit) sollten den künftigen Lesern als exemplum dienen, um ihr Leben zu vervollkommnen.12 Denn schon zu Lebzeiten stand der Missionsbischof im Ruf der Heiligkeit. Unter diesem Blickwinkel war sein gewaltsamer Tod und der seiner Begleiter mehr als ein Kapitalverbrechen: Die Missionare hatten das Martyrium erlitten, die Krone der absoluten Nachfolge Christi erkämpft, und der größte Kämpfer unter ihnen war Bonifatius. Jahrhunderte später werden Historiker und Theologen zweifeln, ob der Tod bei Dokkum ein Märtyrertod war. Dabei wird nicht das Glaubenszeugnis der Ermordeten infrage gestellt, sondern das Motiv 17

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der Mörder. Starb Bonifatius aus »Glaubenshass« der Friesen, ist er unter die Märtyrer zu rechnen. Doch das Gebaren der Mörderbande in Willibalds ausführlicher Darstellung legt ein anderes Motiv nahe: Habgier. Das Beutemachen übertrumpfte etwaige religiöse Gründe.13 Da Bonifatius auf seiner letzten Missionsreise starb, als er die vornehmste christliche Pflicht, die Glaubensverbreitung, erfüllte, machte ihn dies nicht nur in Willibalds Augen zu einem verehrungswürdigen Blutzeugen. Nicht diskutiert hat der Hagiograph den Umstand, dass es unter den friesischen Banden auch »christliche« Ganoven gab.14 Doch die Auszeichnung martys wurde Bonifatius sofort zugebilligt. Fortan wurden die Ereignisse im irdischen Leben des Verstorbenen himmlisch gedeutet. Sämtliche Bücher seien gefunden worden, berichtete Willibald und fügte sogleich eine Erklärung des erstaunlichen Erfolgs an: »Doch wurden sie durch die Gnade des allmächtigen Gottes sowie durch die Fürbitte des heiligen Bonifatius, des hohen Bischofs und Märtyrers, nach Verlauf langer Zeit unverletzt und unversehrt gefunden und von den einzelnen Findern in das Haus zurückgesandt, in dem sie noch bis zum heutigen Tag liegen.«15 Die wiedergefundenen Schriften begründeten eine Tradition, welche die drei Handschriften im Fuldaer Domschatz unter die Besitztümer des Heiligen rechnet.16 Aber wie fast alle »Traditionen« ist auch diese umstritten. Aus Willibalds Worten lassen sich mehrere Erklärungen herauslesen: Ehrliche Finder können auf Gottes Lohn hoffen. Gegenstände, die Bonifatius besessen hat, strahlen seine Heiligkeit aus. Sie überdauern den natürlichen Verfall und sind Grundstock der einsetzenden Verehrung seiner Reliquien. Als die Räuber den Missionar erschlugen, forderten sie Gott heraus, davon ist der Biograph überzeugt. Willibald zufolge haben die Christen drei Tage nach dem tödlichen Überfall »ein gewaltiges Heer« aufgestellt, und als »Krieger der zukünftigen Rache« drangen sie in das »Land der Ungläubigen« ein, brachten ihnen eine »verheerende Niederlage« bei und machten die Fliehenden »in gewaltigem Metzeln« nieder. Die Überlebenden, »Frauen, Kinder, Knechte und Mägde der Götzenanbeter«, wurden als Beute in die Heimatorte der 18

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Sieger verschleppt. Was Bonifatius als Missionar versagt geblieben war, die Bekehrung der Friesen, habe die Angst vor dem göttlichen Strafgericht schließlich bei den Überlebenden der Strafexpedition erreicht, so Willibald. Der Gerechtigkeit war augenscheinlich Genüge getan. Sie hatte die christliche Lehre der Barmherzigkeit in den Hintergrund gedrängt. Der Mord an Bonifatius und seinen Gefährten war der Anlass für einen Religionskrieg. Die Gewalt kann nicht im Sinn des Mannes gewesen sein, der im Angesicht des Todes die Männer, die ihn und seine Brüder begleiteten, ermahnt haben soll, ihre Waffen ruhen zu lassen: »Lasst ab, Männer, vom Kampf, tut Krieg und Schlacht ab, denn das wahre Zeugnis der Heiligen Schrift lehrt uns, nicht Böses mit Bösem, sondern sogar Böses mit Gutem zu vergelten.«17 Der Bibelkundige und Verehrer des Paulus zitierte dessen Ersten Brief an die Thessalonicher 5,15. Selbst wenn Willibald seinem Helden die Worte in den Mund gelegt hat, um ihn – wohl auch Luls Wunsch entsprechend – als Märtyrer und Idealheiligen zu stilisieren, spricht der Tenor der BonifatiusBriefe für einen friedfertigen, liebenswürdigen Menschen, der aber auch einmal schroff sein konnte. Obwohl er durchaus zu rigorosen Missionsmethoden wie der Zerstörung paganer Kultstätten greifen konnte, hat er keine Gewalt im Namen Gottes gegen störrische Vielgötterverehrer propagiert. Denn er war der »Liebhaber des wahrhaften Glanzes der Schönheit, nämlich der Weisheit Gottes, die glänzender ist als Gold, stattlicher als Silber, feuriger als Karfunkelstein, weißer als Bergkristall und kostbarer als Topas«.18 Seine Liebe zur Weisheit und sein Bildungsdurst bewahrten ihn auch vor kultureller Engstirnigkeit. Die Vermittlung christlicher Werte gehörte ebenso zu seinem Missionsauftrag wie zu seinem bischöflichen Selbstverständnis. Das eine war die Verkündigung des Wort Gottes, das andere eine überzeugende christliche Lebensführung und das dritte Element die Humanisierung von Gesellschaft und Kultur – ein Anspruch, der allen Kulturen galt und gilt.

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»Über das Gute unseres Volkes [der Angelsachsen] und seinen Ruhm empfinden wir Freude und Jubel, aber über seine Sünden und das, was man ihm vorwirft, Kummer und Schmerz.« Bonifatius an den Priester Herefrid, Brief 74

I. Leben auf der Insel Die Heimat Britannien, die Heimat des Wynfreth-Bonifatius kam erstmals in den Jahren 55 und 54 v. Chr. in nähere Berührung mit Rom. Gaius Iulius Caesar überquerte zweimal den Ärmelkanal, um jenseits des Meeres seine Eroberungen in Gallien fortzusetzen und zu sichern. Ihn ärgerte, »dass in fast allen gallischen Feldzügen unsere Feinde von dort Unterstützung bekommen hatten«.1 Die Kriegshilfe hatten Kelten geleistet, die auf der Insel in zahlreiche selbstständige Völkerschaften zerfielen. Außer der Strafexpedition interessierten die Römer die florierenden Handelsbeziehungen zwischen Südbritannien und Gallien und vor allem das Zinnvorkommen, das die Forschung inzwischen auf der Insel St. Michael’s Mount in Cornwall und auf der Halbinsel Mount Batten bei Plymouth lokalisiert.2 Große Erfolge fielen dem Eroberer Caesar nicht zu, und es dauerte fast ein Jahrhundert, bis sich Kaiser Claudius 43 n. Chr. entschloss, Britannien zu erobern und die Insel den Provinzen des Imperium Romanum einzuverleiben. Unter seinem Oberbefehl nahm der Feldherr Aulus Plautius den gesamten Süden der Insel ein. In den folgenden Jahren hatten die Römer mit wachsendem Widerstand zu kämpfen. Kaiser Nero (54–68) betrieb die Besetzung von Wales, während Boudicca, die Königin der Icener, eine Revolte gegen die römischen 20

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Besatzer anführte. Nachdem ihre Mannen Camulodunum (Colchester) und Londinium (London) verwüstet hatten, verließ sie das Kriegsglück, und die Römer gewannen die Oberhand. Ihre militärische Überlegenheit und Hartnäckigkeit führten die Eroberer schließlich 84 n. Chr. unter dem Oberbefehl des Gnaeus Iulius Agricola zum Sieg. In der Entscheidungsschlacht am Mons Graupius im südlichen Caledonia, dem heutigen Schottland, brachen sie endgültig den Widerstand der Kaledonier.3 Nordengland und weitere Gebiete bis zum schottischen Hochland fielen an Rom. Die Linie zwischen der Tyne-Mündung und dem Solway Firth wurde die Nordgrenze der Provinz Britannia, die Kaiser Hadrian (117–138) mit dem Hadrianswall schützte. Sein Nachfolger Anto­ ninus Pius (138–161) schob die Grenze weiter vor und errichtete zwischen Firth of Forth und Firth of Clyde gegen Schottland den Antoninuswall. Doch scheiterte er, den Süden Schottlands auf Dauer zu erobern.4 Im Süden der Insel schritt die Romanisierung voran, zu der Militär und Zivilverwaltung, Handelsverkehr und Kulturaustausch beitrugen. In diesem Prozess spielten auch Christen und Christinnen eine Rolle. Die literarischen Hinweise bei den Kirchenschriftstellern Tertullian und Origenes zu Beginn des 3. Jahrhunderts, denen die Forschung oft die Glaubwürdigkeit abgesprochen hat,5 werden inzwischen durch archäologische Zeugnisse bestätigt.6 Im 4. Jahrhundert, nach der sogenannten Konstantinischen Wende, nahmen auch Bischöfe aus Britannien an den Synoden teil.7 Für das Konzil von Arles 314 sind drei britannische Bischöfe belegt. 325 wird die erste sicher bezeugte Kirche in Colchester errichtet.8 Das Christentum verbreitete sich zunächst in der Oberschicht. Der Vater des Patricius, des späteren irischen Nationalheiligen Patrick, gehörte nach dessen Aussage in seiner Confessio dem Dekurionenstand an und hatte sich zum Diakon weihen lassen. Nach einer turbulenten Jugend, die ihn nach Irland geführt hatte, kehrte Patricius auf eigenen Wunsch, vielleicht als Bischof, auf die Insel zurück. Er begann mit einer Mission, die er vor allem mit Klostergründungen festigte. Patricius soll etwa 30 Jahre lang bis zu seinem Tod 461 oder 491 auf der Insel gewirkt haben.9 21

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Das Verhältnis zwischen Vielgötterverehrern und Christen blieb gespannt. Obwohl Kaiser Theodosius 391/2 das Christentum de facto zur Staatsreligion erhoben hatte, überlebte der Götterglaube in britannischen Nischen bis ins Mittelalter. Bevor sich Magnus Maximus, der Oberbefehlshaber der römischen Truppen in Britannien, im Frühjahr 383 zum Kaiser ausrufen ließ, empfing er die Taufe. In einem Brief an Papst Siricius bekannte er sich als treuer Beschützer des christlichen Glaubens.10 Als sich in der ersten Hälfte des 5. Jahrhunderts die Häresie des aus Britannien oder Irland stammenden Laienmönchs Pelagius verbreitete, schickte Papst Coelestin  I. 429 auf Veranlassung des Diakons Palladius die Bischöfe Germanus von Auxerre und Lupus von Troyes über das Meer.11 Es war wohl derselbe Palladius, den Papst Coelestin I. 431 als »ersten Bischof« zu den Schotten genannten Iren, sandte.12 Er dürfte Angehöriger der Palladii gewesen sein, die im 5. und 6. Jahrhundert zu den vornehmen und reichen gallorömischen Senatorenfamilien gehörten. Auch später kamen aus der Familie mehrere Bischöfe.13 Pelagius und seine Anhänger hatten Unruhe unter den Christen geschürt und deren Einheit gefährdet, weil sie die Erbsündenlehre und die Theologie der göttlichen Gnade ablehnten – beides anerkannte Lehren ihres Zeitgenossen Augustinus von Hippo. Mitte des 5. Jahrhunderts eilten Germanus und ein Bischof Severus den britischen Christen ein zweites Mal zu Hilfe.14 Auch ein weiterer Gegner des strengen Pelagianismus, Faustus, der spätere Bischof von Riez in der Provence, stammte aus Britannien. Der britische Historiker George M. Trevelyan urteilte in seiner Geschichte Englands: »Die christliche Eroberung der Insel bedeutete die Rückkehr der mediterranen Kultur in einer neuen Form und mit einer neuen Botschaft. […] Christentum bedeutete auch die Rückkehr der Bildung auf die Insel und unter den Barbaren der Beginn einer politischen und gesetzlichen Zivilisation, die auf den Fähigkeiten von Lesen und Schreiben im praktischen lateinischen Alphabet gründete. Christentum sprach auch von ungewöhnlichen Dingen, die dem nordischen Geist völlig fremd und zum großen Teil auch dem antiken römischen Geist fremd waren.«15 22

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Die Umwälzungen, die Britannien im 5. und 6. Jahrhundert erlebte; das Ende der römischen Herrschaft 409/410, das Kaiser Honorius mit einem freiwilligen Truppenabzug besiegelte, waren in der Geschichte der Insel ein tiefer Einschnitt. In das politische Vakuum drangen sächsische Teilvölker aus dem nördlichen Germanien: Angeln von der Unterelbe, Sachsen aus Nordelbien und Jüten von der Halbinsel Jütland, zudem vielleicht Friesen.16 Im Verlauf des 5. Jahrhunderts unterjochten sie trotz erbitterten Widerstands die kelto-römische Bevölkerung und bildeten Königreiche. Literarisches Relikt der politischen Wirren ist die Artus-Legende, die den Widerstandswillen der einheimischen Bevölkerung für alle Zeit verewigt hat. Realpolitisch hatte mit Ausklang des 5. Jahrhunderts die germanisch-angelsächsische Geschichte Britanniens begonnen. Sie sollte Jahrhunderte andauern, bis 1066 die Normannen das Ruder übernahmen.17 Die angelsächsischen Kolonisatoren bedrängten auch das Christentum, ohne es jedoch völlig zum Verschwinden zu bringen. An die überlebenden Glaubenszellen konnten erste Missionsvorstöße anknüpfen, die im 6. Jahrhundert von Gallien aus wieder einsetzten. Ein Missionsstützpunkt war das Kloster Iona vor der Westküste Schottlands, das der heilige Columban 563 gegründet hatte. Die irischen Mönche verschrieben sich der Bekehrung der schottischen Pikten, missionierten aber auch im angelsächsischen in den nördlichen Gebieten Südenglands.18 Einen Schub erhielt die Christianisierung, als Papst Gregor der Große die Insel remissionieren wollte und 596/597 Augustinus, den Prior des römischen Andreasklosters, mit etwa 40 Mönchen nach Britannien sandte. Inzwischen verstanden sich die Angeln, Sachsen und Jüten mehr und mehr als »große Völkerschaft der Engländer«.19 Aethelberht, König von Kent (Cantia), der mit der fränkischen Christin Bertha verheiratet war, unterstützte den in Gallien geweihten Augustinus. Dem britischen Althistoriker Peter Brown zufolge war Aethelberht ein Herrscher, »der entschlossen war, jeden Vorteil  – einschließlich einer neuen Religion – zur Aufrechterhaltung seines eigenen Stils hegemonialer Oberherrschaft zu nutzen«.20 Bertha, die Tochter des Merowingerkönigs Charibert  I., soll es gewesen sein, 23

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die Papst Gregor zur angelsächsischen Mission veranlasst hat.21 Ihre Eltern hatten die Zustimmung zu ihrer Heirat mit dem noch heidnischen König nur unter der Bedingung gegeben, dass sie der fränkische Bischof Liudhard begleiten und sie am angelsächsischen Königshof ihren Glauben ausüben durfte.22 In der Nähe des Hofes befand sich seit römischer Zeit eine Kirche des heiligen Martin von Tours, die sie regelmäßig zum Gebet aufsuchte.23 Berthas Einfluss und Augustinus’ erfolgreiche Missionsarbeit veranlassten König Aethelberht, sich taufen zu lassen. Adlige und Untertanen taten es ihm gleich.24 Bei seiner ersten Begegnung mit Augustinus hatte er noch auf einem Treffen im Freien beharrt, weil er die angeblich magischen Kräfte der Missionare fürchtete.25 Bertha hatte die Erwartungen erfüllt, welche die Kirche an Christinnen stellte, die Nichtchristen heirateten. »Gemischte Ehen« wurden nur akzeptiert, weil die christliche Ehefrau die Möglichkeit bekam, ihren Mann zu bekehren, also den Glauben zu verbreiten.26 Diese Erwartung hatte Papst Bonifaz V. (619–625) in einem Brief an Königin Aedilberga, die Tochter Aethelberhts und Berthas und Gemahlin des northumbrischen Königs Edwin ausgedrückt. Beda Venerabilis hat den Brief später nach einem ersten päpstlichen Brief an Edwin in voller Länge in seine Kirchengeschichte aufgenommen.27 Mit einem abgewandelten Bibelzitat ermahnte Bonifaz die Herrscherin: »Ein ungläubiger Mann wird durch eine gläubige Frau gerettet werden« (1 Kor 7,16; 1 Petr 3,1). Unter diesen Vorzeichen war Bertha eine vorbildliche christliche Ehefrau und Familienmissionarin, deren Mission ins Land ausstrahlte. Mit Aethelberhts Hilfe verwandelte der inzwischen zum Erzbischof aufgestiegene Augustinus eine Vorgängerkirche zu seiner Kathedralkirche von Canterbury. Unterstützung leistete auch Bischof Syagrius von Autun. Er pflegte enge Beziehungen zur mächtigen merowingischen Königin Brunchildis, die im Briefwechsel mit Papst Gregor stand. Nach dessen Plan sollten den Metropolen London und York jeweils zwölf Bistümer zugeordnet werden. Rückschläge blieben nicht aus. Zwistigkeiten zwischen den einzelnen Königsherrschaften trugen eine Mitverantwortung an dieser Entwicklung. Nach 24

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Aethelberhts Taufe wurde Kent zum Zentrum und Ausgangspunkt der Mission. Doch ließ der Herrscher die Mönchsgemeinschaft nicht aus den Augen. Seine Überwachung beeinträchtigte die Pläne Papst Gregors, die Bistümer aus der römischen Zeit wiederzubeleben.28 Als Aethelberht im Jahr 616 starb, waren Kent und das benachbarte Essex christlich geworden.29 Doch eine pagane Gegenwehr schmälerte die missionarischen Erfolge. Sein Nachfolger König Raedwald von Ostanglien nahm trotz seiner Taufe eine polytheistische Haltung ein. In einem Heiligtum ließ er zwei Altäre errichten, einen christlichen und einen für heidnische Opfer.30 Dass die Mission fortgesetzt werden konnte, verdankte sich König Edwin, der seit 617 über Nor­ thumbrien herrschte. Am Osterfest 627 empfing er unter Aedilbergas Einfluss die Taufe. Seinem Beispiel folgte wiederum eine Reihe von Granden und Klienten. Das Taufsakrament spendete Bischof Paulinus von York, der ebenfalls aus dem Andreaskloster in Rom stammte und eine erfolgreiche Missionsarbeit entfaltete. Als Edwin 633 in einer Schlacht fiel, musste sich der bischöfliche Missionar jedoch zurückziehen. Obwohl die Ausbreitung und Inkulturation der christlichen Religion einen bitteren Rückschlag erlitt, war die Grundlage für die weitere Christianisierung des bedeutenden nordenglischen Königreichs gelegt.31 In Irland hatte sich inzwischen eine blühende Klosterlandschaft entwickelt, die auch für eine kulturelle Blüte sorgte. Die Missionsrichtung kehrte sich um. Irische Mönche zogen auf das Festland, um im Frankenreich den Glauben zu verbreiten. Der Bedeutendste unter ihnen war Columban der Jüngere aus dem Kloster Bangor, das zu einem Ausbildungszentrum für Missionare heranreifte. Columban wirkte zwischen 591 und 613 in Gallien, Alemannien und Oberitalien. Dort gründete er mehrere bedeutende Klöster. Einige merowingische Könige förderten seine Anstrengungen, andere bekämpften den charismatischen Mönch. Seine peregrinatio pro Christo – Pilgerschaft für Christus sollte Beispiel für die späteren Missionare und Missionarinnen von den britischen Inseln werden. Die Synode von Whitby an der Küste von Yorkshire, die 664 unter dem Vorsitz Königs Oswin von Northumbrien stattfand, sollte die 25

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zwei britannischen Missionsbewegungen einen: die angelsächsische und die irisch-keltische, die sich zum Teil überschnitten. Der Gegensatz war ablesbar an den unterschiedlichen Osterterminen. Der römische 19-jährige Zyklus, dem König Oswin zustimmte, setzte sich durch. 668 weihte Papst Vitalianus den gelehrten Theodor von Tarsos im südlichen Kleinasien zum Erzbischof von Canterbury. Unterstützt vom Mönch und späteren Abt Hadrian von Neapel gelang es ihm bis zu seinen Tod 690, durch die Einrichtung neuer Diözesen sowie mehrerer Synoden die Einheit der Kirche Britanniens zu fördern. Wahrscheinlich hatte sich Theodor in Antiochia und Konstantinopel eine umfassende Bildung angeeignet, zu der nicht nur Theologie gehörte, sondern auch kirchliches und weltliches Recht, Rhetorik, Philosophie, Medizin und Astronomie. So war er gut vorbereitet, um in Canterbury, dem »neuen Rom«, eine Kathedralschule aufzubauen. Sie stieg zu einem weit ausstrahlenden geistigen und geistlichen Zentrum auf. Mit Theodor kam Benedict Biscop (628–690) in die Heimat zurück. Er war Gefolgsmann (gesith) König Oswins gewesen, war dann Mönch geworden und lebte längere Zeit in Rom. Auf Reisen zu italischen und gallischen Klöstern investierte er sein beträchtliches Vermögen in Bücher, Reliquien, Ikonen und liturgische Geräte. Die Bücher, die er damals und auf weiteren Reisen sammelte, wurden der Grundstock zweier reichhaltiger Bibliotheken in den Klöstern Wearmouth und Jarrow, die Benedict mithilfe von König Ecgfrith von Northumbrien 681 begründete. Sie versetzten den Mönch Beda Venerabilis in die Lage, ein riesiges literarisches Werk zu schaffen und so zu einem der größten Gelehrten des mittelalterlichen Englands zu werden, zum bedeutendsten Repräsentanten der »northumbrischen Renaissance«.32 Beda, um 672 in Northumbrien geboren, berichtet am Ende seiner Kirchengeschichte des englischen Volkes, er sei im Alter von sieben Jahren von Verwandten dem Abt Benedict zur Erziehung übergeben worden. Sein ganzes Leben habe er in den beiden Klöstern verbracht, und er habe Freude an beständigem Lernen, Lehren und Schreiben gehabt. Mit 19 Jahren sei er zum Diakon und mit 30 zum 26

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Priester geweiht worden. Vier Jahre vor seinem Tod im Jahr 731 zählt er gut 30 Titel auf, die er zum Teil in mehreren Büchern bis zu dieser Zeit verfasst hatte. Die Mehrzahl waren Kommentare zum Alten und Neuen Testament, ferner Heiligenviten und weitere historische Arbeiten. Schriften aus dem Lehrbetrieb über Orthographie und Metrik sowie Naturwissenschaften vervollständigten sein Werk. Während er an seiner Kirchengeschichte schieb, führte er eine ausgedehnte Korrespondenz mit Bischöfen, die ihm Nachrichten zukommen ließen. Bonifatius bat elf Jahre nach dem Tod des Gelehrten den Abt Huetberht von Wearmouth, ihm einige Werke »des so scharfsinnigen Erforschers der heiligen Schriften« zu schicken.33 Kurz zuvor hatte er bereits Erzbischof Ecgberht von York ersucht, ihm Schriften Bedas kopieren zu lassen: Er wolle von dem Licht, das Gott gerade in dem geistbegabten Lehrer habe aufstrahlen lassen, auch profitieren.34 Bonifatius lag also vor allem an Bedas religiösen Schriften, von denen er sich geistlichen Gewinn versprach.

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»Wenn nämlich das Volk der Angeln […] ein schändliches Leben führt, so wird zuletzt das ganze Volk […] weder in einem weltlichen Krieg stark noch im Glauben standhaft, weder bei Menschen geehrt noch von Gott geliebt sein.« Bonifatius an König Aethelbald, Brief 73

Landschaften der Kindheit Bonifatius wurde um 672/675 bei Exeter im südenglischen Königreich Wessex geboren,35 einem der sieben britannischen Königreiche, die sich seit dem 6. Jahrhundert im mittleren und südlichen Teil der Insel gebildet hatten. Die Einwanderer aus den Küstengebieten des Kontinents und die spätantike romano-britische Bevölkerung lebten in Wessex zunächst nebeneinander und vermischten sich erst im Laufe der Zeit.36 In Wessex übten Angehörige einer Sippe die Oberhoheit aus, die Beda Gewissae nannte.37 Einer anderen Überlieferung zufolge sollen sich in Wessex (»Westsachsen«) – der Name erscheint erst im späten 7. Jahrhundert  – germanische Jüten niedergelassen haben.38 Wynfreth nannten die Eltern ihren Sohn, der gelegentlich auch Wynfrid gerufen wurde.39 Hinter der elterlichen Namenswahl steckte wohl der Wunsch, ihr Sohn werde ein Mann des Friedens sein. Der zweisilbige altenglische Name setzt sich aus wyn – Freude und freth – Friede zusammen. So sollte Wynfreth nicht nur Frieden, sondern auch Freude ausstrahlen. Noch heute inspiriert der Name dazu, über die Verbindung von Freude und Friede nachzudenken. Wer zur Freude fähig und dafür dankbar ist, kann nicht anders als ein Botschafter, eine Botschafterin des Friedens sein. Glaubt man Willibalds Darstellung, taten die Eltern alles, um ihr Söhnchen auf diesen Weg zu führen. Die frühkindliche Erziehung oblag der Mutter, und Willibald lobte, sie habe ihren Wynfreth »mit 28

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Englische Küste bei Brixham, Devon, Großbritannien.

großer mütterlicher Sorge und Mühe entwöhnt und aufgezogen«. Vom Vater heißt es, er habe seinen Sohn »in großem Wohlgefallen vor den anderen Söhnen bevorzugt«. Wie der Biograph ausführt, handelte die Mutter, »wie es zu geschehen pflegt«.40 Hat Willibald seine schütteren Informationen etwa mit Allgemeinplätzen kaschiert? Sicher scheint, dass der kleine Wynfreth unter Brüdern aufgewachsen ist, wahrscheinlich auch mit Schwestern, die Willibald, wenig genderfreundlich, überging. Und vielleicht galt die besondere väterliche Liebe seinem Jüngsten, dessen frühkindliches Charisma ihn bezauberte. Den Namen Bonifatius gab ihm Papst Gregor II. auf seiner ersten Romreise am 15. Mai 719. Es war der Name des Märtyrers Bonifatius, dessen Fest in Rom, wo seine Reliquien an der Via Latina verehrt wurden, am Tag zuvor gefeiert worden war.41 In der Heimat setzte sich der neue Name erst nach einiger Zeit durch. Für die allmähliche Adaption ist ein Brief der angelsächsischen Äbtissin Eangyth und ihrer Tochter Bugga bezeichnend. Sie wandten sich an den »verehrungswürdigen Wynfrid mit Beinamen Bonifatius«  – venerabili Wynfrido cognomento Bonifatio (Brief 14,52,9 f.). 29

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Die gebildete Äbtissin eines Doppelklosters hatte an die gängige römische Sitte der Cognomina gedacht, hinter denen oft praenomen und nomen gentile verschwanden, wie das dann auch bei Bonifatius der Fall war. In dem Namen steckt ein christliches Lebensmotto: Der Träger des Namens ist ein Mann, der das Gute tut (bonum facit) oder das Gute bekennt (bonum fatur). Eine dritte Deutung sieht in Bonifatius das Wort fatum. Demzufolge ist Bonifatius ein Mensch des guten Schicksals. Die Bedeutungen Wohltäter oder Bekenner dürften Bonifatius mehr zugesagt haben. »Die Saat des heiligen Glaubens« hatte erstmals Bischof Birinus in der Heimat des kleinen Wynfreths verbreitet. Papst Honorius (625– 638) hatte ihn beauftragt, im äußersten Teil der Insel zu missionieren, »wohin bisher noch kein Gelehrter (doctor) gekommen war«.42 Asterius von Genua hatte den Missionar zuvor zum Bischof geweiht. Birinus hatte Erfolg, und es gelang ihm, König Cynigilsus und die gesamte Sippe der Gewissae zu bekehren. Unterstützt wurde er dabei von dem northumbrischen König Oswald. Beide Herrscher übergaben ihm Dorchester als Bischofssitz, damals der Hauptort von Wessex.43 Da sich das Christentum in der königlichen Sippe noch nicht verfestigt hatte, gab Coinualch, der Sohn des Cynigilsus, die neue Lehre wieder auf und trennte sich von seiner Frau. Ihr Bruder Penda, der das mittelenglische Mercien regierte, rächte die Verstoßene und vertrieb seinen Schwager. Nach dreijährigem Exil gelang Coinualch die Rückkehr, nicht ohne sich zum Christentum zu bekennen.44 Die christliche Religion war offensichtlich in den dynastischen Querelen zu einer propagandistischen Begleiterscheinung geworden, deren tatsächliches Gewicht schwer einzuschätzen ist. Der reuige Rückkehrer begrüßte immerhin, dass sich Agilberctus als Missionar anbot. Für ihn sprach, dass er in Irland studiert hatte. Nach einigen Jahren drängte ihn jedoch der König, das Bischofsamt aufzugeben. Ihm missfiel, dass Agilberctus die sächsische Sprache noch immer nicht beherrschte. Sein Nachfolger wurde Uini, der im Frankenreich zum Bischof geweiht worden war und nun Winchester, die neue Hauptstadt, als Residenz erhielt. Die anfänglichen Hoffnungen erfüllten sich nicht. Da Coinualch sich als Herr der Kirche sah und sich 30

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entsprechend aufspielte, musste auch Uini weichen.45 Coinualch bat Agilberctus zurückzukommen, der mittlerweile den Bischofsstuhl im heimatlichen Paris bestiegen hatte. Der aber lehnte das Angebot ab und schlug einen Verwandten vor, den Priester Leutherius. König und Volk war der geistliche Ersatzmann genehm, und Theodorus, der Erzbischof von Canterbury, weihte Leutherius zum Bischof. Er übte sein Amt viele Jahre aus. Durch seinen unermüdlichen Einsatz machte die Christianisierung Fortschritte.46 Theodorus weihte weitere Bischöfe, um vakante Bischofssitze zu besetzen oder übergroße Diözesen zu verkleinern. 672/73, ungefähr ein Jahr vor Bonifatius’ Geburt, berief Theodorus eine erste Synode nach Hertford, südlich von London gelegen, welche »die notwendigen Angelegenheiten der Kirche behandeln sollte«.47 Hinter dem Singular »Kirche« stand Theodorus’ Bestreben als Metropolit von Canterbury, die Einheit der angelsächsischen Kirche in allen sieben Königreichen zu festigen. Die Synodalen einigten sich auf zehn Kanones, die Theodorus seinem Sekretär ins Protokoll diktierte und von allen Bischöfen unterschreiben ließ. Eine Abschrift gelangte in Bedas Hände, der das Dokument in vollem Umfang in seine Kirchengeschichte aufnahm.48 An erster Stelle stand das umstrittenste Thema: der Ostertermin. Das Fest der Auferstehung Christi sollte wie in Rom am ersten Sonntag nach dem Frühlingsvollmond im März gefeiert werden, damals noch der erste Monat des Jahres (dominica post XIIII lunam mensis primi).49 An zweiter Stelle folgte die Bestimmung, dass kein Bischof über seine Diözese hinaus in eine andere Diözese eingreifen dürfe. Den Machtgelüsten einzelner Bischöfe sollte ein Riegel vorgeschoben werden. Das galt auch für den dritten Kanon, das Verbot, sich in Klöster einzumischen oder ihren Besitz zu beschneiden. Andererseits durften die Mönche im vierten Kanon ihr Kloster nur mit Erlaubnis ihres Abtes verlassen. Sie sollten »nicht von Ort zu Ort wandern«. Für den Klerus eines Bischofes galt die stabilitas loci in Kanon 5. Fremde Bischöfe und Kleriker sollten die Gastfreundschaft in anderen Diözesen nicht nutzen, um unaufgefordert liturgische Handlungen vorzunehmen (Kanon 6). Wenigstens einmal, nach Möglich31

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keit aber zweimal im Jahr sollten sich die Bischöfe zu einer Synode versammeln (Kanon 7). Einen Vorrang unter den Bischöfen sollte es nicht geben, lediglich eine Anciennität nach dem Datum der Weihe (Kanon 8). Vorsorglich wies Kanon 9 darauf hin, dass sich mit wachsender Zahl der Gläubigen auch die Zahl der Bischöfe vergrößern könne, was e silentio zu einer Teilung der Diözesen führen würde: »aber über diesen Punkt haben wir im Augenblick geschwiegen«. Schließlich sollten sich die Bischöfe mit ihren rechtlich angetrauten Ehefrauen begnügen und sich im Fall einer Scheidung keine andere Frau nehmen, sondern sich lieber als rechte Christen mit ihrer früheren Gemahlin versöhnen (Kanon 10). Vor allem die Grenzziehungen zwischen den Diözesen und innerhalb der Diözesen zu den Klöstern sprachen für eine zunehmende Christianisierung und einen aktiven Episkopat mit manchen ehrgeizigen Amtsinhabern. Deren ambitio – Ehrgeiz (Kanon 8) und Machthunger mussten die bischöflichen Mitbrüder zügeln. An keiner Stelle in den zehn Kanones war die Rede vom Verhältnis der Bischöfe zur königlichen Macht. Aus dem beredten Schweigen kann man auf das Selbstbewusstsein der sich bildenden angelsächsischen Gesamtkirche gegenüber den Königen schließen. Bei der Abfassung der einzelnen Kanones griff der Wortführer Theodorus auf die Bestimmungen früherer Synoden zurück. Den Osterfeststreit hatte schon das Konzil von Nicäa 325 entschieden.50 Damals war den Bischöfen, Priestern und Diakonen auch die Residenzpflicht auferlegt worden, die das Konzil von Serdica im Herbst 342 (oder 343) erneut einschärfte. Die Unabhängigkeit der Klöster von der bischöflichen Amtsgewalt war ein Anliegen selbstbewusster Äbte und Äbtissinnen, die den Aufbau und die Führung ihrer klösterlichen Gemeinschaften oder auch ihre missionarischen Anstrengungen nach eigenen Vorstellungen regeln wollten. Ihre Bedeutung erkannten die Bischöfe an. Vor allem die größeren Klöster verfügten mittlerweile über beachtlichen Grundbesitz, der von Laienbrüdern bearbeitet wurde. So konnten sich die Mönche unbelastet dem täglichen Gebet, dem Studium sowie der Lehre und Erziehung der ihnen anvertrauten Jungen widmen. 32

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In jener Zeit bestanden schon Doppelklöster von Mönchen und Nonnen, etwa in Whitby, wo 664 eine Synode stattgefunden hatte. Geleitet wurden die Doppelklöster von Äbtissinnen, die meist aus königlichen Familien stammten.51 Sie besaßen daher genug Autorität und Bildung, um das Klosterleben zu gestalten und ihre Gemeinschaft nach außen zu repräsentieren. Leitfaden war die Regula Benedicti, die dem Mönchsvater Benedikt von Montecassino zugeschrieben wird. Benedict Biscop und Wilfrid, die beide aus angelsächsischem Adel stammten, hatten sie in Rom kennengelernt und in der Heimat als Äbte und später als Bischöfe eingeführt.52 Nicht nur für junge Männer, sondern auch für junge Frauen war der Eintritt in ein Kloster ein erstrebenswertes Karriereziel. Das Leben hinter den Mauern bot Möglichkeiten, die Angehörigen der niederen Stände in der Regel verschlossen blieben. Dazu gehörte die Freiheit, sich geistigen Interessen widmen zu können, eines der verschiedenen Ämter des Klosters zu übernehmen oder gar Abt oder Äbtissin zu werden. Bonifatius hat daran schon in frühen Jahren gedacht. Sein Biograph Willibald vergoldet die Absicht in der typischen Form der Heiligenvita. Bereits der Vier- oder Fünfjährige habe Abschied von allen vergänglichen Dingen genommen, sich dem Ewigen zugewandt und beschlossen, sich dem Dienst Gottes zu weihen und Tag für Tag mit allen Kräften des Herzens nach dem Klosterleben zu streben.53 Auch der berühmte Bischof Cuthberht von Lindisfarne brannte von früher Kindheit für ein heiligmäßiges Leben und wurde mit Beginn der Jugendzeit Mönch.54 Mit der frühkindlichen Berufung zu einem gottgeweihten Leben stellte Wynfreth oder wohl richtiger sein frommer Biograph die beiden exemplarischen Vorbilder der abendländischen Hagiographie, Athanasius’ Vita des Wüstenvaters Antonius und Sulpicius Severus’ Vita des heiligen Martin, weit in den Schatten. Antonius erlebte seine Berufung mit 18 Jahren, Martin mit zehn Jahren.55 Auch Jesus, das Urbild des christlichen puer senex, war zwölf Jahre alt, als er im Jerusalemer Tempel, dem Haus seines Vaters, mit den Schriftgelehrten diskutierte und alle mit seiner Weisheit und seinen klugen Antworten in Erstaunen setzte.56 33

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Der Topos des puer senex spiegelt die Auffassung, dass sich bereits in kindlichem Alter die Begabungen und Taten des Erwachsenen andeuten. So konnte der kleine Wynfreth-Bonifatius gar nicht anders, als tief fromm sein und Tag und Nacht über Gott nachsinnen. Und da seine späteren Schüler und Bewunderer wie sein Biograph Willibald in ihm eine Ausnahmegestalt sahen, musste er selbst unter den Heiligen der Kirchengeschichte einen hohen, wenn nicht den höchsten Rang einnehmen. Bei diesem geistlichen Wettbewerb wurde der Realismus kluger Eltern ausgeblendet. Ihr Ehrgeiz durfte keinen Schatten auf den heiligmäßigen Sohn werfen. Immerhin ging es darum, wie sich die Nachwelt an den großen Missionar erinnern sollte. Willibald stand bei seiner Lebensbeschreibung vor der schwierigen Aufgabe, das Porträt eines Mannes zu entwerfen, dem er nie begegnet war. Er blieb auf die Erinnerungen seiner Auftraggeber angewiesen. Lul, ein Schüler und Vertrauter von Bonifatius, hatte das bischöfliche Erbe seines geistlichen Ziehvaters in Mainz angetreten. Den Franken Megingoz hatte Bonifatius kurz vor seinem Tod als Bischof in Würzburg eingesetzt. Beide scheinen wenig über die Kindheit ihres Mentors gewusst zu haben. Ihre Wissenslücken sind eine Erklärung für Willibalds schüttere Hinweise, aus denen er auch keinen Hehl macht: »Wir wollen also versuchen, das herrliche und in der Wahrheit selige Leben des heiligen hohen Priesters Bonifatius sowie sein durch Nachahmung der Heiligen hochgeweihtes Wesen, obschon durch das Dunkel der Erkenntnis behindert, in den dünnen Grundfaden dieses Werkleins einzuflechten.« Der Biograph verweist auf Augen- und Ohrenzeugen, spricht von einer »Sammlung der spärlichen Mitteilungen« und will sie zu einem »Gewebe verknoten«, um mit »der größten uns möglichen Genauigkeit« die »Heiligkeit seiner Gottesgefolgschaft vom Anfang bis zum Ausgang« darzustellen.57 Für die spätere Lebenszeit beruft sich Willibald einmal auf die »Berichte glaubhafter Männer«58, aber auch auf »Erzählungen von Mund zu Mund«, die er erfahren habe.59 Am Ende der Vita nennt er Lul als Gewährsmann für ein Quellwunder an dem Ort, wo Bonifatius erschlagen worden war.60 Lul war überhaupt der beste Zeuge für 34

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das Leben seines Lehrers. Hatte Bonifatius doch ihn, »seinen mit hohen Geistesgaben ausgerüsteten Schüler«, zum Bischof geweiht und als seinen Erben eingesetzt, nachdem der ihn »auf seiner Pilgerfahrt« begleitet hatte und »ein Zeuge in beidem, in seinem Leben und seiner Tröstung« war.61 Daher wandte sich Bischof Milret von Worcester kurz nach Bonifatius’ Tod mit der Bitte an ihn, »nähere Kenntnis über dessen ehrwürdiges Leben und ruhmvolles Ende« mitzuteilen.62 Das Dunkel, das die Kindheit des kleinen Wynfreth verschleiert, hängt wohl auch mit einer gesellschaftlichen Prägung zusammen. Im frühen Mittelalter wie in der gesamten Antike widerfuhr der Kindheit keine besondere Aufmerksamkeit. Sie galt als Durchgangsstadium zum Erwachsenenleben, eine Entwicklungsstufe, die am besten rasch bewältigt wurde. Mit Blick auf die hohe Kindersterblichkeit und das geringe Durchschnittsalter verwundert diese Denkweise nicht. Die pragmatische Haltung führte jedoch nicht dazu, dass allgemein die Kindheit entwertet wurde. Antike und mittelalterliche Eltern haben wie die meisten Eltern aller Epochen ihren Nachwuchs geliebt und emotionale Bindungen gepflegt.63 Wem die Fakten fehlen, wird in der Literatur und in der Phantasie fündig. Dem Auftritt des zwölfjährigen Jesus im Jerusalemer Tempel ist ein folgenreicher Besuch im Elternhaus des Bonifatius nachgebildet. Willibald zufolge schmiedete er Pläne, wie er sein Ziel erreichen könne. Ein Zufall half ihm: »Als aber einst, wie es in jenen Gegenden Sitte ist, einige Presbyter oder Kleriker wegen der Predigt die dortigen Laien und Volksgenossen besuchten und zum Hof und Haus des vorgenannten Familienvaters gekommen waren, begann er sofort, wie es sein noch schwaches kindliches Vermögen gestattete, sich mit ihnen über himmlische Dinge zu unterhalten und sich nach dem zu erkundigen, was ihm und seiner Schwachheit in Zukunft n ­ ützen 64 könne.« Bei den damals verbreiteten autoritären Strukturen in Familie und Gesellschaft ist ein naseweiser Wynfreth kaum vorstellbar. Immerhin erfährt der Leser bei dieser Gelegenheit, dass der Junge auf einem Gehöft aufwuchs. Im lateinischen Text ist von einer villa und einer domus die Rede, Begriffe, die ausgedehnteren Grundbesitz voraussetzten und dazu führten, Bonifatius’ Familie zum niederen 35

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Adel zu rechnen. Am Ende seines ersten Kapitels bemerkt Willibald, Wynfreth habe, um »den Schatz der ewigen Erbschaft« zu erlangen, »Vater und Mutter, Äcker und anderes, was von dieser Welt ist«65, verlassen. Von den Geschwistern ist nicht mehr die Rede, vermutlich aus dramaturgischen Gründen, um die Lebensentscheidung des Knaben noch zu überhöhen. Wäre Wynfreth Einzelkind gewesen oder wären sämtliche Brüder verstorben, hätten ihn die Eltern kaum in die geistliche Welt ziehen lassen, und als gehorsamer Sohn hätte er sich seinen familiären Pflichten und Traditionen nicht entziehen können. Kinder waren nicht nur die Lebensversicherung, sondern auch die Altersvorsorge ihrer Eltern. Auch bei der Ortsangabe des elterlichen Hofs bleibt Willibald vage. Johannes de Grandisson, von 1327 bis 1369 Bischof von Exeter, behauptete als Erster, Bonifatius sei in Crediton unweit von Exeter geboren.66 Doch der genaue Geburtsort ist unbekannt. Das immer wieder genannte Crediton in Devon entstammt einer Überlieferung aus dem 14. Jahrhundert und ist daher mehr als unsicher.67 Da Bonifatius Willibald zufolge in das Kloster Exeter, angelsächsisch Ad Escancastre, eintrat, das in Devonshire im Westen von Wessex lag, lässt sich zumindest eine »Geburtsregion« ausmachen. Wynfreths jüngere Verwandte Lioba, die spätere Äbtissin von Tauberbischofsheim, bestätigt in einem Brief dessen Herkunft aus dem Gebiet von Wessex.68 Verwandt war er auch mit den Geschwistern Willibald, Wunibald und Walburga, die ihn später auf seiner Mission in Germanien unterstützen werden.69 Vermutlich war Wynfreth ein nachdenklicher Junge, dessen Begabung den Eltern früh auffiel. Zudem war es damals nicht unüblich, ein Kind einem Kloster zu übergeben, es Gott zu weihen.70 Der sogenannte puer oblatus wechselte aus der väterlichen Verfügungsgewalt in die Welt des klösterlichen Gehorsams. An die Stelle der natürlichen Familie trat die familia Dei. Bei dem etwa siebenjährigen Wynfreth glückte der Schritt ins Kloster. Nicht wenige litten jedoch ein Leben lang unter der elterlichen Lebensentscheidung. Die auf der Hand liegenden Gründe, die Wynfreths geistlichen Weg einläuteten, interpretierte Willibald dramatisch, allerdings nicht 36

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so dramatisch wie Sulpicius Severus es mit dem heiligen Martin tat. Dessen Vater, ein Soldat und überzeugter Vielgötterverehrer, ließ seinen Sohn in Ketten werfen, um ihn von seinen geistlichen Hirngespinsten zu befreien und ihn in den Militärdienst zu zwingen. Es sollten Jahre vergehen, bis der spätere Bischof von Tours seinen Dienst quittierte, um seiner geistlichen Berufung zu folgen.71 Wynfreths Vater dagegen diskutierte, schimpfte und versuchte, seinen Sohn wahlweise mit Drohungen oder Schmeicheleien von seinem Vorhaben abzubringen. Willibald zufolge lockte der verzweifelte Vater mit den Schätzen »vergänglicher weltlicher Herrlichkeit« und bot seinem Sohn an, sein Erbe zu werden. Außerdem entspreche seiner Jugend eher »ein tätiges Leben als das beschauliche des Mönchdienstes«. Doch die väterlichen Argumente verpufften. Der Konflikt schwelte weiter, bis schließlich »Gottes Fürsorge« den Zwist beendete. So zumindest deutete Willibald die schwere Krankheit, die den Vater heimsuchte und bis an den Rand des Todes brachte. Das Leid stimmte ihn milde, und er erlaubte schließlich seinem Sohn, nachdem er sich den Rat der Verwandten eingeholt hatte, den ersehnten Schritt ins Kloster.72 Dass überhaupt ein Familienrat notwendig gewesen sein soll, unterstreicht noch einmal Wynfreths adlige Abstammung und die damit verbundenen familiären, gesellschaftlichen und politischen Erwartungen. Barbara Yorkes Überlegungen, die Eltern gehörten nicht nur zu den ersten angelsächsischen Siedlern Ost-Devons, sondern seien auch unter den ersten Christen gewesen, die zudem Ämter in der Kirche bekleidet hätten, sind dagegen sehr spekulativ, zumal sie sich auf spätere Heiligenviten stützen.73 Die topischen Hürden, die sich den frommen Zielen der Heiligenviten in den Weg zu stellen pflegten, waren jedenfalls genommen. Auch Bonifatius’ Altersgenosse Beda Venerabilis, vielleicht im selben Jahr 672/673 geboren, berichtete zum Schluss seiner Kirchengeschichte in einer autobiographischen Notiz, einer bei Geschichtsschreibern üblichen sphragis, er sei mit sieben Jahren von sorgenden Angehörigen dem Abt Benedict Biscop zur Erziehung übergeben worden, dann dessen Nachfolger Ceolfrid. Es war das Kloster Wearmouth, in dem Beda als Mönch sein Leben verbrachte, mit »Lernen, Lehren 37

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oder Schreiben«.74 Und Wynfreth tat es ihm in den Klöstern Exeter und Nursling gleich. Nicht nur der intensive Briefwechsel mit seinen angelsächsischen Weggefährten und Weggefährtinnen belegt, dass Bonifatius seine Heimat geliebt hat. Getreu dem Motto »Je größer die Liebe, desto emotionaler die Kritik«, fühlte sich der alternde Missionsbischof besonders herausgefordert, und er sah mit wachsendem Ärger, dass auch seine Landsleute kaum Vorbilder für eine christliche Lebensführung abgaben. In einem Brief an den Priester Herefrid aus dem Jahr 746 oder 747 brach seine Enttäuschung durch. Wie so häufig in seinen Mahnschreiben beginnt er mit einem Lob: »Über das Gute unseres Volkes und seinen Ruhm empfinden wir Freude und Jubel, aber über seine Sünde und das, was man ihm vorwirft, Kummer und Schmerz.« Nach diesem Auftakt kannte er kein Halten mehr: »Wir leiden unter dem, was Christen und Heiden unserem Volk vorhalten, dass das Volk der Angeln unbekümmert um den Brauch anderer Völker, unter Missachtung apostolischer Weisung, vielmehr göttlicher Ordnung es verschmäht, rechtmäßige Ehefrauen zu nehmen und nach der Gepflogenheit wiehernder Hengste oder in der Art schreiender Esel durch Ausschweifung und Ehebruch alles in schändlicher Weise besudelt und verwirrt.«75 Was die Metaphern betrifft, sind die Pferde mit dem Poeten durchgegangen. Hier offenbart sich die emotionale Seite des asketischen Intellektuellen. Obwohl seine Kritik beißend ist, haben die Tiervergleiche auch einen ulkigen Zug, der beweist: Bonifatius hatte Humor. Der Humor verließ ihn allerdings völlig, wenn er an Laster wie die Trunksucht dachte, die er unter den Angeln und besonders tragisch in der heimatlichen Priesterschaft verbreitet sah. Mit einem Zitat des Apostels Paulus (Epheser 5,18) leitete er wenig später in einem Brief an Erzbischof Cudberht von Canterbury seine Tirade ein: »Berauscht euch nicht an Wein, worin Ausschweifung liegt«. Er fährt mit einem Zitat aus Jesaja (5,22) fort: »Wehe euch, die ihr Helden seid im Weintrinken und starke Männer im Mischen von Rauschtrank!« Dann springt er in die angelsächsische Gegenwart: »Das ist nämlich ein den Heiden und unserem Volk eigentümliches Laster, das ma38

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chen weder die Franken noch die Gallier noch die Langobarden noch die Römer noch die Griechen. Und dieses Laster wollen wir ebenso aufgrund eines Synodalbeschlusses und des Verbots in der Heiligen Schrift unterdrücken, wenn wir das vermögen, andernfalls durch Meiden und Verbieten wenigstens unsere Seelen rein erhalten vom Blut der Verlorenen.«76 Auch die Frauen der Angeln waren Bonifatius kein Anlass zur Freude. Vor allem reisende Frauen, weltliche wie geistliche Pilgerinnen, regten den über Siebzigjährigen auf, und er empfahl den angelsächsischen Oberen und einer vom Erzbischof einzuberufenden Synode, den weiblichen Romtourismus zu unterbinden. Denn die Mehrheit der Pilgerinnen ginge zugrunde oder verlöre ihre Reinheit.77 Was generell die Tugendhaftigkeit anging, sah er vor allen anderen die Frauen der Angeln in Gefahr. »Es gibt nämlich nur sehr wenige Städte in der Lombardei, in Francien oder in Gallien, in denen es nicht eine Ehebrecherin oder Hure gibt aus dem Stamm der Angeln. Das ist aber ein Ärgernis und eine Schande für eure ganze Kirche.«78 Die Sünden seiner Landsleute scheinen den tugendbeflissenen Bonifatius persönlich getroffen zu haben. Er, der sich bis zu seinem Lebensende dem geistlichen Ideal einer vita perfecta verpflichtet fühlte, konnte nicht ertragen, dass »seine Angeln« auf diesem Weg strauchelten. Seine einseitige und überzogene Kritik offenbart allerdings auch, wie tief und emotional seine Bindung an die Landschaften seiner Kindheit und seines jungen Erwachsenenlebens waren. Je weiter und länger sich der Missionar von der Heimat entfernte, desto mehr wuchs die Identifikation mit seinen Wurzeln. Er war und blieb Angelsachse. Wie er sich bemühte, ein Vorbild im Namen Gottes zu sein, so durfte »sein Volk« nicht hinter diesem Anspruch zurückstehen. Immerhin stand der Verlust des ewigen Lebens in der Anschauung Gottes auf dem Spiel.

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»Und wenn ich auch als Lehrer nicht genug gelehrt gewesen bin, so habe ich mich doch, wie du selbst Zeuge bist, bemüht, dir am allermeisten ergeben zu sein.« Bonifatius an Abt Duddo, Brief 34

Klosterjahre Wynfreths Eltern entschieden sich für das Kloster Exeter, weil es in ihrer unmittelbaren Nachbarschaft lag. Zu weit weg wollten sie ihren Siebenjährigen wohl nicht geben. An der Exe in Devonshire gelegen bildete Exeter in der angelsächsischen Klosterlandschaft einen Vorposten gegenüber den zahlreicheren iroschottischen Klöstern im benachbarten Cornwall, dem südwestlichen Zipfel der Insel.79 Willibald kannte noch den alten Ortsnamen Ad Escancastre80, der verriet, dass sich hier ein römisches Militärlager (castra) befunden hatte.81 Umringt von Angehörigen, die ihm der Vater mit auf den Weg gab, und instruiert von seinen Eltern trug Wynfreth dem Abt Wulfhard seinen lang gehegten Wunsch vor, sich den Klosterregeln zu unterwerfen. Nach Beratung mit seinen Mönchen, wie es die Regula Benedicti, Kapitel 3, vorsah, entsprach der Abt seinem Anliegen. Sich diese Szene vorzustellen, dürfte dem Biographen nicht schwer gefallen sein.82 Der Besuch einer Klosterschule war ein Privileg, das den Schülern die Aussicht auf ein besseres Leben bot, sei es unter weltlichen oder geistlichen Vorzeichen. Die angelsächsischen Schulen, die stattliche Klosterbibliotheken besaßen, genossen einen ausgezeichneten Ruf. Sie galten als die besten nördlich der Alpen und verbanden das klassische mit dem geistlichen Bildungsideal. Herz des klösterlichen und schulischen Alltags war die Regel des heiligen Benedikt, verbunden mit liturgischen Auszeiten, die den Tag strukturierten.83 Wie lange der Novize in der Obhut seines geistlichen Adoptivvaters Wulfhard blieb, wusste Willibald nicht. Denn die sieben Jahre, 40

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die er angibt, sind eher die damals übliche Spanne des Knabenalters. Um die Vita zu gliedern und Bonifatius’ Weg aufzuzeigen, übernahm Willibald das römische Altersschema: 7 Jahre infantia (Kindheit), 7 Jahre pueritia (Knabenalter), 14 Jahre adolescentia (Jugend). Die Lebenszeit bis 50 galt als iuventus, danach begann das Alter senectus.84 Mit Ausnahme des ersten Kapitels enden die anderen jeweils mit einem Pauluszitat. Mit seiner Leserlenkung zeigt der Hagiograph auch literarisch, dass der Völkerapostel die Leitfigur des Bonifatius gewesen ist.85 Willibalds Lob, in der pueritia sei »eine wunderbare Kraft des Wissens in ihm erstarkt«86, umschreibt die leicht zu erratende Tatsache, dass Wynfreth in Exeter zunächst die Grundausbildung in Lesen und Schreiben erhielt. Geübt wurde an biblischen Texten, die zugleich auswendig gelernt werden mussten. Willibalds Bemerkung zeigt aber auch, dass der Junge mit Freude lernte. Im Vergleich zu anderen Einrichtungen war Exeter ein kleines Kloster, ein monasteriolum.87 Daher war das Bildungsangebot nicht so ausgefeilt, und der wissensdurstige Wynfreth begann sich zu langweilen. So eindeutig hätte sich Willibald aus Respekt vor den geistlichen Autoritäten nie ausgedrückt. Gewohnt blumig verbrämt er den Wissenserwerb mit Wynfreths Bemühen, sich in den Tugenden zu vervollkommnen. Tugendhaftigkeit scheint dem Biographen fast wichtiger zu sein als Bildung. Immerhin gesteht er zu, dass die Begeisterung für die Wissenschaften den Heranwachsenden schützten »gegen die feindlichen Einflüsterungen und Nachstellungen des Teufels, die nur zu oft bei den Sterblichen die zarte Blüte der Jugend mit dem Dunst dichten schwarzen Nebels zu bedecken pflegen«. Wynfreths beharrliche Forschungen in den heiligen Gesetzen hätten »die Anreizungen der Jugend und die Lust der fleischlichen Begierde mithilfe des Herrn Gottes im Keim erstickt«.88 Und selbstverständlich war seinem Helden jede Eitelkeit fremd, weil er »den hinfälligen Tand (ornamenta) der Welt verachtete«.89 Der ehrgeizige Schüler befand sich also auf dem besten Weg, das mönchische Ideal einer vita perfecta zu erreichen. So geerdet schadete ihm auch das Studium der weltlichen Bildung nicht mehr, das 41

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er Willibald zufolge rasch absolvierte und »streng im Einklang mit der Entscheidung eines Papstes in einer kirchlichen Vorschrift«.90 Letztlich war es die Liebe zu den Wissenschaften, die den endgültigen Anstoß für einen Klosterwechsel brachte. Ausweichend schrieb Willibald von einem »Mangel an Lehrern der Schrift«.91 Nachdem sich Wynfreth bei benachbarten Klöstern umgesehen hatte – inbrünstig betend, wie sein Biograph betonte –, verließ er mit Einwilligung Wulfhards und seiner Mitbrüder Exeter und trat in das Kloster Nhutscelle über.92 Südwestlich von Winchester gelegen und später Nursling genannt, stand Nhutscelle unter der Leitung des gelehrten Abtes Wynberht (Winbert), der zuvor längere Zeit königlicher Kanzleinotar gewesen war. Noch viele Jahre später gedachte Bonifatius seines alten verehrungswürdigen Lehrers, der ihm ein Buch mit den sechs Propheten hinterlassen hatte.93 Zwischen 742 und 746 richtete der schon betagte Bonifatius einen Brief an Bischof Daniel von Winchester und bat den Freund, ihm das literarische Erbstück auf den Kontinent zu schicken: »So könnt ihr mir keinen größeren Trost für mein Alter und keinen größeren Lohn für mein Verdienst übersenden, weil ich ein solches Buch der Propheten, wie ich es haben möchte, in diesem Land nicht bekommen kann.«94 Beiläufig erfährt der Leser, dass Bonifatius unter einer zunehmenden Sehschwäche litt. Umso hilfreicher war Wynberhts Vermächtnis. Denn es war »mit deutlich geschiedenen, gesonderten Buchstaben geschrieben«.95 Das Kloster Nursling folgte ebenfalls der Regel Benedikts.96 Wynfreth habe die nach ihr verlangte tägliche Handarbeit der Mönche nicht vernachlässigt, vergisst Willibald nicht zu betonen.97 Handarbeit könnte in seinem Fall etwa das Abschreiben biblischer Handschriften in einem Scriptorium gewesen sein, ein spiritueller und wissenschaftlicher Dienst, um den sich vor allem größere Klöster bemühten. Das gemeinsame Beten und Singen, das Vorlesen aus Bibel und Psalter sowie das private Studium und Meditieren, die in der Regel Benedikts festgelegt waren, erforderten einen Grundstock von Exemplaren, die klösterliche Kopisten anfertigten. In Nhutscelle stand das Studium der Bibel im Mittelpunkt der theologischen Bildung. Die zahlreichen Zitate aus dem Alten und 42

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Neuen Testament, die sich später in Bonifatius’ Briefen finden, belegen, wie vertraut er mit der Heiligen Schrift war, auch eine Folge des Auswendiglernens, vor allem der Psalmen, das zum klösterlichen Unterricht gehörte. Bonifatius’ Schüler Sturmi, den er als ersten Abt des neu gegründeten Klosters Fulda einsetzte, hatte die gleiche geistliche Bildung erhalten. Sein Biograph Eigil, der an Willibalds Biographie anschloss,98 hat sie ausführlich beschrieben: »Nachdem der Knabe die Psalmen seinem Gedächtnis fest eingeprägt und zahlreiche Lesungen durch immerwährende Wiederholung in sich aufgenommen hatte, begann er die Heilige Schrift Christi in geistlichem Sinn zu erfassen. Er suchte sich, die Geheimnisse der vier Evangelien Christi voll Eifer anzueignen, das Neue und das Alte Testament suchte er, so gut er konnte, durch andauernde Lesung in der Schatzkammer seines Herzens zu bergen.«99 Neben der Exegese lasen die Studenten von Nhutscelle die Kirchenväter, pflegten aber auch die weltlichen Wissenschaften. Grammatik und Metrik standen im Vordergrund. Am Ende der Schullaufbahn attestierte Willibald seinem Pro­ tagonisten einen »Fleiß im Lesen des göttlichen Wortes in so gewaltig eindringender Forschung, dass er endlich in hoher geistiger Bildung glänzte: im Redefluss der grammatischen Kunst, in der Fertigkeit, markige Verse und Reime zu bauen, in der einfachen geschichtlichen Erklärung und der dreifachen Art der geistlichen Auslegung wie durch die Gewandtheit in der Schriftstellerei«.100 Selbst wenn Willibald die Begabungen des angehenden Heiligen in hagiographischer Manier überzeichnet haben sollte, zählte der junge Bonifatius sicher zu den begabtesten Köpfen seiner Generation im angelsächsischen England. Wie hoch er sein theologisches Grundstudium schätzte, erklärte Wynfreth später in einem Brief, den er nach seiner ersten Reise zu den Friesen an den jungen Freund Nithard in der Heimat schrieb. Er mahnte ihn, gründlich die Bibel zu studieren, und führte dafür eine Reihe von Zitaten aus dem Alten Testament an: »Das Gesetzbuch soll aus deinem Mund nicht weichen, und du sollst darüber Tag und Nacht nachdenken, sollst unter gänzlicher Abschaffung aller unnüt43

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zen Hindernisse anderer Dinge danach trachten, die Beschäftigung mit der Heiligen Schrift angestrengten Geistes zu betreiben […].«101 Das Bild des mehr als fleißigen Studenten, das Josua 1,8 entlehnt ist, traf auch auf den jungen Wynfreth zu. Die absolute Konzentration auf das Wort der Bibel hatte fast etwas Manisches, schmiedete aber offensichtlich auch die Rüstung, um sich innerlich und äußerlich von weltlichen Annehmlichkeiten zu lösen und der geistlichen Berufung treu zu bleiben.102 Als Theologiestudent zeigte Wynfreth nicht nur wissenschaftlichen Eros, sondern auch pädagogisches Geschick. Sein Abt Wynberht berief ihn in den Lehrkörper der Klosterschule, wo er Grammatik und Metrik unterrichtete.103 Seine langjährige pädagogische Erfahrung und sein Wissen flossen in Lehrbücher ein. Um seinen Schülern das Lernen grammatischer Formeln zu erleichtern, verfasste er eine umfangreichere Ars grammatica, für die er sich vor allem auf die Werke der spätantiken Grammatiker Charisius, Phokas und Donatus stützte.104 Gelegentlich machte er auch eigene Zusätze zu den Vorlagen. Gewidmet hat er das Werk einem sonst unbekannten Sigibertus. Gewandt lobt Wynfreth seinen »geliebtesten Mitbruder, dem durch den strahlenden Glanz seiner geistvollen Bildung wie durch ein aus dem Stoff des Feingoldes und aus der Mannigfaltigkeit verschiedenartiger Edelsteine bunt zusammengesetztes Halsband weithin funkelnden Sigibertus«. Der Adressat ist ein junger Mann, vermutlich ein Theologiestudent, für den der Lehrer sich aufmacht, »in den undurchdringlich dichten Urwald der Grammatiker« zu gehen, »um für dich die jeweils besten Sorten der verschiedenen Früchte und die zerstreuten Wohlgerüche der mannigfaltigen Blumen einzubringen, die sich allenthalben verteilt in dem Walde der Grammatiker finden.« Kurzum: Wynfreth schwebt ein präzis gefasstes grammatisches Lehrbuch vor, ein Kompendium, in dem der Leser rasch fündig wird. Die Arbeit an seinem Buch hat der Autor als Joch empfunden, und er vergisst nicht zu betonen, dass nur die Liebe, die caritas, ihn hat durchhalten lassen: »Da hat die Liebe das getan, was sie immer zu tun pflegt: Das drückende Gepäck einer bleischweren Aufgabe ist nämlich erleichtert worden durch 44

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die leichte Silberkette ergebener Liebe und geistlicher Verbundenheit.«105 Voraus geht dem Vorwort ein kunstvolles Figurengedicht mit einem Kreuz in der Mitte und den Worten »Jesus Christus« auf beiden Balken. Mit Sicherheit kann man Bonifatius auch eine Metrik zuschreiben, für die er Exzerpte aus Isidor von Sevilla zitiert hat. Denn ein Brief seines Schülers Lul erwähnte, dass er dieses Fach ebenfalls unterrichtet hat.106 Seit seinen frühen Klosterjahren machte es Bonifatius Freude, Verse zu schmieden. Rätselgedichte, eine damals populäre Gattung, liebte er besonders.107 Heute wäre er vielleicht ein begeisterter Löser oder gar Erfinder von Kreuzworträtseln und Denksportübungen. Inhaltliches und sprachliches Vorbild für die 20 überlieferten Beispiele war der eine Generation ältere Aldhelm von Sherborne (639–709/710), der als ältester angelsächsisch-lateinischer Dichter von Rang gilt.108 In 388 Hexametern dichtete Bonifatius, der seine Rätsel einer Nonne widmete, über Tugenden und Laster. Der Prolog gibt einen Vorgeschmack auf die Güte der Rätsel, die so schöne Titel (Lösungen) tragen wie: Die Liebe sagt, Die Barmherzigkeit sagt oder Der Hochmut spricht.109 Das Widmungsgedicht ist voll blumiger biblischer Anspielungen: Schwester, ich sende dir hier als Geschenk zehn goldene Äpfel, Lieblichen Blüten sind sie am Holze des Lebens entsprossen, Wo süß duftend herab an den heiligen Ästen sie hingen, Während des Lebens Holz noch hing am Baume des Todes. Spielend mit ihnen erlangst du die wahren Freuden des Herzens Und du fühlest die Wonne in dir deines künftigen Lebens, Isst du davon, erfüllt dich des Nektars liebliche Süße. Köstlicher Nardengeruch erquicket die gierige Nase. Mit diesen Äpfeln wirst du dir gewinnen die kommenden Reiche. So wirst einst du genießen des Himmels behagliche Freuden. Andere Äpfel jedoch auch gibt es von herbstem Geschmacke, Reifend am Unglücksholz, am Holze des bitteren Todes; Gräulicher Tod riss Adam hinweg, da er solche gekostet, Da sie versehrt vom Hauch und der Galle der Schlange, der alten. 45

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Sie sind die Äpfel der Schlange: Nie trachte nach ihnen die Jungfrau Auszustrecken die Hand, denn grausam sind sie vergiftet. Sie zu verspeisen ist Sünde, davon zu kosten verboten, Dass nicht geschwärzt von scheußlicher Pest ihr knirschen die Zähne, Dass nicht der Äpfel Genuss vernichte die frommen Gelübde Oder der Preis himmlischen Reichs ihr gänzlich entgehe.

Die Apfelsymbolik hat Bonifatius nicht erfunden. Im zweiten Teil des Gedichts kommt er auf die Rolle des bösen Apfels in der Genesis zu sprechen und versifiziert die Geschichte von Adam, Eva und der Schlange im Paradies. Kirchenväter hatten ihren bösen Apfel verwandelt und zum Symbol der Erlösung durch Christi Tod am Kreuz gemacht. Der erste Teil lehnt sich offensichtlich an Ambrosius an: »an das Kreuz geheftet hing Christus einem Apfel gleich an einem Baum und strömte den Duft der Erlösung aus.«110 Mit den Jahren machte sich Wynfreth einen Namen als Lehrer und Gelehrter und stieg zum Leiter der Schule auf. Sein umfassendes Wissen in der geistlichen wie in der weltlichen Literatur, seine geschliffenen Predigten sowie seine schriftstellerische Gewandtheit führten dazu, dass er »zuletzt auch für andere ein Führer in der Überlieferung der Väter und ein Meister des Unterrichts wurde«.111 Dass Wynfreth sich nicht nur um die Bildung seiner Schüler kümmerte, sondern sich auch um ihr Seelenheil sorgte, offenbaren die eindringlichen Ermahnungen, die er in ein »Lebe-wohl-Gedicht« am Ende seines Briefs an Nithard kleidete. In 28 jambischen Dimetern vertiefte er die vorangegangenen Ermahnungen noch einmal in pathetischem Ton. Den jambischen Dimeter als fortlaufendes Versmaß (»stichisch«) hat Ambrosius in die lateinische Hymnik eingeführt. Auch bei späteren Hymnendichtern war das ambrosianische Versmaß sehr beliebt. Ambrosius-Hymnen gehörten zu den verschiedenen Tageszeitgebeten, die in der Regula Benedicti festgelegt waren.112 Der Kirchenvater Augustinus hat erstmals den Reim in einen Hymnus eingefügt, den manche Hymnendichter übernommen haben, so auch Bonifatius im Brief an Nithard 112 (9,28). 46

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Nun, Bruder, lebe wohl, so ganz Noch strahlend in der Jugend Glanz, Doch dass du mit dem Herrn zumal Einst strahlest in dem Himmelssaal, Wo lichtumflossen Lob und Preis Der Märtyrer und Apostel Kreis Vereint mit der Propheten Schar Dem Höchsten singen immerdar.

Schon in der Jugend soll sich Nithard mit dem unausweichlichen Tod auseinandersetzen und das eigentliche Lebensziel, die himmlische Ewigkeit im Kreis der Glaubensheroen, nicht aus den Augen verlieren. Wer das Leben von seinem Ende her denkt, wird weise. Auf die Beschreibung des Paradieses folgt in den Versen 15 bis 23 ein Akrostichon.113 Im Lateinischen ergeben die »Versspitzen«, also jeweils der erste Buchstabe eines Verses, den Namen Nithard. Verachte Nithard, jetzt mit Kraft Die Pest der irdischen Leidenschaft Denn gegen jenen ist gewiss Doch Höllenpein nur alles dies, Und auf nach jenen Scharen schau, Die oben über des Äthers Blau Mit Engelchören die Herrlichkeit Des Höchsten rühmen jederzeit.

Der Lehrer wählt drastische Bilder, um seinen Schüler auf dem Pfad der geistlichen, seelischen und leiblichen Tugend zu halten. Um ihnen Nachdruck zu verleihen, spielt er mit der Angst vor der Hölle. Wogegen Pädagogen heute Sturm laufen, war von der Antike bis in die Moderne ein übliches Mittel der Erziehung: Angst. Die düsteren Bilder, die Bonifatius’ Briefe und die Antwortschreiben seiner Briefpartner und Briefpartnerinnen durchziehen, deuten darauf, dass eine tief sitzende Furcht vor der ewigen Verdammnis auch die geistlichen Lehrer und Lehrerinnen umtrieb. Was blieb, war die Hoffnung auf ein 47

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ewiges Leben bei Gott »über des Äthers Blau«. Wer die irdischen Verlockungen links liegen ließ, erwartete im Himmel eine Belohnung, eine sehr weltliche Vorstellung, die sich den menschlichen Wunsch nach Anerkennung zunutze machte. Nithard erwartet in Wynfreths Gedicht das Aussehen und den Status eines Engels. Als Nachkomme der Apostel ist der junge Mann »in der Propheten Schoß« geborgen. Und selbstverständlich sitzt er »auf hohem Ehrensitz«. Obwohl irdische Hierarchien und Vergünstigungen verachtet werden, bestehen sie unter himmlischen Vorzeichen weiter. Wer sie erreicht, strahlt vor Freude, einer Freude, deren einziges Sinnen und Trachten Jesus Christus ist, und das unterscheidet sie wiederum von allen weltlichen Freuden: Damit du dort, wo reichen Lohn Den Seinen spendet Gottes Sohn Im Engelsschmucke nahest ihm, Gleich Cherubim und Seraphim, Sodann als der Apostel Spross Fortan in der Propheten Schoß Auf hohem Ehrensitz zugleich Mit ihnen strahlst an Freuden reich Und selbst verklärest trägst davon Des Himmelreiches goldnen Lohn, Wo Deines Jubels Ziel nur ist Auf seinem Throne Jesus Christ.

Ob als Lehrer oder Priester, nie habe Bonifatius sich über andere erhoben, wie Willibald immer wieder herausstellt. Seine Gelehrsamkeit und seine Menschenfreundlichkeit hätten auch viele Männer außerhalb des Klosters veranlasst, seinen Unterricht zu besuchen. Da Nonnen ihre Klöster meist nicht verlassen durften, habe Wynfreth sie aufgesucht und unterrichtet.114 Seine Schülerinnen dürften Angehörige der damals auf der Insel verbreiteten Doppelklöster gewesen sein. Egburg, eine seiner Studentinnen, schrieb dem »mit der Gnade göttlicher Wissenschaft und Frömmigkeit erfüllten Wynfreth« später 48

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in schwärmerischen Tönen: »Es vergeht kein Tag und entschwindet keine Nacht, ohne deiner Belehrung zu gedenken.«115 Was geistliche Frauen betraf, dachte Wynfreth fortschrittlich und hatte bei der Schulung des weiblichen Nachwuchses vor allem die Ausbreitung des Glaubens im Sinn. Die Rangordnung innerhalb der Mönchsgemeinschaft von Nursling richtete sich der Regula Benedicti zufolge nach dem Zeitpunkt der Profess. Selbst für die Priester gab es keine Ausnahme.116 Aus dieser Chronologie ergab sich die Platzordnung im Chor der Kirche oder die Reihenfolge auf dem Weg zur Kommunion. Doch konnte der Abt je nach Verhalten des Einzelnen die Reihenfolge ändern.117 Er hatte auch die Vollmacht, bei dem zuständigen Diözesanbischof einen Mitbruder aus seinem Kloster für die Weihe zum Diakon oder Priester vorzuschlagen.118 Selbst der vorbildliche Wynfreth machte keine Ausnahme von dieser Regel. Er sei bei seiner Priesterweihe schon 30 oder mehr Jahre gewesen, wie Willibald leicht verlegen einräumte. Der Hagiograph schrieb den ungewöhnlich späten Zeitpunkt Bonifatius’ Demut zu.119 Im Jahr 704/705 brodelte in Wessex ein heftiger Konflikt, bei dem sich kirchliche und politische Interessen überschnitten. Die Kontroverse wurde schließlich durch die Synode von Brentfort im Oktober 705 gelöst. König Ine von Wessex und die Äbte der drei größten Klöster einigten sich darauf, Wynfreth als Gesandten zu dem in die Auseinandersetzung verwickelten Berchtwal, dem Metropoliten von Canterbury, zu schicken, um ihm die Einigung vorzustellen und seine Zustimmung einzuholen. Taktvoll erledigte Wynfreth die Mission zur allgemeinen Zufriedenheit. Die politische Erfahrung, die er dabei erstmals sammelte, sollte ihm später zugutekommen.120 Zu Hilfe kam ihm bei seiner Vermittlungsmission seine gerechte wie milde Art, mit der er Menschen begegnete. Willibald zufolge machte er keinen Unterschied zwischen Reich und Arm und ordnete seine Überzeugungen keiner wohlfeilen Taktik unter. Gewohnt panegyrisch formulierte der Hagiograph, »dass seinem harten Tadel nicht die Milde und seiner Milde nicht die Kraft der Ermahnung fehlte; denn wenn ihn auch kräftiger Eifer aufflammen ließ, so b ­ esänftigte 49

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ihn doch wieder die Milde seiner Liebe. Deshalb wandte er auch gegen Reiche und Mächtige wie gegen Freie und Knechte ein gleiches Maß von Zucht in der heiligen Ermahnung an, sodass er weder die Reichen durch Schmeicheleien gewinnen wollte, noch die Knechte und Freien durch allzu große Strenge drückte.«121 Eine Charaktereigenschaft scheint aber auch in Willibalds freundlichem Urteil auf: Wynfreths zuweilen überbordendes Temperament, Licht und Schatten in einem, der Stachel in seinem Fleisch, den er zeitlebens zügeln musste. Willibald hätte diese realistische Einschätzung nicht gelten lassen. Als ob er seinen Heiligen vor Kritik in Schutz nehmen wollte, schloss er Kapitel 3 über die frühen Klosterjahre mit einer Kaskade von Tugenden, bei der er in gut rhetorischer Manier die jeweiligen gegensätzlichen Laster ausschloss: »Seine Geduld hat nie der Zorn übermannt, die Wut kam gegen seine Langmut nicht an, nie siegte die Begierde über seine Selbstbeherrschung, seine Enthaltsamkeit wurde nie durch Völlerei verletzt.« Und selbstverständlich trank der zukünftige Missionar weder Wein noch starke Getränke, zudem hielt er auch im Fasten Maß.122 Nachdem 672/73 die Synode von Hertford in Kanon 7 bestimmt hatte, dass sich die Bischöfe wenigstens einmal, nach Möglichkeit aber zweimal im Jahr versammeln sollten, wurde Wynfreth öfter zu den Begegnungen eingeladen.123 Auch die Erfahrungen, die er dort sammelte, seien ihm für seine Zukunft von Nutzen gewesen, bemerkte sein Biograph. Nicht nur mit Bischöfen, sondern auch mit einzelnen Äbten stand Wynfreth in Verbindung. Ob er Aldhelm, den Abt von Malmesbury, persönlich traf, wird an keiner Stelle überliefert. Doch kannte er einzelne Werke des hochgebildeten und ausstrahlenden Schriftstellers. Vor allem in seiner Metrik und seinen Rätselgedichten ließ er sich von Aldhelm anregen, der metrische Fragen vermischt mit hundert Rätselgedichten in seinem Brief an Acircius (König Aldfrid) von Northumbrien behandelt hatte. Wynfreths Schülerin Egburg nannte in einem Brief Gott einmal superi rector Olimpi – Lenker des himmlischen Olymps. Sie spielte damit auf Aldhelms Schrift Über die Jungfräulichkeit (De virginitate) an, wo er von superi regnator Olimpi et 50

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rector caeli und dann auch in der versifizierten Form der Schrift von rector Olimpi sprach.124 Die Prosaschrift war der Äbtissin Hildilith und ihren Nonnen im Kloster Barking in der Grafschaft Essex gewidmet, die mit Wynfreth korrespondiert hatte.125 Wynfreth dürfte die Prosaschrift wie das Gedicht des etwa 30 Jahre älteren Aldhelm, die dieser gegen 690 verfasst hatte, in seinem Unterricht mit den Nonnen gelesen haben. Jungfräulichkeit war schließlich ein wichtiges Thema für sie. Beda lobte die Äbtissin in den höchsten Tönen. Sie habe ihr Amt bis ins hohe Alter ausgeübt und für strenge Zucht und gute Verwaltung gesorgt.126 Über Aldhelm, der in höherem Alter noch Bischof von Sherborne in Wynfreths Heimatregion geworden war, könnte auch die Verbindung zu Daniel zustande gekommen sein. Er wurde einer der wichtigsten Freunde und Förderer des Bonifatius. Bevor er 709 zum Bischof von Winchester erhoben wurde, hatte er als Mönch im Kloster Malmesbury gelebt. Bonifatius rühmte die Freundschaft (amicitia) mit ihm und suchte bei ihm in schwieriger Lage »Rat und Trost« (consilium et solacium).127 Daniel, zu dessen Diözese Kloster Nursling gehörte, gab dem Freund ein Empfehlungsschreiben für seine erste Romreise im Jahr 718 mit.128 Später nahm er intensiv Anteil an der Missionsarbeit seines Landsmanns.129 Etwa 20 Jahre hatte Wynfreth die Verbindung der Vita contemplativa und der Vita activa in Nursling erfüllt. Niemand und nichts standen einem weiteren erfolgreichen Leben als Lehrer, Wissenschaftler und Diplomat entgegen. Außer Wynfreth selbst, der in Unruhe geriet. Einen Mönch, den die stabilitas loci in seinem Kloster nicht völlig oder nicht mehr zufriedenstellte, der nach langen Jahren nicht mehr wie Beda Venerabilis sein Leben mit Studieren und Lehren verbringen mochte, den mussten die Berichte von angelsächsischen Mitbrüdern faszinieren, die auf dem Kontinent missionierten und aufregende Abenteuer erlebten. Wynfreth, damals etwas über 40 Jahre alt, spürte eine neue Berufung und beschloss, ihrem Vorbild nachzueifern. Ein längerer Prozess der Abnabelung von vertrauten Personen und Orten setzte ein.130 Sein Abt, dem Wynfreth seinen Wunsch offenbarte, reagierte nicht begeistert, verlor er doch 51

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ein überaus geschätztes Mitglied seiner Gemeinschaft. Aber der Bittsteller ließ nicht locker und erhielt schließlich die Erlaubnis fortzuziehen.131

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»Denn wer die finsteren Winkel der Völker Germaniens durchziehen muss, würde in die Schlinge des Todes fallen, wenn er nicht als Leuchte für die Füße und als Licht auf seinen Wegen das Wort Gottes hätte.« Bonifatius an die Äbtissin Eadburg, Brief 30

II. Leben auf dem Kontinent Abenteuer Mission Als Anstoß für die angelsächsische Mission auf dem Kontinent nannte Beda die Erinnerung der Angeln und Sachsen an die alte Heimat. Stammesverwandtschaftliche Motive bewegten die Angelsachsen, den germanischen Stämmen, »die immer noch heidnischen Kulten dienten, das Christentum zu bringen, sie dem Satan zu entreißen«.1 Eine mächtige Stimme unter ihnen war der Northumbrier Abt Ekbert, der seine Schüler Wikbert und Willibrord für die Mission unter den Friesen begeisterte. Als Beda im letzten Buch seiner Kirchengeschichte von dessen Plänen in Germanien berichtete, unterstrich er die Verwandtschaft der Angelsachsen mit einer Reihe von Stämmen auf dem Festland, darunter Friesen und Sachsen. Die früheren keltischen Bewohner verballhornten immer noch die zugewanderten Angelsachsen als Garmani. Auch Bonifatius war sich dieser Verwandtschaft bewusst, hatte er sich doch im Widmungsschreiben seiner Grammatik als jemand vorgestellt, der »fast von den äußersten Völkern Germaniens« abstammte.2 Das Ziel seines »apostolischen Werkes« war immer noch dasselbe, wie es Beda für Ekbert formuliert hatte: »[…] vielen nützlich zu sein« und »das Wort Gottes einigen der Stämme, die es noch nicht gehört hatten, durch Evangelisierung 53

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zu übermitteln.«3 Bonifatius bat 738 seine Landsleute in einem Brief, für die Bekehrung der Sachsen zu beten, und er erinnerte sie daran, dass auch die Sachsen versicherten, sie seien eines Blutes mit ihnen.4 Doch wurde das »gentilreligiöse Motiv« sowohl bei Beda als auch bei Bonifatius überlagert von dem »universalmissionarischen Motiv«. Alle Völker sollten bekehrt werden, zitierte Bonifatius Paulus’ Ersten Brief an Timotheus: Gott und die Christen wollen, »dass alle Menschen gerettet werden und zur Erkenntnis der Wahrheit gelangen«, ein Ziel, für das die Angelsachsen beten sollten.5 Mit demselben Bibelzitat hatte schon Papst Gregor II. die Sachsen in einem Brief gemahnt, ihr Heidentum aufzugeben.6 Aus der geographischen Perspektive der angelsächsischen Missionare war Friesland »das Tor Europas«.7 Zudem waren friesische Händler in Britannien sehr gern gesehen, versorgten sie doch die konsumwillige Elite, vor allem die angelsächsischen Könige, mit Waren aus dem Rheinland: feinen Glaswerken, Silbermünzen und Mörsern.8 Ekbert und seine Schüler hatten mehrere Jahre in irischen Klöstern gelebt und sich eine umfassende Bildung erworben. Als Erster ging Wikbert nach Friesland, wo Herzog (dux) Radbod (679–719) sein Herrschaftsgebiet, das er bis an die Maas vorgeschoben hatte, gegen das vordringende Frankenreich verteidigte. Nach zwei Jahren gab Wikbert jedoch auf und kehrte in die Heimat zurück. Nun sandte Abt Ekbert seinen zweiten Missionar Willibrord mit elf Begleitern aus.9 Die Zwölfzahl erinnerte an die zwölf Apostel und erhellt das Selbstverständnis der irischen Missionare. Der missionarische Blick auf die noch zu erlösenden Friesen lässt leicht übersehen, dass die Friesen keineswegs so rückständig waren. Eine Gesellschaft freier Bauern und Kaufleute lebte in Wohlstand,10 vielleicht auch ein Grund, weswegen zumindest die reicheren Friesen zunächst nicht die Notwendigkeit empfanden, sich auf Vermittlung der Missionare von Jesus Christus erlösen zu lassen. Dem fränkischen Hausmeier Pippin II. war es inzwischen gelungen, Radbod zurückzudrängen. Bereitwillig gab er daher seine Einwilligung, als ihn Willibrord bald nach seiner Ankunft aufsuchte und 54

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ihn bat, im zurückeroberten Teil Frieslands missionieren zu dürfen.11 Auch in weiteren Gebieten des fränkischen Reiches war das Christentum zur Stütze weltlicher Herrschaft geworden, seit sich König Chlodwig I. nach der Schlacht bei Zülpich (496 oder 497) der neuen Religion zugewandt hatte und 498 oder 499 getauft worden war. Willibrord ging noch einen Schritt weiter als sein Vorgänger, weil er sich mit dem Gedanken trug, jenseits des fränkischen Machtbereichs zu missionieren. Er pilgerte nach Rom und holte sich von Papst Sergius I. die Erlaubnis samt päpstlichem Segen. Mit Reliquien im Gepäck kehrte der Rompilger zurück, um mit ihnen neu errichtete Kirchen zu weihen.12 Seine Gefährten hatten in der Zwischenzeit ihren Mitbruder Suitbert zum Bischof bestimmt, der sich in Britannien weihen ließ. Als Missionsbischof machte sich Suitbert auf den Weg zu den Bewohnern des alten Gebiets der Brukterer, von Beda Boructuari genannt. Als die Sachsen angriffen, floh er mit den Neubekehrten. Pippin überließ ihm auf Bitten seiner christlichen Gattin eine Rheininsel, das heutige Kaiserswerth, wo er 695 ein Kloster baute und dort auch starb.13 Willibrord missionierte mehrere Jahre mit Erfolg, und Pippin zeigte sich über die wachsende Zahl von Christen zufrieden. Es schien ihm daher angebracht, ein Bistum einzurichten mit Willibrord an der Spitze. 696 sandte er seinen Kandidaten ein zweites Mal nach Rom. Papst Sergius I. weihte Willibrord, dem er den Namen Clemens gab, zum »Erzbischof für das friesische Volk«, die Gebiete Frieslands eingeschlossen, die noch nicht zum fränkischen Reich gehörten. Von Pippin erhielt der neue Erzbischof das im jüngst eroberten Teil Frieslands gelegene Utrecht als Bischofssitz. Die aus fränkischem Adel stammende Trierer Äbtissin Irmina von Oeren schenkte ihm 697/698 einen Teil ihrer Villa Epternacus. Deren Tochter Plektrudis und ihr Gemahl Pippin vervollständigten 704 die Schenkung, die Willibrord zum Kloster Echternach ausbaute.14 Das Grenzbistum Echternach entwickelte sich zu einem Missionszentrum, das sich großzügiger Spenden des Ortsadels erfreute. Wer Willibrord unterstützte, konnte sich der Gunst Pippins gewiss sein.15 In diese Fußstapfen wollte der etwa Vierzigjährige Wynfreth treten. 55

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Nach 20 Klosterjahren, die ihm Anerkennung als Gelehrter und Diplomat gebracht hatten, mutet Wynfreths Lebenswende auf den ersten Blick überstürzt an. Dieser Eindruck mag auch seinen Abt bewogen haben, den Reisewilligen nicht ohne Weiteres ziehen zu lassen. Was die Motive des angehenden Missionars betraf, tappte selbst Willibald in seiner Vita im Dunkeln. Ein wenig ratlos argumentierte er mit einer spirituellen Leere, die den Mönch zum Überschreiten der Klostermauern drängte: »Weil aber ein Gott geweihter Geist nicht durch der Menschen Gunst sich erhoben noch durch deren Lobsprüche getragen fühlt, so begann er, anderem in großen Mühen und Sorgen eifrig nachzustreben, den Umgang mit seinen Eltern und Verwandten zu meiden und sich mehr nach der Fremde als den Orten im Land seiner Väter zu sehnen.«16 Obwohl das Leben im Kloster dem Mönch idealiter hilft, eine intellektuelle, emotionale und seelische Unabhängigkeit zu erreichen, hat Wynfreth wohl eine längere Zeit benötigt, um die traditionell engen Bindungen an die Familie abzustreifen und für seine zweite Berufung frei zu werden. So stellte sich jedenfalls Willibald den endgültigen Abschied von der Heimat vor, die, wenn überhaupt, nur auf spirituellem Weg zu meistern war. Über den Wunsch, die entfernten Verwandten auf dem Kontinent zu Gott zu führen, äußert sich Willibald nicht. Vielleicht bewegten Wynfreth aber auch äußere Gründe: Streitigkeiten in der Kommunität, ein Gefühl der Einengung durch die täglichen monotonen Pflichten oder gar eine Lebenskrise.17 In einem Punkt dürfte der Biograph recht haben: Wynfreth hat keine ad-hoc-Entscheidung getroffen, sondern er hat seine Sehnsucht geprüft. Dass die Missionsfahrt zu den Friesen ein Misserfolg wurde, lag daher nicht an der Wahrhaftigkeit seiner Berufung, sondern an der Blauäugigkeit seiner Erwartungen und seines Vorgehens. Auch ein Bonifatius hatte das nötige Lehrgeld zu entrichten, um die Persönlichkeit zu werden, die bis heute verehrt wird. Seinen Abt überzeugt haben dürfte schließlich die Versicherung des künftigen peregrinus, dass es Gottes Wille sei, der ihn antreibe. Göttliche Fürsorge werde ihm daher auf der Reise beistehen.18 Geholfen hat sicher auch das im angelsächsischen wie im irischen Mönch56

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tum verbreitete Lebensmodell der peregrinatio: Wynfreth stand mit seinem Wunsch nicht allein.19 Der Zeitpunkt, in Friesland zu missionieren, hätte ungünstiger nicht sein können. Nachdem der fränkische Hausmeier Pippin der Mittlere in zwei Feldzügen 690 und 695 den Südwesten Frieslands unterworfen hatte, nutzte Herzog Radbod 714 Pippins Tod und schüttelte in den Wirren um die Nachfolge des Verstorbenen die fränkische Herrschaft ab.20 Seinen Machtbereich dehnte Radbod bis zur Maas aus. 716 stieß er sogar nach Köln vor. Willibrord hatte inzwischen Utrecht verlassen und sich in sein Kloster Echternach zurückgezogen. Die Mission bei den Friesen war vorerst gescheitert. Aber gerade die Herausforderung, sie neu zu beginnen, scheint Wynfreth gereizt zu haben. Willibalds Bericht über Bonifatius’ erste Missionsreise im vierten Kapitel der Vita fällt vergleichsweise nüchtern aus. Sie beinhaltet manche sachlichen Angaben, die ihm ein verlässlicher Gewährsmann zugetragen haben muss. Gut ausgerüstet brach Wynfreth 716 auf. Zwei oder drei Mitbrüder begleiteten ihn, »deren körperlicher und geistiger Unterstützung er bedurfte«.21 Er wanderte von Nursling nach Lundenwich, einem angelsächsischen Nachbarort der alten Hauptstadt Londinium  – London, der einen quirligen Markt hatte. Nach kurzer Rast bestieg er ein Schiff, nicht ohne den Schiffsherrn um Erlaubnis gefragt und den Fahrpreis bezahlt zu haben. Unter günstigem Wind gelangte die kleine Gruppe nach Dorestet (Dorestad).22 Dort gerieten die Missionare in die Auseinandersetzung zwischen Friesen und Franken, zwischen Herzog Radbod und dem Hausmeier Karl Martell. Die elf Jahre später anonym verfasste Geschichte der Franken berichtet, Karl habe damals eine Niederlage erlitten.«23 Wynfreth sah die Folgen: Die Kirchen waren größtenteils zerstört, die Missionare vertrieben worden, und in heidnischen Tempeln wurden wieder die alten Götter verehrt. Sie hatten sich offensichtlich dem Christengott als überlegen erwiesen. Die Vielgötterverehrer, ob Anhänger des römischen Pantheon oder Verehrer der germanischen Götterwelt, verband die Überzeugung, dass sie wohlberaten seien, dem stärksten Gott in der himmlischen Hierarchie anzuhängen. Wer 57

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als Missionar Erfolg haben wollte, musste daher die Überlegenheit des Christengottes beweisen. Denn ein Konvertit, eine Konvertitin wechselte nicht nur das Glaubensbekenntnis, sondern brach mit Familien- und Stammestraditionen und nicht selten auch mit dem sozialen Umfeld. Die Konversion war nur der erste Schritt, die Bewahrung und Vertiefung des christlichen Glaubens in einer noch weitgehend paganen Umwelt dagegen die eigentliche Herausforderung. Mission im Frühmittelalter verlangte in der Regel keine tieferen intellektuellen Diskussionen über die Vorzüge des christlichen Gottes. Sie war ein »Kampf konkurrierender Religionen«,24 die um den Sieg der Rechtgläubigkeit rangen. Der stärkste Gott unter den vielen Göttern sorgte für den Lohn. Nach einer Geduldsprobe begegnete Wynfreth Herzog Radbod in Utrecht und bat ihn vergeblich um einen Ort, wo er predigen könne. Denn er hatte Willibald zufolge »den Beschluss gefasst, wenn jemals ersichtlich werde, dass bei einem Teil dieses Volkes das Evangelium Einzug halten werde, hier den Samen Gottes auszustreuen«.25 Die Missionsstation blieb Wynfreth versagt. Eine fromme Erklärung lieferte Willibald, um den Abgewiesenen zu entlasten: »Da nun einmal vergeblich ein Ort bewohnt wird, wenn ihm die Frucht der Heiligkeit versagt ist, so verließ auch der heilige Mann bald den Kontinent.«26 Da es zudem Herbst geworden war, kehrte die Gruppe in ihr Heimatkloster Nursling zurück, wo die Brüder die Heimkehrer mit großer Freude empfingen. Wynfreth ließ sich durch den Fehlschlag nicht entmutigen. Er war entschlossen, nach Friesland zurückzukehren, wie er am Schluss seines Briefes an Nithard ankündigte: »Darum, wenn es der Herr, der Allmächtige will, dass ich, was meine Absicht ist, einst zurückkehre und in die dortigen Gegenden komme, so verpflichte ich mich, dir in allem ein treuer Freund zu sein und im Studium der Heiligen Schrift, soweit meine Kraft reicht, ein ergebenster Gehilfe.«27 Mit seinem Versprechen deutete Wynfreth an, dass er über das Leben in der Fremde eingehend nachgedacht hatte. Auf keinen Fall beabsichtigte der peregrinus, die heimatlichen Bande völlig zu kappen. Freundschaften, ob zu Mitbrüdern oder zu Schülern und Schülerinnen, empfand er 58

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als zu wertvoll, um sie kurzerhand zu beenden. Sicher spürte er auch die Verantwortung des Lehrers, die ihm Anvertrauten auf ihrem geistlichen Weg weiter zu begleiten. Und er war überzeugt, dass die räumliche Distanz kein unüberwindbares Hindernis darstellte. »Oft verbindet in geistiger Hinsicht die Liebe diejenigen, die ein weiter Zwischenraum trennt«, schrieb er Jahre später an Kardinaldiakon Gemmulus, nicht ohne auf den Kirchenvater Augustinus zu verweisen: »Mag auch der eine im Osten und der andere im Westen sein, was durch die Liebe verbunden ist, wird nie voneinander getrennt sein.«28 Liebe, die sich auch im Gebet ausdrückte, war eine Freundschaft stiftende Kraft. Die lange Kette der Briefe, die Bonifatius vom Kontinent in die Heimat sandte, beweist, dass er sein Versprechen gegenüber seinen geistlichen Freunden und Freundinnen gehalten hat. Weitere Briefe an Nithard sind allerdings nicht erhalten. In Nursling traf Wynfreth einen kränkelnden Abt Wynberht an, der bald darauf im Jahr 717 starb. Die Mönche waren sich einig, dass der Heimkehrer der geeignete Nachfolger sei. Der aber wehrte sich zunächst heftig. Sein »Nein« entsprang wohl nicht der üblichen zeremoniellen Weigerung vor der Übernahme eines hohen Amtes, welche die Ernsthaftigkeit der Wähler auf die Probe stellte und dem scheinbar Zögernden, wenn er schließlich nachgab, zusätzliche Autorität verlieh.29 Denn seinen Entschluss, die Mission bei den Friesen wieder aufzunehmen, hatte er bereits gefasst.30 Für diese Deutung spricht, dass Willibald nach Wynfreths Misserfolg sofort dazu übergeht, von dessen neuerlichen Reisevorbereitungen zu berichten. Er scheint zu vergessen, dass Wynfreth tatsächlich für kurze Zeit der Nachfolger Wynberhts war. Denn seine Schülerin, die Nonne Egburg, adressierte einen Brief an den »heiligen Abt Wynfreth«.31 Der verantwortungsbewusste Neuabt wird die Mitbrüder kaum über seine Zukunftspläne im Ungewissen gelassen haben. Abt Wynfreth verstand sich als Mann des Übergangs, als Platzhalter, bis seine Mitbrüder einen geeigneten Kandidaten für die Nachfolge fanden  – kein leichtes Unterfangen, glaubt man dem Tugendkatalog, den Willibald stolz seinem geistlichen Helden ausstellt: Geduld, Selbstbeherrschung, Enthaltsamkeit und Großzügigkeit. Und selbstverständlich hielt Wynfreth das 59

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S­ tundengebet der Mönche ein und war nicht nur ein charismatischer Gelehrter, sondern auch ein geduldiger Beter. Auch die Armen vergaß er nicht.32 Im Herbst 718 war es endlich so weit. Wynfreth verließ mit wenigen Begleitern seine geliebte Heimat, die er nicht mehr wiedersehen sollte. Der Diözesanbischof Daniel von Winchester, der seinem Freund ein Empfehlungsschreiben mitgab,33 half ihm, den endgültigen Bruch mit seinem bisherigen Leben zu vollziehen. Der Brief richtete sich an die Könige, Herzöge, Bischöfe, Äbte, Priester und geistlichen Söhne, »die Christi Namen tragen«. Thema ist die Gastfreundschaft, an die Daniel im Briefstil seiner Zeit mit biblischen Vorbildern erinnert, um sie zu bekräftigen. Sie ist eine große Aufgabe, und es ist Gott wohlgefällig, »gegen Wanderer die Pflicht der Menschlichkeit zu erfüllen«. Wer Gastfreundschaft übt, wird wie Loth aus Sodoms Flammen gerettet. Und wer Wynfreth, »den frommen Priester und Diener des allmächtigen Gottes«, gastfreundlich aufnimmt, dem gewährt Gott selbst Gastfreundschaft und der wird belohnt. Der Bischof befahl den Mönchen, ihren Abt ziehen zu lassen, und setzte einen begabten Mann namens Stephan als Nachfolger ein. Daniels Wohlwollen (benevolentia) begleitete fortan Bonifatius’ Missionstätigkeit.34 Von Anfang an hatte dieser die enge Verbindung der angelsächsischen Kirche mit dem Papst erlebt und die Pilgerreisen der Mönche zu den Gräbern der Apostel Petrus und Paulus verfolgt.35 Die angelsächsische Äbtissin Eangyth klagte allerdings über die Pilgerscharen, die nach Rom zogen, unter ihnen Gönner und Beschützer ihres Klosters, das offensichtlich in wirtschaftliche Schwierigkeiten geraten war und an vermindertem Steueraufkommen litt.36 Da im Pilgerleben spirituelle Schätze schwerer wogen als finanzielle, war es für Wynfreth wie für Daniel selbstverständlich, dass er sich für seinen neuen Lebensabschnitt als Missionar den päpstlichen Segen holte und damit Legitimation. Allerdings bleibt die Frage, warum er nicht schon vor seiner ersten Missionsreise den Weg in die Ewige Stadt gefunden hatte. Die geistlichen Anliegen waren die Vorderseite der Medaille, auf der Rückseite standen die Erkenntnisse aus der verpatzten Friesen60

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reise. Wynfreth hatte wohl erkannt, dass ein frommer Impuls noch keine erfolgreiche Mission garantierte, vor allem wenn der Missionswille sich nicht mit Einzelbekehrungen begnügen wollte, sondern sich auf einen großen Stamm in einem ausgedehnten Gebiet richtete. Wie die ersten Jünger und Jüngerinnen Jesu einfach losziehen und schauen, was sich mit Gottes Hilfe ergibt, war zwar aller Ehren wert, aber strategisch unklug. Mission war nicht die Großtat eines Einzelnen, sondern ein Gemeinschaftswerk, das sich in kirchlichen und weltlichen Strukturen entfaltete und auch auf die Vorstellungen von Papst und Königen Rücksicht nehmen musste. Gegen den Willen der weltlichen Macht vermochte noch so beeindruckende Frömmigkeit allein wenig auszurichten. Mönch Wynfreth war in der missionarischen Realität angekommen. Als ein Mensch, der Lernen und Wissen liebte, scheute er sich nicht, noch einmal von vorn zu beginnen und in die Schule des Lebens und der Mission zu gehen.

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»So erwartet uns in brüderlicher Liebe und Einheit des Glaubens, indem einer des anderen Lasten trägt.« Bonifatius aus Rom an Mitbrüder, Brief 41

Ein Bund fürs Leben Nachdem er noch wichtige Angelegenheiten in seinem Kloster geregelt hatte, brach Wynfreth im Herbst 718 ein zweites und letztes Mal aus der Heimat auf und überquerte wieder von Lundenwich aus den Ärmelkanal. Ein starker Nordwestwind war wohl der Grund, dass sein Schiff nicht die kürzeste Route nahm, sondern gut 40 Kilometer südlich in die Mündung der Canche einlief.37 An dem nach dem Fluss benannten Ort Cuentawich hielt sich die Gruppe längere Zeit auf, bis sich eine größere Schar von Mitpilgern gesammelt hatte. Aus der Heimat hatte der umsichtige Wynfreth wohl durch

Der heilige Bonifatius verlässt England. Nach einem Fresko, 1830/37, von Heinrich Maria von Hess (1798–1863) in der Allerheiligen-Hofkapelle zu München. 62

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Boten seine Reise in den Klöstern der Region angekündigt, und die unter den Mönchen verbreitete peregrinatio fand weitere Teilnehmer. Da der Winter einsetzte, dürfte die vergrößerte Reisegesellschaft beim Überqueren der schneebedeckten Alpen bisweilen auf Versorgungsschwierigkeiten gestoßen sein. Jenseits der Alpen hielt die stattliche Schar die berüchtigten Wegelagerer ab. Selbst in Oberund Mittelitalien respektierten langobardische Krieger die fromme Truppe. Beherbergung fanden die Reisenden in Christengemeinden und Klöstern, die es als gottgefälliges Werk ansahen, die Pilger zu unterstützen.38 Denn Reisen im 8.  Jahrhundert verlangte Geduld, Leidensfähigkeit und eine robuste Gesundheit. Zu Fuß, auf Pferden oder Maultieren, in schwankenden Wagen und Booten – Mobilität war ein Privileg der Eliten. Wer die Strapazen einer Reise, gar einer Pilgerreise auf sich nahm, tat das nicht aus Reiselust, sondern aus wirtschaftlicher Notwendigkeit oder um eines höheren Ziels willen.39 Insgesamt sechs Mal hat Bonfiatius auf seinen drei Romreisen die Alpen überwunden. In Rom angekommen steuerten Wynfreth und seine Gefährten sofort die Peterskirche an, baten um Vergebung ihrer Sünden und brachten die mitgenommenen Opfergaben dar.40 Nach einigen Tagen erhielt Wynfreth eine Audienz bei Papst Gregor II. (dem Jüngeren) und überreichte ihm auf dessen Nachfrage Bischof Daniels Empfehlungsschreiben, das dem Mönch wohl die Tür zum Oberhirten der Kirche aufgestoßen hat. Zuvor hatte er sein Anliegen, seine Vision eines missionarischen Lebens geschildert. Sein Eifer zauberte Willibald zufolge dem Papst ein Lächeln ins Gesicht, und das sprichwörtliche Eis war gebrochen. An die erste Begegnung schlossen sich weitere an. Willibald überliefert »eifrige und tägliche Unterredungen«, die vermuten lassen, dass sich die Gesprächspartner nicht nur über die schöne Pflicht der Gläubigen zur Mission austauschten, sondern auch ins Detail gingen und über Missionsstrategien sprachen. Dass der Hagiograph mit den täglichen Audienzen die Bedeutung des angehenden Missionars überzeichnet, widerspricht einem lebhaften und weitsichtigen Austausch nicht und bedient in einem Federzug die Erwartungen der frommen Leserschaft.41 63

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II. Leben auf dem Kontinent

In der verbleibenden Zeit tat Wynfreth wohl das, was Rompilger aller Epochen lieben: Entdeckungstouren durch die römischen Gassen und Winkel, Besuche und Gebete in Kirchen, Klöstern und an Märtyrergräbern. Um die Bauwerke der paganen Weltstadt vergangener Zeiten machte der hochgebildete Angelsachse sicher keinen Bogen, und vielleicht spürte er immer noch die Spannung zwischen

Statue Gregors II. an der Fassade der Kirche St. Bonifatius in Heidelberg. 64

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paganer Antike und Christentum, die bis in spätere Zeiten ausstrahlte. Wie intensiv und prägend die Erfahrungen waren, die Wynfreth auf dem Weg nach und in Rom machte, belegt 20 Jahre später ein Briefwechsel mit seiner geistlichen Freundin, der Äbtissin Bugga. Sie hatte ihn um Rat wegen einer Pilgerreise in die Ewige Stadt gebeten und haderte, ob sie wegen ihrer vielfältigen Verpflichtungen den Wunsch in die Tat umsetzen sollte. Bonifatius lavierte wegen drohender Angriffe der Sarazenen auf Rom zwischen Zuspruch und Bedenken und fand schließlich zu dem salomonischen Urteil: Sie möge Reisevorbereitungen treffen und auf einen günstigen Zeitpunkt warten, »und dann tun, wozu dich die Liebe zum Herrn drängt.«42 Zum Abschied am 15. Mai 719 erteilte Papst Gregor dem künftigen Missionar den apostolischen Segen und überreichte ihm einen Brief, der »an den gottesfürchtigen Priester Bonifatius« adressiert war.43 Gregor setzte mit dem neuen Rufnamen ein Zeichen. Es war der Name des Tagesheiligen vom 14. Mai, dem Tag, als der Brief aufgesetzt worden war. Unter den Fittichen des Märtyrers von Tarsus, der 306 während der diokletianischen Christenverfolgung den Tod erlitten hatte, sollte Wynfreth-Bonifatius sein Missionswerk beginnen, auch in dem Bewusstsein, dass sein Apostolat mit dem Martyrium enden könne. Gregors Schreiben wurde in die Briefsammlung des Bonifatius aufgenommen und stand in der jüngsten Handschriftenklasse aus der Mitte des 11. Jahrhunderts chronologisch richtig am Beginn anstelle von Bonifatius’ Bischofseid von 722 (Brief 16).44 Der Papst, »Diener der Diener Gottes«, beauftragt den Presbyter Bonifatius als seinen »Mitdiener«, um »ungläubigen Völkern das Geheimnis des Glaubens bekannt zu machen«, und das »in heilbringender Predigt«. Unmissverständlich war das Predigen die Kernstrategie der Mission. Wohl ohne unmittelbare Kenntnis des päpstlichen Einsetzungsschreibens paraphrasierte Willibald Gregors Auftrag pathetischer, aber auch konkreter: Bonifatius sollte »die wilden Völker Germaniens besuchen und erforschen, ob die unbebauten Gefilde ihrer Herzen von der Pflugschar des Evangeliums zu beackern seien und den Samen der Predigt aufnehmen wollten«.45 Der mit Germanien vertraute Bio65

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graph, der an Bonifatius’ missglückten ersten Missionsversuch dachte, hatte recht: Die Missionare mussten das Gebiet, seine Bewohner und die örtlichen Begebenheiten in Augenschein nehmen und auf die Möglichkeit einer Glaubensverkündigung prüfen. In seiner Sicht klingt das an, was in der aktuellen Debatte über die unselige Verknüpfung von Mission und Kolonialisierung in der Neuzeit immer wieder genannt wird: die Inkulturation, die übereifrige Missionare späterer Jahrhunderte auf ihren Bekehrungszügen zu wenig beachteten. Inzwischen revidiert die Forschung ihre allgemeine Kritik und erkennt an, dass es durchaus Missionare gegeben hat, die sich um Inkulturation bemühten. Für die China-Mission im 19. Jahrhundert tut das der Historiker A. M. Wu, dem zufolge nicht alle Missionare überheblich gewesen seien, sondern nicht wenige hätten sich auf die chinesische Kultur eingelassen. Sein Urteil über die China-Mission zwischen 1860 bis 1950 trug so zu einem Blickwechsel in der Missionsgeschichtsschreibung bei.46 Wer sich wie Willibald bereits im 8. Jahrhundert mit den geographischen, religiösen und kulturellen Eigenschaften der Missionsgebiete beschäftigte, zeigte zumindest Ansätze, sich auf die Befindlichkeiten der Bevölkerung einzulassen, auch wenn sein Wissen über germanische Sitten und Bräuche oberflächlich erscheint.47 Auf seiner ersten Reise zu den Friesen hatte Wynfreth seinem Biographen zufolge ähnliche Überlegungen angestellt: »[…] und der wandte sich an den inzwischen ankommenden Herzog Radbod, um zu erforschen, ob in den vielen von ihm durchwanderten und besichtigten Gegenden dieses Landes in Zukunft ihm ein Ort zur Predigt sich eröffnen möge.«48 Papst Gregor  II. lag vor allem daran, Bonifatius mit theologischen Ausführungen und wohlwollenden Bemerkungen über seine Persönlichkeit zu stärken. Die päpstlichen Komplimente waren zugleich eine stille Mahnung und sollten Bonifatius’ Romtreue festigen. Eindringlich ermahnte Gregor ihn, die Amtsvorschriften des Apostolischen Stuhls zu beachten, die er ihm bereits ausgehändigt habe, sowie den römischen Taufvorschriften zu folgen. Gemeint war die Taufformel mit ausdrücklicher Nennung der drei göttlichen Personen, gerade weil die Trinität für Nichtchristen ein schwieriges 66

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Thema, wenn nicht sogar ein Hindernis war, sich taufen zu lassen. Zum Schluss forderte der Papst seinen Gesandten auf, ihn wissen zu lassen, wenn ihm bei seiner Missionsarbeit etwas fehle. E silentio bedeutete die päpstliche Fürsorge auch, ihn stets über die Fortschritte der Mission zu informieren. Das alles in dem Bemühen, »nach Gottes Geheiß dem Herrn ein vollkommenes Volk zu schaffen,« wie auch der päpstliche Nachfolger Gregor III. Bonifatius bestätigte.49 Gregor II. und auch Willibald stellten die Predigt in den Mittelpunkt der Mission. Von einem Vorgehen mit Gewalt war explizit nicht die Rede, was auch gegen den Auftrag Jesu und folglich gegen das christliche Selbstverständnis verstoßen hätte. Bewertungen wie »Zwangsmission« oder »imperialmissionarischer Zugriff« werden später in der Forschung mit Blick auf die Sachsenmission unter Karl dem Großen fallen.50 Allerdings hat die Brutalität der Sachsenkriege in den 70er- und 80er-Jahren des 8. Jahrhunderts mit anschließendem Bekenntniswechsel, den Karls Capitulatio de partibus Saxonia unter Androhung der Todesstrafe durchzusetzen versuchte, rückwirkend auch einen Schatten auf die Mission des Bonifatius geworfen.51 Doch seine Mission und die seiner Mitstreiter standen in der Tradition der frühen Kirche. Eindeutig formulierte der Kirchenschriftsteller Tertullian Ende des 2. Jahrhunderts in seinem Apologeticum 24,6: »Seht vielmehr zu, ob nicht auch das auf den Vorwurf der Gottlosigkeit hinausläuft, wenn jemand der Religion die Freiheit nimmt und ihm die freie Wahl seiner Gottheit verbietet, sodass es mir nicht mehr freisteht zu verehren, wen ich will, sondern ich gezwungen werde, zu verehren, den ich nicht will. Niemand kann von einem Widerstrebenden verehrt werden wollen, nicht einmal ein Mensch.« Gut zwei Jahrhunderte später wird der Kirchenvater Augustinus die »innere Toleranz« in einem Satz verdichten, der bis in die Neuzeit nachhallen wird:52 »Glauben kann der Mensch nur freiwillig.«53 Trotzdem kam es in unterschiedlichen Abstufungen immer wieder zu Gewalt bei den Christianisierungen in Europa und Übersee. Der Kirchenhistoriker Arnold Angenendt erklärt in seinem Artikel Monotheismus und Gewaltmission: »Ihr Gewaltproblem hatten die drei theistischen Hochreligionen nicht eigentlich mit den Andersgläubigen, sondern 67

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mit den eigenen Abgefallenen. Hier sollte denn auch das Christentum seine Gewaltprobleme bekommen.«54 Das Charisma des Wort Gottes sollte die Zuhörer von der Frohen Botschaft überzeugen. Ihr liehen die Missionare ihren Mund. Ein begabter Rhetoriker tat sich leichter als ein wortkarger Verkünder. Kamen wie bei Bonifatius noch eine stattliche Körpergröße und eine authentische Lebensführung hinzu, waren die Zuhörer beeindruckt. Die Persönlichkeit des Missionars trug sicherlich ihren Teil zum missionarischen Erfolg bei. Nicht von ungefähr liebte Bonifatius die Urgestalten der Mission, die Apostel Petrus und Paulus. Daher bat er 735 die Äbtissin Eadburg von Thanet, ihm in Goldbuchstaben die Briefe der Apostel Petrus und Paulus zu schicken. Geschickt versüßte er ihre Hilfsbereitschaft mit den Worten: »Mach es also, teuerste Schwester, auch mit dieser unserer Bitte so, wie deine Güte es mit allen meinen Bitten stets zu machen pflegte, damit auch hierzulande deine Werke in Goldbuchstaben leuchten zum Ruhm des himmlischen Vaters.«55 Auch in weiteren Briefen wie in dem langen Schreiben an Erzbischof Cudberht von Canterbury aus dem Jahr 747 berief sich Bonifatius immer wieder auf die Apostelfürsten. Er rechtfertigte seine missionarischen Anstrengungen mit einem selbstbewussten Verweis auf Paulus, der den Ratschluss Gottes ohne Abstriche und vor allem ohne Rücksicht auf sich selbst verkündet habe. Wie Paulus sollten Priester und Bischöfe für die Gläubigen ein Vorbild sein.56 Da Bonifatius beiden Aposteln nacheiferte und er weder Kosten noch Aufwand scheute, ihre Schriften in goldene Unizialen übertragen zu lassen, wundert es nicht, dass er seine Liebe und Treue auch auf den Petrus-Nachfolger in Rom übertrug. Papst Gregor II. wurde Garant und Schutzherr seiner Mission. Unverbrüchlich stand für ihn die Achse Papst und Missionar, Rom und England und in ihrer Mitte Germanien. Nachdem der frisch gekürte Missionar mit seinen Begleitern Rom verlassen hatte, suchte er den langobardischen König Liudprand (712–744) auf und überreichte ihm Geschenke, die üblichen und beliebten Türöffner zu Begegnungen mit Zukunftspotential. Die groß68

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zügige Geste hatte wahrscheinlich der Papst veranlasst und seinen Missionar wohl auch mit feinen Gaben ausgestattet. Darunter dürften einige der vielen Reliquien gewesen sein, die Pilger aus Rom gern mitnahmen.57 Seit der Mitte des 7. Jahrhunderts war die Verbindung der langobardischen Könige zur katholischen Kirche und zum Papsttum immer enger geworden. Ihre Einvernehmlichkeit förderte auch die Mission, die beachtliche Fortschritte machte.58 Gerade damals lag Papst Gregor II. besonders an der Nähe zu Liudprand, der sich selbst einen katholischen Fürsten nannte. Denn der byzantinische Kaiser Leo III. (717–741) erhöhte den Steuerdruck auf die italischen Gebiete des Reiches einschließlich Roms und der Kirchengüter. Sie sollten für die Kosten aufkommen, die ihm die erfolgreiche Abwehr der arabischen Invasion in den Jahren 717 bis 718 verursacht hatte.59 Nach längerer Rast bei Liudprand  – wahrscheinlich in dessen Residenz Pavia – zog Bonifatius reich beschenkt weiter, überquerte die Alpen und kam nach Bayern.60 Liudprand dürfte den Missionaren dieses Ziel empfohlen haben, weil er vor seiner Thronbesteigung mehrere Jahre in Bayern im Exil gelebt hatte. 712 hatten sein Vater Ansprand und er mithilfe eines Heeres, das ihnen der bayerische Herzog Theudebert zur Verfügung gestellt hatte, die langobardische Königsherrschaft erkämpft. Als Unterpfand der Allianz hatte Liudprand kurz zuvor Theudeberts Tochter Guntrud geheiratet.61 Mit Bayern betrat Bonifatius ein erstes Gebiet, in dem er später intensiver wirken wird, und mit Thüringen, dem »Grenzgebiet Germaniens«, wohin er anschließend weiterzog, folgte ein zweiter Landstrich.62 Bayern erwähnte Willibald zu diesem Zeitpunkt nur namentlich. Thüringen dagegen war für ihn von größerem Interesse.

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»Der Glaube der Herzen als auch die Frömmigkeit der Handlungen möge (unter uns) eins sein!« An Abt Optatus von Montecassino, Brief 106

Eine »kluge Biene« in Germanien Im Herzogtum Thüringen sondierte Bonifatius das Potential einer Mission. Willibald vergleicht ihn poetisch mit einer »klugen Biene«, »die nach ihrer Art die Gefilde durchfliegt und in leisem Flügelsummen die große Anzahl duftender Blumen umkreisend mit kostendem Rüssel forscht, wo sich des Nektars honigreiche Süße verbirgt.«63 Die angelsächsische Biene ging »gemäß dem Auftrag des apostolischen Stuhles« mit Umsicht vor, wie der Biograph nicht vergisst herauszustellen. Der in Würzburg residierende thüringische Herzog Hede II. hatte Bonifatius’ Landsmann Willibrord eingeladen, in seinem Herrschaftsgebiet nördlich des mittleren Main zu missionieren, und er hatte ihn dazu großzügig mit Grundbesitz ausgestattet. Willibrord entsprach der Einladung und sandte Missionare, wohl auch im Einverständnis mit Pippin dem Mittleren, dem »de facto Herrscher des Reiches«, während das merowingische Königtum zu einem »Statussymbol« verkümmert war.64 Das Ergebnis war zwiespältig, wie Bonifatius feststellen musste. Die Reaktion, die Willibald ihm zuschreibt, passt jedoch weniger zu dem Priester von 719 – zumal er höchstens einige Wochen in Thüringen verbrachte –, sondern mehr zu dem späteren Bischof. Seine Einschätzung ist ein Resümee seiner jahrelangen Bemühungen, nicht nur in Thüringen Missstände im örtlichen Christentum und in der kirchlichen Organisation zu bekämpfen. Nur mit Unterstützung der führenden Familien konnte das ehrgeizige Vorhaben gelingen. Dementsprechend begann Willibald: Bonifatius redete zuerst »die Stammeskämpfer und die Fürsten des 70

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ganzen Volks mit geistlichen Worten an«.65 Der Angelsachse folgte dem missionarischen Ansatz »von oben nach unten«.66 Dahinter stand der Gedanke: Wer die Eliten für sich einnimmt, gewinnt auch die Untertanen. So rief Bonifatius die Granden »zurück auf den Weg der wahren Erkenntnis und zum Licht der Einsicht, das sie schon lange und zum größten Teil von schlechten Lehrern verführt, verloren hatten«.67 Die »schlechten Lehrer« waren die Verteidiger der alten Kulte, die Widerstand gegen die neue Religion leisteten. Mission bedeutete mehr als eine erfolgreiche Verkündigung. Das Pflänzchen Glaube musste gehegt und gepflegt werden, um das zähe Ringen mit der traditionellen Religion zu überleben. Das Christentum zog immer dann den Kürzeren, wenn seine Priester nicht durch hohe Moral und überzeugende Verkündigung ihrer Lehre die Menschen anzogen und ihnen auf längere Sicht halfen, ihren neuen Glauben in Alltag und Lebensführung zu integrieren. An die Mitbrüder wandte sich Bonifatius daher als Nächstes. »Aber auch die Geistlichen und Priester, von denen zwar einige den Dienst des allmächtigen Gottes versahen, andere jedoch beschmutzt und verunreinigt durch Hurerei die keusche Enthaltsamkeit, die sie als Diener der Altäre bewahren sollten, eingebüßt hatten, führte er durch seine Ansprachen wieder auf den richtigen Weg – soweit es in seinen Kräften lag«, wie Willibald einschränkte, um anzudeuten, dass selbst Bonifatius nicht immer der strahlende und siegreiche Missionar war.68 Am Ende der thüringischen Mission hatte Willibalds »kluge Biene« sicher drei Herausforderungen ausgemacht, die er für eine erfolgreiche Mission bewältigen musste: die Zusammenarbeit mit den Mächtigen, die Religion als verlängerten Arm ihrer Machtpolitik betrachteten, ferner die Hartnäckigkeit paganer Bräuche und drittens der prekäre Zustand der fränkischen Kirche, die im Widerspruch zu den kanonischen römischen Ordnungsvorstellungen stand.69 Als Bonifatius 719 noch in Thüringen von Radbods Tod erfuhr, machte er sich sofort mit seinen Gefährten nach Friesland auf. Dort traf er Willibrord, der ebenfalls zurückgekehrt war, um sein unterbrochenes Missionswerk bei den Friesen fortzusetzen. Ein Glücksfall für sie war, dass der fränkische Hausmeier Karl Martell nach dem 71

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Tod seines Gegners die Niederlage von 716 gutmachen, Radbods Herrschaftsgebiet zurückerobern und in das Frankenreich integrieren konnte. Dieses Ende hatte Radbod stets befürchtet, weswegen er sich auch gegen die Christianisierung der Friesen gesperrt hatte.70 Wie schon zuvor sein Vater Pippin förderte Karl Martell die erneute Mission des Erzbischofs der Friesen und seines sanctus hic Dei famulus cooperator.71 Demütig ging Bonifatius in die Lehre seines erfahrenen Landsmannes: Tempel wurden zerstört, Kirchen errichtet, und »eine nicht kleine Anzahl Volks« wurde »in großen Mühen« zum Christengott bekehrt.72 Missionszentrum war Utrecht mit seiner Kirche und seinem Kloster, die Karl Martell reich ausstattete. Allerdings stieg Friesland nicht zu einer eigenen Kirchenprovinz auf, weil Karl aus politischen Gründen die kirchliche Selbstständigkeit verhinderte.73 Die Abhängigkeit der kirchlichen Gewalt von der politischen bezeugte Willibrord in seinem Testament, in dem er von Karl, dem maior domus, als »unserem Herrn« und »unserem Senior« sprach.74 Drei Jahre diente Bonifatius Willibrord mit großem Erfolg, wie er an Freunde in der Heimat schrieb. Erhalten ist eine Antwort von Bugga, der Tochter und Nachfolgerin der Äbtissin Eangyth, die ihren Brieffreund um 720 zu seiner erfolgreichen Verkündigung beglückwünscht. Besonders beeindruckt ist Bugga, welche die Missionserfolge der göttlichen Barmherzigkeit zuschreibt, von einer Traumvision des Bonifatius: »Darauf hat er im Traum dir selbst enthüllt, dass du unverhohlen Gottes Ernte abmähen und die Garben der heiligen Seelen in die Scheune des Himmelreiches einbringen sollst.«75 Zwischen den Zeilen wird bestätigt, dass die zweite Berufung nicht nur Bonifatius’ Herzenswunsch war, sondern ein göttlich inspirierter Auftrag. Ohne die für ihn eindeutige Rückbindung an den Willen Gottes hätte er vielleicht sein ruhiges und ausgefülltes Klosterleben nicht hinter sich gelassen. Einen Wermutstropfen gießt Willibald in die Erfolgsgeschichte mit der bereits oben genannten Formulierung, Bonifatius habe mit Willibrords Hilfe »eine nicht kleine Anzahl Volks« gewonnen.76 Der alternde Friesenbischof habe dann, auch auf Drängen seiner Schü72

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ler, versucht, Bonifatius ein bischöfliches Amt zu übertragen, ihn also zum Chorbischof zu weihen.77 Ausführlich geht Willibald auf das Drängen des Älteren und die Ablehnung des Jüngeren ein.78 Erst Bonifatius’ Hinweis, ein so hohes Amt nicht ohne Einwilligung des Apostolischen Stuhls zu übernehmen, der ihn eigentlich »zu den östlichen Gegenden der Barbaren« entsandt habe, ließ Willibrord einlenken. Offensichtlich wollte Bonifatius selbstständig missionieren und nicht länger famulus unter der »führenden Herrschaft« (gubernationis dominio) sein.79 Beschönigend sprach Willibald von einer »den Einklang trotzdem nicht störenden Entzweiung schöner Art«.80 Sicher fühlte sich Bonifatius an sein Versprechen gebunden, nichts ohne Einwilligung des Papstes zu unternehmen. In den »östlichen Gegenden der Barbaren« war auch schon Willibrord umhergereist, ohne dass es zu einer vertieften Mission gekommen wäre. Dieses Feld des Glaubens wollte Bonifatius nun konsequent beackern. Sein großer Traum war die Mission unter den Sachsen.81 Willibrord ließ seinen tatenhungrigen Mitbruder ziehen. Mit seinem Segen machte sich Bonifatius auf den Weg.82 Zwietracht unter Glaubensbrüdern passte nicht so recht in das christliche Bild. Einheit und Eintracht mussten zumindest literarisch und formal hochgehalten werden. Die kommenden 15 Jahre wird Bonifatius überwiegend in Hessen und Thüringen zubringen. Hessen gehörte zwar schon zum Frankenreich, grenzte aber im Osten an Sachsen, das Fernziel des Bonifatius. Im Gegensatz zur Westhälfte Hessens lebten die östlichen Einwohner weiterhin in ihren paganen Traditionen.83 Bonifatius’ erstes Ziel war das hessische Amanaburch (Amöneburg), der zentrale Stützpunkt der Franken im oberen Lahngau. Hessen mit einer Anzahl von Kleinstämmen war seit Chlodwig I. in den fränkischen Machtbereich geraten, verstärkt, seit das nördliche Thüringerreich 531 durch eine Niederlage an der Unstrut vernichtet worden war. Die Hessen wurden nicht militärisch gewonnen, sondern die fränkische Oberhoheit setzte sich in einem langen Prozess durch, zu dem auch die Missionierung beitrug.84 Karl Martell und Pippin der Mittlere sicherten den Norden durch eine Reihe von Höhenburgen, bei denen ältere Berg73

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festungen ausgebaut und verstärkt wurden, etwa Büraburg bei Fritzlar und Kesterburg (Christenberg) bei Marburg. Zu ihnen gehörte auch Amöneburg östlich von Marburg.85 Herren von Amöneburg waren die Zwillingsbrüder Dettic und Deorulf. Bonifatius erlebte, was er schon in Thüringen erfahren hatte: ein Christentum, das kaum mehr den Namen verdiente, weil es von den alten paganen Bräuchen überformt war. Denn die Odinverehrer erkannten kein theologisches Problem darin, den Christengott in ihr Pantheon zu integrieren. Sie für den Absolutheitsanspruch der christlichen Religion zu gewinnen, war eine der schwierigsten Aufgaben der Missionare. Letztlich lief die religiöse Überzeugungsarbeit wie stets auf die Frage hinaus: Wer ist mächtiger, Odin oder Christus? Konsequent ging Bonifatius den Synkretismus an, um die Bewohner zum richtigen Glauben zurückzuführen. Er zog eine Reihe von Gottesdienern herbei und gründete ein kleines Kloster (monasterii cellam) in Amöneburg. Danach setzte er im Norden »an der Grenze zu den Sachsen« die Christianisierung und sein Reformwerk fort.86 Die Aussage Willibalds, er habe vielen Tausenden das Heidentum ausgetrieben und die Taufe gespendet,87 wird man einschränken müssen, selbst wenn es einmal zu einer Massentaufe gekommen war. Bonifatius und seine Missionare konnten sich jedenfalls über beeindruckende Erfolge in kurzer Zeit freuen. Nun galt es, die Erfolge sturmfest und alltagstauglich zu machen. Es begann die mühselige Christianisierung des persönlichen und gemeinschaftlichen Lebens der Neugetauften, um die gefürchtete Vermischung christlicher und paganer Traditionen zu verhindern. Die geographische Angabe »Grenze zu den Sachsen« verrät, dass Bonifatius seine Aufgabe zunächst noch innerhalb des fränkischen Herrschaftsgebiets Hessen und Thüringen sah. Daher konnte er auch mit dem Wohlwollen und der Unterstützung Karl Martells rechnen. Doch lag ihm auch daran, dem Papst mitzuteilen, inwieweit er bisher dessen Missionsauftrag erfüllt hatte. Daher sandte er einen zuverlässigen Boten namens Bynna nach Rom. Ausgestattet mit einem Rechenschaftsbericht sollte der Gesandte auch Antworten auf eine Reihe von Fragen zurückbringen, die den Missionsalltag betrafen. 74

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Bonifatius erhoffte sich Ratschläge vom obersten Seelsorger und vor allem Entscheidungssicherheit.88 So hatten es schon frühere Missionare gehalten, angefangen von Augustinus, dessen Fragen sowie die Antworten von Papst Gregor dem Großen ungekürzt in Bedas Kirchengeschichte einflossen.89 Vermittelt hatte ihm das Dokument der Londoner Priester Nothelm, der spätere Erzbischof von Canterbury, der in Rom die päpstlichen Archive nach Papstbriefen zur englischen Mission erforscht hatte.90 Bonifatius’ Brief und das päpstliche Antwortschreiben haben sich nicht erhalten. Willibald erfuhr nur, dass sein Protagonist der Antwort entnahm, er solle nach Rom kommen.91 Hatte er selbst um die Bischofsweihe nachgesucht oder hatte der Papst seinerseits angedeutet, aus ihm einen episcopus zu machen? Sosehr das persönliche Charisma des Missionars die Glaubensverbreitung beflügelte, so hilfreich war die Autorität des bischöflichen Amts.

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»Wenn ich erkenne, dass Bischöfe gegen die alten Anordnungen heiliger Väter leben, [werde ich] mit ihnen keine Gemeinschaft oder Verkehr unterhalten, sondern vielmehr, wenn ich es zu hindern vermag, will ich es verhindern, andernfalls sofort getreulich meinem apostolischen Herrn berichten.« Aus dem Bischofseid des Bonifatius (722)

Römischer Ritterschlag Mit einer größeren Pilgerschar, zu der nicht nur Mönche und Priester, sondern auch Privatleute (clientes) gehörten, machte sich Bonifatius 722 auf den Weg nach Rom. Sie wählten die Westroute durch Burgund, überschritten auf einem der westlichen Pässe die Alpen, durchzogen Italien und »die Grenzen der Soldaten«, mit denen wohl die langobardischen Dukate gemeint waren.92 Die bildliche Schilderung deutete darauf hin, dass solche Pilgerreisen nicht ungefährlich waren. Das galt besonders für Pilgerinnen. Bonifatius kannte die Gefahren nur zu gut. Jahre später wird er seiner geistlichen Freundin Bugga zur Vorsicht raten, als sie  – von der Leitung ihres Doppelklosters erschöpft – Ruhe an den Gräbern der Apostel finden will.93 Der Weiterzug des Rompilgers durch langobardisches Gebiet hing von dem guten Willen der langobardischen Behörden ab, die ihn von den Klausen an der Grenze bis zum Betreten des Römischen Reiches überwachen konnten.94 Rom hatte nicht auf Bonifatius gewartet. Und doch war der erfolgreiche Missionar Gesprächsstoff, was ihm eine Erwähnung, die einzige überhaupt, im Liber Pontificalis, eintrug, einer chronologischen Sammlung der Papstviten.95 Wie bei seiner ersten Romreise musste er sich einige Tage in Geduld üben, bis es in der Peterskirche zur Begegnung mit dem Papst kam. Gregor begann, ihn über das Symbolum und die kirchliche Glaubenstradition zu prüfen.96 Der Oberhirte woll76

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te ergründen, ob der Glaube des künftigen Missionsbischofs auf festem Grund stand, in seine Bekehrungspredigten keine der damaligen häretischen Anschauungen wie der Monophysitismus oder der Mono­ theletismus einflossen. Besonders gefährlich war der für Nichtchristen so einleuchtende Arianismus, gegen den es die orthodoxe Zweinatu­ renlehre Christi schwer hatte. Bonifatius bat, sein Glaubensbekenntnis niederschreiben zu dürfen, da er als Fremder mit der Umgangssprache des Papstes nicht vertraut sei. Gregor sprach Vulgärlatein, das in Rom gepflegt wurde. Es war gewöhnungsbedürftig für die Ohren dessen, der wie Bonifatius am klassischen Latein geschult war. Gregors öffentliche Verlautbarungen und Briefe, die von der päpstlichen Kanzlei redigiert wurden, vermieden dagegen das Vulgärlatein, ebenso das Kirchenlatein. Dem Papst war Bonifatius’ schriftliches Glaubensbekenntnis genehm, war es doch der beste Beleg für die Rechtgläubigkeit des Verfassers und seine Auffassung von der sancta trinitas.97 Nach einiger Zeit wurde Bonifatius in die Lateranbasilika geladen, wo der Papst ihn fast den ganzen Tag belehrte und in seinem Missionsauftrag bestärkte, sich aber auch nach seinen bisherigen Erfolgen erkundigte. Am Ende bestimmte er den 30. November, das Fest des Apostels Andreas, für die Bischofsweihe seines GermanienMissionars. Begleitend zur Weihe überreichte er ihm ein Buch mit den Satzungen verschiedener Bischofssynoden, die ihm die Richtschnur für sein künftiges Wirken sein sollten. Die Bindung an den Papst und die römische Kirche vertiefte der Neugeweihte durch den Treueid, den er nach der Weihe schwor und dessen Text in die Briefsammlung aufgenommen wurde.98 Vorlage des Texts war der Liber diurnus, eine Sammlung von Formularen, die seit dem 7./8. Jahrhundert von der päpstlichen Kanzlei benutzt wurde.99 Adressat des Eids war an erster Stelle der Apostelfürst Petrus, dann Papst Gregor und seine Nachfolger. So war es Petrus selbst, der den Bischof Bonifatius erneut in die Mission schickte. Der las das Eidformular (indiculum sacramenti) vor der Grabmemoria des heiligen Petrus in der Krypta der Peterskirche. Am Ende legte er die unterschriebene Urkunde auf das Grab des Heiligen und machte das Dokument durch die Berührung zu einer Kontaktreliquie.100 77

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Die Schwurverpflichtung mit der üblichen trinitarischen Beteuerungsformel lautete: »Alle Treue und Reinheit mit dem heiligen katholischen Glauben zu beweisen und mit Gottes Hilfe bei der Einheit dieses Glaubens zu bleiben, auf der, wie unbezweifelbar anerkannt wird, alles Heil der Christen beruht.«101 Diesen zu erwartenden Inhalt erweiterte Bonifatius in einer vom Liber diurnus abgewandelten Form: Er werde nicht einverstanden sein, wenn jemand gegen die Einheit der Kirche rede. Er werde ferner keine Gemeinschaft mit Bischöfen pflegen, wenn diese »gegen die alten Anordnungen heiliger Väter leben«, und er werde sie dem Papst, seinem »apostolischen Herrn« melden. Aus dem Zusatz sprach der künftige Reformer, der bereits erschütternde Erfahrungen mit dem zerrütteten Christentum in Thüringen gemacht und eine Erklärung im mangelnden Vorbild der Hirten gefunden hatte. Die Drohung, Verfehlungen der römischen Behörde anzuzeigen, hat ihn sicher dem Verdacht ausgesetzt, ein mitbrüderlicher Verräter oder Spitzel zu sein. Doch offensichtlich sah er keine andere Möglichkeit, der religiösen und moralischen Missstände Herr zu werden. Mit der Meldung an den Papst antwortete er auf die Auszeichnung, dass ihm Gregor ausdrücklich »von jetzt an bis in alle Zukunft enge Gemeinschaft (familiaritatem) mit dem heiligen Apostolischen Stuhl gewährte«.102 Am Tag nach seiner Weihe erhielt Bonifatius mehrere Schreiben vom Papst. Das erste war an den Klerus, die weltlichen Amtsträger und alle gottesfürchtigen Christen103 in »einigen Stämmen in Germanien im Gebiet östlich des Rheins« gerichtet (Brief 17). Sie sollten den Bischof bei seiner Aufgabe unterstützen, die ungetauften Götteranbeter zum rechten Glauben und zur Taufe zu führen. Den Widersachern des Missionars wurde der göttliche Bannfluch angedroht: »Wer aber, was wir nicht wünschen, versucht, seine Arbeit durch Widersetzlichkeit zu behindern oder der ihm übertragenen Tätigkeit entgegenzuwirken und der seiner Nachfolger, die in dieselbe Arbeit eintreten, der soll nach dem Richterspruch Gottes vom Bannfluch getroffen ewiger Verdammnis verfallen.« Entgegen kanonischer Vorschrift wurde dem »von der apostolischen und katholischen Kirche Gottes Ausgeschickten« nicht ein bestimmter Bischofs78

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sitz zugewiesen (»relative Ordination«), sondern seine Ordination war »absolut«.104 Ein weiteres Schreiben vom 1. Dezember 722 (Brief 18) umriss Bonifatius’ Amtsvollmachten, an erster Stelle die Bestimmungen für die Weihen von Klerikern beziehungsweise die Weihehindernisse: »Ihm haben wir den Auftrag gegeben, niemals unerlaubte Weihen vorzunehmen, keinen zur heiligen Weihe zuzulassen, der in Doppelehe lebt oder nicht eine Jungfrau geheiratet hat, keinen, der nicht lesen und schreiben kann.« Wer einer Kirchenbuße unterlag, hatte ebenfalls keine Aussicht, geweiht zu werden. Ausgeschlossen waren ferner nicht nur Männer mit körperlichen Einschränkungen, sondern auch, wer »dem Hofdienst oder sonst wie verpflichtet und gezeichnet war«. Vor allem die letzte Vorgabe war ein heikles Thema, wie Bonifatius noch erfahren sollte. Aus heutiger Sicht ein Fall für eine »Korrektheitsdebatte« war die Einstellung gegenüber Afrikanern, »die sich allenthalben zu kirchlichen Weihen herandrängen«. Diese sollte Bonifatius auf keinen Fall berücksichtigen, weil sie »schon öfter als Manichäer, andere als wiedergetauft überführt worden sind«. Bischöfliche Stolperfallen bot auch die Verteilung des Kirchengutes und der Opfergaben, sofern sie aus Realien und nicht aus Geldbeträgen stammten. Die präzisen Vorschriften für die Tage, an denen Priester und Diakone geweiht und Gläubige getauft werden durften, waren ein besonderes Anliegen des Papstes, welcher der römischen Liturgie auch außerhalb Roms Geltung zu verschaffen suchte.105 Bonifatius selbst hat wahrscheinlich Papst Gregor II. zu einem Brief veranlasst, nachdem er seinem Mentor von den Erfahrungen in Thüringen berichtet hatte.106 Namentlich richtete sich das päpstliche Schreiben an die fünf thüringischen Adligen Asolfus, Godolaus, Wilareus, Gundhareus und Alvoldus und darüber hinaus »an alle gottgeliebten Christgläubigen Thüringens«. Das überschwängliche Lob derer, die für ihren Glauben sogar sterben würden, war eher rhetorische Steigerung (amplificatio) und auffordernde Schmeichelei (adulatio) als realistische Beschreibung. Realist wurde der Papst zum Schluss, als er die Adressaten bat, dem neu geweihten Bruder Bonifa79

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tius, den er »mit der Aufgabe eines Missionspredigers« zu ihnen schicke, gehorsam zu sein »in allem zur Vervollständigung eurer Rettung im Herrn«. Der Empfehlungsbrief belegt erneut eindrücklich, dass der Erfolg bei der Mission und in der Christianisierung von einem guten Zusammenspiel zwischen dem ortsansässigen Adel und den Missionaren abhing. An Karl Martell richtete der Papst ein letztes Empfehlungsschreiben mit der respektvollen Anrede »an den ruhmreichen Herrn, unseren Sohn, den Herzog«. Überliefert ist das Schreiben außerhalb der ursprünglichen Briefsammlung in der Bonifatius-Vita (1,16), die der Benediktinermönch Othlo von St. Emmeram im 11. Jahrhundert vornehmlich nach Willibalds Vita in zwei Büchern verfasst hat.107 Die Echtheit des Briefs wurde verschiedentlich in Zweifel gezogen.108 Der Papst zeigte dem Hausmeier die Weihe des Bonifatius an und tat das auch mit Blick auf den Einfluss, den die merowingischen Könige und gerade auch der Franke Karl Martell auf die Erhebung von Bischöfen genommen hatten. Den Aufgabenbereich beschrieb der Oberhirte wie schon zuvor. Bonifatius sollte den Leuten des Volkes Germaniens und den verschiedenen Bewohnern des Gebiets ostwärts des Rheins predigen. Er bat Karl, er möge ihm in allen Nöten helfen und ihn gegen Widersacher in Schutz nehmen. Dass dem Hausmeier daran auch in eigenem Interesse gelegen sein musste, deutete er bei den Widersachern an: »[…] über die ihr im Herrn obsiegt«.109 Ausbreitung des Christentums und Festigung der fränkischen Herrschaft sollten Hand in Hand gehen und sich gegenseitig ergänzen. Willibald sprach von einem »allerheiligsten Brief« an Karl. Der habe Bonifatius »unter Schutz und Schirm der Herrschaft des ruhmvollen Herzogs« gestellt.110 Nach seiner Rückkehr habe Bonifatius das Empfehlungsschreiben Karl persönlich überreicht. In einem Rundschreiben, das er an »Bischöfe, Herzöge, Grafen, Statthalter, Verwalter, Unterbeamte, Sendboten und Freunde« richtete, bestätigte der heimliche Herrscher im Frankenreich dem Missionsbischof seinen Schutz (Brief 22). Bei Streitigkeiten, die sich auf dem Rechtsweg nicht beilegen ließen, sollte er unbeschadet mit seinen Widersachern vor ihm erscheinen. Eigenhändig unterschrieb 80

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Römischer Ritterschlag

und siegelte Karl das Dokument. So geschützt zog Bonifatius nach Nordhessen, um die Mission fortzusetzen, die er wegen der Romreise unterbrochen hatte.111

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»Außen Kämpfe, innen Ängste.« Bonifatius an die Äbtissin Eadburg, Brief 65

Bewährungsprobe in Hessen und Thüringen Zwischen 723 und 724 erhielt Bonifatius von seinem alten Freund und Förderer Bischof Daniel von Winchester einen Brief mit Ratschlägen, wie er die Götterverehrer vom christlichen Glauben überzeugen könne. Sein Schreiben zählt zu den raren Dokumenten im Frühmittelalter, die sich methodisch mit der Gattung Missionspredigt beschäftigen.112 Der Freund strebte weniger einen theologischen Disput an, sondern vertrat eine handfeste Apologetik, aus der sich von selbst die gegensätzliche pagane Welt ablesen ließ. Auf die Anrede folgte, wie in mittelalterlichen Briefen üblich, die salutatio, eine wort- und bildreiche Begrüßung, die sich in der Regel dreier Topoi bediente: Lob des Adressaten, Demutstopos und Unterwürfigkeitstopos.113 An der Art, wie der Briefschreiber oder die Briefschreiberin mit den Formeln spielte, sie mit Leben füllte, zeigte sich ihr Bildungsgrad. Überschwänglich lobt Daniel seinen Mitbruder, preist seine Glaubensstärke und bewundert seine Hartnäckigkeit bei der missionarischen Kärrnerarbeit. Auf eine explizite Demuts- oder Unterwürfigkeitsformel verzichtet der Ältere, was wohl auch ein Hinweis darauf ist, dass mittelalterliche Briefe nicht immer vom ersten bis zum letzten Satz durchformalisiert sind. Daniel verweist lediglich auf ihre langjährige Freundschaft, mit der er vorab seine Ratschläge rechtfertigt, nicht ohne noch einmal die Klugheit seines Freundes herauszustellen.114 Bereits im Folgesatz kommt er zur Sache, die ihm offensichtlich eine Herzensangelegenheit ist. Seine Argumentation beginnt der Bischof mit der Theogonie, die selbst bei oberflächlicher Kenntnis der germanischen Mythologie 82

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naheliegt:115 Die Götter sind gezeugt; es gab sie nicht immer. Diese Göttervorstellung provoziert Fragen: Wer herrschte vor ihrer Geburt? Wie errichteten die Götter ihr himmlisches Reich? Und warum haben sie das Zeugen von Götterkindern aufgegeben? Wenn nicht, so müsste es inzwischen unzählige Götter und Göttinnen geben. Auch die Sinnlosigkeit der Opfer für die Bewohner des Olymp, die angeblich alles haben, war ein altes Argument aus der apologetischen Hausapotheke.116 Der erfahrene Prediger und Missionar rät dem Lehrling zu gelassenem Vortrag und vor allem zur Mäßigung (magna moderatione).117 Die zu Bekehrenden sollen weder beschämt noch erbost werden. Wo Daniel allgemein von »gelassenem Vortrag« spricht, war gut ein Jahrhundert zuvor Papst Gregor der Große in einem Brief vom 17. Juni 601 konkreter geworden. Sein Schreiben, das Beda in seine Kirchengeschichte aufgenommen hat, gab Gregor dem Abt Mellitus und seinen Gefährten mit, die Augustinus bei seiner angelsächsischen Evangelisierung unterstützen sollten: Die Missionare durften nur die Götterbilder in den Tempeln zerstören, die Bauten sollten sie dagegen lediglich mit Weihwasser besprengen, danach Altäre in ihnen errichten und Reliquien dort niederlegen. Der bauliche Fortbestand ihrer Tempel würde die Götzendiener zum wahren Gott bekehren, war der Papst überzeugt.118 Verstockten Gemütern alles auf einmal zu verwehren, war ihm zufolge zweifellos kontraproduktiv. Denn wer den höchsten Gipfel ersteigen will, begibt sich in Schritten und Tritten in die Höhe, nicht aber in Sprüngen.119 Gut ein Jahrhundert später mahnt auch Bischof Daniel zu Geduld und setzt auf Vernunft statt Zwang. Entscheidend ist folgende Einsicht: »Von Zeit zu Zeit muss man solchen Aberglauben mit unseren, d.  h. christlichen Lehren, vergleichen und sozusagen nur am Rand streifen, damit die Heiden mehr aus Beschämung als aus Erbitterung wegen solcher unsinnigen Meinungen erröten und nicht glauben, dass ihre sündhaften Gebräuche und Göttersagen uns unbekannt sind.«120 Das konfrontative Element der Missionspredigt tritt in den Hintergrund. So wie der Missionar respektvoll auftreten soll, darf auch er Respekt einfordern. Der Bischof von Winchester empfiehlt eine Begegnung, die – modern gesprochen – »auf Augen83

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höhe« ablaufen soll. Noch einmal betont er, wie entscheidend es ist, dass der Missionar mit der Lebenswelt vor Ort vertraut ist. So weiß Daniel, dass die Germanen ihre Götter vor allem in »Hainen und Wäldern« verehren. Denn »sie in Wänden einzuschließen« sei mit ihrer Größe nicht zu vereinbaren, wie Tacitus bereits verallgemeinert hatte.121 Doch auch der Geschichtsschreiber spricht gelegentlich von einem Tempel in Germanien.122 Die »Augenhöhe« galt allerdings nicht mehr, wenn es um Glaubenswahrheiten ging: »Denn wenn bei den Christen täglich Kinder der Gläubigen getauft werden, was tut man da anders, als sie einzeln zu reinigen von dem Schmutz und der Schuld des Heidentums, in der sich einst die Welt befand?«123 Scheinen die Widerstände trotz aller Mühen unüberwindlich, hilft ein Blick auf die Apologeten des 2. und 3. Jahrhunderts: Dass sich die christliche Religion auch unter heftigem Verfolgungsdruck ausbreitete, war ihnen der Beweis für die Überlegenheit des christlichen Bekenntnisses.124 Daniel kehrte den Beweis um: Die Heiden, die einst die Mehrheit stellten, sind längst zur Minderheit geworden, die mit ihrem Götzendienst unwirtliche Randzonen bewohnen, während die Christen die fruchtbaren Regionen der Erde bevölkern. Und was unternehmen die Götter gegen das Ansehen und den wirtschaftlichen Erfolg der christlichen Zeitgenossen? Nichts. Im missionarischen Überschwang vergaß Daniel, dass weiterhin auch gut situierte und mächtige Vielgötterverehrer unter der bekehrten Bevölkerung lebten: »Und warum besitzen diese, d.  h. die Christen, fruchtbare Länder und Gebiete, die Wein und Öl erzeugen und mit sonstigen Schätzen im Überfluss gesegnet sind, während sie diesen, den Heiden und ihren Göttern, nur die immer von Kälte starrenden Länder gelassen haben? Fälschlicherweise glaube man, dass sie immer noch herrschen, obwohl sie aus dem ganzen Erdkreis vertrieben worden sind.«125 Nur indirekt geht aus Daniels Ratschlägen das wichtigste Argument hervor: Der christliche Gott ist stärker als alle Götzen und hilft daher seinen Anhängern wirkungsvoller. Aus diesem Grund hatte sich der Merowingerkönig Chlodwig zum Christentum bekehrt, mit weitreichenden historischen Folgen. Auch Bonifatius lieferte etwa um die Zeit von Daniels Brief einen Beweis für die Über84

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Bonifatius fällt die Donar-Eiche bei Geismar. Farblithographie, um 1900, nach dem Fresko, 1834/44, von Heinrich Maria von Hess in der Bonifatiusbasilika in München.

legenheit des Christengottes – lediglich mit lokalen Folgen, aber mit einer umso spektakuläreren Nachgeschichte in seiner Biographie. Mit ausdrücklicher Erlaubnis Karl Martells war er nach Hessen zurückgekehrt, wo mittlerweile Christen und Anhänger der verschiedenen alten Kulte nebeneinander lebten. Ortskundige Christen wiesen den Missionsbischof auf eine hochverehrte riesige Eiche bei Geismar hin, die dem Wettergott Donar geweiht war. Im Volksmund hieß sie auch Jupitereiche.126 Das Gerücht, er wolle sie fällen, hatte eine große Menge aufgebrachter Donarverehrer auf die Beine gebracht, die Bonifatius hasserfüllt beobachteten. Als er die Axt ansetzte, stürzte der Baum und zerbrach in vier große Teile. Ein Wunder. Um keine Zweifel aufkommen zu lassen, bemerkte Willibald, eine göttliche Kraft habe das Wunder bewirkt, die Begleiter des Bonifatius hätten nichts dazu beigetragen. Das »nichts« ist deutbar. Denn unausgesprochen sorgten die Begleiter dafür, dass die erzürnten Alt85

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gläubigen dem Bischof nicht zu nahe kamen. Sicherheit gaben ihm auch die nicht weit entfernten fränkischen Festungen Büraburg und Fritzlar. Im Jahr 741 erhob Bonifatius Büraburg zum Sitz für seinen Gefährten Witta, den er zum Bischof weihte. In einem Schreiben vom 1. April 743 bestätigt Papst Zacharias die Gründung des Bistums Büraburg: Bonifatius habe »unlängst in Germanien drei Bischofssitze, deren einer unter eurer Liebden Leitung steht, ausgewählt und errichtet und die Provinz in drei Sprengel eingeteilt«. In großer Freude habe er die Hände zum Himmel erhoben und Gott gedankt.127 Fritzlar, den Stützpunkt für die weitere Mission in Nordhessen, hatte Bonifatius bereits 732/733 in ein Kloster umgewandelt, das eine Ausbildungsstätte für seine geistlichen Mitarbeiter wurde.128 Als Abt Wigbert starb, strebte der Germanenmissionar eine Neuordnung der klösterlichen Verhältnisse an. In einem Brief von 746 oder 747 drang er darauf, die Gebetsstunden einzuhalten, die Kirchenordnung zu beachten, die Kinder zu lehren und den Brüdern das Wort Gottes zu verkünden. Den Mönchen wies er namentlich ihre Dienste zu: »Hiedde soll Propst sein und unseren Hörigen Weisungen geben, Hunfried soll ihm, wo es immer nötig ist, behilflich sein. Stirme sei in der Küche. Bernhard sei ein Werkmeister und baue, wo es nötig ist, an unseren domuncula – Häuschen. Und bei allem, wo es nötig ist, fragt den Abt Tatwine und tut, was er euch heißt.«129 Die hehren Ziele der Mission wurden in tagtäglicher Kleinarbeit erreicht. Für sein Baumwunder hatte Bonifatius ein berühmtes Vorbild: Martin von Tours, der sich mit großem Gottvertrauen auf eine Wette einließ. Sulpicius Severus, sein zeitgenössischer Biograph, wusste das Ereignis dramatisch in Szene zu setzen.130 Der Bischof von Tours hatte sich den Zorn eines Dorfes samt heidnischem Priester zugezogen, weil er ihren alten Tempel zerstört hatte und sich anschickte, einen mächtigen Baum zu fällen, der in der Nähe des in Trümmern liegenden Heiligtums stand. Die Bewohner begannen zu diskutieren, und Martin stimmte einem Gottesbeweis zu: »Wenn du nur irgendein Vertrauen zu deinem Gott hast, den du, wie du sagst, verehrst, dann werden wir selbst diesen Baum fällen. Du wirst ihn auffangen, wenn er fällt; und wenn dein Herr, wie du sagst, bei dir ist, wirst du davon86

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kommen.« Die listige Dorfgemeinschaft rechnete sich gute Siegeschancen aus, weil sich der angeschlagene Baum schon auf eine Seite neigte. Flugs stellten sie Martin gefesselt dorthin. Johlend machten sich die Vielgötterverehrer an ihr Werk, und der Baum drohte, den Missionar zu begraben. Völlig gelassen schlug Martin ein Kreuzzeichen gegen ihn, und wie von Sturmes Hand gelenkt, änderte der Baum die Richtung und hätte fast die Bauern erschlagen. Das Wunder löste eine große Bekehrungswelle aus, und so war es auch bei Bonifatius und der Donar-Eiche.131 Da sich seit Chlodwigs Konversion die Martinsverehrung im Frankenreich verbreitet hatte, dürfte Willibald dessen Vita gekannt haben. Dagegen hatten die mythischen Erzählungen »vom Fällen heiliger Bäume« keinen Einfluss auf ihn, wie Michael von Albrecht bemerkt, der drei antike Beispiele (Kallimachos, Ovid und Lukan) mit der Bonifatius-Vita zusammenstellt.132 Eichen gehörten bei den Germanen zu den am meisten verehrten Bäumen. Dem Gewittergott Donar, einem Hauptgott der Germanen, waren sie vor allem deswegen heilig, weil sie ihrem Glauben zufolge häufiger als andere Bäume vom Blitz getroffen wurden.133 Bonifatius entzauberte den Eichenkult endgültig, als er nach Beratungen mit seinen Begleitern aus den vier Baumteilen eine Kapelle baute und sie dem Apostel Petrus weihte.134 Martin von Tours hat auf seinen Missionsreisen im Touroner Umland etliche pagane Kultstätten zerstört. Seine Strategie fällt unter den modernen Begriff der »Tatmission«, bei der die Religionen öffentlich in einen durchaus brachialen Wettstreit treten und der stärkere Gott siegt. Von Bonifatius ist lediglich die Fällung der DonarEiche überliefert, doch ist davon auszugehen, dass er eine ähnliche Missionsstrategie verfolgt hat wie Martin von Tours. Die Vermutung wird durch eine Bemerkung erhärtet, die Bonifatius in einem Brief an Papst Stephan II. über Willibrord gemacht hat: In den fast 50 Jahren seines Predigerdienstes habe sein Landsmann die Friesen weitgehend zum Christentum bekehrt, heidnische Tempel und Kultorte zerstört, Kirchen gebaut und einen Bischofssitz […] gegründet.135 Als Bonifatius jedoch von der Mission zur Reform der fränkischen 87

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Kirche überging, standen publikumswirksame »Tatmissionen« nicht mehr so häufig auf der Tagesagenda.136 Von Nordhessen aus wandte sich der Eichenbezwinger ab 725 nach Thüringen, wo die fünf christlichen Adligen inzwischen den Brief erhalten haben dürften, den Papst Gregor  II. ihnen und »allen gottgeliebten Christgläubigen« geschrieben hatte.137 Die ältere Annahme, iroschottische Mönche hätten sie christianisiert, ist inzwischen widerlegt worden. Denn Willibrord hatte in Thüringen missioniert. Fränkische Missionare folgten, nachdem das Land unter die Oberhoheit der Franken gekommen war.138 Als sich Bonifatius an die »Stammesältesten und die Fürsten des Volkes« wandte, musste er allerdings erneut die Erfahrung machen, die er schon nach seinem früheren Besuch erlebt hatte: Er traf auf ein verwässertes Christentum, das sich unter den Einheimischen verbreitet hatte. Ein Grund war der Tod mehrerer christlicher Adliger, die ihr Leben bei inneren Wirren oder auf Heereszügen gegen die Sachsen verloren hatten. Manche waren auch in Gefangenschaft geraten und verrotteten in Gefängnissen.139 Willibald sprach von einer häretischen Sekte und deren vier Priestern Torchtwine, Berechthere, Eanbercht und Hunraed. Ihnen warf er Ehebruch vor.140 Aus den angelsächsischen Namen ist zu schließen, dass sie aus dem Kreis um Willibrord stammten und eine Konkurrenz zu Bonifatius waren, der sich vier Jahre zuvor von seinem Landsmann – wohl nicht im besten Einvernehmen – getrennt hatte.141 Das Quartett wehrte sich gegen ihn, und Willibald raunte von deren »gewaltigem Widerstand«. Bonifatius sei es aber gelungen, sie »durch das wahre Wort Gottes« zu widerlegen und zu vertreiben.142 Das »wahre Wort Gottes« allein dürfte nicht genügt haben. Dass hinter Bonifatius auch Karl Martell stand, half kräftig mit. Eine intensive Missionsarbeit unter den Thüringern begann. Wenig überraschend gestalteten sich die Anfänge bescheiden und schwierig. Mehr Priester waren erforderlich.143 Doch in einem Brief an Gregor II. verbreitete Bonifatius Zuversicht, was den Papst am 4. Dezember 724 zu einer lobenden und aufmunternden Antwort veranlasste.144 Bonifatius beschwerte sich jedoch auch über einen Bischof, der ihm sein Missions88

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gebiet streitig machte, aber die Mission nicht förderte. Bei dem Ungenannten handelte es sich wahrscheinlich um Gerold von Mainz.145 Der Papst schrieb daraufhin an Karl Martell und forderte ihn auf, den Gegner des Bonifatius in die Schranken zu weisen.146 Dem ersten Zusammenstoß des Angelsachsen mit einem fränkischen Bischof sollten so manche weitere folgen. Gregor verfasste einen zweiten Brief »an das gesamte Volk der Thüringer« und bat sie, sich von Bonifatius taufen zu lassen, ihm auch ein Haus zu errichten und Kirchen zu bauen, »um darin zu beten, damit Gott eure Sünde verzeihe und euch das ewige Leben schenke.«147 Mit der Aussicht auf das Paradies wird auch Bonifatius in seinen Predigten geworben haben. Originale Predigten sind nicht erhalten. Eine Sammlung von 15 Sermones sancti Bonifatii martiris betrachtet die Forschung mehrheitlich als unecht.148 Sie stammen aus der ältesten Handschrift, die überwiegend in der zweiten Hälfte des 9. Jahrhunderts entstanden ist. Da einige vor 800 datieren, ist Bonifatius’ Autorenschaft jedoch nicht gänzlich auszuschließen. Die Ansprachen wenden sich vor allem an getaufte Christen, die ständig aufgefordert werden, ihre Konversion müsse sich in guten Werken ausdrücken. Kanonische Vorschriften werden mit Nachdruck vorgestellt und die Versuchungen des Teufels abgelehnt. Was Bonifatius’ rhetorische Begabung betrifft, lobt Willibald überschwänglich: »Denn er entbrannte von so großer Begierde nach den heiligen Schriften, dass er sie sich oft anhörte und sie nachahmte.« Mithilfe von Gleichnissen erklärte er die Bibelstellen »mit wundersamer Beredsamkeit« und »in kräftiger Predigt«. »Dabei wohnte ihm solche feine Mäßigung inne, dass seinem harten Tadel nicht die Milde und seiner Milde nicht die Kraft der Ermahnung fehlte; denn wenn ihn auch kräftiger Eifer aufflammen ließ, so besänftigte doch wieder die Milde seiner Liebe.«149 Willibald ist es wichtig zu unterstreichen, dass die Strenge des Missionars alle traf, unabhängig von Stand und Status. Der christliche Anspruch, die alleinige Wahrheit zu besitzen, verlieh mehr oder weniger der Missionspredigt einen konfrontativen Charakter.150 Vorbild des Genres »Missionspredigt« im frühen Mittelalter war die Rede des Paulus auf dem Areopag in Athen: Der Apostel kritisierte die heidnischen Götter, rief zu Um89

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kehr auf, verkündete den monotheistischen Christengott, kündigte das Gericht Gottes an und bezeugte die Auferstehung Jesu Christi.151 Der in der hellenistischen Stadt Tarsus aufgewachsene Paulus beherrschte Griechisch und hatte daher in Athen zumindest keine sprachlichen Verständigungsschwierigkeiten. Für Bonifatius und seine angelsächsischen Missionare waren dagegen die germanischen Volkssprachen eine Hürde, die sie bei der Evangelisierung zu überwinden hatten.152 Dass die Quellen darüber schweigen, lässt Bonifatius in idealem Licht erscheinen. Einen heiligmäßigen Missionar halten selbst Sprachbarrieren nicht auf, um das Wort Gottes strahlen zu lassen. Eine Episode, die Liudger, der erste Bischof von Münster, in seiner um 790 verfassten Vita Gregorii (Kapitel 51–53) schildert, demonstriert die Sprachbegabung des gelehrten Bonifatius. Auf dem Weg in die fränkische Grafschaft Lahngau, die Teile der heutigen Bundesländer Hessen und Rheinland-Pfalz umfasste, rastete Bonifatius 721 im Kloster Pfalzel an der Mosel. Die Gründerin und Äbtissin Adela stammte aus hohem fränkischem Adel. Bei Tisch lernte Bonifatius ihren Neffen Gregor kennen, der die Lesung aus der Heiligen Schrift vortragen durfte. Der ehemalige Lehrer lobte das gute Latein des jungen Mannes, wollte aber wissen, ob Gregor den Text auch verstanden habe. Als er ihn aufforderte, die Lesung in die Volkssprache zu übertragen, musste der Lektor passen, eine Gelegenheit für Bonifatius, selbst zu übersetzen und zu zeigen, wie Missionare sogenannten einfachen Leuten die christlichen Glaubenswahrheiten erklärten. Gregor war so beeindruckt, dass er sich Bonifatius und seinen Schülern anschloss.153 Später wurde er Abt des Utrechter St.-Martin-Klosters.154 Ob die Begegnung im Kloster Pfalzel fiktiv ist oder nicht, weist sie doch auf die Bedeutung der Sprache als Hauptelement jeder Mission hin. Um germanischen Stämmen nicht nur das Evangelium zu bringen, sondern es auch in ihrem Leben zu verankern, mussten die biblischen Texte, die auf Hebräisch, Griechisch und Latein vorlagen, in die friesische, fränkische oder sächsische Volkssprache übertragen werden – ein Unterfangen, das die Frage aufwarf, ob man die »heiligen Sprachen« überhaupt übersetzen durfte. Bonifatius und seine Mitstreiter waren daher nicht nur Glaubensboten, sondern auch 90

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Bonifatius tauft. Farblithographie, nach einer Illustration, 19. Jahrhundert. 91

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Kulturträger. An der Liturgiesprache Latein hielten die Missionare fest, doch für die Predigt wurden Bibeltexte mit volkssprachlichen Glossen verwendet. Die Prediger besaßen Missionshandbücher mit Glossaren. Vermutlich haben Übersetzer Bonifatius auf seinen Missionsreisen und Visitationen begleitet. Die Sprachbarrieren verringerten sich mit der Zeit, weil der Angelsachse einheimische Mitarbeiter gewinnen konnte. Wahrscheinlich nutzten die fremdsprachigen Missionare eine Standardpredigt, die sie in einer der Volkssprachen vortrugen oder vortragen ließen. Sprachliche und daher auch theologische Missverständnisse gab es sicher. Die Christianisierung machte Fortschritte, und Bonifatius’ Erfolge sprachen sich herum. Der eifrige Briefschreiber verkündete sie auch in seiner Heimat, was viele Landsleute, Priester, Mönche und Laien veranlasste, den Ärmelkanal zu überqueren. Später folgten auch Frauen.155 Allerdings schlossen sich nicht alle Missionsbegeisterten Bonifatius an. Die Mönche, die sich ihm unterstellten, sandte er als Prediger in Hessen und Thüringen aus; mit den anderen gründete er ein Kloster in Orthorpf (Ohrdruf), wo die Straße durch den Thüringer Wald nach Franken führte. Zu Ohrdruf bemerkte Willibald, dass sich hier Laien und Mönche mit ihrer Hände Arbeit Lebensunterhalt und Kleidung verschafften, und zu den Klöstern in Fritzlar und Amöneburg, dass sich dort eine nicht geringe Zahl von »Gottesdienern« versammelte.156 Den nötigen Grundbesitz für Kirchen- und Klostergründungen erhielt Bonifatius von ortsansässigen Adligen. Dabei spielte es keine Rolle, ob sie noch Vielgötterverehrer waren und einen nicht gerade christlichen Lebenswandel führten. Dass Bonifatius beide Augen zudrückte, lässt sich einer Bemerkung in einem Brief Gregors II. vom 22. November 726 entnehmen, mit dem er auf einen freudigen Rechenschaftsbericht seines Missionsbischofs antwortete.157 In Orthorpf half ein Adliger namens Hugo der Ältere, wie Othlos Vita Bonifatii aus dem 9. Jahrhundert ergänzte. Auf Hugo folgten weitere Adlige, und jener habe sogar als erster Thüringer sein gesamtes Erbe Bonifatius vermacht.158 Gregor beglückwünschte eine Reihe thüringischer Adliger in einem Brief vom Dezember 722, dass sie sich bekehrt hatten, und er bat sie, Bonifatius’ 92

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Glaubensunterweisungen zu beherzigen, »um ihre Rettung im Herrn zu vervollkommnen«.159 Ein Jahr später empfahl der Papst den Missionar dem gesamten Volk der Thüringer: »Da wir nun wollen, dass ihr euch dort in Ewigkeit mit uns freuen dürft, wo es kein Ende, keine Qual und keine Trübsal gibt, sondern nur Herrlichkeit ohne Ende, so haben wir deswegen unseren hochwürdigsten Bruder, den Bischof Bonifatius, zu euch geschickt, damit er euch taufe, den Glauben an Christus lehre und vom Irrwahn zum Weg des Heils führe, damit ihr das Heil und das ewige Leben empfangt. Ihr aber seid ihm in allem gehorsam, ehrt ihn wie euren Vater und neigt eure Herzen seiner Lehre zu, weil wir ihn nicht ausgeschickt haben, um irgendeinen zeitlichen Gewinn zu erlangen, sondern um eure Seelen zu gewinnen.«160 Kurz zuvor hatte Bonifatius Papst Gregor  II. in einem Schreiben über seine Fortschritte in Thüringen unterrichtet und ihn um Antwort auf Probleme gebeten, die sich ihm inzwischen bei der Missionsarbeit gestellt hatten:161 An erster Stelle hatte der besorgte Seelsorger den Inzest genannt. Zu dieser Problematik hatte schon Augustinus von Canterbury bei Gregor dem Großen angefragt, der Ehen zwischen Angehörigen der zweiten Generation ausgeschlossen hatte.162 Sein Nachfolger war hier wie in anderen Streitfragen strenger. Einschließlich der vierten Generation waren Ehen untersagt. Dem Mann einer erkrankten Ehefrau empfahl er Enthaltsamkeit. Ein angeklagter Priester, der keinen Entlastungszeugen aufbieten konnte, sollte seine Unschuld beeiden und dann seine Stellung behalten. Eine Weihe durch einen Bischof durfte nicht wiederholt werden, ebenso wenig eine Taufe durch einen unwürdigen Priester, der dabei die korrekte Taufformel auf die Dreifaltigkeit gebraucht hatte. In der Messe mussten die korrekten lateinischen Wandlungsworte gesprochen werden. Gregor II. war strikt dagegen, dass Kinder, die von ihren Eltern einem Kloster als künftige Ordensleute übergeben worden waren, später wieder austraten, um zu heiraten. Mit Aussätzigen ging der Papst milder um: Sie sollten nicht von der Kommunion ausgeschlossen werden, wohl aber von den gemeinsamen Mahlzeiten. Lasterhafte Priester und Bischöfe sollte Bonifatius »zur Reinheit kirchlicher Lebensführung« zurückführen, vor allem durch stetige 93

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und freundliche Mahnungen bei gemeinsamen Mahlzeiten. So sollte er auch mit Adligen umgehen, die ihm Hilfe gewährten. Gregor konnte auch Diplomat sein. Dem unermüdlichen Einsatz des Bonifatius und seiner Missionare war es zu verdanken, dass in den folgenden Jahren die Christianisierung in Hessen und Thüringen weitere Fortschritte machte. Wie hart ihr Alltag war, bezeugt ein Brief, den der Priester Wiehtberht, Sohn einer Äbtissin, an sein Heimatkloster Glastonbury im Nordwesten von Wessex geschrieben hat.163 Ihn beeindruckte, dass ihm Bonifatius, nachdem ihm seine Ankunft gemeldet worden war, weit entgegenkam und ihn herzlich aufnahm. Solcher Rückhalt und das Gebet seiner heimatlichen Klostergemeinschaft, um das auch Wiehtberht bat, wappnete ihn für seine mühselige Arbeit im Grenzgebiet der heidnischen Hessen und Sachsen, »unter Hunger und Durst, unter Kälte und den gegenseitigen Überfällen der Heiden«. Wiehtberht nannte Bonifatius Erzbischof. Diese Würde hatte ihm Gregor III. verliehen, der 731 zum Nachfolger seines gleichnamigen Vorgängers gewählt worden war. Als Bonifatius von der Wahl des römischen Klerus und Volkes Nachricht erhielt, sandte er sofort Boten mit einem Schreiben nach Rom, das an die enge Freundschaft zu Gregors Vorgänger erinnerte und um deren Fortsetzung er bat.164 Sein Versprechen, er werde dem Apostolischen Stuhl weiterhin gehorsam sein, belohnte der Papst wenig später, wahrscheinlich 732, mit einem Antwortbrief, in dem er ihn zum Erzbischof ernannte und mit dem Pallium auszeichnete, dem weißen, mit sechs schwarzen Kreuzen verzierten Schultertuch der Erzbischöfe.165 Wie in seinem früheren Schreiben sprach Bonifatius auch dieses Mal Probleme an, die sich aus seiner Missionsarbeit ergaben und für die er sich vom neuen Papst Weisungen und Absicherung erhoffte. Die Ausbreitung des Christentums in Hessen und Thüringen musste gesichert werden, weil die Gefahr eines Rückfalls in pagane Bräuche drohte. Bonifatius sah sich außerstande, diese Seelsorge überall zu leisten. Eine nachhaltige Mission verband beides: Konversion und Christianisierung. Eine kirchliche Organisation mit Bischöfen an der Spitze einzelner Diözesen war nötig. Seinem Vorschlag folgte Gre94

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gor III. und gab ihm die Vollmacht, bei Anwesenheit von zwei oder drei Mitbischöfen zuverlässige Priester zu Bischöfen zu bestellen, allerdings mit dem Zusatz: »doch nach gewissenhafter Betrachtung, damit die Bischofswürde nicht in Missachtung kommt.«166 Tauften Heiden oder Priester, die den Göttern opferten, mussten die Taufen wiederholt werden. Fleisch von Wild- oder Hauspferden zu essen, verbot der Papst, weil ihr Fleisch unrein sei. Der eigentliche Grund dürfte die germanische Sitte gewesen sein, Pferde Göttern zu opfern und ihr Fleisch zu verzehren.167 Auch galt das Pferd als dämonisches Tier, in dessen Gestalt der Teufel erschien.168 Reine Opfergaben dürfe man dagegen den Toten darbringen und für sie beten, sofern sie nicht in Sünde gestorben seien. Das Inzestverbot dehnte Gregor III. bis zur siebten Generation aus, erlaubte aber einem Witwer, mit zwei Frauen zusammenzuleben. Wer einen Familienangehörigen tötete, musste bis zum Lebensende fasten und Buße tun und erhielt erst im Sterben ein viaticum, die letzte Wegzehrung. Ein Verbrechen war es, wenn Gläubige ihre Sklaven an Heiden zum Götteropfer verkauften.169 Daher verdienten Verkäufer dieselbe Buße wie die Mörder. Die neue Würde gab Bonifatius Auftrieb. Mönche, Priester und Nonnen aus Britannien, die sich ihm inzwischen angeschlossen hatten, erlaubten ihm, sich einem neuen Arbeitsfeld zuzuwenden: Bayern.

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»Die Arbeit, die ich leiste, scheint am meisten Ähnlichkeit zu haben mit einem Hund, der bellt und sieht, wie Diebe und Räuber das Haus seines Herrn aufbrechen, untergraben und verwüsten, aber weil er keine Helfer zur Verteidigung hat, nur knurrend wimmert und jammert.« Bonifatius an Bischof Cudberht, Brief 78

Ein Angelsachse in Bayern und Rom Schon auf der Rückkehr seiner ersten Romreise war Bonifatius durch Bayern gezogen. Irische und fränkische Wandermissionare hatten dort allerdings schon gegen Ende des 7. und Anfang des 8. Jahrhunderts für eine weitgehende Christianisierung gesorgt, nicht zuletzt unterstützt von bayerischen Herzögen, die im Christentum eine Stütze ihrer Herrschaft sahen. In ihren Residenzen Regensburg, Salzburg und Freising gab es Klosterbischöfe.170 Auch jetzt war die Einladung von Herzog Hugbert gekommen. Allerdings stand es in Bayern mit der reinen christlichen Lehre nicht zum Besten, weil sie sich mit ketzerischem Gedankengut und heidnischen Bräuchen vermischt hatte.171 Selbst Bischof Vivilo, der in Rom geweiht worden war, nahm es mit der Kirchenordnung nicht genau.172 So war weniger Mission gefordert als Reform, der sich Bonifatius nun mit ganzer Kraft widmete:173 »Er wanderte durch das Land, predigte, inspizierte Kirchen und setzte häretische Geistliche ab wie den populären Eremwulf, das Haupt einer verbreiteten Sekte.«174 An einer Reform war auch Herzog Odilo interessiert, der Nachfolger des 736/737 verstorbenen Hugberts. Er wiederholte dessen Einladung an Bonifatius. Vielleicht erörterte er mit ihm auch schon Pläne, bevor Bonifatius zu seiner dritten Pilgerreise nach Rom aufbrach, um den neuen Papst Gregor III. aufzusuchen.175 96

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Willibald ergänzte, dass der Rompilger von einer Schülerschar begleitet wurde und in der Ewigen Stadt nicht nur von den Römern, sondern auch von zahlreichen Franken, Bayern und Landsleuten aus der Heimat begeistert begrüßt wurde. Sie lauschten seinen Predigten, in denen er den Menschen eine »heilsame Lehre« mit auf den Weg gab.176 In Rom predigte er sicher in lateinischer Sprache. Denn seine Zuhörer stammten aus dem geistlichen Milieu, für das Latein die lingua franca war, oder sie kamen aus den Eliten ihrer Herkunftsländer, die zumindest über Lateinkenntnisse verfügten. Seine Schüler aus Germanien dürften, falls nötig, als Dolmetscher gedient haben. Die Auszeit von dem harten Missionsalltag nutzte Bonifatius, um die Reliquien der Heiligen aufzusuchen und in ihrer Gegenwart zu beten. Befreundeten Mönchen und Nonnen schrieb er von Rom aus, wie wohlwollend die Begegnung mit dem Papst verlaufen war, dem er über seine bisherige Tätigkeit berichtete.177 Gregor III. forderte ihn auf, zunächst in Hessen und Thüringen sein Missionswerk fortzusetzen und dafür zu sorgen, dass sich das Christentum dort festigte.178 Danach solle er sich wieder Bayern zuwenden, wozu ihn wahrscheinlich auch viele der in Rom lebenden Bayern gedrängt haben.179 An vier bayerische und alamannische Bischöfe richtete der Papst einen Brief, in dem er den Erzbischof ankündigte und die Empfänger aufforderte, »unseren Bruder und Mitbischof Bonifatius nach der Ankunft als unseren Stellvertreter mit gebührender und schuldiger Ehrfurcht um Christi Namen willen aufzunehmen«.180 Der »Stellvertreter des Papstes« hatte den Titel Romanae ecclesiae sedisque apostolicae legatus erhalten. Als »Legaten für Germanien« und »Diener des Apostolischen Stuhls« bezeichnete sich Bonifatius selbst nach seiner Rückkehr.181 In Rom warb er vor allem unter seinen Landsleuten um Helfer. Bonifatius gewann Wunibald, dessen Familie wie seine aus Wessex stammte und mit ihm verwandt war. Dessen älterer Bruder Willibald wird ihm auf Zureden des Papstes bald folgen, und schließlich ist ihre jüngere Schwester Walburga ein weiteres Familienmitglied, das in Bonifatius’ Missionswerk eine wichtige Rolle spielen wird. Den beiden Brüdern widmete die Nonne Hugeburc, auch eine Verwandte, 97

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Lebensbeschreibungen, für die sie sich ihrer Aussage zufolge auf Willibalds Diktat sowie auf weitere Augenzeugen stützte.182 Es war wohl noch vor der dritten Romreise, als Bonifatius’ Missionsaufruf in der Heimat auch mehrere Nonnen veranlasste, ihrem Landsmann auf den Kontinent zu folgen. Nach dem Vorbild und der Rolle angelsächsischer Frauenklöster beschloss Bonifatius, im christianisierten Mainfranken Frauenklöster zu gründen, die mit ihrer Bildungsarbeit ausstrahlen und das Christentum im Alltag vertiefen sollten.183 Willibald berichtete zwar eindrucksvoll, wie ihm eine Reihe von Mitarbeitern aus der Heimat zuströmten,184 doch schwieg er über die Frauen, im Gegensatz zur späteren sogenannten vierten Bonifatius-Vita, die Thekla und Lioba nannte: Bonifatius habe Thekla für Kitzingen (Chizzingun) am Main ausgewählt, »damit in jener Gegend gleichsam ein Licht an finsterem Ort aufleuchte«. Dort werden immer noch Kleidungsstücke des Bonifatius als Reliquien aufbewahrt.185 »Die Jungfrau Lioba habe er für Tauberbischofsheim (Biscofesheim) bestimmt, nachdem dort ein Kloster errichtet worden war. Sie hat dort einer Menge Jungfrauen durch ihre Lehren und ihr Leben die Norm des rechten Lebens vermittelt.«186 Othlo geht zum Teil auf dieselbe Quelle zurück. Die feminae religiosae nennt er nach einer Reihe von männlichen Helfern, deren Namen er lediglich aufzählt. Bei den Frauen wird er ausführlicher,187 beginnend mit Cynehilda, der Tante des heiligen Lul, an die Bonifatius zusammen mit Lioba und Thekla einen Brief gerichtet und sie um Gebetshilfe ersucht hatte.188 Mit ihrer Familie zog Cynehilda auf den Kontinent. Als ihre Tochter Barthgyth ihre Klosterausbildung in England beendet hatte und wieder zu ihrer ausgewanderten Familie stieß, missionierten Mutter und Tochter im Auftrag des Bonifatius als Lehrerinnen in Thüringen. Othlo nannte die beiden »äußerst gebildet in der freien Wissenschaft«.189 Da sie lehrten und missionierten, kamen sie nicht umhin, öffentlich zu reden. Denn nicht nur die Missionare pflegten die oratio, sondern auch die Missionarinnen. Bei Thekla fügt Othlo hinzu, Bonifatius habe ihr auch Ochsenfurt zugewiesen. Eine Chunitrud war für Bayern bestimmt, »um dort den Samen des göttlichen Wortes auszustreuen«. 98

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Als Bonifatius nach gut einem Jahr mit Reliquien reich beschenkt die Rückreise antrat, machte er beim Langobarden Liudprand Station, den er schon auf seiner ersten Romreise aufgesucht hatte.190 Liudprand hatte mehrere Jahre im bayerischen Exil gelebt, eine Schwester des Herzogs Hugbert geheiratet und in innerbayerische Auseinandersetzungen eingegriffen.191 Bonifatius wird ihm berichtet haben, dass Papst Gregor III. sein Augenmerk auch auf Bayern gerichtet und ihm als nächste Aufgabe aufgetragen habe, eine bayerische Kirchenordnung einzuführen, wie sie sich schon dessen Vorgänger Gregor II. gewünscht hatte. Die bayerischen und alamannischen Bischöfe mahnte Gregor, »den kirchlichen Dienst zusammen mit dem katholischen Glauben in der Art und nach der Vorschrift der heiligen und apostolischen Kirche Gottes festzuhalten«. Dazu gehörte ihre Aufgabe, irrgläubige Priester und Ehebrecher abzuweisen, das ihnen anvertraute Volk zu belehren und die Gläubigen von heidnischen Totenopfern abzuhalten. Sie sollten Bonifatius gehorchen, wenn er sie zu einer Synode an der Donau, in Augsburg oder an einem anderen Ort zusammenrief. Zweimal im Jahr sollte eine Synode stattfinden. Kanonische Streitfragen standen im Mittelpunkt und Bittsteller, die in ihrer Not um Hilfe baten. Über den Verlauf der Synode erwartete der Papst einen Bericht.192 In einem späteren Brief vom 29. Oktober 739 an Bonifatius193 referierte er dessen Rückblick auf seine bisherige Mission in Bayern, die ein steiniger Acker war. Da nur ein Bischof, der in Rom geweihte Vivilo, ordentlich amtierte, konnte man von einer kirchlichen Ordnung nicht sprechen. Auch bei vielen Priestern war unklar, ob sie rechtmäßig geweiht, geschweige denn, ob sie rechtgläubig waren. Daher weihte Bonifatius nach seiner Ankunft drei weitere Bischöfe und wies ihnen und Vivilo jeweils einen Sprengel mit festen Bischofssitzen zu. Vivilo erhielt Passau. Neue Bischofssitze wurden auch Regensburg, Salzburg und Freising, wo Bonifatius die bisherigen Klosterbischöfe absetzte. Er ersetzte sie durch Männer seines Vertrauens, die er nach kanonischem Recht zu Diözesanbischöfen weihte, ein Johannes für Salzburg, Erembrecht für Freising und Gaibald für Regensburg.194 Für die Neubischöfe sprach zudem, dass sie aus 99

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dem örtlichen Adel stammten und zum Teil mit der Herzogsfamilie verbunden waren.195 Über den Zuschnitt ihrer Diözesen hatte sich Bonifatius zuvor mit Herzog Odilo sowie mit anderen bayerischen Adligen abgesprochen.196 Eine Grundlage war geschaffen, und der Papst gab Bonifatius weitere Ratschläge für die Reformarbeit. In die Zukunft wies seine Anordnung, dass die Taufe derer, die in ihrer Muttersprache (»in einer verschiedenen und abweichenden Sprache des Heidentums«) auf die Dreifaltigkeit getauft worden waren, gültig sein solle. Sie sollten nur durch Handauflegung und Salbung mit geweihtem Öl gefirmt werden. Ausdrücklich verweigerte der Papst dem Erzbischof Bonifatius, »in Rücksicht auf die begonnene Arbeit an einem Ort zu verweilen«. Er sollte »die Herzen der Brüder und aller Gläubigen bestärken, die noch nicht gefestigt sind in diesen Gegenden des Abendlandes«. Ferner sollte er selbst auf beschwerlichen Wegen weiter durch das Land reisen, predigen und, wo nötig, auch neue Bischöfe weihen. Mit Bibelzitaten machte der Papst dem Wandermissionar das mühselige Leben schmackhaft.197 Was er nicht sagte: Der umherreisende Erzbischof sollte die bayerische Kirche, die bisher recht unabhängig war, fest an Rom binden. Das war auch Odilos Absicht: »Erst der Wille des Herzogs öffnete dem römischen Kirchentum den Weg nach Bayern.«198 Ob allerdings die vom Papst gewünschte Synode zustande kam, ist fraglich.199 Eine Herzensangelegenheit blieb für Bonifatius die Missionierung der stammverwandten Sachsen. Seine Landsleute bat er in einem Brief, für deren Bekehrung zu beten.200 Daraufhin schrieb ihm Bischof Torthelm von Leicester, sie hätten erkannt, »wie du, von der Hand Gottes beschirmt Tag und Nacht darauf sinnst, dass die Herzen der heidnischen Sachsen zum katholischen und apostolischen Glauben bekehrt werden, zur Erlösung deiner Seele«.201 Im Jahr 738 unternahm Karl Martell einen Feldzug gegen die Sachsen, über den Bonifatius im Brief an Gregor III. berichtete. Der dankte in der Antwort Gott dafür, dass durch Bonifatius’ und Karls Bemühen hunderttausend Seelen sich »im Schoß der heiligen Mutter Kirche« versammelt hatten.202 Offensichtlich begleiteten Missionare aus Bonifatius’ 100

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Umfeld den Feldzug, und es kam zu Massentaufen, wenn auch die angegebene Zahl eher topischen Charakter hatte. In Bayern regte sich bei Teilen des Adels und der früheren Bischöfe Widerstand gegen die neue Kirchenorganisation. Bonifatius und Odilo bekamen ihn zu spüren. Der Herzog musste sogar das Land verlassen und flüchtete sich zu Karl Martell. Bonifatius verließ Bayern und gründete im fränkischen Machtbereich drei Bischofssitze mit den zugehörigen Sprengeln in Büraburg, Würzburg und Erfurt. In einem Brief an Papst Zacharias, der dem 741 verstorbenen Gregor III. nachgefolgt war, bat er um deren Anerkennung. Der Papst bestätigte sie hocherfreut.203 Auch Karl Martell starb 741. Bonifatius fürchtete um sein Werk und sandte einen Brief an Grifo, Karls jüngsten Sohn aus seiner zweiten Ehe mit der bayerischen Adligen Swanahild. Er bat um Schutz für Priester, Mönche und Nonnen in Thüringen, »wenn dir Gott die Macht gibt«.204 Der Konditionalsatz spielte auf die Auseinandersetzung der Söhne Karls um das Erbe ihres Vaters an. Daher rief Bonifatius vor seinem Schlussgruß die Kontrahenten auf: »Macht also, meine Söhne, dass der Preis eures Verdienstes im hohen Himmelshaus erstrahle und wachse«, nicht ohne wenige Zeilen zuvor mit Psalm 103,15 daran zu erinnern, dass die Tage des Menschen (vergänglich) wie Gras seien, das auf dem Feld blüht.205 Die endzeitliche Erinnerung verfehlte ihren Zweck. Am Ende zog der jüngere Grifo gegenüber seinen älteren Halbbrüdern Karlmann und Pippin dem Jüngeren den Kürzeren.206 Sie allein wurden Francorum principes,207 Karlmann für den Osten, das alte fränkische Stammland Austrien mit Alemannien und Thüringen, Pippin für den Westen, Neustrien mit Burgund und der Provence. Beide Brüder überließen einander jeweils einen Streifen Austriens und Neustriens.208 743 zogen die beiden gegen Odilo, der nach einer Niederlage Gebietsverluste hinnehmen und die fränkische Oberhoheit anerkennen musste. Für Bonifatius wurde der Machtwechsel zu einem tiefen Einschnitt in seinem Leben.

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»Sei immer froh und fröhlich, verachte die irdischen Trübsale, weil alle Streiter Christi beiderlei Geschlechts die Stürme, Heimsuchungen und Gebrechen dieser Welt gering und nichtig erachtet haben.« Bonifatius an die Äbtissin Bugga, Brief 94

III. Das sanfte Antlitz der Mission Bonifatius und die Frauen Bonifatius und die Frauen – zugegeben: Die Kapitelüberschrift klingt ein wenig heikel. Wer die Aufdeckung einer jahrhundertelang verborgenen Liebesgeschichte erwartet, wird enttäuscht werden. Dabei geht es durchaus um Liebe, die das Band zwischen Wynfreth-Bonifatius und seinen geistlichen Freundinnen und weiblichen Verwandten aus der angelsächsischen Heimat festigte. Freundschaften waren neben Jesus, den Heiligen und der Bibel das Lebenselixier für den geistlichen Auswanderer. Mit seiner Fähigkeit zur Freundschaft, der amicitia, lebte er ein antikes Ideal, das die Umbruchszeit zwischen Spätantike und Mittelalter überdauert hat. Der antike Freundschaftsbegriff umfasste mehrere Facetten: persönliche, philosophische, soziale und politische. Ein amicus war in erster Linie der gesellschaftlich Gleichrangige, konnte aber auch ein Klient aus den unteren Schichten sein, von dem der Patron zum Beispiel Unterstützung bei Wahlen erwartete.1 Unter Kaiser Augustus und seinen Nachfolgern bekam der amicus eine titulare Färbung und bezeichnete ein Mitglied des inneren Zirkels, der den Herrscher beriet. Vorbild waren die »Freunde« an hellenistischen Königshöfen.2 102

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In seinem »ersten Leben« als Mönch und Gelehrter pflegte Bonifatius überwiegend freundschaftliche Beziehungen zu angelsächsischen Landsleuten aus Wessex. Die Männer und Frauen gehörten der Elite an.3 Ihre Bindung fußte nicht allein auf Verwandtschaft und amicitia, sondern auch auf einer spiritualis propinquintas, einer spirituellen Nähe, einer Seelenverwandtschaft. Unterstützung bei den Unwägbarkeiten des Lebens in einer als friedlos empfundenen Gesellschaft4 und treue Fürsorge, die sich bevorzugt in einem beharrlichen aneinander Erinnern ausdrückte, waren die Kennzeichen des Freundeskreises und allgemein des mittelalterlichen Menschen. Sie sehnten sich vor allem auch nach liturgischer Kommemoration, weil sie hofften, auf diese Weise ihr Seelenheil zu erlangen.5 Die angelsächsischen Lebensfreundschaften begleiteten Bonifatius bis in den Tod. Sie offenbaren auch, dass er viel mehr war als der »Apostel der Deutschen«, sein späterer Titel, der sein Bild in der Erinnerung bis heute mitbestimmt hat.6 Der homogene angelsächsische Freundschaftsbund, der einem typischen mittelalterlichen Personenverband entsprach,7 bildete das emotionale und geistliche Fundament, auf dem Bonifatius im ›germanischen Exil‹ seine Kontakte in die Heimat pflegte. Briefe waren das Medium, um abwesende Freunde und Freundinnen vor dem geistigen Auge erscheinen zu lassen und die amicitia zu beschwören. Zeit seines Lebens blieb Bonifatius auf diese Weise in den sozialen und kirchlichen Strukturen seiner Heimat verwurzelt. Zwei Gruppen lassen sich in seinem Netzwerk unterscheiden: die angelsächsischen Geistlichen und die Missionsgruppe, die landsmannschaftlich heterogen zusammengesetzt war. Letztere beweist, dass Bonifatius seine Herkunft nicht zum einzigen Kriterium einer Freundschaft oder einer vertrauensvollen Zusammenarbeit machte. Die Franken Sturmi, Gregor und Megingoz zählten zu seinen geschätzten Mitarbeitern, und mit Abt Fulrad von Saint-Denis, ebenfalls fränkischer Herkunft, verband ihn eine enge Freundschaft, nicht zu vergessen die Päpste und Kurienmitglieder, deren Rat er begrüßte. Darüber hinaus erwiesen sich Roms Oberhirten als seine Beschützer und Förderer, und über die Jahre entwickelte sich eine familiaritas, die Bonifatius’ 103

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Selbstverständnis als römischer Missionar fundierte. Zu den Freunden, welche vor allem den politischen Aspekt der amicitia verkörperten, zählten die fränkischen Hausmeier.8 Um den endgültigen Abschied aus der Heimat abzufedern und die in den Briefen zum Topos werdende Einsamkeit zu lindern, pflegte Bonifatius eine rege Korrespondenz mit den alten Gefährten, vor allem mit den angelsächsischen Doppelklöstern. Wechselseitige Bitten um Gebetshilfe, Vergewisserung gegenseitiger Wertschätzung, anteilnehmende Nachfragen, pastorale Ermutigungen und gelegentlich ein poetischer Wettstreit bestimmten den Austausch. Neben dem Wunsch nach seelischer Stärkung trat die Bitte um materielle Gaben: Altargeräte, Kleidung, Paramente und die geliebten Bücher. Ohne ein Netzwerk von Unterstützern vermochten Missionare wie Bonifatius kaum, ihr Apostolat auf dem Kontinent durchzuhalten, selbst wenn sie von dem Ideal der peregrinatio, dem Auszug in die Fremde als Zeichen der Christusnachfolge, noch so erfüllt waren.9 Ihre Heimatlosigkeit betrachteten die peregrini als eine Form der Askese, die sie umso enger an Christus band. In der Korrespondenz fallen die Frauenbriefe auf, die wegen ihres hohen Stils zur Gattung der »Briefdichtung« zählen und die umfassende Bildung der Verfasserinnen verraten.10 Da Frauen die öffentliche Anerkennung als Dichterinnen oder Schriftstellerinnen weitgehend versagt blieb, nutzten sie vielfach das Medium Brief, um ihre intellektuellen und literarischen Begabungen zu entfalten und zu präsentieren.11 Dass vor allem Klosterfrauen, deren Konvente Horte der Bildung waren, die frühmittelalterliche Literatur bereicherten, steht außer Frage. Manche profilierten sich, allen Schwierigkeiten zum Trotz, als Autorinnen von Heiligenviten. Zu ihnen gehörte die bereits erwähnte Nonne Hugeburc, die zu den Begleiterinnen der heiligen Walburga zählte und eine Vita über deren Brüder Willibald und Wunibald verfasste.12 Die Nonne Egeria dürfte ihr literarisches Vorbild gewesen sein: Um 383/384 pilgerte die fromme Laienschwester, die wohl aus Nordspanien stammte, nach Jerusalem, dem »Zentrum der Welt«, und besuchte auf ihrem Weg die heiligen Stätten der Christenheit. Ihr farbiger Reisebericht ist in zwei Abschriften aus 104

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dem frühen und hohen Mittelalter erhalten. Zumindest ein Kopist hat den vollständigen Text gekannt.13 Fromme Kreise im Frühmittelalter haben Egerias geistliche Abenteuer sicher begeistert gelesen und noch intensiver von der peregrinatio geträumt. Vermutlich verbergen sich gerade hinter den Viten heiliger Frauen der Zeit etliche anonyme Autorinnen.14 Das Kryptogramm der Autorin Hugeburc entdeckte erst Bernhard Bischof 1931.15 Fünf Briefe von Frauen an Bonifatius sind überliefert, von dem neun Briefe an angelsächsische Äbtissinnen und Nonnen erhalten sind. An Laiinnen oder niedergestellte Frauen sind keine Briefe dokumentiert. Frauenfreundschaften pflegte der Missionar im Umkreis seines Standes und der Klöster. In seinen ersten zwei christlichen Jahrhunderten kannte das angelsächsische Britannien eine besondere geistliche Institution: das Doppelkloster, eine Gemeinschaft von Nonnen und Mönchen, deren Kloster mit dem dazugehörigen Areal eine räumliche und rechtliche Einheit bildete. Für die Zeit zwischen 694 bis 796 sind sie sicher nachzuweisen. In der Regel wurden sie von Äbtissinnen geleitet, die meist einer königlichen, vereinzelt einer adligen Familie entstammten. Seit der zweiten Hälfte des 8. Jahrhunderts sind auch Äbte als Leiter von Doppelklöstern fassbar. Die Äbtissinnen, die weitgehend frei das Klosterleben gestalteten, kümmerten sich vor allem um die Seelenführung der ihnen Anvertrauten und sicherten das materielle Überleben der Gemeinschaft. Die spiritales matres – so werden sie in den Quellen bezeichnet – hatten innere und äußere Macht.16 Denn aufgrund ihrer Herkunft waren sie das Scharnier zwischen dem geistlichen und weltlichen Kosmos, eine Stellung, die sie zu gefragten Beraterinnen machte. Äbtissinnen waren als Autoritäten anerkannt, wie der Kirchenhistoriker Hubert Wolf in seinem Buch Krypta herausstellt: Vom frühen Mittelalter bis zum Beginn der Neuzeit habe es zahlreiche Äbtissinnen gegeben, »die eine umfassende geistliche Vollmacht wahrnahmen«. Ihre Machtstellung zeichnete sie vor vielen »nur« adligen Äbten aus, die nicht selten ein Spielball der Könige und deren Machtinteressen waren. Etliche Bischöfe, Missionare und Missionarinnen des 7. und 8. Jahrhunderts stammten aus Doppel105

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klöstern und mehrten so zusätzlich den Einfluss ihrer Mentorinnen. Hinter ihren Klostermauern standen die frühmittelalterlichen Nonnen mitten im Leben. Eine strenge Klausur war kaum mit dem Alltag einer frühmittelalterlichen Äbtissin und ihren Nonnen vereinbar. Ihre Klöster gehörten zum Herrschaftsinstrumentarium der führenden Eliten.17 Bonifatius redete seine Briefpartner gern mit »Schwester« oder »Bruder« an und bezeichnete so nicht unbedingt die biologische Verwandtschaft, sondern die Zugehörigkeit zur familia Dei. Die vertraute Anrede verleiht selbst offiziellen Schreiben einen persönlichen Klang.18 Etwa ein Drittel der gesamten Briefe weist die gleichen Anfänge auf, und so gut wie alle Schreiben, auch die an Brieffreunde, enden mit der Bitte um Gebetshilfe.19 Formeln setzen sich leicht dem Verdacht aus, bloße Floskeln zu sein, gehüllt in literarische Topoi. Die Bitte um Fürsprache lediglich unter die Rubrik »Formelhaftigkeit« abzulegen, täte den Briefpartnern jedoch Unrecht. Sie waren geistliche Persönlichkeiten, die sich der Zerbrechlichkeit des Lebens bewusst waren und aus der Zwiesprache mit Gott lebten. Was lag näher, als dem geschätzten Brieffreund, der geschätzten Brieffreundin Gebetszeit zu schenken? Eine Briefschreiberin heißt Caene.20 Über sie ist sonst nichts bekannt. Ihr Schreiben, das sie wohl aus einer der Provinzen des Frankenreichs sendet und mit Geschenken flankiert, zählt zu den älteren Frauenbriefen.21 Wahrscheinlich war sie eine Äbtissin und eindeutig eine schwärmerische Verehrerin des Bonifatius. Dem Bescheidenheitstopos folgend stellt sie sich als »die Unwürdige« vor: »Ich gestehe dir jetzt, dass ich, wiewohl ich mit leiblichen Augen dich nur selten zu Gesicht bekomme, dich fortwährend mit den geistigen Augen des Herzens anzuschauen nicht aufhöre. Auch diese kleinen Geschenke sind mehr Beweise meiner Liebe, als dass sie deiner Heiligkeit würdig wären. Auch das mache ich dir kund, dass ich bis an mein Lebensende deiner stets in meinen Gebeten gedenke.« Caene erfüllt das geflügelte Wort »Kleine Geschenke erhalten die Freundschaft« mit Leben. Auf die Gaben folgen die Bitten, nicht ohne »die aufrichtige Freundschaft« zu beschwören und das Vertrauen zu erwähnen, 106

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das sie ihrem geistlichen Freund entgegenbringt. Bonifatius möge Gebetshilfe leisten, damit Gott ihr Leben nach seinem Ratschluss gestalte. Kommen Mitarbeiter des Bonifatius in ihre »Provinz«, bittet sie um deren Besuch, nicht aus egoistischen Motiven, sondern sie bietet ihnen materielle und geistliche Hilfe an. Ihr großzügiges Angebot erhärtet die Vermutung, dass sie einem Kloster vorsteht, also die Möglichkeit hat, frei über Ressourcen zu verfügen. Zum Schluss erinnert sie an einen nicht näher erläuterten Auftrag des Bonifatius. Wichtig ist ihr, dass die Erfüllung seines Wunsches ihr Seelenheil fördere. Caene sah ihren Bonifatius nahe bei Gott und ihr Kloster als Missionsstützpunkt. Eine andere Briefpartnerin bleibt anonym (Brief 66).22 Bonifatius nennt sie die »verehrungswürdige und geliebte Dienerin Christi«. Nach dem »aufrichtigen Gruß der Liebe« trägt er ohne Umschweife seine Wünsche vor, ein Zeichen der Vertrautheit.23 Die Bitte um ihr Gebet nutzt er, um den Druck, der auf ihm lastet, auszusprechen. Seine Angst zu scheitern ist groß. Um zu veranschaulichen, wie bedrückend seine Lebensumstände sind, wählt der Missionar das Bild des »Wirbelsturms«, eine Metapher, die nicht nur er häufig einsetzt: »Ihr möget es euch angelegen sein lassen, für uns Sünder bei Gott Fürbitte einzulegen, weil wir in vielen und mannigfachen Wirbelstürmen getroffen und zerschlagen worden sind, sei es von Heiden oder von falschen Christen oder von unzüchtigen Geistlichen oder falschen Priestern und vor allem, weil wir fürchten, heimgesucht zu werden, weil es unsere Sünden verlangen.« Zusammenfassend beschreibt Bonifatius die Steine, die sich auf seinem Missions- und Reformweg auftürmen. Es sind menschliche Brocken, an denen er zu zerbrechen droht. Vor allem leidet er unter den »Ränken falscher Brüder, die die Bosheit ungläubiger Heiden noch überbieten«. Um die menschlichen Enttäuschungen besser ertragen zu können, spricht er nicht den Urhebern die Schuld zu, sondern seiner eigenen Sündhaftigkeit. Er entlastet die Übeltäter und nimmt gleichsam deren Fehlverhalten auf sich. Wäre er ohne Sünde, hätte er Erfolg – diese Verknüpfung führt zu einem Gefühl, das sich nur noch mit Naturgewalten beschreiben lässt. Oder mit Bibelzita107

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ten, mit denen sich die angelsächsischen Brieffreunde immer wieder überhäufen, ein Tribut an den frommen Zeitgeschmack. Bonifatius geht es weniger um die Demonstration seiner gelehrten Bibelfestigkeit, sondern die Zitate schmieden eine Rüstung, mit der er sich gegen alle Anfechtungen und Schwächeanfälle wappnet. Seine geistlichen Freunde und Freundinnen verstehen ihn nur allzu gut. Denn auch sie kennen die Fallstricke von Leitungsaufgaben und ziehen aus der Bibel Kraft und Sicherheit. Trotzdem ist Bonifatius besorgt, er könne sein Gegenüber mit den immer gleichen Bitten erschöpfen: »Und weil ich schon früher deswegen meinen Wunsch geäußert habe, so bitte ich, nicht ungehalten zu sein. Denn ich darf nicht bloß ab und zu um etwas bitten, was ich ununterbrochen jederzeit getan wissen möchte, weil mich die tägliche Anfechtung mahnt, nach den göttlichen Tröstungen der Brüder und Schwestern zu suchen.« Der Leser erfährt, dass der Briefschreiber keine Unterschiede zwischen Brüdern und Schwestern in der Missionsarbeit machte. Beide Geschlechter waren gleichwertige und anerkannte Freunde und Mitarbeiter im Herrn. Weder Missionare noch Päpste folgten zu dieser Zeit dem frühkirchlichen Bild von der inferioren Frau.24 Was manche liturgischen Handlungen betraf, war sich Bonifatius jedoch unsicher, und er wandte sich an seinen römischen Gewährsmann Papst Zacharias, der ihm 751 schrieb: »Weiter hat deine Brüderlichkeit gefragt, ob sich die Nonnen so wie die Männer gegenseitig die Füße waschen dürfen sowohl am Gründonnerstag wie auch an anderen Tagen. Das ist ein Gebot des Herrn, und wer es gewissenhaft erfüllt, wird Lob davontragen. Denn wir haben, Männer wie Frauen, nur den einen Gott, der im Himmel ist.«25 Seinen Brief beschließt Bonifatius, der offensichtlich gesundheitlich angeschlagen ist, mit seinem großen Vorbild, dem Apostel Paulus: »Wenn die Schwäche des Leibes kommt, dann soll man den Apostel Paulus hervorholen, der gesagt hat: ›Wenn ich schwach bin, dann bin ich stark‹ und ›Die Kraft wird in der Schwachheit vollkommen‹.«26 Als er an die Anonyma schrieb, wahrscheinlich zwischen 742 und 746, ging er auf die 80 zu, ein fast biblisches Alter, das wenige Zeitgenossen erreichten. Mit der Erinnerung an die Weise, wie 108

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der Apostel seine Malaisen ertrug, dem »Stachel in seinem Fleisch«,27 legt Bonifatius nicht nur seiner Briefpartnerin einen Schlüssel für ein würdiges Altern in die Hand. Gerade in der Schwäche erweist sich Gottes Barmherzigkeit und Gnade. So wandelt sich vermeintliche Schwachheit in Stärke. Dass Bonifatius aus seinen Ängsten und Schwächen keinen Hehl macht, liegt auch an dem Beispiel, das Paulus gibt. Ein Erfolgsgeheimnis seiner missionarischen Spiritualität formuliert der Völkerapostel in dem von Bonifatius oben zitierten Satz in 2 Korinther 12,9: »Wenn ich schwach bin, dann bin ich stark.« Die Verknüpfung von Schwäche und Stärke weist darauf hin, dass Jesusnachfolge bedeutet, das Kreuz auf sich zu nehmen. Wer die Frohe Botschaft verkündet, muss von sich selbst absehen, sein Geltungsbedürfnis zurückstellen und sich für die Mission von Gott in Dienst nehmen lassen. Erfolge verdanken sich weder bei Paulus noch bei Bonifatius nur eigener Stärke, sondern göttlichem Willen und göttlicher Gnade.28 Wenn Paulus, der Vater aller Missionare und Missionarinnen, über seine Schwachheit schreibt, dann muss das auch ein Bonifatius tun. Denn er folgt ebenfalls dem Kreuz Christi nach. Vielleicht hätte der Germanenmissionar es sogar als wenig demütig empfunden, seine Ängste zu verschweigen. Kritische Stimmen könnten seine Bekenntnisse als fromme Inszenierung werten, die sich an dem ersten Theologen der Kirchengeschichte orientiert. Doch auch hier gilt der Grundsatz in dubio pro reo  – im Zweifel für den Angeklagten. Bei aller berechtigten Vorsicht gegenüber Briefen als möglicher literarischer Fiktion darf man nicht vergessen: Bonifatius war ein Beter, dessen persönliches Lebensziel die ewige Anschauung Gottes war, eine Ausrichtung, die sämtliche irdischen Ziele wie Mission, Christianisierung und Kirchenreform überlagerte. Mehr noch: Die Verdienste, die er sich in der Welt erwarb, dienten seinem Seelenheil. Unter diesem Gesichtspunkt dürfte das Geständnis von Angst, Zweifel und Schwäche weder Fiktion noch lediglich eine theologische Verbeugung vor Paulus gewesen sein. Es entsprach der persönlichen Überzeugung und Empfindung, wobei sich religiöse Demut und individuelle Ängste mischten. 109

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Die bereits erwähnte Cynehilda musste sich die Ehre, einen Brief von Bonifatius zu erhalten, mit Leobgytha und Thekla teilen.29 Es ist das einzige überlieferte Schreiben, das Bonifatius an mehrere Frauen richtete. Das Trio verband hohe Bildung und adlige Abstammung. Leobgytha – Lioba war über ihre Mutter Aebbe mit Bonifatius verwandt. Schon etwa zehn Jahre früher hatte sie ihren Verwandten Bonifatius um das Gebet für ihre Eltern gebeten in Erinnerung an die alte Freundschaft, die ihn mit ihrem vor acht Jahren verstorbenen Vater Dynne verbunden hatte.30 Sie wuchs im westsächsischen Doppelkloster Wimborne unter den Fittichen der Äbtissin Tetta auf. Bei Eadburg im Kloster Thanet vervollkommnete sich Lioba in der Dichtung nach dem Vorbild Aldhelms. Zwischen 732 und 735 rief Bonifatius sie auf den Kontinent und setzte sie als Äbtissin in Tauberbischofsheim ein, während Thekla zur Äbtissin von Kitzingen und Ochsenfurt aufstieg.31 Der angelsächsische Freundeskreis bot Bonifatius ein Reservoir an Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen, aus dem er sich bevorzugt bediente.32 Der Name Thekla deutet auf die ausgeprägte Verehrung der heiligen Thekla im angelsächsischen Kulturkreis.33 Sie war eine Schülerin des Apostels Paulus, deren Leben in den Thekla-Akten innerhalb der apokryphen Paulus-Akten gegen Ende des 2. Jahrhunderts überliefert wird. Im kleinasiatischen Iconium (Konya) begegnet Thekla dem Apostel Paulus. Nach seiner Predigt will sie fortan enthaltsam leben. Ihr enttäuschter Verlobter schwärzt sie mit Unterstützung ihrer Mutter bei den Behörden als Christin an. Auf göttliches Eingreifen entgeht die Verurteilte dem Martyrium; sie flieht in das kleinasiatische Antiochia und wird erneut von einem zurückgewiesenen Verehrer in Schwierigkeiten gebracht, der sie wie sein Vorgänger denunziert. Auch von ihrem zweiten Martyrium wird sie wundersam gerettet. Zuvor hat sie sich in einem Becken mit wilden Robben selbst getauft. Am Ende der romanhaften Erzählung trifft die jungfräuliche Asketin wieder ihren Lehrer Paulus, der sie beauftragt zu lehren. In Seleukia, heute Silifke in der Türkei, wo Thekla gewirkt haben soll, entstand ein Klosterkomplex, der unzählige Pilger anzog – ein Beweis, dass die Wundererzählung einen historischen Kern hat, 110

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der sich auf eine historische Persönlichkeit bezieht. In der zweiten Hälfte des 5. Jahrhunderts verfasste ein anonymer Priester Leben und Wunder der heiligen Thekla, welche die Heilige als Wundertäterin, Apostelin, Täuferin, Lehrerin und Protomärtyrerin vorstellen.34 Offensichtlich war das frühe und mittelalterliche Christentum von der Historizität der Heiligen überzeugt, im Gegensatz zu den Liturgiereformern, die nach dem Zweiten Vatikanischen Konzil Thekla aus dem offiziellen Heiligenkalender gestrichen haben.35 Da Paulus für Bonifatius das Ideal eines Missionars darstellte, hat er die Lehrbeauftragung Theklas wohl als Richtschnur für die Frauen in seinem Missionswerk betrachtet. Das fromme Damentrio bedenkt Bonifatius in seinem Brief mit liebenswürdigen Worten: Venerandis et amandis carissimis sororibus – »den zu verehrenden und zu liebenden teuersten Schwestern«. Er beginnt mit der üblichen Bitte um ihr Gebet. Die Begründung liefert der Bittsteller in einer kunstvollen Komposition mit Zitaten aus den Psalmen und dem Neuen Testament. Inmitten des rhetorischen Feuerwerks scheint die wieder bedrängende Sorge auf, die den Missionsbischof ständig umtreibt: Die heiligen Frauen mögen beten, »dass seine [Gottes] Gnade gegen mich nicht vergeblich sei, und dass ich, weil ich der letzte und schlechteste aller Beauftragten bin, die die katholische und apostolische Kirche Roms zur Verkündigung des Evangeliums bestimmt hat, nicht gänzlich ohne Gewinn für das Evangelium unfruchtbar sterbe. Und ohne eine Anzahl von Söhnen und Töchter heimkehre, damit ich nicht, wenn der Herr kommt, wegen des verborgenen Talents schuldig befunden werde und um meiner Sünden willen als Entgelt für meine Mühe statt des Lohnes Strafe für nutzlose Mühe empfange von dem, der mich gesandt hat.«36 Auch wenn das Bekenntnis der eigenen Sündhaftigkeit und Nichtsnutzigkeit ein beliebtes Element frommer mittelalterlicher Briefe ist, quälte Bonifatius die Angst, vor Gott zu versagen. Die Beunruhigung, dass seine Anstrengungen nicht ausreichten, trieb ihn andererseits zu Höchstleistungen an. Sein Traum war, möglichst vielen Ungläubigen das Tor zum Reich Gottes zu öffnen. Dass er nicht nur eine Glaubenspflicht erfüllte, sondern ihn das Seelenheil 111

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der Menschen umtrieb, belegt die familiäre Bezeichnung »Söhne und Töchter«. Auch wenn er keine leiblichen Kinder hatte, sollten ihn wenigstens viele geistliche Nachkommen erfreuen. Und er wartet mit einer Einsicht auf, die ihn das Leben gelehrt hat und die er in ein fast humoristisches Szenario kleidet: »Denn, was noch schlimmer ist, viele, von denen ich glaubte, dass sie bei dem künftigen Gericht als Schafe zur Rechten Christi gestellt werden, sind, wie man sieht, widerliche und stößige Ziegen, die ihren Platz zur Linken bekommen werden.«37 Auch ein Bonifatius unterlag Fehlurteilen. Etwa um die gleiche Zeit verfasst er einen schonungslosen Bericht an den bischöflichen Freund Daniel, dem er klagt, mit welchen priesterlichen oder heidnischen Gegnern er es zu tun habe, wenn er an den Hof Karlmanns komme.38 Seine Versagensängste und die Sorge um sein Seelenheil scheint er kaum ertragen zu können. Ein Heilmittel gegen die Angst ist Mut. Da Bonifatius Gewissenserforschung betrieb, war ihm bewusst, dass Mut ein kostbares Gut ist, und er bat die Äbtissinnen: »Und fleht zur Güte des Herrn, dass Gott mit adligem Geist mein Herz stärke, der mich Unwürdigen zum Hirten im Volk berufen wollte, damit ich, wenn der Wolf kommt, nicht wie ein Mietling fliehe.« Der Nachsatz ist für die Stellung der Frauen im bonifatianischen Missionskosmos aufschlussreich: »[…] sondern nach dem Vorbild des guten Hirten die Lämmer zusammen mit den Müttern, d.  h. die katholische Kirche mit ihren Söhnen und Töchtern, gegen die Ketzer, die Abtrünnigen und die Heuchler getreu und zuversichtlich zu verteidigen ich mich bemühe«.39 Von der nicht weiter bekannten Bonifatius-Schülerin Egburg ist nur ein Brief (13) erhalten, der aber umso schwärmerischer ausfällt. Sie schrieb, als Bonifatius noch Abt war, um sich als seine ehemalige Schülerin in Erinnerung zu bringen. Der Anlass war traurig: Die Äbtissin hat ihren Bruder verloren, der mit Bonifatius befreundet war. Nun bittet sie, ob Bonifatius nicht die Freundschaft auf sie übertragen könne. Auch Egburg spricht von geschwisterlicher Liebe, doch verraten ihre Formulierungen im Vergleich zu den anderen Briefschreiberinnen deutlich, dass der Grat zwischen einer geistlichen und einer erotischen Freundschaft schmal ist: »Zwar habe ich, wie ich gestehe, 112

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das Band deiner Liebe nur durch den inneren Menschen zu kosten bekommen, aber dieser Geschmack haftet wie etwas Honigsüßes in meinem Inneren, und wenn ich auch des leiblichen Anblicks, nachdem ich ihn erlangt hatte, dem Gesicht nach verlustig geworden bin, werde ich doch deinen Hals immer mit den Armen einer Schwester umschlingen.«40 Den fast mystisch anmutenden Zeilen folgt das Bekenntnis, dass sie Tag und Nacht an den Freund, vor allem an seine Belehrungen denke. Die Passage wird in der Literatur mit dem rhetorischen Stilmittel der Übertreibung interpretiert.41 Doch auch hier stellt sich die Frage, ob Egburg lediglich den literarischen Geschmack ihrer Zeit bediente oder ihr Bekenntnis nicht tiefer ging als die elegante Anwendung einer rhetorischen Figur. Die zeitgenössischen Empfänger solcher ›Liebeserklärungen‹ wussten sie sicher besser einzuordnen. Da Egburg nicht nur den Tod ihres Bruders beklagt, sondern auch den Verlust ihrer leiblichen und geistlichen Schwester Wiethburg, die sich auf die peregrinatio nach Rom begeben hatte, klammert sie sich in ihrer Traurigkeit an Bonifatius. »Überall Schmerz, überall Angst, überall das Bild des Todes«,42 jammert sie. Sie fühlt sich einsam und spricht offen von ihrer Angst, vielleicht weil sie weiß, mit diesem Thema gerade bei Bonifatius auf offene Ohren zu stoßen. Der war also keineswegs allein mit seinen Ängsten und düsteren Metaphern, weil auch seine Freunde und Freundinnen die Unsicherheit und Begrenztheit des Lebens stark empfanden und mit wechselndem Erfolg nach Vollkommenheit vor Gott strebten. Fast beiläufig enthüllt die Verehrerin am Briefende den Stellenwert eines Freundesbriefes, unabhängig davon, dass ihr Flehen literarisch zum lamenta-und-lacrimae-Motiv gerechnet wird:43 »Zugleich bitte ich flehentlich, du mögest dich entschließen, mir irgendeinen Trost zukommen zu lassen, entweder in Form von heiligen Reliquien oder wenigstens schriftlich in Form von ein paar Worten deiner Glückseligkeit, damit ich in ihnen stets dich gegenwärtig besitze.« In Egburgs Fall reichte die Verbundenheit durch das Gebet nicht mehr oder noch nicht aus. Sie brauchte ein handfestes Zeichen der Zuneigung ihres geliebten Lehrers. 113

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III. Das sanfte Antlitz der Mission

Der Verzicht auf Ehe und Kinder bedeutete in den Augen der geistlichen Frauen keine emotionale Erstarrung. Unter diesem Gesichtspunkt sind die »Frauenbriefe« auch ein inspirierendes Dokument geistlicher Freundschaft, die sich Emotionalität erlaubte, aber stets mit dem Zusatz in Deo. Da die Grenze klar war und in der Regel von allen akzeptiert wurde, durfte der Umgang miteinander umso liebevoller sein. Verwandtschaftliche Beziehungen halfen, die seelische Balance zu wahren. Interessant ist, dass Freundschaften auch vererbt werden konnten.44 Briefe waren nicht nur Seelentröster, sondern auch materielle Kostbarkeiten, beinahe Reliquien, und auf jeden Fall handgreifliche Stellvertreter für die schmerzlich vermisste Person.

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»Schon oft hat deine Nächstenliebe meine Traurigkeit gelindert.« Bonifatius an die Äbtissin Eadburg, Brief 35

Eadburg von Thanet – eine geistliche Institution In der Korrespondenz zwischen Bonifatius und seinen Freundinnen spiegelt sich die Grundstimmung der Zeit, oft versinnbildlicht durch bedrohliche Reise-, Natur- und Schifffahrtsmetaphern.45 Den persönlichen Seelenzustand direkt und ungeschützt zu schildern, empfanden offenbar viele als unschicklich. Poetische Bilder boten einen Schutzraum. In seinem Briefwechsel mit Eadburg verlässt Bonifatius den geschützten Raum. Überliefert sind vier Schreiben an Eadburg, die Äbtissin des Marienklosters auf der Insel Thanet in Kent.46 Den längsten erhaltenen Brief (10) richtete Bonifatius 716 an seine Vertraute. Sie hatte ihn um einen Bericht über eine Totenerweckung im Kloster Wenlock bei Shrewsbury gebeten, das die heilige Milburga um 680 in der Grafschaft Shrop­ shire gegründet hatte.47 Ein anerkanntes Wunder würde die Heiligkeit des Ortes vertiefen und viele Pilger anziehen. Himmlische Zeichen hatten ab und an auch nicht zu unterschätzende wirtschaftliche Folgen. Eadburg bestand wohl auf einer schriftlichen Dokumentation des Wunders, weil Bonifatius den Betroffenen persönlich befragt und seine Glaubwürdigkeit geprüft hatte. Die Äbtissin erwies sich als gewissenhafte Theologin, die keinen Phantasiegeschichten aufsitzen wollte. Detailliert gab Bonifatius ihr als Zeuge Auskunft über die Jenseitserfahrungen des Totgeglaubten, die einer für das Mittelalter typischen Jenseitsvorstellung entsprangen.48 Allein die Schilderungen der Qualen, die Sünder nach dem Tod erwarteten, waren der Dokumentation wert, um sie als theologisches Faustpfand in der Verkündigung und in der Mission einzusetzen. Denn wer glaubwürdig die Frage nach 115

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den »letzten Dingen« beantworten und mit der Aussicht auf ein friedund freudvolles Leben bei Gott werben konnte, schlug die Zuhörer in Bann. Wenn er dann noch mit drastischen Höllenbildern Angst vor der ewigen Verdammnis schürte, wie Jesus im Lazarus-Gleichnis, hatte er fast gewonnen. Es lag am rhetorischen Geschick des Missionars, den Bogen nicht zu überspannen. Umso wichtiger war es, dass der Visionär von Wenlock auch tröstliche Erlebnisse berichtete: »Und es sei ganz ähnlich im Vergleich, wie wenn man die Augen eines Menschen in sehendem und wachem Zustand plötzlich mit der dichtesten Decke verhülle und nun die Hülle plötzlich wegnehme und jetzt alles sichtbar sei, was bisher unsichtbar, verhüllt und unbekannt sei. So sei ihm nach Entfernung der Hülle des irdischen Fleisches die ganze Welt vereinigt vor Augen gewesen, sodass er alle Länder, Völker und Meere der Welt mit einem Blick übersah.«49 Engel hätten ihn in Empfang genommen, emporgehoben und ihn auf die Welt schauen lassen, die von einem ungeheuren Feuer umgeben sei. Den Brand hätten die himmlischen Wesen mit dem Zeichen des Kreuzes Christi in Schach gehalten. Ein Engel habe ihm die Hand auf den Kopf gelegt, um ihn vor der Blendkraft des Feuers zu schützen. Die Engel seien die Anwälte der Seelen, die sie gegen Dämonen, die Ankläger, verteidigten. Auch ihn hätten sie vor deren Anklagen bewahrt. Darunter seien Sünden gewesen, die er zu Lebzeiten nicht einmal als Verfehlungen erkannt habe. Ein Kampf zwischen seinen Tugenden und Lastern sei losgebrochen, die versuchten, sich gegenseitig zu überschreien. Seine geringen Tugenden seien jedoch so verherrlicht worden, dass sie die Gegenstimmen übertönt hätten. Jenseitsvisionen wie diese dienten auch der moralischen Erziehung. Schon der Kirchenschriftsteller Tertullian hatte Anfang des 3. Jahrhunderts aus diesem Aspekt keinen Hehl gemacht: Die Christen fürchten Gott, weil er alles sieht und die Sünden straft. Aus diesem Grund würden sie »zwangläufig moralisch besser«. Die Jenseitsvisionen der christlichen Antike prägten auch die des Mittelalters.50 Auf die Höllenvision mit wimmernden Seelen und einem unlöschbaren Feuer bietet der Mönch als Verschnaufpause die Sicht auf das Paradies: schöne Menschen, Wohlgeruch, unendliche Freude. Das Para116

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dies ist ein Fest für die Sinne. Die Erholung währt nur kurz; eine weitere Höllenvision folgt, die von der Schau des himmlischen Jerusalems abgelöst wird, ein Zeichen für die Frömmigkeit des Visionärs.51 Ständig begleiten ihn Engel und erklären ihm, was er sieht. Zu seinen Erlebnissen gehört eine Gerichtssitzung über einen Abt, den die Dämonen trotz dessen Tugendhaftigkeit für sich beanspruchen. Die Engel hätten schließlich dessen Seele gerettet. Niemand, auch nicht der Tugendhafteste, darf sich zu Lebzeiten in Sicherheit wiegen. Diese existentielle Unsicherheit prägt eindringlich die Korrespondenz des Bonifatius. Das Gefühl des Ausgesetztseins auf einem tobenden Meer ist mehr als eine rhetorische Figur, es beschreibt eine Epochenstimmung. Die himmlischen Wesen, die dem Mönch ein Gemeinschaftsgefühl schenken, erlauben auch einen pädagogisch wertvollen Blick auf noch lebende Menschen. Diejenigen, die sich um Tugendhaftigkeit bemühen, werden von den Engeln geschützt. Auf die anderen hätten sich direkt die Dämonen gestürzt. Seinen eigenen Körper habe er schließlich gehasst, gesteht der Mönch, ein Ausdruck der frühmittelalterlichen Leibfeindlichkeit. Doch die Engel schicken ihn wieder zurück in das irdische Leben mit dem Auftrag, über all das zu berichten, was ihm widerfahren sei. Direkte Botschaften ergehen an eine Frau, die von ihren Sünden ablassen möge, und an den frommen Priester Begga, der seine Tugenden vervollkommnen und dem mitbrüderlichen Visionär bei der Verkündigung seiner Jenseitsschau helfen möge. Es habe eine Woche gedauert, bis er wieder sehen konnte, berichtet der Mönch am Ende seiner Darstellung. Bonifatius enthält sich eines Urteils über die Vision, legt aber Wert darauf, dass er den Scheintoten im Beisein dreier frommer Mitbrüder befragt hat. Die Zeugen beglaubigten seine Niederschrift. So setzte er einen juristischen Rahmen für ein Ereignis, das sich menschlicher Ratio entzog. Bei ihm vereinigten sich Frömmigkeit und Rationalität, Eigenschaften, die ihm als Gelehrten, Missionar und Reformer der fränkischen Kirche zugutekamen. Er war kein Wundertäter wie der heilige Missionsbischof Martin von Tours, der heilend durch die Lande gezogen war. Als Bonifatius seine Freundin 117

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Eadburg zum Schluss des Briefs grüßt, erweitert er das übliche vale: »Leb wohl, Jungfrau des wahren Lebens, dass du auch wie die Engel lebst und in feierlicher Weise immer mit dem richtigen Wort den Christus im Himmel lobst.« Sein Abschiedsgruß ist die Quintessenz, die er e silentio aus dem Gehörten zieht: Wer den Engeln nacheifert, wird Gott schauen. Sie sind die Beschützer und Verteidiger der Menschen. Auf sie ist Verlass. Mit seiner Vorliebe für Engel wusste sich Bonifatius mit dem afrikanischen Kirchenvater Augustinus einig, der sich dogmatisch mit den himmlischen Wesen beschäftigt hatte.52 Tritt in der Dokumentation der Jenseitsvision die persönliche Beziehung zwischen Eadburg und Bonifatius zurück, erschließt sie sich besonders in dem letzten ihrer überlieferten Schreiben. Der zwischen 742 und 746 verfasste Brief klingt wie ein Hilferuf. Eindringlich bittet Bonifatius um Eadburgs Fürbittgebet, und er gesteht dieses Mal auch den Grund: Seine peregrinatio werde von »mancherlei Stürmen gehemmt«. Dann bricht es aus ihm heraus: »Überall Mühsal, überall Leid! ›Außen Kämpfe, innen Ängste‹ (1 Tim 2,4). Über allem das Schlimmste sind die Ränke falscher Brüder, die die Bosheit ungläubiger Heiden noch überbieten.«53 Kurzum: Bonifatius sieht sich »inmitten der Lagerstätte solcher Wölfe«. Literarisch lässt sich seine Kritik unter den Topos der »Klage über die Zeit« und den Topos »verkehrte Welt« fassen.54 Doch wählte der Missionar die Topoi mit Bedacht. Sie entsprachen seinen Erfahrungen und seiner Gemütslage. Offensichtlich traute Bonifatius der Fürbitte seiner geistlichen Ratgeberin viel zu, vielleicht mehr als den eigenen Gebeten. Nach dem Tod des Hausmeiers Karl Martell im Jahr 741 hatte er energisch begonnen, die fränkische Kirche im Sinne Roms zu reformieren. Aus einer von Adligen abhängigen Kirche sollte eine romtreue Landeskirche werden – ein Prozess, der dem Mitgründer des christlichen Europa erbitterte Feindschaft in Teilen der fränkischen Aristokratie und des Klerus eintrug. Ihre Intrigen veranlassten Bonifatius, der durchaus mit harten Bandagen kämpfen konnte, 746 auf den Metropolitansitz Köln zu verzichten. In seinen letzten Lebensjahren geriet der hochbetagte Reformer mehr und mehr in die kirchenpolitische Isolation, zumal Pippin der Jüngere mittlerweile ohne seine Vermittlung 118

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den Papst kontaktierte. Der zu Melancholie neigende Bonifatius sah sein Lebenswerk gefährdet, wenn nicht sogar gescheitert. Ein Brief wie der an Eadburg half ihm, im Meer seiner Ängste, Zweifel und Unsicherheiten nicht unterzugehen. Ihr Zuspruch und Gebet bestärkten den anderen, den mutigen und glaubensstarken Bonifatius, das Ringen der seelischen Widersprüche auszuhalten. Trotz seines Ärgers vergaß er nicht, seine geistliche Freundin um das Gebet »für die Heiden« zu bitten, »die uns vom Apostolischen Stuhl anvertraut sind, damit der Heiland der Welt sie dem Götzendienst abspenstig machen und den Söhnen der einzigen Mutter, der katholischen Kirche, zuführen möge.«55 Mission war für Bonifatius nicht nur ein Auftrag, sondern eine zutiefst persönliche Angelegenheit. Die Gottesund Nächstenliebe, die sich in der Begegnung mit denen verdichtete, die er zum Glauben an den christlichen Gott führen wollte, standen stets an erster Stelle seiner Agenda. Daran wollte er sich messen lassen. Stichhaltiger Beweis für diese Priorisierung ist seine letzte Missionsreise zu den Friesen. Geschenke spielten auch zwischen Eadburg und Bonifatius eine Rolle. Im kurzen Brief 30 nennt er sich explizit einen »Fremdling in Germanien« (exulem Germanicum), den die Freundin mit dem Geschenk heiliger Schriften getröstet habe.56 Eadburgs großzügige Gabe vergleicht der Beschenkte mit einem Licht in der Dunkelheit. Seine Missionsarbeit zeichnet er dagegen wieder in dunklen Farben. »Als finsteren Winkel« beschreibt er sein Missionsgebiet. Dort falle man ohne das Wort Gottes »in die Schlinge des Todes«.57 Solche Wechsel von Hell- und Dunkelmotiven gehörten zu den beliebten Stilfiguren der Zeit. Die Kontrastierung verlebendigt die Korrespondenz und verleiht den Beschreibungen Nachdruck. Die Unterstützung, die Eadburg und weitere Äbtissinnen Bonifatius schenkten, trugen entscheidend zu seinen Erfolgen als Missionar und Reformer bei. Die alten Freunde und Freundinnen waren eine lebenswichtige Konstante in seinem Leben. Mit ihren Gebeten und geistlichen Geschenken schufen sie einen Zufluchtsort, an dem Bonifatius zur Ruhe kommen konnte. Briefe als Seelentröster – ein Heilmittel in jeder Zeit. 119

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In Brief 35 fällt Bonifatius’ Dank an Eadburg noch überschwänglicher als gewöhnlich aus. Dieses Mal geht es um eine Bücher- und Kleidersendung. Eadburgs Fürsorge tut ihm gut, und er gesteht ihr: »schon oft hat deine Nächstenliebe meine Traurigkeit gemildert«. Nächstenliebe als Medizin gegen Melancholie und Depression war und ist ein vielversprechender Ansatz. Der hoch angesehene Bischof, der im missionarischen Alltag und in der Kirchenpolitik Stärke und Geschick beweist, zeigt vor seiner geistlichen Freundin Schwäche. Auch der Seelsorger bedarf der Seelsorge. Am Ende äußert Bonifatius einen sehr teuren Wunsch: eine Abschrift der Petrusbriefe in Goldschrift. Da er Eadburgs Großzügigkeit nicht ausnutzen will, werde er das zum Schreiben Erforderliche durch den Priester Eoba schicken.58 Meinte er damit das Pergament oder das nötige Gold? Seine Bitte beweist jedenfalls e silentio, dass Handschriften und ihre Kopien keineswegs nur eine männliche Domäne in den Klöstern waren.59 Für seine zunächst erstaunliche Bitte gibt Bonifatius einen überraschenden Grund an: Er will bei der Predigt die kostbare Handschrift vorzeigen, um so bei den »Augenmenschen« Achtung und Ehrfurcht vor den heiligen Schriften zu wecken. Auch er selbst wollte die Worte des Apostels immer bei sich haben.60 Bonifatius’ Wunsch gibt Einblick in die Art und Weise der Missionspredigt, über deren genauen Inhalt die frühmittelalterliche Überlieferung weitgehend schweigt.61 Religiöse Dispute wie über die Dreifaltigkeit des Christengottes hätten die Zuhörer überfordert. Vielmehr ging es darum, den Absolutheitsanspruch des Christentums glaubwürdig zu verkörpern, um die sogenannten Heiden vor der ewigen Verdammnis zu retten. Das hat Lutz von Padberg zufolge »zwangsläufig« zu einem »Kampf der Kulturen« geführt. Die Mission mit der Predigt im Mittelpunkt sei »daher nichts anderes als die Inszenierung religiöser Konfrontationen«.62 Nicht immer – wie Bonifatius mit seiner prächtigen Handschrift verdeutlichte. Wo es sinnvoll war, setzte er auf eine visuelle Missionsstrategie, die Staunen und Erregung auslöste, um den Zuhörern den Zugang zu seinem Gott und seinem Glauben zu erleichtern. Erfüllten die Briefpartnerinnen die Bitten des Freundes meist zügig, nahm es Bonifatius ab und an mit den materiellen Anliegen sei120

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ner frommen Frauen nicht allzu genau. Doch plagte den Saumseligen das Gewissen, wie er einmal der Äbtissin Bugga gestand: »Wegen der Zusammenstellung von Sprüchen, um die du gebeten hast, so musst du Nachsicht haben mit meinen Fehlern, denn wegen drängender Arbeit und fortdauernder Reisen habe ich das, was du wünschtest, noch nicht vollständig niedergeschrieben; sobald ich aber damit fertig geworden bin, werde ich Sorge tragen, es in deine Hände, du Liebenswerte, zu senden.«63 Die »Liebenswerte« wird Nachsicht geübt haben. Das Gebet, besonders die Fürbitte, zählte zu den elementaren Aufgaben der Frauenkonvente. Für ihr Gebetsapostolat erfuhren die Nonnen besondere Wertschätzung. Ihr Gebetsdienst förderte nicht nur die individuelle Heiligkeit, sondern wirkte über die Klostermauern hinaus zum Nutzen der Gesellschaft.64 So erstaunt es nicht, dass Bonifatius äußerst hartnäckig seine geistlichen Freundinnen zu Gebeten für ihn und sein Reformwerk aufrief, nicht ohne deren Dringlichkeit in gefahrvolle Metaphern zu kleiden: »[…] weil mich um meiner Sünden willen die Stürme eines gefahrvollen Meeres bedrängen, mit der Bitte, dass er, der in der Höhe wohnt und in die Tiefe hinabblickt, meine Missetaten verzeihend, mir bei dem Öffnen meines Mundes das Wort verleihe, auf dass das Evangelium vom Ruhm Christi unter den Heiden seinen Weg mache und verherrlicht werde.«65 Der Mensch vermag nichts – Gott alles. Umso existentieller ist es für Bonifatius, in der göttlichen Gnade zu leben. Dass diese Verbindung unversehrt bleibe, dafür beteten Bonifatius’ Freundinnen in den Klöstern. Das Gebetsnetzwerk, das er und die geistlichen Frauen knüpften, dürfte größer gewesen sein, als die überlieferten Dokumente vermuten lassen.66 Die erhaltene Korrespondenz mit seinen geistlichen Freundinnen ist die schmale Grundlage, auf der die Frage erörtert werden kann, welche Bedeutung Frauen im Leben und Werk des Heiligen hatten.

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»Tun, wozu die Liebe des Herrn dich treibt.« Bonifatius an die Äbtissin Bugga, Brief 27

Charismatische Frauen: Bugga – Lioba – Walburga Unter Bonifatius’ Freundinnen fällt ein Mutter-Tochter-Gespann auf. Eangyth, die Mutter, war eine Verwandte des Königs Aethelberht II. von Kent. Sie leitete ein nicht näher beschriebenes Doppelkloster, das sich wahrscheinlich in Kent befand. Ihre Witwenschaft hatte Eangyth eine späte »Klosterlaufbahn« ermöglicht. Denn im 7. und 8. Jahrhundert dominierten die Witwen die weiblichen Klostergemeinschaften im angelsächsischen England.67 Der bereits erwähnte Aldhelm lieferte die theologische Rechtfertigung, dass Klöster verwitweten Frauen offenstanden. Ihm zufolge mache allein die körperliche Unversehrtheit noch nicht wahre Jungfräulichkeit aus. Sie könne man nur preisen, wenn sie Demut, Keuschheit des Herzens und Disziplin begleiteten und sie im Schutzwall eines freien Willens bewahrt bleibe.68 In Eangyths Fußstapfen trat ihre Tochter Haeaburg, Bugga genannt. Beide Frauen schrieben zwischen 719 und 722 an »Wynfreth genannt Bonifatius«, um sich für sein großzügiges Lob zu bedanken. In ihren Dank flossen die Sorgen und der Druck ein, die ihnen die Leitung des Doppelklosters aufbürdete.69 Um die Dramatik zu illustrieren, verwenden sie populäre Naturmetaphern aus der Meereswelt, mit der jeder Angelsachse in Südengland wohlvertraut war. »Wie die Wirbel des schäumenden Meeres die an den Klippen sich brechenden Wogenberge fortreißen und zerzausen, wenn der Winde Gewalt und der Stürme Toben den ungeheuren Sand aufs Wildeste aufwühlen und fortdauernd die Kiele der Kähne nach oben gekehrt sind und der Mast des Schiffes nach unten, ebenso werden die Schifflein unserer Seelen durch die schweren Einwirkungen des Elends und 122

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die vielfache Menge der Schäden leck geschlagen, und wie es durch das Wort der Wahrheit von dem Haus im Evangelium heißt: Es fiel ein Platzregen, es kamen die Wasserfluten, es bliesen die Winde und stießen gegen das Haus.«70 Die lebendige Schilderung, die eine literarische Begabung verrät, dürfte Bonifatius für einige Augenblicke in seine alte Heimat zurückversetzt haben. Eine erholsame, vielleicht auch wehmütige Gedankenreise war vermutlich beabsichtigt: die Erquickung der Seele durch gemeinsames Erinnern. Die frommen Frauen belastet das fortschreitende Alter, die Angst vor dem Richterstuhl Christi und die angespannte Lage in der Klostergemeinschaft. Hinter den klösterlichen Streitereien steht der Teufel, »der Feind alles Guten«, »der die stinkenden Herzen der Männer mit Bosheit vergiftet und diese unter allen Menschen verbreitet, vor allem bei Klosterleuten und Mönchsbehausungen, und weiß, dass die Mächtigen mächtig Strafe erleiden.«71 Schön wär’s, ist man versucht zu antworten. Das Miteinander in den Doppelklöstern scheint ab und an nicht so harmonisch verlaufen zu sein, wie es sich die Betroffenen im Geist der Nächstenliebe wünschten und dazu auch die entsprechenden Bibelzitate anführten. Frauen befeuerten offensichtlich nicht den Unruheherd. Die Spannungen in Eangyths Kloster kratzen auch an dem Idealbild, das sich Bonifatius und seine Briefpartner hochzuhalten bemühten. Ihnen im Einzelnen eine Beschönigung weniger schöner Tatsachen vorzuhalten, täte den Mönchen und Nonnen im Zweifelsfall Unrecht. Sie glaubten an das ideale Christentum, und wenn sie daran festhielten, geschah das auch, um die persönliche Motivation anzutreiben. Dass sie ihrer geliebten Kirche mit ihren individuellen Sünden schaden könnten, war eine unerträgliche Vorstellung für Bonifatius und seine Vertrauten. Zu allem zwischenmenschlichen Elend drückt das Mutter-Tochter-Gespann Mittellosigkeit, Zeitmangel, das zu kleine Wiesenland, Anfeindungen des Königs sowie die Abgaben an ihn, an die Königin, den Bischof, die Vögte, an Beamte und Grafen. Vor allem leiden Mutter und Tochter unter dem Neid der Mitmenschen, die sie am Königshof anschwärzen. Eangyth und Bugga führen einen Vielfrontenkrieg. Im Angesicht der Herausforderungen treffen die bedrohlichen 123

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Meer-Metaphern ihr Gefühl der Hilflosigkeit. Die Frauen stehen allein. Sie haben ihre Ehemänner, Söhne, Verwandten und Freunde verloren – durch Tod und Krankheit oder an die peregrinatio nach Rom.72 Selbst die geachtete Stellung einer Äbtissin scheint die familiäre Schutzlosigkeit der beiden nicht aufzufangen. War eine Äbtissin nur dann erfolgreich, wenn ein starker Familienverband hinter ihr stand? So eigenständig begabte und charismatische Äbtissinnen ihre Klöster leiteten und auch außerhalb des Klosterareals halfen und berieten, so sehr zählten im Kräftemessen mit den gesellschaftlichen Eliten ihr Stand, ihre Familie und deren Vernetzung unter den Mächtigen. Für wenige Zeilen verlassen die Briefschreiberinnen den schützenden Raum der Metaphern und werden sehr deutlich: »Aus all diesen und ähnlichen Gründen, die man kaum an einem Tag aufzählen kann, auch wenn, wie es heißt, der August oder Juli die Sommerzeiten verlängert, wird uns das Leben zuwider sein, und es ekelt uns fast davor weiterzuleben.«73 Die Aussage ist zu klar formuliert, um sie allein mit dem Stilmittel der Übertreibung zu erklären. In ihrer Not setzen Eangyth und Bugga auf Bonifatius, dessen Freundschaft sie in mit Psalmen und Bibelzitaten angereicherten Zeilen beschwören. Zwischen Klagen und Freundschaftsbekundungen taucht ein Lebenswunsch auf, den Eangyth sich wegen ihres Alters nicht mehr erfüllen kann: eine Pilgerreise nach Rom, »die einstige Herrin der Welt«, um Verzeihung für ihre Sünden zu erlangen.74 Die Äbtissin spricht das aus, von dem die Menschen im Mittelalter überzeugt waren. Mit guten Werken, Almosen und mühseligen Pilgerreisen lasse sich das irdische Schicksal und das Leben nach dem Tod beeinflussen.75 Kritik an diesem frommen Handel äußerte schon Hieronymus und bezeichnete das Pilgern als »religiösen Tourismus«. An erster Stelle stehe die Sorge um die Familie, die Haus- und Hofgemeinschaft, und nicht die Vorliebe für Wanderschaften.76 Im 12. Jahrhundert wird Bernhard von Clairvaux seinen Mönchen Pilgerfahrten verbieten. Der Heilige befürwortete die stabilitas loci und meinte, nicht der Ort heilige die Menschen, sondern die Menschen den Ort.77 Eangyth kannte die Vorbehalte, die sich gegen pilgernde 124

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Frauen richteten: »aber weil wir wissen, dass es viele gibt, die diesen Wunsch tadeln und unseren Lieblingsgedanken schelten, ihnen beistimmen und ihre Meinung noch bestätigen mit dem Hinweis darauf, dass Synodalbeschlüsse vorschreiben, dass jeder an dem Ort, an den er gesetzt ist und wo er sein Gelübde abgelegt hat, bleiben und dort sein Gelübde Gott gegenüber erfüllen soll.«78 Völlig ausreden lassen will sie sich ihren Herzenswunsch jedoch nicht und macht in einem Halbsatz den bemerkenswerten Zusatz: »weil wir alle nach verschiedenem Willen leben und uns die Sache ungewiss und Gottes Entscheidungen unbekannt sind.« Die Freiheit, auf die sich Eangyth beruft, war Männern nicht nur bei pilgernden Frauen verdächtig. Schon Gregor von Nyssa formulierte Bedenken (Brief 2,6): »Denn es ist unmöglich für eine Frau zu reisen, es sei denn, sie hat jemanden, der sie beschützt und ihr, wegen ihrer körperlichen Schwachheit, auf ihr Reittier hilft und wieder herunter und sie in unebenem Gelände unterstützt. Doch […] verlässt sie sich auf einen Fremden oder einen Freund, beachtet sie das Gesetz der Keuschheit nicht.« Der Kirchenlehrer dürfte Bonifatius aus der Seele gesprochen haben. Zu lebhaft konnte er sich vorstellen, wie sittenlos es in den Pilgerherbergen zugehen mochte oder wie Pilgerinnen Opfer sexueller Übergriffe wurden. An den Routen lauerten Banditen und andere Raubtiere; Unwetter und Krankheiten bedrohten den Erfolg der Reise ebenso wie Verständigungsschwierigkeiten. Angehörige der oberen Stände konnten sich des Lateins bedienen, den anderen blieben Handzeichen. Aus dem sprachlichen Notstand entwickelte sich eine schlichte Zeichensprache, die auch Pilgerinnen half, sich im Reisealltag zurechtzufinden.79 Bonifatius’ Reaktion auf Eangyths Wunsch ist nicht überliefert, wohl aber seine spätere Antwort auf Buggas Reisepläne, die sie gleichsam in Vertretung ihrer verstorbenen Mutter schmiedete. Wenn es nicht Jerusalem sein konnte, galt Rom als Höhepunkt der peregrinatio im Westen. Die Pilger nutzten die alten Römerstraßen. Die Hauptroute, seit dem frühen Mittelalter Via Francigena genannt, verlief von Calais über Arras, Reims, Besançon, Lausanne und über den Großen St. Bernhard nach Italien. Von dort ging es weiter über 125

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Pavia, Fidenza und Lucca nach San Gimignano. Seit dem 7. Jahrhundert gab es Rom-Reiseführer und Pilgerkarten, welche die wichtigsten Märtyrergräber und Kirchen verzeichneten, aber auch Sehenswürdigkeiten aus der Antike erwähnten.80 Der »offizielle« Bonifatius hätte den Wunsch einer Frau, die Apostelgräber in Rom zu besuchen, rundweg abgelehnt. In einem Brief an Erzbischof Cudberht von Canterbury aus dem Jahr 747 drang er darauf, mithilfe von Synodalbeschlüssen Frauen die Pilgerfahrt nach Rom zu verbieten. Denn nicht wenige starben oder verfielen der Prostitution.81 Bugga war aber keine anonyme Pilgerin, sondern eine Freundin, die Bonifatius als »allen anderen Personen weiblichen Geschlechts vorzuziehende Schwester« auszeichnete.82 Da er ihre moralische Integrität nicht anzweifelte, entschied er sich zu argumentieren, anstatt »basta« zu sagen:83 »Ich wage es nicht, dir von mir aus die Pilgerfahrt zu verbieten, aber auch nicht, sie dir unbedenklich zu empfehlen. Vielmehr will ich sagen, was meine Meinung ist. Wenn du die Sorge, die du wegen der Knechte und Mägde Gottes und wegen des Klosterlebens gehabt hast, abgelegt hast, um Ruhe zu finden und Zeit zur Betrachtung Gottes, wie darfst du dann jetzt dich den Worten und Wünschen weltlicher Menschen fügen, verbunden mit Mühsal und widerwärtiger Unruhe? Da scheint es mir doch besser, du würdest, wenn du wegen der Weltlichen daheim die Freiheit und Ruhe des Geistes auf keine Weise finden kannst, auf einer Pilgerfahrt die Freiheit der Betrachtung zu gewinnen suchen, wenn du willst und kannst, wie das unsere Schwester Wiethburg getan hat.« Bevor er Bugga antwortete, hatte Bonifatius seine länderübergreifenden Kontakte genutzt und eine andere Bekannte, die mittlerweile in Rom lebte, um eine Einschätzung der Lage vor Ort gebeten, und die war besorgniserregend. Er hätte wohl viel lieber gesehen, wenn sich Bugga auf eine peregrinatio spiritalis gemacht hätte. Solche frommen Gedankenreisen wurden Nonnen ans Herz gelegt, die ihre Klausur nicht verlassen durften.84 Und er fuhr fort: »Sie hat mir in ihrem Brief mitgeteilt, dass sie die Ruhe des Lebens an der Schwelle des heiligen Petrus gefunden hat, die sie lange Zeit sehnlich gesucht hat. Aber bezüglich deines Wunsches hat sie mir, weil ich über dich geschrieben 126

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habe, den Auftrag gegeben, du sollest dich gedulden, bis es mit den Unruhen, Angriffen und Bedrohungen durch die Sarazenen ruhiger geworden sei und bis sie, so Gott will, ihr Einladungsschreiben an dich richte. Und das scheint mir das Beste zu sein. Einerseits magst du für deine Reise das Nötige vorbereiten, andererseits aber auf ihren Ruf warten und dann tun, wozu dich die Liebe zum Herrn treibt«,85 – eine Empfehlung, die nicht nur für Reisepläne, sondern als goldene Lebensregel taugt. Seinen Rat abzuwarten befolgte Bugga nicht und pilgerte 738 in die Ewige Stadt. Dort traf sie Bonifatius wieder.86 Wenn sie seine Reisepläne vorab gekannt hätte, hätte er sich seine Pro-und-ContraArgumentation per Brief sparen können. Die Aussicht, den Seelenfreund zu treffen, hätte Buggas Romsehnsucht noch beflügelt. Über die Freude des Wiedersehens hinaus wollte Bugga die heiligen Stätten der Apostel mit eigenen Augen sehen und nicht gefiltert durch die Augen anderer Pilger. Offensichtlich hatte sie das Amt der Äbtissin so erschöpft, dass sie von Freiheit und Ruhe träumte, um tiefer in ein kontemplatives Leben einzutauchen. Verkörpert die Äbtissin Eadburg die kluge Ratgeberin und Strippenzieherin, tritt Bugga eher als Ratsuchende bei Bonifatius auf. In ihrem schriftlichen Austausch schwingt mehr als eine formelhafte Sympathiebekundung mit. Der viel gefragte Missionar hätte Buggas Ängste und Sorgen abkanzeln können. Doch scheint er sich ehrlich zu sorgen. Bugga verhilft der Nachwelt zu einem Blick auf den Menschen Wynfreth. Zu seinen schönsten Briefen zählt ein Trostschreiben, in dem er Buggas Sorgen vor Alter und Tod zu mildern suchte (Brief 94). Als er zwischen 732 und 754 das Trost- und Mahnschreiben an die Freundin verfasste, die in vorgerücktem Alter manche »Heimsuchung« zu bewältigen hatte, fügte er seinem offiziellen Namen »Bonifatius«, mit dem ihn Papst Gregor II. im Jahr 719 zum Missionar berufen hatte, den Zusatz »auch Wynfreth genannt« an.87 Denn es war nicht der Missionar, der inzwischen zum Missionsbischof geweiht und zum päpstlichen Legaten von Germanien bestellt worden war, sondern der Freund, der sich ihrer annahm. Er schreibe ihr einen brüderlichen Brief ihrer »Wohltaten« (beneficiorum) und »alter Freundschaf127

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ten« (antiquarum amicitiarum) wegen. Fast scheint es, als ob er sich wegen seines Interesses an Buggas Wohlergehen ein wenig rechtfertigen will. Immerhin spricht er sie als soror karissima, filia und karissima an, und zeigt so, dass er seine Zuneigung zu variieren weiß. Dieser Brief an Bugga ist das einzig erhaltene Schreiben an eine Frau, in dem er explizit von Freundschaft spricht. Über die Art seiner Freundschaft und auch über seine Sehnsucht nach Freundschaft denkt Bonifatius sonst nur mit seinen männlichen Briefpartnern nach, beispielsweise mit seinem Busenfreund Daniel von Winchester.88 Im Gespräch mit seinen geistlichen Freundinnen scheint er dagegen Wert auf verbale Grenzen zu legen. Zurückhaltung entspricht seinem feinen Gewissen, das manche sogar als skrupulös einschätzen. Von seinen Brieffreundinnen erwartet er Trost, Zuwendung und Gebet, nicht aber ausdrückliche Beratung, die er durchaus zu den Freundespflichten zählt.89 Scheint hier etwa doch der geistliche Patron auf, der sich dem Frauenbild seiner Zeit nicht völlig entziehen konnte? Bonifatius’ Einsilbigkeit sollte jedoch nicht darüber hinwegtäuschen, dass er seine Frauenfreundschaften gepflegt hat. Lediglich der Verschriftlichung seiner Gefühle, die über die akzeptierten Formen hinausgegangen wären, hat er widerstanden. Bonifatius bedauert die Probleme, die Bugga umtreiben. Er leidet mit ihr, wenn er feststellt, dass er wegen ihres Unglücks »von Trauer überwältigt« sei.90 Es folgen Zitate aus dem Alten und Neuen Testament, die sich mit der Bewältigung von Leid beschäftigen. Unter anderen zitiert der erfahrene Seelsorger den Apostel Paulus aus dem Römerbrief, 5,3–5: »Wir rühmen uns der Bedrängnisse, denn wir wissen: Bedrängnis bewirkt Geduld. Geduld aber Bewährung, Bewährung Hoffnung. Die Hoffnung aber lässt nicht zugrunde gehen.«91 Nachdem der ehemalige Lehrer den Weg der Heilung aus der Bibel skizziert hat, rät er Bugga, die Sorgen, welche die Bedrängnisse bei ihr ausgelöst haben, spirituell zu wandeln: »In dieser Hoffnung, teuerste Schwester, sei immer froh und fröhlich, dass du nicht zuschanden wirst, und mit der ganzen Kraft deiner Seele verachte die irdischen Trübsale, weil alle Streiter Christi beiderlei Geschlechts 128

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die Stürme und Heimsuchungen und Gebrechen dieser Welt gering geschätzt und für nichts erachtet haben, wie der heilige Paulus bezeugt, der sagt: ›Wenn ich schwach bin, dann bin ich stark‹.« Und er fährt mit Psalm 44 fort: »Der Vater und Liebhaber deiner reinen Jungfräulichkeit, [hat] dich in der frühen Zeit deiner Jugend mit der Stimme väterlicher Liebe eingeladen und Tochter genannt […], indem er durch den Propheten sagt: ›Höre, Tochter, und schaue und neige dein Ohr und vergiss dein Volk und das Haus deines Vaters, da der König deine Schönheit begehrt‹. Gott ist es, der jetzt in deinem Alter durch Mühseligkeiten und Trübsale die Anmut und Schönheit deiner Seele zu zieren und zu schmücken begehrt. Du aber, Teuerste, freue dich über die Aussicht auf die Erbschaft des himmlischen Vaterlandes, halte allen Widerwärtigkeiten des Leibes und der Seele den Schild des Glaubens und der Geduld entgegen, damit du mithilfe des Bräutigams Christus den Bau des evangelischen Turmes, den du in guter Jugend begonnen hast, in schönem Alter zum Ruhme Gottes vollendest, damit du, wenn Christus kommt, mit den klugen Jungfrauen eine brennende Lampe Öl ihm entgegenzutragen verdienst.«92 Ihre Ängste vermag Bonifatius seiner geistlichen Freundin nicht wegzuschreiben, doch versucht er, ihre Bewertung der Lage zu ändern. »Raus aus der Opferrolle!«, könnte er weniger elegant formulieren. Das Wissen, nie tiefer fallen zu können als in Gottes Hand, schenkt Gelassenheit und Heiterkeit. Alles kommt von Gott, hat seinen Ursprung in Gott: die Jugend wie das Alter. Schmückt Schönheit die Jugend, vermehrt der akzeptierende Umgang mit Mühsal und Traurigkeit im Alter die Schönheit der Seele. Das Alter hat seine eigene Schönheit. Wer so zu denken vermag, den schreckt weniger der Kräfteverfall der späten Jahre. Bonifatius wusste aus eigener Erfahrung, wovon er schrieb, denn er war damals bereits über 70 Jahre alt. Auch die Erkenntnis, dass Bugga ihre Kämpfe nicht allein durchstehen muss, sondern Mitstreiter im Glauben hat, soll sie stärken. In dem Zusammenhang nutzt Bonifatius eine Wendung, die für die patriarchalische Gesellschaft seiner Zeit ebenso erstaunlich klingt wie für die gendersensiblen Ohren des heutigen Europäers: 129

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»alle S­ oldaten Christi beiderlei Geschlechts« – omnes milites Christi ­utriusque ­sexus.93 Das Bild des »Soldaten Christi« ist alt. Neu ist der Zusatz »beiderlei Geschlechts«. Ausdrücklich bezeichnet der Missionar Frauen als Soldaten, eine Funktion, die ihnen die gesamte Antike verwehrt hat. Männliche Frauen waren verpönt. Allerdings sprachen die frühen Christen ausgerechnet den Frauen, die das Martyrium auf sich nahmen, männliche Eigenschaften zu. In der Vorstellung der Alten Kirche mussten die Märtyrerinnen erst zu Männern werden, um die Bluttaufe durchzustehen und ein »zweiter Christus« zu werden. Kurz bevor die Märtyrerin Perpetua in die Arena gebracht wurde, um mit wilden Tieren zu kämpfen, begegnete ihr in einer Traumvision ein Ägypter, damals das Symbol für den Teufel. Während sie sich auf den Kampf mit ihm vorbereitete, wurde sie entkleidet und in dem Augenblick zum Mann.94 Wenn Bonifatius geistlichen Frauen, Äbtissinnen, Nonnen und Missionarinnen, die Ehre des Soldatseins zugesteht, macht er keinen Unterschied zwischen den Geschlechtern, zumindest nicht im Hinblick auf die Nachfolge Christi. Da er die in der Mission tätigen Frauen nicht lediglich als Helferinnen, sondern als Mit-Missionare betrachtet,95 denkt er über seine Zeit hinaus und gleichzeitig an die Anfänge der Kirche zurück. Dort steht der Apostel Paulus und sein missionarisches Netzwerk. Kapitel 16 seines Römerbriefs bezeugt, wie viele Mit-Missionarinnen ihn unterstützten, denen er mit Respekt und Wohlwollen begegnete. Glaube und Geduld sind Bonifatius zufolge die Heilmittel gegen körperliche und seelische Erkrankungen. Auch hier spricht er aus Erfahrung. Doch was ist zu tun, wenn Glaube und Geduld an ihre Grenzen kommen? In dem Fall hofft der Seelsorger auf den Beistand Jesu, und er tröstet sich und Bugga am Ende des Briefes mit der Aussicht auf die himmlische Heimat. Bonifatius’ engste Mitarbeiterin in der Mission war Leobgytha, die, zwischen 700 und 710 geboren, im königlichen Doppelkloster Wimborne, der Grablege König Aethelreds96 an der Südküste von Wessex erzogen wurde.97 Ihr Geburtsname war Truthgeba. Doch setzte sich als Kose- und Rufname Leobgytha und die verkürzte Form Lioba durch: die Liebende.98 Ihre adligen Eltern hatten sie für 130

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St.-Lioba-Altar, von Prof. Thomas Buscher, München, neugotisch, Baubeginn 1900.

ein geistliches Leben vorgesehen und gaben ihre Tochter als puella oblata in die Obhut der Äbtissin Tetta von Wimborne.99 Rudolf von Fulda, der um 836 im Auftrag seines Abtes Hrabanus Maurus die Vita Sanctae Leobae Virginis auf der Grundlage eines älteren Textes verfasst hat, schwärmt von ihren profunden Bibelkenntnissen. Sie habe sich auch für Kirchenrecht interessiert und die Dekrete der Konzilien gekannt, eine gute Voraussetzung für eine künftige Missionarin.100 Ihre herausragende Gelehrtheit war nicht nur ein hagiographischer Topos, sondern der entscheidende Grund, weswegen Bonifatius sie auf den Kontinent berief. Ihr Kloster Tauberbischofsheim und das Frauenkloster in Kitzingen, das die ersten Mönche in Fulda unterstützte,101 sowie die Frauenkommunität in Ochsenfurt wurden regionale Mittelpunkte der Handschriftenanfertigung. Auch wenn die Nonnen in der Regel keine klassische Mission in Form von »Straßenmission« betrieben, waren sie als Bildungsträgerinnen und Lehrerinnen ein existentieller Teil in der Verbreitung des Glaubens.102 Ihre hohe Bildung verhalf Lioba zu einem selbstbestimmteren Leben in den vorgezeichneten Bahnen eines Nonnenlebens, dem das ausgehende 8. Jahrhundert wieder strengere Regeln 131

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bescherte. Das weite Feld der Mission ließ ihr Raum zur Entfaltung als Gelehrte, Ratgeberin und Abgesandte ihres Klosters.103 Diese Entwicklung verdankt sie ihrer Eigeninitiative und der Förderung ihres Verwandten Bonifatius. Denn kurz nach 732 schrieb Lioba ihm, der zu dieser Zeit in Hessen und Thüringen wirkte, einen Brief. Sie berichtet von dem Tod ihres Vaters Dynne und den Altersbeschwerden ihrer Mutter Aebbe.104 Den frommen Gepflogenheiten entsprechend bittet sie Bonifatius um sein Gebet für ihre Eltern und für sich und wünscht, er möge sie an Bruders statt annehmen, »weil ich auf keinen Menschen meines Geschlechts mit solcher Zuversicht meine Hoffnung setze wie auf dich«.105 Als Ausweis ihrer Bildung und Bewerbung für höhere Aufgaben fügt sie ein Gedicht an. Die Verskunst habe sie bei der Äbtissin Eadburg gelernt. In vier gut gebauten Hexametern wünscht Lioba: Möge der allmächtige Richter, der allein alles geschaffen hat, Der im Reiche des Vaters immer im Lichte strahlt, Wo immerfort brennend, o die Herrlichkeit Christi herrschen möge, Dich stets unversehrt bewahren nach ewigem Rechte.106

Ihre vorhergehende Bitte, Bonifatius solle Fehler in ihrem Brief verbessern, veränderte ihr Leben.107 Ihr Verwandter, dem ihr Segenswunsch im Schlussgruß galt, suchte ständig nach Helfern und Lehrerinnen, damit sie seine Missionsarbeit und die Christianisierung im Alltag der Neubekehrten nach der Taufe fortführten. Bonifatius bestürmte die Äbtissin von Wimborne, ihm Lioba zu schicken. Tetta sträubte sich zunächst, wollte sich dann der göttlichen Vorsehung jedoch nicht weiter widersetzen.108 Lioba reiste nicht allein. Thekla, Walburga und Cynehilda begleiteten die Mitschwester. Rudolf von Fulda erwähnt noch vier Schülerinnen Liobas, die wohl auch einen angelsächsischen Hintergrund haben: Agatha, eine weitere Thekla, Nane und Eoleba.109 Der langjährige Lehrer Bonifatius, der Liobas Begabungen richtig eingeschätzt hatte, machte seine Verwandte, wie bereits erwähnt, zur Äbtissin des Klosters Tauberbischofsheim, das er um 735 gegründet 132

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hatte.110 Auf Wunsch ihres geistlichen Vaters unterrichtete sie die dortigen puellae, zu denen nicht nur der Nachwuchs des mainfränkischen Adels gehörte, sondern auch junge Frauen niederen Standes.111 Bonifatius hatte also auch die Mädchenbildung im Blick. Er förderte sie, wie er in seinem einen erhaltenen Brief an Lioba bestätigte: »Kund sei deiner Heiligkeit, Liebwerte, dass unser Bruder und Mitpriester Torhthat uns berichtet hat, dass er durch seine Bitten bei dir erreicht hat, dass du, wenn unsere Zustimmung die Erlaubnis dazu gebe, eine Zeitlang deine Mühe auf die Unterweisung eines jungen Mädchens verwendest.«112 In einem Brief an Abt Fulrad von SaintDenis aus dem Jahr 752 erfährt der Leser beiläufig, dass Bonifatius in seinen Klöstern eigens Mönche eingesetzt hat, um den infantes – den Kindern Lesen und Schreiben beizubringen.113 Vermutlich hat die Aufnahme in ein Kloster manchem Kind das Leben gerettet.114 Interessant ist, dass Lioba das wahrscheinlich hoch begabte Mädchen bereits unter ihre Fittiche genommen hatte, bevor Bonifatius zustimmte. Bei aller Verehrung ihres Mentors wahrte die Äbtissin ihre Eigenständigkeit, eine Eigenschaft, die Forscherinnen des 21. Jahrhunderts zum Anlass nehmen, Frauen wie Lioba ein feministisches Bewusstsein (a feminist consciousness) zu bescheinigen.115 Die Lehrerin und ihr Konvent bildeten die jungen Frauen nicht nur für eine geistliche Berufung aus, sondern sie erzogen auch zukünftige Mütter, die als Familienmissionarinnen dazu beitrugen, den christlichen Glauben in Familie und Gesellschaft heimisch zu machen. So übertrugen Bonifatius und Lioba das angelsächsische Vorbild auf die Kirche im Frankenreich. Das Missionszentrum Tauberbischofsheim wirkte als Sauerteig. Die Äbtissinnen von Ochsenfurt und von Kitzingen hatte Lioba geschult. Auch das Kloster Heidenheim gehörte zu diesem Frauennetzwerk. Als dessen Abt Wunibald starb, übernahm seine Schwester Walburga die Leitung seiner Gründung.116 Lioba entwickelte in ihrem Kloster einen eigenen, fast demokratischen Führungsstil, der dem Armutsideal verpflichtet und im Frühmittelalter nicht selbstverständlich war. Die Mahlzeiten nahm sie zusammen mit den Schwestern ein. Außerdem bot sie morgens und abends eine Sprechstunde für sie an. Sie aß wenig, betete viel und 133

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beschäftigte sich so intensiv mit der Bibel, dass sie weite Passagen des Alten und des Neuen Testaments auswendig rezitieren konnte. Ihre Bildung und ihr Intellekt machten sie zu einer willkommenen Gesprächspartnerin für geistliche und weltliche Würdenträger, die ihren Rat schätzten.117 An der Spitze fast aller Frauenklöster, die in der ersten Hälfte des 8. Jahrhunderts von Bonifatius oder seinen Schülern gegründet wurden, standen Nonnen aus Liobas Kloster. Adlige Töchter und Witwen nahmen den Schleier, um dem Vorbild der Angelsächsin nachzueifern. Als Äbtissin besaß Lioba das Privileg, ihr Kloster verlassen zu können und Reisen zu unternehmen, wann immer sie es für angebracht hielt. Viele Reisen führten sie zu Bonifatius, Pippin und seinem Sohn Karl dem Großen sowie weiteren Bischöfen. Mit der Visitation ihrer Klöster übernahm sie Aufgaben eines Bischofs. Vermutlich hat sie sogar gepredigt, denn zu einer Missionarin gehörte auch die Verkündigung der Frohen Botschaft. Rudolf von Fulda überliefert einen Traum der jungen Lioba, der e silentio ihr Predigtapostolat bestätigt: Aus ihrem Mund quillt ein purpurfarbener Faden, den sie aufzuwickeln versucht; doch er nimmt kein Ende, ein Albtraum. Eine alte traumkundige Mitschwester deutet den Faden in Hinblick auf die künftige Missionarin und ihr Predigtcharisma, von dem fremde Völker profitieren werden.118 Bereits kurz vor der Niederkunft träumte Liobas Mutter von einer Glocke, die eine Amme als Zeichen Gottes deutete: Er werde das Mädchen zu Mission und Verkündigung berufen. Denn irische Wandermönche kündigten mit einer Glocke ihre Predigten an.119 Bonifatius und auch sein Schüler Lul scheinen diese Tradition übernommen zu haben. Der Erzbischof ersuchte Abt Huetberht, ihm nicht nur einige Werke Bedas abschreiben zu lassen und zu schicken, sondern auch »eine Glocke für die Wanderschaft«.120 Die Glocke, so nützlich sie war, klingt ein wenig nach Jahrmarkt, auf dem die Händler ihre Waren anpreisen. In gewisser Weise tat das der Missionar auch mit dem Wort Gottes. Bonifatius musste wohl viele Angebote übertönen. In den Dörfern waren er und seine Mönche sicher eine Attraktion, die mit einem bunten Jahrmarkt konkurrieren konnte. 134

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Bevor Bonifatius 753/754 ein letztes Mal nach Friesland aufbrach, soll er sich vielleicht in Mainz mit Lioba getroffen und sie beschworen haben, ihr Kloster Tauberbischofsheim nicht zu verlassen und ihre Mission fortzusetzen. Er machte sie zu seiner geistlichen Testamentsvollstreckerin. Er fühlte sich ihr so tief verbunden, dass er Lul und die Mönche beauftragte, sie möge in Fulda neben ihm im selben Grab bestattet werden. Beiderseitiger Wunsch ging nicht in Erfüllung.121 Dafür war die Zeit noch nicht reif. 30 Jahre nach Bonifatius’ Ermordung wird Lioba zwar in Fulda, doch an der Nordseite eines Altars begraben, den ihr Mentor noch geweiht hatte.122 Als Abt Eigil (818–822) die Klosterkirche umbaute, ließ er Liobas Sarg in den südlichen Eingang verlegen neben die Memoria des Märtyrers Ignatius von Antiochien.123 Die heilige Frau sollte nicht zu Ruhe kommen. Abt Hrabanus Maurus überführte den Leichnam schließlich im Jahr 838 auf den Petersberg oberhalb Fuldas. Willibald empfand Bonifatius’ Wunsch nach einer gemeinsamen Grabstätte wohl für so anrüchig, dass er bei dem Treffen in Mainz Lioba ausspart und lediglich von einer Begegnung zwischen Bonifatius und Lul berichtet. Die Männer besprechen Luls Nachfolge als Bischof von Mainz und Begräbnisvorkehrungen in Fulda. In seiner Vita Sturmi kennt Eigil keinen letzten Willen, geschweige denn eine Lioba.124 Nachdem Bonifatius bei Dokkum den Märtyrertod erlitten hatte, machte sich Lioba sein Vermächtnis zur Aufgabe. Ihre Visitationsreisen trugen ihr hohes Ansehen ein, das ihr sogar die Tür zum Hof König Pippins und Karls des Großen öffnete. Karl machte ihr Geschenke, und seine Frau Hildegard war der Missionarin freundschaftlich zugetan.125 Liobas Vita berichtet von häufigen Besuchen am Hof und regen Gesprächen. Karl stiftete das Fiskalgut Schornsheim bei Mainz, wo Lioba ihre letzten Lebensjahre verbrachte.126 Wie Bonifatius strebte Lioba nach Heiligkeit, die sie und ihre Mitschwestern über den Weg der Askese zu verwirklichen suchten. Der erste heilige Nicht-Märtyrer war Martin von Tours, der in Lioba sicher eine Seelenverwandte entdeckt hätte, verzehrte sie sich doch im Dienst für Arme, Schwache, Kranke und Flüchtlinge. Etliche Wunder, die Rudolf von Fulda überliefert, illustrieren Liobas Seelsorgear135

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beit: Ein Sturm braust über Kloster und Dorf hinweg. Die Bewohner versammeln sich in der Klosterkirche, wo Lioba betet. Schließlich tritt sie vor den Kirchturm, zeichnet ein Kreuz in den Wind, erhebt die Hände zum Himmel und fleht Christus an – und der Sturm ebbt ab.127 Der Biograph hat die Äbtissin zu einem weiblichen Martin von Tours stilisiert: als Wunderheilerin und Wettermacherin.128 Himmlische Zeichen sind das »Brot« der Mission. Was Bonifatius betrifft, hielt sich Willibald mit Wundererzählungen allerdings zurück. Ihre Erfolge verdankt Lioba persönlichen Fähigkeiten, der Förderung durch Bonifatius und letztlich ihrer bedingungslosen Ausrichtung auf Christus. Ihre Christusbezogenheit machte sie zu einer Kraftquelle und Inspiration für Bonifatius und letztlich zu der Heiligen, die bis heute verehrt wird. Walburga (ca. 710–779) gehörte ebenfalls zum Frauenkreis um Lioba, den Bonifatius auf das Festland berufen hatte, um ihn in seiner Missionsarbeit zu unterstützen. Ein Briefwechsel zwischen ihm und Walburga ist zwar nicht überliefert, doch gehört die Angelsächsin, die auch Waldburgis oder Walpurgis genannt wurde, zu den großen missionarischen Persönlichkeiten des Mittelalters. Die früheste Vita über sie verfasste Wolfhard von Herrieden (†  n. 899). Der ehemalige Mönch und spätere Kanoniker der Eichstätter Domkirche geizte allerdings mit verlässlichen Daten. Wahrscheinlich wurde Walburga um 710 in Devonshire im Südwesten Englands geboren. Ihre angelsächsische Familie zählte zum niederen Adel. Dass ihr Vater Richard ein König war, gehört wie der Name ihrer Mutter Wuna ins Reich der Legenden. Nicht legendarisch sind ihre Brüder: Willibald (700–787),

Überfahrt der heiligen Walburga. Jüngerer Walburga-Teppich von 1519, der Ereignisse aus dem Leben der hl. Walburga zeigt, Walburga-Kloster, Eichstätt. 136

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der erste Bischof von Eichstätt, und Wunibald (701–761), Gründer und Abt des Benediktinerklosters Heidenheim im fränkischen Altmühltal. Wie bei Lioba hatte Bonifatius die familiäre Karte gespielt, denn damals wagte kaum jemand, sich einer familiären Verpflichtung zu entziehen. Kam wie bei Walburga eine Berufung hinzu, war der Weg vorgezeichnet. Zudem war die angehende Missionarin hoch qualifiziert. Wie in ihren Kreisen üblich hatten ihre Eltern sie dem Doppelkloster Wimborne im südenglischen Wessex übergeben, um ihrer Tochter eine ausgezeichnete Erziehung zu ermöglichen. Walburga hätte sich auch gegen eine geistliche Zukunft und für eine Ehe entscheiden können. In der Fremde war die junge Frau nicht auf sich gestellt. Das missionarische Netzwerk des Bonifatius fing sie auf. Vermutlich verbrachte sie eine Lehrzeit bei Lioba im Kloster Tauberbischofsheim oder im Kloster der heiligen Thekla in Kitzingen. Nach dem Tod ihres Bruders Wunibald am 18. Dezember 761 traf sie wenige Tage später in seinem Kloster Heidenheim ein. Ihre überstürzt wirkende Ankunft deutet darauf hin, dass sie sich in der Nähe aufgehalten hat, vermutlich bei ihrem bischöflichen Bruder Willibald in Eichstätt.129 Willibald hatte sich für seine Schwester entschieden, um eine vertrauenswürdige Nachfolgerin im Missionsstützpunkt Heidenheim zu haben. Walburga setzte das Modell des angelsächsischen Doppelklosters in die Tat um. Unter ihrer Leitung entwickelte sich die gemischtgeschlechtliche Gemeinschaft zu einem bedeutenden Kultur- und Missionszentrum. Widerstände blieben nicht aus. Wolfhard von Herrieden fasste sie in eine Wundergeschichte: Der Türsteher der Kirche, in der die Heilige betete, hatte sich geweigert, ihr mit einem Licht den Rückweg zu erleichtern. Hungrig schlief die Beterin in ihrer Zelle ein. In der Nacht strahlte ein Licht auf. Bis in die anbrechenden Morgenstunden erhellte es das gesamte Kloster und bedeutete ihren Kritikern, dass Gottes Segen auf Walburga ruhte. Charisma zieht Charisma an. Als Walburga nach Heidenheim übersiedelte, begleitete sie die Nonne und Verwandte Hugeburc. 137

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­ eren literarisches Talent verewigte sich um 788 in den bereits erD wähnten Viten über Willibald und Wunibald. Walburgas Namen spart die Autorin aus. Hugeburc berichtet lediglich, dass nach Wunibalds Tod sein bischöflicher Bruder und seine Schwester, »die nach dem Tod des heiligen Mannes über das Kloster zu wachen hatte«, den Verstorbenen zum Zeichen des Friedens küssten.130 Völlig auf Wunibald fixiert, verschwieg sie hier die Namen der Geschwister, die sie dem zeitgenössischen Leser nicht zu nennen brauchte. Auch Willibalds Namen in der Vita nannte sie selten131 und sprach lieber vom Bruder oder Bischof. Dass Hugeburc Walburgas Namen verschwieg, war also nicht unbedingt ein Zeichen mangelnder Solidarität. Die Erinnerung an sie überdauerte Hugeburcs Schweigen. Als ihre Gebeine zwischen 870 und 879 aus Heidenheim in die Eichstätter Kreuzkirche überführt wurden, kam die translatio einer Heiligsprechung gleich. Walburgis-Klöster und -Kirchen verbreiteten sich in Mitteleuropa und förderten mit Wundererzählungen und Wallfahrten das Brauchtum. Ein Zentrum der Verehrung ist bis heute die 1035 in Eichstätt gegründete Benediktinerabtei St. Walburg, die den Sarkophag mit den sterblichen Überresten der Heiligen beherbergt. Wassertropfen, die Walburgas Grabplatte seit 1042 von September/ Oktober bis März/April benetzen, werden als heilkräftiges »Walbur­ gisöl« in Fläschchen abgefüllt, nicht als Medizin, sondern als wunderbares Zeichen. Bonifatius hatte ein Gespür für Menschen und bewies eine glückliche Hand in der Auswahl seiner Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen. Heute wäre er vielleicht ein erfolgreicher »Headhunter«. Walburga scheint er allerdings nie persönlich begegnet zu sein: Indirekt begeisterte er sie über ihren Bruder Wunibald. Die Frauenbriefe gestatten trotz aller rhetorischen Gewandtheit und topischen Gestaltung einen Blick auf den Menschen Bonifatius. Von der Schroffheit, die der offizielle Bonifatius im Umgang mit den weltlichen Machthabern und geistlichen Würdenträgern bisweilen an den Tag legen konnte, ist in der Frauenkorrespondenz kaum etwas zu spüren. Er rät und ermuntert, er bittet und dankt. Vor seinen geistlichen Freundinnen verblasst sein durchaus autoritärer Zug. Seine 138

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Freundinnen muss er nicht missionieren, sie für mangelnden Glauben kritisieren oder zu moralischem Verhalten anhalten und von ihnen Gehorsam Gott und der Kirche gegenüber einfordern. Bonifatius und »seine Frauen« begegnen sich auf demselben intellektuellen und spirituellen Niveau. Er hängt an ihnen, weil sie ihm helfen, seine Einsamkeit zu ertragen, und sie verehren ihn trotz seiner Zerrissenheit. Selbstzweifel sind ihnen nicht fremd; auch sie leiden an der Unsicherheit, ob ihnen das Paradies offenstehe. Hier korrespondieren Seelenverwandte. Der begabte Kirchenpolitiker, glühende Missionar und standhaft Glaubende hat erkannt, dass Mission auf Dauer nur gelingen kann, wenn Männer und Frauen zusammenarbeiten. Ohne die gezielte Berufung von Missionarinnen wäre auch die Christianisierung der paganen Gesellschaft des Römischen Reichs anders verlaufen. Die Bekehrung war die eine Seite der Medaille, die Verwurzelung des Glaubens im täglichen Leben die andere. Hier setzte »das Bohren dicker Bretter« an, eine Aufgabe, die sich vor allem Frauen zu eigen machten, und zwar nicht nur die Klosterfrauen, sondern auch die Familienmütter. Bildung war und ist ein Weg der Evangelisierung. Dafür standen vor allem die geistlichen Frauen in Bonifatius’ Lebenswerk. Sie waren das sanfte Antlitz der Mission und boten den Gegenentwurf zu manchen brachialen Formen, zu denen der Missionar Bonifatius und seine Mitstreiter auch fähig waren. Die sanften und sensiblen Züge des Heiligen sichtbar werden zu lassen – das ist das Vermächtnis der Briefpartnerinnen und Freundinnen des Wynfreth-Bonifatius an die Nachwelt.

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»Gib die Laster auf und richte deinen Eifer auf die Erfüllung heiliger Tugendwerke, so wirst du in dieser Welt glücklich leben und in der künftigen ewigen Lohn empfangen.« Bonifatius an König Aethelbald, Brief 73

Das Kreuz mit der Moral Die freundschaftliche Konzentration auf geistliche Frauen ließ Bonifatius die Ehefrauen und Mütter nicht vergessen. Sie hatte er vor allem unter einem seiner Lieblingsthemen, der Moral, im Blick. Auch hier machte er keinen Unterschied zwischen den Geschlechtern. Zwischen 746 und 747 verfasste er einen langen Brief an König Aethelbald von Mercien, den »teuersten und in der Liebe zu Christus die übrigen Könige überragenden Herrn König Aethelbald«.132 Da es sich um ein Mahnschreiben an einen angelsächsischen Herrscher handelte, führte der Erzbischof und Legat Germaniens, so die offizielle Vorstellung, weitere Mitbischöfe an, in deren Namen er schrieb. Wie üblich wird der christliche Herrscher ausführlich gelobt: seine guten Werke, die großzügigen Almosen, die konsequente Ahndung von Straftaten wie Diebstahl, Meineid und Raub sowie der Schutz von Witwen und Waisen und zuletzt die Bewahrung des Friedens.133 Aethelbalds Haltung entsprach dem Profil eines christlichen Herrschers. Doch auf üppiges Lob folgt bei Bonifatius oft üppiger Tadel. Mehrere Seiten lang muss sich der König daher seine eigenen Versäumnisse und die seiner Untertanen anhören. Bonifatius greift Gerüchte über Aethelbalds Lebenswandel auf, von denen der Mahner hofft, dass sie nicht stimmen. Ein frommer Wunsch. Der König lebt im Konkubinat und verzichtet auf eine rechtmäßige Ehefrau. Bonifatius wettert: »Wenn du aber, was ferne sei (doch viele sagen so), weder ein rechtmäßiges Weib genommen noch um Gottes willen keusche Enthalt140

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samkeit geübt hast, sondern als Sklave deiner Wollust im Laster der Unzucht und des Ehebruchs den guten Ruf deines Namens vor Gott und den Menschen zuschanden machst, so sind wir darüber sehr betrübt, weil es unzweifelhaft sowohl vor den Augen Gottes eine Sünde als auch vor den Menschen ein Schandfleck auf eurem Namen ist.«134 In den Augen des Kritikers hat Aethelbald sich sogar einer »doppelten Sünde« schuldig gemacht: Seine Konkubinen waren vor allem Nonnen und gottgeweihte Jungfrauen, ein Umstand, der Bonifatius das scharfe rhetorische Besteck hervorholen lässt. Eine Kostprobe: »Welche Strafen zu erwarten hat ein Sklave bei seinem Herrn, der sich an der Frau seines Herrn im Ehebruch vergeht, wie viel mehr derjenige, welcher eine Braut Christi, des Schöpfers von Himmel und Erde, durch die Fäulnis seiner Wollust befleckt hat, wobei der selige Apostel Paulus sagt: ›Oder wisst ihr nicht, dass eure Leiber Tempel des Heiligen Geistes sind und der Geist Gottes in euch wohnt?‹.« Bonifatius hat nur das Wort und die Drohung mit ewigen Höllenqualen, um Aethelbald wieder auf den Pfad der Tugend zu bringen. Bibelzitat folgt auf Bibelzitat, die dem Sünder die Schwere seiner Vergehen verdeutlichen sollen. Die Beweisführung gipfelt in dem Fazit: »Es würde zu weit führen aufzuzählen, wie viele geistliche Ärzte das Gift dieser Sünder als gräulich rügten und in furchtbaren Worten verboten, denn schwerer und schlimmer als fast alle Sünden ist die Hurerei, und man kann sie wahrheitsgemäß bezeichnen als Strick des Todes, Schlund der Hölle und Abgrund des Verderbens.« Bonifatius ist überzeugt, dass nicht nur Christen, sondern auch Wotanverehrer den königlichen Tugendverfall kritisieren: »Denn wenn in Altsachsen ein Mädchen das Haus ihres Vaters durch Buhlerei befleckt oder eine verheiratete Frau unter Verletzung des Ehebundes Ehebruch begeht, so zwingt man sie zuweilen, eigenhändig ihrem Leben durch Erhängen ein Ende zu machen, und an dem Platz, wo man die Leiche angezündet und verbrannt hat, hängt man ihren Verführer auf.«135 Besonders vergeltungssüchtig seien die Frauen. Da die Sünderin den weiblichen Ehrenkodex gebrochen hat, wird sie von den Frauen ausgepeitscht, ihre Kleidung bis unter den Gürtel abgeschnitten. Sie wird durch das Dorf getrieben und ihr Körper mit 141

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III. Das sanfte Antlitz der Mission

Messerstichen traktiert. Oft wird sie als Mahnmal halb tot zurückgelassen, »damit die anderen Angst vor Ehebruch und Unzucht bekommen«.136 Die Ehre der Germaninnen war innerhalb eines Stammesverbands ein so hohes Gut, dass Fehden entbrannten, wenn die Tugend der Frauen infrage gestellt wurde.137 Was die moralischen Ansprüche an Frauen betrifft, weiß sich Bonifatius ausnahmsweise einmal mit den Heiden einig. Und hinter ihnen durfte kein Christ, keine Christin zurückbleiben. Eine glaubwürdige Lebensweise nach den christlichen Zehn Geboten war ein Faustpfand in der Christianisierung. Daher ärgerte Bonifatius besonders, dass Aethelbald seiner Vorbildfunktion nicht nachkam. Sein Versagen hatte Auswirkungen auf das gesamte Volk der Angelsachsen, denen andere Regionen wie Francia und Italia bereits vorwerfen würden, wie in Sodom zu leben. Aus »der Vermischung mit Huren« würden »entartete, ruhmlose und von Sinnenlust rasende Menschen gezeugt werden und zuletzt das ganze Volk dem Schlimmeren und Unrühmlicheren zugeneigt und am Ende weder in einem weltlichen Krieg stark noch im Glauben standhaft, weder bei Menschen geehrt noch von Gott geliebt sein«.138 Kurzum: Mangelnde Tugend ist die Ursache jeden Übels, sei es individuell oder kollektiv. Der sonst so demütige Bonifatius maß sich in seinem Furor das Urteil an, über Gottes Liebe zu entscheiden. Was den Kampf gegen die Unmoral anbelangt, kennt der Missionar kein Halten. Obwohl es vordergründig um Aethelbald geht, spielen die Frauen einen entscheidenden Part in seiner Schelte. Denn in der Unzucht, sei es in den Klöstern oder in der Welt, keimt ihm zufolge ein weiteres Verbrechen: Mord. Und dafür seien letztlich die Frauen verantwortlich, »indem sie die im Bösen empfangenen Kinder in Sünden gebären, sie auch oft zu einem großen Teil töten und so nicht die Kirchen Christi mit angenommenen Söhnen füllen, sondern die Gräber mit Leichen und die Hölle mit armen Seelen vollstopfen.«139 Bonifatius scheint selbst zu merken, dass er in seiner Kritik das Maß verloren hat. Denn er bittet Erzbischof Ecberht von York per Brief, sein Schreiben an Aethelbald vorab zu begutachten: »Dieses 142

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lasse ich den Augen deiner Brüderlichkeit unterbreiten, damit du, wenn etwas Falsches darin steht, es richtigstellst, und das, was richtig ist, mit dem Salz deiner Wahrheit würzest und durch dein Ansehen bekräftigst.«140 Zuvor hatte Bonifatius gleichsam als Rechtfertigung mit dem Auftrag Roms argumentiert, »wenn ich irgendwo auf meiner Wanderschaft unter den Christen irrgläubige Völker oder Fälle finde, dass kirchliche Vorschriften durch schlechte Gewohnheit entstellt sind oder Menschen, die vom katholischen Glauben weg auf Abwege verleitet sind, sollte ich mich mit aller Kraft bemühen, diese auf den Weg des Heils zu leiten und zurückzuführen.«141 Offensichtlich sucht er eine Rechtfertigung für seine Rigorosität und argumentiert mit einem »geistlichen Befehlsnotstand«. Seine Bitte belegt jedoch auch, dass er zu Korrekturen bereit war. Was Glaubenswahrheiten und christliche Lebensführung anbelangte, ließ er jedoch nicht mit sich verhandeln. In einem weiteren Schreiben an den Priester Herefrid, dem die Aufgabe zufiel, König Aethelbald »durch Dolmetschen und Vorlesen« den Inhalt des Mahnschreibens beizubringen, betont Bonifatius erneut, »dass wir unser Mahnschreiben an diesen König aus keinem anderen Grund gerichtet haben als aus reiner Freundschaftsliebe und weil wir von demselben Volk der Angeln abstammen, dort aufgewachsen und hier in der Fremde auf Weisung des Apostolischen Stuhls weilen.«142 Sünden seiner Landsleute schmerzten den Erzbischof besonders. Die Wucht seiner Kritik erweckt den Eindruck, dass er fast körperlich unter den Sünden nicht allein der Angelsachsen litt. Außerdem wollte er ein vorbildlicher »Römer« sein. Ob Bonifatius nun das Gewissen schlug oder nicht, etwaige Bedenken bezogen sich in erster Linie auf den Umgang mit Aethelbald. Seine Ansicht über Frauen als unsichere Kantonistinnen bleibt davon unberührt. Geistlichen Frauen brachte er zwar Vertrauen entgegen, aber es scheint, dass er Frauen mehr noch als Männern einen entscheidenden Part an der Sündenverbreitung zuschreibt. Im Einzelfall, in der persönlichen Begegnung, trat diese Sichtweise wieder in den Hintergrund, wie seine Förderung der Mitarbeiterinnen im Herrn zeigte. Das Frauenbild in der Antike wirkte im Frühmittel143

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III. Das sanfte Antlitz der Mission

alter nach. Eine Bewertung des kaiserzeitlichen Schriftstellers und Politikers Seneca, der zum Erzieher Neros bestellt wurde, illustriert die weit verbreitete verächtliche Sicht auf das weibliche Geschlecht: »Die Frau an sich ist unvernünftig und, falls man ihr keine Kenntnisse vermittelt und nicht viel Bildung zukommen lässt, ein wildes Tier, maßlos in seinen Begierden.«143 Immerhin waren gebildete Frauen weniger gefährdet oder gefährlich. Die Verknüpfung von Bildung und Moral hätte Bonifatius zugesagt. Die Grabinschrift einer Aufidia dokumentiert das Ideal der römischen matrona: »In keuscher Treue liebte sie immer das eheliche Lager; sie trank nicht, war keine Ehebrecherin, war einfach, freundlich, nur ihrem Gatten ergeben und kannte keinen anderen.«144 In dieser Tradition standen auch die frühen und mittelalterlichen Christen. Hinzu trat die Bewertung Evas im Heilsgeschehen. Die Mehrheit der Kirchenväter betonten den Gegensatz zwischen Eva, der Mutter der Menschheit, und Maria, der Mutter Jesu. In seiner Schrift Gegen den Putz der Frauen macht der Kirchenschriftsteller Tertullian das weibliche Geschlecht für den Sündenfall verantwortlich, weil Eva den Sturz des Mannes, des Ebenbilds Gottes, eingeleitet habe.145 Auch der Kirchenvater Augustinus sieht in Eva die Schuldige, weil sie allein für die Verführung des Teufels anfällig gewesen sei.146 Ab und an musste sich der Seelsorger Bonifatius mit intimen Notlagen beschäftigen. Vielleicht waren sie ihm zu heikel, und er wandte sich an Gregor II. und bat um eine Entscheidung. Der Papst schrieb: »Da du weiter die Frage gestellt hast: Wenn eine Frau infolge einer Erkrankung ihre eheliche Pflicht nicht erfüllen könne, was ihr Gatte tun solle, so wäre es gut, wenn er dabei verbliebe und sich also der Enthaltsamkeit befleißigte; aber weil das nur ein großer Mann kann, so soll, wer sich nicht beherrschen kann, lieber heiraten. Doch soll er den Lebensunterhalt ihr nicht entziehen, wenn nur Krankheit der Hinderungsgrund ist und nicht etwa ein verdammenswertes Verschulden es unmöglich macht.«147 Was mit Verschulden gemeint ist, führt Gregor bedauerlicherweise nicht aus. Er ist Pragmatiker, der mit den menschlichen Grenzen vertraut ist. Obwohl er die kranke Ehefrau schützen will, entscheidet er letztlich zugunsten 144

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des Ehemanns. Bonifatius hätte wohl eher darauf bestanden, keusch zu leben. Den Germanenmissionar auf ein einseitiges Frauenbild festzulegen, wird ihm nicht gerecht. Wie so oft war die Norm das eine und die Wirklichkeit das andere. Es drängt sich der Eindruck auf, dass ihm bei seinem Kriegszug gegen die Unmoral beider Geschlechter die Angst die Feder geführt hat, die Angst vor dem Verlust des Seelenheils, nicht allein des eigenen, sondern vor allem der Menschen, die zum Christengott gefunden hatten. Der große Stolperstein war in seinen Augen die Sexualität. In dem Punkt maß er Frauen eine besondere Verantwortung zu, ihren Körper als »Tempel des Herrn« zu bewahren, eine Sichtweise, die dem modernen Menschen fremd geworden ist. Auf der anderen Seite steht seine außergewöhnliche Förderung von Mitarbeiterinnen, denen Bonifatius die gleiche Wertschätzung entgegenbrachte wie seinen Mitbrüdern. Sein Wunsch, Lioba nach ihrem Tod in seinem Grab zu bestatten, zeugt von der Weite seines Denkens. Zu weit für seine geistlichen Freunde, Mönche und Bischöfe. Sie erfüllten seinen letzten Wunsch nicht. Ihr Denken war den Erwartungen ihrer Zeit verpflichtet, die wie die nachfolgenden Jahrhunderte in den Geschlechtergrenzen dachte, die Bonifatius zumindest bei geistlichen Frauen überstiegen hat. Schon Biograph Willibald schwieg zu diesem Thema. Frauen nannte er lediglich im Zusammenhang mit den Reformen, die der Missionsbischof in der fränkischen Kirche durchzusetzen versuchte. Vor allem lag diesem daran, die Moral in Klerus und Volk zu heben. Ging es um Sittlichkeit, waren die Frauen nicht weit. Bei Willibald heißt es dazu: »Da wurde durch die Gnade unseres Herrn Gottes und das Bemühen des heiligen Erzbischofs Bonifatius der Bund der christlichen Religion gekräftigt […] und alles nach der Bestimmung der Kirchengesetze verbessert und gesühnt. So wurden teils ungebührliche Verbindungen von Laien mit Konkubinen auf die Ermahnung des heiligen Mannes getrennt, andererseits wurde auch die verwerfliche Verbindung Geistlicher und Frauen getrennt und geschieden.«148 Vehement trat Bonifatius für die Unauflöslichkeit der Ehe ein.149 Kinder macht er nicht zu einem besonderen Thema ­seiner Briefe, was aber keinesfalls eine Geringschätzung der Kindheit 145

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III. Das sanfte Antlitz der Mission

bedeutet. Denn die mittelalterliche Gesellschaft empfand ein Kind durchaus als »eigenes Wesen«.150 In seinem Mahnschreiben an König Aethelbald von Mercien nennt Bonifatius Abtreibung und Kindstötung Mord.151 Die germanische Rechtsauffassung sah in einem ungeborenen und gerade geborenen Kind das Eigentum der Gemeinschaft, über dessen Weiterleben entschieden werden durfte. Dass im 8. Jahrhundert Abtreibung gesetzlich unter Strafe gestellt wurde, ging auf den Einfluss der Kirche zurück.152 Aus einem Antwortbrief, den Papst Gregor II. 726 an Bonifatius richtet, erfährt der Leser, dass sich der Germanenmissionar mit den pueri oblati beschäftigt hat. Ihre Lage war ihm aus eigener Erfahrung wohl vertraut. In seiner Heimat hatten die von ihren Eltern ins Kloster gegebenen Kinder die Freiheit, sich im Alter von etwa 14 Jahren für oder gegen eine geistliche Laufbahn zu entscheiden. Dieser toleranten Praxis erteilte Gregor eine Absage: »Du hast gefragt, wenn ein Vater oder eine Mutter ihren Sohn oder ihre Tochter schon in den Jahren der Kindheit zu einem Leben nach der Ordensregel hinter Klostermauern gegeben haben, ob diese, wenn sie die Jahre der Reife erreicht haben, austreten und sich verheiraten dürfen. Das vermeiden wir durchaus, weil es Sünde ist, Kindern, die von ihren Eltern Gott geweiht worden sind, die Zügel der Lust schießen zu lassen.«153 In einem weniger verdächtigen Zusammenhang ließ Willibald das weibliche Geschlecht auftreten, als im Sommer 754 der Leichnam des erschlagenen Bonifatius von Utrecht, dem Ort seiner ersten Grablegung, nach Mainz geholt wurde. Dort traf er, 30 Tage nach seinem Tod, am 4. Juli ein:154 »Und durch des Allmächtigen Gottes wunderbares Walten geschah es, das an ein und demselben Tag, den man keineswegs vorher festgesetzt hatte, als wie zu einer angeordneten und bestimmten Frist sowohl die Boten, die den heiligen Leichnam heimbrachten, als auch aus der Nähe und aus weiter Ferne viele gläubige Männer und Frauen zur Totenfeier des erhabenen Märtyrers zusammenkamen.«155 Das Charisma des angelsächsischen Missionsbischofs hatte nicht nur Männer beeindruckt, sondern auch Frauen angezogen. Ihr Einsatz gehörte zum Selbstverständnis der frühmittelalterlichen Kirche.156 146

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Klöster waren die Anker und die Katalysatoren der Evangelisierung, die Bonifatius unermüdlich vorantrieb. Sie erfüllten eine Doppelaufgabe: die Erziehung des geistlichen Nachwuchses und der zukünftigen weltlichen Entscheidungsträger sowie die Christianisierung ihrer Umgebung. Bonifatius überlegte sich daher gründlich, wen er an die Spitze einer Klostergründung berief. Das galt für Männer wie für Frauen. Der Missionsbischof glaubte nicht nur an das weibliche Missionsmodell; er hat es gefördert, so wie es der Apostel Paulus vorgelebt hat.

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»Aber alle Übel aufzuzählen, die wir außen und innen erdulden, daran hindert uns die Kürze des Briefes.« Bonifatius an Erzbischof Ecberht von York, Brief 9

IV. Reformen und Rückschläge Konziliare Politik Im Jahr 742, ein Jahr nach dem Tod Karl Martells, berichtete Bonifatius Papst Zacharias, der dux Francorum Karlmann habe ihn gebeten, in seinem Reichsteil eine Synode zu veranstalten, die erste nach 60 oder 70 Jahren, in denen die Kirchenverfassung mit Füßen getreten worden sei: Bischofssitze seien zum größten Teil Laien überlassen worden, die nur nach Besitz trachteten. Geistliche frönten der Unzucht und dem Wucher; Diakone, die mit fünf und mehr Konkubinen schliefen, würden zu Priestern und schließlich zu Bischöfen geweiht. Auch gebe es Bischöfe, die zwar keine Ehebrecher, dafür aber trunk- und streitsüchtig seien, eifrig auf die Jagd gingen und bei Kämpfen nicht nur Heiden-, sondern auch Christenblut vergössen.1 Was Bonifatius nicht sagte: Aus den Reihen der Missetäter, die er aufzählte, würden ihm die Gegner erwachsen, wenn er sich anschickte, ihre Untaten zu bekämpfen. Seine Würde als Erzbischof und Legat des Apostolischen Stuhles sowie seine dauernde Rückbindung an Rom würden nicht für eine Reform genügen, die in die Lebensgewohnheiten und in die Besitzstände der Betroffenen eingriffe. Der moralische Appell in Predigten und persönlichen Gesprächen bedurfte des machtpolitischen Nachdrucks durch Karlmann sowie später durch Pippin. Dieses Zusammenwirken musste in Konzilien festgeschrieben werden. Erfreulich war, dass auch der Hausmeier 148

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Karlmann das so sah und ihm zugleich im eigenen Interesse an einem Konzil gelegen war. Denn  – wie Bonifatius an Bischof Daniel schrieb –: »Ohne den Schutz des Frankenfürsten kann ich weder das Volk der Kirche leiten noch die Priester und Geistlichen, die Mönche und die Gottesmägde beschirmen noch ohne seinen Auftrag und die Furcht vor ihm heidnische Bräuche und die Gräuel des Götzendienstes in Germanien verhindern.«2 Der ältere Karlmann war »bei der Unterstützung des Bonifatius eindeutig die treibende Kraft«, der »den jüngeren Pippin nur bis zu einem gewissen Grade mitzureißen vermochte«.3 Im Einvernehmen mit Karlmann errichtete Bonifatius noch 742 auf der Büraburg bei Fritzlar, in Würzburg und in Erfurt Bischofssitze, die anders als bei den vorausgegangenen Klostergründungen auf Fiskalgut lagen.4 Im oben genannten Brief an Papst Zacharias, der dem 741 verstorbenen Gregor III. nachgefolgt war, bat Bonifatius um deren Anerkennung.5 In seinem Antwortbrief vom 1. April 743 gab der Papst hocherfreut seine Zustimmung und kam auch auf die bevorstehende Synode zu sprechen. Er ging selbstverständlich davon aus, dass sie von Bonifatius und Karlmann gemeinsam geleitet werde.6 Willibald ging in seiner Vita sogar noch weiter: Bonifatius sei es gewesen, der Karlmann immer wieder zu Synoden veranlasst habe.7 Doch scheint der Biograph die Beschlüsse der Synode nicht gekannt zu haben. Die Synode, die am 21. April 743, dem Sonntag nach Ostern, an einem nicht überlieferten Ort stattfand, eröffnete der Hausmeier: »Ich, Karlmann, Herzog und Fürst der Franken«.8 Auf den Rat der Diener Gottes und seiner Adligen habe er die Bischöfe in seinem Reich zusammen mit ihren Priestern in der Furcht Christi »zu einem Konzil und einer Synode versammelt«. Dann zählte er die teilnehmenden Bischöfe auf mit Erzbischof Bonifatius an der Spitze. Unter ihnen waren die neu geweihten angelsächsischen Bischöfe von Würzburg, Erfurt, Büraburg und Eichstätt, wo Bonifatius inzwischen Willibald eingesetzt hatte, den Bruder Wunibalds. Von den älteren fränkischen Bischöfen nahmen nur Heddo (Eddanus) von Straßburg und Reginfrid von Köln teil, wo vielleicht auch die Synode tagte. Auffällig war das Fehlen einer Reihe von fränkischen Bischöfen, die sich 149

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IV. Reformen und Rückschläge

Karlmanns Einladung versagt hatten. Zu ihnen gehörte der mächtige Bischof Milo von Trier und Reims. Er sollte zu einem der hartnäckigsten Widersacher des Bonifatius werden.9 Als allgemeines Ziel der Synode nannte Karlmann die Bereinigung der Schäden, die sich unter den früheren Herrschern im religiösen Leben des Reiches eingeschlichen hatten. Dem Hausmeier stand die Aufgabe eines christlichen Herrschers vor Augen, der für ein christliches Reich verantwortlich war: »Das Gesetz Gottes« und »die kirchliche Ordnung« sollten erneuert werden, damit das christliche Volk, das durch falsche Priester verführt worden war, zu seinem Seelenheil gelangen könne. Die Worte klingen, als habe sie Bonifatius dem Hausmeier diktiert, der für ihn der ideale Helfer war. Karlmann würde seine ganze Macht einsetzen, um das Ideal eines regnum Christianorum zu verwirklichen. Dafür bürgte auch die Publikationsform der nachfolgenden Synodalbeschlüsse, die der Franke als Kapitular veröffentlichte. Kapitulare hatten unter früheren Herrschern gesetzgeberische Kraft. In seiner Einleitung sprach Karlmann von den Bischöfen »in meinem Reich«. Auch Papst Zacharias hatte ihm geschrieben, er möge Bonifatius unterstützen und unverzüglich ausführen, was er ihm versprochen habe.10 Karlmann hielt sein Versprechen und eröffnete die Einzelbestimmungen mit der wichtigsten Maßnahme, die wie die folgenden im Pluralis Majestatis und im sogenannten ingressiven Perfekt des klassischen Briefstils gehalten sind: »Und wir haben nach dem Rat der Priester und meiner Großen in den Städten Bischöfe eingesetzt und über sie als Erzbischof den Bonifatius bestellt, den Abgesandten des heiligen Petrus.« Der Hausmeier setzte also die Bischöfe ein (ordinavimus) und bestimmte Bonifatius als Metropoliten zu ihrem Vorgesetzten (constituimus super eos). Kurze Zeit später redete der römische Kardinaldiakon Gemmulus Bonifatius in einem Brief als archiepiscopus provinciae Germaniae an. Bonifatius trug also die Verantwortung, dass im gesamten regnum Karlmanns die aufgeführten Bestimmungen über die Lebensführung von Bischöfen, Klerikern, Mönchen und Nonnen eingehalten wurden, etwa die, dass kein »Diener Gottes« mit Hunden in den Wäldern auf Jagd ging oder sich 150

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Habichte oder Falken hielt (Kanon IIb). Diese Bestimmung oder das Verbot heidnischer Bräuche (Kanon V) in dem riesigen und unübersichtlichen Gebiet zu überwachen, wäre nur mit Hilfskräften möglich gewesen, die Karlmann zur Verfügung hätte stellen müssen. So begnügte man sich mit dessen Autorität, die vielerorts größer war als die des »Abgesandten des heiligen Petrus«. Die künftig jährlich unter Karlmanns Beteiligung abzuhaltenden Synoden (Kanon Ib) boten Gelegenheit, die herrscherliche Autorität einzuschärfen. Die heikelste, Zündstoff enthaltende Bestimmung lag in Kanon Ic: »Und das entzogene Vermögen der Kirchen haben wir den Kirchen wieder zugestellt und zurückgegeben.« »Solchen Forderungen konnte kaum grundsätzlich widersprochen werden. Sie stießen aber gleichwohl auf begreifliche Reserve bei all jenen im fränkischen Episkopat, die an eine ziemlich ungehemmte weltliche Herrschaftspraxis im Stil ihrer aristokratischen Herkunftsfamilien gewöhnt waren«, urteilte der Mediävist Rudolf Schieffer.11 Realistischerweise war daher in den anschließenden Ausführungsbestimmungen nicht von Bischöfen die Rede: »Falschen Priestern und ehebrecherischen oder unzüchtigen Diakonen und Klerikern haben wir ihre kirchlichen Pfründe entzogen, sie abgesetzt und zur Buße genötigt« (Kanon Id). Betroffen von der Rückgabe war auch der grundbesitzende Adel. Karl Martell hatte ihn großzügig mit Kirchengut ausgestattet, ihn so an sich gebunden und damit seine Kriege finanziert. Diese Abhängigkeiten hatten seine Macht wachsen lassen. Karlmann machte seine Ankündigung wahr, in jedem Jahr eine Synode abzuhalten, »damit in unserem Beisein die Konzilsbeschlüsse und Rechtsordnungen der Kirche erneuert und die Ordnung der Christenheit verbessert wird« (Kanon Ib). Ein Jahr später versammelte er bei Les Estinnes im Hennegau im heutigen Belgien »alle ehrwürdigen Priester Gottes, die Grafen und die Befehlshaber« (Kanon Ia).12 Da keine Namen überliefert sind, hat man vermutet, dass es weitgehend dieselben Teilnehmer wie im Vorjahr waren. Als Erstes bestätigten die Synodalen die Beschlüsse der vorangegangenen Synode und versprachen, sie zu erfüllen. Aus dem Datum der Synode, dem 1. März, hat man geschlossen, dass sie zugleich mit dem »März151

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IV. Reformen und Rückschläge

feld«, der traditionellen Heeresversammlung im Frühjahr, zusammenfiel. So wurde die Verschwisterung von Kirche und weltlicher Herrschaft noch augenfälliger, ganz im Sinn des Bonifatius, der sie schon in seiner Heimat erlebt hatte. Mit der nächsten Bestimmung erfüllte sich auch sein weiteres Ziel, die fränkische Kirche eng an Rom zu binden. Denn nichts anderes besagte die »Anerkennung der Satzung der alten Väter«. Hinzu kam die Wiederherstellung des »Kirchenrechts in Lebensführung, Lehre und Gottesdienst«. Die Folgen waren auch »dem Klerus aller kirchlichen Weihegrade, den Bischöfen, Priestern, Diakonen und Klerikern« bewusst, die sich darauf verpflichteten (Kanon Ib). Den Äbten und Mönchen wurde nach der früheren Synode erneut eingeschärft, ihre Klöster nach der Regel des heiligen Benedikts wieder zu ordnen (Kanon Ic). Die sich abzeichnenden Schwierigkeiten, die sich aus der angeordneten Rückgabe von Kirchengut ergeben würden, bestätigte der umfangreiche Kanon II. Er zeigte auch dem anwesenden Bonifatius die Grenzen staatlicher Macht angesichts »der drohenden Kriege und der Einfälle der Völker ringsum«. Um die Rückgabe zu finanzieren, sollte »mit Gottes nachsichtiger Duldung« ein Teil des Kirchenvermögens als »zinspflichtige Landleihe« zurückbehalten und jede Hofstatt mit einem jährlichen Betrag von einem Solidus zu zwölf Pfennigen belastet werden. Der Betrag war an die Kirche oder an das Kloster zu zahlen. Im Todesfall sollte die Landleihe an die kirchlichen Besitzer zurückfallen. Doch wenn nötig, konnte die Verleihung erneuert werden, falls die Eigentümer nicht selbst in Not gerieten und dann Grund und Boden ungeschmälert zurückerhielten. Die Kirche konnte zufrieden sein, dass der Staat ihren Besitz verbürgte. Sicherlich in Absprache mit seinem Bruder berief Pippin einen Tag später, am 2. März, eine Synode nach Soissons (744) ein, der zentralen Stadt in seinem Reichsteil.13 Der Tagesangabe fügte er im Kapitular hinzu: »im zweiten Jahr des Frankenkönigs Childerich«. 743 hatten Karlmann und er Childerich III., den letzten Merowinger, zum König von ihren Gnaden erhoben. Offensichtlich wollten sie so dem Protest des Adels gegen das Interregnum begegnen. Childerich 152

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war ein Schattenkönig, nach dem der Hausmeier als Herr der Synode auftrat: »Ich Pippin, Herzog und Fürst der Franken«. 23 Bischöfe und viele Priester waren zusammengekommen. Wenn es um die Verurteilung von Ketzern ging, sprachen sie zusammen mit Pippin und dem Volk, also mit dem auf dem Märzfeld versammelten Heer, das Urteil (Kanon II). Was moralische Fragen, den Zölibat, die Ehegesetzgebung oder den Kampf gegen das Heidentum betraf, glichen die Bestimmungen denen der beiden anderen Synoden. Auch die jährliche Zusammenkunft wurde festgelegt. In seinem Herrschaftsgebiet wollte Pippin in den einzelnen Städten »rechtmäßige Bischöfe« einsetzen. Über diese bekamen zwei Erzbischöfe, Abel in Reims und Ardobert in Sens, die Oberaufsicht (Kanon  III). Jeder Bischof sollte in seiner Stadt nicht nur das Heidentum bekämpfen, sondern auch einen gesetzlichen Markt mit festen Maßeinheiten einrichten (Kanon  VI). Hinter der Zusammenstellung beider Bestimmungen stand die Erwartung, dass ein ordentlicher, vom Bischof überwachter Handel nicht nur Wirtschaft und Wohlstand förderte, sondern auch für die Glaubwürdigkeit seiner Religion sprach. Die Entfernung zwischen Les Estinnes und Soissons war zu groß, als dass Bonifatius an beiden Synoden teilnehmen konnte. Aber er ließ Pippin das Kapitular des Concilium Germanicum zukommen. Vielleicht war er auch schon vorher mit ihm zusammengetroffen und hatte seine Zustimmung eingeholt, Grimo, den Abt von Corbie, zum Erzbischof von Rouen zu erheben. Beide Orte lagen im Neustrien Pippins, und Bonifatius meldete den Erfolg nach Rom. Erfreut schrieb ihm Papst Zacharias zurück: »Du hast uns weiter angezeigt, wie und in welchem Grade Gott an die Herzen unserer erlauchtesten Söhne Pippin und Karlmann rührte, dass sie durch Gottes Eingebung sich bemühen, dir bei deiner Verkündigung Genossen und Helfer zu sein.«14 Die beiden neuen Erzbischöfe Abel und Ardobert bestätigte der Papst und kündigte an, ihnen das Pallium zu senden, ebenso Erzbischof Grimo, »den wir bereits kennen«.15 Auch Karlmann und Pippin hatten deswegen an den Papst geschrieben und um Pallien für die drei Erzbischöfe gebeten. Ihrem Wunsch erfüllte Zacharias »zur Einigung und Reform der Kirchen Christi«.16 153

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Der Papst, Bonifatius und die beiden Hausmeier wirkten bei der Ernennung der drei Erzbischöfe zusammen, was allerdings eine unterschiedliche Interpretation fand: Pippin verkündete im Kanon III von Soissons, er habe auf den Rat von Geistlichen und Adligen die Bischöfe und Erzbischöfe eingesetzt.17 Zacharias zufolge war es Bonifatius, der die Erzbischöfe eingesetzt hatte.18 744 bestätigte Papst Zacharias seinem Legaten für Germanien auch das Predigtamt in Gallien, bekräftigte auf dessen Wunsch noch einmal das für Bayern und verband damit ausdrücklich die Aufsicht über das gesamte christliche Leben.19 Bonifatius’ Generalvollmacht machte eine Machtprobe mit den alteingesessenen Bischöfen unausweichlich, zumal sich nun auch Pippin in seinem Reichsteil Neustrien zu einer tiefgreifenden Kirchenreform entschlossen hatte, die sich strukturell an der Erhöhung der Metropolitansitze auf drei zeigte. Besonders provozierend wirkte auf manche bischöflichen Amtsinhaber der Umstand, dass die designierten Erzbischöfe Abel für Reims und Ardobert für Sens wohl Angelsachsen waren.20

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»Solchen Menschen wollen wir, weil man sie hier und dort trifft, mit der Posaune Gottes entgegenschmettern, damit wir nicht wegen unseres Schweigens verdammt werden.« Bonifatius an Bischof Cudberht, Brief 78

Widerstand Die Opposition gegen Bonifatius’ Kirchenreformen verkörperte sich eindrucksvoll in dem machtbewussten fränkischen Adligen Milo, der mit den Karolingern verwandt war. Karl Martell hatte ihn nicht nur zum Bischof von Trier, als Nachfolger seines Vaters Liutwin, erhoben. Er hatte ihm auch, nachdem der rechtmäßige Bischof verjagt worden war, das Bistum Reims verliehen und damit ein mächtiges Adelsgeschlecht Austriens noch mächtiger gemacht. Milo hatte Kinder, unter die er Reimser Kirchengut verteilte. Die späteren Gesta Treverorum entwarfen von ihm ein spitzzüngiges Porträt: »Nach der Tonsur war er ein Kleriker, nach seinen Sitten, seinem Habitus und seinem Handeln ein unreligiöser Laie.«21 Er war also die Sorte von Hirten, vor denen Bonifatius fast einen körperlichen Ekel empfand und mit denen er jede Gemeinschaft zu meiden suchte. Doch mit einem solchen Dynasten konnten es sich die Hausmeier Pippin und Karlmann auf Dauer nicht verderben, wenn sie ihre eigene Machtstellung nicht gefährden wollten. Zu stark war das Netzwerk, das Milo und seine Freunde mithilfe persönlicher Abhängigkeiten und einer großzügigen Verteilung von Pfründen gewoben hatten. Es war Pippin, der die realpolitische Reißleine zog, nicht um die Kirchenreform zu torpedieren, sondern um sie klüger anzugehen.22 Der im Alter wenig kompromissbereite Bonifatius musste klein beigeben, zumal weitere Adlige, Bischöfe und Laien erheblichen politischen Einfluss am Hof besaßen, wie er einräumen musste. Den päpstlichen Legaten und sein Reformwerk mochten sie jedenfalls nicht.23 155

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IV. Reformen und Rückschläge

Papst Zacharias nahm 751 in einem Brief an Bonifatius auf, was dieser ihm »über Milo und ähnliche von seiner Sorte« geschrieben hatte, »die den Kirchen Gottes den größten Schaden zufügen«.24 Der Oberhirte bestärkte seinen Stellvertreter jenseits der Alpen: »So predige nach dem Wort des Apostels, ob gelegen oder ungelegen, sie sollen von einem so ruchlosen Treiben ablassen. Wenn sie deinen Warnungen Folge leisten, so werden sie ihre Seelen retten, andernfalls werden sie selbst zugrunde gehen, in ihre Sünden verstrickt, du aber, der recht predigt, wirst deinen Lohn nicht verlieren.«25 Weitsichtig verfolgte Zacharias eine Politik des »Möglichen«, bei der Geduld gefragt war. Seinem weniger geduldigen Bonifatius empfahl er: Weitermachen!, und er tröstete ihn mit der Aussicht auf himmlischen Lohn, dem individuellen Motiv, das ihm in den kirchenpolitischen Ränken die notwendige Gelassenheit verschaffen würde. Die Rückschläge des Jahres 744 waren empfindlich, aber das Ziel der Kirchenreform in der Francia ließ Bonifatius nicht aus den Augen. Willibald fand die Schlappe seines Helden offenbar so unerträglich, dass er sie nicht weiter analysierte und lediglich in Anspielung auf Jesaja 7,1 raunte: »Deshalb bemühte sich dieser heilige Bischof des Herrn, von solch tiefer und rastloser Sorge bewegt, das Volk den Schmeichelkünsten der Verderben bringenden winkelzügigen Schlange zu entziehen.«26 Als seine kirchenpolitische Niederlage nicht mehr abzuwenden war, überraschte Bonifatius den Papst mit einer Bitte: er solle nur Grimo das Pallium schicken.27 Die Verwunderung des Papstes steigerte sich zur Empörung über den Vorwurf, den er in Bonifatius’ Brief lesen musste: Er, Zacharias, habe kirchliche Ämter für Geld verkauft, also sich der Simonie schuldig gemacht. Energisch wies der Beschuldigte den Vorwurf zurück, den er als »widerwärtig« und »beleidigend« empfand.28 Er forderte Bonifatius auf, »derartiges auf keinen Fall mehr zu schreiben«.29 Denn er »banne jeden, der es wagt, die Gabe des Heiligen Geistes um Geld zu verkaufen«.30 Zacharias hätte erwartet, dass Bonifatius das Gerücht sofort zurückweise, statt ihn – als habe es einen wahren Kern – damit zu konfrontieren. In der Diskussion zeigte sich Bonifatius’ moralischer Furor, der auch vor dem höchsten irdischen Würdenträger der Christenheit 156

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nicht zurückwich und ihn unverblümt mit der schweren Anschuldigung provozierte. Das ist umso erstaunlicher, weil er gewöhnlich, im Gegensatz zu den bisherigen fränkischen Bischöfen, zartbesaitet mit Rom umging. Er bat sogar den Papst in Ernährungsfragen um eine Entscheidung, der ihn auch in diesem Punkt geduldig beriet. Kirchendiplomaten würden seine ungeschützten Verdächtigungen wohl als unklug und wenig hilfreich bewerten, zumal er Beweise für den Simonievorwurf schuldig blieb. Doch der unbequeme Verfechter der Kirchendisziplin konnte nicht aus seiner Haut, folgte er doch dem Wunsch Jesu: »Eure Rede sei: Ja Ja, Nein Nein, was darüber hinausgeht, stammt vom Bösen.«31 Zacharias reagierte souverän, wohl mit Blick auf das höhere Ziel, das Papst und Legat verband, und bestätigte dem wieder bittenden Bonifatius nicht nur sein Predigtamt in Bayern, sondern auch in Gallien. Der Papst endete mit der Bitte, sein Stellvertreter möge Verstöße gegen die christliche Religion und deren Satzungen korrigieren, aber stets in geistlicher Weise.32 Daher lobte er auch dessen Vorgehen gegen einen falschen Priester in Bayern, der behauptet hatte, der Papst habe ihn zum Bischof bestellt.33 Hatte Bonifatius den Behauptungen des falschen Priesters keinen Glauben geschenkt, so war er bei dem Vorwurf der Simonie bösen Gerüchten aufgesessen, die Zacharias zufolge verbreitet wurden. Vielleicht waren es Gegner wie der Kirchenfürst Milo, die auf schäbige Weise versuchten, einen Keil zwischen Rom und seinen Legaten zu treiben. Von diesen Machtkämpfen einmal abgesehen: Die Gerüchteküche diesseits und jenseits der Alpen kochte ständig, wie die von Bonifatius gemaßregelten Priester indirekt bestätigten. Sie reisten nach Rom, kehrten zurück und behaupteten, der Papst habe sie rehabilitiert. Der riet seinem Legaten, das auf keinen Fall zu glauben, es sei denn, der Mitbruder habe ihm die Rehabilitation schriftlich mitgeteilt.34 Hätte Bonifatius die tieferen Gründe für das gewünschte Revirement der Pallien genannt, wäre der Papst sicher darauf eingegangen. Doch er wollte nicht nach Rom melden, dass seine Reform einen Rückschlag erlitten hatte, den ihm Karlmann und Pippin nicht ersparen konnten. Es war ein Schlüsselereignis für seine sich anbahnende 157

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kirchenpolitische Kaltstellung. In den Augen seiner Gegner blieb er eine missliebige Person, manchen so verhasst, dass wohl sogar seine Ermordung erwogen wurde. Liudger von Münster berichtet in seiner Vita Gregorii, der ein Schüler des Bonifatius war, »falsche Lehrer und Beschützer« hätten einmal versucht, den unbeugsamen Reformer umzubringen. Gott habe ihn jedoch beschützt.35 Nicht allein fränkische Adelsbischöfe machten Bonifatius das Leben schwer und behinderten sein ehrgeiziges Reformwerk. Gegenwind wehte auch aus einem anderen Teil der Gesellschaft, der Bonifatius, die beiden Hausmeier und schließlich sogar Papst Zacharias beunruhigte, weil sie in ihm eine Gefahr für ihr groß angelegtes Reformprogramm im Frankenreich sahen. In Rom nahm man die Sache so ernst, dass Zacharias im Oktober 745 eine Synode in den Lateran berief, zu der er 9 italienische Bischöfe und 17 stadtrömische Priester einlud, die sich an drei aufeinanderfolgenden Sitzungstagen mit dem Phänomen beschäftigten. Einen ersten Hinweis bot bereits Kanon VII der Synode von Soissons: »Ebenso haben wir festgesetzt, dass die Kreuze, die Aldebert in den Sprengeln aufgepflanzt hatte, alle durch Feuer vernichtet werden.«36 Bonifatius schickte seinen bewährten Boten Denehard mit einem Brief und weiteren Dokumenten nach Rom, um die Lateransynode zu unterrichten. Die Zeugnisse haben sich erhalten, weil sie auf Zacharias’ ausdrücklichen Wunsch im päpstlichen Archiv aufbewahrt wurden und Bonifatius eine Abschrift erhielt.37 Denehard berichtete zunächst, dass die abtrünnigen Priester Aldebert und Clemens auf einer fränkischen Synode, an der offensichtlich auch Karlmann und Pippin teilnahmen, abgesetzt und in Haft genommen worden waren. Es war eine Klosterhaft, in der die Häftlinge Buße tun sollten.38 »Jene aber leben nicht, wie das Urteil besagt, in Buße, im Gegenteil, sie verführen weiterhin das Volk«,39 betonte Denehard in der Geheimsitzung. Danach verlas der päpstliche Sekretar Bonifatius’ Brief, in dem er klagte, mit dem Gallier Aldebert und dem Iren (Schotten) Clemens habe er unter allen Irrlehrern die größte Mühe gehabt. Daher habe er sich an den Papst gewandt. Dieser möge Franken und Gallier vor den beiden Vorläufern des Antichrist 158

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schützen und veranlassen, dass beide wieder in Haft kommen, damit er als ihr Gegner nicht länger von vielen Leuten beschimpft werde. Bonifatius spricht sogar von »Verfolgung«, die er erleide. Aldeberts Anhänger erlägen seinem Schwindel: Er habe schon in jungen Jahren von einem Engel des Herrn wunderkräftige Reliquien erhalten. Daher könne er von Gott bekommen, was er wolle. Aldebert ziehe vor allem Sünderinnen an, und Bauern sähen in ihm einen Heiligen, der Wunder wirke. Unwissende Bischöfe habe er sich gekauft, die ihn zum Bischof weihten. Aldebert stelle sich den Aposteln gleich, weihe aber keine Kirche zu deren Ehren, sondern lasse Kapellen auf den Feldern und an Quellen errichten. Dorthin strömten die Massen. Seine Haare und Nägel verteile er unter seine Anhänger als Amulette. Wenn Gläubige bei ihm beichten wollten, müssten sie keine Sünden bekennen, weil die ihm alle schon bekannt seien. Er spreche die Beichtenden los und schicke sie weg. Clemens, der andere Ketzer, lehne die kirchliche Satzung und die Väterschriften ab und behaupte, seiner Auslegung der Synoden zufolge sei er Bischof, habe aber im Ehebruch zwei Söhne gezeugt. Nach jüdischer Auffassung dürfe auch ein Christ die Witwe seines verstorbenen Bruders heiraten, und Christus selbst habe alle Sünder aus der Hölle geführt, Christen wie Götzenverehrer. Abschließend richtete Bonifatius die Bitte an den Papst, er solle Karlmann auffordern, diesen Ketzer gefangen zu setzen, damit er Satans Samen nicht weiter ausstreuen könne.40 Da es spät geworden war, vertagte der Papst die Synode. Am folgenden Tag wurde Denehard gebeten, die mitgebrachte Lebensbeschreibung Aldeberts vorzulegen, und der Sekretar las: »Es beginnt das Leben des heiligen und seligen Gottesdieners, des vortrefflichen und ganz herrlichen, als Auserwählter Gottes geborenen heiligen Bischofs Aldebert.« Von einfachen Eltern stammend empfing er schon im Mutterleib die göttliche Gnade. Diese erkannte seine Mutter in einer Vision, bei der ein Kalb aus ihrer rechten Seite hervorkroch.41 Weiter behauptete Aldebert, ein Brief vom Gottessohn sei in Jerusalem vom Himmel gefallen, und der Erzengel Michael habe ihn am Effrem-Tor gefunden. Der Brief wurde abgeschrieben und gelangte 159

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durch die Hand eines Engels des Herrn schließlich an das Grab des Petrus in Rom, wo die Schlüssel des Himmels liegen. Der Papst ließ daraufhin von zwölf stadtrömischen Priestern dreitägige Nachtgebete, Vigilien, abhalten.42 In der letzten Sitzung wurde noch ein Gebet Aldeberts zitiert. Es begann scheinbar orthodox: »Herr, Allmächtiger Gott, Vater Christi, des Sohnes Gottes, unseres Herrn Jesus Christus.« Doch zum Schluss überraschte der Beter: »Ich bitte euch und beschwöre euch und flehe euch auf den Knien an, Engel Uriel, Engel Raguel, Engel Tubuel, Engel Michael, Engel Adinus, Engel Tubuas, Engel Sabaoc, Engel Simiel.«43 Ein gotteslästerliches Gebet, befand die Synode. Von Michael abgesehen habe Aldebert Dämonen angerufen. Den an erster Stelle genannten Uriel bezeichnet das Buch Henoch, eine der apokryphen Schriften des Alten Testaments, als einen der vier Erzengel neben dem ebenfalls erwähnten Michael sowie Gabriel und Raphael.44 Im zweiten Buch der Sibyllinischen Orakel ist er der gewaltige Engel, der die Tore der Unterwelt öffnet und alle Insassen zum Gottesgericht führt.45 Hintergrund ist das nachbiblische Judentum. Die kruden anderen Engelbezeichnungen hat Aldebert vielleicht nach dem Abschnitt über die Engel im Buch Henoch, Kapitel 6 bis 36, mit den zahlreichen bisweilen ähnlich lautenden Engelnamen gebildet. Den Engelkult hatte bereits die Synode von Laodicea um 364 verboten. Hier schließt die Lateransynode an: Aldebert wird seines Priesteramtes enthoben und muss Buße tun. Bleibt er bei seinen Irrlehren, verfällt er dem Kirchenbann. Auch Clemens verliert seine Priesterwürde und wird gebannt.46 Die moderne Forschung hat die Auseinandersetzung um Aldebert und Clemens als Beispiel für die Lebenswelt und Mentalität von Priestern und Laien in bäuerlichen Regionen des Frankenreichs ausgewertet. Sie hat die Popularität einzelner Charismatiker aus dem Volk und deren Mittel der »hochkirchlichen« Mission und ihrem Kampf gegenübergestellt.47 Gegen einen Engelkult, der die elementaren religiösen Bedürfnisse einer weitgehend bildungsfernen und zum Synkretismus neigenden Bevölkerung ansprach, hatte Bonifatius einen schweren Stand. Um den religiösen Wildwuchs zu ent160

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wurzeln, brauchte es den Schulterschluss zwischen kirchlicher und weltlicher Macht. Doch auch dann blieb der Kampf gegen solche Massenphänomene ein Kampf gegen Windmühlen. Papst Zacharias hatte Bonifatius gebeten, die Abschrift, die er ihm von der Lateransynode geschickt hatte, im ganzen Frankenreich verlesen zu lassen, »damit jeder Abtrünnige, wenn er hört, dass ein solches Urteil von der heiligen und apostolischen Kirche Gottes gefällt worden ist, sich von der Verkehrtheit seines Lebens wieder abwendet zur Vernunft«.48 Das war leichter gesagt als getan. Kardinaldiakon Gemmulus schrieb in dieser Angelegenheit zusätzlich an Bonifatius.49 Er versprach ihm, »dass ich mich bereithalte, euren Weisungen in allem nachzukommen. Ich bitte euch nur darum, dass ihr für mich beten lasst.«50 Denn der hohe Würdenträger war überzeugt, Bonifatius sei ein mächtiger Fürsprecher bei Gott.51 Doch mehr als ein Jahr später musste sich Zacharias ein weiteres Mal an Bonifatius wenden, nachdem Pippin in kirchenrechtlichen Fragen einen Gesandten nach Rom geschickt hatte, ohne dem Metropoliten Bescheid zu geben – ein kleiner Schritt hin zu seiner künftigen Königsherrschaft. Der Papst riet dem Hausmeier, er solle seine Antwort in einer Synode vor Klerikern vortragen, und verlangte ausdrücklich, Bonifatius dazu einzuladen.52 Offensichtlich hatte er erfahren, dass das Band zwischen Pippin und dem Metropoliten nach Karlmanns Ausscheiden lockerer geworden war. Auf dieser Synode solle noch einmal über Aldebert, Clemens und einen dritten Ketzer, einen Godalsacius, verhandelt werden. Die bisherigen kirchlichen und staatlichen Gegenmaßnahmen hatten also nichts bewirkt. Sollten die Abtrünnigen »endlich auf den rechten Weg zurückkehren«, möge Bonifatius im Einvernehmen mit Pippin nach dem Kirchenrecht über sie bestimmen. Andernfalls solle er sie mit zwei oder drei bewährten Priestern nach Rom schicken, wo ihre Sache vor dem Apostolischen Stuhl erneut gründlich untersucht werde und sie ihr endgültiges Urteil empfingen.53 Quellen, wie die langwierige Auseinandersetzung ausging, haben sich nicht erhalten. Nicht weniger schwer wog der Fall des Mainzer Bischofs Gewilib. Wie Milo stammte er aus dem fränkischen Adel, und wie dieser 161

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war er, entgegen kanonischem Recht, seinem Vater Gerold auf den Mainzer Bischofsstuhl gefolgt. Der Vater war auf einem Sachsenfeldzug gefallen, und der Sohn beschloss, ihn zu rächen. Auch er zog mit Karl Martell gegen die Sachsen und machte den Mörder seines Vaters ausfindig. Der germanischen Blutrache gehorchend lockte er ihn in eine Falle und erschlug ihn.54 Die Tat machte ihn für Bonifatius und den Papst, der seinen Bericht erhielt, als Bischof untragbar. Auf der Reichssynode, zu der Pippin und Karlmann 745 zusammentrafen, um parallel einen Feldzug gegen Aquitanien vorzubereiten,55 wurde Gewilib mit Zustimmung der Hausmeier abgesetzt. Um das Urteil der Synode vom Papst aufheben zu lassen, beschloss Gewilib, nach Rom zu reisen, wie Bonifatius Zacharias ankündigte. Der Papst schrieb ihm zurück: »Wenn er nun kommt, wird ihm geschehen, wie es Gott gefällt.«56 Den Kirchenbann hob er nicht auf, und er verurteilte Gewilibs Bemühungen, Kirchengut zu beanspruchen.57 Völlig im Stich lassen wollte man den mörderischen Bischof nicht. Die vierte Bonifatius-Vita wusste, dass er ein Lehen in der Nähe des Dörfchens Sponheim (Spanheim) westlich von Bad Kreuznach mit einer Kirche namens Caput Montis (»Berggipfel«), dem heutigen Kempten bei Bingen, erhielt. Dort lebte er »ehrenvoll« (honeste) noch 14 Jahre, in denen er für seine Gastfreundschaft bekannt war.58 Als Bonifatius seinem väterlichen Freund Daniel klagte, an Pippins Hof seien Männer, mit denen er ungern zusammentreffe, eine Klage, die er gegenüber Papst Zacharias wiederholte,59 waren nicht nur Häretiker und Götzenanbeter gemeint. Pippin förderte eben nicht allein den Angelsachsen und sein Reformprogramm, sondern auch Helfer, die nicht zum Bonifatius-Kreis gehörten, die ihm fernstanden, wenn nicht sogar feindlich gesinnt waren. Zu ihnen gehörte der Iroschotte Virgil. In seiner Heimat war er Abt, lebte dann längere Zeit an Pippins Hof, der ihn wegen seiner Gelehrsamkeit schätzte. So vertrat er die schon in der Antike diskutierte Lehre, dass auf der südlichen Halbkugel der Erde die Antipoden lebten unter einer zweiten Sonne und einem zweiten Mond, was Bonifatius empört dem Papst meldete. Zacharias befahl ihm, falls Virgil auf seiner perversen und sündhaften Auffassung beharre, ihn aus der Kirche auszustoßen.60 162

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Unterdessen sandte Pippin Virgil und seinen Gefährten Sidonius zum Bayern-Herzog Odilo, der ihm den Bischofssitz Salzburg übertrug, nachdem der von Bonifatius eingesetzte Bischof Johannes gestorben war. Es kam zu einer dogmatischen Auseinandersetzung: Virgil und Sidonius erlaubten einem Priester zu taufen, der eine verballhornte lateinische Taufformel benutzte: »Ich taufe dich im Namen des Vaterlands (patria) und der Tochter (filia) und des Heiligen Geistes.« Der entsetzte Bonifatius verlangte eine zweite Taufe. Denn der unwissende Priester leistete, abgesehen von dem liturgischen Humbug, einer von Rom unabhängigen »Stammeskirche« Vorschub, wenn er im Namen der patria taufte.61 Der päpstliche Legat verstand sich aber dem jesuanischen Missionsbefehl gemäß als zu »allen Völkern« gesandt. Sein Antrieb und sein Ziel war »die eine Kirche aus vielen Völkern«.62 Virgil und Sidonius lehnten die erneute Taufe ab und schrieben deswegen an den Papst. Der Oberhirte belehrte seinen enttäuschten Bonifatius, dass die Taufe trotz des fehlerhaften Lateins gültig sei und nach alter kirchlicher Regel nicht wiederholt werden dürfe.63 Die Auseinandersetzung offenbarte, wie entscheidend in der Mission und der Christianisierung eine fundierte Ausbildung des einheimischen Klerus war. Auch aus diesem Grund trieb Bonifatius seine Klostergründungen voran. Der Streit zwischen dem Angelsachsen und dem Iroschotten kochte weiter, wie der Papst aus einem Brief des Bonifatius erfuhr. Sein treuer angelsächsischer Freund Burchard, den er zum Bischof von Würzburg geweiht hatte, brachte das Schreiben an den Tiber. Zacharias las, dass Virgil bei Herzog Odilo gegen Bonifatius hetzte und ihn hasste, weil dieser ihm weiter vorwarf, von der katholischen Lehre abzuweichen. Da Virgil nach irischem Vorbild zwar sein Bistum leitete, aber die liturgischen Aufgaben von einem geweihten Stellvertreter erledigen ließ, zweifelte der Papst inzwischen überhaupt, ob Virgil die Priesterweihe erhalten habe. Seine Behauptung, er sei von ihm, Zacharias, zum Nachfolger des Bischofs Johannes bestimmt worden, treffe nicht zu, stellte der Papst richtig. Er habe vielmehr ihn und Sidonius schriftlich verwarnt und sogar an Herzog Odilo 163

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geschrieben, die beiden nach Rom zu schicken, damit er sie auf ihre Rechtgläubigkeit prüfen könne.64 In der angespannten Lage versäumte Zacharias nicht, seinen temperamentvollen Legaten zur Geduld zu mahnen und sich nicht vom Zorn hinreißen zu lassen. Er möge solche Leute ermahnen, beschwören, widerlegen und tadeln und sie so von ihrem Irrtum abbringen.65 Damit war auch Virgils so verquere kosmologische Theorie gemeint. In Rom war wohl bekannt, wie sehr Bonifatius in den germanischen Gebieten auf die korrekte Zitation der Taufformel achtete.

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»Wir haben euch kleine Gaben zukommen lassen, nicht als ob sie eurer Väterlichkeit würdig wären, sondern als Zeugnis der Liebe und des Gehorsams unserer Unterwürfigkeit: ein zottiges Tuch und etwas Silber und Gold.« Bonifatius an Papst Zacharias, Brief 50

Späte Liebe und Enttäuschung Mag das Jahr 744 für den Kirchenreformer ein annus horribilis gewesen sein, gab es doch persönliche Lichtblicke. Im Einvernehmen mit Karlmann hatte Bonifatius auf den beiden ersten Synoden festgelegt, dass Mönche und Nonnen nach der Regula Benedicti leben sollten, so wie er das selbst in seiner Jugend im Kloster erlebt hatte.66 Karlmann war von der Regel so beeindruckt, dass er 447 sein Reich Austrien aufgab und sich als Mönch zunächst in das Andreaskloster auf dem mons Soracte nördlich von Rom, dann in das Kloster Montecassino zurückzog, den Geburtsort der Regel.67 Daher stimmte er sofort zu, als Bonifatius seinen Wunsch äußerte, in einer einsamen Waldgegend seines hessischen Missionsgebietes, in Eichloh an der Fulda, ein Kloster für Mönche zu errichten. Nach der Benediktregel sollten sie in strenger Enthaltsamkeit leben, auf Fleisch, Wein und Met und sogar auf Knechte verzichten und von ihrer eigenen Hände Arbeit ihren Lebensunterhalt bestreiten.68 Allerdings war das Bild einer »Einöde von ungeheurer Verlassenheit«, das Bonifatius dem Papst vor Augen führte, mehr Wunschvorstellung als Realität. Bei Eichloh kreuzten sich wichtige Straßen, und die Fulda war ein bequemer Wasserweg zur Weser.69 Doch im Vergleich mit dem Kommen und Gehen an den fränkischen Höfen oder auch an den Bischofssitzen musste Fulda Bonifatius wie eine Oase der Ruhe vorkommen. 165

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Karlmann machte Bonifatius das Gebiet zum Geschenk. Ortsansässige Adlige traten Grundbesitz an das Kloster ab – die Frommen unter ihnen wohl ein wenig freiwilliger als die Reformkritiker, auf die Karlmann Druck ausübte.70 Bei Bonifatius klang die Entstehungsgeschichte anders, als er 751, sieben Jahre nach der Einweihung des Klosters 744, Papst Zacharias berichtete: »Dieses genannte Gebiet habe ich von frommen und gottesfürchtigen Männern, vor allem von dem ehemaligen Frankenfürsten Karlmann, durch redliche Bemühung erworben.«71 Er bat den Papst, er möge dem Kloster eine Schutzurkunde ausstellen.72 Zacharias willigte ein. In seinem Schreiben sprach er von einem »vernünftigen Wunsch« und der »Zierde des Privilegs«, das Fulda als »erzbischöfliche Enklave« der Jurisdiktion jeder anderen Kirche entzog.73 Der Papst spielte vor allem auf das Bistum Würzburg an, also Bonifatius’ eigene Gründung, die er mit dem von ihm geweihten Bischof Burchard besetzt hatte. Das päpstliche Exemtionsprivileg machte Fulda also zu Bonifatius’ Eigenbesitz und unterstellte das Kloster direkt dem Heiligen Stuhl.74 Außer dem Papst und Bonifatius war niemand befugt, dort »irgendwelche Herrschergewalt auszuüben«.75 Sein Alterssitz sollte eine Insel völliger Ruhe sein, die von außen durch welche Ansprüche auch immer nicht gestört wurde. Ferner wünschte sich der mit Krankheiten Geschlagene,76 Zacharias möge ihm erlauben, sich für ein paar Tage oder länger in seinem Kloster zu erholen, dessen Kirche er dem »Heiligen Erlöser« geweiht hatte, eine Erinnerung an die Laterankirche, die Papst Silvester ebenfalls dem »San Salvatore« konsekriert hatte,77 und ein Zeugnis, wie eng verbunden mit Rom sich Bonifatius fühlte: Nach seinem Tod wolle er in seinem Lieblingskloster begraben werden. Der Gedanke an den Tod lag bei dem bald Achtzigjährigen nahe. Umso erstaunlicher ist, dass er versprach, er wolle in der Umgebung des Klosters weiter das Wort Gottes verkünden, »solange ich lebe und geistig imstande bin«.78 Zacharias schrieb zurück, er habe von Lul, dem Überbringer des Briefes, mit Freude vernommen, dass der Absender »noch am Leben und im Herrn wohlauf« sei, und er bete zu Gott, dass er ihn noch lange am Leben lasse und vor den Nachstellungen seiner Widersacher bewahre.79 166

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Die guten Wünsche werden den Empfänger gefreut haben. Doch hielten sie den verantwortungsbewussten Hirten nicht davon ab, seine »letzten Dinge« zu ordnen. Er hatte Lul nicht ohne Grund nach Rom gesandt, anscheinend wollte er ihn als seinen Nachfolger aufbauen. Denn er bittet Zacharias: »Die Heiligkeit eurer väterlichen Huld beschwöre ich mit inständigen Bitten, dass ihr meinen Priester namens Lul, den Überbringer meines Schreibens, in Gewogenheit gnädig aufnehmt. Er hat nämlich etliche vertrauliche Aufträge von mir, die er allein eurer Huld eröffnen soll, manches nur mündlich euch vortragen, anderes schriftlich aufgezeichnet vorzeigen soll; wegen einiger Schwierigkeiten aber, die ich habe, soll er nachforschen und fragen und mir den Bescheid eurer Väterlichkeit und euren Rat auf Grund der Machtvollkommenheit des heiligen Apostelfürsten Petrus zur Unterstützung meines Alters überbringen.«80 Die Gepflogenheiten in Kirchenpolitik und Kirchendiplomatie beherrschte der Legat Germaniens, wenn er denn wollte, und er wusste einzuschätzen, wann Mündlichkeit und wann Schriftlichkeit angesagt war. Er verließ sich auch nicht auf Informationen per Brief; er schickte einen Vertrauten, der die Lage sondieren und Erkenntnisse zusammentragen sollte. Lul scheint in »konspirativer Mission« unterwegs gewesen zu sein. Die Vorgeschichte seines Vorzeigeklosters hat Bonifatius dem Bischof von Rom nicht erzählt. Eigil, der vierte Abt Fuldas, berichtete sie in seiner Lebensbeschreibung Sturmis, den Bonifatius wohl als ersten Abt des neu gegründeten Klosters eingesetzt hatte.81 Wer tatsächlich der erste Abt des Klosters war – Sturmi oder Bonifatius selbst –, entwickelte sich zu einer Streitfrage.82 Sturmis adlige Eltern, die aus Bayern stammten, hatten ihn als puer oblatus Bonifatius zur Erziehung übergeben. Auch andere Eltern vertrauten ihm ihren Nachwuchs an. Er schickte Sturmi weiter nach Fritzlar, wo er sich unter der geistlichen Führung des Priesters Wigbert eine gründliche Kenntnis des Alten und Neuen Testaments aneignete, schließlich zum Priester geweiht wurde und drei Jahre in der Umgebung als Missionar wirkte, predigte und taufte.83 Nach dieser Lehrzeit wurde er Einsiedler und lebte mit zwei Gefährten in 167

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der Wildnis bei Herford, bis ihm Bonifatius wegen der drohenden Sachsengefahr empfahl, sich noch tiefer in die Wälder zurückzuziehen und eine vita monastica zu beginnen.84 Dort sollte er einen geeigneten Ort erkunden, um sich niederzulassen. Nach verschiedenen Abenteuern fand Sturmi in Buchonia, dem Buchengau, an der Fulda den Ort Eichloh. Nach Sturmis Rückkehr ging, wie bereits dargestellt, Bonifatius zu Karlmann und bat ihn, er möge ihm den zu seiner Herrschaft gehörenden Ort schenken. Begeistert stimmte der Hausmeier zu, stellte eine Schenkungsurkunde aus und ließ die Adligen in der Umgebung auffordern, Besitzansprüche an Eichloh, den »Eichenwald«, abzutreten. Am 12. März 744 betrat Sturmi mit sieben Brüdern das Areal, das sie zu roden begannen. Zwei Monate später erschien Bonifatius mit vielen Helfern und befahl, dort eine Kirche zu errichten. Er blieb eine Woche, in der er einen Berg bestieg, der noch immer Bischofsberg genannt wird. Eigil schrieb die Vita Sturmi gegen Ende des 8. Jahrhunderts, sodass er sich für die Gründungsgeschichte auf Augenzeugen und zuverlässige mündliche Überlieferung stützen konnte. Das gilt erst recht für den Bericht über Bonifatius’ Beerdigung in Fulda zehn Jahre nach der Klostergründung.85 Nach Eigils Dokumentation wartete Bonifatius die erwähnten sieben Jahre ab, um Zacharias im Sommer 751 über sein Reformkloster im Geist Benedikts zu informieren. Hat er so lange geschwiegen, bis er sicher sein konnte: Fulda wird ein Erfolg? Der Mittelalterhistoriker Dieter Geuenich ist überzeugt, die rechtliche Stellung der Abtei, die zum Bistum Würzburg gehörte, lasse sich nicht mehr abschließend für deren Anfänge aufklären.86 Bis zu Bonifatius’ Tod sei Sturmi in den Quellen nicht als Abt bezeugt. Danach sei der Angelsachse als »Identifikationsfigur« in den Hintergrund getreten, und die Mönchsgemeinschaft habe sich auf Sturmi als primus abbas konzentriert, um Ansprüche Luls abzuwehren, zu dessen Sprengel Würzburg, und damit Fulda, gehörte. Bonifatius hatte Lul 752/753 zum Bischof geweiht, ihn zum Erben seines Lebenswerks bestimmt und ihn beauftragt, den Bau der Klosterkirche von Fulda zu vollenden und ihn dort zu bestatten.87 168

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Sturmis Schicksal schweißte die Mönchsgemeinschaft zusammen: 762/763 wurde der Abt bayerischer Herkunft wegen angeblicher Konspiration mit Herzog Tassilo von Bayern abgesetzt. Die Mönche kämpften jahrelang, bis sie die Rückkehr ihres Abtes aus dem Exil erreichten. Ihr Kloster wurde jedoch direkt dem König unterstellt. Der neue Status als Reichskloster lief Bonifatius’ ursprünglicher Intention zuwider, der »sein« Kloster dem Heiligen Stuhl unterstellt hatte. Sturmi als ersten Abt von Fulda zu präsentieren hat daher Dieter Geuenich zufolge kirchenpolitische Gründe und belässt die Möglichkeit, dass Bonifatius nicht nur der Gründer, sondern auch der erste Abt gewesen sein könnte. Eine Lösung wäre, Bonifatius als »Gründungsabt« zu sehen, der Sturmi als »verantwortlichen Abt« für die laufenden Geschäfte eingesetzt hat. Für diese Erklärung spricht, dass sich Bonifatius zunächst nur für kurze Zeit in sein Kloster zurückziehen wollte, um sich zu erholen. Hätte er seinen Plan wahrmachen können, seinen »Ruhestand« dort zu verbringen, wäre ihm wohl der Titel »Altabt« zugefallen. Eine Parallele bietet Willibrord mit seiner Klostergründung Echternach, die er als custos vel gubernator betreute.88 Als Bischof ein Eigenkloster zu besitzen, war offensichtlich nicht nur Willibrords Wunsch. Bonifatius trat in dem Fall in die Fußstapfen seines Lehrers. Lul wiederum tat es seinem Mentor Bonifatius gleich und ließ sich in Herford bestatten.89 Die ein wenig akademisch anmutende Diskussion über das erste Abbatiat behinderte keineswegs den Aufstieg Fuldas zu einem der bedeutendsten Benediktinerklöster des Mittelalters. Wunder und Heilungen, körperliche wie seelische, am Grab des Heiligen zogen die Pilgerscharen an.90 Willibald schwärmt: Die Kranken »finden durch die Fürbitten des heiligen Mannes Heilung an Leib und Seele, sodass einige, deren ganzer Körper bereits abgestorben, die beinahe ganz entseelt waren und den letzten Atem auszuhauchen schienen, die frühere Gesundheit wiedererlangten, andere, deren Augen von Blindheit bedeckt waren, das Gesicht wiederempfingen, noch andere, die sich in den Stricken des Teufels befanden, geistesgestört oder wahnsinnig waren, nachher des Geistes ursprüngliche Frische erhielten und, der früheren Gesundheit wiedergegeben, Gott lobten 169

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und priesen.«91 Bonifatius’ Lieblingskloster entwickelte sich zu einem Zentrum der Christianisierung und einem einflussreichen Hort angelsächsischer Bildung. Den Grundstock der Klosterbibliothek bildeten seine Bücher, sodass er auch nach seinem Tod sicht- und greifbar in der Gemeinschaft präsent blieb, die 781 schon 364 Mitglieder zählte.92 Bereits 743 hatte Bonifatius Papst Zacharias gebeten, für ihn einen Nachfolger zu bestellen, was auf dessen heftigen Widerspruch traf. Im Grunde war Bonifatius immer noch ein Wanderbischof ohne festen Bischofssitz. Der Papst kam ihm so weit entgegen, dass er ihm empfahl, einen geeigneten Helfer zu suchen, den er unmittelbar vor seinem Tod zum Nachfolger bestimmen solle. Wenn dieser ihn dann in Rom aufsuche, werde er förmlich zum Nachfolger bestellt.93 Auch die Hausmeier Karlmann und Pippin beschäftigte die Nachfolge des fast achtzigjährigen Erzbischofs. Zu Recht waren sie der Auffassung, das Problem sei einfacher zu lösen, wenn Bonifatius als Inhaber eines Metropolitansitzes die Fortsetzung seines Reformwerks regeln werde. Sie schalteten deswegen auch den Papst ein, der ihnen riet, auf einer Synode entsprechende Vorkehrungen zu treffen.94 Das geschah, und befriedigt konnte Zacharias in einem Brief an Bonifatius vom 31.  Oktober 745 feststellen, dass die Frankenfürsten auf der Reichssynode eine Stadt für ihn gewählt hatten, »die an die Gebiete der Heiden und an die der germanischen Völker angrenzt, wo du schon vorher gepredigt hast, damit du dort dauernd deinen Metropolitansitz haben darfst und von dort aus die übrigen Bischöfe auf den rechten Weg führst«.95 Gemeint war Köln, »das früher Agrippina genannt wurde« und das Zacharias urkundlich als Metropolitansitz bestätigte. Als vorausschauendes Oberhaupt der Gesamtkirche, der eine sichere Zukunft im Blick hatte, lag ihm sehr daran, den rechten Weg fortzuführen, »den später deine Nachfolger nach ewigem Recht einnehmen sollen«.96 Wie er in der Stiftungsurkunde betonte, sollte Köln für künftige Zeiten zum geistlichen und organisatorischen Zentrum des Christentums nördlich der Alpen werden. Daher stand für den Papst fest: Die Entscheidung für Köln war »nach göttlichem Willen« gefasst. 170

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Späte Liebe und Enttäuschung

Trotz der göttlichen Absicherung hatte er von den Widerständen aus dem fränkischen Klerus, »von falschen und schismatischen Priestern« erfahren. Da sich die Frankenfürsten ebenfalls für Köln als erzbischöfliche Metropole ausgesprochen hatten, hoffte er, die Gegner würden scheitern.97 Um die Widersacher in Schach zu halten, sollte Bonifatius jährlich eine reichsweite Synode abhalten, zusammen mit den von Rom bestätigten Metropolitanbischöfen. Vor allem im Westteil des Frankenreichs sollte »die Einheit der Kirche Gottes und die katholische und apostolische Lehre« verbreitet werden.98 748 musste Bonifatius dem Papst offenbaren, dass die Franken ihr Versprechen wegen Köln nicht eingehalten hatten. Er sei jetzt in Mainz.99 Seine Gegner im fränkischen Episkopat nutzten offensichtlich Karlmanns Abdankung im Vorjahr und den Machttransfer auf dessen Sohn Drogo, um den ungeliebten Angelsachsen aus Köln zu entfernen, wo er noch nicht fest etabliert war. Zacharias machte gute Miene zum bösen Spiel, zumal er inzwischen eine Ergebenheitsadresse der ost- und westfränkischen Bischöfe erhalten hatte, in der sie ihre Einigkeit mit ihm versichert hatten.100 In seinem Dankschreiben nannte er unter den Adressaten Agilolf, den Kölner Bischof.101 Eindringlich mahnte er die Hirten zur Zusammenarbeit mit Erzbischof Bonifatius, seinen Vertreter und Abgesandten des Apostolischen Stuhls. Ihre Eintracht sei ein Fels gegen die Intrigen der Feinde.102 Eine Spitze gegen die Frankenherrscher konnte sich der diplomatische Zacharias dann doch nicht verkneifen: »Denn ihr habt als Folge eurer Sünden bis heute falsche und im Irrtum befangene Priester gehabt, weswegen auch alle heidnischen Völker euch im Kampf überlegen waren.«103 Den Plan einer austrasischen Kirche mit Köln als Metropole der Kirchenprovinz hat Bonifatius nicht umsetzen können. Von den drei neuen Bistümern überdauerte lediglich Würzburg.104 Mainz als fester Bischofssitz dürfte ihm zunächst wie ein Trostpflaster erschienen sein. In dieser schwierigen und unübersichtlichen Gemengelage von einem persönlichen Scheitern zu sprechen wird den langfristigen Erfolgen des Germanenmissionars jedoch nicht ganz gerecht.

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»Denn wenn ich in meiner Stellung als Beauftragter Roms, die ich nun 36 Jahre lang innegehabt habe, der erwähnten Kirche irgendwelchen Nutzen gebracht habe, so möchte ich das noch vervollständigen und vermehren.« Bonifatius an Papst Stephan II., Brief 108

Bis zum bitteren Ende Man konnte es drehen, wie man wollte: Mainz war kein vollgültiger Ersatz für das in Aussicht gestellte Erzbistum Köln, obwohl Karlmann Bonifatius ernannt105 und ihm zuvor wohl auch gut zugeredet hatte. Mainz stieg nicht zum Erzbistum auf und war daher auch keine Metropole. Daher dachte der enttäuschte Bonifatius bald an Rückzug und einen Nachfolger und musste von Papst Zacharias energisch zum Ausharren gedrängt werden.106 In seinem Archidiakon Lul, der aus seiner Heimat Wessex stammte, hatte er sich bereits den Richtigen ausgesucht, zumal er ihn schon bisher uneigennützig unterstützt hatte. Ihm gegenüber machte er aus seinem Herzen keine Mördergrube, und Lul war »ein Zeuge in beidem, in seinem Leiden und seiner Tröstung«.107 Als Lul mit offiziellen, also schriftlichen und mündlichen Botschaften 751 nach Rom reiste,108 traf er dort mit dem Bischof und Archidiakon Benedictus zusammen, dem er einen Brief seines Herrn und dessen Geschenke mitbrachte. Die Zeilen veranlassten den Empfänger zu einem Trostschreiben, in dem er aus Bonifatius’ Schreiben zitierte: »Sein Wortlaut besagt, du seist niedergeschlagen durch zahlreiche Schwierigkeiten und Verwirrungen, die ausgingen von Menschen, die Gott nicht fürchten, von falschen Bischöfen und falschen Priestern, von unzüchtigen Geistlichen, von ihren schlechten Handlungen und ihren verkehrten Maßnahmen, wie auch seitens der Heiden mit ihrer Feindschaft und Verfolgung. Deren Verfolgung 172

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wird mit ihrem ewigen Verderben ihr Ende finden.«109 Bewundernd lobt der Römer den Angelsachsen: »Dir gebührt hoher Lohn, heiligster Vater, und die Krone des Ruhmes vor dem allmächtigen Gott, da du alles geduldig auf dich nimmst wegen des göttlichen Auftrags und der Verkündigung des Evangeliums von dem Herrn Jesus Christus, unserem Gott und Erlöser.«110 Benedictus gab Lul Gegengeschenke mit: ein Handtuch (sabanum), ein Gesichtstuch (facitergium) und etwas Weihrauch (thymiana).111 Man wüsste gerne, was die »Geheimnisse« (secreta) waren, die Bonifatius seinem Schüler zur mündlichen Besprechung mit dem Papst aufgetragen hatte. Ging es um Pippins Gesandtschaft, der 750 Bischof Burchard von Würzburg und seinen Hofkaplan Fulrad zum Papst geschickt und den päpstlichen Legaten wohl aus Rücksicht auf dessen Reformgegner übergangen hatte? Der Hausmeier hatte in den vergangenen Jahren zusammen mit seinem Bruder Karlmann mehrfach mit Zacharias korrespondiert und nicht zuletzt dank Bonifatius ein Vertrauensverhältnis zum Apostolischen Stuhl aufgebaut. Nun stellte er in einem Katalog von 27 kirchenrechtlichen Anfragen dem Papst die heikle Frage, ob es gut sei, dass die Könige in der Francia keine Macht hätten. Den Annalen des Frankenreichs zufolge ging der Papst die Anfrage realpolitisch an und empfahl, »es sei besser, den als König zu bezeichnen, der die Macht habe, statt den, der ohne königliche Macht blieb«.112 Bonifatius, den Stellvertreter des Papstes im Frankenreich, würdigte Pippin keiner Frage, und auch Zacharias rügte Pippins Schachzug nicht, den altgedienten Mittelsmann zu übergehen. Dass Pippin direkt mit dem Papst verhandeln wollte, war machtpolitisch geschickt, doch für Bonifatius eine Demütigung, zumal er erst durch Zacharias von den »Heimlichkeiten« erfuhr.113 In dieser bitteren Zeit, in der Bonifatius sein Lebenswerk zusammenfallen sah,114 intensivierte er den brieflichen Austausch mit seinen treuen Freunden in der Heimat. In einem Schreiben an Abt Optatus von Montecassino von 751 bat er um dessen Fürbittgebet, »damit wir nach dem Wort des Apostels befreit werden von den ungestümen und boshaften Menschen und von den Versuchungen böser Geister und von den Anfechtungen der Widersacher, damit das 173

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Licht der Heilsbotschaften von der Herrlichkeit Christi und der Weg des Lebens, den wir den Völkern und Heiden zeigen und selbst gehen müssen, nicht für uns selbst sich verdunkle und verhüllt werde.«115 Für seinen Rücktritt fand er in der Heiligen Schrift kein Vorbild.116 Auch vergaß er seine Heimatkirche nicht. Zusammen mit seinen auf dem Kontinent wirkenden angelsächsischen bischöflichen Mitbrüdern berief er eine Synode ein, die ein Mahnschreiben an den wenig tugendhaften König Aethelbald von Mercien sandte. Der Rücktritt seines Förderers Karlmann von der Macht im Jahr 747 besiegelte auf längere Sicht auch sein Schicksal. Obwohl Pippin nicht persönlich gegen Bonifatius eingestellt war und auch dessen Kirchenreform durchaus fortsetzen wollte, konnte er keine Störfeuer auf seinem Weg zum Königtum gebrauchen, und dazu gehörten auch die heftigen Auseinandersetzungen zwischen traditionellen Adligen und Kirchenreformern wie Bonifatius.117 Die meiste Zeit hielt sich der Missionserzbischof in seinem Mainzer Bistum und in seinem Refugium in Fulda auf. Papst Zacharias versuchte 748 e silentio, die Stellung seines Legaten mit einem Mahnschreiben an fränkische Adlige wieder zu verbessern: »Ich mahne euch, Geliebteste, Gott zu fürchten, die Priester zu ehren, indem ihr ihnen gebt, was ihrer Heiligkeit geschuldet wird, damit sie mit eurer Hilfe unbeirrt und sorgenfrei imstande sind, das Heil zu verkünden und die Regel und Kirchenzucht aufrechtzuerhalten, sodass alle Geistlichen ihren Bischöfen untertan sind und von diesen in der Heiligen Schrift unterwiesen werden.«118 Für die folgenden drei Jahre sind keine Briefe des Bonifatius überliefert. Auch Willibald schweigt, was Lutz von Padberg zufolge den Verdacht der Zensur erhärtet: Lul habe die Marginalisierung seines Lehrers verschleiern wollen.119 Inzwischen bahnte sich ein politisches Ereignis an, das weit über die Grenzen der Francia hinauswirkte. Pippin griff nach dem Königtum. Die verklausulierte Zustimmung des Papstes, der sich Hilfe gegen die Langobarden erhoffte, hatte ihn bestärkt, den Coup zu wagen. 751 war es so weit: Pippin ließ sich von der Reichsversammlung der Franken in Soissons zum König ausrufen. Der letzte Merowingerkönig Childerich III. musste seine langen Haare, das Zeichen 174

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seiner Herrschaft, lassen und wurde in das Kloster Saint-Bertin gesteckt. Bonifatius war nicht Zeuge des Staatsstreichs, und er salbte auch nicht Pippins Hände mit heiligem Öl, um dessen Königtum zu legitimieren und ihm Gottesgnadentum zu verleihen. Fränkische Bischöfe vollzogen die feierliche Handlung nach alttestamentlichem Vorbild.120 Papst und König, die geistliche und die weltliche Macht,

Liegefigur vom Grabmal Pippins III., Skulptur, nach 1260, Basilika von Saint-Denis. 175

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waren ein Bündnis eingegangen, das die kommenden Jahrhunderte bestimmen sollte. Im Grunde hatte Bonifatius exzellent gearbeitet: Der Mittler zwischen Rom und der Francia hatte sich überflüssig gemacht. Das zu ertragen und positiv zu wenden, dürfte eine besondere geistliche Übung für den Germanenmissionar gewesen sein. Im Verlauf wurde die Distanz zum neuen Herrscher eher noch größer. Denn 752 wandte sich Bonifatius in zwei Herzensanliegen nicht direkt an Pippin, sondern an Fulrad, der das königliche Ohr besaß und dem Pippin die Abtei Saint-Denis, seine künftige Grablege, übertragen hatte.121 War Bonifatius auch niedergeschlagen, sorgte ihn als »Guten Hirten« die Zukunft seiner Schüler und Mitarbeiter: Abt Fulrad möge sich bei Pippin dafür verwenden, seinen Priestern und Mönchen sowie seinen älteren Laienhelfern, in der Mehrzahl Fremde, also Angelsachsen, den königlichen Schutz nicht zu entziehen. Auch möge er den Chorbischof Lul zu seinem Nachfolger machen. Wie sehr die Priester, die an der Grenze zum »Heidenland« Sachsen missionierten, der Hilfe bedurften, veranschaulichte Bonifatius am Ende seines Bittbriefes. Er beschreibt deren Leben als »armselig«. »Brot zum Essen können sie sich zwar verschaffen, aber Kleidung können sie dort nicht bekommen; es sei denn, sie finden von anderer Seite Rat und Hilfe, ebenso wie ich sie unterstützt habe, damit sie an diesen Orten im Dienst des Volkes durchhalten und ausharren können.«122 Fulrad trug Bonifatius’ Anliegen Pippin vor, und der versprach seine Unterstützung. Er war auch einverstanden, dass Lul den Bischofsstuhl in Mainz besetzen werde. In Willibalds Vita schien die Zusammenarbeit von Bonifatius und Pippin ungetrübt zu sein: »Da jedoch der heilige Mann, von Krankheit des Körpers beschwert, nicht mehr alle Synodalzusammenkünfte besuchen konnte, so beschloss er mit Beirat und Zustimmung des glorreichen Königs der vorerwählten Herde einen passenden Hirten zu geben, und bestimmte den Lul, seinen mit hohen Geistesgaben ausgerüsteten Schüler, zum Lehrer der großen Volksgemeinde.«123 Wo es um sein gutes Recht ging, war bei Bonifatius von Alter und Krankheit nichts mehr zu spüren. Von seinen Beschwerden sprach 176

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er auch nicht in dem Schreiben, mit dem er sich Papst Stephan II. vorstellte, dem Nachfolger des 752 verstorbenen Zacharias. Vielmehr entschuldigte er sich für seine Verspätung: Durch einen feindlichen Einfall seien mehr als 30 Kirchen und Klöster zerstört worden, und er sei von deren Wiederaufbau in Anspruch genommen worden.124 Gemeint war ein Sachseneinfall, den Pippin 753 mit einem Vergeltungszug ahndete.125 Bonifatius versicherte dem Papst, er wolle der treue Diener des Apostolischen Stuhls bleiben. Und er versprach, den Nutzen, den er als römischer Legat dessen drei Vorgängern gebracht habe, noch zu vervollständigen und zu vermehren. Jedoch wolle er auch, wenn er etwas in Wort oder Tat falsch gemacht habe, den Fehler nach der Entscheidung der römischen Kirche wiedergutmachen.126 Bei dieser Ankündigung dachte der Briefschreiber sicher schon an den Fall des Bistums Utrecht, den er Papst Stephan in seinem folgenden Schreiben vortrug, seinem letzten in der überlieferten Korrespondenz und sein letzter kirchenpolitischer Streit. Nach einem Rückblick auf den Gründer des Bistums, den von Papst Sergius geweihten Bischof und Friesenmissionar Willibrord, stellte er kategorisch fest: »Der Frankenfürst Karlmann hat mir diesen Bischofssitz anvertraut, um dort einen Bischof einzusetzen und zu weihen, was ich auch getan habe.« Dagegen beanspruche jetzt der Kölner Bischof mit einer Argumentation Utrecht für sich, die völlig haltlos sei. Denn dieses Bistum diente Willibrord der Friesenmission, um die sich der Kölner nie gekümmert habe, sodass ein großer Teil der Friesen immer noch heidnisch sei. Er habe diesem Bischof (Hildegar) Bescheid gegeben, aber der habe seinen Anspruch nicht aufgegeben. Daher möge der Papst entscheiden, ihm vielleicht auch die Anweisung des Papstes Sergius an Willibrord zukommen lassen. Wie der päpstliche Spruch auch ausfalle, er werde ihm gehorchen (Brief 109). Unausgesprochen dachte Bonifatius an seine bevorstehende Reise zu den Friesen, mit der er ausgehend von Utrecht Willibrords Mission fortsetzen und vollenden wollte. Von seinem eigenen früheren Missionsversuch redete er nicht. Entgegen Willibalds Aussage hegte Bonifatius weiter den Wunsch, zukünftig an Synoden teilzunehmen. In dem kurzen Brief, 177

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mit dem er Pippin für nicht näher beschriebene Wohltaten dankte, sprach er trotz seines Alters und seiner Krankheiten die Hoffnung aus, »durch Gottes Barmherzigkeit« noch einmal in den Diensten des Königs wirken zu können. Er fragte daher an, ob er zur anstehenden Reichssynode kommen solle.127 Ob die Synode jedoch stattfand und ob Bonifatius eingeladen wurde, ist ungewiss. Tatsächlich fand er sich im Mai dieses Jahres am Hof Pippins ein. In der Nähe von St. Denis in Verberie bei Senlis stellte der König am 23. Mai 753 die Urkunden für Utrecht aus. Sie garantierten Bonifatius als dem Verwalter der Utrechter Kirche die Zehnteinkünfte aus dem Fiskalbesitz. Ein weiteres Diplom bestätigte die Immunität des Friesenbistums. Bonifatius konnte aufatmen. Er hatte Utrecht erfolgreich gegen die Ansprüche des Kölner Bischofs verteidigt und es neben dem mittelrheinisch-hessisch-thüringischen Raum als seinen Einflussbereich bewahrt.128 Der Streit um Utrecht war das letzte Mal, bei dem der Papst, der Frankenkönig und der päpstliche Legat Bonifatius zusammenwirkten. Bischof Hildegar von Köln begleitete Pippin auf der anschließenden Strafexpedition gegen die Sachsen und ließ sein Leben. Erst nach seinem Tod erhielt Bonifatius von seinem Schüler und Nachfolger Lul eine kirchenjuristische Rechtfertigung für Utrecht, allerdings auf eine fragwürdige Weise. Fragwürdig für uns heute, aber kaum für Lul, der sich um des höheren Ziels gerechtfertigt sah: Den Streit um Utrecht hätte es nicht gegeben, wenn Bonifatius Erzbischof und Metropolit von Köln geworden wäre, wie das die beiden Hausmeier und die Ernennungsurkunde des Papstes Zacharias bestimmt hatten. In dem Fall hätte Utrecht der Urkunde zufolge zusammen mit den Bistümern Tongern, Mainz, Speyer und Worms zur Metropole Köln gehört. Doch Bonifatius war »nur« Bischof von Mainz geworden, und Lul beschloss, Zacharias’ nicht erhaltene Urkunde für Köln so zu »frisieren«, dass aus dem Bistum Mainz ein Erzbistum wurde. Zu diesem Zweck ersetzte er einfach Köln durch Mainz und änderte das ursprüngliche Datum 745 zu 751. So hätte auch er die erzbischöfliche Würde erlangt. Der Sprung auf der geistlichen Karriereleiter fand nicht statt. Lul blieb Diözesanbischof in Mainz, das erst nach seinem 178

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Tod zum Erzbistum erhoben wurde. Neuer Metropolit und oberster Geistlicher im Frankenreich wurde der fortschrittliche Bischof Chrodegang von Metz, der aus hohem fränkischem Adel stammte, ein Affront für den Bonifatius-Kreis. Die große Zeit der Angelsachsen in der Francia neigte sich dem Ende zu. Doch vorerst begleiteten

Bonifatius-Statue, Domplatz in Mainz. 179

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die Spannungen zwischen ihnen und den Franken weiter die Regierungszeit des ersten Karolingers auf dem fränkischen Königsthron.129 Chrodegang führte zusammen mit Herzog Autchar die Gesandtschaft an, die Pippin 753 nach Rom sandte. Sie sollte Papst Stephan, der ihn und die fränkischen Großen mehrfach um Hilfe gegen die langobardische Expansion angefleht hatte, über die Alpen geleiten. Schon Gregor III. hatte Karl Martell um Hilfe gebeten, der sich ihm jedoch versagt hatte. Pippin erhoffte sich durch den Papst, der Ende Juli 754 ihn und seine beiden Söhne Karl, den späteren Großen, und den 751 geborenen Karlmann salbte, eine zusätzliche Legitimation für seine Königswürde.130 Stephan spendete den Söhnen noch die Firmung und begründete so eine geistliche Verwandtschaft (compaternitas) zwischen dem Papst und der karolingischen Dynastie. Den Vater ehrte der Oberhirte mit dem Titel patricius Romanorum, »Schutzherr der Römer«.131 In Stephans großem Gefolge befanden sich die beiden Archidiakone Theophylactus und Gemmulus, die liebenswürdige Briefe und freundschaftliche Geschenke mit Bonifatius gewechselt hatten. Theophylactus hatte ihm in blumigem Stil gewünscht, »Gott, der allmächtige Schöpfer und Lenker der Dinge, möge unter eurer heiligen Zeit die im Westen und ringsum wohnenden Völker auf die Beredsamkeit eurer seligen Verkündung hin ewig blühen lassen«.132 Ähnlich hatte Gemmulus’ Wunsch gelautet: »dass die göttliche Erhabenheit in dem Werk, zu dem du erkoren bist, noch viel reichlicher die Frucht des guten Werkes hervorsprießen und gedeihen lasse«.133 Beider Wünsche galten vor allem Bonifatius’ Mission im Osten des Frankenreichs, während sie selbst an der historischen Entwicklung im Westen teilnahmen, dem vielversprechenden Bündnis zwischen dem Papsttum und den Karolingern. Bonifatius aber sah den göttlichen und päpstlichen Auftrag im Osten unvollendet. Den Winter 753/754 verbrachte er wahrscheinlich in Utrecht, wo er seinen alten Gefährten, den Priester Eoba, zum Chorbischof weihte134 und die Reise nach Friesland vorbereitete, das Land, »das er einst zwar mit seinem Leib, nicht aber mit seinem Herzen verlassen hatte«.135 Lul hatte er noch in Mainz letzte Instruktionen gegeben. Was 180

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aber Willibald über dessen Abschied von seinem Lehrer und Freund berichtet, ist nach der literarischen Gattung des exitus illustrium virorum, des »Endes berühmter Männer« gestaltet. Zum literarischen Instrumentarium gehört auch eine Abschiedsrede mit dem geistlichen Vermächtnis des Scheidenden, der seinen Tod klar vor Augen sieht.136 In freudiger Erwartung habe Bonifatius seinem Lul sogar den Tag seines Endes und die Art seines Todes genannt, »mit wunderbarer, beinahe prophetischer Weissagung«.137 Dann trug er ihm auf, die Kirchen in Thüringen fertigzustellen, sowie die Kirche in Fulda, wohin Lul seinen Leichnam überführen solle.138 Es folgten praktische Angaben für den Reisebedarf, zu dem namentlich eine Bücherkiste und ein Leintuch als Leichentuch gehörte. Luls Weinen und Seufzen begegnete Bonifatius gelassen, indem er das Thema wechselte.139 Mit 50 Begleitern brach er auf, unter ihnen Chorbischof Eoba, Priester, Diakone und Mönche. Neben Eoba nannte Willibald zehn weitere Namen,140 die belegen, dass Bonifatius erfahrene Missionare um sich gesammelt hatte. Zusammen mit Bonifatius und Eoba waren es zwölf Namen, eine Anspielung auf die biblische Zwölferzahl der Apostel.141 Zu Schiff fuhren sie von Utrecht aus den Rhein hinab und die Küste entlang, wo sie an Hafenplätzen übernachteten. Sie durchquerten die Zuiderzee, friesisch Aelmere genannt, und drangen ins Binnenland vor.142 Große Erfolge stellten sich ein; Kultstätten wurden zerstört, und Willibald zufolge kam es wie in Thüringen zu Massentaufen von Tausenden Männern, Frauen und Kindern.143 Dass die Konversionen eine Eigendynamik entwickeln und zu einer noch größeren Christianisierungswelle führen würden, war trotz der einheitlichen Lebensweise der Friesen nicht zu erwarten. Dagegen sprach die von Willibald erwähnte Eigenart des Landes, »das durch die dazwischen liegenden Gewässer in viele Gaue geschieden wird«.144 So konnte sich im östlichen Teil des Landes Widerstand gegen die neue Religion formieren. Er führte am 5. Juni 754, einem Pfingstsonntag, an dem Bonifatius Neugetaufte firmen wollte, zur Katastrophe.145 Mit seiner Helferschar lagerte er an der Boorne, der Grenze zwischen dem damaligen West- und Ostfriesland, als sie in der Morgendämmerung angegriffen wurden. Bonifatius griff nach den Reliquien, 181

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die er stets bei sich hatte, und trat aus seinem Zelt. Seine Begleiter zückten die Waffen. Doch der künftige Heilige verbot ihnen die gewaltsame Verteidigung mit dem Pauluswort, Böses nicht mit Bösem, sondern mit Gutem zu vergelten.146 Die längere Rede, mit der er die Todgeweihten ermutigte, hat Willibald im Sinn seines geistlichen Helden konzipiert. Sie steht in der Tradition vieler »letzter Reden« und ist ein geistliches Vermächtnis. Bonifatius trat in der frühchristlichen Tradition eines miles Christi auf,147 eines »Soldaten Christi«, der gewaltfrei für das Reich Gottes kämpft. Schon in den ersten Jahren seiner Germanenmission interessierte sich Bonifatius für die Leidensgeschichten (passiones) von Märtyrern und bat seine Freundin Bugga um ein Exemplar. Sie versprach es zu schicken, sobald sie eines auftreiben könne.148 Märtyrer sollten ihm Vorbild sein, denn auf seinen Missionsreisen musste er jederzeit damit rechnen, von Gegnern seiner Religion oder auch von Räubern überfallen und getötet zu werden. In Berichten frühchristlicher Märtyrerakten, die von Folter und Hinrichtung berichten, ist oft einer unter den Blutzeugen, der die anderen ermunterte, standhaft zu bleiben und den Tod nicht zu fürchten. Vorbild war die Mutter der sieben Söhne im Zweiten MakkabäerBuch, Kapitel 7. Bei der Christenverfolgung in Lyon im Jahr 177 war es ausgerechnet die Sklavin Blandina, eine junge, scheinbar schwache Frau, die »wie eine tüchtige Mutter« ihre Mitchristen stärkte.149 Willibald folgte solchen Vorbildern und legte Bonifatius eine fiktive Rede in den Mund, mit der er die Totgeweihten ermutigte und ihnen die himmlische Krone als Lohn für das bevorstehende Martyrium in Aussicht stellte.150 In dieser Tradition hatte auch ein heiligmäßiger Bonifatius zu sterben, damit er – sehr in Luls Sinn – nach seinem Tod direkt als Märtyrer und Heiliger verehrt werden konnte. Offizielle Heiligsprechungsverfahren begannen erst mit Bischof Ulrich von Augsburg, den am 31. Januar 993 eine Lateransynode unter Vorsitz von Papst Johannes XV. zur »Ehre der Altäre« erhob.151 Interessant ist, dass zu Bonifatius’ Gefolgschaft bewaffnete Männer gehörten, welche die Missionare schützen sollten. Denn Geistlichen war es verboten, Waffen zu tragen, zu kämpfen und in die 182

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Taufe von Germanen und Märtyrertod des Bonifatius (bei Dokkum 5.6.754). Buchmalerei, Fulda, 975. Aus dem Sakramentar aus S. Salvator zu Fulda.

Schlacht zu ziehen. Das Concilium Germanicum hatte das Verbot erneut eingeschärft. Und die Synode von Soissons hatte Äbten untersagt, in den Krieg zu ziehen; sie sollten nur ihre Leute schicken. Lediglich »Feldgeistliche« für die Messe, die Beichte und die mitgeführten Reliquien waren erlaubt.152 Völlig wehrlos hat Bonifatius seine Missionsreisen offensichtlich nicht unternommen. Doch setzte er eher auf Abschreckung als auf Gewalt, wie sein Verbot, zu den Waffen zu greifen, illustrieren sollte. Wie realistisch sind die Umstände seines Todes, die Willibald zeichnet? Haben die Männer tatsächlich im Angesicht des Todes ihre Waffen niedergelegt, um Bonifatius in den Tod zu folgen? Das mochte für die Priester und Diakone gelten, aber auch für die Laienhelfer? Konnte sich der greise Bischof in dem lärmenden Chaos überhaupt noch Gehör verschaffen? Willibald schreibt von einer »gewaltigen Anzahl Feinde mit blinkenden Waffen, mit Speeren und Schilden«. So überraschend die Feinde auftauchten, so rasch setzten sie ihr mörderisches Ziel um. Doch wer waren die Mörder? Der Biograph scheint sich unsicher zu sein. Denn er beschreibt sie, als ob es sich um zwei Gruppen handelte, die anstelle der erwarteten Firmlinge auftauchten. Die Angreifer waren voll ausgerüstet und werden von Willibald als 183

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»Feinde und dazu neue Helfershelfer« (inimici et novi denique lictores) bezeichnet. Nach der fiktiven Rede des Bonifatius stürzte sich »der wütende Haufen der Heiden« (paganorum tumultus) mit Schwertern und »in voller Kriegsausrüstung« (cunctaque militiae armatura) auf die Missionare.153 Diese Darstellung erinnert weniger an einen locker zusammengewürfelten Räuberverbund, dem es allein um das Beutemachen ging. Es waren schwerbewaffnete pagane Gegner, die sich sorgfältig vorbereitet hatten. Waren es Feinde des Bonifatius, Feinde der christlichen Missionare und der Mission überhaupt? Willibald verharrt im Ungefähren. Für ihn bestand aber kein Zweifel: Bonifatius und seine Freunde starben durch die feindlichen Hände der Vielgötterverehrer, die unausgesprochen einen Hass auf den christlichen Glauben pflegten. Daher bestand für den Hagiographen kein Zweifel, dass die Missionare den Märtyrertod gestorben waren. Nach dem Morden gerieten die paganen Täter, turba gentilium,154 außer Rand und Band, betranken sich auf den Schiffen mit dem Wein, den die Missionare mitgeführt hatten, gerieten bei der Verteilung der Beute in Streit und metzelten sich schließlich gegenseitig ab. Sollten die Mörder tatsächlich aus Hass auf das Christentum gehandelt haben, ließen sich die Raufbolde ihre »theologische Absicht« auf den Schiffen nicht mehr anmerken. Sie verhielten sich wie eine gierige Räuberbande und bedienten literarisch den Topos des »Barbaren«. Vielleicht hat Willibald ihn eingesetzt, um die Mörder des Bonifatius in allerschlechtestes Licht zu stellen. Möglicherweise waren es auch Räuber, die Wind von der anstehenden Firmung bekommen und zugeschlagen hatten. Doch die Räuberversion stellt das Martyrium der frommen Männer infrage. Denn in diesem Fall wären sie nicht aus Glaubenshass, der Voraussetzung für die Anerkennung des Märtyrerstatus, gestorben, sondern aus schlichter Gier. Über diese Frage wird seit Langem diskutiert.155 Da wohl alle Augenzeugen bis auf wenige Täter umkamen, wäre die Frage auch schon 754 schwer zu beantworten gewesen, vorausgesetzt, man hätte überhaupt die Notwendigkeit gesehen, sie zu stellen. Als sich die Lage beruhigt hatte, war es möglich, sich auf die Suche nach Reliquien zu 184

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machen, und tatsächlich wurden noch Bücher aus Bonifatius’ Sammlung gefunden, welche die Mörder verstreut hatten.156 Einer, der sich nach Jahren auf die Suche machte und Zeugen befragte, war ein anonymer Utrechter Priester, der eine Bonifatius-Vita schreiben wollte. Er fand eine Greisin, die ihm eidlich versicherte, sie sei Augenzeugin gewesen, wie Bonifatius sich einen Evangelienkodex über den Kopf gehalten habe und dann enthauptet worden sei.157 Vielleicht hatte er sich schützen oder im Augenblick des Todes das bei sich haben wollen, was ihm im Leben das Liebste war. Die Glaubwürdigkeit der Zeugin ist angezweifelt worden, dürfte sie doch den Überfall aus weiter Entfernung beobachtet haben, um nicht selbst Opfer zu werden. Ob sie in dem Gemenge Bonifatius erkennen konnte, ist fraglich.158 Zur Büchersammlung des Bonifatius wird der nach der Auftraggeberin benannte Ragyndrudis-Kodex gerechnet, mit dem sich Bonifatius geschützt haben soll. Er ist allerdings kein Evangeliar, sondern eine Sammlung antiarianischer Texte. Die Hiebspuren, die er aufweist, wurden mit der Erzählung der alten Frau in Verbindung gebracht. Wie bereits erwähnt, liegt er heute wohlverwahrt im Fuldaer Dommuseum. Er ist ein Fall für das Nachleben des Heiligen.159 Christenhasser oder Räuber? Vielleicht war es, wie so oft, eine Mischung aus beidem. Die wertvollen Kelche, mit denen Bonifatius und seine Priester die Eucharistie feierten, hatten vermutlich Begehrlichkeiten und die Hoffnung auf weitere Kostbarkeiten geweckt. Denn der Angriff scheint, wie gesagt, in seiner Übermacht organisiert gewesen zu sein. Neben der Beutegier hegte der eine oder andere Räuber vielleicht auch Animositäten gegen die umherziehenden Missionare, die traditionelle Ordnungen aufbrachen und in den Familien Unruhe stifteten. Allerdings trieben auch christliche Räuberbanden ihr Unwesen.160 Die Vermutung, Bonifatius habe das Martyrium direkt gesucht, um seinem Kloster Fulda Ruhm und Prosperität zu bescheren, ist jedoch abwegig.161 Hätte der »Gute Hirte« für die »Ehre der Altäre« das Leben seiner Mitstreiter in Kauf genommen, selbst wenn alle die Krone des Martyriums als Vollendung ihres Dienstes für Jesus Christus empfunden haben sollten? Hätte sich die Tragödie 185

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im frühen Christentum abgespielt, als das christliche Bekenntnis noch keine religio licita, noch keine »erlaubte Religion« war, läge das Motiv »Christenhass« nahe. Doch Mitte des 8. Jahrhunderts war die Christianisierung der germanischen Stämme bereits weit fortgeschritten. Die Gefahr, durch die Hand eines Räubers zu sterben, war wahrscheinlicher als eine Ermordung aus religiösem Hass.162 So ist es wohl auch Bonifatius ergangen. Nach Hause zurückgekehrt wurden die überlebenden Mörder ihres Lebens nicht mehr froh, denn Gott ahndete Willibald zufolge das Verbrechen: Christen unter Pippins Führung sammelten in wenigen Tagen ein Heer, töteten die Frevler und versklavten deren Frauen und Kinder.163 Aus welchen Gründen auch immer die Missionare ihre Leben lassen mussten, die Vergeltung glich einer Glaubensschlacht zwischen Christen und ungetauften Friesen. Der Waffengang lieferte einen Vorwand, die freien Friesen nördlich von Dokkum zu unterwerfen,164 und schien auf die gewaltsame Sachsenmission unter Karl dem Großen vorauszudeuten. In den Augen der christlichen Zeitgenossen war der Gerechtigkeit Gottes zunächst Genüge getan. Das zweite Leben des heiligen Bonifatius, sein Nachleben, konnte beginnen.

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Reliquienschrein des heiligen Bonifatius, Dokkum. 187

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»Hoffahrt und Überheblichkeit, ein verkehrtes Leben und ein doppelzüngiger Mund sind mir ein Gräuel.« Bonifatius an Bischof Cudberht, Brief 78

V. Leben aus dem Wort Praktische Theologie Wer sich mit der Spiritualität des Bonifatius beschäftigt, kommt um eine Begriffsbestimmung nicht herum. Denn Spiritualität hat viele Facetten, die sich in den Epochen der Kirchengeschichte unterschiedlich ausprägten und geistlichen Moden unterlagen. Abgeleitet vom lateinischen spiritus (Geist) verbreitete sich der Begriff spiritualité um 1900 als Lehre vom religiösen und geistlichen Leben vor allem im französischen Katholizismus. Nach dem Zweiten Weltkrieg setzte sich der Terminus auch in Deutschland durch. Er umfasst Religiosität und Frömmigkeit sowie ihre Ausdrucksformen in Gebet, Askese und liturgischen Formen, aber auch in Mystik und Meditation.1 Kern der frühmittelalterlichen Spiritualität war die Askese, ein Ideal in der angelsächsischen Kirche. Eine Form war die peregrinatio, der sich Bonifatius und seine Gefährten, wie ausführlich dargestellt, verschrieben hatten. 2 Ursprünglich bedeutet der Begriff ein Leben in der Fremde und beschreibt im Mönchtum die Abkehr von der Welt. Der peregrinus wandelt sich im christlichen Sprachgebrauch vom »Fremden auf Erden« zum »Bürger des Himmels«. Vorbild des »Fremden in der Welt« ist Jesus Christus. Die Abkehr von der Welt meinte aber keinesfalls Ignoranz oder Desinteresse an den Nöten und Bedürfnissen der Menschen. Es ging um intellektuelle und seelische 188

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Praktische Theologie

Selbstständigkeit, die sich seit der Spätantike in einem asketischen Leben manifestierte, das auch Nichtchristen anzog. Die gewonnene Freiheit sollte die Gläubigen, Geistliche wie Laien, davor bewahren, sich in den Fallstricken der Welt zu verheddern: Machtstreben, Habgier, Korruption, Geltungssucht und Neid. Peregrinatio und Mission stellten die Grundpfeiler, auf denen sich das frühmittelalterliche Europa entwickelte.3 Im Hochmittelalter veränderte sich die Bewertung der geistlichen Wanderschaft, die nun mit einem Umherstreunen gleichgesetzt wurde. Wie in der Antike galt Fremdheit wieder als Bedrohung der sozialen Ordnung.4 Die freiwillige Heimatlosigkeit flankierten weitere asketische Elemente. Bonifatius lebte zölibatär und hielt Maß im Essen und Trinken. Aufgebracht kritisierte er in seinen Briefen das Fehlverhalten seiner Mitbrüder, mochten sie einfache Priester oder angesehene Bischöfe sein. Feine Kleidung und übermäßiger Weinkonsum erregten seinen besonderen Ärger.5 In einem Brief an Erzbischof Cudberht von Canterbury aus dem Jahr 747 poltert er: »Denn dieser Zierrat an Kleidern (so scheint ihnen das, was von anderen als Schändlichkeit bezeichnet wird), die übermäßig breiten Purpurstreifen an den Säumen, eilen der Ankunft des Antichrist voraus und sind von diesem geschickt; dank seiner Schlauheit führt er durch seine Diener in die Zellen und Klöster die Unzucht ein, und die Üppigkeit der jungen Leute in ihren reichgesäumten Kleidern, ihre schändlichen Unterhaltungen, ihren Widerwillen gegen Schriftlesung und Gebet und damit das Verderben ihrer Seelen. Diese die Nacktheit der Seele ankündigenden Kleidungsstücke tragen an sich die Zeichen der Hoffahrt, der Überheblichkeit, der Üppigkeit und der Eitelkeit.«6 Unter dem dekadenten Leben nicht weniger Mitbrüder hat Bonifatius gelitten und hat sich ihrer sogar geschämt. Er bekennt: »Hoffahrt und Überheblichkeit, ein verkehrtes Leben und ein doppelzüngiger Mund sind mir ein Gräuel.«7 Vor Cudberhts Augen lamentiert Bonifatius weiter über den Weingenuss: »Es ist auch die Rede davon, dass in euren Sprengeln das Laster der Trunkenheit allzu sehr zur Gewohnheit geworden sei, sodass manche Bischöfe, statt es zu verbieten, sich selbst durch allzu 189

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V. Leben aus dem Wort

reichliches Trinken berauschen und andere mit größeren Trinkgefäßen zwingen, sich zu berauschen. Zweifellos ist es für einen Diener Gottes eine Sünde, so etwas zu tun oder getan zu haben, weil die Satzungen der Väter verlangen, einen trunkenen Bischof oder Priester vom Amt zu entfernen oder abzusetzen. Die Wahrheit hat selbst gesagt: ›Sehet zu, dass eure Herzen nicht belastet werden durch Völlerei und Trunkenheit.‹«8 Ferner der Prophet Jesaja: »Wehe euch, die ihr Helden seid im Weintrinken und starke Männer im Mischen von Rauschtrank.«9 Ein Prophet durfte die Kleriker kritisieren, ein Bonifatius vielleicht weniger. Die Wahl des Jesaja-Zitats zeigt die humorvolle Seite des Kirchenmanns, der feine Ironie liebte. Geschlechtsgenossen, die ihre Männlichkeit mit Mischen und Trinken von Wein inszenierten, waren ihm verhasst, von Seelenhirten, die Schutzbefohlene zum Schlechten manipulierten, gar nicht zu reden. Bonifatius’ Männerbild war seiner Zeit weit voraus. Dass er kein hartgesottener Weinverächter war, enthüllte er am Ende eines Briefes an Erzbischof Ecgberht von York: »Außerdem haben wir durch den Überbringer dieses Briefes statt eines Kusses zwei Fässchen mit Wein geschickt und der Bitte, sich davon mit euren Brüdern einen frohen Tag zu machen.«10 Bonifatius verstand zu genießen und gönnte seinen Mitmenschen Genuss, aber unter der Vorgabe: Maß halten. Seine Frömmigkeit trug auch heitere Züge. Er betrachtete Spiritualität nicht als rein geistliches Phänomen. Deren Früchte sollten den christlichen Alltag bereichern. Der Gelehrte vertrat eine praktische Theologie, die Moral großschrieb. Daher finden sich unter den Beschlüssen der fränkischen Synoden, die er Cudberht zu Anfang seines Briefs mitteilt, zwei Verbote, um den allzu weltlichen Lebensstil mancher Mitbrüder zu unterbinden: Ihnen wird das Jagen und Herumstreifen in den Wäldern mit Hunden verboten. Ferner dürfen sie keine Habichte und Falken mehr halten. Prunkkleidung gehört der Vergangenheit an. Weder das sagum, den traditionellen Mantel römischer Soldaten, noch Waffen dürfen sie tragen.11 Da sich der Stand und die Lebensführung in der Kleidung und in den Vergnügungen ausdrückten, hatte sich ein Geistlicher von der Welt abzuheben, vor allem von der des Adels – für etliche Kleriker eine He190

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rausforderung, stammten sie doch aus Adelsfamilien. Da Soldaten einen schlechten Ruf hatten, lag es nahe, dass Geistliche sich schon äußerlich von ihnen absetzen mussten, um die Menschen, getauft oder ungetauft, nicht in Angst und Schrecken zu versetzen. Bonifatius verdammte weder die Jagd noch die Falknerei. So konnte Aethelberht  II., König von Kent und Verwandter der Äbtissin Bugga, den Erzbischof unverhohlen um zwei Falken bitten.12 Geschickt fädelte er seinen Wunsch ein: »Nach dem, was man mir gesagt, glaube ich nicht, dass es für dich schwierig ist, das zu bekommen, nämlich zwei Falken, deren Kunst und Kühnheit darin bestehen soll, dass sie gern Jagd auf Kraniche machen, sie schlagen und dadurch zu Boden bringen. Unsere Bitte, diese Vögel zu erwerben und uns zu übersenden, richten wir deswegen an euch, weil man in unseren Gegenden, nämlich in Kent, nur sehr wenige Habichte dieser Art trifft, die eine so tüchtige Brut hervorbringen, dass sie zu der erwähnten Kunst geistig anstellig und kampflustig werden und sich dazu zähmen und abrichten lassen.« Selbstverständlich hatte Aethelberht auch Bonifatius mit Gaben, »Geschenkchen«, bedacht: »einen silbernen, innen vergoldeten Trinkbecher, im Gewicht von dreieinhalb Pfund, und zwei Zottelwämser«.13 Einen Zottelwams konnte Bonifatius bequem über die traditionelle Mönchskutte aus dunkler Wolle ziehen, die mit einem Ledergürtel gerafft wurde. Bei liturgischen Handlungen wurde er gegen die Kukulle, ein weites Obergewand getauscht, das der Priester über seine Mönchskutte warf. Die königlichen Geschenke fielen üppiger aus als die der geistlichen Briefpartner. Aethelbert II. hatte schließlich einen Ruf zu verlieren. Der Austausch von Geschenken gehörte in weltlichen wie in geistlichen Kreisen zum guten Ton. Kostbare Abschriften der Bibel und der Kirchenväter waren zudem eine besondere Spielart der religiösen Geschenkkultur und daher auch Symbole christlicher Spiritualität.

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»Was wir nicht durch uns tragen können, wollen wir durch den tragen, der allmächtig ist.« Bonifatius an Bischof Cudberht, Brief 78

Wurzeln der Spiritualität In der sogenannten karolingischen Renaissance besann sich die geistliche und weltliche Elite des Frankenreiches nicht nur auf die kulturellen Errungenschaften der Antike, sondern auch auf frühchristliche Traditionen. Unter der Patronage Karls des Großen setzte eine Relektüre der Kirchenväter und Kirchenschriftsteller ein; die Bibel und die Liturgie wurden als spirituelle Quellen gepflegt.14 Diese geistlich-kulturelle Bewegung am Hof Karls erlebte Bonifatius nicht mehr. Aber die geistige Erneuerung, die auch Kunst und Architektur umfasste, hatte ältere Wurzeln, die in seine Lebenszeit zurückreichten. Bonifatius war ein Kind seiner Zeit. Seine Spiritualität lebte aus der Heiligen Schrift, die er in weiten Teilen auswendig zitieren konnte.15 Auch in den Schriften der Kirchenväter und Kirchenlehrer war er bewandert. Das Verständnis des Alten und des Neuen Testaments sollte sich an den Kirchensatzungen ausrichten.16 Der erfahrene Seelsorger witterte wohl für sich und seine Schüler die Gefahr, dass eine voraussetzungslose Lektüre den Leser verführen könne, seinen privaten geistlichen Kosmos zu konstruieren. Den Aufruf, Disziplin zu wahren, begründete er mit der »Unbeständigkeit des Denkens« (mentis inconstantia).17 Spiritualität braucht Bonifatius zufolge Leitung und Korrektur. Wen oder was man liebt, möchte man ständig bei sich haben. So hielt es der Legat Germaniens mit dem Wort Gottes. Wie eine gute Freundin sprach die Bibel zu Bonifatius: Sie riet und stärkte ihn, sie beruhigte und ermutigte ihn, sie korrigierte ihn und trieb ihn an. Es waren die Worte Jesu und das Zeugnis seiner Apostel, die ihn kör192

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perliche Leiden, seelische Dunkelheit und Todesgefahren ertragen ließen. Willibald beklagt in seiner Vita die »Sammlung der spärlichen Mitteilungen« über den Heiligen.18 Das Manko betrifft auch die Spiritualität. Denn individuelle Spiritualität lag nicht im besonderen Interesse frühmittelalterlicher Literatur.19 Hinweise schlummern zwischen den Zeilen und sind oft hinter Metaphern verborgen. Persönliche Befindlichkeiten traten hinter das große Lebensziel zurück, das der Missionar verfolgte: die Verherrlichung Gottes durch die Weitergabe der Frohen Botschaft, die möglichst viele Bekehrungen zum Ziel hatte. Bonifatius’ Spiritualität war spätestens seit der zweiten Lebenshälfte missionarisch bestimmt. Obwohl Pippin und Teile des fränkischen Episkopats Bonifatius in seinen letzten Lebensjahren kirchenpolitisch kaltgestellt hatten,20 loderte die missionarische Flamme weiter in dem Achtzigjährigen. Seiner zweiten Berufung blieb er bis an sein Lebensende treu. Und möglicherweise hat ihm die bittere Ausbootung wieder die Freiheit geschenkt, das zu tun, was ihn erfüllte: Mission und die Begegnung mit Menschen, die er zu Gott führen konnte. Dabei war die Missionspredigt als Herzstück der Evangelisierung nur ein erster Schritt, der im Idealfall die Taufe nach sich zog. Danach begann die Christianisierung ohne eine ausgefeilte Missionstheologie.21 Frühmittelalterliche Missionare wie Bonifatius waren Praktiker, die in erster Linie Jesu Missionsbefehl umsetzen wollten: »Darum geht und macht alle Völker zu meinen Jüngern; tauft sie auf den Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes und lehrt sie, alles zu befolgen, was ich euch geboten habe.«22 Seine Handlungsanweisungen bezog Bonifatius aus der Bibel, im Gebet, aus Rom und durch die Lektüre der Kirchenväter, von Papst Gregor dem Großen und Beda Venerabilis. Im Missionsalltag lernten die jüngeren Missionare von den erfahrenen Glaubensboten. Voraussetzung für alle Missionare und Missionarinnen war eine fundierte theologische Bildung, aus der sie für ihre Ansprachen schöpfen konnten. Bonifatius’ Missionsbegeisterung traf auf eine mönchische Sozialisation, die ihn seit Kindesbeinen im Geist Benedikts von Nur193

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V. Leben aus dem Wort

Abtei Montecassino, 529 von Benedikt von Nursia gegründet; nach Zerstörung 1943/44 wiederaufgebaut.

sia geprägt hatte. Der Gründer des Klosters Montecassino zwischen Rom und Neapel hatte seinen Mönchen eine Zusammenstellung der »guten Werke« in die Hand gelegt, mit dem sie christliche Vervollkommnung anstreben sollten. Zu den Merksätzen gehören »sich dem Treiben der Welt entziehen«, »den Zorn nicht zur Tat werden lassen«, »von der Liebe zu Christus nicht lassen«, »keine Arglist im Herzen tragen«, nicht stolz, nicht gefräßig, nicht schlafsüchtig und nicht faul sein. Und vor allem: Niemals an Gottes Barmherzigkeit zweifeln!23 Im Jahr 664 empfahl die Synode von Whitby und in der Folge auch fränkische Synoden, die Regula Benedicti verpflichtend in den Klöstern einzuführen. Im 8. Jahrhundert standen die Weisungen des heiligen Benedikts an der Spitze der Mönchsregeln. Auch Bonifatius unterstellte sein Lieblingskloster Fulda der Regula Benedicti. So überrascht es nicht, dass er enge Kontakte zum Kloster Montecassino hielt und regen Ausstauch mit dessen Abt Optatus (750–760) pflegte. In einem Brief aus dem Jahr 751 bat er Optatus, ihn in die Gebetsgemeinschaft von Montecassino aufzunehmen. Die Mönche mögen 194

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fortan Fürbitten sprechen und Messfeiern für Verstorbene aus seinem Umfeld abhalten. Vermutlich rechnete er damals schon mit seinem baldigen Tod, und es tröstete ihn, in der memoria von Montecassino aufgehoben zu sein. Für die Lebenden solle ein gemeinsames Gebet gesprochen werden.24 Eindeutig bittet Bonifatius, »für unsere Hinfälligkeit zu beten«. In Bibelzitaten scheint seine persönliche Befindlichkeit auf, wenn er wünscht, »von ungestümen und boshaften Menschen befreit zu werden«. Die Bindung an die Benediktiner von Montecassino war auch deswegen so eng, weil Bonifatius Schüler aus Germanien dorthin geschickt hatte, um sich fortzubilden und als geistliche Persönlichkeiten zu reifen.25 Im Vergleich zu den mystischen Erfahrungen einer Hildegard von Bingen oder eines Franziskus von Assisi ist die biblisch geprägte Spiritualität des frühen Mittelalters oft als formal abgetan worden.26 Dieser Vorwurf ist jedoch kein Grund, auf mangelnde Spiritualität zu schließen. Die zitierten Bibelstellen sagen viel über die persönliche Frömmigkeit, auch wenn manche Zitate zum Standardrepertoire geistlicher Briefe des 7. und 8. Jahrhunderts gehören. Die Zitate reflektieren die Stimmung frommer Menschen, die sich in einer politisch unsicheren Umbruchszeit für ein geistliches Leben entschieden haben. Die Schreiben von und an Bonifatius wecken den Eindruck, dass die Briefpartner miteinander wetteiferten und biblische Zitate wie Liebespfeile aufeinander feuerten. Hinter dem intellektuellen Schlagabtausch steht letztlich das Bemühen, aus dem Wort Gottes zu leben. Was auf den ersten Blick wie ein Verschanzen hinter der Bibel aussieht, wächst aus der demütigen Erkenntnis, dass Gott und die von ihm inspirierten Propheten und Apostel sowie die nachfolgenden Kirchenväter die besten Ratgeber sind. Das Wort Gottes schenkt alles, was dem geistigen, seelischen und körperlichen Wohlbefinden dient, davon waren Bonifatius und seine Freunde überzeugt. Wer dem spirituellen Bonifatius nahekommen will, muss auf Zwischentöne achten. Denn seine Frömmigkeit entfaltet sich häufig in Nebensätzen. Gerade er zeigt, dass ein auf Gott bezogenes Leben nicht stetig wie ein plätschernder Bach verläuft, sondern zum reißenden Strom 195

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V. Leben aus dem Wort

werden kann, in dem der Gottsuchende unterzugehen droht. Diese Verzweiflung haben Bonifatius und seine Brieffreunde mehr als einmal beschrieben. Doch waren es durchweg äußere Faktoren, Ereignisse oder Lebensstile, die den Erzbischof in Unruhe stürzten, aber keine existentiellen Glaubenskrisen. Bis ins hohe Alter erhielt sich der Beter Bonifatius eine lebendige Spiritualität. Geist und Herz waren nicht satt, wenn auch ab und an erschöpft und enttäuscht, doch nicht verknöchert. Die Ängste und Zweifel, die vor allem den betagten Missionsbischof heimsuchten,27 trugen zwar Missklänge in sein geistliches Leben, offenbaren aber auch eine dynamische Spiritualität: »Denn für uns gibt es nach dem Wort des Apostels (2 Kor 7,5) nicht bloß ›außen Kämpfe und innen Ängste‹, sondern auch innen außer der Angst Kämpfe«, klagte er Bischof Daniel von Winchester in einem Brief, den er zwischen 742 und 746 verfasste.28 Der Kritiker lief Sturm gegen Verführer, welche die Gläubigen verunsicherten und in die Irre lenkten, besonders auch diejenigen, denen er am Hof der Hausmeier (in palatio Francorum) begegnete.29 Deckte Bonifatius Missstände im Klerus auf, hinderten ihn nicht selten weltliche wie geistliche Autoritäten, sie zu bekämpfen, mochten sie sich auch im fernen Rom abspielen. Die moralische Strenge, mit der er seine Umgebung maß, spornte zu Widerstand an. Wiederholt machten Rompilger ihn darauf aufmerksam, dass in der Ewigen Stadt manches erlaubt sei, was der Germanenmissionar strikt ablehne. Solche Querschüsse betrachtete Bonifatius als »Hindernisse in Predigt und Lehre«.30 In seinem Brief an Papst Zacharias Mitte 742 war der Stein des Anstoßes das römische Neujahrsfest, ein Relikt aus vorchristlichen Zeiten: In der Nähe von St. Peter werden, »wenn das neue Jahr kommt, bei Tag und bei Nacht Speisen aufgetischt«. Frauen trügen nach paganer Sitte Amulette und Bänder an den Armen und Füßen und böten den magischen Schmuck zum Kauf an. Niemand wolle seinem Nachbarn Feuer oder ein Gerät leihen oder einen Dienst tun.31 Nicht nur das heidnische Neujahrsfest war Bonifatius ein Dorn im Auge. Verwerflicher und gefährlicher waren die magischen Alltagspraktiken: Seit ihrem Bestehen kämpfte die Kirche gegen die Macht der 196

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Magie in allen Gesellschaftsschichten an. Auch aus diesem Grund folgte Papst Zacharias den Wünschen seines Missionars und wies darauf hin, er bemühe sich seit seinem Amtsantritt, die magischen Praktiken zu »amputieren«. Auch das Thema Zauberkunst bewegte den Papst, noch einmal die ablehnende Haltung der Kirche einzuschärfen: »Es gibt keine Wahrsagerei in Israel noch Zeichendeutung im Hause Jakobs. So glauben auch wir uns vorsehen zu müssen, dass wir nicht auf Wahrsagerei und Zeichendeuterei achten, denn all das ist abgetan, wie wir von den Vätern gelernt haben.«32 Die Verbindung Bonifatius und Rom war eben keineswegs einseitig. Das Gespräch, das Wynfreth-Bonifatius mit Gregor II. begonnen hatte, setzten seine Nachfolger fort. Auch wenn Bonifatius meist der Fragende war, scheinen die Oberhirten seine fast skrupulösen Unsicherheiten bereitwillig behoben zu haben. Der starke Gesprächsfaden eignete sich gut zur Kontrolle, ob der angelsächsische Missionar im Frankenreich tatsächlich für die Einheit der germanischen Kirche mit Rom einstand.

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»Wir wollen, wenn Gott es will, sterben für die heiligen Gesetze unserer Väter, damit wir mit ihnen das ewige Erbe zu erlangen verdienen.« Bonifatius an Bischof Cudberht, Brief 78

Prüfsteine der Spiritualität Caritas ist für Bonifatius die höchste christliche Tugend: »So möge wahre Liebe das Einzige und Höchste machen, was Gott erlaubt und befiehlt, indem er sagt: ›Das ist mein Gebot, dass ihr einander liebt.‹«33 In seinem Brief an Abt Optatus von Montecassino begründet er den Vorrang der caritas mit einem Zitat aus dem Ersten Petrusbrief (4,8): »Pflegt vor allem die gegenseitige Liebe zueinander, denn die Liebe bedeckt die Menge der Sünden«.34 Bonifatius’ Figurengedicht, das den Titel seiner Grammatik ziert, steht in der Tradition patristischer Kreuzestheologie.35 Alles läuft bildlich auf Christus zu, bezieht sich auf ihn und kreist um ihn. Für Bonifatius ist Jesus das Alpha und Omega seines religiösen und alltäglichen Lebens. Seine Konzentration auf Gott entspricht frühmittelalterlicher Frömmigkeit, der zufolge Gott »alles wirkt und vollbringt, und nicht der Mensch«.36 Sein geistliches Lebensmodell empfiehlt der Lehrer auch seinem Schüler Sigebercht und mahnt ihn eindringlich: Er habe die Bestimmungen des Alten und des Neuen Testaments verstanden, wenn vor seinen geistigen Augen Christus am Kreuz erscheine.37 Jesus ist nicht ohne das Kreuz zu denken. Spirituelles Leben nach Bonifatius ist kein Wohlgefühl, das den Alltag erträglicher macht, sondern beharrliche Übung. Was er seinem Schüler nahelegte, galt auch für ihn selbst. Sein Denken und Handeln richtete er bewusst an geistlichen Autoritäten aus, waren es die Kirchengesetze oder der Papst in Rom.38 Bonifatius war eben nicht der autarke Einzelkämpfer, der durch die germanischen Lande wanderte, sondern modern gesprochen ein »Teamplay198

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er«, der die geistliche Autorität des Papstes als entlastend empfand, das Einfügen in die kirchliche Hierarchie als selbstverständlich und die Zusammenarbeit mit seinen Vertrauten als aufbauend. Seine Anhänglichkeit an die Päpste – manche sprechen sogar von Hörigkeit –39 dürfte in gewissem Maß auch sein Frömmigkeitsleben beeinflusst haben. Immerhin war er seit 732 als Legat in Germanien der Stellvertreter des Papstes nördlich der Alpen. Wechselte der Pontifex, bemühte sich Bonifatius, seine besondere Beziehung zum Heiligen Stuhl auf den neuen Bischof von Rom zu übertragen. An Papst Stephan II., den letzten Papst, den er erlebte, sandte er 753 wie an dessen Vorgänger eine Ergebenheitsadresse: »An die Milde eurer Heiligkeit richte ich nachdrücklich die inständigste und herzlichste Bitte, dass ich das enge Verhältnis und die Einheit mit dem Apostolischen Stuhl von der Gnade eurer Huld zu erlangen und zu behalten gewürdigt werde und in meiner Stellung als Schüler eurer Frömmigkeit im Dienste des Apostolischen Stuhls euer getreuer und ergebener Knecht bleiben kann, in derselben Weise, wie ich bisher unter euren drei Vorgängern dem Apostolischen Stuhl gedient habe.«40 Vielleicht beabsichtigte der betagte Bonifatius, den »Neuling« ein wenig unter Zugzwang zu setzen, als er die verstorbenen Päpste würdigte: Sie hätten ihn »immer durch ihre Aufmunterung und durch ihre brieflichen Entscheidungen gesichert und gefördert«.41 An den Ruhestand dachte der Achtzigjährige nicht mehr: Wenn er der Kirche in den vergangenen 36 Jahren Nutzen gebracht habe, wolle er ihn »noch vervollständigen und vermehren«. Habe er aber »in Wort oder Tat eine Ungeschicklichkeit oder eine Rechtswidrigkeit« begangen, verspreche er nach der Entscheidung der römischen Kirche Wiedergutmachung.42 Der Dienst für Gott und die Kirche währt Bonifatius zufolge ein Leben lang. Selbst wenn er Fehler gemacht haben sollte, denkt er nicht an Aufgeben, sondern an Korrektur. Die Einheit der Kirche unter dem Dach Roms war für ihn nicht verhandelbar. Darin wusste er sich nicht nur mit dem Papst einig, sondern auch mit Paulus, der in seinen Briefen die Gemeinden immer wieder ermahnte, die Einheit nicht zu gefährden. Was dem modernen, demokratieverwöhn199

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V. Leben aus dem Wort

ten Menschen leicht autoritätshörig erscheint, macht organisationssoziologisch Sinn. Eine Gemeinschaft ist umso stabiler, je mehr sich ihre Mitglieder einig sind und gemeinsame Ziele verfolgen. Zwietracht mindert den Werbeerfolg. Hätte der Missionar bei der Christianisierung Toleranz gegenüber den Vielgötterverehrern gezeigt, so hätte er sie schwerlich von der Überlegenheit des Christengottes überzeugt. Handelte er autoritär, als er gegen Fehlentwicklungen in der fränkischen Kirche vorging? Oder gehörte es zu seinen bischöflichen Pflichten, den Finger in die Wunde zu legen, um schlimmere Auswüchse zu verhindern? Wenn es stimmt, dass Bonifatius Lutz von Padberg zufolge höchst autoritär mit seinen Mitarbeitenden umgesprungen ist, konnten sie sein Verhalten im Licht ihres gemeinsamen Ziels einordnen. Die Quellen kennen jedenfalls keinen Mitarbeiterschwund. Einen Exodus der Helfer und Helferinnen hätte selbst ein Willibald erklären müssen. Zeugen waren genügend vorhanden. Die Betrachtung des Leidens, des Todes und der Auferstehung Jesu sind Kernthemen christlicher Spiritualität. Wer wie Bonifatius Christus so konsequent nachfolgte, schloss auch das Martyrium nicht aus. Vor Erzbischof Cudberht bekennt er eindeutig: »Wir wollen, wenn Gott es will, sterben für die heiligen Gesetze unserer Väter, damit wir mit ihnen das ewige Erbe zu erlangen verdienen.«43 Mit der Einschränkung »wenn Gott es will« entkräftet der Missionsbischof vorab spätere Spekulationen, er sei ein zweites Mal zu den Friesen gezogen, um dort den Märtyrertod zu suchen. Ein Missionar, der in eine ungewisse Zukunft aufbrach, musste mit seinem Tod rechnen. Aber solche Bereitschaft unterscheidet sich von der Sehnsucht nach dem Martyrium, die bereits die frühe Kirche entschieden abgelehnt hat.44 Für Bonifatius galt: Jesus ist der Weg und das Ziel christlicher Spiritualität. Wer sich um ein Leben aus dem Heiligen Geist bemüht, hat keine Garantie auf Ruhe und Abgeklärtheit. Unruhe kann heilsam sein, wenngleich Bonifatius auch die Kontemplation sehr schätzte. Er setzte darauf, dass es Christus ist, der »das Bauwerk der bösen Begierde zerstört und den Tempel der gütigen Liebe erbaut«.45 Nicht 200

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der Mensch ist Meister seiner Spiritualität, sondern Jesus Christus. »Viel vermag das beharrliche Gebet des Gerechten«, war Bonifatius mit Jakobus 5,16 überzeugt.46 Ein Heilmittel gegen die Seelenunruhe entdeckte er im Fürbittgebet.47 Er glaubte an die Macht des Gebets, das in all seinen Facetten der Nährboden geistlichen Lebens ist. Bonifatius empfand sich als Sünder, dessen Schwäche das Gebet in Stärke umwandeln sollte. Versuchungen fürchtete er, und er versuchte, sie zu meiden. Da er sich als erlösungsbedürftig erkannte, wusste er, dass nur Gott seine Schwachheit heilen konnte. Seine Sündenfurcht kleidete der Angelsachse in mächtige Bilder. Da ihn immer wieder »die Stürme eines gefahrvollen Meeres« bedrängten, flehte er, »dass Er, der in der Höhe wohnt und in die Tiefe hinabblickt, meine Missetaten verzeihend, mir im Öffnen meines Mundes das Wort verleihe, auf dass das Evangelium vom Ruhme Christi unter den Heiden seinen Weg gehe und verherrlicht werde«.48 Auch wenn sich die Naturmetaphern und die Gebetsbitten wiederholen, darf man sie nicht als geistliche Ohrwürmer abwerten.49 Im Umgang mit Klerikern zeigte Bonifatius Führungskraft, die durchaus energisch ausfallen konnte. Doch zugleich war er ein demütiger Mensch. Seine Missionstätigkeit und seine Erfolge verbuchte der Heilige nicht als eigene Leistung, sondern als Werk Gottes. Das kirchenpolitische Abseits und die Misserfolge am Lebensende lastete er sich allerdings persönlich an. Das Gefühl der Unzulänglichkeit führte ihn zu der immer wieder ausgesprochenen Bitte, Gott möge ihm verzeihen. Lenkte Demut seine Frömmigkeit, so war ihre Kehrseite der ängstliche Selbstzweifel, eine unselige Macht, gegen die er sein Leben lang ankämpfte. Die Stärke, die er im Gebet erflehte, diente jedoch nicht allein der eigenen Vervollkommnung und dem seelischen Gleichgewicht. Bonifatius betete um Kraft, weil er seinen Teil im göttlichen Heilsplan beitragen wollte. Und in besonders kläglichen Stunden klammerte er sich an den schon zitierten Lieblingsspruch aus dem Zweiten Korintherbrief: »Wenn ich schwach bin, dann bin ich stark.«50 Die Reden von Laien schätzte Bonifatius als zweifelhaft ein. So mahnte er seine Freundin Bugga, die Ratschläge geistlicher Men201

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schen zu bevorzugen. Denn weltlicher Rat bringe schädliche Aufregung, die mit einem geistlichen Leben schwer vereinbar sei, es sogar störe.51 Die Ausrichtung auf den Willen Gottes beschere innere und äußere Freiheit, davon war nicht nur Bonifatius überzeugt. Freiheit – libertas ist ein Schlüsselwort in seiner Gedankenwelt. Um sie zu erreichen, hilft manchmal nur Distanz und der Aufbruch zu einem neuen Ziel. Das ist Wesen der Pilgerfahrt, von der Bonifatius hofft, dass sie der Äbtissin Bugga die Freiheit der Betrachtung (libertatem contemplationis) zurückbringt. Mit seinen moralischen Ansprüchen stieß er nicht wenige vor den Kopf. Denn er beließ es nicht nur bei Ermahnungen, sondern strengte sich an, sein Priester- und Bischofsideal im Alltag durchzusetzen.52 So sehr verabscheute er einen zweifelhaften Lebensstil von Geistlichen, dass er den Kontakt mit ihnen mied. Papst Zacharias legitimierte seine Haltung: »Aber wenn du irreleitende Bischöfe oder falsche Priester oder wen du vom rechten Pfad des Glaubens abweichend findest, mit dem solltest du keine Gemeinschaft haben.«53 Nicht alle Mitbrüder teilten die rigide Einstellung des Germanenmissionars. Bischof Daniel von Winchester mahnte ihn zur Geduld mit sündigen Klerikern. Offensichtlich gehörte diese Tugend nicht zu den Stärken seines Freundes. In einem Trostbrief erinnert Daniel unter Berufung auf den heiligen Augustinus seinen Bonifatius an die Arche Noah, in der reine und unreine Tiere Zuflucht gefunden haben, und er referiert: »Wenn wir also in der Kirche böse Menschen finden, die wir mit kirchlicher Zucht nicht zurechtweisen oder zur Ordnung rufen können, dann soll nicht in unser Herz die gottlose und verderbliche Anmaßung aufsteigen, mit der wir glauben könnten, wir müssten uns von diesen absondern, um nicht durch ihre Sünden befleckt zu werden, und auf diesem Weg zu versuchen, unsere Schüler als Reine und Heilige hinter uns herzuziehen hinweg aus dem Gefüge der Einheit, mit dem Vorgeben, sie würden von dem Umgang mit dem Bösen abgesondert.«54 Die mitbrüderliche Kritik zielt direkt auf Bonifatius’ seelische Verfassung. »Gottlose und verderbliche Anmaßung« ist ein harter Vorwurf, der dem Freund letztlich mangelnde Barmherzigkeit vor202

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hält. Bonifatius muss sich daran erinnern lassen, dass es in der Kirche bis zum Jüngsten Gericht Gutes und Böses geben wird. Unmissverständlich weist ihn Daniel wieder mit Augustinus darauf hin, an welcher Einstellung er arbeiten muss: »So gibt es auch eine Art, über die Bösen in der Kirche hinwegzusehen und sie zu dulden, und es gibt wiederum eine Art, sie zu züchtigen und sie zurechtzuweisen, nicht aber wegzuschicken und aus der Gemeinschaft auszustoßen, sodass wir weder unter dem Deckmantel der Geduld gleichgültig werden noch unter dem Schein der Gewissenhaftigkeit wüten.«55 Wie mag Bonifatius auf die klaren Worte seines älteren Mitbruders reagiert haben, der ihn zum Priester geweiht hat und am Ende seines Schreibens beteuert: »Leb wohl, der du mir hundert Mal der Liebste bist«?56 Verantwortlich für seine Strenge waren wohl auch skrupulöse Anwandlungen, die den alternden Bonifatius übermannten. Wie anders ist es zu erklären, dass ihn Papst Zacharias selbst in Ernährungsfragen beraten musste: »Nun hast du auch die Frage gestellt, nach wie viel Zeit man Speck essen soll. Uns ist dafür von den Vätern keine Weisung gegeben. Wir geben dir aber auf deine Bitte den Rat, ehe er über dem Rauch getrocknet oder auf dem Feuer gekocht worden ist; hat man aber Lust, ihn ungekocht zu essen, soll man das erst nach dem Osterfest tun.«57 Aus Sorge, Fehler zu machen oder gar Sünden zu begehen, hielt sich der Legat gehorsam an die Weisungen aus Rom. Obwohl der Glaube an die Gnade Gottes in seinen Briefen durchaus aufscheint, fehlen entlastende Gedanken über die göttliche Barmherzigkeit. Die Bindung an den Papst infrage zu stellen, wäre dem Angelsachsen nie in den Sinn gekommen. War er doch in einer angelsächsischen Landeskirche aufgewachsen und sozialisiert, die trotz ihrer Eigenständigkeit die Anbindung an Rom immer weiter ausgebaut hatte.58 Rat zu geben ist oft einfacher, als um Rat zu bitten. Doch Bonifatius war demütig genug, um sich als hilfsbedürftig einzuschätzen. Wie so oft klagte er vor seinem Mitbruder Cudberht über Widerstände in der Mission. Um ihm für seine Geduld zu danken, wählte er einen Spruch Salomos aus Jesus Sirach 25,12: »Selig der Mann, der einen Freund gefunden hat, mit dem er sprechen kann wie mit sich selbst.« Und er fuhr fort: »Es ist unser Wunsch, dass eine solche 203

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geistige Aussprache (spiritalia conloquia) über Ratschläge, wenn Gott will, solange wir hier unter den Sterblichen leben, immer gegenseitig mitgeteilt werde, unter dem Beistand dessen, von dem allein heilige Wünsche, richtige Ratschläge und gerechte Werke kommen.«59 Der beste Ratgeber und Freund ist Bonifatius zufolge Gott allein. Unmissverständlich macht er seinem bischöflichen Mitbruder klar, dass er sich zwar um seinen Rat bemüht, ihn aber von Gott prüfen lässt – Gott ist seine letzte Versicherung. Der Nebensatz, der mehr als eine Randbemerkung ist, offenbart eine äußerst intensive und lebendige Gottesbeziehung, die Bonifatius durchaus Sicherheit und Selbstbewusstsein verleiht und seine Ängste oft zurückdrängt. Denn er glaubt fest daran, dass Gott ihm seinen Rat mitteilt.60 Trotz seines Gottvertrauens quälten ihn Anfechtungen, die wohl auch aus der ständigen Überlastung resultierten. Er war nicht nur der glaubensstarke Bischof, sondern auch ein Mensch, der mit sich, den Mitmenschen und bisweilen auch mit Gott haderte. Er pflegte keine isolierte und exklusive Spiritualität, sondern bezog nahestehende Menschen in sein geistliches Leben ein. Seine Religiosität lebte vom »Wir«. Ihre dialogische Ausrichtung bezeugen seine Briefe. Kann ein intensives spirituelles Leben helfen, Leiden zu bewältigen und die Angst vor dem Tod zu bannen? Bonifatius hätte diese Frage bejaht. In seinen Briefen sparte er nicht mit Ratschlägen, um seinen kranken Freunden beizustehen. Oft setzte er biblische Weisheiten ein, um Leid in einem spirituellen Licht zu sehen. Da seine Briefpartner ähnlich dachten und empfanden, verstanden sie seine mitunter harten Ermahnungen und wussten, sie richtig einzuordnen. Heutigen Lesern dürfte das schwerer fallen, weil Bonifatius’ Mahnungen als schlichte Durchhalteparolen empfunden werden können. Besonders heftig traf es den erblindeten Bischof Daniel, den er mit Paulus und mit Weisheiten aus dem Alten Testament zu trösten suchte (2 Kor 12,10,9; Sprichwörter 3,12; Psalm 33,4).61 Bonifatius zufolge schickt Gott Krankheit und Leid, um dem Menschen Gelegenheit zu geben, sich zu bewähren. Der richtige Umgang mit Leid befördere die Tugend. Er bemüht sich, der Erblindung seines Freundes einen positiven Aspekt abzugewinnen: Erlischt das Augenlicht, beginnt 204

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Prüfsteine der Spiritualität

der Mensch sich auf seine geistlichen Augen zu konzentrieren und ohne Ablenkung Gott anzuschauen. Intakte Augen neigen dazu, sich von der Sünde verführen zu lassen. Im Grunde versucht Bonifatius, dem Leiden einen Sinn abzugewinnen: Alles zur größeren Ehre Gottes. »Und deswegen glaube ich im Vertrauen auf deine Weisheit und deine Leidenskraft, dass Gott dir das geschickt hat zur Beförderung deiner Tugenden und zur Mehrung deiner Verdienste, und dass du desto mehr mit geistlichen Augen das schaust und begehrst, was Gott will und gern hat, und umso weniger dich um das bekümmerst und danach trachtest, was Gott nicht liebt, sondern untersagt hat. Denn was sind in dieser gefahrvollen Zeit die leiblichen Augen anderes als sozusagen größtenteils wahrhaftige Fenster der Sünden, durch die wir entweder auf Sünden und Sünder blicken oder, was noch schlimmer ist, zu uns selbst Laster heranziehen, indem wir sie betrachten und Lust dazu bekommen.«62 Was Bonifatius dem leidenden Daniel empfiehlt, übersteigt das spirituelle Pflichtprogramm. Es ist die Kür eines auf Gott ausgerichteten Lebens. Der melancholischen Äbtissin Bugga riet er zur Heiterkeit in den Beschwernissen des Alters: »Du aber, Teuerste, freue dich über die Aussicht auf die Erbschaft des himmlischen Vaterlandes!«63 Steckt hinter seiner Empfehlung die Aufforderung: Stell dich nicht so an? Was bedeuten weltliche Kümmernisse im Vergleich mit der ewigen Freude in der himmlischen Gegenwart Gottes, hält der Freund Bugga vor. Die Hoffnung auf Lohn in der Ewigkeit ist ein Gedanke, den Bonifatius und seine Freunde häufig äußern. Da sie die himmlische Belohnung als Gnade Gottes verstehen oder sich zumindest bemühen, das zu tun, gehört die eschatologische Erwartung zur spirituellen Motivation. An sich und sein Frömmigkeitsleben stellte Bonifatius hohe Ansprüche, die er auch auf seine Mitmenschen übertrug. Sein Ideal konnte nicht einmal er selbst erreichen. Trotzdem hörte er nicht auf, nach spiritueller Vervollkommnung zu streben. Denn als gläubiger Mensch vertraute er darauf: Auf die Angst der Nacht folgt ein Morgen der Hoffnung.

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»Daher darf man die Kirche, die wie ein großes Schiff durch das Meer dieser Welt fährt und durch verschiedene Wogen der Versuchungen in diesem Leben bedrängt wird, dennoch nicht im Stich lassen, sondern muss sie lenken.« Bonifatius an Bischof Cudberht, Brief 78

Der »Gute Hirte« Die innere Welt beeinflusst die äußere Welt. Daher sieht Bonifatius bei geistlichen Frauen und Männer eine besondere Verantwortung. In seinem Mahnbrief an Cudberht entwickelt er eine Spiritualität des Hirtenamtes. Das mehrere Seiten lange Schreiben hat einen offiziellen Anstrich, stellt sich Bonifatius seinem Mitbruder doch vor als »der Beauftragte der katholischen und apostolischen Kirche Roms für Germanien«.64 Zu dieser Zeit war der päpstliche Legat schon in schweres kirchenpolitisches Fahrwasser geraten. Sein Förderer Karlmann hatte sich ins Kloster verabschiedet, und Pippin der Jüngere bevorzugte einheimische Geistliche, um die fränkische Kirchenreform voranzutreiben.65 Nach einer captatio benevolentiae, die Cudberht als den Freund rühmt, »mit dem er sprechen kann wie mit sich selbst«, deutet sich ein sehr freimütiger Austausch an, der für die Vertrautheit der Briefpartner spricht.66 Selbstverständlich ist Cudberht seinem Brieffreund zufolge der Gebildetere und Begabtere bei der gegenseitigen Belehrung. Bonifatius weist auf die Verantwortung des Bischofsamtes hin: »Unsere Bemühung im Amt gilt bekanntlich ein und derselben Sache, und eine gleiche Sichtweise ist uns in der Fürsorge für Kirchen und Völker anvertraut, sei es im Lehren, sei es im Einschränken und Mahnen oder in der Verteidigung kanonischer oder allgemeiner Grade.«67 Daher bittet er um einen regelmäßigen Austausch und die 206

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Mitteilung von Synodalbeschlüssen in der angelsächsischen Kirche. Seinen Wunsch begründet er: »Denn auf uns lastet wegen der uns anvertrauten und überreichten Pallien eine größere Besorgnis wegen der Kirchen und Fürsorge für die Menschen als auf den übrigen Bischöfen, weil diese nur ihre eigenen Sprengel versehen.«68 Zweifellos denkt der Angelsachse in römischen Diensten hierarchisch. Die hervorragende Stellung der Metropolitanbischöfe bringt Lasten mit sich, nicht allein wegen der tagfüllenden Amtsgeschäfte, sondern auch wegen ihrer Vorbildfunktion. Bonifatius versteht sein Hirtenamt als Dienst für Gott und die Menschen. Eindeutig verlangt der bischöfliche Dienst eine Wächter- und Mahnfunktion. Und die nahm Bonifatius ernst, zum Ärger nicht weniger Mitbrüder im Frankenreich.

„Der gute Hirte“. Mitte 4. Jahrhundert, Via Salaria, Giordani-Katakombe, Rom. 207

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Richtschnur für einen Bischof sind Synodalbeschlüsse. Die der fränkischen Synoden trägt Bonifatius seinem Cudberht vor, als ob er sie ihm einprägen wolle. An erster Stelle steht die Einheit mit Rom. Dem Metropolitanbischof wird eine Aufsichtspflicht über die Bischöfe auferlegt. Ein Priester soll künftig jedes Jahr einen Rechenschaftsbericht an seinen Bischof schreiben, der wiederum einmal im Jahr seinen Sprengel besuchen soll, »um die Leute zu stärken und das Volk zu belehren, um heidnischen Gebräuchen nachzuspüren und sie zu verbieten, Zauberer und Losdeuter, Vorzeichen, Amulette, Besprechungen und allen Unflat der Heiden«.69 Je enger die persönliche Bindung zwischen den Hirten ist und in der Folge auch zu ihren Priestern, desto größere Erfolge sind bei der Mission und der Christianisierung zu erwarten. Die besondere Stellung der Bischöfe soll keine Einladung sein, eine machtvolle Autarkie auszuprägen. Entdeckt der Metropolit Fehlentwicklungen, so kann er gar nicht anders, als einschreiten. Das tut Bonifatius auch bei Cudberht, und er muss es in seinen Augen tun, weil er dazu vom Heiligen Stuhl verpflichtet worden ist. Der zunächst von Bonifatius so gelobte Cudberht hat versagt. Denn er habe zugelassen, dass manche seiner Bischöfe und Kleriker ein lasterhaftes Leben führen. Zu den Aufgaben eines »Guten Hirten« gehöre die Pflicht, die Mitbrüder zurechtzuweisen, wenn sie sich in Sünde verstrickten, betont Bonifatius erneut. Repetitio est mater studiorum – »die Wiederholung ist die Mutter aller Studien« kommt dem Leser in den Sinn, und in der Lehre war Bonifatius schließlich ein Meister. Im Grunde erinnerte er an die klassischen Pflichten eines episcopus, wie sie spätantike Konzilien bereits festgeschrieben hatten, so das Konzil von Karthago 397: Sorge und Aufsichtspflicht über den unterstellten Klerus.70 Etwa 200 Jahre früher hatte schon Bischof Cyprian von Karthago, der 257 den Märtyrertod starb, in einem Brief darauf hingewiesen, dass sich eine Gemeinde von ihrem in Sünden verstrickten Bischof trennen und sich weigern muss, mit ihm Gottesdienst zu feiern.71 Ein Bischof darf nicht schweigen. Ein Hirte, der sich weigert, seine Schafe zu weiden, ist untragbar. Verzweifelt schreibt Bonifatius über dienstvergessene Mitbrüder: »Aber sie weiden sich selbst, weil 208

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sie nicht auf das Wohl des Volkes achten, sondern auf ihre eigenen Wünsche. Die Milch und die Wolle der Schafe Christi empfangen sie in den täglichen Opfern und den Zehnten der Gläubigen, und die Fürsorge für die Herde des Herrn legen sie beiseite. Sie heilen nicht durch geistlichen Rat die durch Sünden Schwachen, sie kräftigen nicht durch priesterliche Hilfe den durch die verschiedenen Trübsale Gebeugten, sie rufen nicht den Irrenden zurück auf den Weg des Heils, sie suchen nicht mit der Sorgfalt des Hirten den durch Verzweiflung an Gnade Verlorenen auf und schützen nicht die Unterdrückten vor der Gewalt der Mächtigen, die gegen sie wie wilde Tiere wüten, und statt reiche und mächtige Sünder zu rügen, verehren sie diese.«72 Die Liste der gravamina reicht von Narzissmus, seelsorgerlichem Versagen, Verbrüderung mit den Mächtigen auf Kosten der Gläubigen und Korruption, die Bonifatius mit der Beschreibung der Sünder als »reich« und »mächtig« andeutet. Das Zusammenspiel der geistlichen und weltlichen Eliten stellt der Kritiker nicht infrage, wohl aber deren Paktieren zum gegenseitigen Vorteil und zum Nachteil der Schwachen. Bonifatius beurteilte die Lebenshaltung der kritisierten Bischöfe, ihre Auslegung des Hirtenamtes nicht nur als moralisch verwerflich, sondern auch als unbiblisch. Die eigene Angst vor einem göttlichen Strafgericht habe ihn so gelähmt – denn er schloss sich als Sünder nicht von Verfehlungen aus  –, dass er »das einmal übernommene Steuer der Kirche gänzlich aus der Hand« geben wollte. Der gequälte und erschöpfte Germanenmissionar blieb aus Pflichtgefühl und Verantwortung an der Spitze der fränkischen Kirche, auch weil ein Präzedenzfall fehlte. Selbst einer zu werden, hätte er als Hybris empfunden, als Anmaßung gegenüber Gott und dem Papst. Denn er war fest davon überzeugt: »Und um beispielsweise zu sagen, wie ich in Angst bin, wir haben in den Fluten eines wilden Meers ein für alle Mal ein Schiff zu steuern übernommen, das wir weder mit Vorsicht lenken, noch ohne Sünde im Stich lassen können. Denn wie ein Weiser sagt,73 wenn es gefährlich ist, ein Schiff nicht mit Vorsicht durch die Fluten zu lenken, wie viel mehr ist es gefährlich, dieses im Sturm zu verlassen, wenn es auf den wogenden Wellen dahintreibt! Und deswegen 209

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darf man die Kirche, die wie ein großes Schiff durch das Meer dieser Welt fährt und durch verschiedene Wogen der Versuchungen in diesem Leben bedrängt wird, dennoch nicht im Stich lassen, sondern muss sie lenken.«74 Über seine Qualitäten als Steuermann macht sich Bonifatius keine Illusionen. Der Missionar vergleicht sich mit einem Hund, »der bellt und sieht, wie Diebe und Räuber das Haus seines Herrn aufbrechen, untergraben und verwüsten, aber, weil er keine Helfer zur Verteidigung hat, nur knurrend wimmert und jammert.«75 Der Kritiker hat im Überschwang seiner Enttäuschung verlernt, die Blumen im Gestrüpp der Dornen zu entdecken. Er sieht so schwarz, dass er sich als einsamen Kämpfer wähnt. Zumindest seinen Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen tut er mit seiner Schwarz-Weiß-Malerei Unrecht. Das Bild des »knurrenden Hundes« erweckt Mitleid. War der große Bonifatius etwa im Selbstmitleid gefangen? Seine Bekenntnisse sind eher eine Ermutigung: Auch ein begabter und engagierter Leistungsträger, selbst ein Heiliger, hat Schwächen. Führungskräfte, die keine Schwäche kennen, sind gefährlich. Schwachheit zuzugeben, ist ein Zeichen von Größe, auch eine Erkenntnis, die Bonifatius nicht nur Bischof Cudberht, sondern auch den nachfolgenden Generationen hinterlassen hat. Im weiteren Verlauf seines Schreibens führt er Bibelstellen auf, die sich um Gottvertrauen drehen. Fast scheint es, als ob er sich selbst des Gottvertrauens vergewissern müsse. Den biblischen Reigen beschließt er: »Was wir nicht durch uns tragen können, wollen wir durch den tragen, der allmächtig ist und sagt: ›Mein Joch ist süß und meine Bürde ist leicht.‹«76 Aus dieser Einsicht, die er im Ringen mit Ängsten und Zweifeln gewonnen hat, richtet er in rhythmischer Prosa noch einmal einen eindringlichen Appell an seine bischöflichen Mitbrüder, ein geistliches Testament, das bis heute nichts an Wahrheit und Dringlichkeit verloren hat: Wir wollen nicht stumme Hunde sein, Nicht schweigende Späher, Nicht Mietlinge, die vor dem Wolf fliehen, 210

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Der »Gute Hirte«

Sondern besorgte Hirten, Die über die Herde Christi wachen, Die dem Großen und Kleinen, Dem Reichen und dem Armen, Jedem Stand und Alter, Ob gelegen oder ungelegen, Jeden Rat Gottes verkünden, Soweit uns Gott die Fähigkeit dazu verliehen hat.77

Das frühchristliche Bild von Jesus, dem »Guten Hirten«, illustrierte für Bonifatius das Selbstverständnis eines Bischofs. Er wacht über die ihm anvertrauten Menschen und schreckt nicht davor zurück, sie zu verteidigen. Eine der wichtigsten bischöflichen Tugenden ist Mut: Mut, den Mund aufzumachen, wenn es um die Verteidigung von Glaubenswahrheiten und Hilfe für den Nächsten geht. Ein Bischof soll unparteiisch und unabhängig sein und handeln. Er ist nur dem Wort Gottes verpflichtet. Weder taktiert er, noch duckt er sich weg, selbst wenn es das Leben kostet. Nachdem Bonifatius über mehrere Seiten auf einen »von brüderlicher Liebe« und »honigsüßen Äußerungen«78 getränkten Brief Cudberhts geantwortet und das Bild des idealen Bischofs gezeichnet hat, kommt er im sehr kurzen Schlussteil auf sein eigentliches Anliegen zu sprechen: die Missstände, die in dessen Diözese Canterbury eingerissen sind und über die Bonifatius bestens informiert ist. Gegen sie ist Cudberht offensichtlich nicht entschieden genug auf einer Synode vorgegangen. So habe die Versammlung versäumt, angelsächsischen Pilgerinnen die Reise nach Rom zu verbieten, auf der viele in die Prostitution gerieten. Cudberht war auch kein »Guter Hirte«, weil er nicht entschieden genug den Machtgelüsten der Adligen entgegentrat: Sie mischten sich in die Klöster ein, verjagten die Äbte und Äbtissinnen, um selbst die Gemeinschaft zu leiten und um sich zu bereichern. Ferner hatte sich der Missstand festgesetzt, dass Mönche gezwungen wurden, an königlichen Bauprojekten mitzuarbeiten. Diese mönchische Zwangsarbeit sei überdies nur bei dem Volk der Angeln vorgekommen, schäumt Bonifatius.79 Die Klimax 211

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der Ungeheuerlichkeit war erreicht, das Herz erleichtert, und weiter ging es im Kampf gegen Gottlosigkeit, Amtsversagen und Unmoral. Bonifatius’ Schlussgruß fiel daher wenig floskelreich aus: »Die Rechte Gottes wolle eurer verehrungswürdigen Brüderlichkeit Liebden gegenüber allen Widerwärtigkeiten unversehrt erhalten, indem sie für uns Fürbitte einlegt.«80 Cudberht war wohl doch kein völlig hoffnungsloser Fall. In dem Mahnschreiben vermischen sich die Ebenen, und es scheint, als ob Bonifatius seine Briefe auch zur Eigentherapie nutzte. Denn hinter aller Ermahnung und Kritik lässt sich ein spiritueller Reinigungsprozess, ein innerer Weg erkennen. Diesen geistlichen Weg, der von der Beschreibung der Ängste über die Ermutigung durch Bibelzitate reicht bis zu Ermahnungen, die Hoffnung nicht zu verlieren, beschreitet Bonifatius immer wieder, und er führt vor, wie er sich mithilfe von Glaubenswahrheiten, spirituellen Einsichten und Gottvertrauen aus dem Sumpf der depressiven Verstimmungen und Ängste zieht. Völlige Heilung – das wusste er – erwartete ihn erst in der ewigen Gegenwart Gottes.

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»Denn nichts nützen die Schätze der Erde am Tag des Gerichts, wenn der Mensch sie missbrauchend sein gegenwärtiges Leben beschließt, wenn er nach dem leiblichen Tod der ewigen Strafe für seine Seele verfällt.« Bonifatius an König Aethelbald, Brief 73

VI. Ein »europäischer« Heiliger Von heiligen Leichen, Streit und Wundern Starb ein Heiliger, weckten seine sterblichen Überreste Begehrlichkeiten, denn wer über den Leichnam gebot, stellte die Weichen für das Nachleben der außergewöhnlichen Persönlichkeit. Nicht zuletzt war er auch der Herr über die Opferkästen, die künftige Pilger an der Grabstätte des Verehrten reichlich füllen würden. Von dieser Regel machte Bonifatius keine Ausnahme. Allerdings hatte er vor seiner letzten Missionsreise zu den Friesen versucht, die absehbaren Streitereien über seine Grablege zu unterbinden. In Mainz hatte er Bischof Lul persönlich beauftragt, ihn in seinem Lieblingskloster Fulda bestatten zu lassen.1 Doch bis die Leiche in Fulda ankam, waren große Hindernisse zu überwinden, und das ausgerechnet in dem von Bonifatius verteidigten Utrecht und in seinem Bischofssitz Mainz. An beiden Orten offenbarten die Querelen aber auch die historische Größe des Toten und die Bewunderung der Zeitgenossen, die er sich durch sein Leben und Wirken erworben hatte. Bereits hier nahm der Bonifatius-Kult seinen Anfang. Sein Nachfolger Lul war nun auch sein Testamentsvollstrecker. Wie erfolgreich Bonifatius trotz aller Rück213

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schläge gewesen ist, erwies sich bereits ein Jahr nach seinem Tod. Synoden führten sein Reformwerk weiter und freuten sich über die Erweiterung ihres Einflussbereichs.2 Schon um den toten Martin von Tours hatten sich in CandesSaint-Martin, wo der Heilige am 8. November 397 verstorben war, Abgesandte der Stadt Poitiers und eine Gesandtschaft aus Tours heftig gestritten. Während Sulpicius Severus in seiner Vita Martini die Auseinandersetzungen diskret übergeht, unterhält Gregor von Tours seine Leser mit einer dramatischen Geschichte, die er in seiner Schrift De Virtutibus Martini (Über die Tugenden des heiligen Martin) veröffentlichte. Vor dem aufgebahrten Leichnam argumentierten die Gesandten aus Poitiers, Martin habe bei ihnen als Abt und Mönch in seiner Klostergründung Ligugé gelebt und man habe ihn lediglich an die Touroner ausgeliehen. In der Nacht verriegelten die Streithähne die Stadttore und wichen nicht von der Leiche. Da konnte nur ein Wunder helfen. Gott stand auf der Seite der Gesandtschaft aus Tours und ließ deren Gegner in einen tiefen Schlaf fallen. Die Touroner packten den Leichnam, warfen ihn aus dem Fenster, brachten ihn auf ihr Schiff und fuhren eilends die Vienne hinab in ihre Heimat. Doch so schön sich die Geschichte liest, sie ist erfunden. Historisch ist allein die Konkurrenz zwischen Tours und Poitiers. Denn das »Horten von heiligen Leichnamen«, an deren Wunderkraft die Pilger glaubten, würde den herausragenden Ruf der jeweiligen Stadt verbreiten.3 Willibald, der die Kirchenschriftsteller Hegesipp und Eusebius als Vorgänger nennt und wohl nur die Dialoge des an dritter Stelle genannten Gregors des Großen gelesen hat,4 folgte hier offenbar Sulpicius Severus. Mit der ersten Heiligenvita in lateinischer Sprache hatte Sulpicius im westlichen Christentum literarische Maßstäbe gesetzt. Wie sein Vorgänger bei Martin beschreibt Willibald den Weg des Leichenzugs: »Der Leichnam des heiligen Bischofs aber wurde, da günstiger Wind die Segel schwellte, über die Flut, die Aelmere genannt wird, wie es auch mit den Leichnamen der anderen Märtyrer geschah, wenige Tage darauf nach der oben erwähnten Stadt Trecht (Utrecht) geführt, dort beigesetzt und bestattet, bis von Mainz einige fromme und im Herrn gläubige Brüder, die von dem Bischof Lul, 214

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dem Nachfolger des heiligen Bischofs und Märtyrers Christi, gesandt waren, zu Schiff eintrafen. Es sollte den Leichnam des seligen Mannes in das Kloster schaffen, das er zu Lebzeiten erbaut hatte und das nicht weit vom Ufer des Flusses liegt, der Fulda genannt wird.«5 Dass eine hagiographische Verbindung zwischen den Heiligen Martin von Tours und Bonifatius auf der Hand lag, bewies die begeisterte Verehrung Martins nicht nur in seiner Bischofsstadt, sondern auch in Mainz und Utrecht. Als Bonifatius Papst Stephan bat, ihm den Bischofssitz Utrecht gegen Kölner Ansprüche zu bestätigen, war eines seiner Argumente, dass sein Lehrer und dortiger Vorgänger Willibrord in dem von Friesen völlig zerstörten Ort die Kirche »in eigener Arbeit von Grund auf erbaute und dem heiligen Martin zu Ehren weihte«. Das habe der Kölner Bischof fälschlich zu seinen Gunsten ausgelegt.6 Die Verbindung von Utrecht und Bonifatius nimmt die zweite Bonifatius-Vita nach Willibald auf, hinter deren anonymem Verfasser aus der ersten Hälfte des 9. Jahrhunderts man mit gutem Grund einen Priester der Utrechter Martinskirche vermutet hat.7 Die Vita, die im Umkreis des sogenannten karolingischen Realismus entstanden ist, wurde wahrscheinlich von dem Utrechter Bischof Radbod zu Beginn des 10. Jahrhunderts überarbeitet.8 Sie übte harsche Kritik an der fast luxuriös erscheinenden Verehrung des Missionsbischofs aus dem 4. Jahrhundert: »Da waren viele in alten Zeiten, die diese ruhmreichen Bischofssitze aus Liebe zu Gott und dem seligsten Martin teils mit großen Gebäuden und gemalten Decken, teils mit Gold, Silber, Edelsteinen und anderer Pracht dieser Art zu schmücken suchten. Dieser Schmuck sollte den Menschen von außen eine Art von Herrlichkeit vormachen, damit sie nicht in sich selbst schauten und sich dabei wehtäten.«9 Wie anders trat doch Bonifatius auf, der daran ging, »die genannten Bischofssitze mit einer anderen Art von Ornamenten zu dekorieren. Denn er beschloss, den Glauben statt mit Steinen und Mörtel mit Hoffnung aufzubauen; anstelle des Goldes, sagte er, solle man die Geheimnisse der Heiligen Schrift verstehen; statt Silber, versicherte er, müsse man den Namen des Herrn den Gläubigen predigen; statt gemalter Decken lehrte er, den Geist 215

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zu erheben.« In Vita II übertrumpft Bonifatius den großen Martin von Tours und wird Sprecher der Kritik an der überbordenden Reliquien-, Heiligen- und Bilderverehrung, die im 9. Jahrhundert laut wurde.10 Den »Wettstreit« der Heiligen hat Bonifatius zumindest literarisch für sich entschieden. Leiter der Mainzer Gesandtschaft, die vor den Toren Utrechts erschien, war ein gut beleumundeter Mann namens Hadda im Auftrag Luls. Er hatte nicht nur für einen reibungslosen Verlauf der letzten Reise des geliebten Bonifatius zu sorgen, sondern er sollte alles dokumentieren, was er sah und hörte. Zu diesem Zeitpunkt hatte Lul offensichtlich schon den Entschluss gefasst, eine Vita seines Lehrers schreiben zu lassen – eine kluge Entscheidung; denn so gewann er die Deutungshoheit über das Leben und Werk seines verehrten Mentors. Die Utrechter, hinter denen Pippin stand, sperrten sich dagegen, den in der Salvator-Kirche bestatteten Leichnam herauszugeben, obwohl auch sie wussten, dass Bonifatius sein Lieblingskloster Fulda zum Ort seiner Grablegung bestimmt hatte. Die Vita Sturmi legt ihre Motivation offen: Es wäre eine große Stütze für sie, wenn sie unter dem Schutz eines so großen Märtyrers leben könnten.11 Willibald berichtete von einem »kleinen Haufen Volks«, der den Mainzer Gesandten entgegenkam und ihnen klarmachte, »dass vom Grafen der Stadt gemäß einem Befehl des ruhmreichen Königs Pippin ein Verbot ergangen sei, den Leichnam des Bischofs von dort fortzuschaffen.« Hier konnte nur ein Wunder helfen, das allerdings weniger spektakulär ausfiel als bei Martin von Tours. Die Glocke der Kirche habe sich »von keiner Menschenhand berührt« bewegt, »zum Zeichen der Mahnung, die der heilige Leichnam selbst gab.«12 Das geheimnisvolle Läuten habe alle in Angst gestürzt, mit dem Ergebnis, dass die Utrechter den Leichnam sofort herausrückten.13 Eigils Vita Sturmi wartete mit einer bunteren Geschichte auf: Bonifatius persönlich musste vom Himmel aus eingreifen, um den Leichenstreit zugunsten der Mainzer Gesandtschaft zu entscheiden. Die Utrechter konnten sich noch so anstrengen: Sein Sarg, den sie in die Kirche tragen wollten, ließ sich nicht bewegen. Als sie jedoch endlich dessen Transport auf dem Schiff nach Mainz vorbereiteten, löste sich 216

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die Blockade.14 Völlig leer gingen die Utrechter nicht aus. Sie behielten Reliquien von Bonifatius sowie eine Axt, die in die Hand der Missionare gefallen war. Sie fand eine Heimat in St. Martin. Die meisten Reliquien wurden in St.  Salvator aufbewahrt, der Nachfolgerkirche des ursprünglichen Missionsstützpunktes. Weitere Kirchen wurden Bonifatius geweiht, so auch in Dokkum, dazu eine Kapelle in dem nahe gelegenen Wynjterp.15 In Mainz wiederholte sich der Widerstand. Denn auch Teile des Mainzer Klerus und die Gläubigen waren der Ansicht, dass ihr ehemaliger Hirte in seiner Bischofsstadt begraben werden müsse. Treibende Kraft sei Eigil zufolge Lul. Willibald hüllte sich in diplomatisches Schweigen. Seinen Auftraggeber Lul konnte und wollte er nicht bloßstellen. Lul missachtete Bonifatius’ Verfügung, die ihm sein Lehrer selbst ans Herz gelegt hatte,16 und er wurde erst durch eine eidlich bezeugte Erscheinung des Toten zum Nachgeben bestimmt.17 Am 30. Tag nach Bonifatius’ Tod18 traf der Sarg schließlich in Fulda ein, begleitet von einer beeindruckenden Prozession. Lutz von Padberg nimmt an, dass der Leichnam wegen der Sommerhitze konserviert worden ist, nachdem man seine Organe entnommen hatte.19 Begraben wurde Bonifatius in der Salvatorkirche. Und es geschah, was alle erwartet hatten: Fulda wurde beliebtes Ziel von Pilgern, »die hierin, von den verschiedenen Krankheiten gedrückt, kommen« und »durch die Fürbitte des heiligen Mannes Heilung an Leib und Seele« finden.20 Fulda blühte auf, gefördert durch etliche Stiftungen adliger Grundbesitzer. Endgültig zur Ruhe kam der tote Bonifatius immer noch nicht. Als unter Abt Sturmi die Sachsen 778 in Thüringen einfielen und eine marodierende Schar das Kloster niederzubrennen drohte, befahl er seinen Mönchen, nach Hamelenburc (Hammelburg) zu fliehen und den Sarg mitzunehmen. Kaum war die Gefahr vorüber, kehrten sie voll Freude ins Kloster zurück und legten Bonifatius wieder in sein Grab.21 Die Geschichte erinnert an die Einwohner Hippos, die nach der Eroberung durch die Vandalen 434 ihre Heimat verließen und den Leichnam ihres berühmtesten Bürgers Augustinus mitnahmen und in Sardinien begruben.22 217

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Als Erzbischof Cudberht die Nachricht vom Tod seines berühmten Landsmannes erhielt, berief er umgehend eine Provinzialsynode ein.23 Die Versammlung beschloss, Bonifatius zu ihrem besonderen Schutzpatron zu erheben und ihn mit einem jährlichen Fest zu ehren. Diese Ehre teilte sich der neue Heilige mit Papst Gregor dem Großen und Augustinus von Canterbury. Cudberht übermittelte Lul den Synodenbeschluss, nicht ohne seine große Dankbarkeit auszusprechen, »dass das nach Britannien gekommene Volk der Angeln für würdig befunden worden sei, einen so vortrefflichen Streiter Christi zusammen mit gut geschulten und bestens ausgestatteten Jüngern vor aller Augen so lobenswert weit hinauszuschicken zu geistigen Kämpfen und dank der Gnade des allmächtigen Gottes zum Heil für viele Seelen.«24 Der Erzbischof versuchte, Lul in die Pflicht zu nehmen, und drängte ihn, »mit Bonifatius’ heiligen Ermahnungen in Einklang zu stehen und dem Beispiel seiner Frömmigkeit nach Kräften zu folgen«.25 Er baute Lul als neuen Ansprechpartner auf, der die enge Bindung zwischen der angelsächsischen und der fränkischen Kirche weiter pflegen sollte. Denn die Zeiten waren beängstigend, wie Cudberht analysierte: »So sehet doch, an wie vielen Stellen der Bestand des christlichen Glaubens stark schwankt, weil fast überall von außen und innen die Ordnung des kirchlichen Lebens gestört wird und fast überall falsche Glaubensrichtungen mit neuen Lebensordnungen hervorsprießen. Kein Wunder, da ja viele unter Wegschieben der Beschlüsse der alten Väter und in Abkehr von den Kirchengesetzen eigenen Empfindungen nachgebend verkehrte und dem Heil der meisten schädliche Gedanken entwickeln, vertreten und ausführen.«26 Seine Klage war zeitlos, gilt sie doch mehr oder weniger für alle Epochen der Kirchengeschichte. Auch Bischof Milret von Worcester wandte sich unmittelbar nach Bonifatius’ Ermordung an Lul. Zu Beginn seines Schreibens erinnert er daran, dass er Lul und Bonifatius im Herbst 753 auf seiner Rückkehr von Rom noch begegnet sei – Lul in Mainz und Bonifatius auf seiner letzten Missionsreise bei den Friesen.27 Er versucht, seine Traurigkeit zu unterdrücken, weil »wir einen solchen Schutzherrn im 218

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Himmel vorausgesandt haben, durch dessen heilige Fürbitten wir mit sicherer Gläubigkeit darauf vertrauen, mit Gottes Hilfe überall eine Stütze zu haben.«28 Trotzdem scheint er sich nach Bonifatius’ Tod verlassen zu fühlen, und er bittet Lul, im Gedenken an den gemeinsamen Mentor ihre Freundschaft fortzusetzen und zu vertiefen.29 Er war es auch, der eine Lebensbeschreibung des Bonifatius anregte: Lul möge ihm über das Leben und glorreiche Sterben des Bonifatius Auskunft geben.30 Obwohl der angelsächsische Klerus seinen Landsmann so tief verehrte, setzte sich ihre Begeisterung nicht unter den Gläubigen durch. So brachte es der »größte Angelsachse« nicht zum englischen Volksheiligen. Sein Andenken erlosch endgültig, als die Normannen 1066 England eroberten und die kirchlichen Ämter besetzten.31 Die Auseinandersetzung zwischen Franken und Angelsachsen zu Bonifatius’ Lebzeiten setzte sich fort. Cudberht, Milret, Willibald und auch fränkische Bischöfe waren sich nicht nur in der idealen Sicht auf den Verstorbenen und sein Lebenswerk einig, sondern auch bei der Bewertung seiner Todesumstände: Bonifatius war den Märtyrertod gestorben und hatte das apostolische Ideal verwirklicht. Auch die karolingische Annalistik folgte dieser Bewertung. Die Frage, ob ihn Glaubenshass oder doch »nur« Beutegier umgebracht hatte, spielte unter seinen Zeitgenossen keine Rolle. Gleichsam als Bekräftigung, dass der Ermordete in der ewigen Anschauung Gottes lebt, beschließt Willibald seine Vita mit einem Wunder, das, wie er betont, Augenzeugen König Pippin gemeldet haben. Ihm selbst habe Lul den wundersamen Vorfall berichtet:32 Die Einwohner von Dokkum und ein großer Teil der Friesen beschlossen, an dem Ort, wo Bonifatius und seine Gefährten ihr Leben gelassen hatten, einen Erdwall aufzuwerfen, um die heilige Stätte vor den Gezeiten zu schützen. Auf dem Wall errichteten sie eine Kirche, die später dem Apostel Paulus und Bonifatius geweiht wurde, dazu ein Wohngebäude für die »Diener Gottes«. Als die Arbeiten sich dem Ende näherten, fiel den friesischen Bauherren auf, dass eine Süßwasserquelle fehlte, ein Mangel, unter dem fast das gesamte Friesengebiet litt. Mit Gottes Hilfe und e silentio auf Bonifatius’ Fürsprache fand 219

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sich eine Lösung: »Mit Gottes erbarmender Fügung bestieg endlich ein Mann namens Abba, der nach Anordnung des ruhmreichen Königs Pippin das Grafenamt in jenem Gau und jenem Ort innehatte und die Bauarbeiten vorangetrieben hatte, an der Spitze seiner Stammesgenossen ein Pferd, umritt den Wall und besichtigte den Hügel. Unversehens geriet das Pferd eines Gefolgsmanns, das mit den Hufen scharrte, in Gefahr. Während es im Boden zu versinken drohte, schlug es um sich, bis die anderen, die beweglicher und gewandter waren, von ihren Pferden sprangen, um das Tier zu befreien. Plötzlich erlebten die Anwesenden ein erstaunliches und eines Schauspiels würdiges Wunder. Eine überaus helle, herrlich schmeckende süße Quelle sprudelte entgegen der Beschaffenheit des Landstrichs hervor und floss aus unbekannten Gängen weiter fort, sodass sie bald zu einem ziemlich großen Bach anschwoll.«33 Und was taten die Augenzeugen? Sie staunten über das Wunder, kehrten freudig heim und erzählten ihr wunderbares Erlebnis ihren Stammesgenossen. So beendet Willibald seine Vita Bonifatii und bedeutet seinen Leser zwischen den Zeilen, was sie mit Blick auf Bonifatius tun sollen: sein Leben, sein Werk, sein Martyrium und seine Fürbittkraft unter den Menschen verbreiten. Dass ein großes Interesse bestand, mehr über Bonifatius zu erfahren, belegt die weite Verbreitung der Briefe und der Vita Willibalds. Eine erste Abschrift der Briefe ist vor Ende des 8.  Jahrhunderts in Mainz entstanden. Der älteste Kodex der Biographie datiert vom Anfang des 9. Jahrhunderts.34 Waren es nach seinem Tod zunächst seine Schüler und Mitarbeiter, die das Gedächtnis an ihren Lehrer hochhielten, nahm seit dem 9. Jahrhundert die Verehrung des Märtyrers Aufschwung. Gefördert wurde sie von Fulda, dem geistigen Zentrum des Bonifatius-Kultes. 819 weihte Abt Eigil eine neue eindrucksvolle Klosterkirche, in deren westlicher Apsis Bonifatius’ Gebeine in ein neues Altargrab auf dem Chorpodest überführt wurden. Seine Grabstätte wurde ein Ort besonderer Verehrung. Sogar Abschlüsse von Rechtsgeschäften fanden dort statt. In der Klosterliturgie nahm der Gründer einen »Spitzenplatz« unter den zu verehrenden Heiligen ein.35 Heute ruht Bonifatius in der Krypta des zwischen 1704 220

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und 1712 erbauten Fuldaer Doms. Seine Grablege schmückt ein mit schwarzem Marmor gerahmtes Alabasterbild, das die Ermordung des Märtyrers zeigt. In Mainz ließ Lul ein Grab für das Blut des Märtyrers in der Kirche St. Maria errichten. Auf Wunsch Karls des ­Großen und seiner Gemahlin Hildegard wurde in den 80er-Jahren des 8. Jahrhunderts das sogenannte Godescalc-Evangelistar im königlichen Skriptorium verfasst. Anlass war Karls Romfahrt in den Jahren 781 bis 783. Zum ersten Mal wurde Bonifatius in einem liturgischen Kalender erwähnt, der außerhalb seiner angestammten Gedächtnisorte erschien. Sein Name fällt auch im Psalter des ersten karolingischen Kaisers.36 Dem langjährigen Abt von Fulda und Erzbischof von Mainz Hrabanus Maurus (780–856), der in seinem Martyrologium Bonifatius an drei Stellen würdigte,37 gelang es, die Verehrung des Heiligen erfolgreich zu fördern und seine Reliquien im Frankenreich zu verbreiten. Um die vielen gewünschten Knochenpartikel zu versenden, musste mehrfach sein Sarkophag geöffnet werden. Der Münsteraner Bischof Liutbert (863–889) stattete das im Münsterland gelegene Kloster Freckenhorst, das Bonifatius zum Patron hatte, »mit vielen Gliedmaßen von Heiligen« aus, darunter auch solchen des Märtyrers Bonifatius.38 Die Nonnen des Klosters Kitzingen bewahrten noch im 11. Jahrhundert Beinkleider und Schuhe des Heiligen auf und verehrten diese Reliquien.39 Kleidungsfragmente birgt auch das heutige Fuldaer Dommuseum, das neben dem Ragyndrudis-Kodex als größten Schatz die Schädeldecke des Bonifatius hütet. Ab dem 10. Jahrhundert sind Reliquien in St. Maxim, Trier, St. Emmeram, Regensburg, Aschaffenburg und Halberstadt dokumentiert. Die hohe Zeit der bonifatianischen Reliquien war das 11. Jahrhundert. Davon profitierten auch Prüm, Bamberg, Echternach und viele mehr. Keine dieser Reliquien ist heute erhalten.40 Im 9. Jahrhundert erhob Hrabanus Maurus seinen heiligen Vorgänger zum »Patron Germaniens«. Die um 1000 entstandenen Fuldaer Prachtsakramentare zeigen zum ersten Mal den Angelsachsen, wie er sich mit einem Buch vor seinem Mörder schützt. Diese Darstellung wurde ikonisch.41 Die meisten Bilder präsentieren Bonifa221

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tius im bischöflichen Ornat. Selten wird er als Benediktinermönch gemalt wie auf dem Deckengemälde der Abteikirche von Ottobeuren. Auch der Renaissancemaler Perugino stellte den Heiligen in San Severino in Perugia als Mönch dar. Seine Attribute sind das Kreuz, ein Kreuzstab mit doppeltem Querbalken, eine Bußgeißel, die an den Erneuerer der Kirchendisziplin erinnert, ferner ein Brunnen oder eine Quelle.42 Seit der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts vervollständigen Schwert und Dolch mit zerstochenem Buch die Attribute. Das 19. Jahrhundert favorisierte in szenischen Darstellungen den Eichbaum. In Würzburg, wo sein Schüler Megingoz Bischof war, entwickelte sich ein Bonifatius-Kult, ferner in den Klöstern Lorsch und Hersfeld, die in enger Verbindung zu Lul in Mainz standen. Vermutlich feierte Bischof Liudger, der als Jugendlicher Bonifatius begegnet war, in Münster und Werden zum ersten Mal das Fest des Heiligen.43 Das Benediktinerkloster auf der Reichenau und wahrscheinlich auch Klöster in Ellwangen und Prüm nahmen das Bonifatius-Fest in ihre Heiligenkalender auf. Kalender des 10. und 11. Jahrhunderts belegen zudem, dass sich das Fest reichsweit am 5. Juni durchgesetzt hatte.44 Doch erst 1874 wurde das Bonifatius-Fest in das römische Messbuch aufgenommen. 45 Noch zu Lebzeiten wurde Bonifatius mit den Aposteln verglichen und schließlich sogar »Apostel« genannt. Frühe liturgische Gebete würdigten den Missionserzbischof mit diesem Ehrentitel.46 Wenige Jahrzehnte nach seinem Tod hat der Universalgelehrte Alkuin (755– 804), Leiter der Hofschule Karls des Großen, eine Bonifatius-Messe geschrieben mit einem Gebet, das Sakramentare des 9. und 10. Jahrhunderts zum Festtag des Märtyrers am 5. Juni vorschlugen: »Gott, der du die zahlreichen Völker durch Beharrlichkeit deines seligen Bischofs und Märtyrers Bonifatius zur Erkenntnis deines heiligen Namens zu rufen gewürdigt hast, gewähre uns gnädig, den Schutz dessen zu genießen, dessen Festtag wir begehen.«47 Auch Hrabanus Maurus sah Bonifatius mit den Aposteln verwandt.48 Es war Eberhard von Fulda, der vor 1162 Bonifatius zum ersten Mal patronus noster et totius Galliae atque Germaniae apostolus nannte. Hinter 222

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dieser Auszeichnung standen handfeste wirtschaftliche Interessen, welche die Zinsansprüche Fuldas betrafen.49 Und doch blieb Bonifatius ein Lokalheiliger.50 Cesare Baronio, der Verfasser des römischen Martyrologiums, ehrte 1586 den Germanenmissionar als apostolus Germanorum. Die Gegenreformation beanspruchte den Heiligen dann als Apostel des gesamten Deutschlands, der die Wunden des Dreißigjährigen Kriegs und der Reformation heilen sollte. Doch blieb es auch im 17. und 18. Jahrhundert bei der lokalen Verehrung des Angelsachsen in deutschen Landen, was ihn nicht davor bewahrte, in konfessionelle Streitigkeiten zu geraten und als malefatius verunglimpft zu werden.51 Im 19. Jahrhundert weckten die Deutschen Bonifatius aus seinem »Halbschlaf«, und der Germanenmissionar stieg zu dem deutschen Volksheiligen auf, der die memoria bis heute prägt. Der Kurztitel »Apostel der Deutschen« wurde Allgemeingut.

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»Verachte die irdischen Trübsale, weil alle Streiter Christi beiderlei Geschlechts die Stürme und Heimsuchungen und Gebrechen dieser Welt gering geschätzt und für nichts erachtet haben.« Bonifatius an die Äbtissin Bugga, Brief 94

Vom Heiligen zum »Ampelmännchen« Nach über tausend Jahren geriet Bonifatius in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts im Zuge einer Mittelalter-Begeisterung in das Blickfeld der Deutschen. Das Mittelalter wandelte sich in der idealistischen Vorstellung vieler zu der »guten alten Zeit«, in der »alle Völker im Schoß der katholischen Kirche friedvoll zusammenleben, bis Luther sie von der Einheit abkehrt«.52 Die allgemeine Sehnsucht nach »einer nationalen Gemeinsamkeit« und der Wunsch katholischer Christen, den Folgen der Säkularisation zu trotzen und ihrer Kirche in Gesellschaft und Politik wieder mehr Gehör zu verschaffen, machten Bonifatius als Identifikationsfigur interessant. Augenfällige Zeichen der Entwicklung zum Volksheiligen sind die Gründung der Abtei St. Bonifaz in München, Bonifatius’ Aufnahme in die Walhalla und nicht zuletzt das Bonifatius-Denkmal vor dem Fuldaer Stadtschloss, das auch als nationales Denkmal für den »Großen Apostel Deutschlands« konzipiert war. Als der Fuldaer Bischof 1842 das Monument einweihte, nahmen auch evangelische Geistliche an dem Festakt teil.53 Weitere Kirchen wurden dem heiligen Bonifatius gewidmet und tragen noch heute seinen Namen. Neben Fulda ist Bonifatius Hauptpatron in Erfurt und Groningen; er ist Mitpatron im niederländischen Bistum Haarlem und zu guter Letzt Schutzpatron von England und Thüringen sowie der Bierbrauer und Schneider, um nur einige seiner Patronate zu nennen.

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Seit etwa der Mitte des 19. Jahrhunderts durchlebte die Verehrung des Angelsachsen wieder eine verstärkte Konfessionalisierung.54 Die protestantische Gedenkkultur krönte Martin Luther zum »Ahnherrn Deutschlands« und zum nationalen Helden, weil er im Konflikt mit Rom den Deutschen die Bibel in der Volkssprache gebracht habe.55 In der katholischen Kirche gewannen die Bistumspatrone an Bedeutung. Spuren dieser Entwicklung finden sich schon im 18. Jahrhundert. 1755 wurde in Mainz der 1000. Todestag des Bonifatius in Szene gesetzt, eine Jahreszahl, die jedoch später korrigiert werden musste. Unmittelbar vor dem 1150. Todestag wurde nachgewiesen, dass die Fuldaer Datierung auf das Jahr 754 historisch ist.56 Das Bonifatius-Jubiläum 1855 feierten Katholiken und Protestanten getrennt. Papst Pius IX. nahm die Erinnerung an das 1100. Todesjahr zum Anlass und genehmigte über die Lokalkulte hinaus die allgemeine Verehrung des Heiligen. Die Feierlichkeiten in der katholischen Kirche prägte der Mainzer Bischof von Ketteler, der für eine ultramontane Kirche stand. Wegen seiner unverbrüchlichen Rombindung zu Lebzeiten wurde aus dem Bonifatius des 19. Jahrhunderts ein ultramontaner Heiliger. Das blieb nicht die einzige Instrumentalisierung, weil sich die Begeisterung für ihn mit dem wachsenden Nationalbewusstsein der Deutschen mischte. In seinem Hirtenbrief zum Jubiläum machte von Ketteler deutlich: »Durch dieses Werk der Einigung der deutschen Völker in Einem Glauben und Einer Kirche ist der heilige Bonifatius aber nicht nur unser geistiger Vater, sondern er ist auch zugleich der wahre Begründer der Größe des deutschen Volkes als einer einigen mächtigen Nation. Er hat nicht nur zahlreiche Volksstämme dem Christentum gewonnen, er hat auch in diese Völker die geistigen Fundamente ihrer bürgerlichen Einigung, ihrer christlichen Staatsordnung, ihrer Größe in der Weltgeschichte gelegt. Ohne jene geistigen Bande, zusammengehalten durch die Kirchenverfassung, wäre aus so verschiedenen Volksstämmen nie ein deutsches Volk hervorgegangen. Wir hätten nicht einmal eine Sprache gefunden, die uns allen verständlich ist wie das Hochdeutsche […]. Als daher später diese geistige Grundlage wieder gestört und das geistige Band zerrissen wurde, durch welches der heilige Boni225

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fatius die deutschen Völker verbunden hatte, da war es auch aus mit der deutschen Einheit und der Größe des deutschen Volkes.«57 Bonifatius hatte seine Wandlung zum »deutschen Glaubensapostel« in schwerem nationalem Gewand vollzogen. Mit ihm verband sich die Hoffnung auf eine großdeutsche Reichsgründung, bei der die Katholiken Oberwasser behielten, und nicht die Protestanten, die eine für sie günstige kleindeutsche Lösung bevorzugten. Was Bonifatius’ angebliche Förderung des Deutschtums betraf, waren sich Katholiken und Protestanten sogar einmal einig.58 Es gab auch vereinzelte kritische Stimmen wie die des katholischen Pfarrers Georg Pfahler, der warnte: »[…] so ist es allerdings der Ehre für ihn zu viel und geschichtlicher Wahrheit nicht entsprechend, ihn als den eigentlichen Urheber der politischen Einigung unseres Volkes zu preisen.«59 In den Jahren um die Reichsgründung 1871 kam ein Vorwurf auf, der bis heute ab und an aufflammt: Die Liebe der Deutschen zum Vaterland sei unvereinbar mit der Liebe, welche die römische Kirche von ihnen für sich fordere. Auch dafür wird Bonifatius verantwortlich gemacht.60 Im Kulturkampf (1871–1878) wurde er als »römischer Sendbote« und »Römling« diskreditiert. Protestanten riefen dazu auf, ihm den Titel »Apostel Deutschlands« abzuerkennen, da es bereits durch die irisch-schottische Mission »ein romfreies Urdeutschland« gegeben habe.61 Dass der Titel »Apostel der Deutschen« 62 den alten Begriff »Apostel Germaniens« falsch interpretierte und ihn instrumentalisierte, wurde selbst unter Intellektuellen, Theologen und Historikern überwiegend ausgeblendet. Im 8. Jahrhundert umfasste Germanien das Gebiet etlicher Stammesverbände. Erst im 10. Jahrhundert setzte der langwierige Prozess der »Nationwerdung« der Deutschen ein.63 Das Etikett »Apostel der Deutschen« im 19. Jahrhundert machte aus dem Missionserzbischof und päpstlichen Legaten eine politische Idee.64 Im 19. Jahrhundert erweiterte sich das Vereinsleben zu einem Massenphänomen. Außer freien und überkonfessionellen Vereinen entstanden zahlreiche katholische sowie Bruderschaften, die den »sozialen Katholizismus« beflügelten.65 Nachdem 1848 am Grab des 226

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Bonifatius in Fulda die erste Deutsche Bischofskonferenz stattgefunden hatte, wurde im folgenden Jahr auf Anregung des führenden Theologen und Kirchenhistorikers Ignaz Döllinger der »Bonifatiusverein« gegründet. Seit 1968 trägt er den Namen »Bonifatiuswerk der deutschen Katholiken«. Der Gründungsort war Regensburg, doch entschlossen sich die Initiatoren, Paderborn zum Standort zu machen. Ihr Ziel war, sowohl armen katholischen Gemeinden in der Diaspora zu helfen als auch als Missionsverein für Deutschland zu wirken. Anfgefangen mit Pius  IX. statteten ihn die Päpste mit kirchlichen Privilegien aus. Das Bonifatiusblatt in der Paderborner Bonifatiusdruckerei informierte die Mitglieder. Zweigvereine kamen hinzu: 1867 die Akademische Bonifatius-Einigung für Studenten mit Ortsvereinen an den einzelnen Universitäten und 1921 der Bonifatiusverein für die höheren Schüler. Seit 1920 gab es eine Zweigstelle in New York. An vielen Orten etablierte sich ein Bonifatiussammelverein, der 1859 gegründet, bedeutende Gelder und Sachspenden für die Diaspora aufbrachte. Daneben bestanden Bonifatius-Paramentenvereine, die für die liturgische Ausstattung der Kirchen in der Diaspora sorgten.66 Die Gründung des Bonifatiusvereins bereitete nicht jedem ungetrübte Freude. Der Aachener Arzt und Ratsherr Heinrich Hahn, der 1834 nach französischem Vorbild den Franziskus-Xaverius-Verein, heute missio, gegründet hatte,67 empfand den neuen Verein zunächst als Konkurrenz. In seiner Schrift Die christliche Liebe in der katholischen Kirche berichtet er über die Anfangsjahre: »Der Drang, in protestantischen Gegenden Deutschlands ohne regelmäßige Seelsorge zerstreut lebenden katholischen Brüdern zu Hilfe zu kommen, veranlasste im Jahr 1849 die dritte Generalversammlung des katholischen Vereins Deutschlands, den Bonifatiusverein zu gründen und denselben nach dem Muster des Xaverius-Vereins einzurichten. Die Wichtigkeit des Zweckes ließ eine rege Teilnahme in den katholischen Teilen Deutschlands erwarten, und es hat der Bonifatiusverein eine entsprechende Teilnahme auch wirklich gefunden. Zufolge der Einnahme und Ausgabe des Vereins für das Jahr 1852, welche soeben ausgegeben worden ist und uns vorliegt, betrug die Einnahme für 227

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das besagte Jahr 28453 Taler 8 Pfennige nebst vielen Kirchengeräten und Kirchenparamenten. Erfreulich ist, dass die Wirksamkeit des Bonifatiusvereins die Einnahmen der allgemeinen Missionsvereine in Deutschland nicht geschmälert hat. Es würde dies besonders in Bezug auf den Xaverius-Verein zur Verbreitung des Glaubens zu bedauern sein, nicht allein weil dieser Verein im Allgemeinen für die Ausbreitung des Christentums von so großer Wichtigkeit ist, sondern weil er auch seinerseits zur Abhilfe katholischer Bedürfnisse in den protestantischen Gegenden Deutschland alljährlich sehr bedeutende Beiträge liefert. […] Mögen daher beide Vereine fortfahren, in Deutschland nebeneinander zu blühen.«68 Der Konkurrenzgedanke tritt offen hervor, obwohl Hahn einen versöhnlichen Schluss findet. Die Einigung wäre wohl ganz im Sinn von Bonifatius gewesen, der stets zur Einheit in der Kirche aufgerufen hat. Konkurrenzgefühle finden sich in seiner Korrespondenz nicht. Eine Aachener Landsmännin Hahns, Auguste von Sartorius, die als Mädchen die »Sternsinger« gründete und die vierte Generaloberin des Sacré-Cœur wurde, förderte den Bonivatiusverein aus Dankbarkeit für eine Heilung und bemühte sich um dessen Ausbreitung.69 In seiner Missionsgeschichte spricht Hahn stets von Bonifatius als dem »Apostel der Deutschen«. Eine Reise führte ihn vom 22. Mai bis etwa 12. Juni 1855 nach Paderborn, Kassel und Fulda. Auf Einladung des Bischofs verbrachte er einige Tage in dessen Fuldaer Palais und wurde Zeuge der Vorbereitung des großen Bonifatius-Jubiläums: »Was das Fest angeht, das vom 5. bis 12. dauern wird, so wird es prächtig sein. Am 5. Juni, an dem vor 1100 Jahren der hl. Bonifatius, Apostel der Deutschen, bei seinem Einzug in Friesland unter den Streichen der Götzendiener gefallen ist, wird eine Prozession stattfinden, bei der feierlich der Bischofsstab und die Bücher des hl. Bonifatius getragen werden, seine Gebeine, der Dolch, mit dem, und das Gewand, in dem man ihn ermordet hat. Der Hl. Vater hat übrigens bei dieser Gelegenheit für die Diözese Fulda ein Jubiläum ausgeschrieben.«70 Hundert Jahre später, 1954, feierten die Katholiken das 1200-jährige Jubiläum des Martyriums, wie bei allen kirchlichen Jubiläen eine 228

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Gelegenheit, sich des Glaubens zu vergewissern und ihm eine große Bühne zu bieten. Das war umso notwendiger, nachdem der Heilige seit den Zwanzigerjahren und dann erst recht im Dritten Reich in übelster Form und oft in völlig unhistorischer Weise diffamiert worden war.71 So habe er das germanische Christentum pervertiert. In Stadtführern zu Fulda, dessen Ehrenbürger Hitler war, wurde er herabgestuft oder einfach verbannt. Auch katholische Parteimitglieder und Geistliche, die dem Regime treu ergeben waren, würdigten ihn zu einem Vorläufer des Dritten Reiches herab.72 Hauptorte der Feierlichkeiten 1954 waren an erster Stelle Fulda und an zweiter Stelle Mainz, die sich in der Nachkriegszeit Impulse für die religiöse Erneuerung und die Pfarrseelsorge erhofften.73 Auch die evangelische Gemeinde veranstaltete eine Bonifatius-Feier. Der Mainzer Albert Stohr wünschte sich in seiner Dankesrede: »Mögen wir zurückgeführt werden zu dieser schlichten und demütigen Auffassung unseres Christenlebens und zu einer energischen Bemühung, es jeden Tag neu zu stärken, dann stehen wir im Zeichen des heiligen Bonifatius.«74 Der Missionserzbischof und päpstliche Legat wird zum Alltagsheiligen, der die Gläubigen in ihrer christlichen Lebensführung leiten soll. Persönliches über Bonifatius erfuhr die interessierte Öffentlichkeit durch einen technischen Unfall: 1964 glitt das Retabel des barocken Fuldaer Altars aus seiner Halterung und beschädigte die Abdeckplatte der darunterliegenden Bonifatius-Grabstätte. Im Verlauf der Restaurierungen wurde das Grab untersucht. Ein Schrein aus Eichenholz trat zutage, in dessen Deckel Reliquiae Sanctorum – die »Reliquien der Heiligen« eingraviert war. 1854 hatte Dompfarrer Schmitt den Schrein in die Grabkammer gestellt. Die erhaltenen Knochenreste wurden analysiert. Publiziert wurden die wissenschaftlichen Ergebnisse erst 30 Jahre später: Es handelt sich um die Gebeine eines überdurchschnittlich großen und sehr muskulösen Mannes. Er litt an einer Arthrose der Brustwirbelsäule, war zwischen 1,85 bis 1,90 Meter groß und verstarb betagt im 8. Jahrhundert.75 Bonifatius hat die Menschen wohl nicht nur durch seine wortgewaltige Predigt beeindruckt, sondern auch durch seine athletische Statur. 229

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Wer sich fragt, welche Bedeutung er heute für Christen und Christinnen hat, sei an die Einschätzung Kardinal Lehmanns erinnert, seines späten Nachfolgers auf dem Mainzer Bischofsstuhl. Anlässlich des Bonifatius-Jubiläums 2004 mahnte er in einem Vortrag: »Es scheint mir unabweisbar zu sein, dass wir die elementare missionarische Dimension des christlichen Glaubens wieder neu entdecken müssen. Dafür gibt es in der Epoche der frühmittelalterlichen Christianisierung wenigstens Anstöße. Dazu gehört zuerst ein radikales Ergriffensein vom Evangelium Jesu Christi und den von ihm her vermittelten religiösen, anthropologischen und ethischen Grundüberzeugungen. […] Ohne eine leidenschaftliche Verwurzelung in diesem Glauben und besonders in der Universalität des Heils für alle Menschen kann es keine Mission geben. Hier liegt für Bonifatius das Grundelement für die berühmte peregrinatio der angelsächsischen Missionare.«76 Am Anfang stand der Missionsbefehl des auferstandenen Christus: Wenn begeisterte und mutige Gläubige, Männer, Frauen und Kinder, Jesu Auftrag nicht ernst genommen hätten, wären die Christen eine unbedeutende Sekte im Vorderen Orient geblieben und wären im Strom der Zeit untergegangen. Die Verbreitung des Christentums und sein Aufstieg zur Weltreligion sind auch das Verdienst charismatischer Einzelpersönlichkeiten, Männer wie Frauen, deren Namen die Geschichte verschweigt. Denn die frühchristlichen und frühmittelalterlichen Quellen konzentrieren sich auf die Leistungen der religiösen und weltlichen Eliten. Die Namen der unzähligen Anonymi sind, wenn schon nicht in der historischen Überlieferung, im Gedächtnis Gottes eingewoben. Das hofft der christliche Glaube. Zweifellos zählt Bonifatius zu den Großen der Kirchengeschichte. Doch ohne seine Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen wäre er nicht der Mann geworden, an den sich die Nachwelt bis heute erinnert. Um seinen Ruf oder seinen Platz in der Geschichte hat sich Bonifatius nie gesorgt. Sein Maßstab war Jesus Christus, dem er bis ans Lebensende dienen wollte. Er verstand sich als Arbeiter im Weinberg des Herrn, als »kleinen Arbeiter« hätte er vermutlich ergänzt. Dass sein steter, manchmal verzweifelter Aufruf zur Einheit in der Kirche den Weg 230

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zum imperium christianum der Karolingerzeit geebnet hat, hätte er wohl nicht zu träumen gewagt. Vielleicht war er aber auch Realist genug, um zu erkennen, dass die Idee eines christlichen Imperiums nationalen Interessen und dem Machtwillen der Eliten auf Dauer nicht standhalten konnte. Die Einheit und Identität stiftende Macht der römischen Kirche war einem Karl dem Großen als Herrschaftsinstrumentarium hoch willkommen. Hinzu kam der als Herrscherpflicht verstandene Auftrag, den christlichen Glauben zu verbreiten. Der Erfolg gab der Allianz zwischen Rom und den Karolingern recht, wenn auch die enge Verzahnung von Kirche und Staat durchaus Bedenken auslöste. Ein »national und politisch einheitliches Europa« ist dagegen Lutz von Padberg zufolge ein »unpolitisches Idealkonzept späterer Zeiten«.77 Darf unter diesem realistischen Blickwinkel Bonifatius überhaupt als europäischer Heiliger bezeichnet werden? Und ist das Etikett »europäischer Heiliger« nicht eine weitere Instrumentalisierung, wie sie das Nachleben des Heiligen mehrfach zu bieten hat? Der Angelsachse, der sich auf die peregrinatio unter den Germanen machte, hat zumindest die Insel mit dem Kontinent verbunden. Dementsprechend wäre er ein »kontinentaler« Heiliger, was aber weit weniger schön klingt als »europäischer« Heiliger. Sein bedingungsloser Gehorsam, den er dem Papst bezeugte, macht ihn auch zu einem römischen Heiligen. Mit gutem Recht dürfen die Friesen, Hessen, Thüringer und Bayern Bonifatius als »ihren« Heiligen betrachten. Das dürfen auch Engländer und die Bewohner des gesamten Frankenreichs, das den Großteil des heutigen Frankreichs, Teile Österreichs und der Schweiz umfasste. Bonifatius war ein Völkermissionar. Doch der Titel »Völkerapostel« ist schon von Paulus aus Tarsus besetzt. Eine salomonische Lösung wäre, Europa nicht als Idee zu verstehen, sondern nur geographisch aufzufassen. Die frühchristlichen und frühmittelalterlichen Missionare haben Europa christianisiert und Strukturen gebaut, die bis in die Gegenwart reichen. In diesem Verständnis erwähnte bereits Willibald Europa: »Und so geschah es, dass sich der Ruf seiner Predigt verbreitete und wuchs, sodass sein Name schon im größten Teil Europas widerhallte und zu ihm aus britannischen 231

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Landen eine große Anzahl Diener Gottes, Lehrer und Schreiber zusammenkamen sowie Männer, die auch in anderen Künsten geübt waren.«78 Da Jesus alle Christen zur Mission aufruft und zwar überall auf der Welt, sind Missionare und Missionarinnen also Kosmopoliten. Dieser Definition zufolge wäre Bonifatius ein Weltheiliger, und seine Verehrung, die bis nach Übersee reicht, spricht für diesen Titel. Die Diskussion zeigt: Zuschreibungen sind schwierig, aber mitunter hilfreich. Das heutige Europa ringt immer noch um Einheit, Gemeinsamkeit und Solidarität. Als identitätsstiftende Kraft nimmt das Christentum mehr und mehr eine Randstellung ein. Das einstmals »christliche Abendland« ist inzwischen nur noch ein umstrittener Mythos. Als Missionar hat Bonifatius katholisch im Sinn von »allumfassend« gedacht. Sein Wirkungsfeld lag in Europa, sein Glauben überstieg Grenzen, so wie es auch die moderne »Idee von Europa« tut. Zu Ehren seines 1250. Todestags wurde am 3. Juni 2004 in Fulda ein Musical uraufgeführt, das unter dem Titel Bonifatius – Das Musical das Leben und die Missionsarbeit seines Protagonisten darstellt. Eine Liebesgeschichte zwischen seinem Schüler Sturmi und einer Wirtin bildet den unterhaltsamen Rahmen. Am Ende  – wie könnte es anders sein – folgt der junge Mann nicht seinem Herzen, sondern seinem Lehrer und bleibt seiner ursprünglichen Berufung treu. Interessant ist, wie die Rolle der Frauen um Bonifatius interpretiert wird. Als die Verfasser die Figur der Lioba konzipierten, dachten sie wohl daran, dass Bonifatius seine Mitarbeiterinnen als gleichwertige Missionarinnen ansah. Heraus kam jedoch eine Lioba, die dem heutigen Zeitgeschmack entspricht und emanzipatorische Züge zeigt: Es bedürfe starker Frauen, um das Scheitern der Mission zu verhindern, ist sie überzeugt. Im Refrain ihres Motivationssongs singt sie: »Muttergottes, steh mir bei und erbarme dich. Lass mich in dieser Männerrunde nicht allein!« Hier begegnen sich Frauen und Männer als Antipoden, und Lioba wird zur Kämpferin, um sich in der kirchlichen Männerwelt durchzusetzen. Doch zu den historischen Gestalten Bonifatius und Lioba passt diese Interpretation nicht. Denn es war gerade Bonifatius, der keinen Unterschied zwischen Mönchen 232

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und Nonnen machen wollte. Moderne Begriffe und Zeitströme lassen sich daher schwer auf vergangene Epochen übertragen. Im besten Fall bieten sie Anstöße, sich intensiver mit den Quellen aus jener Zeit zu befassen, ohne die Mentalitäten unterschiedlicher Epochen zu vermischen. So gilt die Einsicht des Mittellateiners Walter Berschin auch heute: »Ein endgültiges Bonifatiusbild gibt es nicht; jede Zeit schreibt es neu für sich. Kein Kenner der Geschichte stellt sich heute Bonifatius noch so vor, wie er als Denkmal des XIX. Jahrhunderts auf dem Domplatz zu Fulda steht.«79 Dass jede Zeit neue Aspekte, Anregungen, Zuspruch wie auch Kritikwürdiges im Leben des Bonifatius entdeckt, spricht für die Größe und den Facettenreichtum seiner Persönlichkeit und seines Erbes. Seit der zweiten Hälfte des 20. und zu Beginn des 21. Jahrhunderts konzentriert sich der politische, gesellschaftliche und kirchliche Blick auf die europäischen Dimensionen, in denen sich Bonifatius’ Apostolat entfaltete. Die Idee eines einigen und friedlichen Europa der Staaten braucht gemeinsame Erzählungen und Persönlichkeiten, die für die Einheit des Kontinents einstehen, ohne seine Vielfalt zu unterdrücken. Einheit war ein Schlüsselwort in Bonifatius’ Leben. Wie der Apostel Paulus bezog er den Wunsch nach Einheit auf die Kirche und nicht auf Herrschaftsformen. Er dachte politisch, wenn es um Kirchenpolitik ging. Ihm ein genuin europäisches Denken anzudichten, übersteigt jedoch seine Absichten. Als Angelsachse fühlte er durchaus stammesverbunden, als Mann der Kirche universal. Denn die Botschaft Jesu galt und gilt allen Menschen. Sich intellektuell »nur« in einem europäischen Rahmen zu bewegen, wäre einem Bonifatius heute wohl zu eng gedacht. Trotzdem ist er ein europäischer Heiliger. Dazu gemacht hat ihn die Verehrung der Europäer. Ob er »der europäische Heilige« ist, möge jeder Leser und jede Leserin für sich entscheiden. Sie können sich in Fulda von Bonifatius als »Ampelmännchen« inspirieren lassen: In Rot warnt er mit dem Kreuz in der Hand, und in Grün marschiert er los, den Hirtenstab fest umklammert. Einfach wegweisend.

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VII. Anhang

Dank Manche Themen fallen einem zu. Als mich vor einigen Jahren die oberbergische Kirchengemeinde St. Bonifatius, Wiehl-Bielstein, zu einem Vortrag in ihrer Bonifatius-Festwoche einlud, habe ich zunächst gezögert. Denn für mich war ihr Patron eine historische Persönlichkeit mit den sprichwörtlichen sieben Siegeln. Über das Vortragsthema »Bonifatius und die Frauen«, bei dem ich aus seinen Briefen geschöpft habe, öffnete sich die Tür zu einer faszinierenden Persönlichkeit. Dass aus der Faszination eine historische Biographie geworden ist, verdanke ich auch dem Anstoß von Dr. Bernhard Wunder und seinen »Bonifatianern« in Bielstein, die mit Vorträgen, Kunstwerken und Ausstellungen die Erinnerung an einen Großen der Kirchengeschichte hochhalten. Ein großer Dank geht auch an Herrn Daniel Zimmermann, der das Buchprojekt in der wbg ermöglichte und zusammen mit Anne-Marie Stöhr engagiert betreute. Einmal mehr danke ich meinem Mann.

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Ein Leben in Daten

Ein Leben in Daten 392

Theodosius der Große verbietet die Götterkulte im Römischen Reich. Das Christentum ist de facto Staatsreligion.

395

Augustinus wird Bischof in Hippo Regius im heutigen östlichen Algerien.

397

Martin von Tours stirbt.

476

Der letzte weströmische Kaiser Romulus Augustulus wird abgesetzt.

um 498

Der Merowingerkönig Chlodwig I. konvertiert zum Christentum. Remigius tauft ihn in Reims.

529

Benedikt von Nursia gründet das Kloster Montecassino.

538–594

Gregor von Tours, Verfasser der Geschichte(n) der Franken

590–604

Gregor der Große ist Papst.

560–616

Aethelberth, König von Kent.

597

Augustinus, der spätere Erzbischof von Canterbury, führt eine päpstliche Mission nach Kent

619

Paulinus kommt nach Northumbrien.

628

König Edwin von Northumbrien wird Christ.

628–690

Benedict Biscop

658–739 Willibrord 664

Synode von Whitby

672–735

Wynfreth wird in der Nähe von Exeter im südenglischen Wessex geboren.

Um 680

Seine Eltern übergeben ihn als puer oblatus dem Kloster Exeter.

672–735

Beda Venerabilis, Verfasser der Kirchengeschichte des englischen Volkes

674

Gründung des Klosters Wearmouth

679–719 Radbod, dux der Friesen 687

Pippin der Mittlere ist faktisch Alleinherrscher im Frankenreich.

690

Der Angelsachse Willibrord missioniert im Frankenreich.

695

Willibrord wird zum päpstlichen Missionar bestellt und zum ­Missionserzbischof mit Sitz in Utrecht ernannt.

Vor 700

Wynfreth wechselt in das Kloster Nursling bei Winchester in Wessex.

702/705

Bischof Daniel von Winchester weiht Wynfreth zum Priester. Er wird zum Sprecher einer Gesandtschaft gewählt: Versammlung von Brentford (705). 235

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VII. Anhang

714

Pippin der Mittlere stirbt.

714–741

Karl Martell ist als Hausmeier inoffizieller Herrscher im Frankenreich. Der von ihm eingesetzte Merowingerkönig Theuderich IV. steht unter seiner Kontrolle. Nach dessen Tod 732 verzichtet er darauf, einen neuen König erheben zu lassen.

715–731

Gregor II. ist Papst.

716

Wynfreth reist auf eigenen Wunsch zum ersten Mal zu den Friesen, um zu missionieren. Im Herbst kehrt er nach Nursling zurück.

717

Wynfreth wird nach Wynberhts Tod zum Abt von Nursling gewählt.

718

Wynfreth tritt vom Abbatiat zurück und verlässt endgültig seine angelsächsische Heimat, um auf dem Kontinent unter den Germanen zu missionieren.

719

Wynfreth reist zum ersten Mal nach Rom. Am 15. Mai wird er zum Missionar Germaniens ernannt. Der Papst gibt ihm den Namen Bonifatius. Über Pavia reist er nach Bayern und Thüringen. Als der friesische Herzog Radbod stirbt, begibt sich Bonifatius erneut zu den Friesen. Dort missioniert er zusammen mit seinem erfahrenen Landsmann Willibrord.

721–722

Bonifatius verlässt die Friesen, um in Hessen zu missionieren. Er gründet die Klosterzelle Amöneburg.

722–723

Bonifatius reist zum zweiten Mal nach Rom. Am 30. November weiht Gregor II. ihn zum Missionsbischof ohne festen Bischofssitz. Mit einem Schutzbrief Karl Martells kehrt er nach Hessen zurück.

723–732

Bonifatius missioniert in Hessen und Thüringen und baut kirchliche Strukturen auf: Klostergründungen in Fritzlar, Tauberbischofsheim, Ochsenfurt und Kitzingen.

723

Bonifatius fällt die Donar-Eiche in Geismar unweit von Fritzlar.

725

Bonifatius missioniert in Thüringen.

731–741

Gregor III. ist Papst.

732

Gregor III. ernennt Bonifatius zum Erzbischof ohne eigenen Metropolitansitz. Er ist Stellvertreter des Papstes im germanischen Missionsgebiet.



Karl Martell besiegt die Araber bei Poitiers.

732–736

Bonifatius missioniert und visitiert in Bayern.

737/738

Zum dritten Mal reist Bonifatius nach Rom. Er wird zum päpstlichen Legaten für Germanien ernannt und wirbt Landsleute für seine Mission an: den Franken Lul und die angelsächsischen

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Ein Leben in Daten

Brüder Wunibald und Willibald, mit denen Bonifatius verwandt ist. 738/739

Bonifatius ordnet die Kirchenstrukturen in Bayern. Regensburg, Passau, Salzburg und Freising werden Bischofssitze.

741

Am 21. Oktober stirbt Karl Martell. Seine Nachfolger Karlmann und Pippin der Jüngere verdrängen ihren Halbbruder Grifo.

741–752

Zacharias ist Papst.

741/742

Bonifatius gründet die mitteldeutschen Bistümer Würzburg, Büraburg und Erfurt.

742

Am 21. April beginnt das Concilium Germanicum, eine Reformsynode. Unter Erzbischof Bonifatius schließt sich die austrasische Kirche zu einem Metropolitanverband zusammen. Noch immer hat Bonifatius keinen festen Bischofssitz.

743

Karlmann schenkt Bonifatius den Ort Eichloh an der Fulda mit angrenzendem Königsgut. Am 1. März tagt die zweite austrasische Synode in Les Estinnes.

744

Am 2. März tritt die erste neustrische Synode in Soissons zusammen.



Bonifatius gründet das Kloster Fulda.

745

Die gesamtfränkische Synode tagt. Gegen Bonifatius’ Reformkurs rührt sich Widerstand.

746

Bonifatius erhält das Bistum Mainz, nachdem seine Kölner Ambitionen gescheitert sind. Ohne Bonifatius einzubeziehen, schickt Pippin eine Fragensammlung zum Kirchenrecht nach Rom.

746/747

Eine Synode der angelsächsischen Bischöfe im Frankenreich verfasst unter Federführung des Bonifatius ein Mahnschreiben an König Aethelbald von Mercien.

747

Karlmann dankt zugunsten seines Sohnes Drogo ab und pilgert nach Rom. Später wird er Mönch im Kloster Montecassino. Pippin reißt die Alleinherrschaft an sich.

748

Am 2. April wird Karl der Große geboren.

750

Pippin holt von Papst Zacharias die Zustimmung zum erzwungenen Machtwechsel ein.

751

Auf einer Reichsversammlung in Soissons wird Pippin zum König ausgerufen. Fränkische Bischöfe salben ohne Bonifatius den neuen König. Das Kloster Fulda wird mit einem päpstlichen Freistellungsprivileg ausgestattet.

752–757

Stephan II. ist Papst.

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VII. Anhang

753/754

Papst Stephan II. reist ins Frankenreich und wird von Pippin in der Pfalz Ponthion empfangen. Ende Juli 754 salbt er Pippin und dessen Söhne Karl und Karlmann, die auch von ihm gefirmt werden. Stephan II. verleiht Pippin den Ehrentitel patricius Romanus und macht ihn damit zum Schutzherrn der Römer.



Am 5. Juni 754 wird Bonifatius bei Dokkum von friesischen Räubern oder Gegnern der Kirche ermordet. Über Utrecht und Mainz gelangt der Leichnam an seinen von Bonifatius ausdrücklich gewünschten Bestimmungsort Fulda, wo er bestattet wird. Sein Nachfolger auf dem Bischofssitz in Mainz wird Lul. Chrodegang von Metz wird Missionserzbischof.



Auf einer Synode, die Bischof Cudberht von Canterbury einberuft, wird Bonifatius zum Schutzpatron der Angelsachsen bestimmt.

Um 760

Bischof Lul von Mainz lässt Bonifatius’ Briefe sammeln und beauftragt den Mainzer Priester Willibald, eine Vita seines Vorgängers zu schreiben.

768

König Pippin stirbt. Nachfolger sind seine Söhne Karl der Große und Karlmann.

768/771–814 Karl der Große ist Herrscher im Frankenreich.

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Anmerkungen

Anmerkungen Vorwort 1  Felten, Einführung, 16. 2  Felten, Einführung, 31, ist dagegen davon überzeugt, dass der Ehrentitel Bonifatius ebenso wenig für die Deutschen »monopolisiert« werde wie the greatest Englishman für die Engländer: »Wenn Titel dieser Art mit einem gewissen Hintersinn zu historischem Nachdenken (oder gar Nachlesen) provozieren, haben sie schon viel erreicht.« 3  von Padberg, Bonifatius. Missionar und Reformer, Vortrag in der Bonifatiuskirche Wiehl-Bielstein 2009, 6. »Liebhaber der Schönheit« 1  Zu Bonifatius’ Ermordung, vgl. die ausführliche Darstellung Willibalds, Vita 8,512,25–516,30. Der Verfasser könnte gefangene Angehörige der Mörder, Frauen, Sklaven und Sklavinnen, befragt haben. Zu Recht bekräftigt R. Schieffer in seiner Zusammenstellung Neue Bonifatius-Literatur, 112, »die seit 300 Jahren bestehende Konvention, in Willibald, dem Autor der ältesten Vita, nicht den ersten Bischof von Eichstätt († 787), sondern einen gleichnamigen, sonst unbekannten Mainzer Priester angelsächsischer Herkunft im Dienste von Bonifatius’ Nachfolger Lul zu sehen«. 2  Willibald, Vita 8,510,13 f. 3  Brief 27. Wenn nicht im Einzelfall erwähnt, benutze ich die Übersetzung der zweisprachigen Ausgabe von R. Rau, der Übersetzungen von M. Tangl und Ph. H. Külb zugrunde liegen. Wegen der Lesbarkeit habe ich manche Formulierungen der über 50 Jahre alten Übersetzung stilistisch

geglättet und der neuen Rechtschreibung angepasst. Zu den Nummern der längeren Briefe füge ich, falls nötig, die Seitenangabe des lateinischen Textes und die Zeilen hinzu. So verfahre ich auch bei Willibalds Bonifatius-Vita. 4  Brief 15. 5  Rau, ebd., 113, Anm. 1. 6  Brief 34. 7  von Padberg/Stork, RagyndrudisCodex, 15. 8  Brief 9. 9  Zur Rolle von Tod und Nachleben im Denken von Bonifatius und seiner Zeit. 10  Willibald, Vita 8,516,16–19. 11  von Padberg, Bonifatius, 36. 12  Prolog der Vita 456,7–29. 13  R. Schieffer, Der Gottesmann aus Übersee. Die christliche Botschaft öffnet eine größere Welt, 23. 14  von Padberg, Bonifatius, 102. 15  Willibald, Vita 8,516,19–23. 16  Rau, Bonifatius, 517, Anm. 24. 17  Willibald, Vita 8,514,6–8. 18  Brief 9,26,20–22. Der Verfasser bezieht sich auf Hiob 28,16–19. I. Leben auf der Insel 1  Caesar, Gallischer Krieg 4,20,1. 2  Dazu und als Einstieg in die Welt der Kelten, vgl. Meier, Inseln am Ende der Welt, 16–19. 3  Zur keltischen und römischen Zeit Britanniens, vgl. das Standardwerk von Kluxen, Geschichte Englands, 5–11. 4  Sommer, Kelten fordern Rom heraus, 22–27. 5  von Harnack, Mission und Ausbreitung des Christentums, 534; 537; 884 f. 6  R. P. Crosland Hanson, in: TRE 9 (1982), s.v. England I, 616. 7  von Harnack, ebd., 886. 239

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VII. Anhang

8  Scheer, Leben in Britannien, 37. 9  C. Eger, in: LThK 7 (2006), s.v. Patricius, Sp. 1468 f. 10  Epistulae imperatorum, Collectio Avellana, CSEL 35,1, Nr. 40,90 f. 11  Prosper Tiro, Epitoma Chronicon, 472, Nr. 1301 zum Jahr 429, wo nur Germanus genannt ist. Die zweite Reise wird unterschiedlich auf 435 oder 448 datiert. 12  Prosper Tiro, ebd., 473, Nr. 1307. 13  W. Enßlin, in: RE 18,3 (1949/65), s.v. Palladius (9), Sp. 214 f.; vgl. Stroheker, Der senatorische Adel im spätantiken Gallien, 197 f. 14  Mombritius, Sanctuarium 1, 578. 15  Trevelyan, History of England 1, 74 f. 16  von Padberg, Christianisierung, 75. 17  Sonnabend, Ein leiser Abschied, in: Damals. Das Magazin für Geschichte 50 (2018/10), 42–44. 18  Kluxen, ebd., 13. 19  Ebd., 12. 20  Brown, Entstehung des christlichen Europa, 243. 21  von Padberg, Mission und Christianisierung, 44. 22  Beda, Kirchengeschichte 1,25. 23  Ebd., 1,26. 24  Ebd., 1,26. 25  Ebd., 1,25. 26  Dass christliche Ehefrauen ihre paganen Männer missionieren sollten, belegt auch Justin, Apologie 2,2,1. 27  Beda, Kirchengeschichte 2,11 f. 28  Brown, Entstehung des christlichen Europa, 244. 29  von Padberg, Christianisierung, 79. 30  von Padberg, ebd. 31  Brown, Entstehung des christlichen Europa, 274. 32  H. Royston Loyn, in: TRE 5 (1993), s.v. Beda, 398–402. 33  Brief 76.

34  Brief 75. 35  Zum Geburtsjahr vgl. Flaskamp, Geburtsjahr, 339–344. 36  Pohl, Die Völkerwanderung, 94 f. 37  Beda, Kirchengeschichte 3,7. 38  Wolfram, Das Reich und die Germanen, 341. 39  Brief 14,52,9 f. 40  Willibald, Vita 1,460,12–15. 41  Ausführlich dazu Levison, Wann und weshalb wurde Wynfreth Bonifatius genannt?, in: Frühzeit, 337–341, mit vergleichbaren Namengebungen für Angelsachsen in Rom. 42  Beda, Kirchengeschichte 3,7. In der sogenannten Regula magistri aus dem 6. Jahrhundert ist doctor der Abt, der seine Mönche belehrt. 43  Beda, ebd. 44  Ebd. 45  Ebd. 46  Ebd. 47  Ebd. 4,5 zum Jahr 672, nicht wie früher angenommen 673, vgl. Levison, Beda as Historian, in: Frühzeit, 372, A. 4; 379, A. 4; von Padberg, Bonifatius, 13, legt sich nicht fest und gibt »672/75« an. 48  Beda, ebd., 4,5. 49  Zum Osterfeststreit und zum Ostermonat März als dem ersten Monat vgl. A. Gawlik, in: LdMA 6 (1993/1999), s.v. Monat, Sp. 732; ebd., D. Ó Cróninín, s.v. Osterstreit in Irland und im angelsächsischen England, Sp. 1516 f. 50  Wohlmuth, Dekrete der ökumenischen Konzilien 1,19. 51  Angenendt, Das Frühmittelalter, 227. 52  Frank, Grundzüge der Geschichte des christlichen Mönchtums, 53. 53  Willibald, Vita 1,460,16 f. 54  Beda, Kirchengeschichte 4,27. 55  Athanasius, Vita Antonii 2,1–2; Sulpicius Severus, Vita Martini 2,2–3.

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Anmerkungen

56  Lk 2,41–47. Zum puer senex vgl. Curtius, Europäische Literatur und lateinisches Mittelalter, 108–112; dazu ergänzend Gnilka, Aetas spiritalis, 42–51. 57  Willibald, Vita 1,460,3–11. 58  Ebd., 4,472,16–17. 59  Ebd., 5,478,10. 60  Ebd., 9,572,22–23. 61  Ebd., 8,508,17–21. Th. Schieffer, Bonifatius 78; 278 hat vermutet, Willibald habe seine Vita in enger Zusammenarbeit mit Lul verfasst. 62  Brief 112, 353,17–18. 63  Backe-Dahmen, Die Welt der Kinder, 10. 64  Willibald, Vita 1,460,19–24. 65  Ebd., 1,465,6–8. 66  Rau, Bonifatius, 461, Anm. 1. 67  R. Schieffer, Boniface, 2; Yorke, Boniface’s West Saxon Background, 29. 68  Brief 29,102,15 ff. 69  Yorke, ebd. 70  von Padberg, Bonifatius, 19. 71  Sulpicius Severus, Vita Martini 2,1–5. 72  Willibald, Vita 1,463,1–27. 73  Yorke, ebd., 28 f. 74  Beda, Kirchengeschichte 5,24. 75  Brief 74,228,24–29. 76  Brief 78,254,15–22. 77  Ebd., 78,252,6–12. 78  Ebd., 78,252,12–15. 79  Vgl. die Karte in Jedin u. a., Atlas zur Kirchengeschichte, 19. 80  Willibald, Vita 1,462,28. 81  Wilson, A Guide to the Roman Remains in Britain, 69. 82  Willibald, Vita 2,462,27–464,3. 83  Abeln, Bonifatius, 9. 84  Berschin, Biographie und Epochenstil III, 11. 85  Ebd., 12. 86  Willibald, Vita 2,464,17. 87  Schieffer, Bonifatius 76; 105.

88  Willibald, Vita 2,464,28–34. 89  Ebd., 2,466,4 f. 90  Ebd., 2,466,1–4. 91  Ebd., 2,466,9 f. 92  Ebd., 2,466,12–15. 93  Brief 63,192,8–10. 94  Ebd., 63,192,11–17. 95  von Padberg, Bonifatius, 20. 96  Willibald, Vita 2,468,2–3. 97  Ebd., 2,468,1–2. 98  Berschin, Biographie und Epochenstil III, 27; 32. 99  Engelbert, Eigil, 29. 100  Willibald, Vita 2,466,19–24. 101  Brief 9,27,16–19. 102  Willibald, Vita 3,470,5–14: »[…] der von seiner Kindheit an bis zum hinfälligen Greisenalter der Weisheit früherer Väter herrlich nachgeeifert hat, da er der Propheten und der Apostel Worte, die durch den Griffel der Weisheit aufgezeichnet, so wie das ruhmvolle Leiden der Märtyrer, wie es in den Schriften dargestellt ist, namentlich aber die evangelische Überlieferung unseres Herrn Gottes täglich dem Gedächtnis einprägte.« 103  Die Belege für Wynfreths Unterrichtsfächer diskutiert Rau, Briefe, 368 f.; 372. Der in der Briefsammlung fehlende Brief 98, den Lul verfasst hat, nennt Bonifatius als Lehrer Luls in der Dichtkunst. Rau macht allerdings darauf aufmerksam, dass sich die beiden erstmals 738 in Rom begegnet sind. Dagegen verweist Rau auf eine Grabschrift für einen Dombert, die in einer Lorscher Handschrift überliefert ist. Dort finden sich metrische Traktate mit den Überschriften: Incipiunt caesurae versuum sancti Bonifacii. De metris. Quare poetae. 104  Vgl. den Index Grammaticorum et rhetorum in der Ausgabe von Gebauer /Löfstedt, CCL 133 B, 123–138. 241

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VII. Anhang

105  Bonifatii (Vynfreth), Ars Grammatica, CCL 133 B, 9–12, Übersetzung nach Rau, Briefe: Zur Grammatik, 360 f. Ausführlich zu Bonifatius als Dichter und Lehrer, der so betitelte englische Essay von E. V. Thornbury in: A Companion to Boniface, 99–122. 106  Löfstedt, ebd., 105. 107  Vgl. die jüngste Ausgabe von De Marco, CCL 133. 108  Aldhelms Rätselgedichte: De Marco (Hrsg.), CCL 133, mit deutscher bzw. englischer Übersetzung. 109  Rau, ebd., 337. 110  G. B. Ladner, Handbuch der frühchristlichen Symbolik. Gott, Kosmos, Mensch, Wiesbaden 1996, 142; zu Ambrosius, Sermo 5,9 in einer Interpretation des Hoheliedes 2,3. 111  Willibald, Vita 2,466,20–26. 112  Ein Verzeichnis erscheint bei W. Bulst, Hymni Latini, 14; 166f. 113  Brief 9,28. 114  Willibald, Vita 2,468,25f. 115  Brief 13,48,16–17. 116  Regula 60,7. 117  Jacobs, Die Regula Benedicti 30–31. 118  Regula 62,1; Jacobs, ebd., 76. 119  Willibald, Vita 3,470,27–472,1. 120  Willibald, Vita 4,472,19–21; 474,18–21; vgl. Th. Schieffer, Bonifatius, 108; von Padberg, Bonifatius, 25. 121  Willibald, Vita 3,470,19–24. 122  Ebd., 3,472,5–10. 123  Willibald, Vita 4,474,20–22. 124  MGH AA 15,230,1; 371,1. 125  Brief 10,30,9: Hildelid. 126  Beda, Kirchengeschichte 4,10: Hildilid. 127  Brief 63,188,17–20. 128  Brief 11,44; Willibald, Vita 5,480,3–5; 482,13–20.

129  Brief 64,194–202; von Padberg, Die Inszenierung religiöser Konfrontation, 322–327. 130  Willibald, Vita 4,474,23–25. 131  Ebd., 4,474,28–476,3. II. Leben auf dem Kontinent 1  Beda, Kirchengeschichte 5,9. Fritze, Universalis gentis confessio, 121–123 hat auf dieses »gentilreligiöse Motiv« verwiesen; von Padberg, Mission und Christianisierung, 64 f. Einschränkend zum »gentilreligiösen Motiv«, Schäferdiek, Fragen der früheren angelsächsischen Festlandmission, 180. 2  CCL 133 B, 10,49–50. 3  Beda, Kirchengeschichte 5,9. 4  Brief 46,234,21f. 5  Ebd., 46,134,18. 6  Brief 21,76,10 f.; Fritze, ebd., 122. 7  Brown, Die Entstehung des christlichen Europa, 303 f. 8  Ebd., 304. 9  Beda, Kirchengeschichte 5,9 10  Brown, Die Entstehung des christlichen Europa, 304. 11  Beda, Kirchengeschichte 5,11. 12  Beda, ebd. 13  Beda, ebd. Zu den Boructuarii vgl. Wenskus, Stammesbildung und Verfassung, 523. Viele Fragen zum Verhältnis zwischen Willibrord und Suitbert lassen sich nicht beantworten, vgl. dazu Levison, Aus rheinischer und fränkischer Frühzeit, 319. 14  J. Schroeder, LdMA 3 (1999), s.v. Echternach, Sp. 1540 f. 15  Brown, ebd., 306. 16  Willibald, Vita 4,474,23–26. 17  von Padberg, Bonifatius, 36. 18  Willibald, Vita 4,474,34 f. 19  von Padberg, Mission und Christianisierung, 61–68 mit weiterer Literatur.

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Anmerkungen

20  Zu den Pippiniden und dem Aufstieg der Karolinger vgl. Hageneier, Die Nachfahren Karl Martells, 9–28. 21  Zur peregrinatio mehrerer Teilnehmer, vgl. von Padberg, ebd., 62. 22  Willibald, Vita 4,476,4–14. Danach also ging die Reise mit dem Schiff die Themse hinab und nach Überquerung des Ärmelkanals den Rhein hinauf bis zur Gabelung mit dem Lek, wo Dorestad lag. Bei seiner zweiten Reise bestieg er in Lundenwich einen Schnellsegler, vgl. Willibald, Vita 5,480,20 f. 23  Historia Francorum 52, 377. 24  von Padberg, zitiert nach Felten, Einführung, 23. 25  Willibald, Vita 4,476,26 f. 26  Ebd., 4,476,33 f. 27  Brief 9,28,1–4. 28  Brief 104,328,5 f.; 15–17. Rau konnte das Augustinus-Zitat nicht verifizieren, vgl. ebd., 329, Anm. 3. 29  Zum refus du pouvoir in der römischen Kaiserzeit vgl. die klassische Studie von J. Béranger, Recherches sur l’aspect idéologique du principat, Schweizerische Beiträge zur Altertumswissenschaft 6, 1953, 137–169. Zur Fortsetzung bei hohen kirchlichen Ämtern, ebd., 160–167. 30  Willibald, Vita 4,476,30–32. 31  Brief 13,48,3 f. 32  Willibald, Vita 3,472,1–5., 3,472,10 f. 33  Brief 11,44; vgl. oben. 34  Drei Briefe an Bonifatius haben sich erhalten: 11, 23, 36; vgl. ferner Brief 36 und Bonifatius’ Brief 63. 35  Brief 11 ist Daniels Empfehlungsschreiben für Bonifatius’ Romreise, dem er einen weiteren Empfehlungsbrief an den Papst mitgegeben hat. 36  Brief 14,54,15–56,11. 37  Vom starken Nordwestwind, dem caurus oder chorus, wusste bereits

Caesar, dass er »die meiste Zeit in dieser Gegend zu wehen pflegt«: Caesar, Gallischer Krieg 5,7,3. 38  Willibald, Vita 5,480,2–482,1. 39  Schieffer, Der Gottesmann aus Übersee, 11–14. 40  Willibald, Vita 5,482,1–7. 41  Willibald, Vita 5,482,8–21. 42  Brief 27,94–96. 43  Brief 12. 44  Rau, Die Briefe des Bonifatius, 16 f. 45  Zu dieser Devotionsformel, welche die Päpste seit Gregor d. Gr. benutzten, vgl. Levison, Aus rheinischer und fränkischer Frühzeit, 45a, Vita 582,22–26. 46  Wu, From Christ to Confucius. 47  von Padberg, Mission und Christianisierung, 33. 48  Willibald, Vita 4,476,23–27. von Padberg, Mission und Christianisierung, 33, ist wohl zu kritisch: »Auch die in der Missionssituation geschriebenen Briefe des Bonifatius lassen keine unmittelbare Beschäftigung mit der Lebenssituation und an Glaubensvorstellungen der Heiden erkennen, spricht er doch eher formelhaft von den gefährlichen Stürmen des Meeres, dessen finsteren Winkeln er das strahlende Licht des Evangeliums gegenüberstellt.« Zudem habe Bonifatius die Heiden »in den Schlingen des Teufels« gesehen und ihre Bosheit festgestellt. Allerdings kamen morallose Mitbrüder nicht viel besser weg; vgl. u. a. Brief 63,190,6–16. 49  Brief Brief 12,44–46; 43,124,7–8. 50  Felten, Einführung, 23. 51  Zu den Sachsenkriegen und der Zwangsmission, vgl. Becher, Karl der Große, 56–74. 52  Angenendt, Monotheismus und Gewaltmission, 46 f.

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VII. Anhang

53  Tractatus in Evangelium Iohannis, 26,2. 54  Angenendt, Monotheismus und Gewaltmission, 48. 55  Brief 35,114,19–27. 56  Brief 78,244,26–246,10. 57  Willibald, Vita 5,482,27–30. 58  Jarnut, Geschichte der Langobarden, 66–71. 59  Ebd., 87. 60  Willibald, Vita 5,4,31–33. 61  Jarnut, ebd., 65; 94. 62  Willibald, Vita 5,482,33 f. 63  Willibald, Vita, 5,484,1–7. 64  Ewig, Die Merowinger, 185–190; 195. 65  Willibald, Vita 5,484,7–10. 66  von Padberg, Bonifatius, 34. 67  Willibald, Vita 5,484,10–12. 68  Ebd., 5,484,12–17. 69  von Padberg, Bonifatius, 34 f. 70  Ebd., 35. 71  Willibald, Vita 5,484,18–486,3. 72  Ebd., 5,486,1–3. 73  von Padberg, Mission und Christianisierung, 209 f. 74  Ebd., 96 und Anm. 167. 75  Brief 15,60,19–22. 76  Willibald, Vita 5,486,1–3. 77  Zum Chorbischof, vgl. R. Kottje, LdMA 2 (1999), s.v. Chorbischof, Sp. 1884–1886. 78  Willibald, Vita 5,486,4–488,3. 79  Ebd., 486,30 f. Von Padberg, Bonifatius, 36, meint sogar: »Willibrord und Bonifatius kamen einfach nicht miteinander aus und hatten wohl auch unterschiedliche Ansichten, die vor allem der Jüngere bisweilen recht harsch vortragen konnte.« 80  Willibald, Vita 5,486,21 f. 81  von Padberg, Bonifatius, 36. 82  Willibald, Vita 5,488,2 f. 83  von Padberg, Bonifatius, 37.

84  Demandt, Geschichte des Landes Hessen, 99. 85  Ebd., 106. 86  Willibald, Vita 6,488,15–21. 87  Ebd., 6,488,22 f. 88  Ebd., 6,488,23–30. 89  Beda, Kirchengeschichte 1,27. 90  Ebd., Praefatio. 91  Willibald, Vita 6,490,4–6. 92  Willibald, Vita 6,400,6–9. 93  Brief 27. 94  Hartmann, Geschichte Italiens im Mittelalter 2,2,160 f. mit einer kurzen Beschreibung der Pilgerfahrten. 95  von Padberg, Bonifatius, 38 f. 96  Willibald, Vita 6,490,17–23. 97  Willibald, Vita 6,490,23–26. 98  Brief 16,62–64. 99  B. Windau, in: LACL (2022), s.v. Liber diurnus; Hofmeister, Der Bischofseid gegenüber dem Staat, 195 f. 100  Brief 16,64,10 f.; vgl. dazu Heid, Der vereinnahmte Bonifatius, 242. 101  Brief 16,62,19 ff. 102  Willibald, Vita 6,492,21–23. 103  Genannt werden auch die Gas­ talden, die Verwalter von Königsgütern, die es jedoch nur im Langobardenreich gab, ein Zeichen, dass die päpstliche Kanzlei sie einfach aus einem vorliegenden Formular übernahm. 104  J. Neumann, in: TRE 6 (1980), s.v. Bischof I, 653–682, hier 664. 105  H. J. Vogt, in: Jedin, Handbuch der Kirchengeschichte II 2,237. 106  Rau ist sich nicht sicher, ob der Papstbrief auf einen schriftlichen Bericht des Bonifatius reagierte oder auf einen Vortrag bei der zweiten Romreise zurückgeht, 71, Anm. 19. 107  Die Vita Nr. V bei Levison, Vitae Sancti Bonifatii, 111–117. 108  Rau zu Brief Nr. 20,72, Anm. 1 und zur Willibald Vita 6,493, Anm. 7, der

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Anmerkungen

jedoch Th. Schieffer, Bonifatius, 330 f. nicht überzeugt hat. 109  Brief 20,72,18. 110  Willibald, Vita 6,492,23–25. 111  Ebd., 6,494,1–3. 112  von Padberg, Inszenierung religiöser Konfrontationen, 323. 113  Cünnen, Nonnenwelten, 165. 114  Brief 23,78,19–29. 115  Auch Tacitus begann in der Germania, die Daniel schwerlich kannte, mit dem Ursprung der Götter (2,2). 116  Brief 23,80,1–35. Zu den Tieropfern bei den Germanen, vgl. Tacitus, ebd., 9,1. 117  Brief 23,82,2 f. 118  Beda, Kirchengeschichte, 1,30. 119  Ebd. 120  Brief 23,82,3–7. 121  Tacitus, Germania 9,2. 122  Ebd., 40,4. 123  Brief 23,82,23–25. 124  Vgl. die klassische Formulierung Tertullians, Apologeticum 50,13: semen est sanguis Christianorum. 125  Brief 23,82,12–15. 126  Willibald, Vita 6,494,12–22. 127  Brief 52,160; 73,212,26. 128  Willibald, Vita 6,498,23–29. 129  Brief 40. 130  Sulpicius Severus, Vita Martini 13. 131  Willibald, Vita 6,494,4–24. 132  von Albrecht, Das Buch der Verwandlungen, 31–328. 133  Bächthold-Stäubli, Handwörterbuch des deutschen Aberglaubens 2, Sp. 646 f. 134  Willibald, Vita 6,494,24–27. 135  Brief 109,340,2–7. 136  von Padberg, Grundzüge der Missionstheologie, 187. 137  Brief 19. 138  Werner, Iren und Angelsachsen, 278–280.

139  Willibald, Vita 6,494,31–396,7. 140  Ebd., 496,7–10. 141  Clay, Boniface in Hessia and Thuringia, 281. 142  Willibald, Vita 6,496,10–16. 143  Ebd., 496,17–20. 144  Brief 24 ist das päpstliche Antwortschreiben, während Bonifatius’ Brief nicht erhalten ist. 145  von Padberg, Mission und Christianisierung, 223 f. 146  Brief 24,86,8–13. 147  Brief 25. 148  Rau, Briefe des Bonifatius, 373 f. Dazu von Padberg, Grundzüge der Missionstheologie, 184–186. 149  Willibald, Vita 3,470,14–22. 150  von Padberg, Grundzüge der Missionstheologie, 186. 151  Ebd. 152  von Padberg, Die Christianisierung Europas im Mittelalter, 208. 153  Zitiert nach von Padberg, Bonifatius, 36. 154  Th. Schieffer, Bonifatius, 277. 155  Eine unvollständige Namensliste von Männern und Frauen ohne chronologische Ordnung in Othlos Vita 25,138,1–14. 156  Willibald, Vita 6,496,26–30; 498,22–29. 157  Brief 26,94,5. 158  Othlo, Vita 24,137,6–12. 159  Brief 19,70–72. 160  Brief 25,88,4–12. 161  Brief 26 ist die Antwort des Papstes, während Bonifatius’ Anfrage sich nicht erhalten hat. 162  Beda, Kirchengeschichte 1,27. Zum Inzest und den verschiedenen gesetzlichen Regelungen vgl. umfassend K. Ubl, Inzestverbot und Gesetzgebung. Die Konstruktion eines Verbrechens (300–1100). Dazu die kritischen Er-

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VII. Anhang

gänzungen von J. Fried, Historische Zeitschrift 294,1, 2012, 124–141. 163  Brief 101. 164  Willibald, Vita 6,498,7–14. 165  Brief 28. 166  Ebd., 28,98,17 f. 167  Tacitus, Germania 27,2; Agathias, Historien 1,7,1; J. Grimm, Deutsche Rechtsaltertümer 1, 328; Much, Die Germania des Tacitus, 177; 345. 168  Bächthold-Stäubli, Handwörterbuch des deutschen Aberglaubens 6, Sp. 1536 f. 169  Th. Schieffer, Bonifatius, 153: »Dies ist ein grelles rechtsgeschichtliches Schlaglicht; in mühsamer Erziehung musste die Kirche die alten volksrechtlichen Anschauungen überwinden, denen der Unfreie nur als Sache und Rechtsobjekt galt.« Vgl. von Padberg, Mission und Christianisierung, 286. 170  Ewig, in: Jedin, Handbuch der Kirchengeschichte 2,2,126. 171  Klebel, Zur Geschichte des Christentums in Bayern vor Bonifatius, 411. 172  Brief 45,132,1–3 173  Willibald, Vita 6,498,30–500,5. 174  Ebd., 6,498,31–450,7. 175  von Padberg, Bonifatius, 59. Der genaue Zeitpunkt der dritten Romreise ist umstritten; vgl. Th. Schieffer, Bonifatius, 172. 176  Willibald, Vita 7,500,24. 177  Brief 41,120,17–19. 178  Ebd., 41,120,20 f. 179  Good, Boniface in Bavaria, 303. 180  Brief 44,128,1–3. 181  Willibald, Vita 8,504,16; Brief 46,134,9; vgl. Brief 78, 238,15 f. 182  Die beiden Viten sind nach dem Text in MGH Scriptores 15,86–106 und 106–117 herausgegeben, kommentiert und übersetzt von A. Bauch, Quellen zur Geschichte der Diözese Eichstätt 1.

Biographien der Gründerzeit, Regensburg 19842. Zu Stil und Form der Viten, vgl. Berschin, Biographie und Epochenstil III, 18–26. Zu Hugeburcs Quellenangaben vgl. von Padberg, Heilige und Familie, 51 f. 183  Vgl. Kapitel Das sanfte Antlitz der Mission. 184  Willibald, Vita 6,496,27–31. 185  Vita quarta 3,95,17–21, Levison. 186  Ebd., 95,21–24. 187  Othlo 1,25,138,3–14, Levison. 188  Brief 67. 189  Othlo, Vita 25,138,6–8. 190  Willibald, Vita 7,500,31–33. 191  Jarnut, Geschichte der Langobarden, 94. 192  Brief 44,128,3–18. 193  Brief 45. 194  Willibald, Vita 7,502,13–17. 195  Good, ebd., 306 f. 196  Willibald, Vita 7,502,10–13; Brief 45,130,13–18. 197  Brief 45,132,9–32. 198  Th. Schieffer, Bonifatius, 182. 199  Ebd., 183. 200  Brief 46,134. 201  Brief 47,136,9–11. 202  Brief 45,130,1–4. 203  Brief 50,140,20–142,5. 204  Brief 48,7f. 205  Brief 48,138,25 f.; 17 f. 206  Zur Überlieferung vgl. R. Schieffer, Die Karolinger, 50–52. 207  Othlo, Vita Bonifatii, 113,19 Levison. 208  Zu den Einzelheiten vgl. R. Schieffer, Die Karolinger, 52. III. Das sanfte Antlitz der Mission 1  Hellegourac’h, Le vocabulaire latin des relations, 41–76; Palmer, Boniface’s Missionary Circles and Networks, in: Companion, 46–67.

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Anmerkungen

2  Millar, The Emperor in the Roman World, 110–122; Habicht, Die herrschende Gesellschaft in den hellenistischen Monarchien, 1–16. 3  Zu den Freundschaften und zum sozialen Umfeld des Bonifatius vgl. Schipperges, Bonifatius et socii, 37–373; 382; Palmer, ebd., 46–67. 4  Schipperges, ebd., 375. 5  Ebd., 382. 6  Zum anachronistischen Titel, vgl. Th. Schieffer, Bonifatius, 284–286. 7  Schipperges, ebd., 380. 8  Ebd., 373 f. 9  Ebd., 270; Nolte, Peregrinatio, 150. 10  Classen, Frauenbriefe, 257 f.; vgl. Nolte, ebd., Anm. 3. 11  Classen, ebd., 255–258. 12  McKerrick, Frauen und Schriftlichkeit im frühen Mittelalter, 95 f. 13  Rottloff, Stärker als Männer, 97–100. 14  McKerrick, ebd., 103. 15  Wer war die Nonne von Heidenheim? Studien und Mitteilungen zur Geschichte des Benediktinerordens und seiner Zweige, NF 18, Heft 4, 1931, 387 f.; vgl. Bauch, Biographien der Gründungszeit, 88,2. 16  Baltrusch-Schneider, Angelsächsische Doppelklöster, 63–78. 17  Baltrusch-Schneider, Klosterleben, 46–52. 18  Cünnen, Nonenwelten, 118. 19  Ebd., 107. 20  Brief 97,320,9–31, zu datieren zwischen 723 und 754. 21  Cünnen, ebd., 115. 22  Vgl. die Aufstellung bei Nolte, Peregrinatio, 160. Möglicherweise handelt es sich bei der anonymen Nonne um die Äbtissin Eadburg, vgl. ebd. 23  Cünnen, Nonnenwelten, 112, ordnet die Beziehung der beiden

Briefpartner anders ein. Sie nimmt die Häufung der Bibelzitate als Beweis dafür, dass Bonifatius der Anonyma als geistliches Oberhaupt schreibt und nicht als Freund. Denn bei seiner guten Freundin Eadburg verzichte er auf die Macht der Bibel, um seine Bitten durchzusetzen. Das Argument scheint nicht schlüssig, da er auch in anderen Briefen, die sich an Freunde richten, die Bibel zu Wort kommen lässt. Auch der Verzicht auf die vale-Formel sei ein Ausweis des offiziellen Briefcharakters. Doch eignet sich das Thema »Schwäche« tatsächlich für einen nur förmlichen Brief? 24  von Padberg, Mission und Christianisierung, 231. 25  Brief 87,296,22–26. 26  Brief 66,206,17–19: 2 Kor 12,10; 9. 27  2 Kor 12,7. 28  Müller, Die Mission der Kirche, 61 f. 29  Brief 67,206 f. 30  Brief 29,102–104. 31  Cünnen, Nonnenwelten, 112. 32  Schipperges, ebd., 372. 33  Lifshitz, Women in the Anglo-Saxon Missionary Circles, in: Companion, 88 f. 34  Zu Thekla vgl. ausführlich Jensen, Thekla. Die Apostolin; Ebner, Aus Liebe zu Paulus?; Esch-Wermeling, Thekla; M. Lau, Im Schatten des Paulus?, in: Welt und Umwelt der Bibel 4, 2015, 32–35. 35  Jensen, Thekla, 7 f. 36  Brief 67,208,6–12. 37  Ebd., 67,208,12–15. 38  Brief 63,190,6–16. 39  Ebd., 67,208,15–20 40  Brief 13,48,6–9. 41  Vgl. Cünnen, Nonnenwelten, 177. 42  Brief 13,48,29.

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VII. Anhang

43  Cünnen, Nonnenwelten, 179 44  Nolte, Peregrinatio, 157 f. 45  Cünnen, Nonnenwelten, 160. 46  Briefe 10, 30, 35, 67. 47  Cünnen, Nonnenwelten, 109. 48  Ebd., 173. 49  Brief 10,30,17–20. 50  P. Dinzelbacher, LdMA 8 (1999), s.v. Visio (n), Sp. 735. 51  Cünnen, Nonnenwelten, 173. 52  Brachtendorf, Über die Dreifaltigkeit, 364. 53  Brief 65, 202,28–204,3. 54  Cünnen, Nonnenwelten, 175. 55  Brief 65,204,12–16. 56  Brief 30,104,20–27. 57  Brief 30,104,24 f. 58  Brief 35,114,24 f. 59  McKitterick, Frauen und Schriftlichkeit im frühen Mittelalter, 69. 60  Brief 35,114,21–24. 61  von Padberg, Die Inszenierung religiöser Konfrontation, 412. 62  Ebd., 425. 63  Brief 27, 97. 64  Muschiol, Zur Typologie weiblicher Heiliger, 42 ff. 65  Brief 30,104,26–29 mit Psalm 113 (112) 5. 66  Nolte, Peregrinatio, 150. 67  Baltrusch-Schneider, ebd., 53 68  Zitiert nach Baltrusch-Schneider, ebd., 53. 69  Brief 14, 52,15–24. 70  Ebd., 14,52,24–54,5, vgl. Weisheit 6,6. 71  Ebd., 14,54,15–20. 72  Ebd., 14,54,21–30. 73  Ebd., 14,56,12–14. 74  Ebd., 14,58,1–7. 75  Rottloff, Stärker als Männer, 11. 76  Ebd., 28. 77  Ebd. 78  Brief 14,58,10–14. Zur stabilitas loci der Mönche (und Nonnen) vgl. Konzil

von Chalcedon 451, Kanon 4, Wohlmuth, 1,89. 79  Rottloff, ebd., 47–57. 80  Ebd., 72 f. 81  Brief 78,252,6–12. 82  Brief 27,94,20. 83  Ebd., 27,94,23–96,9. 84  Rottloff, ebd., 31. 85  Brief 27,95,4–96. 86  Brief 105,330,1–10, König Aethelberht II. von Kent an Bonifatius. 87  Brief 94,31,6–20. 88  Brief 83,188,17–19; Nolte, Peregrinatio, 156. 89  Ebd., 158. 90  Brief 94,316,8. 91  Ebd., 94,316,21–24. 92  Ebd., 94,316,24–318,8. 93  Ebd., 94,396,26. 94  Passio Sanctarum Perpetuae et Felicitatis, Frühchristliche Märtyrerakten, Kap. 10,146–148. 95  Vgl. Hen, Milites Christi utriusque sexus, 22. 96  Baltrusch-Schneider, Klosterleben als alternative Lebensform zur Ehe?, 48, Anm. 12. 97  Zu Lioba, vgl. Raisch, Lioba, 51–56. 98  Ebd., 110 f. 99  Muschiol, Königshof, 101. Lioba erwähnt, dass sie die Dichtkunst von Eadburg gelernt habe. Eadburg war aber Äbtissin von Thanet. So nimmt Muschiol eine gleichnamige Magistra in Wimborne an, vgl. ebd., 100. 100  Muschiol, Königshof, 103; Berschin, Biographie und Epochenstil, 3,260–263. 101  Sauerwein, Religiöse Identität, 54. 102  Ebd., 53 f. 103  Ebd., 55. 104  Brief 29,102–104. 105  Ebd., 29,102,22–25. 106  Ebd., 29,103,10–15.

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Anmerkungen

107  Im Gegensatz zur Autorin vertritt Sauerwein, Religiöse Identität, 56, die Ansicht, dass es nicht mehr festzustellen ist, »ob Lioba als junge Nonne bewusst auf die Mission als Lebensaufgabe hingearbeitet hat«. 108  Schilp, Norm und Wirklichkeit, 50. 109  Muschiol, Königshof, 105. 110  Vgl. auch im Folgenden Semmler, Klostervorsteherinnen, 69–73. 111  Raisch, Lioba, 61. 112  Brief 96,318–320. 113  Brief 93,314,12 f. 114  Muschiol, Königshof, 101 f. 115  Lifshitz, Women in the Anglo-Saxon Missionary Circles, 96. 116  Hugeburc, Leben Wunibalds 116,38 f. 117  Semmler, Klostervorsteherinnen, 70; Berschin, Biographie, 262. 118  Muschiol, Königshof, 106. 119  Ebd., 107. 120  Brief 76,234,14–19. 121  Semmler, Klostervorsteherinnen, 70 f. 122  Muschiol, Königshof, 108. 123  Ebd., 109. 124  Vita Sturmi 8,510,8–10. 125  Muschiol, Königshof, 108. 126  Cünnen, Nonnenwelten, 112. 127  Muschiol, ebd., 107. 128  Bitel, Women in Early Medieval Europe, 144. 129  von Padberg, Bonifatius, 56. 130  Vita Wunibalds 116,38–39. 131  Ebd., 107,1; 134,108,21; 140,111,15– 16; 152. 132  Brief 73,212–226, hier: 73,212,23f. 133  Ebd., 73,214,1–22. 134  Ebd., 73,214,30–33; 216,1–6. 135  Brief 73,218,25–29. 136  Ebd., 318,30–320,6. 137  Ennen, Frauen im Mittelalter, 43.

138  Brief 73,220,30–35. 139  Brief 73,222,4–8. 140  Brief 75,232,2–4. 141  Brief 75,230,26–32. 142  Brief 74,228–230. 143  Seneca, Über die Standhaftigkeit des Weisen, 14,1. 144  CIL VI 34060. 145  Jensen, Frauen im frühen Christentum, S. XLIV f. 146  Jensen, ebd., S. XLVII. 147  Brief 26,90,17–22. 148  Willibald, Vita 7,502,28–30. 149  Angenendt, Frühmittelalter, 282. 150  von Padberg, Mission und Christianisierung, 339. 151  Brief 73,222,1–8. 152  von Padberg, Mission und Christianisierung, 319. 153  Brief 26,92,8–12. 154  Willibald Vita 8,520,6–10; Mainz blieb Zwischenstation auf der Reise der sterblichen Überreste des Bonifatius, die schließlich Mitte Juli 754 in der Klosterkirche von Fulda endete; von Padberg, Bonifatius, 107–110. 155  Willibald, Vita 8,520,4 f. 156  Nolte, Conversio, 305 f. IV. Reformen und Rückschläge 1  Brief 50,142,6–144,7. Dazu Zacharias’ Antwort Brief 51,150,22–152,26. 2  Brief 68,190,24–28. 3  R. Schieffer, Die Karolinger, 54. 4  Ebd., gegen die ältere Auffassung, die Gründungen seien noch 741 unter Karl Martell erfolgt. Dazu die umfangreiche Analyse der Quellen und der zahlreichen Detailuntersuchungen bei H. Michels, Das Gründungsdatum der Bistümer Erfurt, Büraburg und Würzburg, Archiv für mittelrheinische Kirchengeschichte 39, 1987, 11–42. »Ein unbedingt zwingender Beweis scheint

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VII. Anhang

nicht möglich zu sein«: Th. Schieffer, Bonifatius, 333–335. 5  Brief 50,140,20–142,5. 6  Brief 51,150,28–31. Das Datum des Briefes und die Tatsache, dass der Papst von einer künftigen Synode schreibt, spricht in der vieldiskutierten Frage, ob das sogenannte Concilium Germanicum 742, wie im Praescript überliefert, wo erstmals in einer fränkischen Urkunde nach der Inkarnation datiert wird, oder 743 stattgefunden hat, tritt Th. Schieffer, Bonifatius, 303 f., für das das jüngere Datum ein. Er tadelt auch, dass das seit dem 18. Jahrhundert übliche Ethnikon Germanicum anachronistisch ist (ebd. 208 f.); ders., LdMA 3 (1999), s.v. Concilium Germanicum, Sp. 114 f. 7  Willibald, Vita 8,506,24–26. Der Biograph wechselt zwischen concilium und synodus; vgl. Vita 8,506,5 f. Das Praescript des Synodentextes spricht von concilium et synodum, 378,4 f. 8  Text und Übersetzung der Synode bei Rau, Briefe, 378–80. 9  Th. Schieffer, Bonifatius, 209. Zu Milo vgl. Ewig, Milo et eiusmodo similes; Nonn, Zwischen König, Hausmeier und Aristokratie, 56 f. 10  Brief 51,158,4 f. 11  R. Schieffer, Der Bischof zwischen Civitas und Königshof, 26. 12  Text und Übersetzung ebenfalls bei Rau, 382–384. 13  Text und Übersetzung bei Rau, 384–389. 14  Brief 57,166,11–13. 15  Ebd., 57,166,16. 16  Brief 58,170,18–21. 17  284,29 f. 18  Brief 57,166,16–18; Hausmeier und Papst benutzen beide das Verb constituere.

19  Brief 58,172,23–30. 20  von Padberg, Bonifatius, 70. 21  Nonn, Zwischen König, Hausmeier und Aristokratie, 56. 22  von Padberg, Bonifatius, 72. 23  Brief 63,190,6–16; 86,288,22–37. 24  Brief 87,298,7 f. 25  Ebd., 87,298,7–11. 26  Willibald, Vita 8,506,22–24. 27  Zacharias, Brief 58,170,22–27. Der Brief ist vom 5. November 744. Die Anliegen von Bonifatius erschließen sich aus der Antwort des Papstes. 28  Ebd., 58,172,5. 29  Ebd., 58,170,28–172,15. 30  Ebd., 58,172,13–15. 31  Mt 5,37. 32  Brief 58,172,23–30. 33  Ebd., 58,172,16–22. 34  Brief 60,178,1–10. 35  Vita Gregorii 58; zitiert nach von Padberg, Bonifatius, 74. 36  Kanon VII, 386,26f. Rau. 37  Das Protokoll der Synode und die Dokumente mit Übersetzung bei Rau, 394–415. Zu ihrer Aufbewahrung im päpstlichen Archiv und die Abschrift an Bonifatius, vgl. Brief 60,180,6–12. 38  Zur Klosterhaft umfassend bis in die Zeit Gregors des Großen, vgl. Hillner, Prison, Punishment and Penance in Late Antiquity, 281–341. 39  396,21 f. (Rau). 40  Bonifatius’ Brief wird in den Akten der Römischen Synode zitiert: 396,27– 402,7 (Rau). 41  404,11–19 (Rau). 42  404,35–406,11 (Rau). 43  409,31–33 (Rau). 44  Henoch 9,1. Als Gottesbote erscheint er noch öfter, vgl. ebd., 10,2; 21,5; ferner im apokryphen 4. Buch Esra 4,1. 45  Oracula Sibyllina 2,229.

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Anmerkungen

46  410,15–31 (Rau). 47  Borst, Lebensformen im Mittelalter, 512–525; Gurjewitsch, Mittelalterliche Volkskultur, 108–120; Berger, Aldebert und Clemens, 6–31. 48  Brief 60,180,9–12. 49  Brief 62. 50  Ebd., 62,186,20–22 51  Ebd., 62,186,22–24. 52  Brief 77,286,15–25. 53  Ebd., 77,236,26–238,6. 54  Die vierte Vita Bonifatii berichtet ausführlich darüber: 1,90–92, Levison; ferner Othlo, 1,40–42; 154–156, Levison. 55  von Padberg, Bonifatius, 74. 56  Brief 60,180,13–16. 57  Brief 87,298,16–22; 300,13–20. 58  Vierte Vita 1,92,34–93,3 Levison. 59  Brief 68,190,6–16; 68,288,29–34. 60  Brief 80,266,30–33. 61  Heid, Der vereinnahmte Bonifatius, 242. 62  Ebd. 63  Brief 68. 64  Brief 80,266,23–268,13; vgl. Th. Schieffer, Bonifatius, 246. 65  Ebd., 80,268,16–33. 66  Concilium Germanicum, Kanon VIIb, 380,32 f.; Synode von Estiennes, Kanon Ic, 382,10 f.; vgl. Willibald, Vita 2,468 f. 67  Fried, Karl der Große, 61, vermutet auch politische Gründe für Karlmanns Rückzug ins Kloster. Er sei von seinem jüngeren Bruder Pippin von der Macht verdrängt worden. 68  Brief 86,290,10–14 69  Kölzer, Bonifatius und Fulda, 28 f. 70  von Padberg, Bonifatius, 69; Aaij, The Boniface Correspondence, 131 f.; Clay, Boniface in Hessia and Thuringia, 287–289. 71  Brief 86,290,14–17.

72  Brief 87,294,6–18. 73  Brief 89 vom November 751; Ewig, Handbuch der Kirchengeschichte, 3,1,18. 74  Der nicht erhaltene Briefschluss, in dem Bonifatius um das Exemtionsprivileg gebeten hat, lässt sich aus der Antwort des Papstes herauslesen; vgl. Geuenich, Bonifatius und »sein« Kloster Fulda, 299 f. 75  von Padberg, Bonifatius, 69. Allerdings ist die Historizität von Zacharias’ Privileg umstritten, vgl. Aaij, ebd., 127; 132; Raaijmakeers, Imitemur nos, qui alumni eius sumus: Boniface's Nach­ leben in Early Medieval Fulda, 383. 76  Willibald, Vita 8,508,14. 77  Kehl, Kult und Nachleben des heiligen Bonifatius. 78  Brief 86,290,21. 79  Brief 87,292,11–17. 80  Brief 86,288,9–16. 81  Text und Übersetzung von Eigils Vita Sturmi von P. Engelbert, Fuldaer Geschichtsblätter 56, 1980, 17–49. Dazu Berschin, Biographie und Epochenstil 3,27–41. 82  Dazu ausführlich Geuenich, Bonifatius und »sein« Kloster Fulda, 295–301. 83  Heinemeyer, Die Gründung des Klosters Fulda, 27. 84  Ebd. 85  Vita Sturmi 15–16,34–37. 86  Geuenich, ebd., 298. 87  Willibald, Vita 8,510,8–10. 88  Heinemeyer, ebd., 29. 89  Ebd., 45. 90  Ebd., 8,520,24f. 91  Ebd., 8,520,26–522,1–5. 92  von Padberg, Bonifatius, 70. 93  Brief 51,154,1–21. 94  Brief 60,176,3–5; 180,30–34. 95  Ebd., 60,176,13–17.

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VII. Anhang

96  Ebd., 60,176,17 f. 97  Ebd., 60,176,19–24. 98  Ebd., 60,180,17–29; Brief 61,184,21– 23. 99  Brief 80,268,22–25. 100  Brief 82,274,21–26. 101  Ebd., 82,272,25. 102  Ebd., 82,274,30–35. 103  Brief 61,182,24–28. 104  Heinemeyer, ebd., 38. 105  Willibald, Vita 8,504,14–16. 106  Brief 80,268,29–270,2. 107  Willibald, Vita 8,508,17–22. 108  Brief 86,288,9–20; 87,294,19. 109  Brief 90,308,2–7. 110  Ebd., 90,308,11–14. 111  Ebd., 90,308,23–25. 112  Annales regni Francorum zum Jahr 749. 113  Brief 77,236,15–25. R. Schieffer, Christianisierung und Reichsbildung, 33, bezweifelt die pointierten Worte des Papstes, die erst 40 Jahre nach dem Ereignis in den Reichsannalen erscheinen. 114  von Padberg, Bonifatius, 77 f. 115  Brief 108,334,17–24. 116  Brief 78,250,14–19. 117  von Padberg, Bonifatius, 80 f.; 84. 118  Brief 83,278,16–20. 119  von Padberg, Bonifatius, 82. 120  Umfassend zu Pippins »Staatsstreich« vgl. den von M. Becher herausgegebenen Sammelband Der Dynastiewechsel von 751. Für R. Schieffer, Christianisierung und Reichsbildung, 33, bleibt es offen, ob die Bischöfe Pippin salbten oder nur segneten. 121  Brief 93,312–314. 122  Ebd., 93,314,25–30. 123  Willibald, Vita 8,508,14–17. 124  Brief 108,338,15–21. 125  Rau, 388, Anm. 3 zu Brief 108. 126  Ebd., 338,1–14.

127  Brief 107,336,11–15. 128  Th. Schieffer, Bonifatius, 271.Eigil, Vita Sturmi 15, geht von zwei Reisen aus, dazwischen war der Winteraufenthalt in Utrecht. 129  Th. Schieffer, Bonifatius, 277. 130  Brief 88; R. Schieffer, Die Karolinger, 60–62. 131  Becher, Karl der Große, 39. 132  Brief 84,284,17–20. 133  Brief 54,164,18–20. 134  Willibald, Vita 8,512,3–5. 135  Ebd., 8,508,25 f. 136  In: Ronconi, in: RAC 6 (1966), s.v. exitus illustrium virorum, Sp. 1258–1268. 137  Willibald, Vita 8,508,30–510,6. 138  Ebd., 8,510,8–10. 139  Ebd., 8,510,12–18. 140  Ebd., 8,512,3–10. 141  Godlove, The first Life of Boniface, 168. 142  Ebd., 8,510,18–24. 143  Ebd., 8,510,31–512,3. 144  Ebd., 8,510,24–26. 145  Ebd., 8,512,19–24. Das Tagesdatum in der Vita altera 15 und in den dort zitierten vier Hexametern, die (in Fulda) bei seiner Grablegung gesungen wurden. 146  Willibald, Vita 8,512,15–514,8. 147  Godlove, The First Life of Boniface, 169. 148  Brief 15,60,28–62,2. 149  Eusebius, Kirchengeschichte 5,1,55. 150  Willibald, Vita 8,514,8–24. 151  von Padberg, Bonifatius, 104. 152  378,23–30; 386,6 f. Rau. 153  Willibald, Vita 8,512,26–28; 514,22–24. 154  Ebd., 514,25 f. 155  Godlove, The First Live of Boniface, 166.

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Anmerkungen

156  Willibald, Vita 8,516,19–23. 157  Vita alterra 17,17, Levison. 158  Von Padberg, Bonifatius,105. 159  Ebd. 160  von Padberg, Bonifatius, 102. 161  Ausgiebig vertritt diese These Becht-Jördens, Die Einordnung des Erzbischofs Bonifatius, 95–132. 162  von Padberg, Bonifatius, 102. 163  Ebd., 516,31–518,12; Godlove, The First Life of Boniface, 171. 164  Godlove, The First Life of Boniface, 170 f. V. Leben aus dem Wort 1  J. Sudbrack, in: LThK 9 (2006), s.v. Spiritualität. I. Begriff, Sp. 852 f.; vgl. ausführlich von Padberg, Mission und Christianisierung, 61–68. 2  Zur Peregrinatio, vgl. Löwe, Westliche Peregrinatio und Mission. 3  von Padberg, Mission und Christianisierung, 62. 4  Rottloff, ebd., 17. 5  Brief 78. 6  Brief 78,252,30–254,6. 7  Ebd., 254,7 f. 8  Ebd., 254,14–16. 9  Ebd., 254,16–18; Jesaja 5,22. 10  Brief 91,312,15–17. 11  Brief 78,242,1 f.; 10 f. ; Konzil von Soissons, Kanon 3g, 387,8f. Rau. 12  Brief 105,332,21–29. 13  Brief 105,332,8–10. 14  J. Weismayer, in: LThK 9 (2006), s.v. Spiritualität. III. Historisch-theologisch, Sp. 853–856. 15  von Padberg, Bonifatius, 38. 16  Zur Grammatik, 364,28–30 (Rau). 17  Ebd., 364,27. 18  Willibald, Vita 1,460,9. 19  von Padberg, Bonifatius, 39. 20  Vgl. Th. Schieffer, Winfrid-Bonifatius, 264–266.

21  von Padberg, Grundzüge der Missionstheologie, 191. 22  Mt 28,19 f. 23  Die Merksätze finden sich im Kapitel 4 der Regula Benedicti: 21; 22; 24; 36–39; 74. 24  Brief 106,334,7–31. 25  Unter anderen verbrachte Sturmi, der erste Abt im Kloster Fulda, ein Jahr (747/748) in Rom und Montecassino; vgl. Th. Schieffer, Winfrid-Bonifatius, 223 f. 26  Lortz, Untersuchungen, 200, verweist auf die »Formgewandtheit« der Briefe des Bonifatius. Der Kontext zeige aber oft »die Fülle des inneren Lebens«. 27  Vgl. Brief 90, Trostbrief von Kardinalbischof Benedictus an Bonifatius, November 751: »Sein Wortlaut (im vorangegangenen Brief des Bonifatius) besagte, du seiest niedergeschlagen durch zahlreiche Schwierigkeiten und Verwirrungen, die ausgingen von Menschen, die Gott nicht fürchten, von falschen Bischöfen und falschen Priestern, von unzüchtigen Geistlichen, von ihren schlechten Handlungen und ihren verkehrten Maßnahmen, wie auch seitens der Heiden mit ihrer Feindschaft und Verfolgung.« Ferner Brief 78,242,26–244,4; von Padberg, Bonifatius, 117 ff. 28  Brief Brief 63,188,20–22. 29  Ebd., 188,22–25; 190,6–16. 30  Brief 50,146,10–148,11. 31  Ebd., 146,14–19. 32  Brief 51,156,4–20. 33  Brief 104,328.12–14; Joh. 15,12. 34  Brief 106,334,11f. Die Einheitsübersetzung (2016) übersetzt: »Vor allem haltet beharrlich fest an der Liebe zueinander; denn die Liebe deckt viele Sünden zu.«

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VII. Anhang

35  Eine Abbildung bei Rau, Briefe 366; vgl. Adler / Ernst, Text als Figur, 33 f. Mit Aldhelm von Malmesbury, der von 640 bis 709 lebte und die lateinische Literatur in seiner Heimat zu neuer Größe führte, verließ die Gattung ihr bisheriges Nischendasein. Doch erst Bonifatius, der in der Tradition Aldhelms schrieb, machte die Figurendichtung berühmt. 36  Angenendt, Geschichte der Religiosität im Mittelalter, 21. 37  Zur Grammatik, zitiert nach Rau, Briefe, 364,28–32. 38  Vgl. Lortz, Untersuchungen, 208. 39  von Padberg, Bonifatius, 118: »[…] und weil Rom für ihn der irdische Hort göttlicher Weisheit war, folgte er den Anweisungen des Kirchenrechts und der Päpste punktgenau. Insofern war Bonifatius autoritätshörig. Das ließ ihn einerseits in Abhängigkeit von Herrschern geraten und veranlasste ihn andererseits zu höchst autoritärem Verhalten seinen Mitarbeitern und vor allem jenen gegenüber, die nicht so glaubten, wie es seiner Meinung nach zu sein hatte.« 40  Brief 108,338,1–6. 41  Ebd., 338,7 f. 42  Ebd., 338,10–14. 43  Brief 78,250,32–34. 44  Große Kirchenväter wie Clemens von Alexandria, Origenes, Cyprian und Laktanz versuchten, die Martyriumsbegeisterung zu unterbinden und die Gruppe der Märtyrer auf diejenigen zu beschränken, die Leiden und Tod in einer Verfolgung erlitten. Aber ihre Bemühungen vermochten den Enthusiasmus nicht zu unterbinden. Gegen Ende des 4. Jahrhunderts bemerkte Sulpicius Severus, dass die Märtyrer den Tod inständiger verlangten als Kleriker die

Bischofswürde; vgl. Bowersock, Martyrdom and Rome, 4. 45 Zur Grammatik, 364,30–32 Rau, Briefe, 365. 46  Brief 91,310,11. 47  Brief 30,104,25–29. 48  Ebd. 49  Zur Problematik, vgl. Smolak, Formel und Freundschaft, 95. Smolak zufolge verbietet der hohe Anteil »literarischer Konvention« im Briefwerk des Bonifatius einen Einblick in die Gefühlswelt. Auf der anderen Seite seien nicht alle Briefe im Sinn von Musterbriefen fiktiv. Anders urteilt Lortz, Untersuchungen, 240, der warnt, von den literarischen Formeln auf seelische Erstarrung zu schließen. 50  2 Kor 12,10, zitiert im Brief 94,316,28 f.; ferner Brief 66,206,18 f. 51  Brief 27,94,25–32. 52  von Padberg, Bonifatius, 86. 53  Brief 87,292,24–26. 54  Brief 64,198,25–200,6. 55  Ebd., 200,13–17. 56  Ebd., 202,19. 57  Brief 87,298,12–16. 58  von Padberg, Mission und Christianisierung, 69. 59  Brief 78,238,17 f.; 24–27. 60  Ebd., 240,6–8. 61  Brief 63,192,24–27. 62  Ebd., 192,30–194,5. 63  Brief 94,318,3 f. 64  Brief 78,238,15 f. 65  von Padberg, Die Inszenierung religiöser Konfrontationen, 333. 66  Brief 78,238,18 f. 67  Ebd., 240,1–4. 68  Ebd., 240,8–10. 69  Ebd., 240,16–242,25. 70  Noethlichs, Materialien zum Bischofsbild aus den spätantiken Rechtsquellen, 37.

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Anmerkungen

71  Noethlichs, ebd., 49; Cyprian, Brief 67,3,6. 72  Brief 78,248,28–250,2. 73  Julianus Pomerius, De vita contemplativa, um 500; vgl. Rau, Briefe, 242 f., Anm. 8. 74  Brief 78,242,29–244,4. 75  Brief 78,244,19–23. 76  Ebd., 250,29–31: Mt 11,30. 77  Ebd., 250,34; 252,1–4. Die Mietlinge, die vor dem Wolf fliehen, sind biblische Anspielungen: Jesaja 56,10; Johannes 10,13; der Zusatz »gelegen oder ungelegen« verweist auf 2 Timotheus 4,2. Seine Berufsbeschreibung für Bischöfe hat Bonifatius Gregorius (I.) und seinem Regulae pastoralis liber 2,4 entlehnt. 78  Ebd., 238,20; 22. 79  Ebd., 254,23–26. 80  Ebd., 254,27 f. VI. Ein »europäischer« Heiliger 1  Willibald, Vita 8,510,8–10. 2  K. Jäschke, Bonifatius (Winfrith), in: TRE 7, 1981, 69–74, hier 73. 3  J. Rosen, Martin von Tours, 199–202. 4  Vita, Vorwort 456,16–27. Von den Dialogen sagt er ausdrücklich, dass sie »bis zum heutigen Tag den Klosterbibliotheken eingereiht« sind. Die griechischen Werke des Eusebius und des aus dessen Zitaten überlieferten Hegesipp kannte er nur dem Namen nach. 5  Willibald, Vita 8,518,13–20. 6  Brief 109,340,12–22. 7  Vita altera Bonifatii, 3–4,64 f.; 22,78 Levison mit dessen Einleitung S. XLVIII–LVI. 8  Berschin, Biographie und Epochenstil, 16. Ausführliche Interpretation von Godlove, The Later Medieval Vitae Bonifatii, 175–184.

9  Zitiert nach Berschin, ebd., 15. 10  Berschin, ebd., 16. 11  Vita Sturmi 15. Engelbert. 12  Willibald, Vita 8,518,33–37. 13  Ebd., 518,37–520,2. 14  Vita Sturmi, 15 f., 35 f. Engelbert. 15  Mostert, Bonifatius in Frisia, 351. 16  Willibald, Vita 8,510,8–10. 17  Mainzer Ansprüche gegen Fulda sollten später das Verhältnis zwischen Abtei und Bistum trüben. von Padberg, Bonifatius, 109, sieht die Verantwortung bei den Mainzer Gläubigen, die ihren Bonifatius behalten wollten. 18  Vita Sturmi 16. 19  Ebd. 20  Willibald, Vita 8,520,24–27. 21  Vita Sturmi 24,46. 22  K. Rosen, Augustinus. Genie und Heiliger, Darmstadt 20172, 216. 23  Brief 111,344,33–346,1–3. 24  Ebd., 344,14–20. 25  Ebd., 348,26–29. 26  Ebd., 348,1–7. 27  Brief 112,350,30–352,1, vgl. auch Anm. 2, 351. 28  Ebd., 352,3–6. 29  Ebd., 352,20–27. 30  Brief 112,252,17–19. 31  Kehl, Veneration, 378 32  Willibald, Vita 9,522,20–24. 33  Ebd., 524,2–21. 34  von Padberg, Bonifatius, 111. 35  Kehl, Veneration, 378. 36  Kehl, ebd., 375. 37  Ebd., 376. 38  Xantener Annalen zum Jahr 861, 352. 39  Vita quarta Bonifatii, 3,95,19–21 Levison. 40  Kehl, ebd., 377, für eine vollständige Liste der Gotteshäuser mit Bonifatius-Reliquien. 41  von Padberg, Bonifatius, 111.

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VII. Anhang

42  Störmer, Bonifatius, in: Abeln, Bonifatius, 48 f. 43  Kehl, ebd., 377. 44  Ebd. 45  Kehl, ebd., 211, Felten, ebd., 30, Heid, ebd., 244. 46  Zitiert nach Heid, Der vereinnahmte Bonifatius, 244. 47  Zitiert nach Heid, ebd. 48  von Padberg, Bonifatius, 115. 49  Ebd. 50  Heid, ebd., 245. 51  Ebd., 245 f. 52  Heid, ebd., 249. 53  Heid, ebd., 248. 54  Lehmann, »Geht hinaus […]«, 194. 55  Heid, ebd., 248. 56  Müller, Jubiläen, 126. 57  Von Ketteler, Hirtenbrief 1855, zitiert nach Heid, ebd., 250. 58  Heid, ebd., 252. 59  G. Pfahler, St. Bonifacius und seine Zeit, Regensburg 1880, 321; zitiert nach Heid, ebd., 253. 60  Heid, ebd. 254. 61  Zitiert nach Heid, ebd., 253. 62  Heid, ebd., 247. 63  Ebd. 64  Ebd., 248. 65  Herres, Städtische Gesellschaft, 14. 66  Th. Legge, Bonifatiusverein, in: LThK 2 (1931), s.v. Bonifatiusverein, 461 f. 67  Gründerin des französischen Vorbilds (1822) war Pauline Marie Jaricot mit ihrem Werk der Glaubensverbreitung. 68  Heinrich Hahn, Die christliche Liebe in der katholischen Kirche, J. Bündgens / A. Küppers (Hrsgg.), Christliche Sozialethik in Quellentexten, P. Schallenberg (Hrsg.), Paderborn 2014, 218 f.

69  J. Rosen, Auguste und die Sternsinger. Ein Mädchen schreibt Geschichte, Darmstadt 2022. 70  Zitiert nach F. Baeumker, Dr. med. Heinrich Hahn. Ein Apostel im Laienkleide 1800–1882. Ein Zeit- und Lebensbild erstmalig auf Grund der Quellen dargestellt, Aachen 1930, 94. 71  Ausführlich dazu Heid, ebd., 254–272. 72  Aaij, Popular Veneration, 437–446. 73  Braun, Die Bonifatius-Jubiläen in Mainz, 144. 74  Zitiert nach Braun, ebd., 151. 75  von Padberg, Bonifatius, 113. 76  Lehmann, »Geht hinaus […]«, 207 f. 77  von Padberg, Christianisierung im Mittelalter, 162. 78  Willibald, Vita 6,496,27–31. 79  Berschin, Biographie und Epochenstil, 13.

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Quellen und Literatur

Quellen und Literatur Die Fülle der Bonifatius-Literatur ist kaum noch zu überblicken. Daher bietet das Quellen- und Literaturverzeichnis die im Text zitierten antiken und modernen Autoren, falls sie nicht im Einzelfall wie bei Lexikonartikeln vollständig in den Anmerkungen angegeben werden.

Abkürzungen CCL

Corpus Christianorum. Series Latina, Turnhout 1954 ff.

CIL

Corpus Inscriptionum Latinarum, Berlin 1883 ff.

CSEL

Corpus Scriptorum Ecclesiasticorum Latinorum, Wien 1866 ff.

LACL

Lexikon der antiken christlichen Literatur, S. Döpp / W. Geerlings (Hrsgg.), 3. vollständig neu bearbeitete und erweiterte Auflage, Freiburg im Breisgau – Basel – Wien 2002

LCI

Lexikon der christlichen Ikonographie, begründet von E. Kirschbaum SJ / W. Braunfels (Hrsgg.), 8 Bde., Freiburg u. a. 1968–1976, ND 1994

LdMA

Lexikon des Mittealters 1–9, Stuttgart – Weimar 1977–1999, ND 1999

LThk

Lexikon für Theologie und Kirche, 3. vollständig neu bearbeitete Auflage, W. Kasper u. a. (Hrsgg.), 11 Bde. und 1 Abkürzungsverzeichnis, Freiburg im Breisgau 1993–2001

MGH AA

Monumenta Germaniae Historica. Auctores Antiquissimi 1–15, Berlin 1877–1919, ND 1961

MGH SS rer Mer Monumenta Germaniae Historica. Scriptores rerum Merowingicarum 1–7, B. Krusch / W. Levison (Hrsgg.), Hannover 1884–1920, ND 1977–1992 MGH SS

Monumenta Germaniae Historica, Scriptores, Nova Series 1922 ff.

RAC

Reallexikon für Antike und Christentum, Th. Klauser u. a. (Hrsgg.), Stuttgart 1950 ff.

RE

Paulys Realencyklopädie der classischen Altertumswissenschaft, neue Bearbeitung von G. Wissowa u. a., 1. Reihe: 49 Bde., 2. Reihe: 19 Bde., 15 Supplement-Bde., Stuttgart – München 1893–1978

RGA

Reallexikon der Germanischen Altertumskunde, 35 Bde., H. Beck u. a. (Hrsgg.), Berlin – New York 1973–2007

TRE

Theologische Realenzyklopädie, G. Krause u. a. (Hrsgg.) in Gemeinschaft mit H. R. Balz u. a., 36 Bde. und 4 Register-Bde., Berlin – New York 1976–2004

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VII. Anhang

Quellen Agathias Agathiae Myrinaaei historiarum libri quinque, Corpus fontium historiae Byzantinae 2, Series Beroliniensis, R. Keydell (Hrsg.), Berlin 1967 Athanasius Athanasee d’Alexandrie, Vie d’Antoine, Introduction, Texte critique, traduction, notes et index, G. J. M. Bartelink (Hrsg.), Source Chrétiennes 400, Paris 1994 Beda Venerabilis Beda, der Ehrwürdige, Kirchengeschichte des Englischen Volkes, Lateinisch und Deutsch, G. Spitzbart (Hrsg.), nach der Edition von B. Colgrave und R. A. B. G. ­Myners ins Deutsche übersetzt, mit Einleitung, Anmerkungen, Index und Glossar, ND Darmstadt 2009 Benediktregel Benedicti regula, R. Hanslik (Hrsg.), CSEL 75, Wien 19772 Bonifatius Briefe des Bonifatius. Willibalds Leben des Bonifatius nebst einigen zeitgenössischen Dokumenten, R. Rau (Hrsg.), Ausgewählte Quellen zur deutschen Geschichte des Mittelalters, Freiherr vom Stein-Gedächtnisausgabe 4b, Darmstadt 1968, 20113 Aenigmata Bonifatii, M. de Marco (Hrsg.), Tatuini opera omnia, Variae collectiones aenigmatum Merovingicae aetatis, CCL 133, Turnhout 1968, 271–343 Bonifatii (Wynfreth) Ars grammatica, G. J. Gebauer / B. Löfstedt (Hrsgg.), CCL 133 B, Turnhout 1980 Bonifatii (Wynfreth) Ars metrica, B. Löfstedt (Hrsg.), CCL 133 B, Appendix 102–113, Turnhout 1980 Vitae Sancti Bonifatii Archiepiscopi Moguntini, W. Levison (Hrsg.), Scriptores rerum Germanicarum in usum scholarum, Hannover – Leipzig 1905 Collectio Avellana Epistulae imperatorum, pontificum, aliorum inde ab a. CCCLXVII usque ad a. DLIII datae, Avellana quae dicitur collectio, CSEL 35, 1–2, O. Günther (Hrsg.), Prag – Wien – Leipzig 1895–1898 Dekrete der ökumenischen Konzilien Conciliorum oecumenicorum decreta – Dekrete der ökumenischen Konzilien 1, Konzilien des ersten Jahrtausends. Vom Konzil von Nizäa (325) bis zum Vierten Konzil von Konstantinopel (869/70), J. Wohlmuth (Hrsg.), Darmstadt 2022 Eigil Eigil, Das Leben des Abtes Sturmi, (Lateinischer Text mit deutscher Übersetzung), P. Engelbert (Hrsg.), in: Fuldaer Geschichtsblätter 56, 1980, 17–49

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Quellen und Literatur

Geschichte der Franken Liber Historiae Francorum, Quellen zur Geschichte des 7. und 8. Jahrhunderts. Ausgewählte Quellen zur deutschen Geschichte des Mittelalters, Freiherr vom Stein – Gedächtnisausgabe 4a, H. Wolfram / H. Haupt (Hrsgg.), Darmstadt 1982, 327–379 Annales regni Francorum – Die Reichsannalen, Quellen zur karolingischen Reichsgeschichte, Erster Teil, Ausgewählte Quellen zur deutschen Geschichte des Mittelalters, Freiherr-vom-Stein-Gedächtnisausgabe 5, R. Rau (Hrsg.), Darmstadt 1955, 9–155. Gregor von Tours Gregor von Tours, Zehn Bücher Geschichten 1–2, R. Buchner (Hrsg.), Darmstadt 20008 Lioba Vita Leobae Abbatissae Biscofesheimensis auctore Rudolfo Fuldensi, G. Waitz (Hrsg.), in: MGH SS 15/1, Hannover 1887, ND 1992, 118–131 Liudger von Münster, Vita Gregorii Vita Gregorii, MGH SS 15,1, O. Holder-Egger (Hrsg.), Hannover 1887, ND 1992, 63–79 Martin von Tours Sulpicius Severus, Vita sancti Martini. Das Leben des heiligen Martin, Lateinisch / Deutsch, G. Huber-Rebenich (Hrsg.), Stuttgart 2010 Mombritius B. Mombritius, Sanctuarium seu Vitae Sanctorum 1–2, Paris 1910, ND Hildesheim New York 1978. Prosper Tiro Prosper Tiro, Epitoma Chronicon, MGH AA, Bd. 9, Chronica minora 1,472, Nr. 1301 Walburga Ex Miraculis S. Waldburgis auctore Presbytero Wolfhardo, O. Holder-Egger (Hrsg.), in: MGH SS 15/1, Hannover 1887, ND 1992, 535–555 Willibald und Wunibald Vita Willibaldi, Vita Wunibaldi, A. Bauch (Hrsg.), Quellen zur Geschichte der Diözese Eichstätt 1, Biographien der Gründerzeit, Regensburg 19842

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VII. Anhang

Literatur Aaij, M. / Godlove, S. (Hrsgg.), A Companion to Boniface, Brill’s Companions to the Christian Tradition 92, A Series of Handbooks and Reference Works on the Intellectual and Religious Life of Europe, 500–1800, C. M. Bellitto (Hrsg.), Leiden – Boston 2020 Aaij, M., The Boniface Correspondence, in: A Companion to Boniface, M. Aaij / S. Godlove (Hrsgg.), Leiden – Boston 2020, 123–151 Aaij, M., Popular Verneration and the Image of Boniface in Modern Era, in: A Companion to Boniface, M. Aaij / S. Godlove (Hrsgg.), Leiden – Boston 2020, 437–446 Abeln, R. (Hrsg.), Bonifatius. Apostel der Deutschen, Bonifatiuswerk der deutschen Katholiken, Paderborn 2009 Adler, J. / Ernst, U., Text als Figur. Visuelle Poesie von der Antike bis zur Moderne, Weinheim 19882 von Albrecht, M., Das Buch der Verwandlungen. Ovid-Interpretationen, Düsseldorf – Zürich 2000 Angenendt, A., Bonifatius und das Sacramentum initiationis. Zugleich ein Beitrag zur Geschichte der Firmung, in: Römische Quartalschrift 72, 1977, 133–183 Angenendt, A., Geschichte der Religiosität im Mittelalter, Darmstadt 1997 Angenendt, A., Das Frühmittelalter. Die abendländische Christenheit von 400– 900, Stuttgart – Berlin – Köln 20013 Angenendt, A., Grundformen der Frömmigkeit im Mittelalter, Enzyklopädie deutscher Geschichte 68, München 2003 Angenendt, A., Monotheismus und Gewaltmission, in: Bonifatius – Leben und Nachwirken. Die Gestaltung des christlichen Europa, J. Felten u. a. (Hrsgg.), Quellen und Abhandlungen zur mittelrheinischen Kirchengeschichte 121, Mainz 2007, 39–81 Backe-Dahmen, A., Die Welt der Kinder in der Antike, Mainz am Rhein 2008 Bächthold-Stäubli, H., Handwörterbuch des deutschen Aberglaubens 2, Berlin – Leipzig 19303, ND Berlin 2000 Baltrusch-Schneider, D. B., Klosterleben als alternative Lebensform zur Ehe?, in: Weibliche Lebenswelten im frühen Mittelalter, H.-W. Goetz (Hrsg.), Köln u. a. 1991, 45–64 Baltrusch-Schneider, D. B., Die angelsächsischen Doppelklöster, in: Doppelklöster und andere Formen der Symbiose männlicher und weiblicher Religiosen im Mittelalter, K. Elm / M. Parisse (Hrsgg.), Berliner Historische Studien 18, Ordensstudien 8, Berlin 1992, 57–79 Becher, M. / Jarnut, J. (Hrsgg.), Der Dynastiewechsel von 751. Vorgeschichte, Legitimationsstrategien und Erinnerung, Münster 2004 Becher, M., Karl der Große, durchgesehene und aktualisierte Auflage, München 20217 Becht-Jördens, G., Die Ermordung des Erzbischofs Bonifatius durch die Friesen. Suche und Ausgestaltung eines Martyriums aus kirchenpolitischer Notwendigkeit, Archiv für mittelrheinische Kirchengeschichte 57, 2005, 95–132 260

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Quellen und Literatur

Béranger, J., Recherches sur l’aspet idéologique du principat, Basel 1953 Berger, J., Aldebert und Clemens. Ein Blick in die Quellen, aventinus mediaevalia 15, [20.2.2011]/PerspektivRäume Jg. 1, H. 2, 6–31, in: aventinus, ULR: http:/ www.aventinus-online.de/no_cache/persistent/artikel/8467/ (6.9.2022). Berschin, W., Biographie und Epochenstil im lateinischen Mittelalter III. Karolingische Biographie 750–920 nach Christus, Quellen und Untersuchungen zur lateinischen Philologie des Mittelalters 10, Stuttgart 1991 Bitel, L. M., Women in Early Medieval Europe 400–1100, Cambridge – New York 2002 Bonifatiuswerk der deutschen Katholiken (Hrsg.), St. Bonifatius. 754–2004, Paderborn 20032 Borst, A., Lebensformen im Mittelalter, Frankfurt am Main – Berlin 1973 u. a Bowersock, G. W., Martyrdom and Rome, Cambridge Mass. 1995 Brachtendorf, J., De trintate (über die Dreifaltigkeit), in: Augustinus Handbuch, V. H. Drecoll (Hrsg.), Tübingen 2007, 363–377 Braun, H.-J., Die Bonifatius-Jubiläen in Mainz, in: F. J. Felten (Hrsg.), Mission und Christianisierung vom 8. bis ins 20. Jahrhundert, Stuttgart 2004, 131–154 Brown, P. Die Entstehung des christlichen Europa, Mainzer Vorträge 9, München 1996 u. a. Bulst, W., Hymni Latini antiquissimi LXXV. Psalmi III, Heidelberg 1956 Campbell, J. (Hrsg.), The Anglo-Saxons, Oxford 1982 Classen, A., Frauenbriefe an Bonifatius. Frühmittelalterliche Literaturdenkmäler aus literarhistorischer Sicht, Archiv für Kulturgeschichte 72/2, 1990, 251–274 Clauss, M., Ein neuer Gott für die Welt. Geschichte des frühen Christentums, Berlin 2015 Clay, J.-H., Boniface in Hessia and Thuringia, in: A Companion to Boniface, M. Aaij / S. Godlove (Hrsgg.), Leiden – Boston 2020, 270–298 Cünnen, J., Fiktionale Nonnenwelten. Angelsächsische Frauenbriefe des 8. und 9. Jahrhunderts, Heidelberg 2000 Curtius, E. R., Europäische Literatur und lateinisches Mittelalter, Bern – München 19655 Dassmann, E., Die Anfänge der Kirche in Deutschland. Von der Spätantike bis zur frühfränkischen Zeit, Stuttgart – Berlin – Köln 1993 Demandt, K. E., Die Geschichte des Landes Hessen, Kassel 19722 Dickerhof, H., Zum monastischen Gepräge des Bonifatius-Kreises, Sammelblatt des Historischen Vereins Eichstätt 71/72, 1978/1979, 61–80. Dickie, M. W., Magic and Magicians in the Greco-Roman World, London – New York 2001, ND 2003 Diefenbach, S., »Bischofsherrschaft«. Zur Transformation der politischen Kultur im spätantiken und frühmittelalterlichen Gallien, in: Gallien in Spätantike und Frühmittelalter. Kulturgeschichte einer Region, S. Diefenbach / G. M. Müller (Hrsgg.), Millenium-Studien 43, Berlin – Boston 2013, 91–148 Ebner, M. (Hrsg.), Aus Liebe zu Paulus? Die Akte Thekla neu aufgerollt, Stuttgart 2005

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VII. Anhang

Ennen, E., Frauen im Mittelalter, München 199311 Esch-Wermeling, E., Thekla. Paulusschülerin wider Willen? Strategien der Leserlenkung in den Theklaakten, Münster 2008 Ewig, E., Spätantikes und fränkisches Gallien, Gesammelte Schriften, 1952–1973, 1–2, Beihefte der Francia, 3.1 / 3.2, H. Atsma (Hrsg.), Zürich – München 1976 und 1979, 189–219, in: Gesammelte Schriften 1974–2007, Beihefte der Francia 3.3, M. Becher / Th. Kölzer / U. Nonn (Hrsgg.), 2, Ostfildern 2009 Ewig, E., »Milo et eiusmodi similes«, in: Spätantikes und fränkisches Gallien, Gesammelte Schriften 2, 1952–1973, Zürich – München 1979, 189–219 Ewig, E., Die Merowinger und das Frankenreich, mit Literaturnachträgen von U. Nonn, 20126 Felten, F. J., (Hrsg.), Bonifatius. Apostel der Deutschen. Missionierung und Christianisierung vom 8. bis ins 20. Jahrhundert, Mainzer Vorträge 9, Stuttgart 2004 Felten, F. J. / Jarnut, J. / Padberg L. E. (Hrsgg.), Bonifatius – Leben und Nachwirken. Die Gestaltung des christlichen Europa im Frühmittelalter, Quellen und Abhandlungen zur mittelrheinischen Kirchengeschichte 121, Mainz 2007 Finger, H. (Hrsg.), Die Macht der Frauen, Studia humaniora 36, Düsseldorf 2004 Flaskamp, F., Das Geburtsjahr des Wynfrith-Bonifatius, Zeitschrift für Kirchen­ geschichte 45, 1926, 339–344 Frank, K. S., Grundzüge der Geschichte des christlichen Mönchtums, Darmstadt 20106 Fried, J., Der Weg in die Geschichte. Die Ursprünge Deutschlands bis 1024, Propyläen Geschichte Deutschlands 1, Berlin 1994 Fried, J., Karl der Große. Gewalt und Glaube, München 20143 Fritze, W. H., Universalis gentium confessio. Formeln, Träger und Wege universal-missionarischen Denkens im 7. Jahrhundert, Frühmittelalterliche Studien 3, 1969, 78–130 Gnilka, Ch., Aetas spiritalis. Die Überwindung der natürlichen Altersstufen als Ideal frühchristlichen Lebens, Theophaneia 24, Köln – Bonn 1972 Goetz, H.-W. (Hrsg.), Weibliche Lebensgestaltung im frühen Mittelalter, Köln u. a. 1991 Godlove, Sh., The Later Medieval Vitae Bonifatii, in: A Companion to Boniface, M. Aaij / Sh. Godlove (Hrsg.), Leiden – Boston 2020, 173–200 Graf, E., Gottesnähe und Schadenzauber. Die Magie in der griechisch-römischen Antike, München 1996 Gurjewitsch, A. J., Mittelalterliche Volkskultur, München 19922 Habicht, C., Die herrschende Gesellschaft in den hellenistischen Monarchien, Vierteljahresschrift für Sozial- und Wirtschaftsgeschichte 45, 1958, 1–16 Hageneier, L., Die Nachfahren Karl Martells, in: Damals. Das Magazin für ­Geschichte, Das Reich Karls des Großen, Darmstadt 2011, 9–28 Hahn, H., Bonifaz und Lul. Ihre angelsächsischen Korrespondenten, Leipzig 1883 von Harnack, A., Die Mission und Ausbreitung des Christentums in den ersten drei Jahrhunderten, Leipzig 19244, ND Wiesbaden 1981 Hartmann, L. M., Geschichte Italiens im Mittelalter, Gotha 1903, ND Hildesheim 1969 262

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Quellen und Literatur

Heid, S., Der vereinnahmte Bonifatius. Vom apostolischen Völkermissionar zum »Apostel der Deutschen«, Trierer Theologische Zeitschrift 3, 2007, 238–272 Heinemeyer, K., Die Gründung des Klosters Fulda im Rahmen der bonifatianischen Kirchenorganisation, Hessisches Jahrbuch für Landesgeschichte 30, Hessisches Landesamt für geschichtliche Landeskunde / Arbeitsgemeinschaft der Historischen Kommissionen in Darmstadt u. a. (Hrsgg.), Marburg 1980, 1–45 Hellegouarc’h, J., Le vocabulaire latin des relations et des partis politiques sous la république, Paris 1972 Hen, Y., Milites utriusque sexus. Gender and the Politics of the Conversion in the Circle of Boniface, Revue Bénédictine 109, 1999, 17–31 Herres, J., Städtische Gesellschaft und katholische Vereine im Rheinland 1840/70, Essen 1996. Hieber, H., Hl. Lioba. Erste Lehrerin Germaniens und Patronin des Taubertals. Dokumentation einer Sammlung, Tauberbischofsheim 19964 Hillner, J., Prison, Punishment and Penance in Late Antiquity, Cambridge 2015, 281–341 Hofmeister, P., Der Bischofseid gegenüber dem Staate, Münchener theologische Zeitschrift 6/3, 1955, 195–214 Jacobs, U. K., Die Regula Benedicti als Rechtsbuch. Eine rechtshistorische und rechtstheologische Untersuchung, Forschungen zur kirchlichen Rechts­ geschichte und zum Kirchenrecht 16, Köln – Wien 1987 Jäschke, K. U., in: TRE 7, 1981, s.v. Bonifatius, 69–74 Jarnut, J., Geschichte der Langobarden, Stuttgart 1982 Jedin, H. (Hrsg.), Handbuch der Kirchengeschichte, Freiburg u. a. 1962–1979 Jedin, H. / Latourette, K. S., / Martin, J. (Hrsgg.), Atlas zur Kirchengeschichte. Die christlichen Kirchen in Geschichte und Gegenwart, aktualisierte Neuausgabe von J. Martin, Freiburg u. a. 1987 Jensen, A., Thekla. Die Apostolin. Ein apokrypher Text neu entdeckt, Gütersloh 1999 Kehl, P., Kult und Nachleben des heiligen Bonifatius im Mittelalter (754–1200), Fulda 1993 Kehl, P., The Veneration of Boniface in the Middle Ages, in: A Companion to Boniface, M. Aaij / S. Godlove (Hrsgg.), Leiden – Boston 2020, 357–378 Klebel, E., Zur Geschichte des Christentums in Bayern vor Bonifatius, in: Sankt Bonifatius. Gedenkgabe zum zwölfhundertsten Todestag (754–1954), Stadt Fulda / Diözesen Fulda und Mainz (Hrsgg.), Fulda 1954, 388–411 Kluxen, K., Geschichte Englands. Von den Anfängen bis zur Gegenwart, Stuttgart 19853 Kölzer, Th., Bonifatius und Fulda, Rechtliche, diplomatische und kulturelle Aspekte, Archiv für mittelrheinische Kirchengeschichte 57, 2005, 17–45 Köhl, K., Frauen unterwegs. Pilgerinnen von der Antike bis heute, Stuttgart 2021 Lehmann, K. Kardinal, "Geht hinaus in alle Welt ...". Zum historischen Erbe und zur Gegenwartsbedeutung des hl. Bonifatius, in: Bonifatius - Leben und Nachwirken. Die Gestalt des christlichen Europa im Mittelalter, F. J. Felten / J. Jarnut / L. von Padberg (Hrsgg.), Mainz 2007. 193–209. 263

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VII. Anhang

Levison, W., Aus rheinischer und fränkischer Frühzeit. Ausgewählte Aufsätze, Düsseldorf 1948 Levison, W., Wann und weshalb wurde Wynfreth Bonifatius genannt?, in: Aus rheinischer und fränkischer Frühzeit. Ausgewählte Aufsätze, Düsseldorf 1948, 337–341 Levison, W., Beda as Historian, in: Aus rheinischer und fränkischer Frühzeit. Ausgewählte Aufsätze, Düsseldorf 1948, 347–382 Levison, W., Servus Servorum Dei, in: Aus rheinischer und fränkischer Frühzeit, Düsseldorf 1948, 264–266 Levison, W., England and the Continent in the Eighth Century, Oxford 1946, ND 1966 Lifshitz, Women in the Anglo-Saxon Missionary Circles, in: A Companion to Boniface, M. Aaij / S. Godlove (Hrsgg.), Leiden – Boston 2020, 68–96 Löwe, H. (Hrsg.), Die Iren und Europa im früheren Mittelalter, Teilband 1, Stuttgart 1982 Löwe, H., Westliche Peregrinatio und Mission, in: Religiosität und Bildung im frühen Mittelalter. Ausgewählte Aufsätze, herausgegeben und mit einer Einleitung versehen von T. Struve, Weimar 1994, 87–132 Lortz, J., Untersuchungen zur Missionsmethode und zur Frömmigkeit des heiligen Bonifatius nach seinen Briefen, in: Erneuerung und Einheit. Aufsätze zur Theo­ logie- und Kirchengeschichte aus Anlass seines 100. Geburtstages, P. Manns (Hrsg.), Stuttgart 1987, 198–269 Lutterbach, H., Bonifatius. Mit Axt und Evangelium. Eine Biographie in Briefen, Freiburg 2004 Maier, B., Inseln am Ende der Welt, in: Damals. Das Magazin für Geschichte 50, 2018/10, 16–19 Manitius, M., Geschichte der lateinischen Literatur des Mittelalters 1. Von Justinian bis zur Mitte des 10. Jahrhunderts, München 1911, ND 1974 McKitterick, R., Frauen und Schriftlichkeit im Frühmittelalter, in: Weibliche ­Lebensgestaltung im frühen Mittelalter, H.-W. Goetz (Hrsg.), Köln u. a. 1991, 65–118 Millar, F., The Emperor in the Roman World (31BC–AD337), London 1977 Mostert, M., Boniface in Frisia, in: A Companion to Boniface, M. Aaij / S. Godlove (Hrsgg.), Leiden – Boston 2020, 327–356 Müller, K., Die Mission der Kirche in systematischer Betrachtung, in: Die Mission der Kirche, H. Bürkle (Hrsg.), AMATECA, Lehrbücher zur katholischen Theologie 13, Paderborn 2002, 43–163 Muschiol, G., Famula Dei. Zur Liturgie in merowingischen Frauenklöstern, Beiträge zur Geschichte des alten Mönchtums und des Benediktinertums 41, Münster 1990 Muschiol, G., Zur Typologie weiblicher Heiliger vom frühen Mittelalter bis zur »Legenda maior«, in: Das Bild der heiligen Hedwig in Mittelalter und Neuzeit, E. Grunewald / N. Gussone (Hrsgg.), Schriften des Bundesinstituts für ostdeutsche Kultur und Geschichte 7, München 1996, 39–54

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Quellen und Literatur

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VII. Anhang

Prinz, F., Frühes Mönchtum im Frankenreich. Kultur und Gesellschaft in Gallien, den Rheinlanden und Bayern am Beispiel der monastischen Entwicklung (4.–8. Jahrhundert), München – Wien 1965, Darmstadt 19882, ND 1995 Prinz, F., Von Konstantin zu Karl dem Großen. Entfaltung und Wandel Europas, Düsseldorf – Zürich 2000 Raaijmakers, J., Imitemur nos, qui alumni eius sumus … Boniface’s Nachleben in Early Medieval Fulda, in: A Companion to Boniface, M. Aaij / S. Godlove (Hrsgg.), Leiden – Boston 2020, 379–403 Raisch, M., Lioba, die Missionarin an Bonifatius’ Seite. Die Notwendigkeit von Frauen in der Missionsarbeit, Edition afem. Mission scripts 28, Nürnberg – Bonn 2013 Reuter, T. (Hrsg.), The Greatest Englishman. Essays on St. Boniface and the Church at Crediton, Exeter 1980 Ronconi, A., in: RAC 6 (1966), s.v. exitus illustrium virorum, Sp. 1258–1268. Rosen, J., Martin von Tours. Der barmherzige Heilige, Darmstadt 2016 Rosen, K., Augustinus. Genie und Heiliger, Darmstadt 20172 Rosen, K., Die Völkerwanderung, durchgesehene und aktualisierte Ausgabe, München 20205 Rottloff, A., Stärker als Männer und tapferer als Ritter. Pilgerinnen in Spätantike und Mittelalter, Kulturgeschichte der antiken Welt 115, Mainz am Rhein 2007 Sauerwein, S., Religiöse Identität oder »Heiliger Schein«? Weibliche Lebensgestaltung und hagiographische Überlieferung am Beispiel der hl. Lioba, in: Hagiographie im Kontext. Wirkungsweisen und Möglichkeiten historischer Auswertung, D. R. Bauer / K. Herbers (Hrsgg.), Beiträge zur Hagiographie 1, Stuttgart 2000, 46–57 Schäferdiek, K., Fragen der frühen angelsächsischen Festlandmission, Frühmittelalterliche Studien 28, 1994, 172–195, wiederabgedruckt in: K. S., Schwellenzeit. Beiträge zur Geschichte des Christentums in Spätantike und Frühmittelalter, Arbeiten zur Kirchengeschichte 64, Berlin – New York 1996, 487–510 Scheer, J., Leben in Britannien, in: Damals. Das Magazin für Geschichte 50, 2018/10, 30–37 Schieffer, R., Der Bischof zwischen Civitas und Königshof (4.–9. Jahrhundert), in: Der Bischof in seiner Zeit. Bischofstypus und Bischofsideal im Spiegel der Kölner Kirche, FS für Joseph Kardinal Höffner, Erzbischof von Köln, P. Berglar / O. Engels (Hrsgg.), Köln 1986, 17–39 Schieffer, R., Der Gottesmann aus Übersee. Die christliche Botschaft öffnet eine größere Welt, Archiv für mittelrheinische Kirchengeschichte 57, 2005, 11–23 Schieffer, R., Neue Bonifatius-Literatur, Deutsches Archiv für Erforschung des Mittelalters 63, 2007, 111–123 Schieffer, R., Bonifatius-Literatur des 19. Jahrhunderts, in: Bonifatius. Leben und Nachwirken, F. J. Felten u. a. (Hrsgg.), Mainz 2007, 363–373 Schieffer, R., Christianisierung und Reichsbildungen. Europa 700–1200, München 2013 Schieffer, R., Die Karolinger, Stuttgart u. a., 20145

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Quellen und Literatur

Schieffer, R., Boniface. His Life and Work, in: A Companion to Boniface, M. Aaij / S. Godlove (Hrsgg.), Leiden – Boston 2020, 9–26 Schieffer, Th., Winfrid-Bonifatius und die christliche Grundlegung Europas, Freiburg i. Br. 1954, mit einem Nachwort zum Neudruck 1972, Darmstadt 19803 Schilp, R., Norm und Wirklichkeit religiöser Frauengemeinschaften im Frühmittelalter, Göttingen 1998 Schipperges, S., Bonifatius et socii eius. Eine sozialgeschichtliche Untersuchung des Winfrid-Bonifatius und seines Umfeldes, Quellen und Abhandlungen zur Mittelrheinischen Kirchengeschichte 79, Mainz 1996 Semmler, J., Mittelalterliche Klostervorsteherinnen. Radegunde von Poitiers, Gertrud von Nivelles, Lioba von Tauberbischofsheim, in: Die Macht der Frauen, H. Finger (Hrsg.), Studia humaniora 36, Düsseldorf 2004, 49–73 Smolak, K., Formel und Freundschaft, in: Verwandtschaft, Freundschaft, Bruderschaft, Soziale Lebens- und Kommunikationsformen im Mittelalter, G. Krieger (Hrsg.), Berlin 2009, 83–95 Sommer, M., Kelten fordern Rom heraus, in: Damals. Das Magazin für Geschichte 50, 2018/10, 22–27 Stroheker, K. F., Der senatorische Adel im spätrömischen Gallien, Reutlingen 1948, ND Darmstadt 1970 Sudbrack, J., in: LThK 9 (2006), s.v. Spiritualität. I. Begriff, Sp. 852–853 Tangl, M., Studien zur Neuausgabe der Briefe des hl. Bonifatius und Lullus, in: M. Tangl, Das Mittelalter in Quellenkunde und Diplomatik. Ausgewählte Schriften 1, Graz 1966, 60–120 Trevelyan, G. M., History of England 1. From the Earliest Times to the Reformation, New York 1953 Ubl, K., Die Karolinger. Herrscher und Reich, München 2014 Weismayer, J., in: LThK 9 (2006), s.v. Spiritualität. III. Historisch-theologisch, Sp. 853–856 Wenskus, R., Stammesbildung und Verfassung. Das Werden frühmittelalterlicher gentes, Köln – Graz 1961 Werner, M., Iren und Angelsachsen in Mitteldeutschland. Zur vorbonifatianischen Mission in Hessen und Thüringen, in: Die Iren und Europa im frühen Mittelalter, H. Löwe (Hrsg.), Teilband 1, Stuttgart 1982, 278–280 Wilson, R. J. A., A Guide to the Roman Remains in Britain, London 1974 Wolfram, H., Das Reich und die Germanen. Zwischen Antike und Mittelalter, Berlin 19922 Wu, A. M., From Christ to Confucius. German Missionaries, Chines Christians and the Globalization of Christianity, 1860–1950, New Haven 2016 Yorke, B., Boniface’s West Saxon Background, in: A Companion to Boniface, M. Aaij / S. Godlove (Hrsgg.), Leiden – Boston 2020, 27–45

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VII. Anhang

Register Personen Abel, Erzbischof von Reims 153f. Aethelbald, König von Mercia 28,140– 43, 146, 174, 213, 237 Aethelberht, König von Kent 23 Agilberctus, Bischof von Paris 30f. Agilolf, Bischof von Köln 171 Aldebert, Häretiker 158, 161 Aldhelm, Abt von Malmesbury / Bischof von Sherborne 45, 50f., 110, 122 Alkuin 222 Angelsachsen 20, 53f., 89, 142f., 154, 162f., 171, 173, 176, 179, 203, 219, 221, 223, 235, 238 Ardobert, Erzbischof von Sens, 153f. Augustinus, Erzbischof von Canterbury 23f., 75, 83, 93, 218 Augustinus von Hippo, Bischof und Kirchenvater 7, 22, 46, 59, 67, 144, 202f., 217 Beda Venerabilis, Kirchenhistoriker 24, 26ff., 31, 37, 51, 53ff., 75, 83, 134, 193 Benedikt, Abt von Nursia 33, 40, 46,49, 165, 194 Benedict Biscop, Mönch und Klostergründer 26, 33, 37 Benedictus, Archidiakon 173 Birinus, Bischof von Dorchester (Wessex) 30 Bonifatius von Tarsus, Märtyrer 29, 65 Burchard, Bischof von Würzburg 163, 166, 173 Chlodwig I. 55, 73, 84, 87 Childerich III. 152, 174 Chrodegang, Bischof von Metz 179f, 238 Clemens, Häretiker 158–161 Coinualch, König von Wessex 30f.

Columban. Missionar 23, 25 Cudberht, Erzbischof von Canterbury 38, 68, 96, 126, 155, 188ff., 190, 192, 198, 200, 203, 206, 208, 210ff., 218f, 238 Cynigilsus, König von Wessex 30 Daniel, Bischof von Winchester 42, 51, 60, 63, 82ff., 112, 128, 149, 162, 196, 202–205, 245 Denehard, Priester und Gesandter des Bonifatius 158f. Drogo, Sohn Karlmanns 171, 237 Duddo, Abt 15, 40 Ecgberht, Erzbischof von York 27, 190 Ecgfrith, König von Northumbrien 26f. Ekbert, Abt 53f. Edwin, König von Northumbrien 24f. Eigil, Biograph und Abt von Fulda 43, 135, 167f., 216f., 220 Eoba, Priester und Begleiter des Bonifatius 120, 180f. Frauen Adela, Äbtissin von Pfazel 90 Aebbe, Mutter von Lioba 110, 132 Auguste von Sartorius, Gründerin der Sternsinger 228 Bertha, Tochter des Merowingerkönigs Charibert I. 23f. Bugga, Äbtissin 15, 29, 65, 72, 76, 102, 121–131, 133, 135, 137, 139, 182, 191, 201f., 205, 224 Caene 106f. Chunitrud, 98 Cynehilda 98, 110, 132 Eadburg, Äbtissin von Thanet 53, 58, 82, 110, 115, 117–121, 127, 132 Eangyth, Äbtissin 29, 60, 72, 122–125 Egburg, Schülerin des Bonifatius 48, 50, 59, 112ff.

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Register

Egeria, Pilgerin 104f. Hildegard, Gemahlin Karls des Großen 135, 195, 221 Hildilith, Äbtissin von Barking 51 Hugeburc, Nonne und Hagiographin 97, 104f., 137f., 246, 249 Irmina von Oeren, Äbtissin 55 Lioba / Leobgytha, Äbtissin von Tauberbischofsheim 36, 98, 110, 122f., 125, 127, 129–137, 139, 145, 232 Thekla, Äbtissin von Kitzingen 98, 110 Thekla von Ikonium 110f. Walburga, Äbtissin von Heidenheim 36, 104, 122f., 125, 127, 129, 131ff., 135–139 Fulrad, Abt von St. Denis 103, 133, 173, 176 Gemmulus, Kardinaldiakon 59, 150, 161. 180 Gewilib, Bischof von Mainz 161f. Gregor, Abt von Utrecht 90 Gregor von Nyssa, Kirchenlehrer, 125 Grifo, Sohn Karl Martells 101 Grimo, Erzbischof von Rouen 153, 156f Hahn, Heinrich, Gründervater von missio, 227f. Hildegar, Bischof von Köln 177f. Hrabanus Maurus, Erzbischof von Mainz 131, 135, 221f. Karl der Große 67, 134f., 180, 186 192, 221f., 231 Karlmann, Hausmeier 101, 112, 148, 151ff., 157–59, 165f., 168, 172ff., 177, 206 Karl Martell 57, 71, 74, 80f., 85, 88f., 100f., 118, 148, 151, 155, 162, 180 von Ketteler, Wilhelm Emanuel, Bischof von Mainz 225

Liudger, Bischof von Münster 80, 148, 222 Liudprand, König der Langobarden 68f., 99 Liutbert, Bischof von Münster, 221 Lul, Schüler des Bonifatius und Bischof von Mainz 14, 17,19, 34, 45, 98, 134f., 166–69, 172ff., 176, 178, 180ff, 213f., 216–219, 221f. Martin von Tours 24, 86f., 117, 135f., 214ff. Megingoz, Bischof von Würzburg 17, 24, 103, 222 Milo, Bischof von Trier und Reims 150. 155ff., 161 Milret, Bischof von Worcester 35, 218f. Nithard, Schüler und Brieffreund des Bonifatius 14, 16f., 43, 46ff, 58f. Nothelm, Erzbischof von Canterbury Odilo, Herzog von Bayern 96, 100f., 163 Optatus, Abt von Montecassino 70, 194, 198 Oswald, König von Northumbrien 30 Oswin, König von Northumbrien 25f. Palladius, Bischof der Schotten/Iren 22 Papst Coelestin I. 22 Papst Gregor der Große 23ff., 75, 83, 93, 193, 214, 218 Papst Gregor II. 29, 54, 63–69, 76–79, 88, 92ff., 99, 127, 197, 144, 146 Papst Gregor III. 67, 94–97, 99, 101, 149, 180 Papst Honorius 30 Papst Pius IX 225, 227 Papst Sergius I. 55, 177 Papst Stephan II. 87, 177, 189, 199, 215, 237f. Papst Vitalianus 26

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VII. Anhang

Papst Zacharias 9, 86, 191, 108, 148, 153f., 156ff., 161f, 168m 170–174, 177f., 196f., 202f., 237 Patricius / Patrick 21, 180, 238 Paulinus, Erzbischof von York 25, 235 Paulus (Apostel) 7, 15, 19, 38, 41, 54, 60, 68, 89f., 108–111, 129f., 141, 147, 182, 199, 219, 231, 233 Pelagius, Irrlehrer 22 Penda, König von Mercia 30 Petrus, Apostel 16, 60, 68, 77, 87, 120, 126, 150f., 160, 167, 198, Pippin II (der Mittlere), Hausmeier 54f, 57, 70, 72f. Pippin der Jüngere (König) 101, 118, 134f., 148f., 152ff., 157f., 161f., 173ff., 176–180, 186, 193, 206, 216, 219f. Radbord, Bischof von Utrecht 215 Radbord, dux 54, 57f., 66, 71f., 236 Sigebercht, Briefpartner des Bonifatius 198 Stephan, Abt von Nursling 60 Sturmi, Abt von Fulda 8, 43, 103, 135, 167ff., 216f., 232 Suitbert, Missionsbischof 55 Sulpicius Severus, Biograph 33, 37, 86, 214 Syagrius, Bischof von Autun 24 Tassilo, Herzog von Bayern 169 Tertullian, Kirchenschriftsteller, 21, 67, 116, 144 Uini, Bischof von Winchester 30f. Virgil, Bischof von Salzburg 162ff. Vivilo, Bischof von Passau 96, 99 Wikbert, Missionar 53f. Willibald, Bischof von Eichstätt 36, 104, 137f., 149 Willibrord /Clemens, Erzbischof der Friesen 9, 53ff., 57, 70–73, 87f., 169, 177, 215

Wunibald, Abt von Heidenheim 36, 97, 104, 133, 137f., 149, 237 Wynberht, Abt von Nursling 42, 44, 59 Orte und Begriffe Amöneburg 13, 74, 92, 236 Apostel der Deutschen 7, 9. 103, 223, 226, 228 Ars grammatica 15, 44f., 53, 198 Ars metrica 27, 43ff., 50 Bayern 4, 9, 69, 95–101. 154, 157, 163, 167, 231 Bonifatiusverein / Bonifatiuswerk 227f. Büraburg 13, 74, 86, 101, 149, 237 Crediton 12, 36 Dokkum 7, 13f, 17, 135, 183f., 219, 238 Donar-Eiche 85, 87 Doppelkloster 30, 105, 110, 122, 130, 137 Eichstätt 13, 136ff., 142, 239 Erfurt 13, 101, 149, 224, 237 Francia 142, 156, 173f., 176, 179, 262 Friesland / Friesen 9f., 14, 18f., 23, 43, 53ff., 57f., 71f., 135, 180f., 228 Fritzlar 74, 86, 92, 149, 167, 236 Fulda 6–10, 13, 18, 43, 131–35, 165, 169, 174, 181, 183, 185, 194, 217, 220–25, 227ff., 237 Godescalc Evangelistar 221 Guter Hirte 12, 176, 185, 206–209, 211 Hessen 4, 9, 73f., 81ff., 85–95, 97, 132, 231, 236 Inkulturation 25, 66 Karolingische Renaisssance 192 Kesterburg 74 Köln 13, 57, 118, 149, 170ff., 177f., 215, 137

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Register

Kloster Bangor 25 Kloster Echternach 55, 57, 169 Kloster Exeter 36, 40, 236 Kloster Glastonbury 94 Kloster Iona 23 Kloster Kitzingen, 221 Kloster Montecassino 165, 194, 235, 237 Kloster Nursling / Nhutscelle 9, 42, 51, 58, 235 Kloster Ochsenfurt 13, 98, 110, 131, 133, 236 Kloster Pfalzel 90 Kloster Tauberbischofsheim 131f., 135, 137 Kloster Thanet 110 Kloster Wimborne 110, 130, 137 Kloster Wearmouth 37, 235 Kloster Wenlock 115

Synoden Concilium Germanicum 153, 183, 237 Lateransynode 158, 160f., 182 Synode von Hertford 50 Synode von Soissons 158, 183 Synode von Whitby 25, 194, 235 Tatmission (Gewaltmission) 67, 87 Thüringen 9, 69ff., 73f., 78f., 82f., 85, 87ff., 91, 93ff., 97f., 101, 132, 181, 217, 224, 236 Utrecht 13, 55, 57f., 72, 90, 146, 177f., 180f., 185, 213–217 Vita perfecta 39, 40 Wessex 28, 30, 36, 49, 94, 97, 103, 137, 172, 235

Langobarden 39, 99, 174, Mädchenbildung 133 Mainz 13, 14, 17, 34, 89, 135, 146, 161f., 171f., 174, 176, 178, 180, 213–218, 220ff., 225, 229f, 237 Martyrium / Märtyrer 15–19, 29, 47, 64f., 110f., 126, 130, 135, 146, 182f., 184f., 200, 220, 228 Northumbrische Renaissance 26 Ohrdruf 13, 92 Peregrinatio / peregrinus 10, 25, 56ff., 63, 104f., 113, 118, 124ff., 188f., 230f. Ragyndrudis- Kodex 185, 221 Sachsen 10, 20, 23, 28, 53ff., 67, 73f., 88f., 94, 100, 141, 162, 168, 177f., 186, 217, 219 Salzburg 13, 96, 99, 163, 237

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Bildnachweis akg-images: S. 29 (De Agostini / W. Buss), S. 62, 85, S. 91 (North Wind Picture Archives), S. 131 (Alfons Rath), S. 175 (Hervé Champollion), S. 179, S. 183, S. 194 (Pirozzi), S. 207 (André Held) Peter Palm, Berlin: S. 12/13 wikicommons: S. 6, S. 8, S. 64, S. 136, S. 187

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JUDITH ROSEN ist Historikerin und lehrte Alte Geschichte an der Universität Bonn. Heute ist sie freie Autorin und lebt mit ihrem Mann in der Nähe von Bonn. Von ihr erschien die Biographie des spätantiken Begründers des westlichen Mönchtums: »Martin von

Judith Rosen bringt uns in dieser anschaulichen Biographie den Menschen Bonifatius in seiner Zeit nahe. Gestützt auf seine umfangreiche offizielle und private Korrespondenz – eine ungewöhnliche Quelle für diese frühe Zeit – zeigt sie uns die europäische Dimension seines Wirkens zwischen Exeter, Rom, dem östlichen Germanien und Friesland. Die besondere Rolle der Frauen, die Bonifatius bei der Christianisierung unterstützt haben, ist ebenso Thema wie die Spiritualität des Kirchenreformers und seines Freundeskreises.

Tours. Der barmherzige Heilige«.

Wir wollen nicht stumme Hunde sein Nicht Mietlinge, die vor dem Wolf fliehen Sondern besorgte Hirten Die über die Herde Christi wachen Bonifatius

Umschlagabbildung: Bonifatius-Denkmal in Fulda, aufgestellt 1842 von Werner Henschel. © picture alliance / Florian Monheim www.bildarchiv / Florian Monheim Umschlaggestaltung: www.martinveicht.de

BONIFATIUS

© privat

Bonifatius – Mönch, Missionsbischof und päpstlicher Legat für Germanien – gehört zu den großen Gründergestalten der Kirche. Vermutlich 672 im angelsächsischen Südengland geboren und 754 in Friesland erschlagen, ist er wahrhaft ein europäischer Heiliger.

JUDITH ROSEN

Der › APOSTEL DER DEUTSCHEN ‹

Bis heute heißt Bonifatius wegen seiner

JUDITH ROSEN

BONIFATIUS DER EUROPÄISCHE HEILIGE

weitreichenden Missionstätigkeit unter den Germanen »Apostel der Deutschen«. Als Missionar unter widerständigen Vielgötterverehrern und teils »falschen« Mitbrüdern führte er ein aufregendes Leben. Bonifatius vermittelte zwischen geistlicher und weltlicher Macht, zwischen den Päpsten und den fränkischen Herrschern. Spät wurde er Bischof in Mainz. Auf seiner letzten Missionsreise zu den Friesen erlitt er mit seinen Gefährten bei Dokkum den Märtyrertod. Die Biographie des großen Heiligen ist zugleich eine spannende Geschichte des frühmittelalterlichen Frankenreichs.