Binnenschiffahrtsrecht: Kommentar [5. völlig neu bearb. Aufl.] 9783110894042, 9783899491647

The standard work on the law of inland waterways is now available in its fifth edition, which has been completely rearra

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German Pages 1145 [1148] Year 2007

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Table of contents :
Inhaltsverzeichnis
Hinweise für die Benutzer
Abkürzungsverzeichnis
Literaturverzeichnis
1. Binnenschiffahrtsgesetz (BinSchG)
2. Handelsgesetzbuch (HGB)
3. Lade- und Löschzeitenverordnung (BinSchLV)
4. Budapester Übereinkommen (CMNI)
5. Schiffahrtsrechtliche Verteilungsordnung (SVertO)
6. Binnenschiffahrtsverfahrensgesetz (BinSchVerfG)
7. Mannheimer Akte (MA) (Auszug Artt 32 bis 40)
8. Moselvertrag (MoselV) (Auszug Artt 34, 35)
Sachwortverzeichnis
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Binnenschiffahrtsrecht: Kommentar [5. völlig neu bearb. Aufl.]
 9783110894042, 9783899491647

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ν. Waldstein/Holland Binnenschiffahrtsrecht de Gruyter Kommentar

ν. Waldstein/Holland

Binnenschiffahrtsrecht Kommentar Begründet von Dr. Otto Zschucke (1. Auflage)

Otto Vortisch (1.-3. Auflage)

fortgeführt von Dr. Wilfrid Bemm (4. Auflage) Richter am Oberlandesgericht Köln Mitglied der Berufungskammer der Rheinzentralkommission Straßburg 5., völlig neu bearbeitete Auflage von Dr. Dr. Thor v. Waldstein Rechtsanwalt in Mannheim

Dr. Hubert Holland Rechtsanwalt in Mannheim

w DE

RECHT De Gruyter Recht · Berlin

Bearbeiterverzeichnis BinSchG SS 1 - 3 , 6 - 2 5 , 7 8 - 9 1 einschließlich Dispacheverfahren und Haverie-Grosse-Regeln IVR, SS 92-92f SS 4-5 m, 26, 77, 93,102-118 HGB SS 407-450,452-452d, 664 mit Anlage, 740 - 753a, 902, 903 SS 709-724 Sonstiges BinSchLV CMNI SVertO BinSchVerfG Artt 32-40 MA Artt 34,35 MoselV

v. Waldstein Holland Holland v. Waldstein Holland Holland Holland v. Waldstein v. Waldstein v. Waldstein

Zitiervorschlag: v. Waldstein/Holland, BinSchR, § 5i BinSchG Rn 2

© Gedruckt auf säurefreiem Papier, das die US-ANSI-Norm über Haltbarkeit erfüllt. ISBN 978-3-89949-164-7 Bibliografische Information der Deutschen

Nationalbibliothek

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar. © Copyright 2007 by De Gruyter Rechtswissenschaften Verlags-GmbH, D-10785 Berlin Dieses Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlages unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Printed in Germany Einbandgestaltung: Christopher Schneider, Berlin Datenkonvertierung: jürgen Ullrich typosatz, Nördlingen Druck und Bindung: Bereiter Graphischer Betrieb GmbH & Co. KG, Kevelaer

Vorwort Das von den Vorauflagen angestrebte Ziel, in handlicher Form eine möglichst umfassende Erläuterung des Binnenschiffahrtsrechts zu bieten, wird auch von dieser 5. Auflage verfolgt. Daher wurden in die Kommentierung die Gesetze, Verordnungen und Übereinkommen einbezogen, die neben dem Binnenschiffahrtsgesetz in der forensischen Praxis die wichtigste Rolle spielen. Das Werk berücksichtigt die Rechtsprechung bis 1. 7. 2007. In wenigen Einzelfällen wurden auch noch Entscheidungen eingearbeitet, die nach diesem Zeitpunkt veröffentlicht wurden. Korrekturhinweise und Ergänzungsvorschläge, für die wir stets dankbar sind, erreichen uns unter [email protected]. Dem Sekretariat unserer Kanzlei, insbesondere Frau Katharina Ledig, die den Hauptteil des Typoskripts erstellt hat, sagen wir unseren herzlichen Dank. Zu danken haben wir daneben Herrn Rechtsreferendar Dr. Martin Duncker für die Recherche wichtiger Quellen. Zu Dank verpflichtet sind wir schließlich Herrn Dr. Schremmer vom Verlag Walter de Gruyter für die ebenso freundliche wie beharrliche Betreuung. Gewidmet ist die Arbeit dem ehrenden Andenken von Dr. Wilfrid Bemm (19272003), der als Mitglied des Schiffahrtssenats des Oberlandesgerichts Köln (1970-1992) sowie als Mitglied der Berufungskammer der Zentralkommission für die Rheinschiffahrt Straßburg (1992-2003) über 30 Jahre lang die Rechtsprechung des Binnenschiffahrtsrechts maßgebend geprägt hat. Daneben hat er durch seine wissenschaftlichen Veröffentlichungen, vor allem in dem Kommentar zur Rheinschifffahrtspolizeiverordnung und der 4. Auflage des vorliegenden Werkes, entscheidende Wegmarken des Binnenschiffahrtsrechts im letzten Drittel des vergangenen Jahrhunderts gesetzt. Mannheim, im August 2007

Die Verfasser

V

Inhaltsübersicht Inhaltsverzeichnis Hinweise für die Benutzer Abkürzungsverzeichnis Literaturverzeichnis

IX XXIII XXV XXXV

1. Binnenschiffahrtsgesetz (BinSchG) 2. Handelsgesetzbuch (HGB) 3. Lade-und Löschzeitenverordnung (BinSchLV) 4. Budapester Übereinkommen (CMNI) 5. Schiffahrtsrechtliche Verteilungsordnung (SVertO) 6. Binnenschiffahrtsverfahrensgesetz (BinSchVerfG) 7. Mannheimer Akte (MA) (Auszug Artt 3 2 bis 40) 8. Moselvertrag (MoselV) (Auszug Artt 34, 35)

1 451 743 767 951 987 1035 1071

Sachwortverzeichnis

1075

VII

Inhaltsverzeichnis Hinweise für die Benutzer Abkürzungsverzeichnis Literaturverzeichnis

XXIII XXV XXXV

1. Gesetz betreffend die privatrechtlichen Verhältnisse der Binnenschiffahrt (Binnenschiffahrtsgesetz) Erster Abschnitt. Schiffseigner §1 §2 §3 §4 §5 § 5a § 5b § 5c § 5d § 5e § 5f § 5g § 5h §5i § 5j § 5k §51 § 5m §6

[Schiffseigner] [Ausrüster] [Haftung des Schiffseigners für Verschulden der Schiffsbesatzung] . . [Beschränkung der Schiffseignerhaftung] [Ausschluß der Haftungsbeschränkung] [Beschränkung der Haftung bei Gegenansprüchen] [Wegfall der Haftungsbeschränkung] [Zur Haftungsbeschränkung befugte Personen] [Durchführung der Haftungsbeschränkung] [Haftungsbeschränkung für Personenschäden] [Haftungsbeschränkung für Sachschäden] [Zusammentreffen von Personen- und Sachschäden] [Gefährliche Güter] [Berger und Lotse] [Ansprüche aus Wrackbeseitigung] [Ansprüche von Reisenden wegen Personenschäden] [Begriff der Rechnungseinheit] [Internationales Privatrecht] [Heimatort des Schiffes]

5 17 23 34 46 57 59 65 68 97 104 105 106 110 112 114 117 118 121

Zweiter Abschnitt. Schiffer §7 §8

[Allgemeine Sorgfaltspflicht und Haftung des Schiffsführers] [Besondere Sorgfaltspflichten des Schiffsführers]

127 135 IX

Inhaltsverzeichnis

§9 §10 §11 § 12 § 13 § 14 §15 §16 § 17 §18 §19 § 20

[Ersatzschiffsführer] [Sorgfaltspflichten des Schiffsführers für Schiff und Ladung] [Verklarungsverfahren] [Verklarungstermin] [Verklarungsbeweisaufnahme] [Verklarungskosten] [Gesetzliche Vertretungsmacht des Schiffsführers] [Rechtsgeschäftliche Vertretungsmacht des Schiffsführers] [Beschränkung der gesetzlichen Vertretungsmacht des Schiffsführers im Außenverhältnis] [Bevollmächtigung des Schiffsführers im Innenverhältnis] [Haftung aus Geschäften mit gesetzlicher Vertretungsmacht] [Rechte und Pflichten des Schiffsführers]

153 156 161 169 171 178 186 187 187 187 188 193

Dritter Abschnitt. Schiffsmannschaft §21 §22 §23 § 24 §25

[Begriff der Schiffsmannschaft] [Dienstantritt] [Dienstpflichten] [Lohnzahlungszeit] [Dienstbeendigung]

197 197 197 198 198

Vierter Abschnitt. Frachtgeschäft §26 [Anwendung handelsgesetzlicher Vorschriften] SS 27 bis 76 (weggefallen)

203

Fünfter Abschnitt. Beförderung von Reisenden und ihrem Gepäck § 77

[Beförderung von Reisenden und ihrem Gepäck]

207

Sechster Abschnitt. Haverei § 78 §79 §80 §81 §82 § 83 §84 § 85 §86 § 87 §88 X

[Große und besondere Haverei] [Einfluß des Verschuldens] [Beitragspflicht bei späterer besonderer Haverei] [Vergütungsberechtigung bei nachfolgender besonderer Haverei] . . . [Umfang der großen Haverei] [Aufenthalt am Zwischenort] [Haverie-Grosse-Kosten] [Berechnung der Vergütungen und Beiträge] [Ort der Schadensverteilung] [Dispache, Dispacheur] [Aufstellung der Dispache durch die Beteiligten]

225 232 236 236 239 240 250 252 255 256 256

Inhaltsverzeichnis

§ 89 §90 §91

Anhang zu §§ 87, 88 - Dispacheverfahren § 1 4 9 FGG [Dispache, Zuständigkeit] § 1 5 0 FGG [Weigerung des Dispacheurs] § 1 5 1 FGG [Aushändigung von Schriftstücken an den Dispacheur] . § 152FGG [Einsicht in die Dispache] § 153 FGG [Verhandlung über die Dispache, Antrag und Ladung] . § 1 5 4 FGG [Vervollständigung der Unterlagen] § 155 FGG [Verfahren im Termin] § 156 FGG [Verfolgung des Widerspruchs] § 8 7 8 ZPO [Widerspruchsklage] § 8 7 9 ZPO [Zuständigkeit für die Widerspruchsklage] . § 1 5 7 FGG [Beschwerde] § 1 5 8 FGG [Wirksamkeit der Bestätigung; Zwangsvollstreckung] . Übersicht über den Ablauf des Dispacheverfahrens [Schiffsgläubigerrecht und Pfandrecht der Vergütungsberechtigten] [Empfang beitragspflichtiger Güter] [Auslieferung oder Hinterlegung beitragspflichtiger Güter] Anhang zu §§ 90, 91 - Haverie-Grosse-Regeln IVR (Fassung 2006) Vorbemerkungen Regel I: Haverie-Grosse Regel II: Stellvertretende Kosten Regel III: Einfluß des Verschuldens Regel IV: Ausschlüsse Regel V: Beweislast Regel VI: Vergütungen - Schiff Regel VII: Vergütungen - Ladung Regel VIII: Vergütungen - Fracht Regel IX: Vergütungen - Zinsen Regel X: Vergütungen - Expertisekosten etc Regel XI: Vergütungen - Währungen Regel XII: Beitragspflichtige Werte Regel XIII: Schadensfeststellungen Regel XIV: Verpflichtung zur Lieferung aller erforderlichen Angaben Regel XV: Aufmachung der Dispache Regel XVI: Anfechtung der Dispache Regel XVII: Behandlung der Bardepots und Garantien Regel XVIII: Absichtliches Aufgrundsetzen Regel XIX: Hebung eines gesunkenen Schiffes Regel XX: Turnen usw Regel XXI: Leichterung Regel XXII: Überwinterung

. .

. . .

.

261 263 264 264 265 265 266 267 268 269 269 271 271 272 274 277 278 285 286 288 289 290 290 291 291 292 293 293 294 295 295 296 297 298 298 299 300 301 301 303 304 XI

Inhaltsverzeichnis

Regel XXIII: Gemeinsame Bestimmungen über die Regeln XX, XXI, XXII Regel XXIV: Nothafen Regel XXV: Schiffsverbände Regel XXVI: Lastwagen, Container, Paletten uä Gerät

304 305 306 307

Siebter Abschnitt. Zusammenstoß von Schiffen. Bergung §92 [Schadensersatzpflicht beim Schiffszusammenstoß] § 92a [Ausschluß des Schadensersatzanspruchs] § 9 2 b [Haftung des Schiffseigners für Verschulden der Schiffsbesatzung] . . § 92c [Mitverschulden] § 9 2 d [Verschulden des Lotsen] § 92e [Haftung im Schlepp verband] §92f [Haftung der Schiffsbesatzung und des Lotsen] §93 [Bergung] ff 94 bis 101 (weggefallen)

309 315 321 354 369 370 372 373

Achter Abschnitt. Schiffsgläubiger §102 §103 §104 § 105 Jfioe §107 § 108 § 109 §110 § 111 JT112 § 113 § 114 §115 §116

[Forderungen mit Schiffsgläubigerrecht] [Pfandrecht an Schiff und Zubehör] [Pfandrecht an Schiffen eines Verbands] [Pfandrecht für Haupt- und Nebenforderungen] (weggefallen) [Rangordnung der Pfandrechte der Schiffsgläubiger] [Rangordnung der Pfandrechte der Schiffsgläubiger innerhalb derselben Gruppe] [Rangverhältnis der Schiffsgläubigerrechte zu anderen Pfandrechten] [Ausschluß von Schiffsgläubigern durch Aufgebot] [Schiffsgläubigerrecht bei Veräußerung einer Schiffspart] (weggefallen) [Haftung des Schiffseigners bei Einziehung des Kaufgeldes] [Persönliche Verpflichtung des Schiffseigners bei Gefährdung des Schiffsvermögens] [Schiffsgläubigerrecht an Ersatzforderungen] [Rangordnung der auf den Ladungsgütern haftenden Pfandrechte] . .

381 388 389 389 397 397 399 402 402 407 409 415 418

Neunter Abschnitt. Verjährung § 1 1 7 [Verjährung] § 1 1 8 [Verjährung bei Schiffszusammenstößen] ff 119 bis 129 (weggefallen; jetzt Schiffsregisterordnung)

XII

423 439

Inhaltsverzeichnis

Zehnter Abschnitt. Schlußbestimmungen §130 §131 JT132

§133

[Zuständigkeit des Bundesgerichtshofs] [Orts-, Trajekt-und Fährverkehr]

445 447

(weggefallen)

[Höhere Verwaltungsbehörde]

450

2. Handelsgesetzbuch (Auszug) Viertes Buch. Handelsgeschäfte Vierter Abschnitt. Frachtgeschäfte Erster Unterabschnitt. Allgemeine Vorschriften §407 §408 §409 §410 §411 §412 §413 § 414 §415 §416 §417 §418 §419 §420 §421 § 422 $ 423 § 424 § 425 §426 §427 §428 §429 §430 §431 §432

Frachtvertrag Frachtbrief Beweiskraft des Frachtbriefs Gefährliches Gut Verpackung, Kennzeichnung Verladen und Entladen Begleitpapiere Verschuldensunabhängige Haftung des Absenders in besonderen Fällen Kündigung durch den Absender Anspruch auf Teilbeförderung Rechte des Frachtführers bei Nichteinhaltung der Ladezeit Nachträgliche Weisungen Beförderungs-und Ablieferungshindernisse Zahlung. Frachtberechnung Rechte des Empfängers. Zahlungspflicht Nachnahme Lieferfrist Verlustvermutung Haftung für Güter und Verspätungsschäden. Schadensteilung Haftungsausschluß Besondere Haftungsausschließungsgründe Haftung für andere Wertersatz Schadensfeststellungskosten Haftungshöchstbetrag Ersatz sonstiger Kosten

451 467 468 477 481 484 500 503 507 513 516 520 525 532 537 542 543 547 550 558 562 570 574 577 578 582 XIII

Inhaltsverzeichnis

§433 Haftungshöchstbetrag bei sonstigen Vermögensschäden §434 Außervertragliche Ansprüche §435 Wegfall der Haftungsbefreiungen und-begrenzungen §436 Haftung der Leute §437 Ausführender Frachtführer §438 Schadensanzeige §439 Verjährung §440 Gerichtsstand §441 Pfandrecht §442 Nachfolgende Frachtführer §443 Rang mehrerer Pfandrechte §444 Ladeschein §445 Ablieferung gegen Rückgabe des Ladescheins § 446 Legitimation durch Ladeschein §447 Ablieferung und Weisungsbefolgung ohne Ladeschein §448 Traditionspapier §449 Abweichende Vereinbarungen §450 Anwendung von Seefrachtrecht §§451-45 l h (nicht kommentiert) § 452 Frachtvertrag über eine Beförderung mit verschiedenartigen Beförderungsmittels §452a Bekannter Schadensort §452b Schadensanzeige, Verjährung § 452c (nicht kommentiert) §452d Abweichende Vereinbarungen

584 587 590 594 596 601 605 610 611 615 617 618 628 629 631 633 635 641

645 651 654 656

(...) (...)

§ 664

XIV

[Haftung für Schäden bei der Beförderung von Reisenden und ihrem Gepäck] Anlage zu § 664 Bestimmungen über die Beförderung von Reisenden und ihrem Gepäck auf See Artikel 1 Begriffsbestimmungen Artikel 2 Haftung des Beförderers Artikel 3 Ausführender Beförderer Artikel 4 Wertsachen Artikel 5 Haftungsbeschränkung bei Körperverletzung Artikel 6 Haftungsbeschränkung für Verlust oder Beschädigung von Gepäck Artikel 7 Ergänzungsbestimmungen über Haftungshöchstbeträge . Artikel 8 Einreden und Beschränkungen für die Bediensteten und Beauftragten Artikel 9 Mehrere Ansprüche

659 659 659 661 661 662 662 662 663 663 663

Inhaltsverzeichnis

Artikel Artikel Artikel Artikel Artikel Artikel Artikel

10 11 12 13 14 15 16

Verlust des Rechts auf Haftungsbeschränkung Grundlage für Ansprüche Anzeige des Verlusts oder der Beschädigung von Gepäck. . Verjährung von Schadensersatzansprüchen Zuständiges Gericht Nichtige Vereinbarungen Gewerbsmäßige Beförderung durch öffentlich-rechtliche Körperschaften

664 664 664 665 665 665 666

(...)

Siebenter Abschnitt. Haverei Erster Titel. Große (gemeinschaftliche) Haverei und besondere Haverei (...) §709 §710 §711 §712 §713 § 714 § 715 §716 §717 §718 §719 § 720 § 721 §721 a § 722 §723 § 724

[Ermittlung des Schadens am Schiff] [Berechnung des zu vergütenden Schiffsschaden] [Vergütung für aufgeopferte Güter] [Vergütung für beschädigte Güter] [Abzug sonstiger Wertverringerungen und Verluste] [Nichterreichen des Reiseziels] [Vergütung für entgangene Fracht] [Verteilung des Havereischadens] [Beitrag des Schiffes] [Beitrag der Ladung] [Bewertung der beitragspflichtigen Güter] [Beitrag geworfener und wieder geborgener Güter] [Beitrag der Fracht- und Überfahrtsgelder] [Ersatzansprüche für beitragspflichtige Gegenstände] [Abzug der Forderung aus späterem Notfall] [Ausnahmen von der Beitragspflicht] [Nachträgliche Verluste oder Wertverringerungen beitragspflichtiger Gegenstände]

667 670 672 674 674 675 676 677 678 679 681 683 684 684 684 685 686

(...) Achter Abschnitt. Bergung § 740 §741 § 742 §743 § 744 §745

Pflichten des Bergers und sonstiger Personen Verhütung oder Begrenzung von Umweltschäden Bergelohnanspruch Höhe des Bergelohns Sondervergütung Ausschluß des Vergütungsanspruchs

689 698 699 703 709 715 XV

Inhaltsverzeichnis

§746 § 747 §748 § 749 § 750 §751 §752 § 753 § 753a

Fehlverhalten des Bergers Ausgleichsanspruch der Schiffsbesatzung Mehrheit von Bergern Rettung von Menschen Abschluß und Inhaltskontrolle eines ΒergungsVertrags Pfandrecht. Zurückbehaltungsrecht Rangfolge der Pfandrechte Sicherheitsleistung Einstweilige Verfügung

717 720 723 725 727 730 733 735 737

Elfter Abschnitt. Verjährung (...) §902 §903

[Zweijährige Verjährung] [Beginn der Verjährung]

739 739

(...)

3. Verordnung über die Lade- und Löschzeiten sowie das Liegegeld in der Binnenschiffahrt (Lade- und Löschzeitenverordnung - BinSchLV) Abschnitt 1. Trockenschiffahrt §1 §2 §3 §4

Beginn der Ladezeit Dauer der Ladezeit Löschzeit Liegegeld

743 751 756 757

Abschnitt 2. Tankschiffahrt §5 §6 §7 §8

XVI

Beginn der Lade- und Löschzeit Dauer der Lade-bzw Löschzeit Liegegeld Inkrafttreten

759 761 763 765

Inhaltsverzeichnis

4. Budapester Übereinkommen über den Vertrag über die Güterbeförderung in der Binnenschiffahrt (CMNI) Kapitel I. Allgemeine Bestimmungen Artikel 1 Artikel 2

Begriffsbestimmungen Anwendungsbereich

76 7 777

Kapitel II. Rechte und Pflichten der Vertragsparteien Artikel Artikel Artikel Artikel Artikel Artikel Artikel Artikel

3 4 5 6 7 8 9 10

Übernahme, Beförderung und Ablieferung der Güter Ausführender Frachtführer Lieferfrist Pflichten des Absenders Gefährliche oder umweltschädliche Güter Haftung des Absenders Rücktrittsrecht des Frachtführers Ablieferung der Güter

783 790 795 796 806 814 819 823

Kapitel III. Frachturkunden Artikeln Artikel 12 Artikel 13

Art und Inhalt Vorbehalte in den Frachturkunden Konnossement

829 830 843

Kapitel IV. Verfügungsrecht Artikel 14 Artikel 15

Verfügungsberechtigter Voraussetzungen für die Ausübung des Verfügungsrechts

. . . .

849 849

Kapitel V. Haftung des Frachtführers Artikel Artikel Artikel Artikel Artikel Artikel Artikel

16 17 18 19 20 21 22

Haftung für Schäden Bedienstete und Beauftragte Besondere Haftungsausschlußgründe Berechnung der Entschädigung Haftungshöchstbetrag Verlust des Rechtes auf Haftungsbeschränkung Anwendung der Haftungsbefreiungen und Haftungsgrenzen

. .

857 865 870 881 885 894 899

XVII

Inhaltsverzeichnis

Kapitel VI. Fristen für die Geltendmachung von Ansprüchen Artikel 23 Artikel 24

Schadensanzeige Verjährung

903 913

Kapitel VII. Schranken der Vertragsfreiheit Artikel 25

Nichtige Abreden

919

Kapitel VIII. Ergänzende Bestimmungen Artikel Artikel Artikel Artikel

26 27 28 29

Große Haverei Andere anwendbare Vorschriften und Nuklearschäden Rechnungseinheit Ergänzendes nationales Recht

929 930 931 931

Kapitel IX. Erklärungen zum Anwendungsbereich Artikel 30 Artikel 31 Artikel 32

Beförderungen auf bestimmten Wasserstraßen Nationale oder unentgeltliche Beförderungen Regionale Haftungsvorschriften

937 940 942

Kapitel X. Schlußbestimmungen Artikel Artikel Artikel Artikel Artikel

33 34 35 36 37

Artikel 38

Unterzeichnung, Ratifikation, Annahme, Genehmigung, Beitritt Inkrafttreten Kündigung Revision und Änderung Änderung der Haftungshöchstverträge und der Rechnungseinheit Depositar

945 945 946 946 946 948

5. Gesetz über das Verfahren bei der Errichtung und Verteilung eines Fonds zur Beschränkung der Haftung in der See- und Binnenschiffahrt (Schiffahrtsrechtliche Verteilungsordnung - SVertO) Erster Teil. Seerechtliches Verteilungsverfahren Erster Abschnitt. Allgemeine Bestimmungen, Zuständigkeit §1 §2 §3 XVIII

Einleitung des Verteilungsverfahrens Zuständigkeit Anwendungen der Zivilprozessordnung

951 954 954

Inhaltsverzeichnis

Zweiter Abschnitt. Eröffnungsverfahren und öffentliche Aufforderung §4 §5 §6 §7 §8 §9 §10 §11 §12

Antrag Festsetzung der Haftungssumme, Zulassung von Sicherheiten . . . . Einzahlung der Haftungssumme Eröffnung des Verfahrens Wirkung der Eröffnung Sachwalter Öffentliche Aufforderung Bekanntmachung Rechtsmittel

955 956 956 958 959 960 961 962 963

Dritter Abschnitt. Feststellung der Ansprüche, Erlöschen von Sicherungsrechten §13 §14 § 15 §16 §17 §18 §19 § 20 § 21 § 22

Anmeldung von Ansprüchen Gegenstand der Anmeldung Anmeldung von Ansprüchen durch Schuldner Erweiterung des Verfahrens auf Ansprüche wegen Personenschäden Einstellung des Verfahrens Prüfungsverfahren Feststellung der Ansprüche Erlöschen von Sicherungsrechten Endgültige Einstellung der Zwangsvollstreckung Erlöschen von Sicherungsrechten und endgültige Einstellung der Zwangsvollstreckung bei nicht angemeldeten Ansprüchen

.

964 965 965 966 966 967 967 969 970 970

Vierter Abschnitt. Verteilung §23 §24 § 25 §26 §27 §28 § 29

Verteilungsgrundsätze Erlöschen der persönlichen Haftung Rechtskräftige Feststellung der persönlichen Haftung Verfahren bei Verteilung Verfahren in besonderen Fällen Weitere Verteilung Aufhebung des Verfahrens, Nachtragsverteilung

971 972 972 972 973 974 974

Fünfter Abschnitt. Nachträgliche Erweiterung des Verfahrens bei Ansprüchen der Anspruchsklasse Α auf Antrag eines Schuldners §30

974

XIX

Inhaltsverzeichnis

Sechster Abschnitt. Kosten aus der Bestellung eines Sachwalters und aus Rechtsstreitigkeiten über angemeldete Ansprüche §31 §32 §33

Kostentragung Zahlung der vom Antragsteller zu tragenden Kosten Zurückbehaltung bei der Verteilung

975 976 976

Zweiter Teil. Binnenschiffahrtsrechtliches Verteilungsverfahren § 34 § 35 § 36 §37 §38 §39 §40 §41 § 42 §43 § 44 §45 §46 §47 § 48 §49

Einleitung des Verteilungsverfahrens. Anwendbare Vorschriften . . . Antragsberechtigung Anspruchsklassen Zuständigkeit Antrag Festsetzung der Haftungssumme Inhalt des Eröffnungsbeschlusses Wirkung der Eröffnung Öffentliche Aufforderung bei Verfahren nur mit Wirkung für Ansprüche wegen Sachschäden Eintragung von angemeldeten Ansprüchen Erweiterung des Verfahrens auf Ansprüche wegen Personenschäden . Feststellung der Ansprüche Verteilung Verzeichnis der Ansprüche Nachträgliche Erweiterung des Verfahrens bei Ansprüchen der Anspruchsklasse Α oder D Kosten

977 977 978 979 980 981 981 981 982 982 982 983 983 984 984 984

Dritter Teil. Wirkungen der Errichtung eines Fonds in einem anderen Vertragsstaat § 50 § 51 § 52

XX

Errichtung eines Fonds nach dem Haftungsbeschränkungsübereinkommen Errichtung eines Fonds nach dem Haftungsübereinkommen von 1992 Errichtung eines Fonds nach dem Straßburger Übereinkommen . . .

985 985 986

Inhaltsverzeichnis

6. Gesetz über das gerichtliche Verfahren in Binnenschiffahrtssachen (Binnenschiffahrtsverfahrensgesetz - BinSchVerfG) Erster Abschnitt. Allgemeine Verfahrensvorschriften §1 §2 §3 §4 §5 §6 §7 §8 §9 §10 § 11 § 12 § 13

[Zuständigkeit des Amtsgerichts] [Sachliche Zuständigkeit] [Örtliche Zuständigkeit] [Zuweisung von Binnenschiffahrtssachen] [Schiffahrtsgericht] [Vereinbarte Zuständigkeit] [Staatsanwaltschaft] [Keine Anwendung von § 4 9 5 a ZPO] [Berufung und Revision in bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten] [Berufung und Revision in Strafsachen] [Schiffahrtsobergericht] (aufgehoben) [Abgabe an das Oberlandesgericht]

987 990 1000 1001 1011 1012 1012 1013 1013 1015 1016 1021 1022

Zweiter Abschnitt. Besondere Verfahrensvorschriften für Rheinschiffahrtssachen § 14 §15 § 16 §17 §18

[Begriff der Rheinschiffahrtssache] [Rheinschiffahrtsgericht, Rheinschiffahrtsobergericht] [Keine Verbindung mit anderen Binnenschiffahrtssachen] [Berufung in Rheinschiffahrtssachen] [Anrufung der Zentralkommission in Straßburg]

1023 1023 1024 1024 1024

Dritter Abschnitt. Besondere Verfahrensvorschriften für Moselschiffahrtssachen § 18a §18b § 18c § 18d § 18e

[Begriff der Moselschiffahrtssache] [Moselschiffahrtsgericht,Moselschiffahrtsobergericht] [Keine Verbindung mit anderen Binnenschiffahrtssachen] [Berufung in Moselschiffahrtssachen] [Anrufung der Moselkommission in Trier]

1027 1027 1028 1028 1028

Vierter Abschnitt. Zusatz-, Übergangs- und Schlußbestimmungen ff 19 bis 20 (aufgehoben) 1031 § 21 [Vollstreckung von Entscheidungen außerdeutscher Rheinschiffahrtsgerichte] 1031 XXI

Inhaltsverzeichnis

7. Revidierte Rheinschiffahrtsakte (Mannheimer Akte) (Auszug) (...) Artikel Artikel Artikel Artikel Artikel Artikel Artikel Artikel Artikel

32 33 34 35 36 37 38 39 40

Zuwiderhandlungen Rheinschiffahrtsgerichte Zuständigkeiten der Rheinschiffahrtsgerichte Örtliche Zuständigkeiten Verfahren bei den Rheinschiffahrtsgerichten Zulässigkeit der Berufung Bestimmung des Berufungsgerichts Verfahrenskosten in Rheinschiffahrtsangelegenheiten Vollstreckung, Vorladungen und Zustellungen

1036 1036 1037 1050 1054 1056 1057 1067 1068

(...)

8.Vertrag zwischen der Bundesrepublik Deutschland, der Französischen Republik und dem Großherzogtum Luxemburg über die Schiffbarmachung der Mosel (Moselvertrag) (Auszug) (...) Artikel 34 Artikel 35

(...)

[Moselschiffahrtgerichte] [Zuständigkeiten der Moselschiffahrtgerichte]

Sachwortverzeichnis

XXII

1071 1072

1075

Hinweise für die Benutzer 1. Soweit Abschnitte und/oder Paragraphen eines Gesetzes bzw. einer Verordnung amtliche Überschriften aufweisen, werden diese berücksichtigt. Nichtamtliche Überschriften sind mit eckigen Klammern versehen. Paragraphen ohne Gesetzeszusatz beziehen sich stets auf das gerade kommentierte Gesetz, zum Teil wird bei Zitierungen mehrerer Gesetze zur Vermeidung von Mißverständnissen zusätzlich die Bezeichnung des kommentierten Gesetzes verwendet. Hinsichtlich der Texte der in bezug genommenen Gesetze und Verordnungen verweisen wir auf die Sammelbände ΟttelundII sowie aufwww.transportrecht.de. 2. OLG- und AG-Entscheidungen werden ohne gesonderten Hinweis darauf zitiert, ob es sich um eine Binnenschiffahrtssache handelt und, falls ja, ob das Gericht als Schiffahrts-, Rheinschiffahrts- oder Moselschiffahrts-(ober-)gericht entschieden hat. Im Vordergrund steht bei den herangezogenen Entscheidungen die Schiffahrtsjudikatur des vergangenen Vierteljahrhunderts, insbesondere der ZKR sowie der Oberlandesgerichte Köln 1 und Karlsruhe. Entscheidungen des BGH wurden stets, Entscheidungen des RG nur noch in solchen Fällen eingearbeitet, in denen neuere Rechtsprechung nicht vorliegt. Gerichtsentscheidungen zu Paragraphen, die im Zuge der TRG-Novelle 1998 aufgehoben oder wesentlich verändert wurden, finden noch insoweit Berücksichtigung, als ihre Begründungen - insbesondere zur Ausfüllung von Blankettnormen zur Sorgfaltspflicht in der Binnenschiffahrt (§§ 3, 7ff, 21ff, 92b BinSchG) - auch auf die neue Gesetzeslage anwendbar sind. 3. Bücher sind in den Fußnoten nur mit Kurztitel zitiert, die im Literaturverzeichnis angegeben sind. 4. Die Zeitschrift für Binnenschiffahrt (ZfB) wird bis einschließlich des Jahres 1986 nach der Heftseite, ab dem Jahre 1987 nach der Sammlungsseite (SaS) zitiert. Soweit diese SaS, wie in letzter Zeit häufiger, in der Zeitschrift nicht mehr aufgeführt wird, zitieren wir nach Heftnummer und Heftseite. Grund für die Trennung der Zitierweise vor und nach 1987 ist zum einen der Umstand, daß die im Jahre 1968 begonnene Paginierung nach SaS in den Heften 8/1973-12/1975 (SaS 519-696) und 1/1976-11/1978 (ebenfalls SaS 519-696) doppelt verwendet wurde, was zu Verwirrungen führen muß. Außerdem wurde, da die ZfB bis einschließlich 1986

1

Vgl Wilfrid Bemm Zur Rspr des Schiffahrtssenates, in: Dieter Laum/Adolf Klein/Dieter Strauch (Hrsg), 175 Jahre OLG Köln, Köln 1994, S 79ff.

XXIII

Hinweise für die Benutzer die Heftseiten pro Jahr durchlaufend numeriert hat, in der Rechtsprechung überwiegend nach der Heftseite, erst nach 1987 durchweg nach der SaS zitiert. 2 Wir verbinden diese Hinweise mit der Anregung, diese - auch von Bemm/v. Waldstein, RheinSchPV angewandte3 - Zitierweise einheitlich zu verwenden. 5. Alphabetisch geordnete Rechtsprechungsübersichten finden sich bei § 8 Rn 46 (Sorgfaltspflichten des Schiffsführers), § 92b Rn 76 (Anscheinsbeweis), § 92c Rn 32 (Mitverschulden) sowie Artt 34, 34bis MA Rn 16 (Gerichtszuständigkeit). 6. Bei größerem Umfang findet sich am Ende der Kommentierung eines Paragraphen eine eigene Rubrik für Beweislast; bei geringerem Umfang finden sich Hinweise zu Beweisfragen in der jeweiligen Kommentierung selbst. 7. Hinsichtlich der Entstehungsgeschichte des BinSchG verweisen wir auf die Vorauflage, Einleitung, S 35ff.

2

3

So auch die ZfB selbst, s Jahresinhaltsverzeichnis 1987 ZfB 1988, SaS 1219: „Entgegen bisheriger Übung beziehen sich die Zahlen auf die auf den Grünen Seiten verzeichneten Sammlungsseiten" (Hervorhebung im Original). Bemm/v. Waldstein RhSchPV, S XI.

XXIV

Abkürzungsverzeichnis aA aaO Abs ADHGB ADNR

AVTB

anderer Ansicht am angegebenen Ort Absatz Allgemeines Deutsches Handelsgesetzbuch Verordnung über die Beförderung gefährlicher Güter auf dem Rhein Allgemeine Deutsche Spediteurbedingungen am Ende alte Fassung Amtsgericht Allgemeine Versicherungsbedingungen für die Haftpflichtversicherung Allgemeine Lagerbedingungen des deutschen Möbeltransports Alternative amtlich Anhang Anmerkung Abgabenordnung Arbeitsgericht Arbeitsgerichtsgesetz argumentum argumentum e contrario Artikel (Einzahl) Artikel (Mehrzahl) Athener Übereinkommen von 1974 über die Beförderung von Reisenden und ihrem Gepäck auf See Arbeitnehmerüberlassungsgesetz Allgemeine Bedingungen für die Versicherung von Flußkasko-Risiken Allgemeine Verlade- und Transportbedingungen

BA BayObLG BB Bd

Berufungsausschuß der Moselkommission Bayerisches Oberstes Landesgericht Betriebsberater Band

ADSp aE aF AG AHB ALB Alt amtl Anh Anm AO ArbG ArbGG arg arg e contr Art Artt AthenÜ AÜG AVB-Flußkasko

XXV

Abkürzungsverzeichnis Begr Begr BinSchG

betr Beschl BFH BFHE BGB BGBl BGF BGH Β GHZ BinSchAufgG BinSchEVO BinSchG BinSchLV BinSchStrO BinSchUO BinSchVerfG BK Bl BN BRAGO BRAO BR-Drs Bsp bspw BT-Drs BullT BW BWastrG BVerfG BVerfGE BVerwG bzgl bzw C CIM-COTIF

XXVI

Begründung Begründung BinSchG (Verhandlungen des Reichstags, Stenographische Berichte, 9. Legislaturperiode, 3. Session 1894/95, 1. Anlageband 1895, S 295ff) betreffend Beschluß Bundesfinanzhof Entscheidungen des Bundesfinanzhofes Bürgerliches Gesetzbuch Bundesgesetzblatt Berufsgenossenschaft f ü r Fahrzeughaltungen Bundesgerichtshof Entscheidungen des Bundesgerichtshofs in Zivilsachen Binnenschiffahrtsaufgabengesetz Verordnung über die Eichung von Binnenschiffen Binnenschiffahrtsgesetz Verordnung über die Lade- und Löschzeiten sowie das Liegegeld in der Binnenschiffahrt Binnenschiffahrtsstraßenordnung Binnenschiffsuntersuchungsordnung Binnenschiffahrtsverfahrensgesetz Berufungskammer der Rheinzentralkommission Blatt Binnenschiffahrtsnachrichten Bundesrechtsanwaltsgebührenordnung Bundesrechtsanwaltsordnung Bundesrats-Drucksache Beispiel beispielsweise Bundestags-Drucksache Bulletin de Transport Burgerlijk Wetboek (Bürgerliches Gesetzbuch der Niederlande) Bundeswasserstraßengesetz Bundesverfassungsgericht Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts Bundesverwaltungsgericht bezüglich beziehungsweise Cour Einheitliche Rechtsvorschriften f ü r den Vertrag über die internationale Eisenbahnbeförderung von Gütern

Abkürzungsverzeichnis CIF CISG

Cour Cass

Cost Insurance and Freight Wiener UN-Übereinkommen über Verträge über den internationalen Warenkauf Straßburger Übereinkommen über die Beschränkung der Haft u n g in der Binnenschiffahrt Budapester Übereinkommen über den Vertrag über die Güterbeförderung in der Binnenschiffahrt Übereinkommen vom 19. Mai 1956 über den Beförderungsvertrag im internationalen Straßengüterverkehr Cour de Cassation

DB DGVZ dh DAR ders DonauSchPV DR DVO

Der Betrieb Deutsche Gerichtsvollzieherzeitung das heißt Deutsches Autorecht derselbe Donauschiffahrtspolizeiverordnung Das Recht Durchführungsverordnung

Ε ebd EFG Einf Einl EGBGB EGGVG EGHGB EGZPO engl entspr etc ETR EuGVO

Entwurf ebenda Entscheidungen der Finanzgerichte Einführung Einleitung Einführungsgesetz z u m Bürgerlichen Gesetzbuch Einführungsgesetz z u m Gerichtsverfassungsgesetz Einführungsgesetz z u m Handelsgesetzbuch Einführungsgesetz zur Zivilprozeßordnung englisch entsprechend et cetera (und so weiter) Europäisches Transportrecht Verordnung (EG) Nr 44/2001 des Rates über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen vom 22. Dezember 2000 eventuell Römisches EWG-Übereinkommen über das auf vertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht Entwurf des Versicherungsvertragsgesetzes (2004)

CLNI CMNI CMR

evtl EVÜ E-VVG

XXVII

Abkürzungsverzeichnis f ff FG FGG FlaggenrechtsVO FlaggRG Fn franz FS FTB GÄHB

folgende fortfolgende Finanzgericht Gesetz über die Angelegenheiten der Freiwilligen Gerichtsbarkeit Flaggenrechtsverordnung Flaggenrechtsgesetz Fußnote französisch Festschrift Frachten- u n d Tarifanzeiger der deutschen Binnenschiffahrt

GKG GmbH GVB1 GVG

Gesetz zur Änderung der Haftungsbeschränkung in der Binnenschiffahrt vom 25. August 1998 gemäß Gewerbeordnung Gewerbesteuerdurchführungsordnung Gewerbesteuergesetz Grundgesetz gegebenenfalls Verordnung über die Beförderung gefährlicher Güter auf Binnengewässern (Gefahrgutverordnung Binnenschiffahrt) Gerichtskostengesetz Gesellschaft mit beschränkter H a f t u n g Gesetz- und Verordnungsblatt Gerichtsverfassungsgesetz

Halbs HansGZ HansOLG HansRGZ Hansa HGB HGRIVR HHR HinterlO hM HR HRefG HVR

Halbsatz Hanseatische Gerichtszeitung Hanseatisches Oberlandesgericht Hanseatische Rechts- u n d Gerichtszeitung Zentralorgan f ü r Schiffahrt, Schiffbau, Hafen Handelsgesetzbuch Haverie-Grosse-Regeln IVR Hamburg-Regeln Hinterlegungsordnung herrschende Meinung Haager Regeln Handelsrechtsreformgesetz 1998 Haager-Visby Regeln

idF

in der Fassung

gem GewO GewStDV GewStG GG ggf GGV BinSch

XXVIII

Abkürzungsverzeichnis

iVm IVR iw

in der Regel im einzelnen insbesondere Insolvenzordnung Praxis des Internationalen Privat- und Verfahrensrechts im Rahmen des/der im Rahmen von im Sinne im Sinne des/der im Sinne von im übrigen Internationales Übereinkommen über Bergung Genfer Übereinkommen zur Vereinheitlichung einzelner Regeln über den Zusammenstoß von Binnenschiffen in Verbindung mit Internationale Vereinigung des Rheinschiffsregisters im wesentlichen

JGG JR JurBüro JVEG JW

Jugendgerichtsgesetz Juristische Rundschau Das Juristische Büro Justizvergütungs- u n d -entschädigungsgesetz Juristische Wochenschrift

KG KGJ KostO krit KSchG

Kammergericht Jahrbuch der Entscheidungen des Kammergerichts Kostenordnung kritisch Kündigungsschutzgesetz

L LAG lat LG lit LLV

Leitsatz Landesarbeitsgericht lateinisch Landgericht litera (Buchstabe) Verordnung über den Lade- und Löschtag sowie die Ladeund Löschzeiten in der Binnenschiffahrt vom 26. Januar 1994 Lindenmaier/Möhring, Nachschlagewerk des Bundesgerichtshofs Londoner Haftungsbeschränkungsübereinkommen vom 19. November 1976

idR ie insb InsO IPrax iRd iRv iS iSd iSv iü IÜB IUeZB

LM London HBÜ1976

XXIX

Abkürzungsverzeichnis It LuftVG

laut Luftverkehrsgesetz

m MA m Anm MarkenG MDR MIC MoselV MÜ

MüKo mwN mV

mit Mannheimer Akte mit Anmerkung Markengesetz Monatszeitschrift für Deutsches Recht Moselkommission Moselvertrag Montrealer Übereinkommen zur Vereinheitlichung bestimmter Vorschriften über die Beförderung im internationalen Luftverkehr vom 28. Mai 1999 Münchener Kommentar mit weiteren Nachweisen mit Verweis

nF NJW NJW-RR Nr NStZ NStZ-RR NZA NZV

neue Fassung Neue Juristische Wochenschrift NJW-Rechtsprechungs-Report Nummer Neue Zeitschrift für Strafrecht NStZ-Rechtsprechungs-Report Neue Zeitschrift für Arbeitsrecht Neue Zeitschrift für Verkehrsrecht

oä OLG OLGR OLGZ OVG OWiG

oder ähnliches Oberlandesgericht OLGReport Rechtsprechung des Oberlandesgerichts in Zivilsachen Oberverwaltungsgericht Gesetz über Ordnungswidrigkeiten

pa

per annum

RG RGBl RGZ RheinPatV RheinSchPV RheinSchUO Rn

Reichsgericht Reichsgesetzblatt Entscheidungen des Reichsgerichts in Zivilsachen Rheinpatentverordnung Rheinschiffahrtspolizeiverordnung Rheinschiffsuntersuchungsordnung Randnummer

XXX

Abkürzungsverzeichnis Rspr RVG

Rechtsprechung Rechtsanwaltsvergütungsgesetz

S s SaS SchRegO SchRG SeeHR SeelotsG SeemG SeeSchG SeuffA SG SGB sog SRÄG StGB StPO str StVG StVO SUG SUK SVertO SZR

Satz, Seite siehe Sammlungsseite (ZfB) Schiffsregisterordnung Schiffsrechtegesetz Seehandelsrecht Seelotsengesetz Seemannsgesetz Deutsches Seeschiedsgericht Seufferts Archiv f ü r Entscheidungen der obersten Gerichte in den deutschen Staaten Sozialgericht Sozialgesetzbuch sogenannt(e) Seerechtsänderungsgesetz Strafgesetzbuch Strafprozeßordnung streitig Straßenverkehrsgesetz Straßenverkehrsordnung Seesicherheits-Untersuchungsgesetz Schiffsuntersuchungskommission Schiffahrtsrechtliche Verteilungsordnung Sonderziehungsrecht

TR TranspR TRG

Transportrecht Transportrecht (Zeitschrift) Transportrechtsreformgesetz vom 25. Juni 1998

u ua UmweltHG UN UNCITRAL

und unter anderem Umwelthaftungsgesetz Vereinte Nationen Kommission der Vereinten Nationen f ü r internationales Handelsrecht Wirtschaftskommission der Vereinten Nationen f ü r Europa unstreitig Urteil und so weiter

UNECE unstr Urt usw

XXXI

Abkürzungsverzeichnis UVV

Unfallverhütungsvorschrift(en)

ν

von/vom Verein für Europäische Binnenschiffahrt und Wasserstraßen eV Verfahrensordnung f ü r den Berufungsausschuß der Moselkommission Verfahrensordnung f ü r die Berufungskammer der Rheinzentralkommission Versicherungsrecht Verfügung vergleiche Verwaltungsgericht Verwaltungsgerichtshof Verkehrsblatt, Amtsblatt des Bundesministers f ü r Verkehr Verkehrsgerichtstag Verordnung Vorauflage Vorbemerkung Visby-Regeln Verkehrsrechtssammlung Verlade- u n d Transportbedingungen Vergütungsverzeichnis (RVG) Versicherungsvertragsgesetz

VBW VerfO-BA VerfO-BK VersR Vfg vgl VG VGH VKbl VGT VO Voraufl Vorb VR VRS VTB W WG WA

WESKA WHG WG WM WSA WSD WSP

Warschauer A b k o m m e n z u r Vereinheitlichung vonRegeln über die Beförderung im internationalen Luftverkehr vom 12. Oktober 1929 Europäischer Schiffahrts- u n d Hafenkalender Wasserhaushaltsgesetz Wechselgesetz Zeitschrift f ü r Wirtschafts- und Bankrecht Wasser- u n d Schiffahrtsamt Wasser- u n d Schiffahrtsdirektion Wasserschutzpolizei

YAR

York-Antwerp Rules

zB ZfB ZfW Ziff

z u m Beispiel Zeitschrift f ü r Binnenschiffahrt Zeitschrift f ü r Wasserrecht Ziffer

XXXII

Abkürzungsverzeichnis zit ZKR ZPO zT ZVG

zitiert Zentralkommission f ü r die Rheinschiffahrt Zivilprozeßordnung z u m Teil Zwangsversteigerungsgesetz

XXXIII

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XL

Zivilprozeßordnung mit Gerichtsverfassungsgesetz und den Einführungsgesetzen, mit Internationalem Zivilprozeßrecht, EG-Verordnungen, Kostenanmerkungen, 26. Aufl, Köln 2007

XLI

1.

Gesetz betreffend die privatrechtlichen Verhältnisse der Binnenschiffahrt (Binnenschiffahrtsgesetz - BinSchG)

vom 15. Juni 1895 (RGBl 1895, 301) zuletzt geändert durch Art. 5 des Gesetzes zur Änderung des Ölschadensgesetzes und anderer schiffahrtsrechtlicher Vorschriften v. 12. 7. 2006 (BGBl. 11461).

Änderungen des Gesetzes Übersicht Lfd. Geänderte §§ Nr.

Art der Änderung

1

aufgehoben

72,110,131 bis 137 142 62 bis 71 111 bis 130

2

Änderungsgesetz

Datum

Fundstelle

Neubekanntmachung des BinSchG

RGBl. I 20.5.1898 (Inkrafttreten S. 369 gleichzeitig mit dem BGB am 1.1.1900)

Änderungsgesetz

29.7.1936

aufgehoben umbenannt in 63 bis 72 umbenannt in 110 bis 129

138 bis 141

umbenanntin 130 bis 133

119 bis 129

geändert

RGBl. I S. 581

3

4

119 bis 129

aufgehoben und durch die Schiffsregisterordnung vom 19.12.1940 (RGBl. IS. 1591) ersetzt

28 Abs. 2, 29 geändert Abs 1, 2, 3, 32, 47 Abs. 2,48 Abs. 1, 2, 3

Art. 1 Ziff. 4 einer VO zur Durchführung des Gesetzes über Rechte an eingetragenen Schiffen und Schiffsbauwerken

21.12.1940

Verordnungen

9.11.1940 17.5.1943

RGBl. I S. 1609

RGBl. IIS. 257 RGBl. I S. 311

1

BinSchG Lfd.

Geänderte §§

Änderungen des Gesetzes

Art der Änderung

Änderungsgesetz

Datum

5

Fundstelle

Nr. 6,11

geändert

Gesetz über das Ver-

27.9.1952

fahren in Binnen-

BGBl. I S. 641

schiffahrts- und Rheinschiffahrtssachen (nach dem Gesetz vom 2.12.1952-GVBl. S. 1051 - auch in Berlin anwendbar) 6

20,25

geändert

erstes Arbeitsrechtsbe-

14. 8 . 1 9 6 9

reinigungsgesetz 7

92,102

geändert

Seerechtsänderungs-

S. 1106 21.6.1972

gesetz 8

3,4, 92,117,

geändert

118,131 92a bis 92f

Gesetz zu dem Über-

BGBl. I S. 966

30. 8 . 1 9 7 2

einkommen vom eingefügt

BGBl. I

BGBl. II S. 1005

1 5 . 3 . 1 9 6 0 zur Vereinheitlichung einzelner Regeln über den Zusammenstoß von Binnenschiffen sowie zur Änderung des Binnenschiffahrtsgesetzes und des Flößereigesetzes

9

132

aufgehoben

Einführungsgesetz zum

2.3.1974

Strafgesetzbuch 10

Bezeichnung,

geändert

29,30,48,49 32

3. Gesetz zur Änderung

S. 469 21.4.1986

des Gesetzes über die aufgehoben

BGBl. I

BGBl. I S. 551

Aufgaben des Bundes auf dem Gebiet der Binnenschiffahrt

11

12

77,102

geändert

2. Seerechtsänderungs-

4a

eingefügt

gesetz

29,30,48

geändert

Tarifaufhebungsgesetz

25.7.1986

BGBl. I S. 1120

13. 8 . 1 9 9 3

BGBl. I S. 1489

13

14

49

geändert

32

eingefügt

20

geändert

Änderungsgesetz

26.4.1994

Pflege-Versicherungs-

26. 5 . 1 9 9 4

BGBl. I S. 886

gesetz

BGBl. I S. 1014, 1069

2

BinSchG

Änderungen des Gesetzes

Lfd.

Geänderte §§

Art der Änderung

Änderungsgesetz

Datum

15

Fundstelle

Nr. 26,131

geändert

Transportrechtsreform-

27 bis 76

aufgehoben

gesetz

25.6.1998

BGBl. I S. 1588, 1602

16

4 bis 8 , 1 9 , 77, geändert

Gesetz zur Änderung der

79,97,102,

Haftungsbeschränkung

1 0 4 , 1 0 7 bis

in der Binnenschiffahrt

25.8.1998

BGBl. I S. 2489

109,113 bis 115,117,131

17

5a bis 5m

eingefügt

106,112

aufgehoben

4, 5, 5c, 5e, 5i,

geändert

5k, 5m, 93,

3. Seerech tsänderungs-

16.5.2001

102,116,117 18

BGBl. I S. 898,

gesetz

902

94 bis 101

aufgehoben

51,93

geändert

Gesetz zur Änderung des Ölschadensgesetzes und

12. 7 . 2 0 0 6

BGBl. I S. 1461

anderer schiffahrtsrechtlicher Vorschriften

3

Erster Abschnitt Schiffseigner S i

[Schiffseigner]

Schiffseigner im Sinne dieses Gesetzes ist der Eigentümer eines zur Schiffahrt auf Flüssen oder sonstigen Binnengewässern bestimmten und hierzu von ihm verwendeten Schiffes.

Übersicht Rn 1. Allgemeines

1-2

2. Schiff als Sachbegriff. .

3-23

3. Schiff als Rechtsbegriff

24-46

4. Schiffseignerbegriff . .

47-54

1.

Allgemeines

Da der Begriff des Schiffseigners von zentraler Bedeutung für das Haftungsgefüge 1 des BinSchG ist (vgl insbesondere §§ 2, 3 , 4 , 5, 5a, 5b, 5c, 6, 7 Abs 3,15ff, 79 Abs 3 , 9 2 , 92b, 92c, 92d, 109 Abs 3 , 1 1 3 , 114, 1 1 5 , 1 1 8 Abs 2), beginnt das Gesetz mit einer Legaldefinition, die an den Reederbegriff im Seerecht erinnert („Reeder ist der Eigentümer eines ihm zum Erwerbe durch die Seefahrt dienenden Schiffes", § 484 HGB), mit ihm aber nicht identisch ist (s Rn 10). Dabei ergibt sich bereits aus dem Wortlaut von § 1, insbesondere aber auch aus dem 2 Vergleich mit § 2 Abs 1 Halbs 1, daß prägend für den binnenschiffahrtsrechtlichen Schiffseignerbegriff nicht das Sachen- bzw registerrechtliche Faktum der Eigentümerstellung als solches ist, sondern die tatsächliche Verwendung eines Binnenschiffes zu Schiffahrtszwecken auf Binnenwasserstraßen durch den Eigentümer. Demgemäß kommt der Klärung dieser Definitionselemente, wie sie Gesetzgebung und Rspr vorgenommen haben, für die Anwendung des BinSchG maßgebende Bedeutung zu.

5

BinSchG § 1 2.

Schiffseigner

Schiff als Sachbegriff

3

a) Die Versuche, das Schiff im Sinne des BinSchG in einem bündigen Satz zu definieren, können nicht immer als zielführend bezeichnet werden und erinnern nicht selten an die berühmtgewordene Eisenbahndefinition des Reichsgerichtes 1 . So wollte die amtliche Begründung des BinSchG 1894 als Schiffe subsumiert wissen „alle Fahrzeuge ..., welche zur Schiffahrt verwendet und nach dem allgemeinen Sprachgebrauch als Schiffe bezeichnet zu werden pflegen. Gewöhnliche Boote, Nachen, Gondeln und ähnliche kleine Fahrzeuge, welche zu Lustfahrten oder zum Übersetzen von Personen bemüht zu werden pflegen, fallen nicht unter das Gesetz." 2

4

Diese wenig konturenreiche Formel hat der BGH dann dahingehend zu präzisieren versucht, daß unter einem Schiff „jedes schwimmfähige, mit einem Hohlkörper versehene Fahrzeug von nicht ganz unbedeutender Größe zu verstehen (sei), dessen Zweckbestimmung es mit sich bringt, daß es auf dem Wasser bewegt wird. 3 " Diese sogenannte Hohlkörperdefinition ist insofern zu ergänzen, daß der Schiffszweck sich nicht in der bloßen „Bewegung auf dem Wasser" erschöpft, sondern ein Schiff als Nutzfahrzeug dadurch gekennzeichnet wird, daß Personen und/oder Güter mit dem Schiff von Α nach Β befördert werden. b) Ausgehend von diesem Definitionsversuch sind somit für die Bestimmung des einheitlichen Schiffsbegriffs (§ 9 2 Rn 5) des BinSchG wesentlich: M)

5

Schwimmfähiger Hohlkörper

Dieses Schiffsmerkmal, das vor allem für die frühere und mit dem Wegfall des Flößereigesetzes im Jahr 1998 endgültig irrelevante Abgrenzung zum Floß entwickelt wurde, dürfte heute nur in den seltensten Fällen streitig werden. Auf einen bestimmten nautischen Zuschnitt des Hohlkörpers kommt es nicht an, so daß auch Transportzwecken gewidmete schwimmende Flüssigkeitsbehälter oder Hebeprähme als Schiff im Sinne von § 1 anzusehen sind. 4 66)

Fahrzeuggröße

6 Von dem Schiffsbegriff des BinSchG erfaßt werden nicht nur die heute in einer Länge von bis zu 135m und einer Tonnage von über 4 . 0 0 0 1 eingesetzten Fahrzeuge der Berufsschiffahrt, sondern auch Kleinfahrzeuge (vgl §§ 4 Abs 5, 92 Abs 3 S 1). Vom Haftungsregime des Gesetzes ausgenommen werden sollen lediglich Fahrzeuge mit einer völlig unbedeutenden Größe. Demgemäß hat bereits die amtliche Begründung

1 2 3 4

6

RGZ 1, 247, 252. Begr BinSchG, 312. BGHNJW 1952, 1135 = L M $ 4 BinSchG Nr 3. RGZ 5 5 , 3 2 0 .

Erster Abschnitt. Schiffseigner

§ 1 BinSchG

zum BinSchG 5 idR mit Muskelkraft betriebene Nachen, Gondeln bzw „gewöhnliche Boote" vom Anwendungsbereich des § 1 ausgenommen. Hierzu wird man auch Ruder- und Paddelboote, Tretboote sowie kleinere unmotorisierte Beiboote, Schlauchboote bzw Segelboote zu rechnen haben. Dagegen wurde ein Jollenkreuzer mit 20 m 2 Segelfläche 5 bzw ein Schärenkreuzer mit 30 m 2 Segelfläche 7 ebenso als Schiff im Sinne von § 1 eingeordnet wie eine mit einem Außenbordmotor ausgerüstete Pontonfähre von 1 2 1 Tragfähigkeit, 8 ebenso ein 23,8 m langer Stelzenponton 9 sowie ein 33 m langer Baggerponton. 1 0 Wann die Schwelle von der zu vernachlässigenden Bootsklasse zu einer nicht ganz unbedeutenden Größe 1 1 im Einzelfall überschritten wird, ist streitig. 12 cc)

Gefährdungspotential

Allein die Bezeichnung „Boot" oder „ S c h i f f taugt als Unterscheidungskriterium 7 nicht. 1 3 Vielmehr ist gerade wegen des engen Zusammenhangs zwischen § 1 und der Haftungsnorm des § 3 auf das von dem jeweiligen Fahrzeug ausgehende Gefährdungspotential, insbesondere in bezug auf Motorisierung 1 4 und Geschwindigkeit, abzustellen. 15 Die technische Zulassung des Binnenschiffs zum Verkehr (SS 4 , 5 BinSchUO) und die damit verbundene Ausstellung eines Schiffsattests durch die Schiffsuntersuchungskommission (SUK) (S6 BinSchUO) sind zwar die Regel, konstituierend für den Schiffsbegriff sind Zulassung und Attest jedoch nicht. Ein mit einem 55 PS Motor ausgestattetes, 8 m langes und 2,35 m breites Proviant- 8 boot 1 6 zählt ebenso als Schiff iSv § 1 wie ein Werkstattschiff. 1 7 Vor allem aber unterfällt die unverändert wachsende Zahl motorisierter Sportboote, 1 8 Wassersportgeräte wie etwa Jet-Bikes, Windsurfbretter 1 9 sowie Segelyachten auch dann dem 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18

19

Begr BinSchG, 312. BGH NJW 1972, 538 = VersR 1972, 246 = NJW 1972, 538 = BGHZ 57, 309. OLG Köln VersR 2002, 1534,1535. OLG Karlsruhe ZfB 1992, SaS 1382. OLG Karlsruhe VersR 1999, 385 = ZfB 1998, SaS 1712 = TranspR 1999, 304. OLG Hamm VersR 1998, 1133. BGH NJW 1952, 64, 1135; 1 9 7 2 , 5 3 8 . Vgl auch § 1.02 Nr. la RhSchUO: „Schiffe mit einer Länge von 20 m oder mehr". BGH NJW 1972, 538, 539. OVG Hamburg ZfB 1 9 7 9 , 1 9 1 , 1 9 2 . BGH NJW 1972, 538; 1974, 470. BGH VersR 1960, 305, 307; BGH NJW 1958, 457. BFH BStBl 1955 III, 358. Vgl dazu die gesetzliche Definition des Sportbootes in $ 1.01 Nr 9 BinSchStrO: „Ein Wasserfahrzeug, das für Sport- oder Erholungszwecke verwendet wird." bzw. in § 1 Nr 2 Sportbootführerscheinverordnung Binnen vom 22. 3 . 1 9 8 9 , BGBl I S 5 3 6 , 1 1 0 2 : „Sportboote (sind) von ihren Bootsführern nicht gewerbsmäßig, gewöhnlich für Sport- oder Erholungszwecke verwendete Fahrzeuge von weniger als 15 m 2 Wasserverdrängung ausgenommen Fahrzeuge, die durch Muskelkraft oder nur hilfsweise mit einem Treibsegel von höchstens 3 m 2 Fläche fortbewegt werden." KG ZfB 1 9 8 1 , 3 8 0 ; BayVerfGH BayVBl 1 9 7 9 , 3 3 5 .

7

BinSchG § 1

Schiffseigner

Schiffsbegriff des § l, z0 wenn deren Eignern nach dem ausdrücklichen Wortlaut von § 4 Abs 1 die Möglichkeit, im Havariefall ihre Haftung summenmäßig zu begrenzen, nicht zusteht (§ 4 Rn 20ff). dd)

Verwendung zu Schiffahrtszwecken

9 Das Fahrzeug muß zunächst fähig und dazu bestimmt sein, sich nur auf dem Wasser fortzubewegen. Daher zählen Wasserflugzeuge und Luftkissenfahrzeuge, die - im Gegensatz zu einem Tragflächenboot21 - nur gelegentlich auf dem Wasser bewegt werden, nicht als Schiffe iSv § 1. 10 Im Gegensatz zu dem Reederbegriff des Seerechts, bei dem das Erwerbsmotiv Tatbestandsmerkmal für den Reeder ist („eines ihm zum Erwebe durch die Seefahrt dienenden Schiffes," § 484 HGB; vgl aber Einschränkung für die Haftungsvorschriften gemäß Art 7 Abs 1 EGHGB), können in der Binnenschiffahrt auch nicht kommerziell betriebene Schiffe22 „zur Schiffahrt auf Flüssen und sonstigen Binnengewässern" von dem Schiffseigner verwendet werden (§ l). 23 11 In diesem Zusammenhang stehen heute im Vordergrund insbesondere die Sportboote (Rn 8), deren Verwender Schiffseigner iSv § 1 sind.24 Gleichwohl wird die Binnenschiffahrt überwiegend bestimmt von dem Bild des Berufsschiffes, das als Nutzfahrzeug der Beförderung von Gütern oder - im Bereich der Fahrgastschifffahrt - von Personen dient. Auch wenn bei eingetragenen Binnenschiffen (§ 1 Schiffsrechtegesetz) die Gewinnerzielungsabsicht des Eigners steuerlich als der Regelfall angesehen wird (§§ 2 GewStG, 5 GewStDV), ist diese Eignerabsicht für den Schiffsbegriff nicht bestimmend. Maßgeblich ist vielmehr die Verwendung zur Schiffahrt, so daß die Rspr Wahrschauflöße25 ebensowenig wie Wohn- und Lagerschiffe sowie Gaststätten- bzw Theater-, Messe- und Ausstellungsschiffe, sofern sie dauerhaft an Land, insbesondere mittels Schorbäumen, festgemacht sind,26 als Schiffe im Sinne des Gesetzes angesehen hat. 12 Maßgeblich ist grunds der regelmäßige und dauerhafte Verwendungszweck.27 Gleichwohl werden auch Schiffe, die nur vorübergehend als Hotel- oder Lagerschiff eingesetzt werden, unverändert § 1 zugeordnet.28 Badeanstalten am Strom, bei de20 21 22 23 24 25 26 27 28

8

BGH NJW 1952, 64 = BGHZ 3, 34, 43; 62, 146; BGH NJW 1972, 538; KG VersR 1974, 564; Klein VersR 1978, 197. OLG Karlsruhe TranspR 2003, 245 = VersR 2003, 752. OLG Köln VersR 2002, 1534,1535. RGZ 51, 324; BGH NJW 1952, 1135; BGHZ 3, 34. Arg $ 4 Abs 1; BGH ZfB 1960, 104; BGHZ 35, 150 = NJW 1961, 1526; BGH VersR 1972, 456; BGH NJW 1974,1654. ZKRUl'tv3. 5 . 1 9 9 3 (Az 277 Ζ 2/93). OVG Hamburg ZfB 1 9 7 9 , 1 9 1 ; OLG Karlsruhe ZfB 1992, SaS 1382. BGHZ 25, 244. OLG Karlsruhe ZfB 1992, SaS 1382.

Erster Abschnitt. Schiffseigner

§ 1 BinSchG

nen der Schwimmbereich durch schwimmende Pontons eingegrenzt wird, können dagegen wegen fehlenden Schiffahrtszweckes ebensowenig zu den Schiffen gezählt werden wie Schwimmdocks. 2 9 Bewegliche Schiffsbrücken sind keine Schiffe, stehen diesen aber im Falle von 13 Schiffskollisionen gleich ( § 9 2 Abs 3 S 2). Dagegen unterfallen Schwimmkräne, Schwimmbagger bzw Elevatoren unmittelbar dem Schiffsbegriff nach § 1 (s auch § 5e Abs 1 Nr 4). 30 Dies gilt ebenso für Schuten und Leichter, 3 1 wobei die gewerbliche Nutzung in diesen Fällen zwar die Regel, für den Schiffsbegriff aber nicht konstituierend ist. 3 2 Auch eine Leerfahrt eines grundsätzlich dem Binnenschiffahrtstransport gewidmeten Fahrzeugs ändert nichts am Vorliegen eines Schiffes iSv § 1. Bei Fähren ist zu differenzieren: für frei schwimmende Fähren gilt § 1 ebenso wie das sonstige BinSchG, nicht frei fahrende Fähren unterfallen dagegen nicht dem Schiffsbegriff, das BinSchG ist insoweit mit wenigen Ausnahmen (§ 131 Rn 10) nicht anwendbar ( § 1 3 1 Abs 4). 33

14

Wasserschutzpolizeiboote, Feuerlöschboote sowie Fahrzeuge der Wasserstraßenverwaltung und des Zolls, die auf Binnenwasserstraßen eingesetzt werden, unterfallen als „andere Schiffe" iSv § 5e I Nr 1 (§ 5e Rn 3) dem Schiffsbegriff des § 1, wobei für diese Fahrzeuge die Registerpflicht gemäß § 10 Abs 3 SchRegO entfällt.

15

ee)

Einsatz auf Binnengewässern

Die Binnengewässer umfassen die gesamten Binnenwasserstraßen, also sowohl die natürlichen Ströme, Flüsse, Wasserläufe und Seen, als auch die künstlichen Wasserwege, die Kanäle. Die Erwähnung der Flüsse erfolgt in § 1 nur beispielhaft, wie sich aus dem Hinweis auf die sonstigen Binnengewässer ergibt (s auch § 26, wo nur von „Binnengewässern" gesprochen wird). Unerheblich ist, wer Eigentümer der Binnengewässer ist, so daß das BinSchG auch Anwendung findet auf private Gewässer, auf denen Schiffahrt stattfindet. 3 4 Zur (teilweisen) Einschränkung des sachlichen Geltungsbereichs der BinSchG s § 131 Rn Iff.

16

Wegen der seit 1998 einheitlichen Geltung der Summenhaftung sowohl im Seerecht als auch im Binnenschiffahrtsrecht hat die früher wichtige Abgrenzung zwischen einerseits der Schiffahrt auf See und andererseits der Schiffahrt auf Binnengewässern an Bedeutung verloren. Entscheidend ist, ob das Fahrzeug zur Fahrt auf Binnenwas-

17

29 30 31 32 33 34

RGZ 86, 424. OLG Köln Ul't ν 9. 5. 1969 (Az 3 U 191/68); RGZ 51, 334; BGHZ 76, 201 = VersR 1980, 546 = NJW 1980, 1747; BGH VersR 1978, 712. RGZ 51, 334; 64, 21; 78,178. BGH NJW 1972, 538, 539. S § 131 Rn Iff, 9ff. RG JW 1900, 351 Nr 27.

9

BinSchG § 1

Schiffseigner

ser- oder Seewasserstraßen bestimmt ist. 35 Nach § 1 Flaggcnrcch tsVO36 verläuft die Grenze zwischen der Seewasser- und der Binnenwasserstraße entlang der Festlandund Inselküstenlinie, entlang der seewärtigen Begrenzung der Binnenwasserstraßen sowie entlang der Verbindungslinie der Molenköpfe bei Küstenhäfen bzw der äußeren Uferausläufer von nicht zu den Binnenwasserstraßen zählenden Flüssen. Die seewärtige Begrenzung der Binnenwasserstraßen Eider, Elbe, Ems, 37 Trave und Weser ergibt sich dabei aus dem als Anlage 2 zu § 1 Abs 1 Nr 1 BWaStrG 38 veröffentlichten Verzeichnis der Binnenwasserstraßen des Bundes. Hilfsweise ist auf die in seemännischen Kreisen herrschende Anschauung abzustellen. 39 18 Ob das Schiff in das Binnenschiffs- oder Seeschiffsregister eingetragen ist (§§ 3 SchRegO, 1 SchRG), ist nicht allein ausschlaggebend, kann aber eine entsprechende Zuordnung indizieren. Ist ein Fahrzeug für beide Gebiete einsatzfähig, kommt es auf seine Bestimmung und regelmäßige Verwendung an. 40 In Zweifelsfällen, etwa bei einem Küstenmotorschiff, entscheidet über die haftungsrechtliche Einordnung der jeweilige Reiseverlauf bzw Havarieort. 41 Für die Unterscheidung Seeschiff Binnenschiff nicht maßgeblich ist, ob die zugrunde liegenden Frachtverträge die Anwendung von See- oder Binnenschiffahrtsrecht vorsehen. 42 Wird indes ein Seeschiff im Rahmen einer Überführungsfahrt der Werft auf einer Binnenwasserstraße zur Abnahme an einen Seeplatz verschleppt, ist das Schiff nicht iSv § 1 zur Schiffahrt auf einem Binnengewässer bestimmt. Unabhängig von der verkehrsrechtlichen Geltung der BinSchStrO für diese Verschleppung kommt daher i ü, insbesondere haftungsrechtlich, Seerecht zur Anwendung. 43 19 Das gleiche gilt, soweit sich bei der Beladung eines Binnenschiffes ex Seeschiff in einem Seehafen eine Havarie ereignet. 44 Dagegen findet Binnenschiffahrtsrecht für die Haftung eines Lotsen Anwendung, der ein Seeschiff auf einer Binnenwasserstraße als Hilfsschiffsführer überführt. 45

35 36 37 38 39 40 41 42 43 44 45

10

Zur Abgrenzung vgl $ 1 BWaStrG sowie BGH VersR 1978, 712 = ZfB 1978, 394; BGHZ 26, 201; OLG Celle VersR 1 9 9 0 , 1 2 9 7 ; RGZ 102,45; HansOLG VersR 1960,412. Flaggenrechts VO ν 4. 7 . 1 9 6 0 BGBl 11389, geändert durch VO ν 2 6 . 1 0 . 1 9 9 4 BGBl 13176. Zu den Grenzen des Fahrwassers auf der Unterems s BGH ZfB 1978, 93. BWaStrG ν 2 . 4 . 1968 BGBl I 173, neugefaßt durch Bekanntmachung ν 4 . 1 1 . 1998 BGBl I 3294, zuletzt geändert durch Gesetz ν 18. S. 2002 BGBl 11914. RGZ 13, 68, 72f; 102, 45; BGHZ 76, 201, 204. Vgl Art 7 EGHGB „Verwendung eines Schiffes zur Seefahrt"; BGHZ 2 5 , 2 4 4 . BGH VersR 1980, 54S; LG Hamburg VersR 1 9 8 1 , 7 2 9 . OLG Celle VersR 1 9 9 0 , 1 2 9 7 ; BGHZ 2 5 , 2 4 4 ; BGH VersR 1 9 7 6 , 2 0 3 . BGHZ 25, 244, 24S. OLG Hamburg VersR 1985, 58. OLG Hamburg TranspR 199S, 33; zur begrenzten Lotsenhaftung analog $ 21 SeelotsG vgl BGH ZfB 1989, SaS 1256.

Erster Abschnitt. Schiffseigner

c)

§ 1 BinSchG

Beginn und Ende der Schiffseigenschaft

Ein Schiffsbauwerk ist noch kein Schiff, weil ihm in der Regel die Schwimmfä- 20 higkeit (§740 HGB Rn5), jedenfalls die Zweckbestimmung zur Beförderung von Personen und/oder Gütern fehlt. Ähnliches gilt für den noch unausgerüsteten Schiffskörper nach dem Stapellauf. Erst mit der endgültigen Fertigstellung und der Überprüfung des Schiffsgefäßes durch Klassifikationsgesellschaft bzw Schiffsuntersuchungskommission erfährt das Fahrzeug die Widmung zur Personen- und/oder Güterbeförderung und damit die rechtliche Qualifikation als Schiff iSv § 1 (arg §§ 72 SchRegO, 81 SchRG). Der nur vorübergehende Verlust einzelner Schiffsmerkmale (zeitweilige Außer- 21 dienststellung, Werftaufenthalt, vorübergehender Einsatz als Hotel- oder Ausstellungsschiff) ändert nichts an der Schiffseigenschaft. 46 Ebensowenig schädlich ist der Umstand, daß das Fahrzeug außerhalb seiner Einsatzzeit an Land gelagert (Sportboote) oder in seine Einzelteile (Pontonfähre) zerlegt wird.47 d)

Schiffswracks

Ist das Wrack zwar gesunken, aber noch (wirtschaftlich) bergungs- und reparaturfä- 22 hig (vgl §§ 479, 873 HGB; s § 5j Rn 2), besteht die Schiffseigenschaft iSv § 1 fort, solange der Schiffseigner sein Eigentum nicht aufgibt (bei eingetragenen Schiffen: gem § 7 Abs 1 SchRG; iü gem § 959 BGB). 48 Im Falle eines Schiffszusammenstoßes iSv § 92 ist das Fahrzeug vor seiner Bergung zunächst kein Schiff mehr. 49 Auch an gesunkenen Schiffen wirken grundsätzlich bestehende Schiffsgläubigerrechte fort. 50 Ist das Fahrzeug indes nicht mehr (wirtschaftlich) bergungs- und/oder reparaturfä- 23 hig, geht die Schiffseigenschaft gemäß § 1 verloren. 51 Soweit ein Schiff aus Altersgründen oder im Zuge einer Abwrackaktion abgewrackt,52 also das Schiffskasko (Rn 26) eingeschmolzen wird, verliert es seine Schiffseigenschaft mit dem Ende der Schwimmfähigkeit. 53 3.

Schiff als Rechtsbegriff

a) Das Binnenschiff ist eine bewegliche Sache iSv § 90 BGB, so daß grundsätzlich 2 4 allgemeines Schuld- und Sachenrecht zur Anwendung kommt. Für nicht im Schiffs-

46 47 48 49 50 51 52 53

OLG Karlsruhe ZfB 1992, SaS 1382. OLG Karlsruhe ZfB 1992, SaS 1382. OLG Köln ZfB 2006, Heft Nr 12, S 47. BGH LM§ 4 BinSchG Nr 3. BGH NJW 1952, 1135. RGZ 95, 228. Zu dem Begriff der Abwrackung s AG Duisburg-Ruhrort ZfB 1979,380. OVG Hamburg ZfB 1979,191.

11

BinSchG § 1

Schiffseigner

register eingetragene Schiffe gilt dies uneingeschränkt. Soweit das Schiff im Schiffsregister eingetragen ist (§§ 1 SchRG, 9ff SchRegO), werden die fahrnisrechtlichen Vorschriften sowie das Zwangsvollstreckungsrecht weitgehend durch dem Grundstücksrecht ähnliche registerrechtliche Regelungen ersetzt. 54 Ie gilt folgendes: 25

aa) Für zu registrierende Schiffe sind bei dessen Anmeldung zum Schiffsregister bestimmte Angaben zu machen, insbesondere zu dem - nach §§ 3, 4 MarkenG schutzfähigen 55 - Namen des Schiffes (§ 12 Nr 1 SchRegO) sowie dessen Heimatort (SS 12 Nr 3 SchRegO, 6 BinSchG; s § 6 Rn Iff).

26

bb) Wesentliche Bestandteile eines Schiffes, insbesondere Kasko (von spanisch: casco = Schiffsrumpf), Herft, Strau, Planken, Platten, Spanten, Schrauben, Steuerhaus, Schiffskräne, Schiffsschraube, Lukendach, Ankerwinden, Heizschlangen im Rohrsystem von Tankschiffen, etc können nicht Gegenstand besonderer Rechte sein (§ 93 BGB). Der Schiffsmotor zählt jedenfalls, wie der Name schon sagt, bei einem Motorschiff zu einem wesentlichen Bestandteil, und zwar unabhängig davon, ob es sich um einen serienmäßig hergestellten Motor handelt oder ob etwa ein späterer Ausbau (wirtschaftlich) möglich ist. 55

2 7 cc) Alle übrigen dem Zweck des Schiffsbetriebes dienenden Sachen wie Anker, Trossen, Ketten, Drähte, Beiboote, abmontierbare Sprechfunkgeräte, und ähnliches sind Zubehör und damit sonderrechtsfähig (§ 97 BGB). Auf das gesamte Zubehör erstrekken sich auch die Schiffsgläubigerrechte (§ 103 Abs 1; §§ 103-105 Rn 7). Die Schiffshypothek bei einem eingetragenen Schiff erstreckt sich indes nur auf das Zubehör, das dem Schiffseigentümer gehört (§31 SchRG). 28 dd) Die Effekten der Schiffsbesatzung, also dem persönlichen Gebrauch dienende Sachen wie Kleidung, Wohnungseinrichtung, Unterhaltungsgeräte uä, sind kein Schiffszubehör. Bunkervorräte oder Container sind weder wesentliche Bestandteile, noch Zubehör eines Binnenschiffs. 2 9 ee) Wird das Recht zum Schiffsbesitz (§ 854 BGB) entzogen oder durch verbotene Eigenmacht (S 858 BGB) gestört, so hat der Schiffsbesitzer Ansprüche auf Wiedereinräumung des Besitzes bzw Unterlassung der Störung (§§ 8 6 1 , 8 6 2 BGB). 30 ff) Der Schiffseigentümer kann, soweit nicht das Gesetz oder Rechte Dritter entgegenstehen, mit seinem Schiff nach Belieben verfahren und andere von jeder Einwirkung ausschließen ($ 903 BGB).

54 55 56

12

BGH NJW 1958, 357. De«tecftTranspR2000,113. BGHZ 10, 171, 176; 18, 226, 26, 225; BGH VersR 1960, 305, 307; BGH NJW 1958, 457 = ZfB 1958, Heft 2, S S3; RGZ 152, 91, 98 = JW 193S, 3177 Nr 2; RGZ 62, 406; 152, 22 = JW 1936, 1123 Nr 1; OLG Hamm ZfB 1992, SaS 1360; OLG Köln JW 1936, 466 Nr 31.

Erster Abschnitt. Schiffseigner

§ 1 BinSchG

gg) Die Aufgabe des Eigentums regelt sich bei nicht eingetragenen Schiffen nach § 959 BGB, bei registrierten Schiffen nach § 7 Abs 1 SchRG.

31

hh) Das Recht zur Aneignung eines herrenlosen Schiffes steht bei nicht eingetrage- 32 nen Schiffen dem Finder (§ 973 BGB), bei eingetragenen Schiffen ausschließlich dem Bund zu (§ 7 Abs 2 SchRG). ii) Soweit der Besitzer des Schiffes kein Recht zum Besitz hat (§ 986 BGB), hat der Ei- 33 gentümer einen Herausgabeanspruch gegen den Besitzer ($ 985 BGB). kk) Gegenüber einem Störer, der das Eigentumsrecht anders als durch Besitzentzie- 3 4 hung oder Besitzstörung (§§ 861, 862 BGB, s Rn 29) beeinträchtigt, steht dem Eigentümer ein Beseitigungs- und Unterlassungsanspruch zu (§ 1004 BGB). II) Die schuldrechtliche Veräußerung eines Binnenschiffs einschließlich der Ge- 35 währleistung erfolgt nach §§433ff BGB, wobei für eingetragene Binnenschiffe Grundstückskaufrecht, insb §§ 435 S 2, 436, 438 Abs 1 Nr 1, 442 Abs 2 u 448 Abs 2 BGB Anwendung findet (§452 BGB). 57 Eine notarielle Beurkundung des Kaufvertrages (§ 128 BGB) ist ebenso wenig erforderlich wie die Schriftform (§ 126 BGB). 58 Für das Zustimmungserfordernis des Ehegatten zu einem Kaufvertrag über ein Binnenschiff gem §§ 1365,1366 BGB ist nicht nur erforderlich, daß der Kaufgegenstand das gesamte Vermögen des Verkäufers darstellt; Voraussetzung ist daneben, daß dieser Umstand für den Käufer erkennbar war.59 Zur rechtlichen Bedeutung eines letter of intent beim Binnenschiffahrtsverkauf vgl BFH ZfB 1980, 58. b) Für die Übertragung des Eigentums ist zu differenzieren: Nicht eingetragene Binnenschiffe aa) Die Eigentumsübertragung erfolgt durch Einigung und Übergabe (§ 929 BGB). 36 Ein gutgläubiger Erwerb vom Nichtberechtigten ist, vorbehaltlich abhanden gekommener Schiffe (§ 935 BGB), möglich (§ 932 BGB). 60 §§ 929a, 932a sind als leges speciales für Seeschiffe auf Binnenschiffe unanwendbar. Eine notarielle Beurkundung der Einigung ist nicht erforderlich. Eingetragene Binnenschiffe bb) Die Eigentumsübertragung erfolgt durch Einigung und Eintragung in das 37 Binnenschiffsregister (§ 3 Abs 1 SchRG). Die Einigung über den Eigentumsübergang bedarf keiner Form. 61 Da sie aber vor der Eintragung in das Binnenschiffsregi-

57 58 59 60 61

LG Hannover Urt ν 29. 5.2007 (Az 24 Ο 14/07). LG Osnabrück ZfB 1991, SaS 1340. LG OsnabrückZfB 1991, SaS 1340. OLG Brandenburg OLGR 2004,89. Lectaer TranspR 2006,440,442.

13

BinSchG § 1

Schiffseigner

ster nur unter der Voraussetzung des § 3 Abs 2 SchRG bindend ist und iü die Einigung dem Schiffsregister in öffentlich beglaubigter Form nachzuweisen ist (SS 30, 37 SchRegO), ist die notarielle Beurkundung der Einigung die Regel. 38 cc) Für die Eigentumsübertragung von Schiffsbauwerken von Binnenschiffen gilt § 3 SchRG entsprechend (SS 76, 78 SchRG); das gleiche gilt für Wracks von Binnenschiffen. 62 Soweit das Binnenschiff ins Ausland verkauft wird, ist es im Register zu löschen (SS 1 7 , 2 0 SchRegO). 3 9 dd) Der gutgläubige Erwerb eingetragener Binnenschiffe richtet sich - analog § 892 BGB - nach SS 16ff SchRG. Dies gilt auch dann, wenn das veräußerte Binnenschiff im Seeschiffsregister eingetragen ist. 53 Die Vermutung, daß Schiffseigentümer ist, wer als solcher im Schiffsregister eingetragen ist (S 15 SchRG), kann dadurch entkräftet werden, daß die von dem eingetragenen Berechtigten behaupteten Erwerbsgründe durch Vollbeweis widerlegt werden. 64 4 0 ee) Die Ersitzung eines Binnenschiffs erfolgt bei nicht eingetragenen Schiffen nach §§ 937ff BGB, bei eingetragenen Schiffen durch die S 900 Abs 1 BGB (Tabularersitzung) nachgebildete Registerersitzung gemäß S 5 SchRG. c) Ebenso zu differenzieren ist bei der Zwangsvollstreckung in Binnenschiffe: 41

aa) Bei nicht eingetragenen Binnenschiffen erfolgt die Pfändung gemäß SS 803ff ZPO, der die öffentliche Versteigerung gemäß S 814 ZPO nachfolgt.

42

bb) Bei eingetragenen Binnenschiffen erfolgt die Zwangsversteigerung und die Eintragung einer Schiffshypothek gemäß SS 162ff ZVG, 864, 870a ZPO; eine Zwangsverwaltung (SS 146ff ZVG) von Binnenschiffen ist ausgeschlossen (vgl Wortlaut S 162 ZVG: „Zwangsversteigerung eines... Schiffs").

43

cc) Besonderheiten gelten für die Befriedigung von Schiffsgläubigern aus dem Schiff gemäß SS 102ff, die sowohl für eingetragene, als auch für nicht eingetragene Binnenschiffe in Betracht kommt (vgl dazu ie SS 103-105 Rn 3ff).

4 4 dd) Binnenschiffe unterliegen als Wasserfahrzeuge im Sinne des Internationalen Privatrechts dem Recht des Herkunftsstaats. Das ist „der Staat der Registereintragung, sonst des . . . Heimatorts" (Art 45 Abs 1 Nr 2 EGBGB). 55 Zum Begriff des Heimatorts vgl S 6 Rn4f. Schiffsbauwerke werden von Art 45 Abs 1 Nr 2 EGBGB nicht erfaßt, für sie gilt das Recht des Lageortes (lex rei sitae, Art 43 EGBGB). 45

Nicht maßgeblich ist die nach Art 45 EGBGB anwendbare Rechtsordnung dann, wenn zu einer anderen Rechtsordnung eine wesentlich engere Verbindung besteht 62 63 64 65

14

OLG Hamburg VRS 1,137;vglauchBra«CTMDR1956,67. BGH MDR 1990, 1095 = ZfB 1990, SaS 1300, 1301. B G H V e r s R 1 9 5 7 , l S = DB 1956,1107. BGH NJW 1995, 2097; BGH RIW 2000, 700.

Erster Abschnitt. Schiffseigner

§ 1 BinSchG

(Art 46 EGBGB). Dies ist etwa bei eingetragenen Binnenschiffen denkbar, die über einen längeren Zeitraum jenseits des Registerortes eingesetzt werden. Bei nicht eingetragenen Wasserfahrzeugen ist ein Auseinanderfallen zwischen dem - durch tatsächliche Verhältnisse, nicht etwa die „Papierlage" bestimmten Verhältnisse begründeten (s § 6 Rn 4f) - Heimatort (§ 6) gemäß Art 45 Abs 1 Nr 2 EGBGB und dem „Näheort" gemäß Art 46 EGBGB nicht möglich. e) Die an Bord eines Binnenschiffes eingerichteten Wohnungen des Schiffsführers 4 6 und der Besatzungsmitglieder unterliegen dem grundrechtlichen Schutz der Unverletzlichkeit der Wohnung (Art 13 Abs 1 GG), so daß Durchsuchungen grundsätzlich einer richterlichen Anordnung bedürfen. 56 4.

Schiffseignerbegriff

a) Schiffseigner is des § 1 ist nur derjenige Eigentümer eines Schiffes, der das zur 4 7 Binnenschiffahrt bestimmte Fahrzeug zu Schiffahrtszwecken verwendet, gleichviel, ob der Eigentümer selbst an Bord ist und/oder gleichzeitig als Schiffsführer fungiert (sog Schiffseigner - Schiffsführer) oder ob er den Schiffsbetrieb von Land aus organisiert. Der Nichteigentümer, der das Binnenschiff eines anderen zu gleichen Zwekken nutzt, ist sog Ausrüster im Sinne von § 2 Abs 1 und wird in dieser Vorschrift dem Schiffseigner nach § 1 gleichgestellt (§ 2 Rn 1). Soweit ein Schiffseigner oder Ausrüster mit einem oder mehreren, aber „idR mit 4 8 nicht mehr als drei Binnenschiffen" die Schiffahrt betreibt, spricht man von einem Partikulier (vgl die frühere Legaldefinition des aufgehobenen § 13 Binnenschiffsverkehrsgesetzes).67 Die Person des Schiffseigentümers kann daher, muß aber nicht mit derjenigen des 4 9 Schiffseigners identisch sein. Demgemäß sind die überwiegend haftungsrechtlichen Vorschriften für den Schiffseigner im BinSchG (s Rn 1) streng von den Sachen· bzw registerrechtlichen Vorschriften für den Schiffseigentümer (vgl insbesondere §§ 2, 78, 111 sowie §§ 1 0 , 1 2 Nr 6, 18 Abs 1 SchRegO sowie §§ 2ff SchRG) zu unterscheiden. b) Das BinSchG stellt an die Person des Schiffseigners keine besonderen Anforde- 50 rungen. Daher können zunächst alle natürlichen und juristischen Personen, sei es des Privatrechts oder des öffentlichen Rechts, Schiffseigner sein. Formelle Voraussetzung für die Stellung als Schiffseigner ist ebenso wie für die 51 Schiffseigentümerstellung die Rechtsfähigkeit iSv § 1 BGB. Eine Geschäftsfähigkeit des Schiffseigners iSv §§ 104ff BGB ist grundsätzlich nicht erforderlich, aller-

66 67

FG Hamburg Urt ν 14. 3.1985 (Az IV 93/83 S-M). AG Bremen ZfB 1979,102.

15

BinSchG § 1

Schiffseigner

dings setzt die wirksame Verwendung eines Binnenschiffes dann voraus, daß der geschäftsunfähige (§ 104 BGB), minderjährige (§ 106 BGB) bzw betreute (§ 1896 BGB) Schiffseigner bei seinen Rechtshandlungen im Zusammenhang mit dem Schiffsbetrieb wirksam vertreten wird (§§ 164ff, 1626, 1629, 1793, 1902 BGB), eine Minderjährigengeschäftsfähigkeit nach § 112 BGB kommt nicht in Betracht, da ein Minderjähriger die für die Leitung eines selbständigen Schiffahrtbetriebes erforderlichen Fähigkeiten und Kenntnisse nicht besitzt. 68 52 c) Ebenso wie das Gesetz sachenrechtlich vorsieht, daß es mehrere Miteigentümer eines Binnenschiffes gibt ($ 111), deren einzelne Anteile bei der Anmeldung des Schiffes im Schiffsregister anzugeben sind (§ 12 Nr 6 SchRegO), sind - vergleichbar den Mitreedern oder Partenreedern im Seerecht (§ 490 HGB) 59 - Mitschiffseigner denkbar, bei denen die Verwendung eines Binnenschiffes von mehreren (juristischen oder natürlichen) Personen gemeinschaftlich betrieben wird. 70 53 d) Ob der Schiffseigner Kaufmann ist, bemißt sich ausschließlich nach dem Handelsgewerbebegriff von § 1 HGB 71 . In gleicher Weise richtet sich die Frage, ob der Schiffseigner Unternehmer ist, allein nach dem Unternehmerbegriff von § 14 BGB. Im Rahmen des BinSchG kommt diesen Einordnungen keine besondere Bedeutung zu. Die Verpflichtung des Bundes, die Binnenflotte und den Binnenschiffsverkehr „im allgemeinen deutschen Interesse" zu fördern ($ 1 Abs 1 Nr 1 BinSchAufgG, Art 74 Abs 1 Nr 21 GG), bedeutet nicht, daß die Wasser- und SchiffahrtsVerwaltung die Vermögensinteressen des Schiffseigners unmittelbar zu berücksichtigen hätte. 72 54 e) Prozessual ist der Schiffseigner für Klagen auf Schadensersatz (§§ 3, 92, 92b) bzw auf Erfüllung ($ 7 Abs 3) passivlegitimiert. Dabei ist maßgeblich die Legitimation als Schiffseigner zum Zeitpunkt der Havarie73 bzw der die Verpflichtung begründenden Handlung. Die Beendigung der Schiffsverwendung iSv § 1 nach diesem Anknüpfungszeitpunkt, insbesondere die Veräußerung des Schiffes, hat auf die Passivlegitimation des Schiffseigners keinen Einfluß mehr. Erst recht entfällt die Passivlegitimation nicht dadurch, daß die Schiffseignereigenschaft nach Eintritt der Rechtshängigkeit des geltend gemachten Anspruchs beendet wird (sog perpetuatio fori, § 265 Abs 2 ZPO).74 Zur Passivlegitimation bei Geltendmachung eines Schiffsgläubigerrechts vgl §§ 103-105 Rn 24.

68 69 70 71 72 73 74

16

Vgl OLG Köln NJW-RR 1994,1450. BGH VersR 1991,1062. BGHZfB 1991, SaS 1312 u 1323. S dazu OLG Karlsruhe ZfB 1998, SaS 1687/1688 zur Rechtslage vor dem HRefG von 1998 (BGBl 1474). OLG Köln VersR 2002, 852, 853. OLG Köln ZfB 1996, SaS 1590. RG Das Recht 1928 Nr 132; RGZ 78, 307, 310.

Erster Abschnitt. Schiffseigner

§ 2 BinSchG

$ 2

[Ausrüster]

(1) Wer ein ihm nicht gehöriges Schiff zur Binnenschiffahrt verwendet und es entweder selbst führt oder die Führung einem Schiffer anvertraut, wird Dritten gegenüber als Schiffseigner im Sinne dieses Gesetzes angesehen. (2) Der Eigentümer kann denj enigen, welcher aus der Verwendung des Schiffes einen Anspruch als Schiffsgläubiger (§§ 102 bis 115) herleitet, an der Durchführung des Anspruchs nicht hindern, sofern er nicht beweist, daß die Verwendung ihm gegenüber eine widerrechtliche und der Gläubiger nicht in gutem Glauben war. Übersicht Rn 1. Allgemeines 2. Ausrüsterbegriff 3. Verhältnis Ausrüster-Dritter . . .

1-3

4. Verhältnis Ausrüster - Eigentümer

4-14 15-17 18-19

5. Verhältnis Eigentümer - Dritter. .

20-22

1.

Allgemeines

§ 2 erweitert den Schiffseignerbegriff des § 1 (§ 1 Rn 47ff), und damit insbesondere 1 den Kreis derj enigen, die Dritten gegenüber adj ektizisch nach § 3 haften (§ 3 Rn 2). Der Verwender eines Binnenschiffes, der dieses im eigenen Namen einsetzt, hat also für Forderungen aus dem Schiffsbetrieb grundsätzlich auch dann geradezustehen, wenn ihm dieses Schiff nicht gehört. In seinem Auseinanderfallen von Eigentum und Haftung weist der Ausrüsterbegriff zTParallelen mit dem Halterbegriff in §§ 839 BGB, 7 StVG, 33 LuftVG etc auf, wobei das fehlende Eigentum bei § 2 zwingende Tatbestandsvoraussetzung ist (Rn 4), während die Eigentumsposition eine Halterhaftung nach den zitierten Gefährdungshaftungstatbeständen nicht ausschließt. Die Bedeutung des Ausrüsters liegt vor allem auf dem Gebiet der Passivlegitimati- 2 on, insbesondere bei Havarieprozessen: Derjenige, der auf der Basis interner Abreden mit dem Eigentümer ein Binnenschiff betreibt und somit den Nutzen daraus zieht, soll sich gegen ihn erhobenen (Schadensersatz-)Forderungen nicht dadurch entziehen können, daß er auf die sachenrechtliche Lage (kein Eigentum) verweist. Umgekehrt verlagert derjenige Schiffseigentümer, der sein Schiff an einen Ausrüster verchartert oder anderweitig dessen Verwendungsmöglichkeit sicherstellt, die Haftung aus dem Schiffsbetrieb auf den Ausrüster.1

1

OLG Karlsruhe VersR 2006, 96, 97; ZKR ZfB 1995, SaS 1517,1520/1521; OLG Köln ZfB 1996, SaS 1590; LG Bremen Hamburger Seerechts-Report 2006,176,178.

17

BinSchG § 2

Ausrüster

3 Von dem seerechtlichen Ausrüster gemäß § 510 HGB unterscheidet sich der binnenschiffahrtsrechtliche Ausrüster dadurch, daß der wirtschaftliche Erwerbszweck zwar in beiden Fällen die Regel, indes nur bei § 510 HGB gesetzliche Tatbestandsvoraussetzung für den Ausrüster ist. 2 2.

Ausrüsterbegriff

a)

Fehlendes Alleineigentum

4 In Abgrenzung zu dem Schiffseignerbegriff des § 1 ist grundsätzlich Tatbestandsvoraussetzung des Ausrüsters iSv § 2, daß er Nichteigentümer des Binnenschiffs (zum Schiffsbegriff vgl § 1 Rn 2ff) und damit auch Nichtschiffseigner ist; denn Schiffseigner ($ 1) oder Ausrüster (§ 2) stehen einem (potentiellen) Anspruchsinhaber nur alternativ, nicht kumulativ als Anspruchsgegner zur Verfügung. Hiervon hat die Rspr in der Rechtsfigur des Miteigentümer - Ausrüsters 3 dahingehend eine Ausnahme gemacht, daß vom Ausrüsterbegriff des § 2 „alle diejenigen Schiffahrtsunternehmen erfaßt (werden), die ein ihnen nicht allein gehöriges Schiff zur Schiffahrt verwenden. 4 " b)

Verwendung zur Binnenschiffahrt

5 Maßgeblich sind insoweit ausschließlich die tatsächlichen Verhältnisse; für den Ausrüsterbegriff nicht konstitutiv, aber evtl indiziell ist der Inhalt der internen Abmachung zwischen dem Schiffseigentümer und dem Ausrüster. Die Verwendung kann aufgrund eines dinglichen oder obligatorischen Rechtes wie Nießbrauch, Miete, Leihe, Treuhandverhältnis 5 erfolgen. In der Binnenschiffahrt häufig sind sog Bareboat-Charterverträge, bei denen nur („bare") das Schiff (ohne Besatzung) vermietet wird und der Mieter dann seine eigene Besatzung verpflichtet. 6 6

Tatbestandsbegründend für den Ausrüster iSv § 2 ist daneben die Veranlassung weiterer Schritte zur Schiffsverwendung wie zB die Erledigung von Reparaturen, 7 die Bezahlung von Bunkerrechnungen 8 sowie der Abschluß von Versicherungsverträgen für das Schiff. 9

2 3 4 5 6 7 8 9

18

BGH VersR 197S, 5S0; LG Bremen Hamburger Seerechts-Report 2006,176,178. BGHZfB 1974, 280 = NJW 1974, 1332 = BGHZ 62, 320 = MDR 1974, 915. BGHZfB 1974, 280 = NJW 1974, 1332; vgl auch BGHZ 33, 234. OLG Schwerin VRS 1953, 111. Zu den unterschiedlichen Charterverträgen vgl Rabe SeeHR, $ 5 1 0 HGB Rn 9ff. ZKRZfB 1995, SaS 1517,1521. BGHTranspR2006, 3 1 5 , 3 1 6 ; OLG KarlsruheZfB 2003, SaS 1883,1884/1885 = TranspR 2 0 0 3 , 2 5 0 = VersR 2 0 0 3 , 1 4 2 1 ; OLG Zweibrücken ZfB 2003, SaS 1885; ZKRZfB 1995, SaS 1 5 1 7 , 1 5 2 1 . ZKRZfB 1995, SaS 1 5 1 7 , 1 5 2 1 .

Erster Abschnitt. Schiffseigner

§ 2 BinSchG

Demgegenüber ist es für die Frage der Ausrüstereigenschaft nicht entscheidend, ob 7 das Schiff die Flagge des Ausrüsters führt oder nicht. 10 Wesentlich ist somit die Nutzung des Binnenschiffs im eigenen Namen, wobei das wirtschaftliche Risiko des Binnenschiffahrtsbetriebes beim Ausrüster liegt. 11 Maßgeblich ist der tatsächliche Umstand, daß der Ausrüster „ein fremdes Schiff wie ein Eigentümer benutzt." 1 2 Soweit eine Werft nach einem Schiffsneubau im Rahmen einer Überführungsfahrt 8 temporär alle Ausrüstermerkmale in sich vereinigt, ist sie bis zur Abnahme durch den Auftraggeber am Ziel als Quasi-Ausrüster anzusehen und haftet demgemäß nach § 2. 13 Soweit neben dem Ausrüster noch eine weitere (juristische) Person die Ausrüster- 9 merkmale vollständig in sich vereinigt, handelt es sich um den sog Auch-Ausrüster, der in gleicher Weise wie der Ausrüster haftet. 14 Tritt jemand in einer Weise auf, die im rechtsgeschäftlichen Verkehr den Anschein erweckt, er sei Ausrüster, haftet er nach Rechtscheinsgrundsätzen als sog Schein-Ausrüster, 15 wobei eine solche Haftung im deliktischen Bereich, insbesondere für Havarieforderungen, naturgemäß ausscheidet. 15 Werden Sportboote (ohne Besatzung) verchartert, bleibt grundsätzlich der Ver- 10 charterer und Eigentümer Schiffseigner und damit - neben dem Schiffsführer des Sportbootes (§ 7) - gem §§ 3, 4 Abs 5 haftbar. Denn der Vercharterer behält sich vertragsüblich das Recht vor, das Sportboot zu tanken, zu warten, zu reparieren, zu versichern, etc. Etwas anderes gilt dann, wenn diese Rechte und Pflichten auf der Basis eines langfristigen Chartervertrages vom Vercharterer auf den Charterer verlagert werden, 17 so daß die Ausrüstermerkmale in seiner Person zusammenfallen. In gleicher Weise kann der Leasingnehmer eines Sportbootes dann dessen Ausrüster gem § 2 werden, wenn die Bank als Leasinggeber und Eigentümer sämtliche Verpflichtungen im Zusammenhang mit dem unmittelbaren Schiffsbetrieb auf den Leasingnehmer übertragen hat. c)

Ausrüster - Schiffsführung oder Anvertrauen an Schiffsführer

Der Schiffs Verwender hat nur dann die Eigenschaft des Ausrüsters, wenn ihm das 11 Recht zur Führung des Schiffes, sei es in eigener Person oder durch einen von ihm 10 11 12 13 14 15 16 17

ZKR ZfB 1995, SaS 1 5 1 7 , 1 5 2 1 ; offen gelassen ν OLG Köln TranspR 2 0 0 5 , 2 1 2 = ZfB 2006, Heft Nr 4, S 53, 54. ZKR ZfB 1995, SaS 1 5 1 7 , 1 5 2 1 . Specht ZfB 1978, 1 2 8 , 1 3 1 . BGHZ 25, 244, 246ff. OLG Köln TranspR 2 0 0 5 , 2 1 2 = ZfB 2006, Heft Nr, 4 S 53. OLG Bremen Hansa 195S, 4S9. OLG Köln TranspR 2005, 212 = ZfB 2006, Heft Nr 4, S 53; OLG Hamburg VersR 1978, 560, 561; LG Bremen Hamburger Seerechts-Report 2 0 0 6 , 1 7 6 , 1 7 8 . OLG Karlsruhe ZfB 2003, SaS 1883, 1885.

19

BinSchG § 2

Ausrüster

beauftragten Schiffsführer (zum Begriff des Schiffsführers s § 7 Rn Iff), übertragen ist und er von diesem Recht Gebrauch macht, er also de facto an die Stelle des Schiffseigners tritt, dessen Schiffsführungsbefugnis also ausschließt. 18 Soweit der Verwender selbst das Schiff führt, ist die Person des Ausrüsters selten zweifelhaft. 12 Wesentlich umstrittener ist, wann das alternierend mögliche Tatbestandsmerkmal „Anvertrauen der Schiffsführung" gegeben ist. Nach herrschender Rspr ist dies dann gegeben, wenn der von dem Ausrüster eingesetzte Schiffsführer vollumfänglich dem Direktionsrecht des Ausrüsters unterliegt. 19 13 Dabei ist eine arbeitsrechtliche Vertragsbeziehung zwischen dem Ausrüster und dem Schiffsführer bzw der übrigen Schiffsbesatzung (§ 3 Abs 2) zwar die Regel, aber nicht zwingend erforderlich. 20 Ausreichend ist, wenn dem Ausrüster im Rahmen eines Arbeitnehmerüberlassungsvertrages mit einer Personalagentur gegenüber der Schiffsbesatzung das ausschließliche Weisungsrecht vorbehalten bleibt. 21 §§ 2 Abs 1, 3 Abs 1 sind entsprechend anwendbar auf sämtliche Personen, die im Rahmen des Schiffsbetriebes für den Schiffseigner/Ausrüster typische Schiffsdienste verrichten, mit denen erfahrungsgemäß besondere Gefahren für Dritte verbunden sind, so daß im Schadensfall dem Geschädigten wegen Gleichheit der Interessenlage ein gleichartiger Schutz zu gewähren ist. 22 d)

Maßgeblicher Zeitpunkt

14 Die Passivlegitimation für Klagen auf Schadensersatz (§§ 3, 92, 92b) bzw auf Erfüllung (§ 7 Abs 3) richtet sich - ebenso wie beim Schiffseigner (§ 1 Rn 54) - danach, wer zum Zeitpunkt der Havarie bzw der die Verpflichtung begründenden Handlung Ausrüster war. Dagegen kommt es bei der Pfandklage darauf an, wer zum Zeitpunkt der Klageerhebung Ausrüster ist (§§ 103-105 Rn 24). 23 3.

Verhältnis Ausrüster - Dritter

15 a) Der Ausrüster wird für die Dauer des Ausrüsterverhältnisses Dritten gegenüber als Schiffseigner angesehen und hat dessen Rechte und Pflichten. In dieser Zeit ist er Dritten gegenüber wie ein Schiffseigner verantwortlich und haftet insbesondere nach den §§ 3 - 7 , 15-20, 25, 77, 92-92f, 99, 103, 109, 112, 114, 115 und ebenso im

18 19 20 21 22 23

20

BGH NJW-RR 1997, 538; BGHZ 22, 197, 201. OLG Köln TranspR 2005, 212 = ZfB 2006, Heft Nr 4, S 53; OLG Karlsruhe ZfB 2003, SaS 1883,1885; ZKR ZfB 1995, SaS 1517,1521; BGHZ 22,197, 200. BGHZ 25, 244, 249; OLG Köln ZfB 1996, SaS 1590, 1592ul592, 1593. OLG Köln TranspR 2005, 212; aA ZKR ZfB 1995, SaS 1517, 1521 u OLG Karlsruhe ZfB 1998, SaS 1683, 1685, wo auf die förmliche Anstellung abgehoben wird. OLG Karlsruhe VersR 200S, 96,97/98 mwN; s auch $ 3 Rn 18ff. OLG Hamburg TranspR 1994, 69, 70.

Erster Abschnitt. Schiffseigner

§ 2 BinSchG

Rahmen des § 904 S 2 BGB für Schäden aus Notstandsmaßnahmen. 24 Den Ausrüster trifft die adjektizische, summenmäßig begrenzbare Haftung nach den §§ 3, 4ff für Verschulden der Schiffsbesatzung im gleichen Umfang, wie sie den Schiffseigner ohne Bestehen eines Ausrüsterverhältnisses treffen würde. Soweit eine persönliche Haftung in Frage steht (§§ 7 Abs 3,114), haftet der Ausrüster unmittelbar mit seinem Vermögen.25 b) Solange ein Ausrüsterverhältnis besteht, ist der Schiffseigentümer nicht Schiffs- 16 eigner, weil er sein Schiff nicht zur Binnenschiffahrt verwendet. Der Ausrüster ist aber nicht Rechtsnachfolger des Schiffseigners, sondern er hat kraft gesetzlicher Bestimmung für die Dauer des Ausrüsterverhältnisses die Rechtstellung des Schiffseigners. Mit der Beendigung des Ausrüsterverhältnisses und der weiteren Verwendung des Schiffes im eigenen Interesse erwirbt der Eigentümer aufgrund dieser tatsächlichen Umstände die Schiffseignerstellung zurück.26 c) Für die Zeit des Ausrüsterverhältnisses ist der Ausrüster für alle gegen einen 17 Schiffseigner zu richtenden Klagen passiv legitimiert (Rn 14 sowie §§ 103-105 Rn 24). Über die Einzelheiten der tatsächlichen Ausrüstungsverhältnisse besteht im Havariefall,27 erst recht im Rahmen eines Verklarungsverfahrens,28 eine Auskunftspflicht seitens des Ausrüsters gemäß § 242 BGB. 4.

Verhältnis Ausrüster - Eigentümer

Da der Ausrüster weder Eigentümer des Schiffes, noch Rechtsnachfolger des Schiffs- 18 eigners wird, sondern lediglich für die Dauer des Ausrüstungsverhältnisses gesetzlich dem Schiffseigner gleichgestellt wird („wird angesehen", § 2 Abs 1), ist er, sofern nicht eine Einwilligung des Eigentümers vorliegen sollte ($ 185 BGB), nicht berechtigt, das Schiff zu veräußern, zu belasten oder sonst - jenseits der Rechte und Pflichten eines Ausrüsters gem § 2 Abs 1 - wie ein Eigentümer darüber zu verfügen. Solche Verfügungen des Ausrüsters haben die gleichen Wirkungen wie die eines sonstigen Nichtberechtigten ( § § 9 3 2 , 9 3 3 , 9 3 6 , 1 2 0 7 , 1 2 0 8 , 1 2 6 0 , 1 2 6 2 BGB). Iü bestimmt sich das Rechtsverhältnis zwischen Schiffseigentümer und Ausrüster29 19 nach dem Inhalt der getroffenen Vereinbarung, die ggf der Inhaltskontrolle nach §§ 305ff BGB unterliegt. Soweit solche (schriftlichen) Abmachungen fehlen, finden

24 25 26 27 28 29

BGHZ6, 102 = NJW 1952, 1132. BGHZ6, 102 = NJW 1952, 1132. BGH NJW-RR 1997, 541. AG Mainz ZfB 2001, SaS 1824. AG Mannheim Beschl ν 8.12.2006 (Az 30 Η 2/06). Ein Rechtsverhältnis zwischen Schiffseigner und Ausrüster kann es nicht geben (Rn 4, 18), aA OLG DüsseldorfZfB 2004, SaS 1926,1927, wo Schiffseigentümer und Schiffseigner verwechselt werden.

21

BinSchG § 2

Ausrüster

die mietrechtlichen Vorschriften gemäß §§535ff BGB entsprechende Anwendung, § 2 hat für das Verhältnis Ausrüster - Eigentümer keinen eigenen Regelungsinhalt. 30 5.

Verhältnis Eigentümer - Dritter

20 a) Falls dem Dritten aus einer Forderung gegen den Ausrüster ein Schiffsgläubigerrecht an dem Schiff zusteht, steht dem Dritten gleichwohl - entgegen dem insoweit unklaren Wortlaut von § 2 Abs 2 31 - ein weiterer Anspruchstitel gegen den Schiffseigentümer nicht zu, so daß einer entsprechenden Klage des Dritten gegen den Schiffseigentümer das Rechtsschutzbedürfnis fehlt. 32 Denn der Eigentümer kann den Schiffsgläubiger an der Durchführung der Zwangsvollstreckung ohnehin nicht hindern. 33 21 Unbeschadet hiervon steht dem Schiffseigentümer die Drittwiderspruchsklage nach § 771 ZPO mit der Argumentation offen, die Schiffsverwendung durch den Ausrüster sei gegenüber dem Schiffseigentümer widerrechtlich gewesen (§ 2 Abs 2). Hierfür trägt der Schiffseigentümer die Beweislast (§ 2 Abs 2). Eine normale Leistungsstörung im Ausrüsterverhältnis, etwa die Rückständigkeit der Charterrate, reicht für den Ausschluß des Schiffsgläubigerrechtes des Dritten nicht aus. 22 b) Soweit dies einzelne Hafengesetze bzw Hafenordnungen vorsehen, ist eine Regelung, die für Hafengebühren neben dem Ausrüster zusätzlich den Schiffseigentümer heranziehen will, contra legem ($ 2) und daher mit dem Grundgesetz (Art 20 Abs 3 GG) nicht vereinbar. Die anderslautende Argumentation des Bundesverfassungsgerichts, der vermeintlich Gebührenpflichtige (hier: Schiffseigentümer) stehe der Leistung für den Schiffsbetrieb näher als die Allgemeinheit, 34 entspricht fiskalischem (Wunsch-)denken nach möglichst vielen Schuldnern für öffentlich-rechtliche Forderungen. Überzeugend ist diese Ansicht, die einem in dubio pro fisco gleichkommt, nicht. Denn hierdurch würde im Ergebnis eine Differenzierung zwischen privilegierten öffentlich-rechtlichen und nicht privilegierten zivilrechtlichen Anspruchsinhabern für Forderungen aus dem Schiffsbetrieb („Dritte" iSv § 2) vorgenommen, für die es Gründe in der Sache nicht gibt. So kann sich beispielsweise der Havariegegner seinen Anspruchsgegner noch viel weniger aussuchen als ein Hafenbetreiber. 23 c) Passivlegitimiert ist der Eigentümer indes anstatt des Ausrüsters für Ansprüche des Bergers auf Bergelohn nach § 742 HGB (§ 740 HGB Rn 15, § 742 HGB Rn 6).

30 31 32 33 34

22

OLG Köln ZfB 1996, SaS 1S92. ZKR ZfB 2001, SaS 1S28, 1830. ZKR ZfB 2001, SaS 1828, 1830. ZKR ZfB 2001, SaS 1828, 1831. BVerfGE 9 1 , 2 0 7 = NJW 199S, 2343 =NVwZ 1995, 368 =TranspR 1 9 9 5 , 2 0 4 .

S 3 BinSchG

Erster Abschnitt. Schiffseigner

$3

[Haftung des Schiffseigners für Verschulden der Schiffsbesatzung] (1) Der Schiffseigner ist für den Schaden verantwortlich, den eine Person der Schiffsbesatzung oder ein an Bord tätiger Lotse einem Dritten in Ausführung von Dienstverrichtungen schuldhaft zufügt. (2) Zur Schiffsbesatzung gehören der Schiffer, die Schiffsmannschaft (§ 21) und alle übrigen auf dem Schiff angestellten Personen.

Übersicht Rn 1. Allgemeines

1-3

2. Verhältnis z u anderen Haftungsbestimmungen

4-13 14-31

3. Haftungsvoraussetzungen 4. Unmittelbare persönliche Haftung der Schiffsbesatzung

32-34

5. Unmittelbare persönliche Haftung des Schiffseigners

35-38

.

6. U m f a n g der Haftung

39-44

7. Haftungsbeschränkung und Haftungsfreizeichnungen

45-48

8. Beweislast

49-54

1.

Allgemeines

a) Der Schiffseigner (zum Begriff vgl § 1 Rn 47) haftet zunächst grundsätzlich nach 1 Maßgabe der allgemeinen Bestimmungen des bürgerlichen Rechts für andere Personen, im Rahmen bestehender vertraglicher Schuldverhältnisse zu Dritten im Wege der Haftung für Erfüllungsgehilfen (§ 278 BGB), außerhalb solcher vertraglicher Schuldverhältnisse deliktisch auf der Basis der Haftung für Verrichtungsgehilfen (S 831 BGB). Neben dieser vertraglichen und deliktischen Haftung setzt § 3 eine zusätzliche Zurechnungshaftung sui generis, aus der sich eine besondere gesetzliche Verantwortlichkeit für fremdes, schuldhaftes Tun ergibt. b) Nach dieser Prinzipalhaftung 1 des § 3 Abs 1, der mit der Reederhaftungsnorm 2 des Seerechts (§ 485 HGB) wörtlich übereinstimmt, haftet der Schiffseigner - vertraglich und außervertraglich - für den Schaden, den eine Person der Schiffsbesatzung in Ausführung von Dienstverrichtungen einem Dritten schuldhaft zufügt. Neben die Haftung des schuldhaft handelnden Besatzungsmitgliedes tritt somit die Haftung des Schiffeigners; beide haften dem Geschädigten als Gesamtschuldner. 2

1 2

BGHZ 26, 152, 157. BGHZ 6, 102; 26, 152; BGH ZfB 1959, 415; RGZ 9, 162; RGZ 63, 310.

23

BinSchG § 3

Haftung des Schiffseigners für Verschulden der Schiffsbesatzung

§ 3 Abs 1 ist keine selbständige Deliktsnorm,3 so daß es auf ein eigenes (Weisungsoder Auswahl-)Verschulden des Schiffeigners nicht ankommt. Anknüpfungspunkt für die adjektizische Haftung des Schiffeigners ist vielmehr eine schuldhafte Verletzung fremder Rechtsgüter durch ein Besatzungsmitglied des Schiffes.4 3 c) Wegen der besonderen Gefahren, die mit dem Schiffsbetrieb gerade für Dritte verbunden sind,5 will der Gesetzgeber insbesondere dem außervertraglich Geschädigten einen zusätzlichen Anspruchsgegner bzw „einen zahlungskräftigen Zweitschuldner," 6 zur Verfügung stellen, der als Schiffeigner solventer ist als das schuldhaft handelnde Besatzungsmitglied und der vor allem - trotz bislang fehlender Pflichtversicherung in der Binnenschiffahrt - idR umfassend gegen die Gefahren von Schiffahrtsunfällen versichert ist. 2.

Verhältnis zu anderen Haftungsbestimmungen

4 a) Wie der Schiffseigner nach § 3, haftet der Geschäftsherr vertraglich, insbesondere aus § 280 BGB, nach § 278 BGB für fremdes Verschulden ohne Rücksicht auf sein eigenes Verhalten. § 278 BGB ist aber insofern weitergehender als § 3, als Erfüllungsgehilfe iSv § 278 BGB nicht nur die unmittelbaren Besatzungsmitglieder des Schiffes gemäß § 3 Abs 2 sind, sondern darüber hinaus auch die vom Schiffseigner an Land beschäftigten Personen, etwa Büro- oder Lagerpersonal,7 Kranführer, Steigerleute, usw. Ein Entlastungsbeweis ist weder bei § 3 noch bei § 278 BGB möglich. 5 b) Neben die adjektizische Haftung nach § 3 tritt im Rahmen von Frachtverträgen die Receptumhaftung des Frachtführers (§ 26 iVm §§ 425ff HGB), bei der dieser aufgrund der Zurechnungsnorm des § 428 HGB für Tun/Unterlassen seiner Leute wie für eigenes Verhalten haftet (s zu § 428 HGB Rn 1,4f). 6 c) Im Verhältnis zu der deliktischen Haftung für Verrichtungsgehilfen (§ 831 BGB) ist § 3 bereits anderer rechtsdogmatischer Struktur. Denn der Geschäftsherr haftet nach § 831 BGB - widerleglich (§ 831 Abs 1 S 2 BGB; Rn 8) - für vermutetes eigenes Verschulden, insbesondere Auswahlverschulden (sog culpa in eligendo),s während der Schiffseigner nach § 3 für fremdes Verschulden unwiderleglich mithaftet. 7 Ein weiterer Unterschied besteht darin, daß nach S 831 BGB nur ein rechtswidriges Verhalten des Verrichtungsgehilfen nötig ist, während die Haftung nach § 3 zusätzlich ein schuldhaftes Verhalten eines Besatzungsmitgliedes voraussetzt.

3 4 5 6 7 8

24

BGH BGHReport 200S, 1024. BGHZ26, 152. BGHZ 3, 34,40; krit Herber TranspR 1993, 211. BGHZ 26, 152,158. OLG Hamburg HansGZ Hauptbl 190S, Nr 53. RGZ 78, 107.

Erster Abschnitt. Schiffseigner

S 3 BinSchG

Allerdings besteht für den Geschädigten, der seinen Anspruch auf § 831 BGB stützen 8 will, der entscheidende Nachteil darin, daß sich der Geschäftsherr darauf berufen kann, er habe seine Sorgfaltspflichten aus § 831 Abs 1 S 2 BGB erfüllt, also die Besatzungsmitglieder sorgfältig ausgewählt und den Schiffsbetrieb sachgerecht organisiert und überwacht. Diese Exkulpationsmöglichkeit scheidet bei § 3 aus.9 Die Rechtsnatur des § 3 als eine „einen Entlastungsbeweis ausschließende Haftungsnorm" 10 verschärft somit den Grad der Schiffseignerhaftung nicht unerheblich. d) Die Organhaftung (SS 30, 31, 89 BGB) wiederum hat mit der Schiffseignerhaf- 9 tung nach § 3 die Ähnlichkeit, daß sie Haftung als solche nicht begründet, sondern zuweist.11 Anknüpfungspunkt ist indes bei §§ 30, 31, 89 BGB ausschließlich die deliktische Handlung der schädigenden Person (s auch § 5b Abs 2), während § 3 auch die Haftung für Handlungen der Schiffsbesatzung im Rahmen von Vertragserfüllungen umfaßt. e) Bei der Staatshaftung (S 839 BGB, Art 34 GG) fehlt es wie bei § 3 an einer Exkul- 10 pationsmöglichkeit. Andererseits ist die Staatshaftung - im Gegensatz zur Schiffseignerhaftung - dadurch stark eingeschränkt, daß der Staat bei schuldhafter Beteiligung eines Dritten auf Schadensersatzansprüche gegen diesen verweisen und dadurch seine Haftung abwenden kann (§ 839 Abs 1 S 2 BGB). f) Im Verhältnis zu der Schiffseignerhaftung bei Zusammenstößen von Schiffen 11 (S 92b) ist § 3 lex generalis (s § 92b Rn 2). g) Bei Anspruchskonkurrenz zwischen den vorgenannten Haftungsnormen gelten 12 diese grundsätzlich nebeneinander, § 3 ist selbständige Anspruchsgrundlage,12 hat aber keine die vertragliche, deliktische oder sonstige Haftung abschließend modifizierende Wirkung. 13 Eine solche abschließende Bedeutung scheitert schon an dem Wortlaut von § 3. 14 Umgekehrt sind insbesondere deliktische Haftungsprivilegien wie §§ 831 Abs 1 S 2, 839 Abs 1 S 2 BGB nicht geeignet, die unbeschadet dessen bestehende Schiffseignerhaftung zu beeinträchtigen oder zu beseitigen. Soweit der Geschädigte gegen einen anderen Schiffseigner nach § 3 seine Schadensersatzforderung durchsetzen kann, wird dadurch die subsidiäre Amtshaftung des Bundes nach § 839 BGB, 15 nicht aber die evtl daneben bestehende Schiffseignerhaftung des Bundes nach § 3 beseitigt.

9 10 11 12 13 14 15

RGZ 116, 213; 149, 6; 151, 296; 161, 209; Β GHZ 2 6 , 1 5 2 ; BGH VersR 1958, 163. Baumgärtel/Korofft Beweislast, $ 3 Rn 2. Vgl BGHZ 99, 298, 302; BGH NJW 2003, 2984. BGH VersR 1965, 230, 231 = LM $ 3 BinSchG Nr 5; BGH NJW 1972, 538, 539; RGZ 102, 38, 42; 151, 296, 297. BGHZ 26, 152. R G J W 1935, 1843. RG DR 1944, 843.

25

BinSchG § 3

Haftung des Schiffseigners für Verschulden der Schiffsbesatzung

13 Zum Verhältnis von Schiffseignerhaftung und Frachtführerhaftung 16 vgl § 4 0 7 HGB Rn 8, zur Auswirkung der Anspruchskonkurrenz auf die Verjährung vgl § 117 Rn31ff. 3.

Haftungs Voraussetzungen

14 a) Als Anspruchsgegner kommt nur ein Schiffseigner iSv § 1 in Betracht. Das kann, muß aber nicht der Eigentümer des Schiffes sein (Einzelheiten s ο § 1 Rn 47ff). Dem Schiffseigner bei der Passivlegitimation gleichgestellt ist der Ausrüster iSv § 2 Abs 1 (Einzelheiten s ο § 2 Rn Iff). 15 b) Ersatzfähig ist nur der Schaden eines Dritten. Der Schiffseigner selbst oder das Besatzungsmitglied (§ 3 Abs 2), das pflichtwidrig oder schuldhaft gehandelt hat, scheidet also als Inhaber eines selbständigen Anspruches nach § 3 17 von vorneherein aus.18 Dagegen kommen die übrigen Besatzungsmitglieder des eigenen Schiffes19 ebenso als Forderungsinhaber in Betracht wie Interessenten eines anderen havariebeteiligten Schiffes (§ 92), Ladungsbeteiligte (§ 7 Abs 2) oder Reisende ($ 77). 16 Hinsichtlich des eingetretenen Schadens gelten die allgemeinen Vorschriften der §§ 249ff, 842ff BGB (vgl u § 92b Rn 18ff). Zu beachten ist die summenmäßige Beschränkbarkeit der Schiffseignerhaftung für diesen Schaden (§ 4 Rn Iff). 17 c) Schadensursächlich muß ein Tun/Unterlassen „eine(r) Person der Schiffsbesatzung oder ein(es) an Bord tätige(n) Lotse(n)" (§ 3 Abs 1) geworden sein. Auf diese Personen beschränkt sich die adjektizische Haftung des Schiffseigners. Zur Schiffsbesatzung zählen der Schiffsführer (§ 7; zu Einzelheiten su § 7 Rn Iff), die Schiffsmannschaft (§ 21; zu Einzelheiten su §§ 21-25 Rn 3ff) sowie „alle übrigen auf dem Schiff angestellten Personen" ($ 3 Abs 2). 20 Bei einem Schubverband ist die Besatzung des Schubbootes zugleich die Besatzung der Schubleichter.21 Daher haftet der Leichtereigner nicht für Schäden Dritter aus nautischen Fehlern der Besatzung des Schubbootes, das einem anderen gehört. 22 18 Nach dem arbeitsrechtlich geprägten Wortlaut zählen zur Besatzung nicht nur Personen, „die als Arbeitnehmer kraft eines auf eine gewisse Dauer berechneten unmittelbaren Dienstverhältnisses in den arbeitsteiligen Organismus der Schiffsdienste und der Bordgemeinschaft eingegliedert sind." 23 Soweit der Schiffseigner den Schiffs-

16 17 18 19 20 21 22 23

26

BGHZfB 1983,389. BGH NJW 1972, 538, 539. RGZ45,55. RGZ13, 119. RGZ 13,117; 20, 86. OLG Köln ZfB 1979,459. BGHZfB 1984, 19. BGHZ 3, 34, 39.

Erster Abschnitt. Schiffseigner

S 3 BinSchG

betrieb durch Subunternehmer und deren Personal aufrecht erhält (etwa Bewachungs-, Beladungspersonal), haftet er für Schäden, die aus der Betriebsgefahr des Schiffes für Dritte erwachsen, analog § 3. 24 Die Exkulpationsmöglichkeit des § 831 Abs 1 S 2 BGB ist in diesem Haftungszusammenhang ausgeschlossen.25 Voraussetzung für die entsprechende Anwendung von § 3 ist indes eine uneingeschränkte Weisungsbefugnis des Schiffseigners gegenüber dem im Schiffszusammenhang eingesetzten Personal.25 Nichts anderes gilt, wenn der Schiffseigner die unmittelbare Besatzung nicht selbst 19 arbeitsvertraglich anstellt, sondern über eine Personalagentur im Wege der Arbeitnehmerüberlassung auf seinem Schiff einsetzt. Auch das begründet die zusätzliche Haftung nach § 3 27 . Eine entsprechende Anwendung von § 3 28 ist schließlich auch im Hinblick auf An- 20 sprüche geboten, die dadurch entstehen, daß der Schiffsführer in Ausübung seiner Dienstverrichtungen eine Notstandsmaßnahme iSv § 904 S 1 BGB29 zu treffen gezwungen ist und der Schiffseigner dafür verschuldensunabhängig Schadensersatz nach § 904 S 2 BGB zu leisten hat. 30 Ebenso haftet der Schiffseigner für das schuldhafte Fehlverhalten eines an Bord täti- 21 gen Lotsen. Soweit dieser unmittelbar die Schiffsführung ausübt, ergibt sich dies bereits aus § 3 Abs 2. 31 Tritt der Lotse als nautischer Berater des Schiffsführers auf,32 resultiert die Schiffseignerhaftung aus § 3 Abs 1 (vgl u §§ 21-25 Rn 5). Der Schiffseigner haftet nur für den von ihm bzw der Schiffsführung beauftragten 22 Vertragslotsen. Sofern dem Schiff, was in der Binnenschiffahrt ohnehin kaum denkbar ist, ein Zwangslotse aufoktroyiert wird,33 scheidet eine adjektizische Haftung des Schiffseigners aus. Das ergab sich früher bereits aus dem Wortlaut von § 3 Abs 2 („alle übrigen auf dem Schiffe angestellten Personen mit Ausnahmen der Zwangslotsen"), resultiert iü aber auch aus der Natur der Prinzipalhaftung, wonach der Schiffseigner (nur) für diejenigen haftet, die er kraft eigener Entscheidung für seinen Schiffsbetrieb einsetzt bzw durch den Schiffsführer einsetzen läßt ($ 7).

24 25 26 27 28 29 30 31 32 33

BGHZ 3, 34, 40; 26, 1 5 2 , 1 5 6 ; 57, 309, 313; BGH VersR 1979, 570, 571; 1976, 771, 772; BGH ZfB 1997, SaS 1658 = TranspR 1 9 9 7 , 1 5 6 ; OLG Köln ZfB 1996, SaS 1 5 9 0 , 1 5 9 2 ; s auch $ 2 Rn 13. BGHZ 3, 3 4 , 4 0 ; vgl auch RGZ 126,35; 111, 37. OLG Karlsruhe VersR 2006, 96, 97/98; BGHZ 26, 152, 155; BGH VersR 1976, 771, 772. OLG Köln TranspR 2 0 0 5 , 2 1 2 = ZfB 2006, Heft Nr 4, S 53. Zur grundsätzlich entsprechenden Anwendung von § 3 bei einer „Gleichheit der Interessenlage" s BGH NJW-RR 1997, 541. OLG Köln ZfB 1998, SaS 1694. BGHZ 6, 103 = NJW 1952, 1132; krit zu dieser Entsch Rabe SeeHR $ 485 HGB Rn 45; s auch BGHZ 19, 82. RGZ 1 2 6 , 8 7 . BGHZ 59, 242, 246ff. Zur Seelotsenpflicht auf der Ems s OLG Oldenburg ZfB 1998, SaS 1677.

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BinSchG § 3 23

Haftung des Schiffseigners für Verschulden der Schiffsbesatzung

d) Weitere Anspruchsvoraussetzung ist, daß das Verhalten des Besatzungsmitgliedes „in Ausführung von Dienstverrichtungen" ($ 3 Abs 1) erfolgt. Davon zu unterscheiden ist ein schadensursächliches Verhalten lediglich bei Gelegenheit der Schiffsdienste, 34 insbesondere strafbewehrtes Verhalten an Bord oder im Landzusammenhang des Binnenschiffsbetriebs. Hierfür haftet der Schiffseigner nicht nach § 3.

2 4 Für eine Zurechnung erforderlich ist vielmehr eine Tätigkeit, die mit der Verwendung des Binnenschiffs, nicht notwendig dessen kaufmännischer Nutzung, 35 in unmittelbarem Zusammenhang steht, 36 wobei ein weiter Maßstab geboten ist. 37 Dazu zählt somit „jedes Verhalten, das mit dem zu leistenden Schiffsdienst nach Zweck und Art in einem inneren Zusammenhang steht." 38 25

Nicht erforderlich ist, daß das Besatzungsmitglied zu der Tätigkeit, in deren Folge dann der Schaden eingetreten ist, eigens bestellt wurde. Ausreichend ist ein äußerer Bezug der Arbeit zu dem Schiffsbetrieb; dazu kann sogar eine Schwarzfahrt eines nichtlegitimierten Besatzungsmitgliedes zählen. 39

26 Binnenschiffahrtstypisch gehören vor allem folgende Arbeiten zum Arbeitsgebiet der Schiffsbesatzung: Bedienung sämtlicher Steuer-, 40 Radar- bzw Sprechfunkeinrichtungen, Abgabe von Schallzeichen, An- und Ablegen, Bedienen der Ankerwinde, Beladen und Löschen, 41 Reinigung des Schiffes, Kontrolle der Beleuchtung, Überwachung aller technischen Anlagen, Beachtung der Bemannungs- und Fahrtzeitvorschriften, korrektes Durchführen aller nautischen Maßnahmen bei einer Schleusung, usw. 27 e) Schließlich ist es, da es eine Gefährdungshaftung in der Binnenschiffahrt nicht gibt (§ 92a Rn 14ff), erforderlich, daß der Schaden schuldhaft 42 durch ein Besatzungsmitglied verursacht wurde. Die Verantwortlichkeit eines Besatzungsmitgliedes ohne Verschulden, wie sie nach § 22 WHG in Betracht kommt, begründet keine Haftung des Schiffseigners. 43 Die Schiffsverwendung des Schiffseigners (§ 1) muß nur zum Zeitpunkt der schuldhaften Besatzungshandlung bestehen, während der Schaden nach dem Ende der Schiffsverwendung eintreten kann. 44 Das Verschulden umfaßt Vorsatz oder Fahrlässigkeit ($ 276 BGB). Fahrlässig handelt, wer die im Verkehr erforderliche Sorgfalt außer Acht läßt; dabei kommt den Prüfmerkmalen der

34 35 36 37 38 39 40 41 42 43 44

28

RGZ13,118. Insoweit unterscheidet sich $ 3 von $ 485 HGB; vgl Rabe SeeHR $ 485 HGB Rn 3. BGHZ 50, 238. BGH VersR 197S, 771. BGH VersR 1976, 771. RGZ 111, 37; OLG Köln Urt ν 8. 11.1959 (Az 3 U 51/57); BGHZ 50, 238. BGH VersR 1979, 570. BGH MDR 1958, 307. OLG Karlsruhe VersR 2006, 96,97. OLG Karlsruhe VersR 1977, 566. BGHZfB 1983,287.

Erster Abschnitt. Schiffseigner

S 3 BinSchG

Voraussehbarkeit und der Vermeidbarkeit des pflichtwidrigen, rechtswidrigen Erfolges besondere Bedeutung zu. 45 Die im Verkehr erforderliche Sorgfaltspflicht orientiert sich an den objektiven 28 Merkmalen und ist grundsätzlich von den persönlichen Eigenschaften, Gewohnheiten und Ansichten des Schädigers unabhängig. Dessen möglicherweise subjektiv laxen Ansprüche an die eigenen Sorgfaltspflichten sind also nicht geeignet, die Haftungszurechnung nach § 3 auszuhebeln. Ebensowenig sind in der Schiffahrt vereinzelt eingerissene Unsitten oder Mißbräu- 29 che geeignet, den Fahrlässigkeitsvorwurf entfallen zu lassen.46 Andererseits kann einem Besatzungsmitglied, das sich bei seinen Handlungen an anerkannten Schifffahrtsbräuchen 47 orientiert, kein Sorgfaltsverstoß zur Last gelegt werden. Ein Verstoß gegen Gesetze, insbesondere das Binnenschiffahrtsverkehrsrecht so- 30 wie Vorschriften der Binnenschiffs- bzw Rheinschiffsuntersuchungsordnung stellt grundsätzlich ein Verschulden dar.48 Zu den Dienstpflichten des Schiffsführers su zu § 7 Rn 8ff u § 8 Rn 3ff, zu denjeni- 31 gen der Schiffsmannschaft s ll §§ 21-25 Rn 8ff. 4.

Unmittelbare persönliche Haftung der Schiffsbesatzung

a) Die adjektizische Zusatzhaftung des Schiffseigners (§ 3) läßt die unmittelbare 32 Haftung gegen das rechtswidrig und schuldhaft handelnde Besatzungsmitglied unberührt (SS 823, 249 BGB). Schiffseigner und Besatzungsmitglied haften dem Geschädigten somit als Gesamtschuldner. Versäumt der Kläger, im Havarieprozeß den Schiffseigner mitzuverklagen, entfaltet ein stattgebendes Urteil gegen ein Besatzungsmitglied mangels Parteienidentität (§ 325 ZPO) keine Rechtskraft im Verhältnis zu dem Schiffseigner.49 b) Ein Schiffsführer haftet nach S 823 Abs 1, Abs 2 BGB iVm mit dem jeweils ein- 33 schlägigen Schutzgesetz auch für solche schuldhaft verursachten Schäden, die anläßlich der Ruderführung durch einen Steuermann unter Anleitung des Schiffsführers entstehen; 50 ebenso ist der Schiffsführer verpflichtet, der Besatzung klare und widerspruchsfreie Weisungen zu erteilen. Gibt er an verschiedene Besatzungsmitglieder jedenfalls teilweise widersprüchliche Befehle, so hat er sich davon zu über-

45 46 47 48 49 50

BGHZ 39, 285. BGHVersR 1971, 1881. Vgl Handelsbräuche 2005, S 26ff. RGZ 67, 50. BGH VersR 19S5, 230. OLG Köln ZfB 1998, SaS 1689.

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BinSchG § 3

Haftung des Schiffseigners für Verschulden der Schiffsbesatzung

zeugen, welche Weisungen konkret umgesetzt wurden und ob dies den ordnungsgemäßen Schiffsbetrieb sicherstellt.51 34 c) Soweit das Besatzungsmitglied im Außenverhältnis gegenüber einem Dritten haftet, hat es nach dem Rechtsinstitut des innerbetrieblichen Schadensausgleichs einen Freistellungsanspruch gegen den Schiffseigner (vgl § 7 Rn l l f f sowie §§ 21-25 Rn 11). 5.

Unmittelbare persönliche Haftung des Schiffseigners

35 a) Neben der Zurechnungshaftung für fremdes Verschulden ($ 3) haftet der Schiffseigner auch für eigenes Verschulden. Das ergab sich vor der Neuordnung der Haftungsbeschränkung zum 1.9. 1998 bereits unmittelbar aus dem Wortlaut von § 4 Abs 2 S 1 aF: „Durch die vorstehenden Bestimmungen (= frühere Haftungsbeschränkung mit Schiff und Fracht nach § 4 Abs 1 aF) wird die persönliche Haftung des Schiffseigners in Fällen eigenen Verschuldens desselben nicht berührt." Die frühere Formulierung hatte indes nur deklatorischen Charakter, so daß sich durch deren Wegfall an der Haftung des Schiffseigners für unmittelbares eigenes Verschulden nichts geändert hat. 36 b) Soweit der Schiffseigner sein Schiff selbst führt, resultiert seine eigene Haftung als Schiffseigner - Schiffsführer aus § 7 iVm §§ 823ff BGB, ohne daß es auf die Zurechnungsnorm des § 3 ankäme. Zählt der Schiffseigner nicht zur Besatzung, haftet er vertraglich (insbesondere § 280 BGB) und deliktisch (§§ 823ff BGB) für rechtswidriges und schuldhaftes eigenes Tun/Unterlassen. Daneben haftet der Schiffseigner qua seiner Eignerstellung gegebenenfalls auch unabhängig von Rechtswidrigkeit und Schuld (SS 677ff BGB, 228 S 1,904 BGB, 22 WHG).52 37 c) Im Vordergrund der persönlichen Schiffseignerhaftung steht insbesondere die Verantwortlichkeit für Ausrüstungsmängel des Schiffes, die ein sog kommerzielles Verschulden des Schiffseigners begründen. Denn es ist der Schiffseigner, der Verwender des Binnenschiffs (§§ 1, 2), der für den gefahrlosen Zustand sowie Betrieb seines Schiffes verantwortlich ist.53 Im Rahmen seiner Verkehrssicherungspflichten 51 52 53

30

BGH NJW 2006, 1271. BGHZ 76, 35, 312; OLG Köln VersR 1 9 S 9 , 4 0 2 . Die bis 1998 geltende Gesetzgebung, bei der die unmittelbare persönliche Exekutionshaftung des Schiffseigners nur bei (eigenen) nautischen Fehlern, nicht aber bei Ausrüstungsmängeln des Schiffes beschränkt war (§ 4 Abs 2 S 1 a F ; a r g e contr § 4 Abs 2 S 2 aF) hatte durch diese Differenzierung einen wichtigen Anreiz für den Schiffseigner geschaffen, im eigenen Haftungsbeschränkungsinteresse stets für den verkehrssicheren Zustand seines Fahrzeuges zu sorgen. Die Beschränkbarkeit durch die Summenhaftung, die diese Unterscheidung grundsätzlich nicht mehr kennt (zu den Einzelheiten § 4 Rn 25), scheidet nur noch bei leichtfertigem kommerziellen Verschulden des Schiffseigners (§ 5b) aus, das indes in den wenigsten Fällen für den Geschädigten beweisbar ist. IS der Erhöhung der technischen Zuverlässigkeit der Binnenschiffe und damit der Verkehrssicherheit auf den Flüssen muß die Beseitigung der früheren Haftungsdifferenzierung somit als kontraproduktiv bezeichnet werden; s dazu auch OLG Köln ZfB 2001, SaS 1S39/1840.

Erster Abschnitt. Schiffseigner

S 3 BinSchG

muß er dafür sorgen, daß alle Personen, die mit dem Schiff in Kontakt geraten (Betreten und Verlassen des Schiffes, Arbeiten an Bord, Lade- und Löschmaßnahmen von Land aus, Nähebeziehung im Schiffsverkehrs, etc) dies gefahrlos tun können. Entfalten beispielsweise bestimmte Schiffseinrichtungen (zB Laderaumboden) Gefahren für externe Rechtsgüter (zB landseitige Verladeeinrichtungen eines Hafenbetriebes), trägt der Schiffseigner für hieraus bzw aus der Unterlassung von Warnhinweisen resultierenden Schäden die persönliche Verantwortung.54 d) Ist der Schiffseigner personenidentisch mit dem Frachtführer, haftet er außerdem 38 nach Maßgabe der §§ 407ff, 425ff HGB (§ 407 HGB Rn 8). 6.

Umfang der Haftung

a) Durch die Neuregelung der Haftungsbeschränkung zum 1 . 9 . 1 9 9 8 wurde die 39 frühere Exekutionshaftung durch die Summenhaftung ersetzt: An Stelle der auf Schiff und Fracht beschränkten (§ 4 Abs 1 Nr 1 aF) bzw auf den Wert und auf die Fracht beschränkt - persönlichen Haftung (§ 114 aF) ist die unbeschränkt - persönliche, aber summenmäßig beschränkbare Haftung (§ 4 Abs 1) getreten (zu den Einzelheiten § 4 Rn Iff). b) Forderungen gegen den Schiffseigner aus dem Schiffsbetrieb, insbesondere ver- 40 traglicher (§ 102 Nr 5) und deliktischer Art(§ 102 Nr 4) gewähren dem Forderungsinhaber ein Schiffsgläubigerrecht nach Maßgabe der §§ 102ff. § 1 1 4 hat jedoch -jedenfalls für den Hauptfall der Personen - und/oder Sachschäden bzw Bergungskosten im Zusammenhang mit einer Havarie (§ 102 Nr 4, Nr 3) - regelmäßig keine eigenständige Bedeutung mehr, da sich durch die Neuaussendung des Schiffes an der unbeschränkt persönlichen, aber summenmäßig beschränkbaren Haftung des Schiffseigners für solche Forderungen (§ 4) nichts ändert ($ 114 Rn 1 Iff). c) Neben dem Schiffseigner haften - ebenfalls summenmäßig beschränkbar (§ 4) - 41 schuldhaft handelnde Besatzungsmitglieder bei Sach- und Personenschäden nach den §§ 823,249 BGB, 7ff BinSchG als Gesamtschuldner nach § 830 BGB. d) Die Eigner mehrerer havariebeteiligter Schiffe haften dem Geschädigten bei Sach- 42 schaden nach Maßgabe der Mitverschuldensquote als Einzelschuldner (§ 92c Abs l), 55 bei Personenschäden als Gesamtschuldner (§ 92c Abs 2).5S e) Im Verhältnis zwischen dem Geschädigten und dem Schiffseigner kann dieser den 43 Mitverschuldenseinwand erheben, der zur Minderung oder gar Aufhebung der Schiffseignerhaftung führen kann. 57 Dabei ist § 92c beim Zusammenstoß von Bin54 55 56 57

OLG Köln ZfB 1994, SaS 14S8; OLG Karlsruhe VersR 1997, 858. BGH VersR 19S9, 608; BGH LM $ 92 BinSchG Nr 13. Zu den Einzelheiten $ 92c Rn lOff. BGH LM RheinSchPV 1954 Nr 1.

31

BinSchG § 3

Haftung des Schiffseigners für Verschulden der Schiffsbesatzung

nenschiffen (§ 92) lex specialis gegenüber § 254 Abs 1 BGB, 58 gleichwohl ist die zu § 254 Abs 1 BGB ergangene umfangreiche Rspr59 entsprechend heranzuziehen. 4 4 Dagegen gilt das Gebot der Schadensminderungspflicht des Geschädigten (§ 254 Abs 2 BGB) unmittelbar, insbesondere für Maßnahmen nach der Havarie60 (§ 92c Rn 3 ff). 7.

Haftungsbeschränkung und Haftungsfreizeichnung

45 a) Der Schiffseigner kann, soweit er nicht leichtfertig gehandelt hat (§ 5b) oder es sich um privilegierte Ansprüche gem § 5 handelt, seine gesetzliche ebenso wie seine vertragliche (§ 4 Abs 1 S 2) Haftung summenmäßig nach Maßgabe der §§ 4ff beschränken (S 4 Rn Iff). 46 b) Im rechtsgeschäftlichen Bereich kann die gesetzlich nicht zwingende Haftung des Schiffseigners nach § 3 inter partes eingeschränkt oder abbedungen werden, und zwar sowohl einzelvertraglich, als auch im Rahmen von Geschäftsbedingungen. Soweit dies im Rahmen eines Einzelvertrages erfolgt, sind lediglich die Grenzen zu beachten, die sich aus den allgemeinen Gesetzen (§§ 134,138 BGB) sowie nach dem Grundsatz von Treu und Glauben (§ 242 BGB) für die Erfüllung des Vertrages ergeben. 4 7 Verlade- und Transportbedingungen (Konnossementbedingungen), die eine solche teilweise oder vollständige Haftungsfreizeichnung vorsehen, unterliegen der Einbeziehungs- und Inhaltskontrolle nach §§ 305ff BGB. Danach ist der Haftungsausschluß für Personenschäden sowie für vorsätzliches oder grob fahrlässiges Verhalten grundsätzlich unwirksam (§ 309 Nr 7a und b BGB). 51 Eine Freizeichnung von oder auch nur eine Haftungsbeschränkung für eine Verletzung von Kardinalpflichten des Schiffseigners/Frachtführers, insbesondere bezüglich der Fahr- und Ladetüchtigkeit des Binnenschiffs, 62 ist ebenfalls unwirksam.63 48 Weiter unzulässig sind: Freizeichnungen von grundlegenden Organisationsmängeln im Schiffsbetrieb,64 Freizeichnungen von der Einhaltung der Pflicht, die Frachtgüter nur an den legitimierten Inhaber des Konnossements oder des Ladescheins auszuliefern, 65 Klauseln, die einen Regreß des Transportversicherers erschweren

58 59 60 61 62 63 64 65

32

RGZ 78, 176; BGH MDR 1959, 551 und 731 = VersR 1959, 504 = ZfB 1959, 337, 338; BGH MDR 1959, 913 —ZfB 1959,415,416. Vgl BGH NJW 2006, 286; BGH VersR 1997, 1158. OLG Bremen VersR 1976, 558. Anders noch BGH NJW 1973,2107. BGHZ 49, 356 = NJW 1968, 1567; BGHZ 71,167 = NJW 1978,1341. BGHZ 82, 162; BGH VersR 1984, 580, 581. BGH NJW 1973, 2154. BGH VersR 1974, 590.

Erster Abschnitt. Schiffseigner

S 3 BinSchG

oder verunmöglichen. 55 Zur Möglichkeit der Haftungsfreizeichnung im Rahmen von Frachtverträgen s iü § 449 HGB Rn 2ff. 8.

Beweislast

a) Die Behauptung, ein Besatzungsmitglied des Schiffes habe in Ausführung von 4 9 Dienstverrichtungen dem Geschädigten schuldhaft einen Schaden zugefügt, ist eine klagbegründende Tatsache, für die dem Kläger grundsätzlich der Vollbeweis obliegt. 67 b) In bestimmten Fallkonstellationen können dem Anspruchsteller Beweiserleichte- 50 rungen zugute kommen. Wenn der äußere Tatbestand nach dem regelmäßigen Ablauf in der Binnenschiffahrt den Schluß zuläßt, daß die im Verkehr erforderliche Sorgfalt verabsäumt wurde, ist der Anschein eines Verschuldens des betreffenden Besatzungsmitgliedes gegeben. 68 Dieser Anscheinsbeweis beruht auf einem typischen Geschehensablauf, bei dem der 51 festgestellte und vom Anspruchsteller zu beweisende 69 Sachverhalt idR bestimmte Folgen zeitigt. Es handelt sich also nicht um eine Umkehr der Beweislast und auch nicht um eine Schuldvermutung, sondern um eine Beweiswürdigungsregel, nach der der in Anspruch Genommene die ernsthafte Möglichkeit eines atypischen Geschehensablaufes darzulegen und zu beweisen hat, andernfalls er haftet. 70 Dabei spielen allgemeine Erfahrungssätze des Gerichts, wie sie sich insbeson- 52 dere nach jahrelanger Praxis als Schiffahrtsrichter herausbilden (§ 1 BinSchVerfG Rn 1), eine maßgebliche Rolle. 71 Zu den Anwendungsfällen des Anscheinsbeweises auf der Basis der umfangreichen Rspr s § 92b Rn 68ff, 76. c) Steht das schuldhafte Verhalten eines Besatzungsmitgliedes fest, gelingt dem An- 53 spruchsteller aber nicht der Beweis, die schadenstiftende Handlung/Unterlassung einem bestimmten Besatzungsmitglied zuzuordnen, reicht dies gleichwohl zur Begründung der Annexhaftung des Schiffseigners nach § 3 aus. 72 Ist bewiesen, daß mehrere Besatzungsmitglieder schuldhaft gehandelt haben, läßt sich aber nicht nachweisen, welche Handlung ie welchem Schaden entspricht, haftet nicht nur der Schiffseigner adjektizisch nach § 3, sondern die Besatzungsmitglieder auch unmittelbar als Gesamtschuldner (§§ 830, 840 BGB).

66 67 68 69 70 71 72

BGHZ 65, 364; 82, 162. RGZ 126, 329. RGZ 121, 160; 130, 357; 135, 136; 138, 20. BGH NJW 1976, 2032. BGHZ 8, 239; BGH NJW 1972, 1131; BGH ZfB 1971, 338; 1985, 262. BGHNJW 1951,360; 1961,777. OLG Königsberg Verkehrsrecht 1927, S 466, Nr 328.

33

BinSchG § 4

Beschränkung der Schiffseignerhaftung

54 d) Enthalten Verlade- und Transportbedingungen vom allgemeinen Prozeßrecht abweichende, den Verwender begünstigende Beweislastregeln, sind diese - auch im Rechtsverkehr zwischen Unternehmern 73 - unwirksam (§ 309 Nr 12 BGB). 74

$ 4

[Beschränkung der Schiffseignerhaftung]

(1) Der Schiffseigner kann seine Haftung für Ansprüche wegen Personen- und Sachschäden, die an Bord oder in unmittelbarem Zusammenhang mit dem Betrieb des Schiffes oder mit einer Bergung einschließlich einer Wrackbeseitigung im Sinne von Absatz 4 eingetreten sind, sowie für Ansprüche aus Wrackbeseitigung beschränken, es sei denn, das Schiff wird zum Sport oder zur Erholung und nicht des Erwerbes wegen verwendet. Die Ansprüche unterliegen der Haftungsbeschränkung unabhängig davon, auf welcher Grundlage sie beruhen, ob sie privatrechtlicher oder öffentlich-rechtlicher Natur sind und ob sie auf Grund eines Vertrages oder sonstwie als Rückgriffs- oder Entschädigungsansprüche geltend gemacht werden; Ansprüche aus Wrackbeseitigung sowie Ansprüche nach Absatz 3 Satz 2 unterliegen jedoch nicht der Haftungsbeschränkung, soweit sie sich auf ein vertraglich vereinbartes Entgelt richten. (2) Ansprüche wegen Personenschäden sind solche wegen der Tötung oder der Verletzung von Personen. (3) Ansprüche wegen Sachschäden sind 1. solche wegen des Verlusts oder der Beschädigung von Sachen; 2. solche wegen der Verspätung bei der Beförderung von Gütern, Reisenden oder deren Gepäck; 3. sonstige Vermögensschäden wegen der Verletzung nichtvertraglicher Rechte. Ansprüche wegen Sachschäden sind ferner Ansprüche einer anderen Person als des Schuldners wegen Maßnahmen zur Abwendung oder Verringerung von Personen- oder Sachschäden, für die der Schuldner seine Haftung nach den Absätzen 1 , 2 und 3 Satz 1 beschränken kann. (4) Ansprüche aus Wrackbeseitigung sind solche auf Erstattung der Kosten für die Hebung, Beseitigung, Vernichtung oder Unschädlichmachung eines gesunkenen, havarierten, festgefahrenen oder verlassenen Schiffes samt allem, was sich an Bord befindet oder befunden hat, sowie für die Beseitigung, Vernichtung oder Unschädlichmachung der Ladung des Schiffes. Ansprüche aus Wrackbesei-

73 74

34

BGHZ101,184; BGH NJW 1996,1538. Vgl ie Baumgärtel/Koriofft Beweislast $ 58 Rn 12ff.

Erster Abschnitt. Schiffseigner

§ 4 BinSchG

tigung sind ferner Ansprüche einer anderen Person als des Schuldners wegen Maßnahmen zur Abwendung oder Verringerung der in Satz 1 genannten Kosten, für die der Schuldner seine Haftung beschränken kann. (5) Als Schiff im Sinne dieser Vorschrift sind auch Kleinfahrzeuge anzusehen.

Übersicht Rn 1. Allgemeines

1-4

2. Sachlicher Anwendungsbereich der $$ 4 bis 5m

5-6

3. Persönlicher Anwendungsbereich der $$ 4 bis 5m

7

4. Räumlicher Geltungsbereich der J J 4 bis 51

8

5. Vertragliche Vereinbarungen 6. Personenschäden

9 10-11

7. Sachschäden a) Verlust und Beschädigung b) Verspätung

12-13 14

c) Verletzung nichtvertraglicher Rechte

15-16

d) Maßnahmen zur Schadensabwendung und-Verringerung

17-19

8. An Bord oder bei Betrieb eines Schiffes a) Schiff

20-23

b) An Bord oder bei Betrieb

24-25

c) Unmittelbarer Zusammenhang mit einer Bergung/Wrackbeseitigung 9. Ansprüche aus Wrackbeseitigung 10. Beweislast

1.

26 27-29 30

Allgemeines

Die §§ 4 bis 5m regeln die globale Haftungsbeschränkung in der Binnenschiffahrt, 1 dh die Beschränkung der Haftung für die Gesamtheit aller beim Schiffsbetrieb aus einem bestimmten Ereignis entstandenen Ansprüche. Mit dem Gesetz zur Änderung der Haftungsbeschränkung in der Binnenschiffahrt vom 25. 8. 1998 1 (GÄHB) wurde der im Seerecht bereits mit Inkrafttreten des Brüsseler Übereinkommens vom 10.10. 1957 über die Beschränkung der Haftung der Eigentümer von Seeschiffen2 am 6 . 4 . 1973 3 erfolgte Übergang vom System der Exekutionshaftung zur Summenhaftung für die Binnenschiffahrt nachvollzogen. Während der Schiffseigner nach dem alten Modell der Haftungsbeschränkung grundsätzlich nur dinglich mit Schiff und Fracht haftete und eine Zwangsvollstreckung („Exekution") aus einem gegen den Schiffseigner ergangenen Urteil nur in diese beiden Teile des Eignervermögens er-

1 2 3

BGBl 1,2489. BGBl 197211,653,672. BGBIII, 161.

35

BinSchG § 4

Beschränkung der Schiffseignerhaftung

folgen konnte, haftet der Schiffseigner unter dem neuen Regime zunächst unbeschränkt persönlich mit seinem gesamten Vermögen. Allerdings hat er nach §§ 4 bis 5m nunmehr unter bestimmten Voraussetzungen die Möglichkeit, seine Haftung summenmäßig auf einen bestimmten, sich grundsätzlich an den technischen Merkmalen seines Schiffes (Tragfähigkeit, Wasserverdrängung, Motorleistung, Beförderungskapazität) orientierenden Betrag zu begrenzen. Dies geschieht gem § 5d durch die Erhebung einer entsprechenden Einrede oder durch die Errichtung eines Haftungsfonds. Bereits durch das 2. SRÄG vom 25. 7 . 1 9 8 6 (§ 77 Rn 1) war isoliert für die Haftung für Ansprüche auf Ersatz des Schadens aus der Tötung oder Verletzung von Schiffsreisenden mit § 4a aF die Summenhaftung eingeführt worden als Reaktion auf das schwere Barkassenunglück im Hamburger Hafen am 2 . 1 0 . 1 9 8 4 . Die Geschädigten waren damals aufgrund des nicht mehr vorhandenen Restwerts der Barkasse praktisch entschädigungslos geblieben (vgl Rn 3). Heute ist an die Stelle des § 4a aF der § 5k mit deutlich höheren Haftungshöchstbeträgen getreten. 2 Inhaltlich gehen die § § 4 bis 5m auf das Straßburger Übereinkommen vom 4 . 1 1 . 1988 über die Beschränkung der Haftung in der Binnenschiffahrt (CLNI)4 zurück. Bei diesem Übereinkommen handelt es sich im wesentlichen um eine Revision des letztlich veralteten und deshalb nie in Kraft getretenen Übereinkommens über die Beschränkung der Haftung der Eigentümer von Binnenschiffen vom 1.3. 1973 (CLN)5. Die unter der Federführung der Zentralkommission für die Rheinschiffahrt erarbeitete CLNI lehnt sich eng an das für die Bundesrepublik Deutschland am 1. 9. 1987 in Kraft getretene Übereinkommen vom 19.11. 1976 über die Beschränkung der Haftung für Seeforderungen (Londoner Haftungsbeschränkungsübereinkommen - LondonHBÜ) 6 an. 7 Anders als dieses seerechtliche Übereinkommen, auf das in § 486 HGB pauschal verwiesen wird, 8 wurde die CLNI dadurch ins deutsche Recht übernommen, daß deren Regelungen in die §§ 4 bis 5m eingearbeitet wurden. Begründet wurde dieses Vorgehen vor allem mit der besseren Lesbarkeit und Handhabbarkeit der neuen Vorschriften über die Haftungsbeschränkung, die nicht nur auf internationale, sondern auch auf rein nationale Sachverhalte anzuwenden sind. Darüber hinaus sollten die Regelungen der CLNI unabhängig von deren Inkrafttreten zur Anwendung kommen. 9 Bis zum 1. 7. 2007 wurde die CLNI lediglich von Luxemburg (1993), den Niederlanden (1997), der Schweiz (1997) und Deutschland ratifiziert. Nicht zuletzt um das Übereinkommen attraktiver für weitere Ratifikationen zu machen, werden derzeit Überlegungen angestellt, die Haftungssummen der

4 5 6 7 8 9

36

BGBl 199SII, 1644. Denkschrift CLNI, BT-Drs 13/8220,22. Die CLN ist zB abgedruckt bei Korioth Neuregelung, 326ff. BGBl 1986 II 786; 19S7 II, 407. Denkschrift CLNI, BT-Drs 13/8220,22. Hierzu Herber Haitungsrccht, 17f. Begr GÄHB, BT-Drs 13/8446,16.

Erster Abschnitt. Schiffseigner

§ 4 BinSchG

§§ 4ff entsprechend den Änderungen im Seerecht durch das Protokoll 1996 über die Änderung des LondonHBÜ10 zu erhöhen.11 Die Einführung der Summenhaftung auch in der Binnenschiffahrt wurde vom Ge- 3 setzgeber zunächst formal damit begründet, daß allein auf diesem Weg die seit Inkrafttreten des Brüsseler Übereinkommens vom 10.10.1957 am 6 . 4 . 1 9 7 3 (Rn 1) bestehende Zweigleisigkeit der Haftungsregime im deutschen Schiffahrtsrecht unter Wahrung internationaler Standards überwunden werden könne. Inhaltlich wurde die Summenhaftung deshalb für tauglicher angesehen, weil die Gläubiger unter dem System der Exekutionshaftung in Fällen, in denen es zu einem Totalverlust des haftenden Schiffes kommt oder in denen das schädigende Schiff infolge Alters oder schlechter Wartung nur noch einen geringen Wert aufweist, Gefahr laufen, mit ihren Forderungen vollständig auszufallen. Zudem würde am Ende der Schädiger belohnt, dessen Schiff schlecht gepflegt sei und aus diesem Grund nur noch einen geringen Wert aufweise.12 Nicht zuletzt wurde mit Einführung der Summenhaftung der im Einigungsvertrag vom 31. 8.1990 1 3 enthaltenen Vereinbarung entsprochen, wonach für die gewerbliche Binnenschiffahrt bereits vor dem völkerrechtlichen Inkrafttreten der CLNI die summenmäßige Haftungsbeschränkung eingeführt werden sollte.14 Unmittelbar anwendbar im deutschen Recht sind allein die §§ 4 bis 5m, nicht dage- 4 gen die Regelungen der CLNI. Die CLNI wurde vom deutschen Gesetzgeber zwar ratifiziert, nicht aber für unmittelbar anwendbar erklärt (Rn 2). Dies führt dazu, daß auch bei der Auslegung der §§ 4 bis 5m grundsätzlich nicht auf die entsprechenden Regelungen der CLNI zurückgegriffen werden kann. Die §§ 4 bis 5m wären auch insoweit anzuwenden, als sie einer Regelung der CLNI widersprächen. Auf der anderen Seite ist das nationale Recht zumal dann im Zweifel soweit als möglich völkerrechtskonform auszulegen, wenn sich ein anderslautender Wille des Gesetzgebers nicht feststellen läßt. Hieraus folgt, daß bei Unklarheiten im Zusammenhang mit der Auslegung der §§ 4 bis 5m durchaus die Vorschriften der CLNI mit herangezogen werden können. Im Zweifel hat jedoch eine klare Regelung der §§ 4 bis 5m Vorrang vor den Vorschriften der CLNI.

2.

Sachlicher Anwendungsbereich der §§ 4 bis 5m

Die SS 4 und 5 umschreiben abschließend diejenigen Ansprüche, für die eine Haf- 5 tungsbeschränkung in Betracht kommt. Gem § 4 sind dies grundsätzlich sämtliche Ansprüche wegen Personen- oder Sachschäden, die an Bord oder in unmittelbarem Zu10 11 12 13 14

BGBl 2000 II, 7 9 1 , 1 7 9 3 . Czerwcnka TranspR 2 0 0 5 , 1 3 3 . Denkschrift CLNI, BT-Drs 13/8220, 22. Zu den Nachteilen des Exekutionssystems zusammenfassend Freise Reederhaftung, 3 Iff. BGBl II, 885, 960. Begr GÄHB, BT-Drs 13/8446, 16.

37

BinSchG § 4

Beschränkung der Schiffseignerhaftung

sammenhang mit dem Betrieb eines Schiffes oder mit einer Bergung einschließlich einer Wrackbeseitigung eingetreten sind, sowie Ansprüche aus Wrackbeseitigung. § 5 führt diej enigen Ansprüche auf, die nicht der Haftungsbeschränkung unterliegen. 6 Gern § 4 Abs 1 S 2 Halbs 1 können Ansprüche der Haftungsbeschränkung unabhängig davon unterliegen, auf welcher Grundlage sie beruhen, ob sie privatrechtlicher oder öffentlich-rechtlicher Natur sind und ob sie aufgrund eines Vertrags oder sonstwie als Rückgriffs- oder Entschädigungsansprüche geltend gemacht werden. Eine Ausnahme gilt gern § 4 Abs 1 S 2 Halbs 2 j edoch für bestimmte vertraglich vereinbarte Entgeltansprüche für Maßnahmen der Wrackbeseitigung und der Schadensabwendung bzw Schadensverringerung. Die Aufnahme von Rückgriffs- und Entschädigungsansprüchen soll den Schiffseigner davor bewahren, daß er bei Geltendmachung eines Anspruchs durch einen nicht zur Haftungsbeschränkung berechtigten Dritten, der seinerseits den Ersatzanspruch des Geschädigten befriedigt hat, unbeschränkt haftet. 15 Darüber hinaus soll nach dem Willen des Gesetzgebers hierdurch klargestellt werden, daß auch Ausgleichsansprüche zwischen mehreren zur Haftungsbeschränkung Berechtigten der Haftungsbeschränkung unterliegen.16 3.

Persönlicher Anwendungsbereich der SS 4 bis 5m

7 Zwar ist in § 4 Abs 1 nur der Schiffseigner (§ 1) als Begünstigter der §§ 4 bis 5m genannt. Gem § 5c stehen dem Schiffseigner insoweit jedoch gleich der Eigentümer (§ 1 Rn 47ff), Charterer und Ausrüster (§ 2 Abs 1) des Schiffes, der Berger (§ 5c Rn 5) sowie jede Person, für deren Handeln eine der vorgenannten Personen einzustehen hat. Gleiches gilt für die Gesellschafter einer beschränkbar haftenden Personengesellschaft und den Versicherer, dessen Versicherungsnehmer beschränkbar haftet. 4.

Räumlicher Geltungsbereich der SS 4 bis 51

8 Gem Art 15 Abs 1 CLNI erstreckt sich der räumliche Anwendungsbereich des Übereinkommens allein auf Gewässer, die der Mannheimer Akte oder dem Moselvertrag unterliegen. Der deutsche Gesetzgeber hat jedoch von der nach Art 15 Abs 2 CLNI bestehenden Möglichkeit Gebrauch gemacht und den Anwendungsbereich der §§ 4 bis 51 erweitert (§ 5m: „deutsches Gewässer"). Der räumliche Anwendungsbereich dieser Vorschriften entspricht nun dem des übrigen Binnenschiffahrtsgesetzes (§ 1 Rn 16ff). Die Möglichkeit zur Haftungsbeschränkung besteht folglich auf jedem Binnengewässer, auf dem Schiffahrt betrieben wird, unabhängig von dessen Art, Bedeutung und Größe. 17 Zur Anwendbarkeit der §§ 4 bis 51 in Fällen mit Auslandsberührung vgl § 5m. 15 16 17

38

Begr GÄHB, BT-Drs 13/8446,19f; Herder Haftungsrecht, 61f. Denkschrift CLNI, BT-Drs 13/8220, 2S. Vgl Denkschrift CLNI, BT-Drs 13/8220, 32.

Erster Abschnitt. Schiffseigner

5.

§ 4 BinSchG

Vertragliche Vereinbarungen

Von den Regelungen über die Haftungsbeschränkung nach SS 4 bis 5m kann durch 9 vertragliche Vereinbarung uneingeschränkt abgewichen werden.18 Insbesondere kann zwischen den Parteien eines Frachtvertrags vereinbart werden, daß der Frachtführer haften soll, ohne sich auf die Haftungsbeschränkung der SS 4ff berufen zu dürfen. Sind abweichende Vereinbarungen in VTB enthalten, müssen die SS 305ff BGB beachtet werden. Zum Verhältnis der §§ 4 bis 5m zu den nur eingeschränkt dispositiven Regelungen über die vertragliche Haftung des Frachtführers gem SS 425ff, 431,449 HGB vgl S 431HGB Rn 1. 6.

Personenschäden (S 4 Abs 2)

Der Begriff der Personenschäden umfaßt gem S 4 Abs 2 die Tötung und die Verlet- 10 zung von Personen. Die Verletzung von Personen entspricht der Körper- und Gesundheitsverletzung des S 823 BGB. Danach ist Körperverletzung die Verletzung der äußeren körperlichen Integrität, Gesundheitsverletzung die Beeinträchtigung der inneren Funktionen des Körpers. Zu letzterer zählen auch Nervenschocks und seelische Beeinträchtigungen als unmittelbare Folge von Unfällen, sofern diese Beeinträchtigungen einen gewissen Schweregrad erreichen und, zB wegen des besonderen Näheverhältnisses zu der verunfallten Person, nicht dem allgemeinen Lebensrisiko zuzurechnen sind. 183 Ebenfalls zu den Personenschäden iSv S 4 Abs 2 gehören die Ansprüche der mittelbar Geschädigten nach SS 843 bis 846 BGB. 19 Zwar kommt die Haftungsbeschränkung für Ansprüche aus Personenschäden in er- 11 ster Linie bei der Verletzung oder Tötung von Reisenden auf Fahrgastschiffen in Betracht (vgl S 77 iVm S 646 Abs 1 S 1, Abs 2 HGB), doch kann sie auch bei der Verletzung von Besatzungsmitgliedern (S 3 Abs 2) oder unbeteiligten Dritten Bedeutung erlangen. Bei Besatzungsmitgliedern ist S 5 Nr 3 zu beachten. 7.

Sachschäden (§ 4 Abs 3)

a)

Verlust und Beschädigung von Sachen (§ 4 Abs 3 S 1 Nr 1)

Ansprüche wegen Sachschäden iSd SS 4 bis 5m sind zunächst die Ansprüche wegen 12 des Verlusts oder der Beschädigung von Sachen. Zu den Begriffen des Verlusts und der Beschädigung vgl S 425 HGB Rn 8f. Hierzu zählen auch die Verunreinigung des Ladungsguts durch Ladungsreste aus vorangegangenen Transporten. Der Sachbegriff entspricht dem des S 90 BGB und umfaßt sämtliche körperliche Gegenstände

18 So auch zum seerechtlichen LondonHBÜ Herber Haftungsrecht, 55. 18a BGH VersR 2 0 0 7 , 1 0 9 3 , 1 0 9 4 . 19 Rabe SeeHR Art 2 LondonHBÜ Rn 4.

39

BinSchG § 4

Beschränkung der Schiffseignerhaftung

ungeachtet des Aggregatzustands (fest, flüssig, gasförmig). Tiere sind ebenfalls Sachen iSd Vorschrift ($ 90a BGB), nicht dagegen der lebende menschliche Körper 20 . Da sie ohne weiteres dem Sachbegriff unterfallen, bedurften die in Art 2 Abs l a CLNI einzeln aufgeführten Hafenanlagen, Hafenbecken, Wasserstraßen, Schleusen, Brükken und Navigationshilfen in § 4 Abs 3 keiner gesonderten Erwähnung, doch ist insoweit die gesetzlich angeordnete Vorabbefriedigung zu beachten (§§ 5f Abs 2, 5h Abs 3, 5i S 2). 13 Zu den Sachen nach § 4 Abs 3 S 1 Nr 1 gehört auch das Gepäck von Reisenden. Wird dem Reisenden das Gepäck nicht innerhalb einer angemessenen Frist nach Ankunft des Schiffes ausgehändigt und erwächst dem Reisenden hieraus ein Vermögensschaden, liegt nach der Begriffsbestimmung des Art 1 Nr 7 der Anlage zu § 646 HGB, die über § 77 auch in der Binnenschiffahrt zur Anwendung kommt, ein Sachschaden und kein Verspätungsschaden vor. b)

Verspätung ($ 4 Abs 3 S 1 Nr 2)

14 Der Begriff der Verspätung iSv § 4 Abs 3 S 1 Nr 2 entspricht dem der Überschreitung der Lieferfrist nach § 423 HGB (§ 425 HGB Rn 10). Das im Zusammenhang mit der Beförderung von Gütern Gesagte gilt entsprechend für die Beförderung von Reisenden und deren Gepäck. Bei der Beförderung von Reisenden wird regelmäßig eine konkrete Reisedauer vereinbart sein. Wird diese überschritten, kommen Ansprüche nach §§ 280 Abs 2, 286ff BGB in Betracht, sofern die Verspätung nicht wegen Geringfügigkeit als sozialadäquat hinzunehmen ist. Zur Frage der verspäteten Aushändigung von Reisegepäck vgl Rn 11. Ggf sind vertragliche Haftungsausschlüsse zu berücksichtigen (vgl Rn 9). c)

Verletzung nichtvertraglicher Rechte (§ 4 Abs 3 S 1 Nr 3)

15 Bei § 4 Abs 3 S 1 Nr 3, der Art 2c LondonHBÜ entspricht, handelt es sich um einen Auffangtatbestand für die Fälle, in denen Schäden durch Verletzung nichtvertraglicher Rechte entstehen, die nach dem jeweils anwendbaren innerstaatlichen Recht nicht als Personen- oder Sachschäden qualifiziert werden können. 21 Nach deutschem Recht fallen hierunter jedenfalls Verletzungen von absoluten Rechten, wenn diese nur zu einem Vermögensschaden führen. 22 Denkbar ist dies etwa bei Eigentumsverletzungen, die nicht zugleich eine Sachbeschädigung darstellen (sonst § 4 Abs 3 Nr 1). Beispielhaft ist der sog Fleetfall (§ 92b Rn 35), in dem ein Schiff durch in einem Fleet eingestürzte Ufermauern über einen Zeitraum von acht Mo-

20 21 22

40

BGHZ 124, 52, 54. Denkschrift CLNI, BT-Drs 13/8220, 25. Korioth Herber-Festschrift 1983, 98; Rabe SeeHR Art 2 LondonHBÜ Rn 14; weiter Hefter Haftungsrecht, 57 und Freise Reederhaftung, 53f (Verletzung von vertraglichen Rechten und Schutzgesetzen iSv $ 823 Abs 2 BGB).

Erster Abschnitt. Schiffseigner

§4

BinSchG

naten an der Weiterfahrt gehindert wurde. 23 Entsprechendes kann gelten, wenn ein Schiff dadurch an dem Auslaufen aus einem Hafen gehindert wird, daß ein anderes Schiff aufgrund einer Havarie über einen längeren Zeitraum die Hafenausfahrt blockiert, 24 oder wenn durch ein vorbeifahrendes Schiff die ins Wasser ragenden Teile einer Slipanlage beschädigt werden, so daß ein anderes, auf Helling genommenes Schiff nicht mehr zu Wasser gelassen werden kann 2 5 . Zu beachten ist in all diesen Fällen der Funktionsbeeinträchtigung von Schiffen, daß eine Verletzung nichtvertraglicher Rechte grundsätzlich nur dann in Betracht kommt, wenn die bestimmungsgemäße Verwendung als Schiff mehr als nur unerheblich beeinträchtigt wird. Kann also das an der Weiterfahrt gehinderte Schiff umkehren und seine Fahrt in eine andere, wenn auch nicht geplante Richtung fortsetzen, scheidet sowohl eine Eigentumsverletzung als auch eine Beeinträchtigung des eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetriebs aus. 26 Weitere Einzelheiten hierzu unter § 92b Rn 34ff. Anders als nach altem Recht unterliegen aufgrund ihres vertraglichen Charakters Ansprüche wegen Vermögensschäden infolge der Nichterfüllung von durch den Schiffsführer (§ 4 Abs 1 Nr 1 aF) oder den Schiffseigner selbst (§ 4 Abs 1 Nr 2 aF) geschlossenen Verträgen nicht mehr der Haftungsbegrenzung, sofern nicht zugleich ein Fall des nunmehr geltenden § 4 Abs 3 S 1 Nr 1 oder Nr 2 gegeben ist. Zwar wurde mit der jetzigen Regelung ein Gleichlauf mit dem Seerecht erreicht, 27 doch blieb schon dort die Frage unbeantwortet, weshalb der Haftungsbegrenzung sämtliche Vermögensschäden wegen Verletzung nichtvertraglicher Rechte unterliegen, dagegen nur ein Teil der Vermögensschäden, die auf einer Verletzung vertraglicher Pflichten beruhen 28 d)

Maßnahmen zur Schadensabwendung und -Verringerung (§ 4 Abs 3 S 2)

Die Regelung des § 4 Abs 3 S 2, die Art 2 Abs I f CLNI umsetzt und Art 2 Abs l f LondonHBÜ entspricht, trägt dem Umstand Rechnung, daß Maßnahmen zur Schadensminderung und -abwendung wegen der Haftungsbegrenzungsmöglichkeit des Schuldners allen Gläubigern zugute kommen 2 9 und daß der Schädiger bei Abwendung oder Verringerung des Schadens insbesondere durch Dritte nicht schlechter stehen soll als er stünde, wenn es zum Schaden gekommen wäre 30 . Voraussetzung für eine Haftungsbegrenzung nach § 4 Abs 3 S 2 ist zunächst, daß die Ansprüche wegen

23 24 25 26 27 28 29 30

16

BGHZ 55, 153, 159. Rate SeeHR Art 2 LondonHBÜ Rn 15. Vgl Korioth ZfB 2001, SaS 1845. BGHZ 55, 153, 160. Denkschrift CLNI, BT-Drs 13/8220, 25. Rabe SeeHR Art 2 LondonHBÜ Rn 14. Begr GÄHB, BT-Drs 13/844S, 20. Rabe SeeHR Art 2 LondonHBÜ Rn 17.

41

17

BinSchG § 4

Beschränkung der Schiffseignerhaftung

der verhinderten oder verringerten Schäden ihrerseits der Haftungsbeschränkung nach § 4 Abs 1, Abs 2 oder Abs 3 S 1 unterworfen sind. Hierzu zählen auch Ersatzansprüche wegen Maßnahmen zur Abwendung oder Verringerung von Personen- oder Sachschäden, die in unmittelbarem Zusammenhang mit Wrackbeseitigungsmaßnahmen eintreten und für die die Haftung nach § 4 Abs 1 iVm § 4 Abs 2 und Abs 3 Satz 1 beschränkt werden kann. 31 Ebenso fallen hierunter die Kosten für die Sicherung einer Havariestelle.32 Nicht von § 4 Abs 3 S 2 erfaßt sind dagegen Maßnahmen zur Abwendung oder Verringerung von Ansprüchen aus Wrackbeseitigung iSv § 4 Abs 4 S I , für die § 4 Abs 4 S 2 eine Sonderregelung enthält. 18 Weitere Voraussetzung für die Möglichkeit zur Haftungsbegrenzung nach § 4 Abs 3 S 2 ist, daß es sich nicht um Ansprüche des Haftpflichtigen selbst handelt. Da dieser ohnehin verpflichtet ist, die von ihm verursachten Schäden möglichst gering zu halten (§ 254 Abs 2 S 1 BGB), sollen von ihm ergriffene Abwehrmaßnahmen nicht dazu führen, daß er mit eigenen Ansprüchen an der Verteilung des Haftungsfonds teilnimmt. 33 Aufwendungen für Maßnahmen zur Schadensabwendung oder -minderung des Geschädigten selbst hat der Haftpflichtige dem Geschädigten als adäquate Folge des Schadensereignisses regelmäßig bereits als Schaden iSv § 4 Abs 3 S 1 zu ersetzen, so daß § 4 Abs 3 Satz 2 insoweit ohne Bedeutung ist. 34 Eine Anwendung des § 4 Abs 3 S 2 kommt demnach vor allem bei Ansprüche Dritter aus Geschäftsführung ohne Auftrag (§§ 670, 683 BGB) oder wegen ungerechtfertiger Bereicherung (SS 812ff BGB) in Betracht. 35 19 In § 4 Abs 1 S 2 Halbs 2 ist klargestellt, daß das für Schadensabwendungs- oder -Verringerungsmaßnahmen vertraglich vereinbarte Entgelt ebenso wie der Bergelohn (vgl § 5 Nr 1) der Möglichkeit zur Haftungsbegrenzung nicht unterliegt und damit j edenfalls in voller Höhe zu bezahlen ist. 8.

An Bord oder bei Betrieb eines Schiffes (§ 4 Abs 1S 1)

a)

Schiff

20 Der Schiffsbegriff der §§ 4 bis 5m weicht von dem des § 1 (§ 1 Rn 3ff) in folgenden Punkten ab: In Übereinstimmung mit Art 1 Abs 2 CLNI stellt § 4 Abs 5 klar, daß als Schiff iSd SS 4 bis 5 m auch Kleinfahrzeuge anzusehen sind. Dieser Klarstellung bedarf es, weil die Rechtsprechung für den übrigen Bereich des Binnenschiffahrtsgesetzes Kleinfahrzeuge grundsätzlich nicht als Schiffe ansieht (S 1 Rn 6). Vgl dagegen wiederum für den Schiffszusammenstoß S 92 Abs 3. Als Kleinfahrzeuge werden tra31 32 33 34 35

42

Begr RegE, BT-Drs 13/8446,20. OLG Karlsruhe TranspR 2007, 75, 77ff. Begr RegE, BT-Drs 13/8446,20; Herber Haftungsrecht, 60. Begr RegE, BT-Drs 13/S44S, 20. Rabe SeeHR Art 2 LondonHBÜ Rn 18.

Erster Abschnitt. Schiffseigner

§ 4 BinSchG

ditionell zB Ruder-, Paddel- und Tretboote angesehen. Zu Abgrenzungsfragen vgl § 1 Rn 6ff. Eine Rückausnahme macht das Gesetz in Übereinstimmung mit Art 18 Abs Id CLNI 21 für Schiffe, die lediglich zum Sport oder zur Erholung und nicht des Erwerbs wegen verwendet werden. Der Gesetzgeber übernimmt insoweit die bisherige ständige Rechtsprechung des BGH zu § 4 aF, die es nicht als gerechtfertigt ansah, die Eigner von Sport- und Vergnügungsbooten gegenüber den Haltern anderer Fahrzeuge durch die Möglichkeit zur Haftungsbeschränkung zu privilegieren. 36 Gleiches gilt für den Führer eines Sportbootes, da das den Verkehrsträgern Straße und Schiene unbekannte System der globalen Haftungsbeschränkung nach Auffassung des Gesetzgebers nur dort gerechtfertigt ist, wo es um den Einsatz eines Schiffes zu gewerblichen oder beruflichen Zwecken geht. 37 Entsprechend dieser Begründung wurde die Erwerbsmäßigkeit als zusätzliche Voraussetzung für die Möglichkeit zur Haftungsbegrenzung aufgenommen. Dies führt dazu, daß zB die gewerblichen Nutzer von Sportbooten (Segelschulen, Vercharterer etc) durchaus in den Genuß der §§ 4 bis 5m kommen können. 38 Eine nur vorübergehende nichtgewerbliche Nutzung eines üblicherweise zu gewerblichen Zwecken eingesetzten Schiffes (zB Leerfahrt zum Urlaubsort) läßt die Möglichkeit zur Haftungsbegrenzung ebenfalls nicht entfallen, da auch in diesem Fall noch der gewerbliche Charakter der betriebenen Schifffahrt überwiegt. Gleiches gilt nach dem erklärten Willen des Gesetzgebers 39 für die in amtlichen 22 Diensten stehenden Schiffe und Boote der Schiffahrtsverwaltung und der Wasserschutzpolizei, obwohl diese Schiffe ebenfalls nicht zu Erwerbszwecken eingesetzt werden (vgl zum Seerecht Art 7 EGHGB). Auch diese Auffassung entspricht der bisherigen Rechtsprechung, der es nicht gerechtfertigt erschien, die dienstliche Schifffahrt insofern gegenüber der gewerblichen Schiffahrt zu benachteiligen. 40 Die in Art 1 Abs 2b CLNI neben den Kleinfahrzeugen genannten Tragflächenboote, 23 Fähren (§ 2 Abs 3 S 2 Nr 3 BinSchUO), Bagger, Krane, Elevatoren und alle sonstigen schwimmenden und beweglichen Anlagen oder Geräte ähnlicher Art unterfallen nach gefestigter Rspr schon bislang dem Schiffsbegriff des Binnenschiffahrtsgesetzes (§ 1 Rn l l f f ) und bedurften daher keiner gesonderten Erwähnung in § 4. 4 1 Zu beachten ist allerdings, daß insoweit zT andere Haftungshöchstbeträge gelten (vgl § 5e Abs 1 Nr 4). Fähren unterfallen unabhängig davon dem Schiffsbegriff der §§ 4 bis 5m, ob sie frei schwimmend sind oder nicht (vgl § 131 Abs 3 und 4).

36 37 38 39 40 41

Denkschrift CLNI, BT-Drs 13/8220, 33. Begr GÄHB, BT-Drs 13/8446, 19. Vgl Begr GÄHB, BT-Drs 13/S44S, 19. Begr GÄHB, BT-Drs 13/8446, 19. RGZ 149,167,171. BegrGÄHB,BT-Drs 13/8446,21.

43

BinSchG § 4 b)

Beschränkung der Schiffseignerhaftung

An Bord oder bei Betrieb eines Schiffes

2 4 An Bord sind die Personen- oder Sachschäden eingetreten, wenn der Erfolgsort der schädigenden Handlung das Schiff selbst ist. Dagegen genügt es nicht, wenn lediglich der Handlungsort sich an Bord des Schiffes befindet, dh sich zwar der Schädiger auf dem Schiff aufhält, nicht dagegen die verletzte Person bzw die beschädigte Sache. In diesen Fällen wird der Schaden allerdings meistens im unmittelbaren Zusammenhang mit dem Schiffsbetrieb (Rn 25) eingetreten sein. Bsp: Besatzungsmitglied bedient schiffseitige Löscheinrichtung fehlerhaft, wodurch es an Land zu schweren Schäden kommt. An Bord befinden sich Personen und Sachen, die die Reling passiert haben. 42 Nicht an Bord befinden sie sich dagegen, wenn sie noch/schon auf der Gangway sind. 43 25

Der Schaden kann auch dann der Haftungsbegrenzung unterliegen, wenn er im unmittelbaren Zusammenhang mit dem Betrieb des Schiffes eingetreten ist. Nach dem Willen des Gesetzgebers soll durch dieses Tatbestandsmerkmal klargestellt werden, daß der Schiffseigner als solcher und nicht in anderer Eigenschaft, dh zB als Halter eines beim Laden oder Entladen verwendeten Kfz oder als Lagerhalter privilegiert wird. 44 Gemeint ist somit der technische Einsatz des Schiffes als Verkehrs- und Transportmittel. 45 Teil des Schiffsbetriebs sind jedenfalls die Lade- und Löscharbeiten. 46 Der Schaden muß mithin auch nicht eingetreten sein, während das Schiff in Bewegung war.47 Nach zutreffender Auffassung zum gleichlautenden Art 2 Abs l a LondonHBÜ macht es dabei keinen Unterschied, wem aufgrund des Frachtvertrags die Ladung bzw Löschung obliegt und ob ein landseitig oder schiffseitig gestelltes Ladegeschirr verwendet wird.48 Nicht zum Betrieb des Schiffes zählt dagegen der Vor- und Nachlauf der Ladung, also zB der Transport der Ladung zum Ladeplatz mit einem Lkw oder einem Kran. 49 Dies gilt auch dann, wenn dieser Transport zu der vom Schiffseigner zu erbringenden Beförderungsleistung gehört. Zu begr ist dies damit, daß sich hier keine Gefahr realisiert hat, die dem eingesetzten Transportmittel Schiff zu eigen ist. 50 Diese Schiffsgefahr realisiert sich dagegen, wenn der Schaden darauf zurückzuführen ist, daß das Schiff an unzulässiger Stelle stilliegt oder unzureichend festgemacht wurde. Zum Betrieb eines Fahrgastschiffes gehört auch das An- und Vonbordgehen der Fahrgäste über Anleger, Pontons oder Zubrin-

42 Freise Reederhaftung, 61; Herber Haftungsrecht, 56. 43 Herber Haftungsrecht, 56. 44 Begl· GÄHB, BT-Drs 13/844S, 19. 45 Vgl Korioth Übergang, 72; Herber Haftungsrecht, 60; Rabe SeeHR Art 2 LondonHBÜ Rn 5; Freise Reederhaftung, 51. 46 Denkschrift CLNI, BT-Drs 13/8220,25. 47 Rittmeister Haftungsbeschränkungsverfahren, 24. 48 Rabe SeeHR Art 2 LondonHBÜ Rn 8. 49 Vgl Rabe SeeHR Art 2 LondonHBÜ Rn 9; Hertel· Haftungsrecht, 61. 50 RekSeeHR Art 2 LondonHBÜ Rn 5.

44

Erster Abschnitt. Schiffseigner

§ 4 BinSchG

gerboote. 51 Für den übrigen außerhalb des Schiffes liegenden Verantwortungsbereich des Schiffseigners (zB Weg von der Fahrkartenverkaufsstelle zum Anleger) kommt es wiederum darauf an, ob sich in dem Schaden eine schiffahrtstypische Gefahr realisiert hat. c)

Unmittelbarer Zusammenhang mit einer Bergung einschließlich einer Wrackbeseitigung

Zum Begriff der Wrackbeseitigung vgl § 5j Rn 2. Zum Begriff der Bergung vgl § 740 26 HGB R n 3 . Durch diesen Einschluß wird sichergestellt, daß auch der Berger oder Wrackbeseitiger von der Haftungsbefreiung profitiert, der seine Dienste nicht von einem Schiff aus, sondern aus der Luft (Hubschrauber) oder von Land (Kran, Taucher) erbringt (§ 5c Abs 1 Nr 2). 52 9.

Ansprüche aus Wrackbeseitigung (§ 4 Abs 4)

Die Definition in § 4 Abs 4 ist vor allem im Hinblick auf den gesonderten Haftungs- 2 7 höchstbetrag für die Ansprüche aus Wrackbeseitigung nach § 5j bedeutsam. Der Gesetzgeber hat damit den Vorbehalt des Art 18 Abs l c CLNI ausgeübt, um die Gläubiger solcher Ansprüche möglichst umfassend zu schützen. 53 Zum Begriff der Wrackbeseitigung vgl § 5j Rn 2. §4 Abs 4 erfaßt nur Ansprüche auf Erstattung der Kosten für die in § 4 Abs 4 auf- 28 geführten Maßnahmen. Nach dem erklärten Willen des Gesetzgebers 54 sollen zu den Ansprüchen aus Wrackbeseitigung jedoch auch Ansprüche auf Erstattung von Zufallschäden gehören, die der Wrackbeseitiger im Zusammenhang mit seiner Tätigkeit erleidet (zB gerissener Draht) und die nach den Grundsätzen der Risikozurechnung bei schadensgeneigter Tätigkeit im fremden Interesse zu ersetzen sind. 55 Dem Wrackbeseitiger schuldhaft zugefügte Schäden unterfallen bereits § 4 Abs 2 und 3. Für Entgeltforderungen, die für die Wrackbeseitigung vertraglich vereinbart wurden, ist eine Haftungsbegrenzung gem § 4 Abs 1 S 2 Halbs 2 ausgeschlossen. Gem § 4 Abs 4 S 2 zählen zu den Ansprüchen aus Wrackbeseitigung entsprechend 2 9 § 4 Abs 3 S 2 betr die Sachschäden (Rn 15ff) auch Ansprüche einer anderen Person als der des Schuldners wegen Maßnahmen zur Abwendung oder Verringerung der in § 4 Abs 4 S I genannten Kosten. Die Vorschrift soll vor allem Ansprüche wegen

51 52 53 54 55

Rabe SeeHR Art 2 LondonHBÜ Rn 6; Herder Haftungsrecht, 61. Begr GÄHB, BT-Drs 13/8446,19. BegrGÄHB,BT-Drs 13/8446,21. Begr GÄHB, BT-Drs 13/8446,21. Vgl BGHZ 89, 1 5 3 , 1 5 7 .

45

BinSchG

§ 5

Ausschluß der Haftungsbeschränkung

Maßnahmen zur Abwendung oder Verringerung von Zufallschäden (Rn 28) erfassen. 56 10.

Beweislast

30 Nach allgemeinen Grundsätzen muß derjenige, der sich auf eine Haftungsbeschränkung beruft, die Voraussetzungen des § 4 darlegen und ggf beweisen.

$5 [Ausschluß der Haftungsbeschränkung] Der Haftungsbeschränkung nach § 4 unterliegen nicht 1. Ansprüche aus Bergung sowie Ansprüche auf Beitragsleistung zur großen Haverei; 2. Ansprüche gegen denjenigen, der nach einem anwendbaren internationalen Übereinkommen oder nach dem Atomgesetz für nukleare Schäden haftet; 3. Ansprüche von Bediensteten des Schiffseigners, deren Aufgabe mit dem Schiffsbetrieb oder mit Bergungs- oder Hilfeleistungsarbeiten oder Wrackbeseitigungsmaßnahmen zusammenhängen, sowie Ansprüche ihrer Erben, Angehörigen oder sonstiger zur Geltendmachung solcher Ansprüche berechtigter Personen, wenn der Dienstvertrag deutschem Recht unterliegt oder wenn er ausländischem Recht unterliegt, nach welchem die Haftung für diese Ansprüche nicht global beschränkt werden kann; 4. Ansprüche nach § 22 Wasserhaushaltsgesetz; 5. Ansprüche auf Ersatz der Kosten der Rechtsverfolgung.

Übersicht Rn 1. Allgemeines

1

2. Ansprüche aus Bergung und auf Beitragsleistung zur großen Haverei ($ 5 Nr 1) a) Bergung

2

b) Große Haverei

3

3. Ansprüche wegen nuklearer Schäden ($ 5 Nr 2) 4. Ansprüche aus Dienstleistungsverträgen ($ 5 Nr 3)

4 5-7

5. Ansprüche nach $ 2 2 WHG ($ 5 Nr 4) a) Überblick

8

b) $ 2 2 Abs 1 WHG

9

56

46

Begr GÄHB, BT-Drs 13/8446, 21.

Erster Abschnitt. Schiffseigner

§ 5 BinSchG Rn

c) $22Abs2WHG d) Umfang des zu erstattenden Schadens 6. Ansprüche auf Ersatz der Rechtsverfolgungskosten (§ 5 Nr 5) 7. Zinsansprüche a) Überblick b) Keine Haftungsbeschränkung c) Errichtung eines Haftungsfonds d) Erhebung einer Haftungsbeschränkungseinrede 8. Beweislast

1.

10-11

12-14 15-16 17 18

19 20-23 24

Allgemeines

§ 5 zählt ausdrücklich einige Gruppen von Ansprüchen auf, für die die Haftung nicht 1 beschränkt werden kann. Damit trägt der Gesetzgeber in dem von Art 3 CLNI gesteckten Rahmen dem Umstand Rechnung, daß die Beschränkung der Haftung für die genannten Ansprüche entweder bereits an anderer Stelle speziell geregelt ist oder eine solche Beschränkung in Anlehnung an das Seerecht nicht (mehr) möglich sein soll. Art 3 CLNI deckt sich weitgehend mit Art 3 LondonHBÜ. Ursprünglich war geplant, auch die Ansprüche wegen Schäden, die durch gefährliche Güter verursacht wurden, von der Möglichkeit zur Haftungsbegrenzung auszunehmen. Aufgrund einer Intervention des Bundesrates beließ man es dann jedoch bei der Möglichkeit zur Haftungsbegrenzung, wenngleich mit einem gesonderten, deutlich erhöhten Haftungshöchstbetrag (§ 5h). 2.

Ansprüche aus Bergung und auf Beitragsleistung zur großen Haverei (S 5 Nr 1)

a)

Bergung

Die Beschränkung der Haftung für Ansprüche aus Bergung ist seit Inkrafttreten des 2 Gesetzes zur Neuregelung des Bergungsrechts in der See- und Binnenschiffahrt vom 16. 5. 2001 1 am 8.10. 2002 2 in § 743 HGB geregelt, der über § 93 auch in den Binnenschiffahrt Anwendung findet. Nach § 743 HGB ist der Bergelohn allein durch den Wert des geborgenen Schiffes und der sonstigen geborgenen Vermögensgegenstände begrenzt. Eine Sondervergütung iSv § 744 HGB muß maximal in Höhe des doppelten Betrages der Unkosten des Bergers bezahlt werden. Eine Möglichkeit zur weitergehenden Haftungsbeschränkung nach §§4ff ist ausgeschlossen. Nach geltendem Recht muß der Berger somit nicht befürchten, sich mit einer vor der Bergung regelmäßig unbekannten Zahl von Gläubigern in einen Haftungsfonds teilen zu müssen. 1 2

BGBl 1,898. BGBl I, 1944.

47

BinSchG § 5

Ausschluß der Haftungsbeschränkung

Anders als nach früherem Recht, wonach für die Bergungs- und Hilfskosten grundsätzlich lediglich die geborgenen Gegenstände und die Fracht dinglich hafteten (SS 97, 100 Abs 2 aF), sind die Eigentümer der geborgenen Gegenstände heute persönlich zur Zahlung des Bergelohns und der Bergungskosten sowie ggf einer Sondervergütung verpflichtet (vgl § 742 Abs 3 HGB). Zu den Ansprüchen aus Bergung iSv § 5 Nr 1 zählen insbesondere der Bergelohn und die Bergungskosten nach § 742 Abs 2 S 2 HGB, dh die Kosten und Gebühren der Behörden, zu entrichtende Zölle und sonstige Abgaben und die Kosten zum Zwecke der Aufbewahrung, Erhaltung, Abschätzung und Veräußerung der geborgenen Gegenstände, sowie die Sondervergütung nach Maßgabe von § 744 HGB. Schäden, die dem Berger anläßlich der Bergung entstehen, finden gem § 743 Nr 6 HGB bei der Bemessung des Bergelohns Berücksichtigung und unterfallen somit grundsätzlich ebenfalls § 5 Nr 1. Etwas anderes gilt jedoch dann, wenn entweder der zur Entrichtung des Bergelohns Verpflichtete den Schaden schuldhaft verursacht hat oder ihm die schuldhafte Schadensverursachung zugerechnet werden kann (§§ 3 BinSchG, 278, 831 BGB) und der Schaden den Wert der geretteten Gegenstände übersteigt oder die Bergung nicht erfolgreich war (§ 742 Abs 1 S 1 HGB). In diesen Fällen kann der Schiffseigner seine Haftung gem § 4 Abs 1 S 1 beschränken. 3 b)

Große Haverei

3 Die Haftung für Ansprüche auf Beitragsleistung zur großen Haverei (SS 78ff) ist weiterhin dinglich beschränkt auf das beitragspflichtige Schiff und die beitragspflichtigen Ladungsgüter. Eine persönliche Verpflichtung zur Beitragsleistung besteht grundsätzlich nicht (SS 89, 90 Abs 1). Allerdings zählen zu den unter § 5 Nr 1 fallenden Ansprüchen auch die beschränkt-persönlichen Ansprüche gegen den Empfänger beitragspflichtiger Güter (S 90 Abs 2) und gegen den Schiffsführer, der beitragsbelastete Güter vorzeitig ausliefert (S 91 Abs 1). Nicht zu denen in § 5 Nr 1 genannten Ansprüchen gehören die Schadensersatzansprüche gem § 79 Abs 2 und 3, wenn die gemeinsame Gefahr für Schiff und Ladung durch das Verschulden eines der Beteiligten oder eines Mitglieds der Schiffsbesatzung begründet wurde. Die Haftung für solche Ansprüche, deren Höhe sich nach § 79 Abs 2 bemißt, kann gem § 4 Abs 1 beschränkt werden.4

3.

Ansprüche wegen nuklearer Schäden (S 5 Nr 2)

4 Die Regelung des § 5 Nr 3 übernimmt Art 3b und c CLNI ins deutsche Recht, die ihrerseits wiederum auf Art 3b und c LondonHBÜ zurückgehen. Dem Gesetzgeber war dabei bewußt, daß dieser Vorschrift in der gegenwärtigen Binnenschiffahrt keine 3 4

48

Vgl insoweit zu dem im wesentlichen gleichlautenden Art 3a LondonHBÜ Rabe SeeHR Art 3 LondonHBÜ Rn 3. Vgl Rübe SeeHR Art 3 LondonHBÜ Rn 4.

Erster Abschnitt. Schiffseigner

§ 5 BinSchG

praktische Relevanz zukommt. 5 Sie erfaßt einerseits Schäden, die durch ein mit einem Kernreaktor ausgerüsteten Schiff verursacht wurden (Art 3c CLNI). Andererseits fällt hierunter auch die Haftung für Transporte von nuklearem Material (Art 3b CLNI). Beide Sachverhalte sind im internationalen und nationalen Recht bereits speziell geregelt.5 4.

Ansprüche aus Dienstleistungsverträgen (§ 5 Nr 3)

Die Vorschrift beruht auf der Überlegung, daß der Arbeitgeber seine Haftung für 5 gegen ihn gerichtete Ansprüche seiner Arbeitnehmer in den unterschiedlichen nationalen Rechtsordnungen regelmäßig nicht beschränken kann, und dient einem möglichst umfassenden Schutz der Bediensteten des Schiffeigners und der dem Schiffseigner gem § 5c gleichgestellten Personen.7 Geschützt werden nur Bedienstete, dh Arbeitnehmer und sonstige Dienstverpflichtete, deren Aufgaben mit dem Schiffsbetrieb (§ 4 Rn 25), mit Bergungsarbeiten iSv § 740 Abs 1 HGB iVm § 93 oder mit Wrackbeseitigungsmaßnahmen ($ 5j Rn 2) zusammenhängen. Hierbei kann es sich auch um an Land tätige Bedienstete handeln.8 Angestellte im kaufmännischen Bereich fallen dagegen nicht hierunter. 9 Unerheblich ist die Art und Weise des Zustandekommens des Dienstvertrags (zB über § 15). Die Ansprüche der Bediensteten einschließlich Lohnansprüche (§ 24) sowie Freistellungsansprüche nach dem Rechtsinstitut des innerbetrieblichen Schadensausgleichs ($ 7 Rn 11) unterliegen ungeachtet der Anspruchsgrundlage § 5 Nr 3. Erfaßt werden auch die auf den Erben übergegangenen Ansprüche sowie Ansprüche von Angehörigen oder sonst zur Geltendmachung solcher Ansprüche berechtigter Personen (zB §§ 844ff BGB). Anders als nach § 5 aF unterscheidet das heutige Recht danach, ob der Dienstvertrag deutschem oder ausländischem Recht unterliegt. Zur Bestimmung des anwendbaren Rechts ist auf die Kollisionsnormen des Internationalen Privatrechts (Artt 27f, 30 EGBGB) zurückzugreifen. Unterliegt der Dienstvertrag deutschem Recht, ist die praktische Bedeutung des 6 Ausschlusses der Haftungsbeschränkung nach Art 5 Nr 3 dadurch reduziert, daß nach deutschem Recht unmittelbare Ansprüche des Arbeitnehmers gegen den Arbeitgeber wegen Personenschäden aus einem Arbeitsunfall außer bei Vorsatz regelmäßig ausgeschlossen sind ($ 104 SGB VII). Dies gilt auch für Ansprüche auf Schmer-

5 6

7 8 9

Denkschrift CLNI, BT-Drs 13/8220,26. Pariser Übereinkommen ν 29.7. 1960 über die Haftung gegenüber Dritten auf dem Gebiet der Kernenergie idF der Bekanntmachung ν 5. 2. 1976 (BGBl 197S II, 310, 311) und des Prot ν IS. 11. 19S2 (BGBl 1985 II, 690) und Brüssler Reaktorschiff-Übereinkommen ν 25. 5. 1962 (BGBl. 1975 II, 977); $$ 25ff Atomgesetz. Vgl Denkschrift CLNI, BT-Drs 13/8220,27. Hertel· Haftungsrecht, SS. Vgl zu Art 3e LondonHBÜ Rate SeeHR Art 3 LondonHBÜ Rn 9; Werter Haftungsrecht, SS.

49

BinSchG § 5

Ausschluß der Haftungsbeschränkung

zensgeld 10 und Ansprüche mittelbar geschädigter Angehöriger und Hinterbliebener. Der Arbeitnehmer wird auf öffentlich-rechtliche Sozialversicherungsansprüche gegen die zuständige Berufsgenossenschaft verwiesen. Für Lohn- und Freistellungsansprüche des Bediensteten kann § 5 Nr 3 dagegen durchaus relevant werden. 7 Ist Vertragsstatut eine ausländische Rechtsordnung, ist die Möglichkeit zur Haftungsbeschränkung nur ausgeschlossen, wenn diese Möglichkeit auch nach dem ausländischen Recht nicht besteht. Besteht hingegen nach dem ausländischen Recht eine Möglichkeit zur Haftungsbeschränkung und kommt damit auch eine Haftungsbeschränkung nach den §§ 4ff grundsätzlich in Betracht, kommen nach dem Willen des deutschen Gesetzgebers, der insoweit von Art 3d CLNI abweicht, die Haftungshöchstbeträge des Binnenschiffahrtsgesetzes unabhängig davon zur Anwendung, ob das ausländische Recht höhere oder niedrigere Haftungsobergrenzen vorsieht. 11

5.

Ansprüche nach § 22 WHG (§ 5 Nr 4)

a)

Überblick

8 Dem nationalen Gesetzgeber war es gem Art 18 Abs la CLNI freigestellt, für Ansprüche wegen Wasserverschmutzungsschäden die Möglichkeit zur Haftungsbeschränkung auszuschließen. Der deutsche Gesetzgeber hat einen entsprechenden Vorbehalt erklärt und im Interesse eines wirksamen Gewässerschutzes die unbeschränkte Gefährdungshaftung des Wasserhaushaltsgesetzes (§ 5 BinSchG Rn 8ff) für Veränderungen der physikalischen, chemischen oder biologischen Beschaffenheit des Wassers beibehalten. § 5 Nr 4 enthält eine dynamische Verweisung, dh es gilt § 22 WHG in seiner jeweiligen Fassung. § 22 WHG ist auch dann anwendbar, wenn die Anlage, von der die Schädigung ausgeht, im Ausland liegt, der Schaden oder ein Teil davon aber im Inland eingetreten ist (Art 40 Abs 1 S 2 EGBGB). Mit Ausnahme der Haftung nach § 22 WHG spielt die Gefährdungshaftung iü in der Binnenschiffahrt keine Rolle (§ 92a Rn 14ff). b)

§ 22 Abs 1 WHG

9 Gemäß § 22 Abs 1 WHG ist derjenige, der in ein Gewässer Stoffe einbringt oder einleitet (S 3 Nr 4 WHG) oder wer auf ein Gewässer derart einwirkt, daß die physikalische, chemische oder biologische Beschaffenheit des Wassers verändert wird (vgl § 3 Abs 2 Nr 2 WHG), zum Ersatz des daraus einem anderen entstandenen Schadens verpflichtet. Erfaßt werden hiervon nach ganz überwiegender Auffassung nur zielgerichtete, dh auf ein Gewässer gerichtete Handlungen, die nach ihrem äußeren

10 11

50

BVerfG NJW 1973, 502. Begr GÄHB, BT-Drs 13/8446, 22.

Erster Abschnitt. Schiffseigner

§5

BinSchG

Ablauf objektiv geeignet sind, dem Gewässer Schadstoffe zuzuführen. 12 Allerdings setzt das zielgerichtete Handeln weder ein positives Tun 13 noch Vorsatz oder Fahrlässigkeit voraus 14 und braucht auch nicht auf die Veränderung der Wasserbeschaffenheit oder auf das Ergebnis der Verunreinigung, auf ein bestimmtes Gewässer oder auf die Beeinträchtigung bestimmter Rechtsgüter gerichtet zu sein. 15 Unter § 22 Abs 1 WHG fällt demnach zB die Verldappung von Ladungsresten oder das Einleiten von ölhaltigem Waschwasser in den Fluß. Gelangen dagegen Schadstoffe zufällig, also etwa nach einer Havarie oder aufgrund eines Störfalls ins Gewässer, ist § 22 Abs 1 WHG nicht anwendbar. 16 c)

§ 22 Abs 2 WHG

§ 22 Abs 2 WHG bestimmt, daß dann, wenn aus einer Anlage, die bestimmt ist, Stof- 10 fe zu lagern oder zu befördern, derartige Stoffe in ein Gewässer gelangen, ohne in dieses (zielgerichtet) eingebracht oder eingeleitet zu sein, der Inhaber der Anlage zum Ersatz des daraus einem anderen entstehenden Schadens verpflichtet ist. Wie bei § 22 Abs 1 WHG (Rn 9) ist auch iRd § 22 Abs 2 WHG vorausgesetzt, daß durch die ins Wasser gelangten Stoffe dieses in seiner physikalischen, chemischen oder biologischen Beschaffenheit verändert wird. 17 Dies ist nicht der Fall bei einem abgerissenen und ins Wasser gefallenen Anker. Tank- und Gütermotorschiffe sind im Hinblick auf die von ihnen transportierte Ladung allgemein als Anlagen iSv § 22 Abs 2 WHG anzusehen, 18 nicht aber im Hinblick auf das für die eigene Fortbewegung benötigte Gasöl, da die Schiffe nicht zur „Beförderung" des eigenen Treibstoffs „bestimmt" sind. 19 Ebenfalls keine Anlagen iSd Gesetzes sind Fahrgastschiffe im Hinblick auf die mitgeführten Abwässer.20 Eine Anlage iSv § 22 Abs 2 WHG ist ferner eine Tankerlöschbrücke. 21 Inhaber einer Anlage ist, wer die tatsächliche Verfügungsgewalt hierüber besitzt und darauf Einfluß nimmt oder nehmen kann. 22 Dies kann auch der Ausrüster eines Schiffes sein ($ 2 Abs 1). Sind mehrere Anlagen iSv § 22 Abs 2 WHG vorübergehend miteinander verbunden (zB Tankmotorschiff an Tankerlöschbrücke, Schubboot und Schubleichter, Transportbehälter 23 auf Gütermotor-

12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22 23

BGHZ 124, 394, 396, 398; LaubingerZfB 1982, 9, 18. BGHZ 65, 221, 225. Czychowski WHG § 22 Rn 7 aE. BGHZ 57,170,175; Czychowski WHG $ 22 Rn 7. Vgl BGHZ 103, 129, 134. LaubingerZfB 1982,9, ISf. BGHZ 76, 35, 39; BGH VersR 1969,925; OLG Köln VersR 1967, 872,874 zu Tankmotorschiffen. Czychowski WHG $ 22 Rn 43, Rabe SeeHR $485 HGB Rn 84. LaubingerZiB 1982, 9,19. BGHZ 76, 35, 39. BGHZ 80,1, 4. Nach Larenz VersR 1963, 604 stellen dagegen Behältnisse wie Container oder Fässer keine Anlage iSv § 22 WHG dar. Werden solche Behältnisse von einem Schiff transportiert, ist danach einzig das Schiff eine Anlage ids (vgl Rabe SeeHR $ 485 HGB Rn 84).

51

BinSchG § 5

Ausschluß der Haftungsbeschränkung

schiff), kann der Produktaustritt aus einer Anlage dem Inhaber der anderen Anlage grundsätzlich nur bei einheitlicher tatsächlicher Gewalt über die beiden verbundenen Anlagen angelastet werden. 24 Das ist bei einem ladenden bzw löschenden Tankmotorschiff an einer landseitigen Verladeeinrichtung regelmäßig nicht der Fall, da die Gefahrenkreise an bestimmten Übergangspunkten (Schieber im Rohrleitungssystem) voneinander getrennt sind. 25 Kann eine einheitliche tatsächliche Gewalt nicht festgestellt werden, verbleibt es bei der grundsätzlichen Verantwortlichkeit eines jeden Inhabers für seine Anlage.26 Umgekehrt kann auch eine Anlage mehrere Inhaber haben. 27 Je nach Fallgestaltung kann es so zu einer gemeinsamen Verantwortlichkeit und damit Haftung mehrerer Inhaber von einer oder mehreren Anlagen iSv § 22 Abs 2 WHG kommen (vgl § 22 Abs 1 S 2 iVm § 22 Abs 2 S 1 letzter Halbs).28 Für den internen Ausgleich unter mehreren Gesamtschuldnern (§ 426 BGB) kommt es auf den jeweiligen Grad der Mitverursachung an (§ 254 Abs 1 BGB analog).29 11 Im Unterschied zu § 22 Abs 1 WHG erfaßt § 22 Abs 2 WHG speziell die Fälle, in denen Stoffe zufällig in ein Gewässer gelangen, dh das Hineingelangen auf ein nicht gewässerbezogenes oder zweckgerichtetes Handeln oder Unterlassen zurückgeht. Gem § 22 Abs 2 S 2 WHG tritt eine Ersatzpflicht nur dann nicht ein, wenn der Schaden durch höhere Gewalt (§ 92a Rn 9ff) verursacht wurde. d)

Umfang des zu erstattenden Schadens

12 Im Interesse eines effektiven Umwelt- und Gewässerschutzes30 haben die Gerichte den Umfang der ohnehin verschuldensunabhängigen Schadensersatzpflicht nach § 22 WHG sehr stark ausgedehnt. Erfaßt werden neben Personen- und Sachschäden auch allgemeine Vermögensschäden,31 die etwa Wasserversorgungs- und sonstige Unternehmen (zB Brauereien, Land- und Gartenbaubetriebe) durch erhöhte Aufwendungen (zB für Wasseraufbereitung, Stillegung, sonstige Betriebseinschränkungen) oder Mehrkosten für den Aufbau einer Ersatzwassergewinnungsanlage oder für Ersatzbeschaffungen erleiden. 32 Die Ersatzpflicht erfaßt auch den entgangenen Gewinn (S 252 BGB). Bei Fischsterben muß die Schätzung des Schadens (§ 287 ZPO) insbesondere berücksichtigen die Größe und den Besatz des geschädigten Gewässers, den zu erwartenden Ertrag sowie den Preis der Fische. 33 Nach Auffassung des BGH fallen zudem unter § 22 WHG Ansprüche der Wasser- und Schiffahrtsverwaltung auf 24 25 26 27 28 29 30 31 32 33

52

BGHZ 76, 35, 42. AG Duisburg-Ruhrort Urt ν 7. 7.2005 (Az 5 C 12/00 BSch). So für Schubboot und Schubleichter Wassemeyer, ZfB 1973,483,484; Patst ZfB 1973,48S. Vgl zB BGHZ 80, 1,6. Czychewski WHG $ 22 Rn 52. BGHZ 57, 257, 264. Vgl zB BGHZ 80,1, 6. Wussow/Schlocn Unfallhaftpflichtrecht, Tz 1229. Vgl Czychewski WHG $ 22 Rn 29. Czychewski WHG $ 22 Rn 29.

Erster Abschnitt. Schiffseigner

§ 5 BinSchG

Ersatz von Rettungskosten, sofern eine Beeinträchtigung der Wasserbeschaffenheit bereits eingetreten ist oder sicher bevorsteht. 34 Hierzu gehören etwa die Kosten einer Absperrung oder des Aufsaugens nach einem Ölüberläufer sowie die Kosten einer Warnung der Schiffahrt vor den von einer Gewässerverunreinigung ausgehenden Gefahren. 35 Desgleichen für das Ausbaggern und den Abtransport von Erdreich, das durch auf einem Gewässer ausgelaufenes Öl verunreinigt wurde. 35 Mit der Begr, das WHG diene ganz allgemein der Erhaltung der vorhandenen Was- 13 serbestände für deren bestimmungsgemäßen Gebrauch, also auch einer gefahrlosen Schiffahrt, soweit dafür immerhin ein Mindestmaß von Reinerhaltung des Wassers erforderlich ist, hat das OLG Köln im sog Cyclohexanfall dem Eigentümer zweier Schiffe, die in einen infolge einer Havarie auf dem Rhein zu Tal treibenden Cyclohexan-Teppich gerieten und explodierten, einen Schadensersatzanspruch auf der Grundlage des § 22 Abs 2 WHG zugesprochen. 37 § 22 WHG gilt nur für Schäden, die durch Hineingelangen von Stoffen in ein Ge- 14 wässer einschließlich des Grundwassers 38 entstehen. Andere Schäden infolge eines Austritts schädlicher Stoffe in die Umwelt können daher nicht nach § 22 WHG ersetzt verlangt werden, sondern nur zB nach §§ 3 BinSchG, 823 ff BGB. Solche Ansprüche unterliegen dann grundsätzlich der Möglichkeit zur summenmäßigen Haftungsbeschränkung. Bei Umweltschäden im Zusammenhang mit dem Transport gefährlicher Güter iSd ADNR sind insoweit die erhöhten Haftungshöchstbeträge nach § 5h zu beachten.

6.

Ansprüche auf Ersatz der Rechtsverfolgungskosten (§ 5 Nr 5)

Ebenso wie im Seerecht (§ 486 Abs 4 Nr 2 HGB) ist auch im Binnenschiffahrtsrecht 15 die Haftung für Ansprüche auf Ersatz von Rechtsverfolgungskosten nicht beschränkbar. Kosten der Rechtsverfolgung sind neben den Kosten einer Schadensersatzklage auch die eines binnenschiffahrtsrechtlichen Verteilungsverfahrens (§ 5d Abs 2), deren Höhe regelmäßig erst nach Abschluß des Verfahrens bestimmt werden kann. 39 Nicht zu den Kosten der Rechtsverfolgung zählen dagegen die Kosten der Schadensermittlung (zB Expertenkosten). Diese sind Teil des materiellen Schadensersatzanspruchs.

34 35 36 37

38 39

BGHZ 80, 1, 6 f; ZfB 1981, 237,238; NJW-KR 1994, 1368. Krit hierzu zB Laubinger ZfB 1982, 9, 21. BGH VersR 1969, 925, 926; 1967, 375, 378. BGHZfW 1967,102mkritAnmRei(terBB 1988,1848; KdWerZfB 1973,143,144. OLG Köln, VersR 1967, 872, 874; offen gelassen in der Revisionsentscheidung BGH VersR 1969, 439, 441. Mit gutem Grund kritisch zur Entsch des OLG Köln unter Hinweis auf den ursprünglichen Gesetzeszweck („Schutz des Wassers vor Verschmutzung") Koffer ZfB 1973,143,145. BGHZ 47,1,10; 80,1, S; 103,129,132. Begr GÄHB, BT-Drs 13/8446, 23.

53

BinSchG § 5

Ausschluß der Haftungsbeschränkung

16 Fraglich ist, ob auch die Kosten eines Verklarungsverfahrens (§§ 11,14) zu den Kosten der Rechts Verfolgung iSv § 5 Nr 5 gehören. Dies ist zu bejahen, da Zweck des der Beweissicherung dienenden Verklarungsverfahrens gerade die Rechtsverfolgung ist. 40 Zwar sollte nach Auffassung des BGH zur früheren Exekutionshaftung die Haftung des Schiffseigners für die Kosten des VerklarungsVerfahrens jedenfalls dann dinglich beschränkt sein, wenn es nicht zum Schadensersatzprozeß kommt. 41 Begründet wurde dies damit, daß die Verklarungskosten in diesem Fall lediglich Bestandteil des materiellen Schadensersatzanspruchs seien und nicht Teil eines prozessualen Kostenerstattungsanspruchs. Unabhängig davon, daß in dem vom BGH beschriebenen Fall ein Anspruch auf Erstattung der Verklarungskosten bereits dem Grunde nach überhaupt nicht besteht (§ 14 Rn 16ff) und es daher einer Beantwortung der Frage nach der Haftungsbeschränkung dann nicht bedarf, ist indes schon eine Begrenzung des Anwendungsbereichs des § 5 Nr 5 auf rein prozessuale Kosten mit dessen Wortlaut, der allein von Kosten der Rechtsverfolgung spricht, nicht zu vereinbaren. Iü ist die Einordnung des Anspruchs auf Erstattung der Verklarungskosten als „materieller" Schadensersatz nicht zwingend, was schon daraus folgt, daß die Kosten des Verklarungsverfahrens nicht gesondert eingeklagt, sondern regelmäßig als Teil der Kosten des Rechtsstreits geltend gemacht werden (§ 14 Rn 14). Sofern der Gesetzgeber den Sinn und Zweck des § 5 Nr 5 vor allem darin erblickt, faktische Probleme zu vermeiden, die dadurch entstehen, daß die außergerichtlichen Kosten des schiffahrtsrechtlichen Verteilungsverfahrens in dessen Verlauf und bis zu seinem Abschluß neu entstehen und damit im Zeitpunkt der Errichtung des Haftungsfonds noch nicht feststehen (Rn 13), gilt diese Begr für die reinen Prozeßkosten, die unstreitig § 5 Nr 5 unterfallen, ebensowenig wie sie für die Verklarungskosten gelten muß. Umgekehrt kann sich die Dauer eines Verklarungsverfahrens in komplexen Fällen über mehrere Jahre erstrecken mit der Folge, daß auch die Verklarungskosten bei Errichtung des Haftungsfonds noch nicht zwingend feststehen müssen. Sofern also die Kosten des Verklarungsverfahrens überhaupt zu erstatten sind (vgl § 14 Rn 16ff), unterliegen sie als Teil der Rechtsverfolgungskosten iSv § 5 Nr 5 nicht der Möglichkeit der Haftungsbeschränkung.42

7.

Zinsansprüche

a)

Überblick

17 Die Frage nach der Möglichkeit, die Haftung auch für die Zinsen zu beschränken, die auf die der Haftungsbeschränkung unterliegenden Hauptforderungen laufen, ist im Gesetz nicht ausdrücklich beantwortet. Nach Art 11 Abs 1 S 2 CLNI ist der Fonds zu 40 41 42

54

Vgl$URn4ff. BGHZ 73, 105, 106. Ebenso zum früheren Recht Wassermeyer Kollisionsprozeß, 378; aA zu $ 48S Abs 4 Nr 2 HGB Rabe SeeHR $ 486 HGB Rn 9.

Erster Abschnitt. Schiffseigner

§ 5 BinSchG

errichten in Höhe der Haftungssumme für die vom Verteilungsverfahren erfaßten Ansprüche zuzüglich Zinsen vom Zeitpunkt des zur Haftung führenden Ereignisses bis zum Zeitpunkt der Errichtung des Fonds. Für das deutsche Recht bestimmt der auf Art 11 Abs 1 S 2 CLNI zurückgehende § 39 SVertO, daß die vom Gericht festzusetzende Haftungshöchstsumme vom Zeitpunkt des zur Haftung führenden Ereignisses bis zum Zeitpunkt der Errichtung des Fonds mit 4% pa zu verzinsen ist. Gem §§ 14 Abs 2, 34 Abs 2 S 1 SVertO können Zinsen im Verteilungsverfahren nur insoweit geltend gemacht werden, als sie bis zur Eröffnung des Verfahrens aufgelaufen sind. Im weiteren sind folgende Konstellationen zu unterscheiden: b)

Keine Haftungsbeschränkung

Macht der Schuldner von der Möglichkeit zur Haftungsbeschränkung keinen 18 Gebrauch, dh errichtet er weder einen Haftungsfonds gem § 5d Abs 2 noch erhebt er die Einrede gem § 5d Abs 3, spricht das Gericht, vor dem der Schuldner auf Zahlung verklagt worden ist, die geltend gemachten Zinsen in der gesetzlich vorgesehenen Höhe (§ 288 BGB) zu. Art 11 Abs 1 S 2 CLNI und den Vorschriften der SVertO kommen in diesem Fall keine Bedeutung zu. c)

Errichtung eines Haftungsfonds

Beschränkt der Schuldner seine Haftung durch Errichtung eines Fonds, wird seine 19 Haftung für die Zinsen, die auf die der Beschränkung unterliegenden Ansprüche laufen, ebenfalls beschränkt. In zeitlicher Hinsicht erfolgt die Beschränkung auf den Zeitraum zwischen Schadensereignis und Errichtung des Fonds, dh der Eröffnung des Verteilungsverfahrens (vgl §§ 8 Abs 1, 41, 14 Abs 2 SVertO). Dies folgt aus § 30 SVertO, wonach die festzusetzende Haftungssumme für eben diesen Zeitraum zu verzinsen ist (§ 5d Rn 20). Eine solche, den Gläubigern zugute kommende Verzinsung der Haftungssumme ist aber nur dann gerechtfertigt, wenn es den Gläubigern auf der anderen Seite versagt ist, den Schuldner wegen der Zinsen zusätzlich persönlich, dh außerhalb des Verteilungsverfahrens, in Anspruch zu nehmen (§§ 8 Abs 2 S 1, 41 SVertO).43 Der Höhe nach beschränkt § 39 SVertO die Haftung für den Zinsanspruch in Anlehnung an den gesetzlichen Zinssatz (§ 246 BGB) auf 4% pa der durch den Haftungshöchstbetrag beschränkten Hauptforderung. Für die Zeit nach Errichtung des Fonds wird dieser nur noch durch die Hinterlegungsstelle nach Maßgabe von § 8 HinterlO iVm §§ 6 Abs 1, 34 Abs 2 S 1 SVertO mit 0,1% pro Monat verzinst.

43

So auch die einhellige Meinung zum Seerecht: Herber Haftungsrecht, 69; Kittmeister Haftungsbeschränkungsverfahren, 41; Rabe SeeHR Art 3 LondonHBÜ Rn 12.

55

BinSchG § 5 d)

Ausschluß der Haftungsbeschränkung

Erhebung einer Haftungsbeschränkungseinrede

20 Fraglich ist hingegen, welche Auswirkungen die Erhebung der Haftungsbeschränkungseinrede in einem Erkenntnisverfahren gem § 5d Abs 3 auf die Zinsansprüche hat. Zu klären ist dabei zum einen, ob die Zinsen nur bis zur Erhebung der Einrede laufen oder, wie üblich, bis zu einer späteren Bezahlung auf die summenmäßig beschränkte Forderung bzw, im Fall eines Vorbehaltsurteils gem § 305a ZPO, bis zur späteren Errichtung eines Haftungsfonds. Zum anderen ist zu klären, auf welchen Betrag die Zinsen laufen, die unbeschränkte oder die summenmäßig beschränkte Forderung. Das Gesetz beantwortet diese Fragen nicht. Vielmehr wird hier die Verzinsung ausdrücklich nur für den Fall der Errichtung eines Haftungsfonds geregelt (Art 11 Abs 1 S 2 CLNI bzw § 39 SVertO). Art 10 CLNI, der die Haftungsbeschränkung durch Erhebung einer Einrede regelt, verweist wohl auf Art 12, nicht aber auf Art 11 CLNI. Bei der Beantwortung dieser Fragen ist daher auszugehen von dem Grund für die Pflicht zur Zahlung von Zinsen als einer Vergütung für den Gebrauch eines auf Zeit überlassenen - oder vorenthaltenen - Kapitals.44 Zu fragen ist also, wem, dem Schuldner oder dem Gläubiger, die Zinsen in welcher Höhe für welchen Zeitraum gebühren. 21 Den §§ 39, 8 Abs 1, 7 Abs 1 SVertO ist zu entnehmen, daß der Schuldner bis zu dem Zeitpunkt, in dem er die Haftungssumme einzahlt, dh also für den Zeitraum, in dem ihm noch der Zinsvorteil aus der Haftungssumme zukommt, Zinsen aus der Haftungssumme an die Gläubiger zu zahlen hat. Der Gesetzgeber will also insoweit den Zinsvorteil des Schuldners zugunsten der Gläubiger abschöpfen. Für die Frage, bis zu welchem Zeitpunkt die Zinsen zu berechnen sind, wenn der Schuldner lediglich die Einrede der Haftungsbeschränkung erhebt, bedeutet dies, daß allein die Erhebung der Einrede den Zinslauf nicht unterbrechen kann, da der Schuldner auch noch danach die Zinsvorteile aus der Haftungssumme zieht. Die Zinsen laufen daher in diesem Fall bis zu dem Zeitpunkt weiter, in dem der Schuldner den Anspruch des Gläubigers erfüllt. Erhebt der Schuldner die Einrede der Haftungsbeschränkung und ist diese berechtigt, wird das Prozeßgericht also, sofern es nicht ohnehin nach § 305a ZPO verfährt, bei der Durchführung des fiktiven Verteilungsverfahrens (§ 5d Rn 64) die Haftungssumme und damit die Höhe der beschränkten Hauptforderung unter Außerachtlassung von § 39 SVertO bestimmen und dafür den Schuldner auch zur Bezahlung von Zinsen aus der Hauptforderung verurteilen. Im Falle eines Vorbehaltsurteils gem § 305a ZPO sind die Zinsen ggf bis zur Errichtung des Haftungsfonds zu berechnen. 22 Unabhängig hiervon ist die Frage zu beantworten, ob die Zinsen für den oben genannten Zeitraum auf den vollen oder lediglich den infolge der Erhebung der Einrede summenmäßig beschränkten Anspruch laufen. Da der Anspruch des Gläubigers

44

56

Vgl Rabe SeeHR Art 3 LondonHBÜ Rn 14.

Erster Abschnitt. Schiffseigner

$ 5 a BinSchG

mit Erhebung der (berechtigten) Einrede des Schuldners materiell-rechtlich ex tunc auf einen bestimmten Höchstbetrag beschränkt wird, können Zinsen auch nur von diesem beschränkten Anspruch errechnet werden. Für den Beginn des Zeitlaufs und für die Höhe der festzusetzenden Zinsen kann auf die Regelung des § 39 SVertO zurückgegriffen werden (Rn 19). 8.

23

Beweislast

Da es sich bei den in § 5 aufgezählten Ansprüchen um Ausnahmen handelt von der 24 durch § 4 generell, dh grds für alle Arten von Ansprüchen gewährten Möglichkeit zur Haftungsbeschränkung (§ 4 Rn 5f), muß der Geschädigte, der sich auf eine unbeschränkte Haftung des Schiffseigners etc beruft, die Voraussetzungen des § 5 darlegen und ggf beweisen. 45

$ 5a [Beschränkung der Haftung bei Gegenansprüchen] Hat der Schiffseigner gegen den Gläubiger eines in § 4 aufgeführten Anspruchs einen Gegenanspruch, der aus demselben Ereignis entstanden ist, so kann er seine Haftung nur in bezug auf den Betrag des gegen ihn gerichteten Anspruchs beschränken, der nach Abzug des Gegenanspruchs verbleibt. 1.

Allgemeines

§ 5a übernimmt Art 5 CLNI, der seinerseits wortgleich ist mit Art 5 LondonHBÜ. Die 1 Vorschrift schränkt die Möglichkeit zur Haftungsbeschränkung dadurch ein, daß hiernach nur der Differenzbetrag zweier einander gegenüberstehender Forderungen aus demselben Schadensereignis der Haftungsbeschränkung unterliegt. Hierdurch kann es dazu kommen, daß der Gläubiger einer Forderung, die der Haftungsbeschränkung unterliegt, unter Berücksichtigung des Erlöschens der Gegenforderung mehr erhält als er erhalten würde, wenn die Gegenforderung nicht bestünde. Nutznießer dieser Vorschrift sind zudem die übrigen Gläubiger des Schiffseigners, denen wegen der durch § 5a bewirkten Verringerung einer aus dem Haftungsfonds zu befriedigenden Forderung ein größerer Teil des Haftungsfonds zur Verfügung steht. 1

45 1

So auch Herber Haftungsrecht, 6 4 zu Art 3 L o n d o n H B Ü . Vgl Rabe SeeHR Art 5 L o n d o n H B Ü R n 1.

57

BinSchG S 5a 2.

Beschränkung der Haftung bei Gegenansprüchen

Gegenseitige Forderungen

2 § 5a kommt nur zur Anwendung, wenn dem Schiffseigner als Schuldner einer der Haftungsbeschränkung nach §§4ff unterliegenden (Haupt-)Forderung gegen den Gläubiger der Hauptforderung seinerseits eine (Gegen-)Forderung zusteht (§ 387 BGB) und der Betrag der Hauptforderung den Betrag der Gegenforderung übersteigt. Darauf, ob auch die Haftung für die Gegenforderung des Schiffseigners nach §§ 4ff beschränkt werden kann, kommt es hingegen nicht an. 3.

Aus demselben Ereignis

3 Dasselbe Ereignis iSv § 5a ist weit auszulegen und setzt ein, bei natürlicher Betrachtung, innerlich zusammenhängendes, einheitliches Lebensverhältnis voraus. Kommt es nacheinander zu mehreren Unfällen, ist der geforderte innere Zusammenhang jedenfalls dann zu bejahen, wenn die Unfälle auf ein und dieselbe Ursache zurückzuführen sind. Bsp: Sukzessive Kollisionen eines Schiffes, das einen Ruderausfall hat, mit mehreren anderen Gegenständen; Kollision zweier Schiffe führt unvermeidlich zur Kollision eines der Havaristen mit einer Brücke oder einem anderen Schiff; Schiffsexplosion mit Verlust der Ladung infolge des zusammenwirkenden Mitverschuldens von Schiffs- und Ladungsseite.2 Nicht auf demselben Ereignis iSv § 5a beruhen dagegen Ansprüche aus unterschiedlichen, in keinem kausalen Verhältnis zueinander stehenden Havarien, an denen jeweils Schiffe derselben Reedereien beteiligt waren. 4.

Rechtsfolgen

4 Sind die Voraussetzungen des § 5a erfüllt, kann der Schiffseigner seine Haftung nur für den Teil der gegen ihn geltend gemachten Hauptforderung beschränken, der den Betrag seiner eigenen Gegenforderung übersteigt. Dies führt dazu, daß jedenfalls dann, wenn der Differenzbetrag nicht den hierfür aus dem Haftungsfonds zur Verfügung stehenden Betrag übersteigt, die Hauptforderung trotz Haftungsbeschränkung im Ergebnis selbst dann voll befriedigt wird, wenn der Haftungsfonds für die Befriedigung der vollen Hauptforderung nicht ausgereicht hätte. Beträgt also zB der Haftungsfonds 1 Mio € und lautet die einzige gegen den Schiffseigner gerichtete, der Haftungsbeschränkung nach §§4ff unterliegende Forderung auf 1,5 Mio € , würde der Gläubiger dieser Forderung normalerweise mit 0,5 Mio € ausfallen. Steht nun aber dem Schiffseigner gegen den Gläubiger seinerseits eine Gegenforderung in Höhe von 0,6 M i o € zu, so kann der Gläubiger in dieser Höhe aufrechnen. Für die verbleibenden 0,9 Mio € wird er aus dem Haftungsfonds voll bedient, so daß er unter

2

58

Vgl hierzu auch Fräse Reederhaftung, 139f.

Erster Abschnitt. Schiffseigner

S 5b BinSchG

Berücksichtigung des Erlöschens der gegen ihn gerichteten Gegenforderung am Ende im Umfang der gesamten 1,5 Mio € befriedigt wurde. Soweit danach die Hauptforderung nicht den Vorschriften über die Haftungsbe- 5 schränkung unterfällt, kommt es nicht automatisch zu einer Verrechnung mit der Gegenforderung. Nach den allgemeinen Vorschriften bedarf es hierfür einer entsprechenden Aufrechnungserklärung (§388 BGB). Die Aufrechnungserklärung des Gläubigers der Hauptforderung verstößt dabei auch nicht gegen das im Verteilungsverfahren geltende Aufrechnungsverbot (§§ 8 Abs 7 S 1 34 Abs 2 S 1 SVertO), da es sich insoweit wegen § 5a nicht um einen „im Verteilungsverfahren" geltend zu machenden Anspruch handelt. 3

$ 5b [Wegfall der Haftungsbeschränkung] (1)Der Schiffseigner kann seine Haftung nach den Vorschriften dieses Abschnitts nicht beschränken, wenn der Schaden auf eine Handlung oder Unterlassung zurückzuführen ist, die von ihm selbst in der Absicht, einen solchen Schaden herbeizuführen, oder leichtfertig und in dem Bewußtsein begangen wurde, daß ein solcher Schaden mit Wahrscheinlichkeit eintreten werde. (2) Ist der Schiffseigner eine juristische Person oder eine Personenhandelsgesellschaft, so kann er seine Haftung nicht beschränken, wenn der Schaden auf eine die Beschränkung der Haftung nach Absatz 1 ausschließende Handlung oder Unterlassung eines Mitglieds des zur Vertretung berechtigten Organs oder eines zur Vertretung berechtigten Gesellschafters zurückzuführen ist.

Übersicht 1. Allgemeines 2. Absichtliches Handeln

Rn 1-2

3

3. Leichtfertiges Handeln a) Überblick b) Leichtfertigkeit c) Bewußtsein vom möglichen Schadenseintritt 4. Eigenes qualifiziertes Verschulden des Schiffseigners 5. Haftung juristischer Personen und Personenhandelsgesellschaften

4 5 6-7 8-9 10

6. Rechtsfolgen

11

7. Beweislast

12

3

Begr GÄHB, BT-Drs 13/8446, 23.

59

BinSchG S 5b 1.

Wegfall der Haftungsbeschränkung

Allgemeines

1 § 5b versagt dem Schiffseigner (§ 1 Rn 47ff) in Übereinstimmung mit Art 4 CLNI die Möglichkeit zur Haftungsbeschränkung, wenn der geltend gemachte Schaden auf ein besonders gravierendes Verschulden zurückzuführen ist. Er übernimmt und erweitert damit den Grundgedanken des § 4 Abs 2 aF, wonach der Schiffseigner bei eigenem Verschulden grundsätzlich unbeschränkt persönlich haftete und nur im Falle des nautischen Verschuldens bis zur Grenze des „böslichen" Handelns privilegiert wurde. § 5b gilt ohne Unterschied auch für das kommerzielle Verschulden (vgl hierzu § 3 Rn 37). 2 Der Verschuldensgrad absichtlich oder leichtfertig und in dem Bewußtsein des wahrscheinlichen Schadenseintritts hat sich über die internationalen transportrechtlichen Übereinkommen (zB WA, CMR, LondonHBÜ) seinen Weg ins deutsche Recht gebahnt1 und findet sich inzwischen auch im allgemeinen deutschen Frachtrecht (S 435 HGB) wieder. Bestätigt wurde er zuletzt durch Art 21 CMNI. 2.

Absichtliches Handeln

3 Absichtlich handelt, wer den Eintritt des Schadens als Folge seines Handelns erkennt und ihn als dessen Zweck will. Das Bewußtsein des Handelnden muß sich dabei auf die gesamten Schadensfolgen beziehen. Die nur bedingt vorsätzliche Schädigung fällt nicht hierunter. 2 3.

Leichtfertig und in dem Bewußtsein, daß ein solcher Schaden mit Wahrscheinlichkeit eintreten werde

a)

Überblick

4 Leichtfertigkeit und das Bewußtsein, daß ein solcher Schaden mit Wahrscheinlichkeit eintreten werde, sind nicht schon bei jedem grob fahrlässigen Handeln gegeben, da hierfür das Bewußtsein des möglichen Schadenseintritts nicht zwingend erforderlich ist. Der Gesetzgeber spricht ausdrücklich von „bewußter grober Fahrlässigkeit", wenn er die dem Vorsatz gleichgestellte Verschuldensform meint. 3 Andererseits ist aber auch kein bedingter Vorsatz erforderlich, der nur dann vorliegt, wenn der Handelnde den Erfolg zwar nicht wünscht, aber mit dessen Eintreten rechnet und dies zumindest billigend in Kauf nimmt. Das für diese Form des qualifizierten Verschuldens erforderliche Bewußtsein setzt eine solche Billigung des Schadenseintritts aber gerade nicht voraus. Es kann insbesondere auch dann gegeben sein, wenn

1 2 3

60

Vgl Rabe SeeHR Art 4 LondonHBÜ Rn 1. Reibe SeeHR § 607a HGB Rn 20. Begr GÄHB, BT-Drs 13/8446, 24.

Erster Abschnitt. Schiffseigner

S 5b BinSchG

der Schädiger (unberechtigterweise) darauf vertraute, daß der Schaden nicht eintreten werde. Umgekehrt handelte aber jeder qualifiziert schuldhaft iSv § 5b Abs 1, dem bedingter Vorsatz nachgewiesen werden kann. b)

Leichtfertigkeit

Vgl hierzu auch § 435 HGB Rn 4. Das Tatbestandsmerkmal „leichtfertig" (englisch: 5 „recklessly" = rücksichtslos, waghalsig; französisch: „temerairement" = verwegen, waghalsig; niederländisch: „roekeloos" = rücksichtslos, tollkühn, verwegen) meint einen besonders schweren objektiven Grad des Pflichtverstoßes, der über den der groben Fahrlässigkeit des allgemeinen deutschen Zivilrechts noch hinausgeht. 4 Leichtfertig handelt danach nur derjenige, der sich dadurch über jedwede Bedenken hinwegsetzt, daß er rücksichtslos, dh „ohne Rücksicht auf Verluste" 5 , gegen vertragliche oder gesetzliche Schutzpflichten verstößt bzw „in besonders krasser Weise" 6 die Sicherungsinteressen Dritter mißachtet. Maßgeblich ist damit auf den Grad des konkreten Risikos eines Schadenseintritts abzustellen. Dieser kann zB vom Wert oder der Natur von beförderten Gütern, vom Grad und der Unmittelbarkeit der drohenden Gefahr, von der Bedeutung mißachteter Schutzvorschriften oder von der Güte der getroffenen Schutzvorkehrungen abhängen. Stets ist hierbei auf die Umstände des Einzelfalls abzustellen. c)

Bewußtsein vom möglichen Schadenseintritt

Das Bewußtsein vom möglichen Schadenseintritt setzt eine dem Schadenseintritt 6 vorausgegangene, individuell vorhandene Erkenntnis des Handelnden voraus. Eine Billigung des Schadenseintritts muß hiermit nicht verbunden sein (Rn 4). Tatsächlich wird es in der Praxis nur selten möglich sein, dieses Bewußtsein nachzuweisen. Es kann deshalb im Einzelfall gerechtfertigt sein, unter Anwendung von Erfahrungssätzen von der besonderen Schwere des Pflichtverstoßes auf das Vorhandensein der inneren Erkenntnis vom möglichen Schadenseintritt zu schließen. 7 Umgekehrt muß nicht jeder, der leichtfertig handelt (Rn5), automatisch auch ein Bewußtsein vom Schadenseintritt haben. 8 Dies ist etwa der Fall, wenn sich dem Handelnden die Erkenntnis, es werde mit Wahrscheinlichkeit ein Schaden eintreten, aus seinem leichtfertigen Handeln nachgerade aufdrängt. 9 In gleicher Weise vorwerfbar handelt derjenige, der sich bewußt jeder Einsicht über die Wahrscheinlichkeit eines Scha-

4 5 6 7 8 9

So auch Rate SeeHR $ 607a HGB Rn 21; aA Koller TR Art 29 CMR Rn 3b. Vgl Rabe SeeHR § 607a HGB Rn 21 mwN. So schon BGH NJW 19S2, 121S; TranspR 2004, 309, 310f; OLG Frankfurt/M TranspR 1993, 61, 63 zu Art 25 WA. BGHZ 74, 162, 168 zu Art 25 WA; TranspR 2004, 175, 176; 309, 310f zu $ 435 HGB; einschränkend OLG Zweibrücken TranspR 2004,32,33. BGH TranspR 2004,175,176f. Vgl OLG Hamburg TranspR 1996,33,34.

61

BinSchG S 5b

Wegfall der Haftungsbeschränkung

denseintritts aufgrund eigenen leichtfertigen Handelns verschließt. 10 Ein qualifiziertes Verschulden iSv § 5b kommt zB dann in Betracht, wenn zur Beförderung von Gütern ein erkennbar fahr- oder ladeuntaugliches Schiff eingesetzt oder bei schlechtem Wetter ein unverantwortbares Risiko eingegangen wird.11 Gleiches gilt, wenn ein Schiff ohne weiteres erkennbar derart falsch beladen ist, daß der Eintritt bzw Nichteintritt von Güterschäden gleichsam vom Zufall abhängt. 7 Wie nach Art 4 LondonHBÜ, aber anders als etwa nach § 4 3 5 und §607a Abs 4 HGB muß sich nach dem auf Art 4 CLNI zurückgehenden § 5b die Absicht und das Bewußtsein des Handelnden auf den Eintritt eines solchen Schadens gerichtet haben. Damit muß sich die Absicht bzw das Bewußtsein zwar nicht auf den konkret eingetretenen Schaden beziehen, 12 doch muß der Schaden immerhin dergestalt sein, daß mit seinem Eintritt im allgemeinen und nicht nur unter ganz unwahrscheinlichen und nach der allgemeinen Lebenserfahrung ganz außer Betracht zu lassenden Umständen gerechnet werden konnte. Eine besondere Bedeutung wird diesem Tatbestandsmerkmal indes nur in seltenen Fällen zukommen, da auf den Inhalt des Bewußtseins des Handelnden ohnehin regelmäßig nur geschlossen werden kann (Rn 6) und nicht anzunehmen ist, daß sich ein völlig außerhalb der Lebenserfahrung liegender Schadenseintritt dem Handelnden „nachgerade aufdrängt". 4.

Eigenes qualifiziertes Verschulden des Schiffseigners (§ 5b Abs 1)

8 Die Möglichkeit zur Haftungsbeschränkung ist gem § 5b Abs 1 nur ausgeschlossen, wenn der Verschuldensvorwurf unmittelbar den Schiffseigner („von ihm selbst") bzw Personen trifft, die dem Schiffseigner in § 5c Abs 1 gleichgestellt sind. Dies ist zB der Fall, wenn der Schiffseigner etc die schadenstiftende Maßnahme selbst anordnet oder mit anordnet und dabei qualifiziert schuldhaft handelt. Bsp: Die vom Schiffseigner angeordnete bzw geduldeten Modalitäten der Beladung eines Containerschiffs (Zeitdruck etc) erlauben es nicht, daß der Ist-Beladeplan mit dem insbesondere vom Gewicht der einzelnen Container abhängigen Soll-Beladeplan in Übereinstimmung gebracht wird. Ein eigenes qualifiziertes Verschulden des Schiffseigners in der Form des Organisationsverschuldens kann auch bei einer unzureichenden Auswahl und Überwachung der Schiffsbesatzung durch den Eigner zu bejahen sein. 13 Entgegen dem allgemeinen Grundsatz im Landtransportrecht (vgl etwa §§ 435, 428 HGB, 278 BGB, Art 29 II CMR, Art 44 CIM-COTIF) aber in Übereinstimmung mit dem internationalen Seerecht (zB Art 4 LondonHBÜ, 14 Art 13 AthenÜ,

10 11 12 13 14

62

Rabe SeeHR § 607a HGB Rn 23. Vgl OLG Hamburg VersR 19S8, 552, 553; 1975, 8 0 1 , 8 0 3 . So BGH TranspR 1985, 383, 340 zu $ 607a HGB. So Reibe SeeHR § 607 HGB Rn 29. Hierzu Rabe SeeHR Art 4 LondonHBÜ Rn 2.

Erster Abschnitt. Schiffseigner

S 5b BinSchG

Art 4bls HVR) muß sich der Schiffseigner iRd § 5b entsprechend Art 4 CLNI weder absichtliches noch leichtfertiges Verhalten seiner Schiffsbesatzung oder sonstiger Erfüllungs- oder Verrichtungsgehilfen zurechnen lassen. Etwas anderes gilt nur für ein grobes Verschulden des gesetzlichen Vertreters des Schiffseigners.15 Ist der Schaden auf ein leichtfertiges Organisationsverschulden des Schiffseigners zurückzuführen, ist sorgfältig zu prüfen, ob der Schiffseigner tatsächlich in dem Bewußtsein gehandelt hat, daß ein solcher Schaden mit Wahrscheinlichkeit eintreten werde.15 Das Abstellen des Gesetzes auf das eigene Verschulden des Schiffseigners etc führt dazu, daß es in der Reedereischiffahrt anders als in der Partikulierschiffahrt nur in Ausnahmefällen zu einer unbeschränkten Haftung nach § 5b kommen dürfte. Zwar steht gem § 5c Abs 1 Nr 3 auch den Besatzungsmitgliedern und anderen 9 Hilfspersonen die Möglichkeit zur Haftungsbeschränkung offen, doch gilt dies dann nicht, wenn sie selbst qualifiziert schuldhaft gehandelt haben iSv § 5b Abs 1. Allerdings wird dem Geschädigten ein unbeschränkter Ersatzanspruch gegen das Besatzungsmitglied häufig mangels Vermögen und Versicherung nur wenig nützen. Es kommt hinzu, daß in solchen Fällen regelmäßig auch eine mittelbare Inanspruchnahme des Schiffseigners als Arbeitgeber des Besatzungsmitglieds über die Rechtsfigur des arbeitsrechtlichen Freistellungsanspruchs (vgl hierzu § 7 R n l l f , 19f) ausgeschlossen ist, da ein solcher Freistellungsanspruch bei Vorliegen eines qualifizierten Verschuldens iSv § 5b Abs 1 grundsätzlich ausscheidet.17 5.

Haftung juristischer Personen und Personenhandelsgesellschaften (S 5b Abs 2)

Bei dem § 487d Abs 1 S 1 HGB nachgebildeten § 5b Abs 2 handelt es sich um eine in 10 der CLNI nicht vorgegebene Klarstellung betreffend die Haftung von juristischen Personen und Personenhandelsgesellschaften. In diesen Fällen ist die Möglichkeit zur Haftungsbeschränkung ausgeschlossen, wenn das grobe Verschulden einem Mitglied des zur Vertretung berechtigten Organs oder einem zur Vertretung berechtigten Gesellschafter (§31 BGB) zur Last gelegt werden kann. Schon um mißbräuchliche Vertretungsverhältnisse auszuschließen, ist Abs 2 auf einen Generalbevollmächtigten entsprechend anzuwenden.18

15 16 17 18

Begr GÄHB, BT-Drs 13/844S, 24. Vgl OLG Hamburg TranspR 1988,433 zu Art 4 LondonHBÜ. Vgl Erman/Edenfeld BGB $ S i l Rn 339f. Rabe SeeHR § 487d HGB Rn 2.

63

BinSchG S 5b 6.

Wegfall der Haftungsbeschränkung

Rechtsfolgen

11 Liegen die Voraussetzungen des § 5 b vor, kommt eine Haftungsbeschränkung nicht in Betracht und der Schädiger haftet in vollem Umfang mit seinem gesamten Vermögen. Anders als in der Seeschiffahrt wird sich jedoch bei Schadensfällen in der noch immer von Partikulierschiffern dominierten Binnenschiffahrtspraxis der Anspruch dennoch häufig auf die Summe beschränken, die der Schädiger bei seiner Haftpflichtversicherung eingedeckt hat, sofern diese nicht ohnehin leistungsfrei ist gem § 130 W G (§ 137 E-VVG) iVm § 31.2 AVB Flußkasko 2000/2004 bzw § 152 VVG (§ 103 E-VVG). Wegen der Nähe der Leichtfertigkeit zum bedingten Vorsatz (Rn4) und da der - zudem abdingbare (vgl § 112 E-WG) - § 152 VVG (§ 103 E-VVG) auch den bedingten Vorsatz erfaßt19, wird letzteres nicht selten der Fall sein. § 5b BinSchG kann sich daher für den Geschädigten mitunter als ein zweischneidiges Schwert entpuppen.

7.

Beweislast

12 Nach den allgemeinen Beweisgrundsätzen, wonach jede Partei die Darlegungs- und Beweislast dafür trägt, daß die Tatbestandsmerkmale der ihr vorteilhaften Rechtsnorm erfüllt sind,20 muß der Geschädigte die tatsächlichen Umstände, aus denen sich das qualifizierte Verschulden ergibt, darlegen und beweisen, will er den Schädiger unbeschränkt in Anspruch nehmen. 21 Zu den vom Geschädigten zu beweisenden Tatbestandsmerkmalen gehört auch, daß das qualifizierte Verschulden gerade dem Schiffseigner zur Last fällt (Rn 8). Wie zB bei § 435 HGB (§ 435 HGB Rn 9), § 660 III HGB, 22 Art 29 CMR23 oder Art 25 WA24 ist allerdings auch iRd § 5b von einer Aufklärungspflicht des Schiffseigners etc betreffend den Schadenshergang auszugehen, da andernfalls dem Geschädigten der Nachweis des qualifiziert schuldhaften Verhaltens praktisch nie möglich sein wird. Allerdings kann diese Pflicht nur solche Elemente des Schadenshergangs betreffen, die ausschließlich dem Schiffseigner etc bekannt sind. Im Kollisionsprozeß werden die Beteiligten ihrer Aufklärungspflicht regelmäßig bereits durch die Aussage in einem Verklarungsverfahren (§§ 11 ff) genügen, da dieses Verfahren gerade dazu dient, den Vorfall unter allen Aspekten aufzuklären (§ 11 Rn 4ff).

19 20 21 22 23 24

64

Prölls/Martin WG $ 152 Rn 2. Thomas/Pziföß ZPO vor § 284 Rn 23. So bereits zum alten Recht ($ 4 Abs 2 S 2 BinSchG aF) RGZ 1, 3S, 37; Baumgärtel/Koroift $ 4 BinSchG Rn 2. So BGH TranspR 2006, 35, 36; Rabe SeeHR $ 660 HGB Rn 27. Hierzu zB OLG Nürnberg TranspR 1993, 138,139f. Vgl OLG München TranspR 1999, 301, 303.

Erster Abschnitt. Schiffseigner

§ 5c BinSchG

$ 5c Zur Haftungsbeschränkung befugte Personen (1) Bei der Anwendung der Vorschriften über die Haftungsbeschränkung stehen dem Schiffseigner gleich: 1. der Eigentümer, Charterer und Ausrüster des Schiffes; 2. jede Person, die in unmittelbarem Zusammenhang mit einer Bergung oder einer Wrackbeseitigung Dienste erbringt, die sich auf ein Binnenschiff oder die Ladung eines solchen Schiffes beziehen und entweder ausschließlich auf diesem Schiff oder weder von einem Binnenschiff noch von einem Seeschiff aus erbracht werden (Berger); 3. jede Person, für deren Handeln, Unterlassen oder Verschulden der Schiffseigner oder eine in den Nummern 1 und 2 genannten Personen haftet. (2) Ist der Schuldner eine Personenhandelsgesellschaft, so kann auch jeder Gesellschafter seine persönliche Haftung für Ansprüche beschränken, für welche die Gesellschaft ihre Haftung beschränken kann. (3) Ein Versicherer, der die Haftung in bezug auf Ansprüche versichert, die der Beschränkung nach diesen Vorschriften unterliegen, kann sich Dritten gegenüber auf die Haftungsbeschränkung in gleichem Umfang wie der Versicherte berufen. 1.

Allgemeines

In Übereinstimmung mit Art 1 LondonHBÜ wurde in Art 1 CLNI der Kreis der zur 1 Haftungsbeschränkung berechtigten Personen geregelt. § 5c überträgt diese Vorschriften ins deutsche Recht. Das Privileg der globalen Haftungsbeschränkung (§ 4 Rn 1) kommt danach nicht nur dem Schiffseigner zugute, sondern im Grundsatz auch allen anderen Personen, gegen die sich Ansprüche aus dem Betrieb eines Schiffes richten können. 2.

Eigentümer, Charterer und Ausrüster ($ 5c Abs 1 Nr 1)

Der Eigentümer des Schiffes ist im deutschen Recht nicht identisch mit dem Schiffs- 2 eigner. Gemäß § 1 ist der Schiffseigner iSd Binnenschiffahrtsgesetzes nur derjenige Eigentümer, der sein Schiff tatsächlich auch zur Binnenschiffahrt verwendet. Hat er zB sein Schiff verchartert mit der Folge, daß der Charterer das Schiff „verwendet", ist der Eigentümer nicht auch „Eigner" des Schiffes (Einzelheiten s § 1 Rn 47ff). Wie § 2 Abs 2 zeigt, können aber auch in diesem Fall Ansprüche aus dem Betrieb des Schiffes entstehen, die sich gegen den Eigentümer richten. Wie der Eigner bedarf daher auch der Eigentümer eines Schiffes des Schutzes der summenmäßigen Haftungsbeschrän65

BinSchG S 5c

Zur Haftungsbeschränkung befugte Personen

kung. Entgegen Art 1 Abs 2a CLNI bedurfte der Reeder, der dem deutschen Binnenschiffahrtsrecht anders als etwa dem schweizerischen Binnenschiffahrtsrecht oder dem deutschen Seerecht (§ 484 HGB) unbekannt ist, neben dem Schiffseigner und dem Schiffseigentümer in § 5c keiner gesonderten Erwähnung. 1 3 Der Begriff des Charterers wird im Gesetz nicht definiert. Um künftigen Entwicklungen nicht vorzugreifen, will der Gesetzgeber die Auslegung dieses Begriffs ausdrücklich der Rspr überlassen und verweist hierzu auf die bereits zu Art 1 Abs 2 LondonHBÜ ergangenen Gerichtsurteile. 2 Demnach können sich auf die Haftungsbeschränkung jedenfalls der Bareboat-Charterer, der Zeitcharterer und der Reisecharterer (vgl § 4 0 7 HGB R n 2 3 , 26) berufen. 3 Daneben aber auch der sog SlotCharterer, dh derjenige, der einzelne Stellplätze auf einem Containerschiff angemietet hat. 4 4 Ausrüster ist nach der vom Seerecht (§ 510 HGB) ins Binnenschiffahrtsrecht übernommenen Terminologie, wer ein ihm nicht gehörendes Schiff zur Binnenschiffahrt verwendet (Einzelheiten s § 2 Rn 4ff). Die gesonderte Erwähnung in § 5c Abs 1 Nr 1 hat lediglich klarstellenden Charakter, da der Ausrüster gem § 2 Abs 1 ohnehin dem Schiffseigner gleichsteht. Ob auch ein Charterer Ausrüster sein kann, richtet sich nach dem Umfang seiner Möglichkeiten, auf die Verwendung des Schiffes einzuwirken. Der in Art 1 Abs 2a CLNI ebenfalls aufgeführte Mieter mußte nicht ins deutsche Recht übernommen werden, da diesem Begriff neben dem des Ausrüsters und des Charterers hier keine gesonderte Bedeutung zukommt. 5 Nur dann, wenn auch der Frachtcharterer, dh der Absender, der mit einem Schiffseigner bzw Ausrüster einen Frachtvertrag iSv § 4 0 7 HGB abschließt, 6 unter den Begriff des Charterers iSv § 5c Abs 1 finde, wäre denkbar, daß zB auch der Spediteur, der sich einem Dritten gegenüber verpflichtet, einen Multimodaltransport unter Einschluß einer Teilstrecke auf Binnengewässern zu organisieren (vgl § 452 HGB Rn 5), über § 452a HGB in den Genuß der §§ 4 ff kommt. 7

3.

Berger (S 5c Abs 1 Nr 2)

5 Entsprechend Art 1 Abs 2c CLNI ist § 5c Abs 1 Nr 2 nicht nur auf den Berger iSv § 740 Abs 1 HGB iVm § 93 anzuwenden, sondern auch auf diejenigen, die im Zuge einer Wrackbeseitigung iSv § 4 Abs 4 tätig werden. § 5c Abs 1 Nr 2 ist vor allem dann bedeutsam, wenn der Berger nicht von einem ihm gehörenden oder von ihm gecharter1 2 3 4 5 6 7

66

Begr GÄHB, BT-Drs 13/8446,25 f. Begr GÄHB, BT-Drs 13/844S, 24. Begr GÄHB, BT-Drs 13/8446,24. Einschränkend Rabe SeeHR Art 1 LondonHBÜ Rn 8. Denkschrift CLNI, BT-Drs 13/8220,23; Begr GÄHB, BT-Drs 13/8446,25. Vgl Rabe SeeHR § 556 HGB Rn 9. Ablehnend Rabe SeeHR Art 1 LondonHBÜ Rn 8; das TranspR 1998,429,436 (Fn 61).

Erster Abschnitt. Schiffseigner

§ 5c BinSchG

ten Schiff aus operiert, sondern von Land, aus der Luft oder auf dem zu bergenden Schiff selbst. Operiert der Berger von einem Schiff aus, wird er regelmäßig dessen Eigner, Ausrüster oder Charterer iSv §§ 4 Abs 1, 5c Abs 1 Nr 1 sein. 8 Die Tätigkeit m u ß auf die Bergung eines Binnenschiffs oder der Ladung eines solchen Schiffes gerichtet sein. Ist Gegenstand der Bergung ein Seeschiff, k o m m t das LondonHBÜ zur Anwendung. 9

4.

Hilfspersonen (§ 5c Abs 1 Nr 3)

§ 5 Abs 1 Nr 3 soll dadurch, daß das Recht zur Haftungsbeschränkung auch demjenigen gewährt wird, für dessen Verhalten der Schiffseigner, Ausrüster, Charterer oder Berger einzustehen hat, sicherstellen, daß letztere nicht auf dem Umweg über die Inanspruchnahme ihrer Leute über die für sie selbst geltenden Haftungshöchstbeträge hinaus haften müssen. 1 0 Darauf, ob die Person, für die gehaftet wird, in einem Abhängigkeitsverhältnis steht oder, wie zB regelmäßig der eingeschaltete Unterfrachtführer, selbständiger Unternehmer ist, k o m m t es ebensowenig an wie auf die Frage, ob im konkreten Fall tatsächlich ein Freistellungsanspruch gegeben ist. Entscheidend ist allein, daß eine der in § 5c Abs 1 Nr 1 und Nr 2 genannten Personen für Dritte zB nach §§ 3, 92b BinSchG, 278 BGB, 4 2 8 HGB oder Art 17 CMNI haftet. Keine Bedeutung für § 5c Abs 1 Nr 3 hat dagegen die Haftung des Schiffseigners nach § 831 BGB, 1 1 da hierdurch eine Haftung für eigene Handlung begründet wird und nicht für das „Handeln, Unterlassen oder Verschulden" anderer. 12 Ohnehin wird der Geschädigte seine Ersatzforderung auf Vorschriften stützen, die wie etwa § 3 eine Exculpationsmöglichkeit des Schiffseigners etc gerade nicht vorsehen. Von § 5c Abs 1 Nr 3 werden insbesondere Besatzungsmitglieder, aber auch der Lotse 1 3 erfaßt, für den der Schiffseigner nach §§ 3 Abs 1, 92d haftet. Einzelheiten zum Lotsenbegriff § 5i Rn3.

5.

Gesellschafter einer Personenhandelsgesellschaft (§ 5c Abs 2)

Ist eine der in § 5c Abs 1 Nr 1 und Nr 2 aufgeführten Personen eine Personenhandelsgesellschaft (OHG, KG, V.O.F. des niederländischen Rechts) und macht die Gesellschaft als solche nicht von dem ihr zustehenden Recht auf Haftungsbeschränkung Gebrauch, ist jeder persönlich haftende Gesellschafter darauf angewiesen, daß er zumindest seine persönliche Haftung beschränken kann. Diese Möglichkeit wird

8 9 10 11 12 13

6

Herber Haftungsrecht, 25. Begl· GÄHB, BT-Drs 13/844S, 25. Begr GÄHB, BT-Drs 13/8446,25; Denkschrift CLNI, BT-Drs 13/8220,24. Herber Haftungsrecht, 50. Vgl nur Jauernig/Tdcftmann BGB $ 831 Rn 1. AA offenbar Herber Haftungsrecht, 50, der von einer Exculpationsmöglichkeit des Schiffseigners im Hinblick auf das Verhalten eines „Verrichtungsgehilfen" spricht. Hefter Haftungsrecht, 50.

67

7

BinSchG S 5d

Durchführung der Haftungsbeschränkung

ihm durch § 5c Abs 2 ausdrücklich gewährt. Allerdings hat § 5c Abs 2 neben § 129 Abs 1HGB nur klarstellenden Charakter. 6.

Versicherer (§ 5c Abs 3)

8 Der Fall, daß ein Versicherer vom Geschädigten unmittelbar in Anspruch genommen wird, ist im deutschen Schiffahrtsrecht, das den Direktanspruch gegen den Versicherer derzeit nicht kennt, die Ausnahme. Denkbar ist eine Abtretung von Deckungsansprüchen des Versicherungsnehmers gegen den Versicherer oder ein Absonderungsrecht des Geschädigten im Hinblick auf den Deckungsanspruch im Falle der Insolvenz des Schädigers (SS 158 VVG, 48 InsO). Für diese Fälle gewährt das Gesetz dem Versicherer die gleichen Möglichkeiten zur Haftungsbeschränkung wie seinem Versicherungsnehmer. Wegen des vom Gesetz vorgesehenen Gleichlaufs („im gleichen Umfang"), kommt bei einem qualifiziert schuldhaften Handeln (§ 5b) des Versicherungsnehmers auch eine Haftungsbeschränkung durch den Versicherer nicht in Betracht. Allerdings wird bei Vorliegen eines qualifizierten Verschuldens ohnehin regelmäßig ein Deckungsanspruch nicht bestehen (§ 5b Rn 9).

$5d [Durchführung der Haftungsbeschränkung] (1) Die Haftung kann auf die in den SS 5e bis 5k bezeichneten Haftungshöchstbeträge beschränkt werden. (2) Die Haftungsbeschränkung kann bewirkt werden durch die Errichtung eines Fonds nach der Schiffahrtsrechtlichen Verteilungsordnung oder durch die Errichtung eines Fonds in einem anderen Vertragsstaat des Straßburger Übereinkommens über die Beschränkung der Haftung in der Binnenschiffahrt - CLNI (BGBl. 1998 II S. 1643). (3) Die Beschränkung der Haftung kann auch ohne Errichtung eines Fonds im Wege der Einrede mit Wirkung für Ansprüche nur gegen denjenigen, der sie erhebt, geltend gemacht werden. In diesem Falle sind die §§ 15, 23 Abs. 1, 3 Satz 1, 3 und 4 in Verbindung mit S 46 Abs. 1 und 2 Satz 1 und 2, § 26 Abs. 4 bis 6 der Schiffahrtsrechtlichen Verteilungsordnung entsprechend anzuwenden; S 305a der Zivilprozeßordnung bleibt unberührt.

68

Erster Abschnitt. Schiffseigner

$ 5d BinSchG

Übersicht 1. Allgemeines 2. Errichtung eines Fonds ($ 5d Abs. 2) a) Überblick b) Antragsberechtigung ($35 SVertO) c) Anspruchsklassen ($36 iVm $ 1 Abs 4 SVertO) d) Zulässigkeit des Antrags e) Zuständiges Verteilungsgericht ($37 SVertO) f) Antrag ($38 SVertO) g) Festsetzung der Haftungssumme ($$ 5,35 Abs 2 S 1,39 SVertO) h) Einzahlung der Haftungssumme und Bestellung von Sicherheiten ($$ 6,34 Abs 2 S1 SVertO) i) Eröffnungsbeschluß ($$ 7,8, 34 Abs 2 S 1,40,41 SVertO) j) Sachwalter($$9,34 Abs2S1 SVertO) k) Öffentliche Aufforderung ($$ 10,34 A b s 2 S l SVertO) 1) Öffentliche Bekanntmachung ($$ 11,34 Abs 2 S 1 SVertO) m) Anmeldung der Ansprüche ($$13 bis 15,34 Abs 2 S 1,43 SVertO) n) Prüfungstermin($$ 18,34Abs2S1 SVertO) o) Feststellung der Ansprüche ($$ 19,34 Abs 2 S 1,45 SVertO) p) Verteilung der Haftungssumme q) Erlöschen der persönlichen Haftung ($$ 24 S 1,34 Abs 2 S 1 SVertO) r) Aufhebung des Verfahrens und Nachtragsverteilung ($$ 29,34 Abs 2 S 1 SVertO). . . s) Kosten des Verteilungsverfahrens ($$ 31 bis 33,34 Abs 2 S 1 SVertO) t) Errichtung eines Fonds in einem anderen VertragsstaatderCLNI($ 52 SVertO) . . . . 3. Haftungsbeschränkung durch Einrede ($ 5d Abs 3) a) Allgemeines b) Erhebung der Einrede c) Wirkung der Einredeerhebung im Erkenntnisverfahren d) Auswirkung der Einrede auf ein nachfolgendes Verteilungsverfahren e) Vorbehaltsurteil ($ 305a ZPO) f) Zwangsvollstreckung aus einem Vorbehaltsurteil ($ 786a ZPO)

1.

Rn 1-4 5 6 7-8 9-11 12-15 16-19 20-23 24-26 27-31 32 33 34 35-38 39 40-45 46-52 53 54-57 58-60 61-62 63 64 65-66 67-68 69-70 71-74

Allgemeines

§ 5d normiert die Grundsätze der Durchführung der globalen Haftungsbeschrän- 1 kung: Summenmäßige Haftungsbeschränkung durch Errichtung eines Fonds (§ 5d Abs 2) oder Erhebung einer Einrede (§ 5d Abs 3). Allgemein zur Ersetzung des überkommenen Systems der Exekutionshaftung durch das System der Summenhaftung vgl§4Rnlff. Die SS 5e bis 5k regeln, wie die Höhe der Haftungshöchstbeträge für den konkreten 2 Schadensfall zu berechnen ist. Dies stellt § 5d Abs 1 klar. Unterschieden wird dabei nach Personen- und Sachschäden (§§ 5e bis 5g) und nach Schäden durch die Beförderung gefährlicher Güter (§ 5h). Ferner sind besondere Haftungshöchstbeträge für 69

BinSchG S 5d

Durchführung der Haftungsbeschränkung

Schäden vorgesehen, die durch einen Berger oder Lotsen (§ 5i) oder infolge einer Wrackbeseitigung (§ 5j) verursacht wurden, ebenso für Ansprüche von Reisenden wegen Personenschäden (§ 5k). 3 Die CLNI hat dem nationalen Gesetzgeber in Artt 10 bis 13 betreffend das Verfahren zur Errichtung und Verteilung des Haftungsfonds nur wenige Vorgaben gemacht und verweist in Art 14 im übrigen auf das Recht des Vertragsstaats, in dessen Hoheitsgebiet der Fonds errichtet wird. Hierdurch wurde ermöglicht, daß das Verfahren an das allgemeine Verfahrensrecht der Vertragsstaaten anknüpfen und angepaßt werden kann. 1 4 Die Einzelheiten der Fondserrichtung, der Verteilung des Haftungsfonds sowie der Erhebung der Beschränkungseinrede regelt die Schiffahrtsrechtliche Verteilungsordnung. 2 Mit dem Gesetz zur Änderung der Haftungsbeschränkung in der Binnenschiffahrt ν 25. 8. 1998 wurde die bis dahin nur das Seerechtliche Verteilungsverfahren regelnde Seerechtliche Verteilungsordnung ν 25. 7. 1986 3 um einen zweiten Teil betr das Binnenschiffahrtsrechtliche Verteilungsverfahren erweitert (§§ 34 bis 49 SVertO) und in Schiffahrtsrechtliche Verteilungsordnung umbenannt. Systematisch verweist dabei der neue binnenschiffahrtsrechtliche Teil auf den ersten, seerechtlichen Teil und sieht lediglich einige rechtstechnisch oder sachlich bedingte Sondervorschriften zB betreffend den Kreis der Antragsberechtigten, die Anspruchsklassen, die gerichtliche Zuständigkeit oder die zur Berechnung der Haftungssummen notwendigen Angaben vor. Dieses Vorgehen war möglich, weil die bisherige SeeVertO auf das LondonHBÜ zurückging, und die CLNI ihrerseits wesentliche Grundgedanken des LondonHBÜ übernommen hat (§ 4 Rn 2).4 Aus dem ersten Teil der SVertO uneingeschränkt auch im Binnenschiffahrtsrechtlichen Verteilungsverfahren anwendbar sind die §§ 3 , 4 Abs 4, 5,6, 7 Abs 1, 2 Nr 1,4, 6, 7 und Abs 3,4, §§ 9 , 1 0 Abs 1 und 2, §§ 11 bis 15,17 bis 23 Abs 1, §§ 24 bis 29 sowie die §§ 31 bis 32 Abs 2 und 33 SVertO. 2.

Errichtung eines Fonds (S 5d Abs 2)

a)

Überblick

5 Die Haftungsbeschränkung kann zunächst durch Errichtung eines Fonds nach der SVertO bewirkt werden. Bei dem hierfür vorgesehenen Verteilungsverfahren handelt es sich um ein teilweise dem Insolvenzverfahren vergleichbares, besonders ausgestal1 2

3 4

70

Denkschrift CLNI, BT-Drs 13/8220, 32. Gesetz über das Verfahren bei der Errichtung und Verteilung eines Fonds zur Beschränkung der Haftung in der See- und Binnenschiffahrt (Schiffahrtsrechtliche Verteilungsordnung - SVertO) ν 23. 3.1999 (BGBl I, 149) idF der Berichtigung ν 9.2.2000 (BGBl 1,149). Die SVertO ist abgedruckt unter Nr 5. BGBl 1,1130; zuletzt geändert durch Gesv 5.10.1994 (BGBl 1,2911). Begr GÄHB, BT-Drs 13/8446, 39f.

Erster Abschnitt. Schiffseigner

$ 5d BinSchG

tetes Vollstreckungsverfahren, das nicht der freiwilligen, sondern der streitigen Gerichtsbarkeit angehört. 5 Hilfsweise, dh wenn die SVertO insoweit nichts anderes bestimmt, ist daher gem §§ 3, 34 Abs 2 S 1 SVertO auf die Vorschriften der ZPO zurückzugreifen. Die regelungstechnische Ähnlichkeit des Schiffahrtsrechtlichen Verteilungsverfahrens mit dem Insolvenzverfahren gestattet es dem Gesetzgeber, zB in den §§ 18 und 19 SVertO auf Vorschriften der InsO zu verweisen. Die Funktion des Verteilungsverfahrens besteht darin, die Haftungssumme in möglichst gerechter Weise auf die Gläubiger zu verteilen und - anders als das Insolvenzverfahren - den Zugriff der Gläubiger auf das übrige Vermögen des Schuldners zu verhindern. 6 Das Verfahren gliedert sich in ein Eröffnungsverfahren, ein Feststellungsverfahren und ein Verteilungsverfahren im engeren Sinne. Das Verfahren beginnt mit der Antragstellung durch den Schuldner, worauf das Gericht die Höhe der einzuzahlenden Haftungssumme festsetzt und das Verteilungsverfahren eröffnet. Der Eröffnungsbeschluß bewirkt materiell-rechtlich die Haftungsbeschränkung. Nach Eröffnung des Verfahrens erläßt das Gericht ein Aufgebot, um die teilnahmeberechtigten Gläubiger festzustellen. In einem Prüfungstermin werden die angemeldeten Forderungen auf ihre Berechtigung hin überprüft und ggf festgestellt. Anschließend erfolgt die Verteilung der Haftungssumme anteilig auf die festgestellten Ansprüche. b)

Antragsberechtigung ( § 3 5 SVertO)

Die Eröffnung eines Binnenschiffahrtsrechtlichen Verteilungsverfahrens kann durch 6 einen Schiffseigner oder durch eine der in § 5c Abs 1 genannten Personen (§ 5c Rn 2 bis 8) beantragt werden. Dabei erfaßt ein Verteilungsverfahren jeweils eine ganze der in den Nr 1 bis 3 des § 35 SVertO aufgeführten Gruppen von Personen mit der Folge, daß das Verfahren die Gesamtheit der Ansprüche erfaßt, die aus einem bestimmten Ereignis gegen diese Personen entstanden sind (vgl auch § 36 Abs 3 S 1 und § 38 Abs 1 Nr 2 SVertO).7 Diese Regelung geht von der Überlegung aus, daß die Haftung für alle Ansprüche aus demselben Ereignis (§ 5a Rn 3) durch Errichtung eines Haftungsfonds auch dann auf eine einheitliche Haftungssumme beschränkt sein soll, wenn sie sich gegen verschiedene Schuldner richten. 8 Hat ein Charterer die Durchführung eines Verteilungsverfahrens beantragt, können in diesem Verfahren auch Ansprüche aus demselben Ereignis etwa gegen den Eigentümer des Schiffes angemeldet werden.9 Das Verteilungsverfahren ist zudem immer schiffsbezogen. 10 Sind also an einer Havarie mehrere Schiffe beteiligt, die jeweils eine Mitschuld an der Havarie tragen, ist für jede Personengruppe iSv § 35 SVertO eines jeden Schiffes ein ge-

5 6 7 8 9 10

Rate SeeHR Anh $ 4S7e HGB Rn 3; Rittmeister Haftungsbeschränkungsverfahren, 74. Rittmeister Haftungsbeschränkungsverfahren, 72. BegrGÄHB,BT-Drs 13/8446,43. Hefter Haftungsrecht, 84. LG Hamburg TranspR 2 0 0 5 , 2 5 9 , 2S0. Hierzu Freise Reederhaftung, 178f.

71

BinSchG S 5d

Durchführung der Haftungsbeschränkung

sondertes Verteilungsverfahren durchzuführen. 11 Aus diesem Grund müssen auch der Eigner eines Schubbootes und der Eigner eines Schubleichters, die gemeinsam einen Schubverband bilden, gesonderte Verteilungsverfahren betreiben. Zur Veränderung der Haftungshöchstbeträge in diesem Fall vgl § 5e Rn l l f . Lediglich dann, wenn ein Lotse die Eröffnung eines Binnenschiffahrtsrechtlichen Verteilungsverfahrens beantragt, erfaßt das Verteilungsverfahren nur die gegen diesen gerichteten Ansprüche (§ 36 Abs 3 S 2 SVertO). Grund hierfür sind die in § 5i für den Lotsen vorgesehenen Sonderhaftungshöchstbeträge, die regelmäßig niedriger sind als die normalen Haftungshöchstbeträge der §§ 5e, 5f Abs 1. Allerdings kann der Lotse die Durchführung des auf ihn begrenzten Verteilungsverfahrens nur beantragen, wenn nicht schon auf Antrag einer anderen Person desselben Personenkreises ein Verteilungsverfahren durchgeführt wird (§36 Abs 3 S 2 Halbs 2 SVertO). In dem umgekehrten, im Gesetz nicht geregelten Fall, daß zunächst der Lotse und später eine andere der in § 35 Abs 1 Nr 1 SVertO genannten Personen die Durchführung eines Verteilungsverfahrens beantragt hat, ist das zuerst beantragte Verteilungsverfahren entsprechend §§ 30, 34 Abs 2 SVertO zu erweitern. 12 Andernfalls könnten die aus dem Ereignis berechtigten Gläubiger entgegen dem Grundsatz, daß für alle Ansprüche aus demselben Ereignis eine einheitliche Haftungssumme bestehen soll (Rn 6), in zwei Töpfe greifen, ohne daß dies in irgendeiner Form gerechtfertigt wäre. Dies gilt um so mehr, als es häufig vom Zufall abhängen wird, wer zuerst die Durchführung eines Verteilungsverfahrens beantragt. 13 Antragsberechtigt ist nach § 35 S 1 SVertO auch der Versicherer, der die Haftung in bezug auf Ansprüche versichert, für die eine der zuvor genannten Personen ihre Haftung beschränken kann. c)

Anspruchsklassen (§ 36 iVm § 1 Abs 4 SVertO)

7 Wie für jede Gruppe von Antragstellern (Rn 6) findet auch für jede der in § 36 Abs 1 iVm § 1 Abs 4 SVertO genannten Anspruchsklassen ein eigenes Verteilungsverfahren statt (vgl § 36 Abs 3 S 1 SVertO), um zu verhindern, daß eine einzige Haftungssumme für die Befriedigung verschiedenartiger Ansprüche verwendet wird. 14 Die Eingruppierung einer Forderung in eine bestimmte Anspruchsklasse erfolgt jedenfalls dannaufderGrundlagedeutschenRechts,wennderHaftungsfondsinDeutschland auf der Grundlage deutschen Rechts eröffnet wurde. 15 In der Anspruchsklasse Α und der Anspruchsklasse D und damit in einem Verteilungsverfahren zusammengefaßt werden die Ansprüche wegen Personenschäden und wegen Sachschäden, weil zwischen diesen beiden Anspruchsarten ein enger Zusammenhang besteht. 16 Das

11 12 13 14 15 16

72

Vgl Herta Haftungsrecht, 86. Herber Haftungsrecht, 126; a/\ Rittmeister I laftu ngsbcsch ran ku π gs verfall ren, 175f. Herber Haftungsrecht, 126. Rabe SeeHR Anh § 487e HGB Rn 7. LG Hamburg TranspR 2 0 0 5 , 2 5 9 , 2S1. Begr GÄHB, BT-Drs 13/8446, 44.

Erster Abschnitt. Schiffseigner

$ 5d BinSchG

Verhältnis der Haftungssummen für diese beiden Anspruchsarten zueinander ist in § 5g bzw § 5h Abs 4 geregelt. Auf die konkrete Anspruchsgrundlage kommt es für die Eingruppierung nicht an. 17 Allerdings bestimmt S 1 Abs 5 Nr 1 iVm § 36 Abs 2 SVertO für diese beiden Anspruchs- 8 arten, daß dann, wenn einerseits Ansprüche wegen Personenschäden, für die die Haftung beschränkt werden kann, nicht entstanden oder nicht mehr geltend gemacht werden können, oder die Summe der Ansprüche wegen Personenschäden allein die in § 5e bzw § 5h Abs 2 Nr 1 genannten Haftungshöchstbeträge nicht übersteigt und andererseits die Summe der Ansprüche wegen Sachschäden die in § 5 f bzw § 5h Abs 2 Nr 2 genannten Haftungshöchstbeträge übersteigt, ein Verteilungs verfahren allein für Ansprüche wegen Sachschäden stattfindet. Ebenfalls ein Verteilungsverfahren allein für Ansprüche wegen Sachschäden findet statt, wenn die Summe der Ansprüche wegen Sachschäden die in § 5f bzw § 5h Abs 2 Nr 2 genannten Haftungshöchstbeträge übersteigt und Ansprüche wegen Personenschäden zwar gegen andere Schuldner der gleichen Personengruppe iSv § 35 S 1 SVertO geltend gemacht werden können, nicht aber gegen den Antragsteller, und der Antragsteller die Durchführung eines isolierten Verteilungsverfahrens nur für Ansprüche wegen Sachschäden beantragt (§ 1 Abs 5 Nr 2 iVm § 36 Abs 2 SVertO). Sinn dieser Regelungen ist es zu verhindern, daß der Antragsteller für die Haftungsbeschränkung in jedem Fall die Gesamtsumme nach §§ 5e und 5f aufbringen muß. Zu den Besonderheiten von isolierten Verteilungsverfahren wegen Sachschäden vgl §§ 7 Abs 2 Nr 3 Halbs 2, 8 Abs 1 Nr 3 , 1 0 Abs 3 SVertO. Stellt sich im Laufe des Verfahrens heraus, daß die Summe der angemeldeten Ansprüche aus demselben Schadensereignis wegen Personenschäden, die der Haftungsbeschränkung unterliegen, den Haftungshöchstbetrag des § 5e übersteigt, ist das Verteilungsverfahren gem §§ 1 6 , 3 0 , 4 8 SVertO auf Ansprüche wegen Personenschäden zu erweitern und die Haftungssumme neu festzusetzen. 18 d)

Zulässigkeit des Antrags

Zulässig ist der Antrag nur, wenn der Antragsteller seine Haftung für die aus einem 9 bestimmten Ereignis (§ 5a Rn 3) entstandenen Ansprüche nach den §§ 4 bis 5m beschränken kann und wegen zumindest eines solchen Anspruchs im Geltungsbereich der SVertO ein gerichtliches Verfahren eingeleitet wird oder werden kann. Anders als im Seerechtlichen Verteilungsverfahren (§ 1 Abs 3 SVertO) genügt für das Binnenschiffahrtsrechtliche Verteilungsverfahren, wenn die Möglichkeit zur Einleitung eines gerichtlichen Verfahrens besteht. § 35 SVertO folgt damit den Vorgaben des Art 11 Abs 1 S 1 CLNI, der mit dieser Lockerung unnötige Gerichtsverfahren und Verzögerungen bei der Schadensabwicklung verhindern will. 19 Der Begriff des gerichtlichen

17 18 19

LG Hamburg TranspR 2005,259,261. Rittmeister Haftungsbeschränkungsverfahren, 172ff. Denkschrift CLNI, BT-Drs 13/8220, 31.

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BinSchG S 5d

Durchführung der Haftungsbeschränkung

Verfahrens ist nach dem Willen des Gesetzgebers weit zu verstehen und erfaßt zB auch schon den Antrag auf Anordnung eines Arrests.20 Dagegen soll die bloße Einleitung eines Verklarungsverfahrens nicht genügen. 21 10 Schließlich ist der Antrag auf Eröffnung des Binnenschiffahrtsrechtlichen Verteilungsverfahrens nur dann zulässig, wenn der Antragsteller darlegen kann, daß die vom Verteilungsverfahren erfaßten Ansprüche die maßgebliche Haftungssumme voraussichtlich übersteigen wird. 22 Diese im Gesetz nicht ausdrücklich genannte Zulässigkeitsvoraussetzung (vgl aber zB §§ 36 Abs 2 Nr 1, 38 Abs 1 Nr 8 und 12 Abs 5 iVm § 34 Abs 2 S 1 SVertO) folgt aus dem Sinn und Zweck des der Haftungsbeschränkung dienenden Verteilungsverfahrens. Übersteigen die Ansprüche nicht die Haftungssumme, besteht kein schutzwürdiges Interesse an der Durchführung eines Verteilungsverfahrens. 23 11 Ist der Antrag auf Eröffnung eines Binnenschiffahrtsrechtlichen Verteilungsverfahrens danach unzulässig, weist das Verteilungsgericht den Antrag ab und entscheidet über die Kostentragungspflicht (§91 ZPO, § 3 Abs 1 iVm § 34 Abs 2 S 1 SVertO). Zum Umfang der Prüfungspflicht vgl Rn 18. e)

Zuständiges Verteilungsgericht ( § 3 7 SVertO)

12 § 37 SVertO regelt die örtliche, die internationale und die sachliche Zuständigkeit des Verteilungsgerichts. Der Gesetzgeber hat bewußt darauf verzichtet, für die Regelung der Zuständigkeit der Verteilungsgerichte auf die Vorschriften des BinSchVerfG zurückzugreifen. Begründet wurde diese Entscheidung vor allem damit, daß sich andernfalls wesentliche Unterschiede zu den Zuständigkeitsregelungen im Seerechtlichen Verteilungsverfahren ergeben hätten. Zweck der Eingliederung des Binnenschiffahrtsrechtlichen Verteilungsverfahrens in die SVertO sei aber gerade eine weitgehende Gleichstellung mit dem Seerechtlichen Verteilungsverfahren gewesen.24 Die Zuständigkeitsregelungen für das Binnenschiffahrtsrechtliche Verteilungsverfahren in § 37 SVertO gleichen denn auch bis auf geringe Abweichungen der Zuständigkeitsregelung für das Seerechtliche Verteilungsverfahren in § 2 SVertO. Eine generelle funktionelle Zuständigkeit der Schiffahrtsgerichte ist nicht vorgesehen. Hiergegen spricht nicht nur der ausdrückliche Wille des Gesetzgebers, sondern auch die Regelungen in § 37 Abs 2 S 2 Alt 2, § 37 Abs 2 S 3 und § 37 Abs 3 SVertO. 13 Betrifft das Binnenschiffahrtsrechtliche Verteilungsverfahren ein Schiff, das in einem deutschen Schiffsregister eingetragen ist, so ist örtlich zuständig das Gericht, bei 20 21 22 23 24

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Begl· GÄHB, BT-Dl'S 13/844S, 44. RflteSeeHRAnh$487eHGBRnS. Zum Seerechtlichen Verteilungsverfahren so Rabe SeeHR Anh $ 487e HGB Rn S; Rittmeister Haftungsbeschränkungsverfahren, 89f. Korioth Neuregelung, 207f. Begr GÄHB, BT-Drs 13/8446, 45f.

Erster Abschnitt. Schiffseigner

$ 5d BinSchG

dem das Schiffsregister geführt wird (§ 37 Abs 1 SVertO iVm §§ 1 , 4 Abs 1 SchRegO, 6 BinSchG). Ist das Schiff, auf das sich das Verteilungsverfahren bezieht, dagegen in keinem inländischen Register eingetragen oder bezieht sich das Verteilungsverfahren wie in den Fällen des § 35 S 1 Nr 3 SVertO iVm § 5c Abs 1 Nr 2 BinSchG auf kein Schiff, ist maßgeblich auf den Ort abzustellen, an dem der Antragsteller im Inland seine gewerbliche Niederlassung oder, bei Fehlen einer solchen, seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat (§ 37 Abs 2 S 1 SVertO). Ist das Schiff in keinem deutschen Register eingetragen und hat der Antragsteller zudem im Inland weder eine gewerbliche Niederlassung noch seinen gewöhnlichen Aufenthalt, ist dagegen das Gericht örtlich zuständig, in dessen Bezirk das Gericht seinen Sitz hat, das im ersten Rechtszug für eine Klage gegen den Antragsteller wegen eines Anspruchs, für den dieser seine Haftung beschränken kann, zuständig ist, oder in dessen Bezirk die Zwangsvollstrekkung gegen den Antragsteller betrieben wird (§37 Abs 2 S 2 SVertO). Aufgrund der erstinstanzlichen Zuständigkeit der Amtsgerichte in Binnenschiffahrtssachen (§§ 1, 2 BinSchVerfG) und der ebenfalls gegebenen erstinstanzlichen Zuständigkeit der Amtsgerichte im Verteilungsverfahren (Rn 15) wird es daher in diesen Fällen regelmäßig zur Zuständigkeit des gleichen Gerichts im Erkenntnis- und im Verteilungsverfahren jedenfalls dann kommen, wenn es sich bei dem Sachverhalt, der dem Erkenntnisverfahren zugrunde liegt, um eine Binnenschiffahrtssache iSv § 2 BinSchVerfG handelt. In diesen Fällen sind die Gerichte gehalten, das Verteilungsverfahren demjenigen Richter zuzuweisen, der üblicherweise auch die Schiffahrtssachen bearbeitet. Auf diese Weise wird bis zum Erlaß einer Rechtsverordnung iSv § 37 Abs 3 SVertO zumindest eine gewisse Konzentration der Verteilungsverfahren auf bestimmte Richter erreicht. Ist dies nicht der Fall, dh ist erstinstanzlich nicht das Amtsgericht, sondern ein Landgericht zuständig, kommt für das Verteilungsverfahren die alternative Zuständigkeit mehrerer Amtsgerichte in Betracht. Für diesen Fall bestimmt § 37 Abs 2 S 3 SVertO, daß die Zuständigkeit des Gerichts, bei dem die Eröffnung des Verteilungsverfahrens zuerst beantragt worden ist, die Zuständigkeit der übrigen Gerichte ausschließt. Da es lediglich darauf ankommt, bei welchem Gericht das erstinstanzliche Erkenntnisverfahren anhängig gemacht werden kann, ist es für die gerichtliche Zuständigkeit im Verteilungsverfahren unbeachtlich, wenn im Erkenntnisverfahren bereits eine Klage anhängig ist.25 Gem § 37 Abs 3 und 4 SVertO können die Länder die örtliche Zuständigkeit auch für das Binnenschiffahrtsrechtliche Verteilungsverfahren auf bestimmte Gerichte konzentrieren. Dies ist bislang bedauerlicherweise noch nicht erfolgt, sollte aber dringend geschehen, um für die relativ wenigen Verteilungsverfahren bei einigen Schiffahrtsgerichten die erforderliche Erfahrung herauszubilden. Nach dem ausdrücklichen Wortlaut des Gesetzes handelt es sich bei der örtlichen Zuständigkeit stets um eine ausschließliche. Dies bedeutet gem §§ 40 Abs 2 ZPO, 3 Abs 3, 34 Abs 2 S 1 SVertO, daß eine an sich nicht gegebene örtliche Zuständigkeit auch nicht durch Vereinbarung zwischen den Par-

25

Herber Haftungsrecht 134; Rittmeister, Haftungsbeschränkungsverfahren, 81.

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BinSchG S 5d

Durchführung der Haftungsbeschränkung

teien oder durch rügelose Einlassung begründet werden kann. Wird ein Antrag auf Durchführung eines Verteilungsverfahrens bei einem örtlich unzuständigen Gericht gestellt und unterbleibt trotz eines entsprechenden gerichtlichen Hinweises der erforderliche Verweisungsantrag, ist der Antrag als unzulässig abzulehnen (Rn 11). Hat dagegen ein örtlich unzuständiges Gericht die Eröffnung beschlossen und wurde dieser Beschluß nicht angefochten (Rn31), ist das Verteilungsverfahren vor diesem Gericht mit voller Außenwirkung durchzuführen. 26 14

Die internationale Zuständigkeit richtet sich im deutschen Zivilprozeßrecht grundsätzlich nach der örtlichen Zuständigkeit. 27 Dies bedeutet, daß immer dann, wenn nach den Vorschriften des § 37 SVertO die örtliche Zuständigkeit eines deutschen Gerichts gegeben ist (Rn 13), auch die internationale Zuständigkeit der deutschen Gerichte feststeht. Demgegenüber betrifft Art 7 EuGVO nicht die Zuständigkeit des Verteilungsgerichts, sondern regelt für den Anwendungsbereich der EuGVO (Artt 1 und 2 EuGVO) allein die internationale Zuständigkeit für selbständige Klagen des Schuldners auf Feststellung der Beschränkbarkeit seiner Haftung. 28

15 Sachlich zuständig für die Durchführung eines Binnenschiffahrtsrechtlichen Verteilungsverfahrens ist gem § 37 SVertO ausschließlich das Amtsgericht. f)

Antrag ( § 3 8 SVertO)

16 Der Antrag auf Durchführung eines Binnenschiffahrtsrechtlichen Verteilungsverfahrens ist bei Gericht schriftlich einzureichen oder mündlich zu Protokoll der Geschäftsstelle anzubringen (§§ 496 ZPO, 3 Abs 1, 34 Abs 2 S 1 SVertO) und an eine Frist nicht gebunden. Zur Antragsberechtigung gem § 35 SVertO vgl Rn 6. Der Antrag kann bis zum Beginn des allgemeinen Prüfungstermins (Rn 39) zurückgenommen werden (§§ 4 Abs 4, 34 Abs 2 S 1 SVertO). 17 Der Antrag muß die in § 38 Abs 1 SVertO aufgeführten Angaben enthalten. Der Gesetzgeber spricht insoweit von einer „Checkliste". 29 Der für das Seerechtliche Verteilungsverfahren maßgebliche § 4 Abs 1 SVertO ist auf das Binnenschiffahrtsrechtliche Verteilungsverfahren nicht anwendbar (§ 34 Abs 2 S 1 SVertO). Die von § 38 Abs 1 Nr 1 SVertO geforderten Angaben sollen dem Gericht die Beurteilung ermöglichen, ob Ansprüche vorliegen, die gem § 4 BinSchG der Haftungsbeschränkung unterfallen. Da für jeden Personenkreis iSv § 35 SVertO und für jede Anspruchsklasse gem § 36 Abs 1 SVertO ein gesondertes Verteilungsverfahren durchzuführen ist (Rn 6f), sind gem § 38 Abs 1 Nr 2 und Nr 3 SVertO auch hierzu Angaben erforderlich. § 38 Abs 1 Nr 4 SVertO betrifft nähere Angaben zum antragstellenden Schuld-

26 27 28 29

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Herta Haftungsrecht, 137. BGHZ 44, 46, 47; 115, 90, 92; 132, 105, 107, 113f. KrophollerEZPR Art 7 EuGVO Rn 1 u 3; Kostka TranspR 1997,439,440. Begr GÄHB, BT-Drs 13/8446, 46.

Erster Abschnitt. Schiffseigner

$ 5d BinSchG

ner und zu den übrigen in dem konkreten, durch die Angaben nach § 38 Abs 1 Nr 2 und 3 SVertO näher bezeichneten Verteilungsverfahren zur Haftungsbeschränkung berechtigten Schuldnern. § 38 Abs 1 Nr 5 SVertO verlangt nähere Angaben zu dem betroffenen Schiff. Ist das Schiff in einem Schiffsregister eingetragen, ist gern $ 38 Abs 2 SVertO zusätzlich ein beglaubigter Auszug aus diesem Register vorzulegen. Die von § 38 Abs 1 Nr 6 und 7 SVertO geforderten Angaben sollen dem Gericht die Berechnung der Haftungssummen nach §§ 5e, 5f und 5h bis 5k BinSchG erlauben. Aus den nach § 38 Abs 1 Nr 8 SVertO vorzubringenden Angaben kann das Gericht ersehen, ob die geltend gemachten Ansprüche die maßgebliche Haftsumme übersteigen werden und ob an der Durchführung eines Binnenschiffahrtsrechtlichen Verteilungsverfahrens damit überhaupt ein rechtliches Interesse besteht (Rn 10). Aus § 38 Abs 3 SVertO folgt, daß der Antragsteller nur bestimmte Angaben glaub- 18 haft zu machen hat. Betroffen sind die Angaben, die die Beurteilung gestatten, ob entgegen dem Grundsatz des § 36 Abs 1 Nr 1 SVertO ausnahmsweise gem § 1 Abs 5 iVm § 36 Abs 2 SVertO ein gesondertes Verteilungsverfahren wegen Sachschäden unter Ausschluß der Personenschäden durchgeführt werden kann (vgl Rn 8). Für die übrigen Zulässigkeitsvoraussetzungen und Angaben nach § 38 Abs 1 ist eine Glaubhaftmachung nach dem ausdrücklichen Wortlaut des Gesetzes nicht erforderlich. Dies gilt insbesondere auch für Tatsachen, aus denen sich ergibt, daß die Summe der der Haftungsbeschränkung unterliegenden Ansprüche die Haftungssumme voraussichtlich nicht übersteigt. Das Verlangen einer solchen Glaubhaftmachung wäre auch unsinnig, da die abschließende Beantwortung dieser Frage ohnehin nicht beim Verteilungsgericht, sondern beim Prozeßgericht liegt. Nach zutreffender Auffassung 30 muß die Entscheidung, ob und in welchem Umfang die Haftung beschränkt werden kann, dem Prozeßgericht vorbehalten bleiben, da dieses allein über die hierzu erforderlichen Erkenntnisquellen verfügt. Nur bei offensichtlich rechtsmißbräuchlichen Anträgen auf Eröffnung eines Verteilungsverfahrens hat das Verteilungsgericht einzuschreiten und die Durchführung eines Verteilungsverfahrens zu versagen.31 Für die Glaubhaftmachung gelten die §§ 294 ZPO, 3 Abs 1, 34 Abs 2 S 1 SVertO. Versicherungen an Eides statt sind demnach möglich. Enthält der Antrag nicht die erforderlichen Angaben, muß das Gericht zunächst durch entsprechende Hinweise (§§ 139 ZPO, 3 Abs 1, 34 Abs 2 S 1 SVertO) auf deren Vervollständigung hinwirken, bevor es den Antrag abweisen kann. 32 g)

19

Festsetzung der Haftungssumme (SS 5, 34 Abs 2 S 1, 39 SVertO)

Hält das Verteilungsgericht den Antrag auf Eröffnung des Verteilungsverfahrens für 20 zulässig, setzt es durch Beschluß die Haftungssumme als den Betrag fest, der zur 30 31 32

Vgl Korioth Neuregelung, 209f, 216f. Rittmeister Haftungsbeschränkungsverfahren, 94f. Herber VersR 1973,987; Korioth Neuregelung, 216.

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BinSchG S 5d

Durchführung der Haftungsbeschränkung

Errichtung des Fonds einzuzahlen ist (§§ 5 Abs 1, 34 Abs 2 S 1 SVertO). Die Haftungssumme ergibt sich aus den §§ 5e, 5f und 5h bis 5k BinSchG und ist vom Gericht anhand der im Antrag enthaltenen Angaben zu berechnen. Erfaßt ein Verteilungsverfahren für Ansprüche der Anspruchsklassen Α und D sowohl Ansprüche wegen Personenschäden als auch wegen Sachschäden, ergibt sich die Haftungssumme aus der Addition der Haftungshöchstbeträge gem §§ 5e und 5f bzw § 5h Abs 2 Nr 1 und Nr 2 BinSchG. Für die Verteilung dieser Haftungssummen werden gem § 46 Abs 2 SVertO allerdings wieder Teilsummen gebildet (Rn 47). Es ist bereits bei Festsetzung der Haftungssummen zu berücksichtigen, daß den Gläubigern von Ansprüchen wegen Personenschäden gem §§ 23 Abs 3 S 4 SVertO, 5g BinSchG uU auch die Haftungssumme für Ansprüche wegen Sachschäden selbst dann zur Verfügung steht, wenn Sachschäden gar nicht entstanden sind (Rn47). Gem § 39 SVertO ist die Haftungssumme vom Zeitpunkt des zur Haftung führenden Ereignisses bis zum Zeitpunkt der Errichtung des Fonds mit 4% pa zu verzinsen. Die Zinsen können im Festsetzungsbeschluß abschließend dann festgesetzt werden, wenn die Haftungssumme schon vorher einbezahlt wurde und der Festsetzungsbeschluß daher mit dem Eröffnungsbeschluß zu verbinden ist (§§ 7 Abs 3, 34 Abs 2 S 1 SVertO). Andernfalls werden im Festsetzungsbeschluß nur Zinsen festgesetzt, soweit sie bis zum Zeitpunkt seines Erlasses angefallen sind. Hinsichtlich der restlichen Zinsen wird der Festsetzungsbeschluß durch den Eröffnungsbeschluß ergänzt, der erst nach Einzahlung der Haftungssumme ergehen darf (§§ 7 Abs 1, 34 Abs 2 S 1 SVertO).33 21 Anstelle der Einzahlung der Haftungssumme kann das Verteilungsgericht dem Antragsteller nach freiem Ermessen auch die Erbringung einer Sicherheitsleistung gestatten (§§ 5 Abs 2, 34 Abs 2 S 1 SVertO). Eine teilweise Ersetzung der Einzahlung der Haftungssumme durch Sicherheitsleistung ist möglich. Als Sicherheitsleistung kommen neben Bankbürgschaften auch die Garantien von Versicherungsunternehmen, auch ausländischer P&I-Clubs,34 in Betracht. Die Errichtung des Haftungsfonds durch Sicherheitsleistung entspricht der gängigen Praxis im Seerechtlichen Verteilungsverfahren. Durch die Möglichkeit zur Stellung von Sicherheiten kann es aufgrund der langen Verfahrensdauer uU zu ganz erheblichen Zinsvorteilen zugunsten der Antragstellerseite kommen. 35 22 Da die haftungsbeschränkende Wirkung des Verteilungsverfahrens grundsätzlich erst mit dem Eröffnungsbeschluß eintritt (§§ 8 Abs 4, 34 Abs 2 S 1 , 4 1 SVertO), gestattet § 5 Abs 3 SVertO unter bestimmten Voraussetzungen eine Einstellung von Zwangsvollstreckungsmaßnahmen. Wurde die Haftungssumme bereits vor Erlaß

33 34 35

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Rittmeister I lafcungsbcschranku 11 gs verfallren, 101. Rabe SeeHR Anh $ 487e Rn 22; Rittmeister Haftungsbeschränkungsverfahren, 102. Korioth Neuregelung, 220.

Erster Abschnitt. Schiffseigner

$ 5d BinSchG

des Festsetzungsbeschlusses eingezahlt, kommt eine Einstellung von Zwangsvollstreckungsmaßnahmen schon ab diesem Moment in Betracht. 36 Die Rechtsbehelfe gegen den Festsetzungsbeschluß richten sich im Binnenschiff- 23 fahrtsrechtlichen Verteilungsverfahren nach § § 1 2 Abs 1 bis 3, 34 Abs 2 S 1 SVertO, wobei zwischen dem Zeitraum vor und nach der Eröffnung des Verteilungsverfahrens zu unterscheiden ist. Vor Verfahrenseröffnung ist zulässiger Rechtsbehelf die sofortige Beschwerde, die nur der Antragsteller als in diesem Zeitpunkt einziger Verfahrensbeteiligter binnen einer gegenüber § 577 ZPO verlängerten Frist von einem Monat erheben kann (§§ 3 Abs 2, 12 Abs 1, 34 Abs 2 S 1 SVertO). Nach Eröffnung des Verteilungsverfahrens können alle Gläubiger und alle Schuldner Erinnerung gegen den Festsetzungsbeschluß einlegen (§§ 12 Abs 2, Abs 3, 34 Abs 2 S 1 SVertO). Als Beschwerde- bzw Erinnerungsgrund kommt zB die Festsetzung einer zu hohen oder zu niedrigen Haftungssumme oder die (nicht erfolgte) Zulassung einer bestimmten Sicherheitsleistung in Betracht. Abweichend von § 577 ZPO kann das Verteilungsgericht einer Beschwerde gegen die Entscheidung über die Zulassung von Sicherheitsleistungen nach §§ 5 Abs 2 S 3, 34 Abs 2 S 1 SVertO selbst abhelfen. Zur Sicherung einer einheitlichen Entscheidung durch das Verteilungsgericht ist eine vor Eröffnung des Verfahrens erhobene Beschwerde des Antragstellers, über die noch nicht entschieden wurde, als Erinnerung zu behandeln, sofern ein anderer Verfahrensbeteiligter seinerseits Erinnerung gegen den Festsetzungsbeschluß eingelegt hat (§§ 12 Abs 2 S 3, 34 Abs 2 S 1 SVertO). Wird auf eine Erinnerung hin die Haftungssumme erhöht, ist der Mehrbetrag innerhalb einer vom Gericht zu bestimmenden Frist nachzuzahlen (§§ 5 Abs 4, 34 Abs 2 S 1 SVertO). h)

Einzahlung der Haftungssumme und Bestellung von Sicherheiten (SS 6, 34 Abs 2 S 1 SVertO)

Die Einzahlung der Haftungssumme setzt nicht voraus, daß ein Festsetzungsbe- 24 schluß bereits vorliegt (vgl §§ 7 Abs 3, 34 Abs 2 S 1 SVertO). Um den Erlaß des Eröffnungsbeschlusses und den Eintritt der damit verbundenen Rechtsfolgen (§§ 8, 34 Abs 2 S 1, 41 SVertO) zu beschleunigen, kann es im Interesse des Antragstellers liegen, die Haftungssumme schon früher, etwa zusammen mit Stellung des Antrags auf Eröffnung eines Verteilungsverfahrens, einzuzahlen. Eine Frist besteht für die Einzahlung nicht. 37 Die Modalitäten der Einzahlung regelt auch für das Binnenschifffahrtsrechtliche Verteilungsverfahren § 6 iVm § 34 Abs 2 S 1 SVertO. Die Haftungssumme kann nur in Euro einbezahlt werden. Die Verzinsung des eingezahlten Betrages mit 0,1% pro Monat gem § 8 HinterlO iVm § 6 Abs 1 Halbs 2, § 34 Abs 2 S 1 SVertO beginnt ungeachtet der Dreimonatsfrist des § 8 Nr 1 HinterlO erst mit dem Erlaß des Eröffnungsbeschlusses durch das Verteilungsgericht, da erst in diesem 36 37

Rittmeister Haftungsbeschränkungsverfahren, 103. Rittmeister Haftungsbeschränkungsverfahren, 106.

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BinSchG S 5d

Durchführung der Haftungsbeschränkung

Zeitpunkt der Fonds als errichtet gilt (§§ 8 Abs 1 S 1, 41 SVertO). Bis zur Errichtung des Fonds ist die Haftungssumme gern § 39 SVertO mit 4% pa zu verzinsen. Stellt sich die ursprünglich festgesetzte Haftungssumme später als zu hoch heraus, kommt gem SS 6 Abs 6, 34 Abs 2 S 1 SVertO eine Rückzahlung in Betracht. 25 Eine nach §§ 5 Abs 2, 34 Abs 2 S 1 SVertO zugelassene Sicherheit ist nach den Vorgaben des §§ 6 Abs 2, 34 Abs 2 S 1 SVertO zu leisten. Für die Bestellung der Sicherheit muß ein abstraktes Schuldversprechen (S 780 BGB) zugunsten der Staatskasse eingegangen werden. Die Verzinsung ist in Anlehnung an § 8 HinterlO geregelt. Gem SS 6 Abs 3, 34 Abs 2 S 1 SVertO kann eine bereits bestehende Sicherheit für einen der Haftungsbeschränkung unterliegenden Anspruch als Sicherheit in das Verteilungsverfahren übernommen werden. Der gesicherte Gläubiger wird hierdurch in seinen Rechten nicht wesentlich berührt, da die Sicherheit mit der Feststellung des Anspruchs ohnehin gem §S 20, 34 Abs 2 S 1 SVertO erlischt. 26 Erweist sich im Verlauf des Verteilungsverfahrens, daß die Haftungsmasse unzureichend ist (vgl §§ 5 Abs 4, 16 Abs 1, 6 Abs 5 SVertO), kann das Verteilungsgericht eine höhere Haftungssumme festsetzen und den Antragsteller auffordern, den Mehrbetrag einzuzahlen bzw die geleistete Sicherheit aufzustocken. Kommt der Antragsteller dieser Aufforderung nicht fristgemäß nach, stellt das Verteilungsgericht das Verteilungsverfahren wieder ein (§17 Abs 1 Nr 1 und Nr 2 SVertO). Die Wirkungen des Eröffnungsbeschlusses (Rn 28ff) entfallen dann und die Gläubiger können wieder unbeschränkt in das gesamte Vermögen des Schuldners vollstrecken.38 i)

Eröffnungsbeschluß (§§ 7, 8, 34 Abs 2 S 1, 4 0 , 4 1 SVertO)

27 Ist die Haftungssumme einbezahlt bzw die Sicherheit bestellt (§ 6 SVertO), beschließt das Verteilungsgericht die Eröffnung des im Beschluß nach den Vorgaben von S§ 7 Abs 2, 40 SVertO genau bestimmten Verteilungsverfahrens. Gem SS 7 Abs 3, 34 Abs 2 S 1 SVertO kann der Eröffnungsbeschluß mit dem Festsetzungsbeschluß (Rn 20) verbunden werden, wenn die Haftungssumme bereits vor Erlaß des Festsetzungsbeschlusses vollständig39 einbezahlt worden ist. Rechtskraft des Festsetzungsbeschlusses ist nicht Voraussetzung für den Erlaß des Eröffnungsbeschlusses (arg § 12 Abs 2 S 3 SVertO). 28 Die Rechtsfolgen des Eröffnungsbeschlusses nach §§ 8 , 4 1 SVertO sind für das Verteilungsverfahren von zentraler Bedeutung. 40 Zunächst bewirkt der Eröffnungsbeschluß die Errichtung des Haftungsfonds und die gegenständliche Beschränkung der Haftung auf diesen Fonds (§§ 8 Abs 1, 41 SVertO). Den Gläubigern der Ansprüche, die nach §§ 4ff BinSchG der Haftungsbeschränkung unterliegen, steht damit 38 39 40

80

Rittmeister I lafcu ngsbcsch ran ku 11 gs verfall ren, 178ff. Rittmeister Haftungsbeschränkungsverfahren, 111. Zur Vereinbarkeit von $ 8 SVertO mit Art 13 LondonHBÜ Herter Haftungsrecht, 102ff.

Erster Abschnitt. Schiffseigner

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nicht mehr das gesamte Vermögen des Schuldners, sondern nur noch die eingezahlte Haftungssumme als Haftungsmasse zur Verfügung. Der Zeitpunkt der Errichtung des Fonds hat Bedeutung für die Verzinsung der Haftungssumme nach § 39 SVertO (Rn 25; § 5 BinSchG Rn 15ff). Die Haftungsbeschränkung erfaßt ohne weiteres sämtliche Schuldner, die zu dem im Eröffnungsbeschluß genannten Personenkreis (SS 7 Abs 2 Nr 2, 40 SVertO) gehören und damit ihre Haftung aus dem Schadensereignis (SS 7 Abs 2 Nr 1 , 4 0 SVertO) beschränken könne. 41 Grundsätzlich können Ansprüche, auf die sich der Eröffnungsbeschluß erstreckt

29

(SS 7 Abs 2 Nr 3, 40 SVertO), nur noch iRd Verteilungsverfahrens geltend gemacht werden (SS 8 Abs 2 S 1, 41 SVertO).42 Neue Klagen gegen die Schuldner sind nur zulässig, wenn der Kläger geltend macht, der Anspruch unterfalle nicht der Haftungsbeschränkung. Hierüber hat dann das Prozeßgericht zu befinden. 43 Eine Ausnahme gilt gem SS 8 Abs 2 S 2, 41 SVertO für Ansprüche, die bereits vor Eröffnung des Verteilungsverfahrens rechtskräftig festgestellt und im Verteilungsverfahren nicht voll befriedigt wurden. Insoweit hat der Gläubiger die Möglichkeit, den im Verteilungsverfahren nicht befriedigten Teil des Anspruchs nach Aufhebung des Verteilungsverfahrens weiter zu verfolgen. Der Schuldner, der sich vor Eröffnung eines Verteilungsverfahrens rechtskräftig verurteilen läßt, geht damit das Risiko einer erweiterten Haftung ein, sofern er sich nicht das Recht zur Haftungsbeschränkung vorbehalten hat (S 305a ZPO). In diesem Fall ist S 8 Abs 2 S 2 SVertO nicht anwendbar. 44 Im Zeitpunkt der Eröffnung des Verteilungsverfahrens noch anhängige Rechtsstreitigkeiten werden mit Erlaß des Eröffnungsbeschlusses bis zur Beendigung des Verteilungsverfahrens (Rn 55) oder bis zur Aufnahme des Rechtsstreits nach SS 19, 34 Abs 2 S 1 SVertO zur Entscheidung über einen Widerspruch (Rn 41) unterbrochen (SS 8 Abs 3, 41 SVertO). Dies gilt selbst dann, wenn die Eröffnung erst während des Revisionsrechtszugs und hierzu neuer Sachvortrag erfolgt. 45 Allerdings können bereits anhängige Rechtsstreitigkeiten auch nach der Eröffnung des Verteilungsverfahrens mit der Begründung fortgesetzt werden, der Schuldner könne seine Haftung für den streitgegenständlichen Anspruch nicht nach SS 4ff BinSchG beschränken. 45 Eine hilfsweise Anmeldung im Verteilungsverfahren bleibt in diesem Fall möglich, 47 um einen vollständigen Ausfall (vgl Rn 56) zu verhindern. Nach der Eröffnung des Verteilungsverfahrens ist eine Zwangsvollstreckung wegen 30 der vom Verteilungsverfahren erfaßten Ansprüche unzulässig. Das in SS 8 Abs 4 , 4 1 SVertO zur Geltendmachung dieser Unzulässigkeit vorgesehene Verfahren ist der 41 42 43 44 45 46 47

Korioth Neuregelung, 226 f; Rittmeister Haftungsbeschränkungsverfahren, 114. Vgl insoweit Art 13 Abs 1 CLNI. Vgl BGHZ 76, 206,210. Begr SeeVertO 1986, BT-Drs 10/3853, 24; Kittmeister Haftungsbeschränkungsverfahren, 117. BGHZ 104, 215,218. BGHZ 76, 206, 210; 104, 215, 218, 221. BGHZ 76, 206, 210f, 220ff.

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BinSchG S 5d

Durchführung der Haftungsbeschränkung

Vollstreckungsgegenklage (§§767, 769 ZPO) nachgebildet. Gem § § 8 Abs 6, 41 SVertO bleibt das Verteilungsverfahren und damit die dort gebundene Haftungsmasse von einem nach Eröffnung des Verteilungsverfahrens über das Vermögen des Schuldners eröffneten Insolvenzverfahren unberührt. UU kann es daher zu einer Besserstellung der Gläubiger im Verteilungsverfahren gegenüber den übrigen Massegläubigern kommen. Eine Aufrechnung gegen Forderungen, die der Haftungsbeschränkung im Verteilungsverfahren unterliegen, ist grundsätzlich ausgeschlossen (§§ 8 Abs 7 S 1, 41 SVertO), es sei denn, die Forderung, mit der aufgerechnet werden soll, entstammt dem gleichen Schadensereignis. 48 § 8 Abs 7 S 1 SVertO bestimmt ausdrücklich, daß das Aufrechnungsverbot nach § 8 Abs 7 S 1 SVertO die Vorschrift des Art 5 LondonHBÜ unberührt läßt. Es ist kein Grund erkennbar, weswegen für § 5a BinSchG, der die Regelung des Art 5 LondonHBÜ für die Binnenschiffahrt übernimmt, etwas anderes gelten sollte. §§ 8 Abs 7 S 2 , 4 1 SVertO versagen dem Gläubiger darüber hinaus die Verwertung von Sicherheiten, die für einen dem Verteilungsverfahren unterliegenden Anspruch bestehen. Zum Erlöschen der Sicherungsrechte führt dagegen erst die Feststellung des Anspruchs gem §§ 2 0 , 1 9 , 3 4 Abs 2 S 1 SVertO. Eine Zuwiderhandlung gegen das Verwertungsverbot führt nicht zur Unwirksamkeit der Verwertungshandlung, begründet aber eine Schadensersatzpflicht. 49 31 Gegen den Eröffnungsbeschluß ist der statthafte Rechtsbehelf die Erinnerung (§§ 12 Abs 4 , 3 4 Abs 2 S 1 SVertO). Die Einzelheiten des Verfahrens regelt § 12 Abs 3, 5 und 6 SVertO. Die Erinnerungsfrist beträgt einen Monat ab dem Zeitpunkt, in dem die in der öffentlichen Aufforderung bestimmte Frist zur Anmeldung der Ansprüche (§10 Abs 1 SVertO) abläuft. 50 Gegenstand der Erinnerung können nur die in dem Beschluß selbst enthaltenen Angaben (§§ 7 Abs 2, 40 SVertO) sein. 51 Ungeachtet des in § 12 Abs 5 SVertO geregelten Falles kann die Eröffnung des Verteilungsverfahrens auch nicht mit der Begründung angegriffen werden, der Antragsteller oder ein anderer Schuldner hafte dem Gläubiger unbeschränkt persönlich. 52 Diese Frage ist nicht vom Verteilungsgericht, sondern vom Prozeßgericht zu entscheiden. Da der Antragsteller durch den Eröffnungsbeschluß nicht beschwert ist, steht ihm das Recht, gegen den Beschluß Erinnerung einzulegen, nicht zu. 53 j)

Sachwalter (SS 9 , 3 4 Abs 2 S 1 SVertO)

32 Zusammen mit Eröffnung des Verteilungsverfahrens hat das Verteilungsgericht gem §§ 9, 34 Abs 2 S 1 SVertO einen sog Sachwalter zu bestimmen. Dessen Aufgaben und Befugnisse regelt § 9 Abs 2 SVertO. Zu seinen wesentlichen Aufgaben gehört es im In48 49 50 51 52 53

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Begr SeeVertO 1986, BT-Drs 10/3853, 24. Vgl insoweit auch $ 5a Rn 5. HerberVersR 1973,988. Korioth Neuregelung, 242. Korioth Neuregelung, 242. Korioth Neuregelung, 242. Herber VersR 1973, 989; Korioth Neuregelung, 242.

Erster Abschnitt. Schiffseigner

$ 5d BinSchG

teresse der Gläubiger, bereits vor dem allgemeinen Prüfungstermin (§§ 18, 34 Abs 2 S 1 SVertO) die angemeldeten Forderungen auf ihre Berechtigung hin zu überprüfen und diejenigen Ansprüche auszusortieren, die unberechtigt oder nicht teilnahmeberechtigt sind. 54 Da diese Beurteilung eine umfassende Kenntnis im Binnenschifffahrtsrecht voraussetzt, 55 und der Sachwalter uU auch Rechtsstreitigkeiten führen muß (S 9 Abs 2 Nr 1 SVertO), kommen als Sachwalter in erster Linie die auf dem Gebiet des Binnenschiffahrtsrechts tätigen Rechtsanwälte in Betracht.56 k)

Öffentliche Aufforderung (§§ 10,34 Abs 2 S 1 SVertO)

Ebenfalls zusammen mit dem Eröffnungsbeschluß muß das Verteilungsgericht eine 33 an alle Gläubiger gerichtete öffentliche Aufforderung erlassen, binnen einer bestimmten Frist ihre Ansprüche anzumelden. Gleichzeitig setzt das Gericht einen Termin zur Prüfung der angemeldeten Ansprüche, den sog allgemeinen Prüfungstermin, fest. Die Einzelheiten regeln §§ 10, 34 Abs 2 S 1 SVertO. Ist mit ausländischen Gläubigern zu rechnen, soll die Frist zur Forderungsanmeldung mindestens sechs Monate betragen. Zwischen Ablauf der Anmeldefrist und dem allgemeinen Prüfungstermin sollen mindestens eine Woche und höchstens zwei Monate liegen (S 10 Abs 1 SVertO). Den Inhalt der öffentlichen Aufforderung regelt § 10 Abs 2 SVertO. Die Aufforderung gilt auch für dem Gericht bereits bekannte Forderungen. Dem Schutz der neben dem Antragsteller möglicherweise vorhandenen weiteren Schuldnern dienen die Hinweise gem § 10 Abs 2 Nr 3 und 4 SVertO. Ergibt die öffentliche Aufforderung für ein Verteilungsverfahren, das gem §§ 1 Abs 5, 36 Abs 2 SVertO lediglich mit Wirkung für Ansprüche wegen Sachschäden eröffnet worden ist (Rn 8), daß Ansprüche wegen aus demselben Ereignis entstandener Personenschäden angemeldet werden, für die die Haftung beschränkt werden kann und deren Summe die in §§ 5e bzw 5h Abs 2 genannten Haftungshöchstbeträge übersteigt (vgl §§ 10 Abs 3,42 SVertO), so hat das Verteilungsgericht von Amts wegen das Verfahren auch auf diese Ansprüche auszudehnen und die Festsetzung der Haftungssumme entsprechend abzuändern (SS 16,44 SVertO). 1)

Öffentliche Bekanntmachung (SS 11, 34 Abs 2 S 1 SVertO)

Das Gericht hat neben der öffentlichen Aufforderung, dem allgemeinen Prüfungs- 34 termin (Rn33) und der Person und Anschrift des Sachwalters (Rn32) auch den wesentlichen Inhalt des Festsetzungsbeschlusses (Rn20) und des Eröffnungsbeschlusses (Rn 27ff) öffentlich gem § 11 Abs 2 SVertO bekanntzumachen. Durch die Zustellungsfiktion gem § 11 Abs 3 SVertO wird sichergestellt, daß die Rechtsmittel-

54 55 56

Rittmeister I LiFclingsbcschrllnkLingsverfahren, 127. Vgl zum Seerecht Heme M D R 1 9 7 2 , 9 1 0 . RiffmeisferHaftungsbeschränkungsverfahren, 128.

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BinSchG S 5d

Durchführung der Haftungsbeschränkung

fristen, die durch die öffentliche Bekanntmachung in Gang gesetzt werden (vgl §§ 10 Abs 1,12 Abs 3 SVertO), für alle Beteiligten einheitlich laufen. 57 m)

Anmeldung der Ansprüche ($§ 13 bis 1 5 , 3 4 Abs 2 S 1 , 4 3 SVertO)

35 Mit der Anmeldung der Ansprüche durch die Gläubiger beginnt das Feststellungsverfahren. Nur die angemeldeten Ansprüche finden im Verteilungsverfahren Berücksichtigung. Es ist die öffentlich bekannt gemachte Anmeldefrist zu beachten (Rn 33). Zwar ist ein verspätet angemeldeter Anspruch nicht automatisch vom Verteilungsverfahren ausgeschlossen, doch ist hierfür im Falle eines Widerspruchs ein besonderer Prüfungstermin auf Kosten des Gläubigers anzuberaumen (§ 18 SVertO iVm § 177 Abs 1 ZPO). Die Anmeldung muß die Höhe des geltend gemachten Betrages sowie den Anspruchsgrund, dh sämtliche tatsächliche Umstände, auf die der Anspruch gestützt wird, benennen (§13 Abs 1 SVertO). Da die Anmeldung allein eine eventuell unbeschränkte Haftung nicht entfallen läßt, kann der Gläubiger seinen Anspruch ohne Risiko auch fürsorglich anmelden. Die Geltendmachung des Anspruchs außerhalb des Verteilungsverfahrens entfällt erst unter den Voraussetzungen des § 24 SVertO. War über den Anspruch bereits zuvor rechtskräftig unter Berücksichtigung einer einredeweise geltend gemachten Haftungsbeschränkung entschieden worden, hindert dies nicht die uneingeschränkte Geltendmachung des Anspruchs im Verteilungsverfahren (§ 13 Abs 1 S 2 SVertO). Für die Form der Anmeldung gilt § 13 Abs 2 SVertO. Gem § 204 Abs 1 Nr 10 BGB wird durch die Anmeldung des Anspruchs die Verjährung gehemmt. Die Hemmung endet sechs Monate nach Beendigung des Verteilungsverfahrens (§ 204 Abs 2 BGB). 36 Die angemeldeten Ansprüche werden vom Urkundsbeamten in eine Tabelle eingetragen. Wird das Verteilungsverfahren sowohl für Personen- als auch für Sachschäden eröffnet (Rn8), wird jeweils eine gesonderte Tabelle geführt (§§ 13 Abs 3, 43 SVertO). In diese Tabelle wird nach erfolgter Prüfung eingetragen, ob ein Anspruch festgestellt ist (§ 19 Abs 2 SVertO). 37 Den Gegenstand der Anmeldung regeln §§ 14, 34 Abs 2 S 1 SVertO. Zinsen können nur insoweit geltend gemacht werden, als sie bis zur Eröffnung des Verteilungsverfahrens angefallen sind (§ 14 Abs 2 SVertO). Die darüber hinausgehenden Zinsansprüche unterfallen der Haftungsbeschränkung und können folglich auch nicht außerhalb des VerteilungsVerfahrens weiterverfolgt werden (§ 5 Rn 17). Die Kosten des Verteilungsverfahrens (§ 14 Abs 3 SVertO) unterliegen dagegen gem § 5 Nr 5 BinSchG nicht der Haftungsbeschränkung (§ 5 Rn 14) und können daher außerhalb des Verteilungsverfahrens uneingeschränkt gegen den Schuldner verfolgt werden. Ausnahmsweise kann gem § 14 Abs 5 SVertO ein Anspruch ohne Nennung eines konkreten Betrags angemeldet werden. In diesem Fall bedarf es ggf eines besonderen Prüfungs-

57

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Begr SeeVertO 1972, BT-Drs 6/2226,20.

Erster Abschnitt. Schiffseigner

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termins gem §§ 27, 34 Abs 2 S 1 SVertO. § 14 Abs 6 SVertO findet zB in dem Fall Anwendung, in dem die Eigner zweier an einer Kollision beteiligten Schiffe dem Eigentümer der Ladung eines der Schiffe als Gesamtschuldner haften. Da das Verteilungsverfahren immer schiffsbezogen ist (Rn 6), sind dann zwei getrennte Verteilungsverfahren durchzuführen. UU kann auch der Schuldner ein Interesse daran haben, daß ein Anspruch zum Ver- 38 teilungsverfahren angemeldet wird und dadurch bei der Verteilung der Haftungssumme mitberücksichtigt wird. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn der Schuldner den Anspruch bereits erfüllt hat, weshalb §§ 15, 34 Abs 2 S 1 SVertO dem Schuldner in diesem Fall ein Recht zur Anmeldung des Anspruchs gewähren, wenn er die Haftung hierfür hätte beschränken können. Dabei ist unerheblich, ob der Anspruch vor oder nach der Eröffnung des Verteilungsverfahrens erfüllt wurde (vgl § 15 S 2 SVertO). Anders als etwa im Insolvenzverfahren ist damit im Verteilungsverfahren eine völlige Gleichbehandlung der Gläubiger nicht gewährleistet. Hatte der Gläubiger den Anspruch bereits im Verteilungsverfahren geltend gemacht, tritt der Schuldner gem § 15 S 2 SVertO58 in die Stellung des Gläubigers ein und nimmt damit selbst an der Verteilung des von ihm errichteten Haftungsfonds teil. n)

Prüfungstermin (SS 18, 34 Abs 2 S 1 SVertO)

Nach Ablauf der Anmeldefrist findet der bereits mit dem Eröffnungsbeschluß be- 3 9 stimmte allgemeine Prüfungstermin statt, in dem die angemeldeten Ansprüche einzeln erörtert werden. Geprüft wird sowohl der Grund und die Höhe der Ansprüche als auch die Berechtigung der Gläubiger, ihren Anspruch in dem konkreten Verteilungsverfahren geltend zu machen. Im Prüfungsverfahren haben die Gläubiger ein Interesse daran, den Kreis der im Verteilungsverfahren versammelten Gläubiger möglichst klein zu halten, um selbst in den Genuß eines möglichst großen Anteils des Haftungsfonds zu gelangen. Demgegenüber ist der Schuldner bestrebt, möglichst viele seiner Gläubiger im Verteilungsverfahren zu versammeln, um sein sonstiges Vermögen soweit als möglich zu schonen. 59 o)

Feststellung der Ansprüche (§S 19, 34 Abs 2 S 1 , 4 5 SVertO)

Die Feststellung eines Anspruchs ist Voraussetzung dafür, daß er bei der Verteilung 4 0 des Haftungsfonds berücksichtigt wird. Ein Anspruch gilt gem §§ 19 Abs 1, 34 Abs 2 S 1 SVertO als festgestellt, soweit im Prüfungstermin hiergegen ein Widerspruch nicht erhoben wird oder ein erhobener Widerspruch beseitigt ist. Widerspruchsberechtigt sind neben den Gläubigern angemeldeter Ansprüche und dem Sachwalter (Rn32) auch der Schuldner selbst. Sachlich kann sich der Widerspruch sowohl auf

58 59

Vgl insoweit auch Art 12 Abs 2 CLNI. Vgl Rittmeister Haftungsbeschränkungsverfahren, 139f.

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BinSchG S 5d

Durchführung der Haftungsbeschränkung

den Grund und die Höhe des Anspruchs beziehen als auch auf die Teilnahmeberechtigung des Gläubigers. 60 Nicht festgestellt werden dürfen etwa Ansprüche, für die rechtskräftig feststeht, daß der Schuldner seine Haftung nicht beschränken kann (SS 25 S 1, 34 Abs 2 S 1 SVertO). Nach der Erörterung eines jeden Anspruchs hat das Gericht das Ergebnis in die Tabelle einzutragen (SS 19 Abs 1 S 1, 34 Abs 2 S 1 SVertO). Dabei muß der Eintrag ggf erkennen lassen, wer den Widerspruch erhoben hat und auf was er sich sachlich bezieht. 51 Die Wirkung der Eintragung beschränkt sich auf das konkrete Verfahren und hat somit keine Auswirkungen auf das Verhältnis zwischen Gläubiger und Schuldner außerhalb des Verteilungsverfahrens. 62 Andererseits erstreckt sie sich gem SS 19 Abs 2 S 2, 45 SVertO neben dem Sachwalter auf sämtliche Gläubiger und Schuldner aller Ansprüche, die an diesem Verteilungsverfahren beteiligt sind, ungeachtet dessen, ob diese aktiv an dem Verfahren teilnehmen oder nicht. 63 4 1 Wurde einem Anspruch widersprochen, muß der Gläubiger die Beseitigung des Widerspruchs erreichen, um mit dem Anspruch an der Verteilung teilnehmen zu können. $ 1 9 Abs 3 SVertO verweist insoweit auf die entsprechenden Vorschriften der InsO. War der streitige Anspruch noch nicht Gegenstand eines Erkenntnisverfahrens, muß der Gläubiger dieses Anspruchs im ordentlichen Verfahren, dh außerhalb des Verteilungs verfahrens, auf Feststellung der Forderung zur Tabelle klagen. Die gerichtliche Zuständigkeit folgt aus § 180 Abs 1 InsO, wonach in Abhängigkeit vom Streitwert entweder die Prozeßabteilung des Verteilungsgerichts (hierzu Rn 13) oder das für diesen Bezirk zuständige Landgericht zuständig ist. Dieser Verweis auf die InsO ist unglücklich, da es auf diese Weise auch im Feststellungsverfahren praktisch nie zur Zuständigkeit der eigentlich kompetenten Schiffahrtsgerichte kommen wird (Rn 13). Auch dies spricht dafür, die in § 37 Abs 3 SVertO vorgesehene Konzentration der Zuständigkeit auf wenige Verteilungsgerichte möglichst rasch herbeizuführen. Der Streitwert ist entsprechend S 182 InsO der Betrag, um den sich die auf den Gläubiger entfallende Quote bei Obsiegen voraussichtlich erhöhen wird. Passivlegitimiert ist der Bestreitende. Haben sowohl der Schiffseigner als auch der Sachwalter widersprochen, genügt eine Klage gegen den Sachwalter. 64 Mehrere Bekl sind aufgrund der Rechtskrafterstreckung gem § 183 Abs 1 InsO Streitgenossen iSv § 62 Abs 1 Alt 1 ZPO. 65 Nach Abschluß des Verfahrens wird auf Antrag der obsiegenden Partei durch das Verteilungsgericht die Tabelle berichtigt. 4 2 War im Zeitpunkt der Eröffnung des Verteilungsverfahrens über die streitige Forderung ein Rechtsstreit anhängig, ist die Feststellung gem S 180 Abs 2 InsO durch 60 61 62 63 64 65

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Korioth Neuregelung, 254; Kittmeister Haftungsbeschränkungsverfahren, 140f. Korioth Neuregelung, 255. Rittmeister Haftungsbeschränkungsverfahren, 142. So zutreffend Rittmeister Haftungsbeschränkungsverfahren, 142. BGH TranspR 1990,335,336. OLG Hamburg TranspR 1991, 304.

Erster Abschnitt. Schiffseigner

$ 5d BinSchG

Aufnahme des infolge § 8 Abs 3 SVertO unterbrochenen Rechtsstreits zu betreiben. Dies geschieht gem § 250 ZPO durch Einreichung eines Schriftsatzes bei dem Prozeßgericht, bei dem der unterbrochene Rechtsstreit anhängig war. Im aufgenommene Rechtsstreit nimmt der Widersprechende die Parteirolle des Schuldners ein. Haben Gläubiger und Schuldner jedoch arglistig zusammengewirkt oder hat der Schuldner den Rechtsstreit nachlässig geführt, muß der Gläubiger seinen Anspruch gegen den Widersprechenden mit einer neuen Klage verfolgen (§19 Abs 5 und 6 SVertO). In diesem Fall ist so zu verfahren, wie wenn der streitige Anspruch noch nicht Gegenstand eines Erkenntnisverfahrens wäre (Rn 41). Haben mehrere Personen der Forderung widersprochen, ist der Rechtsstreit gegenüber sämtlichen Widersprechenden gleichzeitig aufzunehmen. 55 Der Klageantrag ist umzustellen auf Feststellung der bestrittenen Forderung zur Tabelle. 57 Ist der streitige Anspruch bereits tituliert (§$ 704 Abs 1, 794 ZPO), muß der Bestrei- 43 tende den Widerspruch außerhalb des Verteilungsverfahrens gerichtlich verfolgen (§ 179 Abs 2 InsO). Die prozessuale Form, in der der Widerspruch zu verfolgen ist, richtet sich nach der Art des Titels. Ist dieser bereits rechtskräftig, kommt nur noch eine Vollstreckungsgegenklage gem § 767 ZPO in Betracht, ausnahmsweise Restitutions· und Nichtigkeitsklage. Bei noch nicht rechtskräftigen Titeln ist der Rechtstreit gem § 250 ZPO zB durch Einlegung des entsprechenden Rechtsmittels aufzunehmen. 68 Unter den Voraussetzungen des § 19 Abs 5 SVertO muß der Widersprechende den Titel nicht gegen sich gelten lassen. Jedoch obliegt es auch in diesem Fall dem Widersprechenden, den Widerspruch zu verfolgen (Rn 41), und ist auch hier der Antrag darauf zu richten, den erhobenen Widerspruch für begründet zu erklären. 59 Die Wirkungen der Feststellung eines Anspruchs sind in den §§ 20 bis 22 SVertO 4 4 beschrieben. Gem § 20 SVertO führt die Feststellung grundsätzlich zum Erlöschen von Sicherungsrechten, die für den festgestellten Anspruch bestanden. Die Entstehung von Eigentümerpfandrechten bei akzessorischen Sicherheiten ist denkbar. Sicherungsrechte erlöschen nicht, soweit sie von einem Dritten, der im Hinblick auf die Beschränkbarkeit der Haftung gutgläubig war, erworben worden waren. Bei einer späteren Einstellung des Verfahrens (§17 SVertO) wird der Gläubiger, der seine Sicherungsrechte durch die Feststellung endgültig verloren hat, dadurch geschützt, daß er an dem Anspruch des Einzahlers auf Rückzahlung der Haftungssumme ein Pfandrecht erhält (§§ 20 Abs 3 , 4 SVertO). Gem § 21 SVertO kann der Schuldner nach der Feststellung beantragen, daß eine nach § 8 Abs 4 SVertO vorläufig eingestellte Zwangsvollstreckung endgültig eingestellt wird. § 22 SVertO setzt den Zeitpunkt, in dem bei Ansprüchen, die nicht zum Verteilungsverfahren angemeldet wurden, die

66 67 68 69

BGHZ 76, 206, 209f; Kittmeister Haftungsbeschränkungsverfahren, 148f. BGHZ 76,206,209; Rittmeister Haftungsbeschränkungsverfahren, 149. Rittmeister Haftungsbeschränkungsverfahren, 145. Rittmeister Haftungsbeschränkungsverfahren, 147.

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BinSchG S 5d

Durchführung der Haftungsbeschränkung

Sicherungsrechte erlöschen und in dem die endgültige Einstellung der Zwangsvollstreckung anzuordnen ist, auf das Ende des allgemeinen Prüfungstermins fest. 45 In § 24 S 2 SVertO ist ferner bestimmt, daß mit Feststellung des Anspruchs und nach Ablauf einer Frist von einem Monat die persönliche Haftung des Schuldners für diesen Anspruch erlischt, wenn der Gläubiger nicht nachgewiesen hat, daß er den Schuldner gerichtlich mit der Begründung in Anspruch genommen hat, daß der Schuldner außerhalb des Verteilungsverfahrens unbeschränkt haftet. Ist dies der Fall, wird im Verteilungsverfahren gem § 26 Abs 4 Nr 3 SVertO der auf den betreffenden Anspruch entfallende Teil der Haftungssumme bis zur Klärung der Rechtslage zurückbehalten. p)

Verteilung der Haftungssumme

4 6 An der Verteilung der Haftungssumme nehmen alle Gläubiger von festgestellten Ansprüchen teil. Gem §§ 23 Abs 1, 34 Abs 2 S 1 SVertO entfällt auf jeden Gläubiger grundsätzlich der Teil der Haftungssumme, der seinem Anteil am Gesamtbetrag der festgestellten Ansprüche entspricht (Verteilungsdividende). 4 7 Erfaßt ein Verteilungsverfahren für Ansprüche wegen der Anspruchsklassen Α und D Ansprüche wegen Personenschäden und Sachschäden, sind aus der Gesamthaftungssumme zum Zweck der Verteilung zwei Teilsummen zu bilden, die jeweils den Haftungshöchstbeträgen nach § 5e und § 5f bzw § 5h Abs 2 Nr 1 und 2 BinSchG entsprechen (§ 46 Abs 2 SVertO). Diese Teilsummen stehen grundsätzlich allein für die j eweilige Gläubigergruppe zur Verfügung. Werden j edoch Gläubiger von Ansprüchen wegen Personenschäden aus der ihnen allein zur Verfügung stehenden Teilsumme nicht vollständig befriedigt, nehmen sie mit dem jeweils verbliebenen Restbetrag gleichrangig neben den Gläubigern der Ansprüche wegen Sachschäden auch an der Verteilung der für die Sachschäden zur Verfügung stehenden Teilsumme teil (§§ 23 Abs 3 S 4, 34 Abs 2 S 1 SVertO, 5g BinSchG). Umgekehrt steht nicht vollständig befriedigten Gläubigern von Ansprüchen wegen Sachschäden eine etwa nicht restlos verteilte Teilsumme für Ansprüche wegen Personenschäden nicht zur Verfügung (vgl § 23 Abs 3 S 3 SVertO).70 Die Möglichkeit, die Haftungssumme für Sachschäden gem § 5f BinSchG auch zur Befriedigung der Gläubiger von Ansprüchen wegen Personenschäden heranzuziehen, besteht unabhängig davon, ob überhaupt Sachschäden entstanden sind. 71 Im Ergebnis kommt es dadurch zu einer Erhöhung des Haftungshöchstbetrags für Ansprüche wegen Personenschäden, die bereits bei der Festsetzung der Haftungssumme zu beachten ist (Rn 20). Für das Binnenschiffahrtsrechtliche Verteilungsverfahren ist diese Privilegierung der Gläubiger von Ansprüchen wegen Personenschäden durch Art 6 Abs l c CLNI vorgegeben. Die Verteilung der auf die Ansprüche

70 71

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RittmdstCTHaftungsbeschränkungsverfahren, 157. Denkschrift CLNI, BT-Drs 13/8220,28.

Erster Abschnitt. Schiffseigner

$ 5d BinSchG

wegen Personenschäden entfallenden Teilsumme kann vorgezogen werden, wenn sich die Erstellung des Verzeichnisses für Sachschäden etwa wegen langwieriger Feststellungsprozesse verzögert. 72 Trotz Feststellung ist ein Anspruch dann von der Verteilung ausgeschlossen, wenn 4 8 nach der Feststellung im Verteilungsverfahren rechtskräftig gerichtlich erkannt wird, daß der Schuldner die Haftung für den Anspruch nicht beschränken kann (SS 25 S 2, 34 Abs 2 S 1 SVertO). Hat hingegen der Gläubiger bereits die auf ihn entfallende Verteilungsdividende ganz oder teilweise entgegengenommen, bleibt es gem SS 24 S 1, 25 S 3, 34 Abs 2 S 1 SVertO bei seiner Beteiligung am Verteilungsverfahren und dabei, daß eine persönliche Inanspruchnahme des Schuldners außerhalb des Verteilungsverfahrens ausgeschlossen ist (zu S 24 S 1 SVertO vgl Rn 53). Nach dem Willen des Gesetzgebers soll auf diese Weise die Verteilung endgültig zur Ruhe gebracht werden, 73 obwohl die übrigen am Verteilungsverfahren beteiligten Gläubiger hierdurch ganz erheblich benachteiligt werden können. Vom Grundsatz der Gleichrangigkeit aller an der Verteilung teilnehmenden An- 4 9 Sprüche macht S 4 6 Abs 1 SVertO iVm S 5f Abs 2 BinSchG für das Binnenschiffahrtsrechtliche Verteilungsverfahren für Ansprüche der Anspruchsklassen Α und D insofern eine Ausnahme, als bestimmte Ansprüche - regelmäßig solche der öffentlichen Hand - wegen Beschädigung von Hafenanlagen, Hafenbecken, Wasserstraßen, Schleusen, Brücken und Navigationshilfen, dh insbesondere Schiffahrtszeichen, Vorrang vor sonstigen Ansprüchen wegen Sachschäden haben. Vgl hierzu auch S 5f Rn 3f. Nehmen an der Verteilung gem S 5g S 1 BinSchG auch Ansprüche wegen Personenschäden teil, gehen diese gleichrangig mit den durch S 5g Abs 2 BinSchG privilegierten Ansprüchen wegen Beschädigung von Hafenanlagen etc den Ansprüchen wegen sonstiger Sachschäden vor (S 5g Rn 2). Ebenfalls vorrangig befriedigt werden Kostenansprüche gem S 3 1 Abs 2 SVertO (SS 23 Abs 4, 34 Abs 2 S 1 SVertO), wobei die Kosten aus einem Rechtsstreit über Ansprüche wegen Personenschäden aus der Teilsumme für Personenschäden zu entnehmen sind und Kosten aus einem Rechtsstreit über Ansprüche wegen Sachschäden aus der für diese Ansprüche bestimmten Teilsumme (§ 46 Abs 2 S 3 SVertO).

50

SS 23 Abs 5, 34 Abs 2 S 1 SVertO regeln die Rückzahlung des nicht verteilten Rests der Haftungssumme.

51

Das Verfahren bei der Verteilung ist in SS 4 6 , 3 4 Abs 2 S 1 , 4 7 SVertO detailliert und in enger Anlehnung an die entsprechenden Vorschriften der InsO geregelt. Bestrittene, noch nicht titulierte Ansprüche (SS 19 Abs 1, 34 Abs 2 S 1 SVertO) werden bei der Verteilung nur nach Maßgabe von S 26 Abs 3 SVertO berücksichtigt. Ist der geforderte

52

72 73

Rahe SeeHR Anh § 487e HGB Rn 73. Begr SeeVertO 1972, BT-Drs 6/2226,26.

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BinSchG S 5d

Durchführung der Haftungsbeschränkung

Nachweis rechtzeitig erbracht, wird gem § 26 Abs 4 Nr 1 SVertO der auf sie entfallende Anspruch zurückbehalten. Gemäß § 26 Abs 6 SVertO kann eine Versäumnis der zweiwöchigen Ausschlußfrist des § 26 Abs 3 SVertO zwar nachgeholt werden, doch steht für eine dann durchzuführende weitere Verteilung (§§ 28, 34 Abs 2 S 1 SVertO) nur noch der nach der ersten Verteilung verbliebene Rest der Haftungssumme zur Verfügung. q)

Erlöschen der persönlichen Haftung (§§ 24 S 1 , 3 4 Abs 2 S 1 SVertO)

53 Spätestens dann, wenn ein am Verteilungsverfahren teilnehmender Gläubiger den auf ihn entfallenden Teil der Haftungssumme ganz oder teilweise entgegen nimmt, steht fest, daß er den Schuldner nicht mehr außerhalb des Verteilungsverfahrens unbeschränkt persönlich in Anspruch nehmen kann (§§ 24 S 1, 34 Abs 2 S 1 SVertO). Durch diese Regelung soll verhindert werden, daß der Gläubiger zunächst im Verteilungsverfahren die auf ihn entfallende Verteilungsdividende erhält, um dann später den Schuldner zusätzlich persönlich in Anspruch zu nehmen. 74 r)

Aufhebung des Verfahrens und Nachtragsverteilung (SS 29, 34 Abs 2 S 1 SVertO)

54 Das Verteilungsgericht hebt das Binnenschiffahrtsrechtliche Verteilungsverfahren durch Beschluß auf, wenn die Haftungssumme verteilt ist oder nur noch Teile der Haftungssumme nach § 26 Abs 4 Nr 1 und 3 SVertO (Rn 45, 52) oder nach § 33 SVertO zurückzubehalten sind (§§ 29 Abs 1 S 1 , 3 4 Abs 2 S 1 SVertO). In allen anderen Fällen, in denen zunächst noch Anteile zurückzubehalten waren (§§ 26 Abs 4 Nr 2, 26 Abs 5 SVertO), kann das Verteilungsverfahren noch nicht aufgehoben werden, da hierfür noch ein Prüfungstermin abgehalten werden muß. 7 5 Damit beendet der Aufhebungsbeschluß das Verteilungsverfahren nur dann endgültig, wenn keine Anteile der Haftungssumme mehr zurückzubehalten sind. Ist dies jedoch der Fall, findet gem §§ 29 Abs 2, 34 Abs 2 S 1 SVertO eine Nachtragsverteilung statt, mit deren Abschluß, je nach Ergebnis des Rechtsstreits, der zurückbehaltene Anteil entweder an den Gläubiger auszuzahlen oder auf die übrigen Gläubiger aufzuteilen ist. 76 55 Mit Aufhebung des Verteilungsverfahrens endet die gem § 8 Abs 3 SVertO durch den Eröffnungsbeschluß bewirkte Unterbrechung von Rechtsstreitigkeiten (Rn29). Betrifft der Rechtsstreit einen Anspruch, der dem Verteilungsverfahren unterlag, hat sich der Rechtsstreit mit der Berücksichtigung des Anspruchs im Verteilungsverfahrens erledigt. 77 Das Prozeßgericht hat dann nur noch über die Kosten zu entscheiden (§ 91a ZPO). Rechtsstreitigkeiten über Ansprüche, die der Haftungsbeschränkung nicht unterliegen, wurden durch den Eröffnungsbeschluß nicht unterbrochen. Er-

74 75 76 77

90

Begr SeeVertO 1972, BT-Drs 6/222S, 26. Begr SeeVertO 1972, BT-Drs 6/2226,27. Begr SeeVertO 1972, BT-Drs 6/222S, 27. Korioth Neuregelung, 273; Rittmeister Haftungsbeschränkungsverfahren, 165.

Erster Abschnitt. Schiffseigner

$ 5d BinSchG

lischt die persönliche Haftung des Schuldners hierfür auch nicht gern § 24 SVertO ( R n 4 5 , 53), können diese Rechtsstreitigkeiten ungeachtet der Aufhebung des Verteilungsverfahrens weitergeführt werden. Ansprüche, die der Haftungsbeschränkung unterliegen, aber nicht angemeldet wor- 5 6 den waren, erlöschen ohne weiteres auch ohne Berücksichtigung bei der Verteilung und können daher auch nicht mehr nach Aufhebung des Verteilungsverfahrens weiterverfolgt werden. 78 War die Zwangsvollstreckung wegen Ansprüchen, die der Haftungsbeschränkung 5 7 unterliegen, mit Eröffnung des Verteilungsverfahrens bereits unzulässig geworden (S 8 Abs 4 SVertO), ist die Zwangsvollstreckung mit Aufhebung des Verteilungsverfahrens endgültig einzustellen, sofern dies nicht bereits gem § 22 Abs 2 SVertO geschehen ist (Rn 44). Etwas anderes gilt gem §§ 8 Abs 2 S 2, 34 Abs 2 S 1 SVertO nur insofern, als der Schuldner bereits vor Eröffnung des Verteilungsverfahrens zur Zahlung eines höheren Betrags rechtskräftig verurteilt worden ist, als bei der Verteilung der Haftungssumme auf diesen Anspruch entfiel, und er deshalb auch nicht befriedigt worden ist (Rn 29). In der Höhe des verbliebenen Restanspruchs kann die Zwangsvollstreckung nach Aufhebung des Verteilungs Verfahrens fortgesetzt werden. s)

Kosten des Verteilungsverfahrens (SS 31 bis 3 3 , 3 4 Abs 2 S 1 SVertO)

Die mit der Tätigkeit des Sachwalters verbundenen Kosten sind grundsätzlich vom 5 8 Antragsteller zu tragen (SS 31 Abs 1, 34 Abs 2 S 1 SVertO). Zu diesen Kosten zählen die Vergütung und die Auslagen des Sachwalters sowie die vom Sachwalter aufgewandten Kosten der Verwaltung und der Verwahrung von Sicherheiten. Nicht hierunter fallen dagegen die Kosten von Rechtsstreitigkeiten über im Verteilungsverfahren angemeldete Ansprüche und über das Recht ihrer Gläubiger auf Teilnahme an dem Verteilungsverfahren, sofern sie aus der Prozeßführung des Sachwalters entstehen. Diese Kosten fallen gem SS 31 Abs 2 Nr 1, 34 Abs 2 S 1 SVertO der Haftungssumme zur Last. Die Höhe der angemessenen Vergütung und Auslagen des Sachwalters wird vom Gericht festgesetzt (§S 9 Abs 6, 34 Abs 2 S 1 SVertO). In Betracht kommt eine analoge Anwendung der Verordnung des Bundesministerium für Justiz über die Vergütung des Insolvenzverwalters, des Vergleichverwalters, der Mitglieder des Gläubigerausschusses und der Mitglieder des Gläubigerbeirats. 79 Sind die vom Antragsteller zu tragenden Kosten bei diesem nicht beitreibbar, fallen sie der Haftungssumme zur Last (SS 32 Abs 3, 34 Abs 2 S 1 SVertO). Um dies zu verhindern, soll das Verteilungsgericht das Verteilungsverfahren gem SS 32 Abs 2, 34 Abs 2 S 1 SVertO grundsätzlich nur eröffnen, wenn der Antragsteller einen entsprechenden Vorschuß eingezahlt hat.

78 79

Herta VersR 1973, 986; Korioth Neuregelung, 273. Rittmeister I LiFclingsbcschrllnkLingsverfahren, 167.

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BinSchG S 5d

Durchführung der Haftungsbeschränkung

59 Die Kosten des Verteilungsgerichts 80 fallen gem § 25 GKG ebenfalls dem Antragsteller zur Last, wobei sich die Höhe dieser Kosten am Betrag der festgesetzten Haftungssumme orientiert (§ 59 GKG). 60 Ebenfalls vom Antragsteller zu tragen sind die Gebühren und Auslagen der Rechtsanwälte, die ihn und die Gläubiger im Verteilungsverfahren vertreten. Der Kostenerstattungsanspruch der Gläubiger gegen den Antragsteller ist ein materiell-rechtlicher Schadensersatzanspruch, der nicht der Haftungsbeschränkung unterliegt (§ 5 Rn 14). Die Höhe der Gebühren richtet sich nach den Nr 3313, 3314, 3317 und 3320 des Vergütungsverzeichnisses zum RVG. Zum Gegenstandswert vgl Rn 59. Es ist zu beachten, daß die Feststellungsverfahren zur Beseitigung von Widersprüchen (Rn 41) gesonderte Verfahren darstellen, für die gesonderte Gebühren anfallen (Nr3100ff des Vergütungsverzeichnisses zum RVG). Für die Kostenerstattung gelten die §§ 91ff ZPO. t)

Errichtung eines Fonds in einem anderen Vertragsstaat der CLNI (S 52 SVertO)

61 Gem Art 13 Abs 1 CLNI soll ein Gläubiger nach Errichtung eines Haftungsfonds für einen Anspruch nur dann kein Recht gegen das übrige Vermögen des Schuldners mehr haben, wenn er diesen Anspruch bereits gegen den Fonds geltend gemacht hat. Demgegenüber bestimmen §§ 8, 41 SVertO weitergehend, 81 daß Klagen bzw Zwangsvollstreckungen wegen beschränkter Ansprüche unabhängig davon unzulässig werden, ob der Anspruch zuvor gegen den Haftungsfonds geltend gemacht wurde. Dies gilt allerdings nur dann, wenn der Haftungsfonds im Inland errichtet worden ist. Wurde ein Fonds dagegen in einem anderen Vertragsstaat errichtet, kommen gem § 52 SVertO die §§ 8, 41 SVertO entsprechend Art 13 Abs 1 CLNI nur zur Anwendung für Ansprüche, die bereits gegen den Fonds geltend gemacht wurden. Durch die Errichtung des Fonds im Ausland kann der Schuldner somit die Inanspruchnahme im Inland nicht automatisch verhindern. 82 Nach dem Willen des Gesetzgebers soll es der Rechtsprechung überlassen bleiben, ob im Einzelfall der Errichtung eines Fonds in einem Nichtvertragsstaat dieselbe Sperrwirkung beigemessen werden soll wie die Errichtung eines Fonds in einem Vertragsstaat der CLNI.83 Maßgeblich wird insoweit die Ausgestaltung des Verteilungsverfahrens nach dem jeweiligen nationalen Recht sein. 62 Gemäß § 52 Abs 2 SVertO ist indes auch bei Errichtung eines Fonds in einem anderen Vertragsstaat die Vollziehung eines Arrests aufzuheben und entsprechende Sicherheitsleistungen freizugeben. 80 81 82 83

92

Vgl § 3 Abs 2 GKG Anl 1 Nr 2410ff. Vgl hierzuRftrnidster Haftungsbeschränkungsverfahren, 123f. Rittmeister Haftungsbeschränkungsverfahren, 180. Begr GÄHB, BT-Drucksache 13/8446,26.

Erster Abschnitt. Schiffseigner

3.

Haftungsbeschränkung durch Einrede (§ 5d Abs 3)

a)

Allgemeines

$ 5d BinSchG

Anders als durch die Errichtung eines Haftungsfonds in einem Binnenschiffahrts- 63 rechtlichen Verteilungsverfahren (§ 5d Abs 2), die zu einer gegenständlichen Haftungsbeschränkung auf die eingezahlte Haftungssumme führt, kann der Schuldner gem § 5d Abs 3 in Übereinstimmung mit Art 10 CLNI seine Schuld für Ansprüche nach § 4 im Erkenntnisverfahren auch dadurch summenmäßig beschränken, daß er die Haftungsbeschränkung im Wege einer Einrede geltend macht. Die Erhebung der Einrede im Erkenntnisverfahren führt grundsätzlich zu einer unter Berücksichtigung der Haftungshöchstbeträge der §§ 5eff nur eingeschränkten Verurteilung. Ausnahmsweise unter den Voraussetzungen des § 305a ZPO erfolgt eine uneingeschränkte Verurteilung, wobei dem Schuldner allerdings dann das Recht vorbehalten bleibt, seine Haftung zu beschränken, wenn ein Fonds gem § 5d Abs 2 errichtet worden ist oder bei Geltendmachung des Rechts auf Haftungsbeschränkung errichtet wird.84 Durch die Möglichkeit der Einredeerhebung soll einem Bedürfnis der Praxis entsprochen werden, wonach häufig auch die Gläubiger kein Interesse an der Durchführung eines komplizierten und aufwendigen Verteilungsverfahrens haben, sondern vielmehr eine rasche Verurteilung, wenn auch unter Berücksichtigung der Haftungsbeschränkung, wünschen.85 Die Wahl des Schuldners zwischen Durchführung eines Verteilungsverfahrens und Erhebung der Einrede ist nicht eingeschränkt.85 b)

Erhebung der Einrede

Das Prozeßgericht berücksichtigt die Haftungsbeschränkung nicht von Amts wegen, 64 sondern nur, wenn sich der beklagte Schuldner hierauf einredeweise beruft. Die formlos mögliche Erhebung der Einrede kann schon vor Klageerhebung und noch in der Revisionsinstanz erfolgen.87 Ein einseitiger Verzicht auf die Erhebung der Einrede durch den Schuldner ist möglich, wobei der Verzicht auf einzelne Gläubiger beschränkt werden kann. 88 Unterläßt es der Schuldner, die Einrede der Haftungsbeschränkung zu erheben, und beantragt er auch nicht vor seiner rechtskräftigen (unbeschränkten) Verurteilung die Durchführung eines Verteilungsverfahrens, riskiert er allerdings gem §§ 8 Abs 2 S 2, 41 SVertO eine uneingeschränkte Inanspruchnahme durch den Gläubiger (Rn 29). 89

84 85 86 87 88 89

Denkschrift CLNI, BT-Drs 13/8220, 31; AG Duisburg-Ruhrort Urt ν 7. 7.2005 (Az 5 C 12/00 BSch). Begr 2. SRÄG, BT-Drs 10/3852,21. Rabe SeeHR Art 10 LondonHBÜ Rn S. Rabe SeeHR Art 10 LondonHBÜ Rn 1; vgl auch BGHZ 104,215,218; aA Herber Haftungsrecht, 89. Rittmeister Haftungsbeschränkungsverfahren, 187f. Rittmeister Haftungsbeschränkungsverfahren, 189f.

93

BinSchG S 5d c)

Durchführung der Haftungsbeschränkung

Wirkungen der Einredeerhebung im Erkenntnisverfahren

65 Hat der Beklagte die Einrede der Haftungsbeschränkung erhoben, hat das Prozeßgericht bei Beurteilung der Frage, in welcher Höhe der gegen den Beklagten geltend gemachte Anspruch besteht, mit Ausnahme des Falls des § 305a ZPO (Rn69) so zu verfahren, als sei ein Verteilungsverfahren eingeleitet worden. 90 Herber spricht insofern von einem „fiktiven Verteilungsverfahren". Das Gericht muß folglich zunächst die entsprechende Haftungssumme ermitteln. Für die Verteilung sind gem § 23 Abs 1 SVertO iVm § 5d Abs 3 S 2 Halbs 1 sämtliche vom Beklagten dargelegten und bewiesenen, 91 zu derselben Anspruchsklasse gehörenden Ansprüche Dritter zu berücksichtigen, wobei die Forderungen der öffentlichen Hand gem § 46 Abs 1 SVertO iVm § 5d Abs 3 S 1 Halbs 1 privilegiert sind. §§ 23 Abs 3 S 1, 3 und 4 (Rn 49) und § 26 Abs 4 bis 6 SVertO finden ebenfalls Anwendung (§ 5d Abs 3 S 2 Halbs 1). Zu berücksichtigen sind auch solche Ansprüche, die der Schuldner bereits befriedigt hat (§15 SVertO iVm § 5d Abs 3 S 2 Halbs 1), sofern der Schuldner das Bestehen des Anspruchs und dessen Befriedigung beweist. Der Kläger kann das Bestehen und die Höhe der vom Schuldner dargelegten Ansprüche regelmäßig mit Nichtwissen bestreiten. Nicht beweisen muß der Schuldner hingegen, daß die anderen Gläubiger ihre Ansprüche bereits gegen ihn erhoben haben. 92 Übersteigt die Summe des eingeklagten Anspruchs und der vom Schuldner dargelegten und bewiesenen anderweitigen Ansprüche nicht den ermittelten Haftungshöchstbetrag, erfolgt eine uneingeschränkte Verurteilung. 66 Da das Prozeßgericht iRd fiktiven Verteilungsverfahrens auch über die Beschränkbarkeit der Haftung für Ansprüche anderweitiger Gläubiger befindet, hat der beklagte Schuldner die Möglichkeit, diesen Gläubigern gem § 72 ZPO den Streit zu verkünden. 93 Diese Streitverkündeten können dann dem Rechtsstreit auf Seiten des Schuldners beitreten und diesen dabei im eigenen Interesse unterstützen, den Anspruch des klagenden Gläubigers soweit als möglich zu schmälern, um die eigenen Chancen im Verteilungsverfahren oder in der Zwangsvollstreckung zu erhöhen. d)

Auswirkungen der Einrede auf ein nachfolgendes Verteilungsverfahren

67 Aus §§ 13 Abs 1 S 2, 34 Abs 2 S 1 SVertO folgt, daß die Beantragung eines Binnenschiffahrtsrechtlichen Verteilungsverfahrens nicht dadurch unzulässig wird, daß zuvor in einem Erkenntnisverfahren unter Berücksichtigung der Beschränkungseinrede entschieden wurde. Das Erfordernis eines nachfolgenden Verteilungsverfahrens kann sich aus Sicht des Schuldners insbesondere dann ergeben, wenn neue Ansprüche auftauchen, die im Erkenntnisverfahren noch nicht berücksichtigt wurden, oder 90 91 92 93

94

Herber Haftungsrecht, 92. Herta-Haftungsrecht, 138. Riitmastei-Haftungsbeschränkungsverfahren, 190f. Rabe SeeHR Art 10 LondonHBÜ Rn 9; Herber Haftungsrecht, 93f.

$ 5d BinSchG

Erster Abschnitt. Schiffseigner

wenn sich bereits berücksichtigte Ansprüche nachträglich erhöhen. 94 Hat das nachfolgende Verteilungsverfahren zum Ergebnis, daß dem Gläubiger aus der Haftungssumme nur ein geringerer Betrag zusteht als der Betrag, zu dem der Schuldner bereits rechtskräftig verurteilt wurde, hat der Gläubiger ggf nach §§ 8 Abs 2 S 2, 41 SVertO die Möglichkeit, den übersteigenden Betrag im Wege der Zwangsvollstrekkung bei dem Schuldner persönlich beizutreiben. Allerdings setzt dies voraus, daß der Gläubiger selbst am Verteilungsverfahren teilgenommen und seinen Anspruch auch angemeldet hat. 95 Ist der auf den Gläubiger im Verteilungsverfahren entfallende Betrag dagegen höher als der Urteilsbetrag, etwa weil anderweitige Gläubiger ihre Forderung nicht anmelden oder weil erhobene Widersprüche gegen angemeldete Forderungen nicht beseitigt werden können, so ist dem Gläubiger die komplette Verteilungsdividende zuzuerkennen. Der Schuldner wird hierdurch nicht benachteiligt, da er auch dann nicht über den Haftungshöchstbetrag hinaus haftet. 95 Aus §§ 8 Abs 2, Abs 4 , 4 1 SVertO folgt, daß der Gläubiger selbst dann an einem nach- 68 folgenden Verteilungsverfahren teilnehmen muß, wenn ihm sein Anspruch bereits rechtskräftig zuerkannt worden ist. Außerhalb des Verteilungsverfahrens ist eine Zwangsvollstreckung aus einem rechtskräftigem Titel nur noch möglich, soweit der titulierte Anspruch bei der Verteilung der Haftungssumme infolge Erschöpfung des Fonds nicht befriedigt wurde.97 e)

Vorbehaltsurteil (§ 305a ZPO)

Erhebt der beklagte Schuldner die Einrede der Haftungsbeschränkung und begrün- 69 det dies damit, daß gegen ihn neben der Klageforderung aus demselben Schadensereignis noch andere Gläubiger Ansprüche gegen ihn erheben würden, für die er ebenfalls die Haftung beschränken könne, und daß die Summen der insgesamt gegen ihn gerichteten Ansprüche die jeweiligen Haftungshöchstbeträge überschreiten würden, hat das Prozeßgericht gem § 305a ZPO die Möglichkeit, die Haftungsbeschränkung unberücksichtigt zu lassen und den Schuldner in voller Höhe zu verurteilen. Voraussetzung hierfür ist allerdings, daß die Erledigung des Rechtsstreits wegen Ungewißheit über Grund oder Höhe der weiteren Ansprüche nach der freien Überzeugung des Gerichts nicht unwesentlich erschwert wäre. Dies ist nur dann der Fall, wenn der Kläger die anderen vom Schuldner behaupteten Ansprüche dem Grunde oder der Höhe nach bestreitet und das Gericht hierüber somit Beweis erheben müßte. 98 Die anderweitigen Ansprüche müssen demnach zumindest zweifelhaft sein. Das Gericht hat seine Entscheidung, die Einrede unberücksichtigt zu lassen,

94 95 96 97 98

Rittmeister I LiFclingsbcschrllnkLingsverfahren, Rittmeister Haftungsbeschränkungsverfahren, Rittmeister Haftungsbeschränkungsverfahren, Rittmeister Haftungsbeschränkungsverfahren, Vgl OLG Karlsruhe TranspR 2007, 7 5 , 7 8 .

194. 197. 196. 197.

95

BinSchG S 5d

Durchführung der Haftungsbeschränkung

konkret zu begründen." Zieht das Gericht eine Entscheidung nach § 305a ZPO in Betracht, hat es die Parteien hierauf gem § 139 ZPO hinzuweisen. 100 70 In dem Urteil hat das Gericht dem Schuldner im Urteilstenor gemäß § 305a ZPO vorzubehalten, das Recht auf Beschränkung der Haftung durch Errichtung eines Haftungsfonds zu einem späteren Zeitpunkt geltend zu machen. 101 Eines Antrags seitens des Schuldners bedarf es hierfür nicht. 102 Ist dem Schuldner das Recht auf spätere Geltendmachung der Haftungsbeschränkung vorbehalten worden und hat er den Gläubiger dennoch voll befriedigt, hat er gem SS 15, 34 Abs 2 S 1 SVertO die Möglichkeit, den Anspruch in einem nachfolgenden Verteilungsverfahren anzumelden. Wird der Anspruch anerkannt, erhält der Schuldner aus dem Fonds den auf diesen Anspruch entfallenden Anteil ausbezahlt. Unterbleibt der Vorbehalt und wird das Urteil rechtskräftig, entfällt dagegen die Möglichkeit einer späteren Haftungsbeschränkung. 103 f)

Zwangsvollstreckung aus einem Vorbehaltsurteil (§ 786a ZPO)

71 Die Realisierung des dem Schuldner im Urteil vorbehaltenen Rechts zur späteren Haftungsbeschränkung erfolgt im Falle der Zwangsvollstreckung durch den Gläubiger gem § 786a iVm SS 780 Abs 1, 781 ZPO. Der Schuldner muß der Zwangsvollstreckung das Recht zur Haftungsbeschränkung entgegenhalten. Hierzu muß er im In- oder Ausland ein Binnenschiffahrtsrechtliches Verteilungsverfahren einleiten. Unterläßt er dies, ist das Urteil uneingeschränkt vollstreckbar. 104 72 Ist ein Verteilungsverfahren im Inland zwar beantragt, wurde es aber noch nicht eröffnet, hat das Verteilungsgericht die Möglichkeit, die Zwangsvollstreckung ggf gegen Sicherheitsleistung für längstens drei Monate einzustellen. Mit Eröffnung des Verteilungsverfahrens wird die Zwangsvollstreckung unzulässig (SS 8 Abs 4, 5 SVertO iVm § 786a Abs 2 Nr 2 ZPO). Die Unzulässigkeit der Zwangsvollstreckung ist im Rahmen einer der Vollstreckungsklage gem § 767 ZPO nachgebildeten Klage beim Prozeßgericht des ersten Rechtszugs geltend zu machen. Dieses ist bei seiner Prüfung an die Feststellung im Vorbehaltsurteil gebunden. 105 Im Falle der Feststellung des titulierten Anspruchs im Verteilungsverfahren wird die Zwangsvollstrekkung auf Antrag des Schuldners durch das Vollstreckungsgericht endgültig eingestellt (SS 21, 34 Abs 2 S 1 SVertO).

99 100 101 102 103 104 105

96

Rittmeister Haftungsbeschränkungs verfahren, 201. Begr 2. SRÄG, BT-Drs 10/3852,36; Herber Haftungsrecht, 141. Vgl insofern AG Duisburg-Ruhrort Urt ν 7. 7 . 2 0 0 5 (Az 5 C 12/00 BSch). MuKoZVO/Musielak $ 305a Rn 2; Zöller/Vollkommer ZPO $ 305a Rn 5; Herber Haftungsrecht, 141. Hefter Haftungsrecht, 91. Herber Haftungsrecht, 143. Rittmeister Haftungsbeschränkungsverfahren, 205.

Erster Abschnitt. Schiffseigner

s 5e BinSchG

Hat der Schuldner im Ausland ein Verteilungsverfahren eingeleitet, ist § 786a 73 Abs 2 Nr 3 ZPO anwendbar. Hat der Gläubiger den titulierten Anspruch gegen den Haftungsfonds geltend gemacht, verweist § 786a Abs 2 Nr 3 iVm § 34 SVertO wiederum auf §§ 8 Abs 4 und 5 SVertO (Rn 72). Hat der Gläubiger den Anspruch dagegen nicht gegen den Haftungsfonds geltend gemacht, hilft dem Schuldner nur eine Klage bzw ein Antrag auf einstweilige Anordnung gem §§ 767, 769, 770 ZPO. 105 Zuständig ist das Prozeßgericht im ersten Rechtszug (§ 767 Abs 1 ZPO). Ist gegen den Schuldner ein Vorbehaltsurteil eines ausländischen Gerichts ergan- 74 gen, ist § 786a Abs 2 ZPO entsprechend anwendbar, wenn dem Schuldner vorbehalten wurde, seine Haftung durch Errichtung eines Fonds nach der CLNI geltend zu machen (§ 786a Abs 3 ZPO). Demnach hatte der Schuldner auch in diesem Fall die Möglichkeit, entweder im Inland oder in einem anderen Vertragsstaat der CLNI nach den dort geltenden Verfahrensvorschriften ein Verteilungsverfahren einzuleiten.

$5e [Haftungsbeschränkung für Personenschäden] (1) Der Haftungshöchstbetrag, auf den die Haftung für die Gesamtheit der aus demselben Ereignis entstandenen Ansprüche wegen Personenschäden beschränkt werden kann, wird, sofern es sich nicht um Ansprüche im Sinne der §§ 5h und 5k handelt, wie folgt berechnet: 1. Für ein Fahrgastschiff oder ein anderes Schiff, das nach seiner Zweckbestimmung nicht der Beförderung von Gütern dient, sind, soweit sich nicht aus den Nummern 3 und 4 etwas anderes ergibt, 200 Rechnungseinheiten je Kubikmeter Wasserverdrängung bei höchstzulässigem Tiefgang des Schiffes anzusetzen, bei Schiffen mit eigener Antriebskraft vermehrt um 700 Rechnungseinheiten je Kilowatt Leitungsfähigkeit der Antriebsmaschinen. 2. Für ein Schiff, das nach seiner Zweckbestimmung der Beförderung von Gütern dient, sind 200 Rechnungseinheiten je Tonne Tragfähigkeit des Schiffs anzusetzen, bei Schiffen mit eigener Antriebskraft vermehrt um 700 Rechnungseinheiten je Kilowatt Leistungsfähigkeit der Antriebsmaschinen. 3. Für ein Schlepp- oder Schubboot sind 700 Rechnungseinheiten je Kilowatt Leistungsfähigkeit der Antriebsmaschinen anzusetzen. 4. Für einen Bagger, Kran, Elevator oder eine sonstige schwimmende oder bewegliche Anlage und ein Gerät ähnlicher Art ist der Wert, den die Anlage oder das Gerät im Zeitpunkt des haftungsbegründenden Ereignisses hatte, anzusetzen. 106 Zöller/SföberZPO § 786a Rn 4.

97

BinSchG § 5e

Haftungsbeschränkung für Personenschäden

(2) Für ein Schubboot, das im Zeitpunkt des haftungsbegründenden Ereignisses starr mit einem oder mehreren Schubleichtern zu einem Schubverband verbunden war, erhöht sich der für das Schubboot nach Absatz 1 Nr. 3 anzusetzende Betrag um 100 Rechnungseinheiten je Tonne Tragfähigkeit der Schubleichter, soweit nicht das Schubboot für einen oder mehrere dieser Schubleichter Bergungsmaßnahmen erbracht hat. Erhöht sich der Haftungshöchstbetrag für das Schubboot nach Satz 1, so vermindert sich für jeden starr mit dem Schubboot verbundenen Schubleichter der Haftungshöchstbetrag für alle aus demselben Ereignis entstandenen Ansprüche um den gleichen Betrag. Satz 2 gilt jedoch nicht für einen Anspruch des für das Schubboot haftenden Schuldners gegen den für einen mit dem Schubboot starr verbundenen Schubleichter haftenden Schuldner auf Ausgleichung im Innenverhältnis (3) Absatz 2 gilt entsprechend für ein Schiff mit eigener Antriebskraft, das im Zeitpunkt des haftungsbegründenden Ereignisses mit einem oder mehreren Schiffen fest gekoppelt war, die nicht Anlagen oder Geräte im Sinne des Absatzes 1 Nr. 4 darstellen, sowie für die gekoppelten Schiffe, jedoch mit der Maßgabe, daß sich für das fortbewegende Schiff der nach Absatz 1 anzusetzende Betrag um 100 Rechnungseinheiten je Kubikmeter Wasserverdrängung oder je Tonne Tragfähigkeit der anderen Schiffe erhöht. (4) In jedem Falle beträgt der Haftungshöchstbetrag mindestens 200.000 Rechnungseinheiten, soweit es sich nicht um Leichter handelt, die nur zum Umladen in Häfen verwendet werden.

Übersicht Rn 1. Allgemeines 2. Fahrgastschiffe und andere als Güterschiffe (§ 5e Abs 1 Nr 1)

1 2-4

3. Gütermotorschiffe (§ 5e Abs 1 Nr 2)

5-6

4. Schlepp- und Schubboote ($ 5e Abs 1 Nr 3)

7-8

5. Geräte und Anlagen ($ 5e Abs 1 Nr 4) 6. Schubverbände ($ 5e Abs 2)

9-10 11-13

7. Koppelverbände (§ 5e Abs 3) 8. Mindesthaftungsbetrag ($ 5e Abs 4)

14-15 16

1.

Allgemeines

1 Unmittelbar regelt § 5e in Übereinstimmung mit Art 6 Abs la CLNI allein die Berechnung des Haftungshöchstbetrags für die Gesamtheit der aus demselben Ereignis (§ 5a Rn 3) entstandenen Ansprüche wegen Personenschäden (§ 5a Rn 10). Da jedoch das Gesetz (zB §§ 5f, 5h, 5i) auch im Zusammenhang mit anderen Schadensarten auf § 5e verweist, stellt sich diese Vorschrift als Zentralnorm für die Be98

Erster Abschnitt. Schiffseigner

s 5e BinSchG

rechnung der Haftungshöchstbeträge im Bereich der Binnenschiffahrt dar. Zur Privilegierung der Personenschäden gegenüber etwaigen Sachschäden vgl § 5g. § 5e gilt trotz Vorliegens von Personenschäden dann nicht, wenn die Schäden durch vom Schiffseigner beförderte gefährliche Güter verursacht wurden oder Reisende zu Schaden gekommen sind. Die hierfür einschlägigen §§ 5h und 5k gehen § 5e vor. Gesonderte Haftungshöchstbeträge für Ansprüche wegen Personenschäden gelten ferner zugunsten des Bergers und des Lotsen (§ 5i). Für die Berechnung der Haftungshöchstbeträge unterscheidet § 5e für die Binnenschiffahrt anders als Art 6 LondonHBÜ, der für das Seerecht auf die Bruttoraumzahl (BRZ) des Schiffes abstellt, nach dem verwendeten Schiffstyp sowie dessen Größe und Antriebskraft. Die Abweichung von den seerechtlichen Bestimmungen hängt in erster Linie mit den Unterschieden bei der üblichen Beschreibung der Größe von Binnenschiffen und Seeschiffen zusammen. Darüber hinaus sollte der enormen Schiffstypenvielfalt in der Binnenschiffahrt Rechnung getragen werden.1 Bei der Festsetzung der Haftungshöchstbeträge wurde außer im Falle der Geräte und Anlagen gem §5e Abs 1 Nr 4 auf den durchschnittlichen Wert eines Schiffes mit einem Alter von zehn bis fünfzehn Jahren sowie die durchschnittlichen Versicherungswerte von Motorgüterschiffen abgestellt.2 Außer bei Leichtern, die nur zum Umladen in Häfen verwendet werden, gilt ein genereller Mindesthaftungsbetrag von 200.000 Rechnungseinheiten (§ 5e Abs 4). Der Haftungshöchstbetrag wird in Rechnungseinheiten ausgedrückt, wobei eine Rechnungseinheit gem § 51 einem Sonderziehungsrecht des Internationalen Währungsfonds entspricht. Zur Umrechnung des Sonderziehungsrechts in Euro und zum hierfür maßgeblichen Zeitpunkt vgl § 51. Keine Bedeutung hat § 5e für die Frage nach der Haftung dem Grunde nach. Dies gilt insbesondere auch für die Frage, inwieweit der Eigner eines Leichters für ein schuldhaftes Verhalten der Besatzung des Schubbootes einzustehen hat.3

2.

Fahrgastschiffe und andere als Güterschiffe (§ 5e Abs 1 Nr 1)

Fahrgastschiffe iSv § 5e Abs 1 Nr 1 sind Schiffe, die der Beförderung von Personen 2 auf Binnengewässern dienen (vgl § 2 Abs 3 S 2 Nr 2 BinSchUO). Die Erhöhung des Haftungshöchstbetrags bei eigener Antriebskraft belegt, daß es im Rahmen des § 5e Abs 1 Nr 1 nicht darauf ankommt, ob das Fahrgastschiff über einen eigenen Antrieb verfügt. Da gem § 4 Abs 5 auch Eigner von Kleinfahrzeugen in den Genuß der globalen Haftungsbeschränkung kommen können, kommt es auf die Größe des Schiffes nicht an. Andere Schiffe, die nicht der Beförderung von Gütern dienen, sind zB solche, mit 3 denen Personen unentgeltlich befördert werden, Fähren (§4 Rn23), Versorgungs1 2 3

Denkschrift CLNI, BT-Drs 13/8220,27; Korioth Neuregelung, 166. Denkschrift CLNI, BT-Drs 13/8220,27. Begr GÄHB, BT-Drs 13/8446, 27.

99

BinSchG § 5e

Haftungsbeschränkung für Personenschäden

und Bunkerschiffe, Schubschiffe 4 oder Binnenschiffe, die wie Boote der Wasserschutzpolizei oder Feuerwehr in amtlichen Diensten stehen. 5 Auch Sportboote würden hierunter fallen, doch kann der Eigentümer eines Sportboots gern § 4 Abs 1 S 1 seine Haftung generell nicht begrenzen. Ausdrücklich ausgenommen sind die besonders geregelten Wasserfahrzeuge, Geräte und Anlagen iSv § 5e Abs 1 Nr 3 und Nr 4. 4 Für die vorbenannten Schiffe gilt ein Haftungshöchstbetrag von 200 Rechnungseinheiten je Kubikmeter Wasserverdrängung bei höchstzulässigem Tiefgang. Die Berechnung der Wasserverdrängung ist in §§ 26, 6 Abs 2 BinSchEVO geregelt. Maßgebend sind die amtlichen Angaben im Schiffsattest. Verfügt das Schiff über einen eigenen Antrieb, erhöht sich der Haftungshöchstbetrag um 700 Rechnungseinheiten je Kilowatt Leistungsfähigkeit der Antriebsmaschine. Im Falle der Verletzung oder Tötung von Reisenden sind die gesonderten Haftungshöchstbeträge des § 5k zu beachten. Speziell bei den „anderen Schiffen" iSv § 5e Abs 1 Nr 1 wird häufig der Mindesthaftungshöchstbetrag zum Tragen kommen.

3.

Gütermotorschiffe (S 5e Abs 1 Nr 2)

5 Unter § 5e Abs 1 Nr 2 fallen alle Arten von Schiffen, die zur Beförderung von Gütern bestimmt sind. Maßgeblicher Zeitpunkt für die Beurteilung des Bestimmungszwecks ist der Schadenseintritt, so daß Schiffe, die auch nur vorübergehend anderen Zwecken als der Güterbeförderung dienen, nicht § 5e Abs 1 Nr 2, sondern § 5e Abs 1 Nr 1 unterliegen. 6 Auf den Aggregatzustand der Güter kommt es nicht an, so daß auch Tankmotorschiffe unter § 5e Abs 1 Nr 2 fallen, sofern nicht Gefahrgüter transportiert werden und damit § 5h zur Anwendung kommt. Gleiches gilt für Containerschiffe und (unmotorisierte) Leichter. Fähren unterfallen § 5e Abs 1 Nr 1 (Rn 3). 6 Der Haftungshöchstbetrag bei Gütermotorschiffen setzt sich zusammen aus 200 Rechnungseinheiten je Tonne der maximalen Tragfähigkeit und, sofern vorhanden, 700 Rechnungseinheiten je Kilowatt Leistungsfähigkeit der Antriebsmaschine. Zu den Antriebsmaschinen zählen auch kleinere Schottelantriebe, nicht dagegen Bugstrahlruder, da diese nicht dem Antrieb, sondern allein der Steuerung der Schiffe dienen. Auf die im Zeitpunkt des Schadenseintritts tatsächlich transportierte Gütermenge kommt es nicht an. Bsp: Für ein Gütermotorschiff mit einer Tragfähigkeit von 1.5001 und einer Antriebskraft von 800 KW gilt ein Haftungshöchstbetrag von 200 Rechnungseinheiten χ 1.5001 + 700 Rechnungseinheiten χ 800 KW = 860.000 Rechnungseinheiten. Außer bei Leichtern, die lediglich zum Umladen in Häfen bestimmt sind, ist gem § 5e ein Mindesthaftungsbetrag von 200 Rechnungseinheiten zu beachten.

4 5 6

Korioth Neuregelung, 169. Begr GÄHB, BT-Drs 13/844S, 27. Korioth Neuregelung, 167f.

100

Erster Abschnitt. Schiffseigner

4.

s 5e BinSchG

Schlepp- und Schubboote (§ 5e Abs 1 Nr 3)

Schubboote sind Wasserfahrzeuge, die, ohne eine eigene Möglichkeit zur Ladungs- 7 aufnähme zu besitzen, 7 dazu bestimmt sind, andere Schiffe ohne eigene Antriebskraft, insbesondere Leichter, durch Schieben fortzubewegen. Keine Schubboote iSv § 5e Abs 1 Nr 3 sind daher Gütermotorschiffe, die selbst Gütern transportieren oder transportieren können, auch wenn sie stets oder im Einzelfall mit anderen Schiffen, die der Güterbeförderung dienen, mittels eines abgeflachten Schuberkopfs fest verbunden sind und damit einen sog Koppelverband bilden. Schleppboote erfüllen den gleichen Zweck wie Schubboote, indem sie andere Wasserfahrzeuge nicht schieben, sondern schleppen. In der Praxis kommen sie heute nur noch ausnahmsweise vor (§ 92e Rn 2ff). Da Schlepp- und Schubboote keine eigene Tragfähigkeit haben, ist hier für die Be- 8 rechnung des Haftungshöchstbetrags allein auf die Antriebskraft abzustellen, wobei für jedes Kilowatt Leistungsfähigkeit der Antriebsmaschine 700 Rechnungseinheiten anzusetzen sind. Bsp: Der Haftungshöchstbetrag eines Schubboots mit einer Antriebskraft von 1.200 KW beträgt 1.200 KW χ 700 Rechnungseinheiten = 840.000 Rechnungseinheiten. Ist das Schubboot im Zeitpunkt des Schadensereignisses starr mit einem oder mehreren anderen Schiffen zu einer Einheit verbunden, erhöht sich der Haftungshöchstbetrag gem § 5e Abs 2 (Rn 1 lf). 5.

Geräte und Anlagen (§ 5e Abs 1 Nr 4)

§ 5e Abs 1 Nr 4 erfaßt sämtliche schwimmenden und beweglichen Anlagen und Ge- 9 räte. Die Aufzählung von Bagger, Kran und Elevator ist nur beispielhaft. Anlagen und Geräte an Land werden nicht erfaßt, selbst wenn sie der Schiffahrt zu dienen bestimmt sind. Gem § 1.01 Nr 24 RheinSchUO sind Anlagen schwimmende Einrichtungen, die wie eine Badeanstalt, ein Dock, eine Landebrücke oder ein Bootshaus „in der Regel nicht zur Fortbewegung bestimmt" sind. Da § 5c Abs 1 Nr 4 jedoch speziell auf die „Beweglichkeit" der Anlage abstellt, werden hiervon nur solche Anlagen erfaßt, die grundsätzlich aus ihren Verankerungen gelöst und schwimmend von einem Ort an einen anderen verlegt werden können. Da diese Anlagen und Geräte in ihrer Ausstattung und daher ihrem Wert ganz er- 10 heblich voneinander abweichen können, scheidet die Festsetzung eines Haftungshöchstbetrags auf der Grundlage eines Pauschalwertes, berechnet anhand der Antriebskraft, der Tragfähigkeit oder der Wasserverdrängung, aus.8 Das Gesetz stellt daher auf den Wert der Anlage oder des Geräts im Zeitpunkt des Schadensereignisses ab. Insbesondere bei Spezialanfertigungen oder bei Anlagen und Geräten, die schon

7 8

Vgl Begr GÄHB, BT-Drs 13/8446, 27. Korioth Neuregelung, 170; Begr GÄHB, BT-Drs 13/8446,27; Denkschrift CLNI, BT-Drs 13/8220,28.

101

BinSchG § 5e

Haftungsbeschränkung für Personenschäden

länger in Gebrauch sind, wird der Wert regelmäßig nur mit Hilfe eines Sachverständigen zu ermitteln sein. Der Mindesthaftungsbetrag gern § 5e Abs 4 ist zu beachten. 6.

Schubverbände (§ 5e Abs 2)

11 Durch die starre Verbindung eines Schubboots iSv § 5e Abs 1 Nr 3 und einem oder mehreren Schubleichtern wird ein Schubverband gebildet. Erfaßt werden nicht nur Streckenschubverbände, sondern auch solche, die zur Verholung von Leichtern innerhalb eines Hafens gebildet werden. Wer Eigner des Schubleichters ist, ist unerheblich.9 Nicht unter § 5e Abs 2 fallen dagegen Schubverbände dann, wenn ihre Bildung der Bergung des Leichters dient. Durch diese Regelung soll verhindert werden, daß die gegenseitige Hilfeleistung in Havariefällen allein deshalb unterbleibt, weil der Eigner des Schubboots eine Erhöhung des für ihn geltenden Haftungshöchstbetrags befürchtet. 10 Hierzu gehört die Verholung eines havarierten Leichters zu einem sicheren Liegeplatz, nicht dagegen die Verbringung des Leichters zur Werft. In diesem Fall ist das Privileg des Bergers nicht mehr gerechtfertigt. Wird der Schubverband nicht durch ein Schubboot (Rn 7), sondern durch ein Gütermotorschiff iSv § 5e Abs 1 Nr 3 bewegt, gilt nicht § 5e Abs 2, sondern § 5e Abs 3. 12 Da nach Auffassung des Gesetzgebers die von einem Schubverband ausgehende Gefahr gegenüber der von dem Schubboot allein ausgehenden erhöht ist, erhöht das Gesetz auch den Haftungshöchstbetrag des Schubboots in diesem Fall um einhundert Rechnungseinheiten je Tonne Tragfähigkeit des Leichters auf. Bsp: Ein Schubboot mit einer Antriebsleistung von 1.200 KW ist mit zwei Schubleichtern mit einer Tragfähigkeit von jeweils 1.200 t verbunden. Der Haftungshöchstbetrag für das Schubboot erhöht sich auf 840.000 Rechnungseinheiten + 240.000 Rechnungseinheiten = 1.080.000 Rechnungseinheiten. 13 Dagegen wird der Haftungshöchstbetrag für die Leichter im Schubverband nicht erhöht. Vielmehr reduziert sich dieser gem § 5e Abs 2 S 2 um den Betrag, um den sich der Haftungshöchstbetrag des Schubbootes nach § 5e Abs 2 S 1 erhöht (Rn 12), falls der Eigner des Schubbootes und der Eigner des Leichters einem Dritten gesamtschuldnerisch haften. Hintergrund dieser Regelung ist der Umstand, daß der Eigner des Schubbootes und der Eigner des Leichters ihre jeweilige Haftungsbeschränkung in unterschiedlichen Verteilungsverfahren geltend machen müssen (§ 5d Rn 6) und der Gläubiger folglich dann, wenn zwar einerseits der Haftungshöchstbetrag des Schubbootes erhöht, der Haftungshöchstbetrag des Schubleichters aber andererseits nicht reduziert würde, eine nicht gerechtfertigte Bevorzugung erfahren würde. 11 Im vorigen Bsp (Rn 12) verringert sich der Haftungshöchstbetrag für jeden Leichter auf

9 10 11

Begr GÄHB, BT-Drs 13/8446, 28. Begr GÄHB, BT-Drs 13/844S, 28. Begr GÄHB, BT-Drs 13/8446, 28.

102

Erster Abschnitt. Schiffseigner

s 5e BinSchG

240.000 Rechnungseinheiten - 120.000 Rechnungseinheiten = 120.000 Rechnungseinheiten, wobei Abs 4 indes auch hier zu beachten ist. Allerdings bleibt der Ausgleich zwischen Schubbooteigner und Leichtereigner im Innenverhältnis von dieser Regelung unberührt (§ 5e Abs 2 S 3). Wird daher der Eigner des Schubleichters vom Eigner des Schubbootes in Anspruch genommen, hat es bei der Haftung nach § 5e Abs 1 Nr 2 für Schiffe ohne eigene Antriebskraft sein Bewenden.12 7.

Koppelverbände (§ 5e Abs 3)

Durch § 5e Abs 3 werden den von § 5e Abs 2 erfaßten Schubverbänden andere feste 14 Verbindungen von Schiffen gleichgestellt. Betroffen sind insbesondere Koppelverbände von mehreren mit eigenem Antrieb versehenen Schiffen, von denen lediglich eines seinen Antrieb nutzt. Nach dem ausdrücklichen Gesetzeswortlaut darf es sich bei den gekoppelten Fahrzeugen nicht um Anlagen oder Geräte iSv § 5e Abs 1 Nr 4 handeln. Wird eine Anlage oder Gerät gekoppelt, bleibt es bei den jeweiligen sich aus § 5e Abs 1 ergebenden Haftungshöchstbeträgen. Da § 5e Abs 3 eine feste Koppelung voraussetzt, ist er auch nicht auf Schleppverbände anwendbar. Auch in diesen Fällen bleibt es j eweils bei den nicht erhöhten bzw reduzierten Haftungshöchstbeträgen.13 Für die an Koppelverbänden iSv § 5e Abs 3 beteiligten Schiffe sind die jeweiligen 15 Haftungshöchstbeträge entsprechend § 5e Abs 2 zu erhöhen bzw zu reduzieren (Rn 12f). Für die Veränderung der Haftungshöchstbeträge ist ausschließlich auf die Wasserverdrängung (§ 5e Abs 1 Nr 1) bzw die Tragfähigkeit (§ 5e Abs 1 Nr 2) abzustellen. Da die gekoppelten, dh von einem anderen Schiff fortbewegten Schiffe im Falle der Koppelung ihren eigenen Antrieb nicht nutzen, bleibt dieser bei der Ermittlung des Haftungshöchstbetrags außer Betracht. 14 Bsp: Ein Koppelverband besteht aus zwei Gütermotorschiffen mit einer Tragfähigkeit von jeweils 1.500 t und einer Antriebskraft von 800 KW. Gem § 5e Abs 3 iVm Abs 2 erhöht sich der Haftungshöchstbetrag des antreibenden Schiffs um 1.500 t χ 100 Rechnungseinheiten = 150.000 Rechnungseinheiten auf 860.000 Rechnungseinheiten + 150.000 Rechnungseinheiten = 1.010.000 Rechnungseinheiten. Der Haftungshöchstbetrag des nicht angetriebenen Schiffs reduziert sich auf 860.000 Rechnungseinheiten 150.000 Rechnungseinheiten = 710.000 Rechnungseinheiten. Für das Innenverhältnis der Eigner des bewegenden und der bewegten Schiffe gilt § 5e Abs 2 S 3 entsprechend (Rn 13).

12 13 14

Begr GÄHB, BT-Drs 13/8446, 28. Begr GÄHB, BT-Drs 13/844S, 29. Begr GÄHB, BT-Drs 13/8446, 28.

103

BinSchG S 5f 8.

Haftungsbeschränkung für Sachschäden

Mindesthaftungsbetrag (§ 5e Abs 4)

16 Durch die Regelung in § 5e Abs 4 soll sichergestellt werden, daß die Gläubiger auch bei von kleineren Schiffen verursachten Schäden eine hinreichende Entschädigung erhalten. Die Ausnahmeregelung für Leichter, die nur zur Umladung in Häfen verwendet werden, geht auf einen Vorbehalt der Bundesregierung gern Art 18 Abs l e CLNI zurück, die insbesondere für Hafenschuten, von denen idR nur ein geringes Gefährdungspotential ausgeht, keinen Mindesthaftungsbetrag wollte. 15 Der Wert solcher nichtmotorisierter Schuten ist regelmäßig deutlich geringer als der Betrag von 200.000 Rechnungseinheiten.

SSf [Haftungsbeschränkung für Sachschäden] (1) Der Haftungshöchstbetrag, auf den die Haftung für die Gesamtheit der aus demselben Ereignis entstandenen Ansprüche wegen Sachschäden beschränkt werden kann, beträgt, sofern es sich nicht um Ansprüche im Sinne des § 5h handelt, die Hälfte der nach § 5e maßgebenden Haftungshöchstbeträge. (2) Bei der Befriedigung aus dem in Absatz 1 genannten Haftungshöchstbetrag haben Ansprüche wegen Beschädigung von Hafenanlagen, Hafenbecken, Wasserstraßen, Schleusen, Brücken und Navigationshilfen den Vorrang. 1.

Allgemeines

1 § 5f regelt den Haftungshöchstbetrag für alle aus demselben Ereignis (§ 5a Rn 3) entstandenen Ansprüche wegen Sachschäden (§ 4 Rn 12ff). Unanwendbar ist § 5f auf Ansprüche wegen Schäden durch gefährliche Güter, für die gem § 5h ein gesonderter Haftungshöchstbetrag gilt. Zugunsten des Bergers und des Lotsen gelten gem § 5i auch für Ansprüche wegen Sachschäden eigene Haftungshöchstbeträge. 2.

Haftungshöchstbetrag (§ 5f Abs 1)

2 Der Haftungshöchstbetrag für Ansprüche wegen Sachschäden beträgt die Hälfte der nach § 5e für Personenschäden maßgebenden Haftungshöchstbeträge. Dies gilt auch für den Mindesthaftungshöchstbetrag nach § 5e Abs 4.

15

Begr GÄHB, BT-Drs 13/8446, 29.

104

Erster Abschnitt. Schiffseigner

3.

§ 5g BinSchG

Vorrang von Ansprüchen der öffentlichen Hand

Der deutsche Gesetzgeber hat mit § 5f Abs 2 von der in Art 6 Abs 2 CLNI vorgesehe- 3 nen Möglichkeit Gebrauch gemacht, Ansprüche wegen Schäden an bestimmten, regelmäßig öffentlichen Einrichtungen gegenüber Ansprüchen wegen sonstiger Sachschäden zu privilegieren. Dies führt dazu, daß diese Schäden bei der Verteilung der Haftungssumme iRd Verteilungsverfahrens gem § 46 Abs 1 SVertO vorab und zwar soweit als möglich vollständig bedient werden (§ 5d Rn 49). Der Gesetzgeber hält diese Privilegierung für erforderlich, um im Interesse der gesamten Schiffahrt die Bereitstellung leistungsfähiger Hafenanlagen, Wasserstraßen und Navigationshilfen zu fördern. 1 Die Privilegierung gilt allerdings auch für private Betreiber solcher Anlagen. Zu den Hafenanlagen gehören die Hafenmauern, Kaitreppen, Dalben, Leitwerke, 4 Festmacherringe, Kräne und Gleisanlagen. Teil des Hafenbeckens ist auch die Hafensohle. Zum Schutzbereich der Schleusen gehören das Ober- und Unterwasser, sämtliche Leitwerke, Bojen und Tonnen, Schleusentore, sowie alle Schutzeinrichtungen, Wände der Schleusenkammern und Festmachevorrichtungen. Zu den Brücken gehören Leitwerke, Bojen, Radar- und Überwachungseinrichtungen. Navigationshilfen sind in erster Linie die entlang der Wasserstraßen angebrachten Schiffahrtszeichen sowie die ausgelegten Tonnen, daneben aber auch Schwimmstangen.

$ 5g [Zusammentreffen von Personen- und Sachschäden] Reicht der nach § 5e maßgebende Haftungshöchstbetrag für Ansprüche wegen Personenschäden zur vollen Befriedigung dieser Ansprüche nicht aus, so steht der nach § 5f Abs. 1 errechnete Betrag zur Befriedigung der nicht befriedigten Restansprüche nach § 5e zur Verfügung. Die Restansprüche wegen Personenschäden haben hierbei den gleichen Rang wie die Ansprüche wegen Sachschäden; § 5f Abs. 2 ist insoweit nicht anzuwenden. 1.

Allgemeines

Hintergrund der Vorschrift des § 5g ist der Umstand, daß für die Ansprüche wegen 1 Personenschäden und wegen Sachschäden aus demselben Ereignis zwar ein einheitliches Verteilungsverfahren durchgeführt wird (§§ 1 Abs 4, 36 Abs 1 Nr 1 SVertO) aber jeweils gesonderte Haftungssummen nach § 5e bzw § 5f zu berechnen und ein1

Begr GÄHB, BT-Drs 13/8446,29; Herder Haftungsrecht, 25.

105

BinSchG S 5h

Gefahrliche Güter

zubezahlen sind (§ 5d Rn 20, 47). § 5g regelt den Fall, daß die für Ansprüche wegen Personenschäden zur Verfügung stehende Haftungssumme nicht ausreicht. 2.

Verhältnis von Personen- und Sachschäden

2 Reicht die für Personenschäden eingezahlte Haftungssumme zur Befriedigung sämtlicher Gläubiger von Ansprüchen wegen Personenschäden nicht aus, können diese in folgender Weise auch auf die Haftungssumme für Sachschäden zurückgreifen: Sind Ansprüche wegen Sachschäden nicht festgestellt worden, steht den Gläubigern von Ansprüchen wegen Personenschäden die Haftungssumme für Sachschäden vollständig zur Verfügung. Nehmen dagegen Ansprüche wegen Sachschäden an der Verteilung teil, haben die Restansprüche wegen Personenschäden den gleichen Rang wie die Ansprüche wegen Sachschäden. § 5g S 2 Halbs 2 stellt klar, daß in diesem Fall die Ansprüche wegen Beschädigung öffentlicher Einrichtungen iSv § 5f Abs 2 keinen Vorrang vor den Ansprüchen wegen Personenschäden genießen. 1 Der Vorrang gegenüber den sonstigen Sachschäden bleibt indes bestehen. 2 Vgl hierzu auch § 5d Rn49.

$ 5h [Gefährliche Güter] (1) Für die Gesamtheit der aus demselben Ereignis entstandenen Ansprüche wegen Dritten entstandener Schäden durch gefährliche, auf dem Schiff des Schuldners beförderte Güter gilt, wenn die Ansprüche nicht solche nach § 22 Wasserhaushaltsgesetz sind, ein gesonderter Haftungshöchstbetrag. Der Haftungshöchstbetrag steht ausschließlich zur Befriedigung der in Satz 1 genannten Ansprüche zur Verfügung. Gefährliche Güter im Sinne von Satz 1 sind die der Anlage Α zur Verordnung über die Beförderung gefährlicher Güter auf dem Rhein (ADNR) (Anlage 1 zur Verordnung zur Inkraftsetzung der Verordnung über die Beförderung gefährlicher Güter auf dem Rhein und der Verordnung über die Beförderung gefährlicher Güter auf der Mosel vom 21. Dezember 1994, BGBl. II S. 3830, 3831) in der jeweils in der Bundesrepublik Deutschland in Kraft gesetzten Fassung. (2) Der nach Absatz 1 maßgebliche Haftungshöchstbetrag beträgt

1

Begr GÄHB, BT-Drs 1 3 / 8 4 4 6 , 2 9 : „Der Vorrang der in § Sf Abs. 2 . . . aufgeführten Ansprüche wirkt nicht gegenüber Ansprüchen wegen Personenschäden."

2

Vgl insoweit au ch Rittmeister I laftu ngsbcsch ran ku η gs verfall ren, 159; Herber Haftungsrecht, 78.

106

Erster Abschnitt. Schiffseigner

§ 5h BinSchG

1. für die Gesamtheit der aus demselben Ereignis entstandenen Ansprüche wegen Personenschäden das Dreifache der nach § 5e maßgebenden Haftungshöchstbeträge, mindestens jedoch 5 Millionen Rechnungseinheiten; 2. für die Gesamtheit der aus demselben Ereignis entstandenen Ansprüche wegen Sachschäden das Dreifache der nach § 5f maßgebenden Haftungshöchstbeträge, mindestens jedoch 5 Millionen Rechnungseinheiten. (3) Bei der Befriedigung aus dem in Absatz 2 Nr. 2 genannten Haftungshöchstbetrag haben Ansprüche wegen Beschädigung von Hafenanlagen, Hafenbecken, Wasserstraßen, Schleusen, Brücken und Navigationshilfen den Vorrang. (4) Reicht der nach Absatz 2 Nr. 1 maßgebende Haftungshöchstbetrag für Ansprüche wegen Personenschäden zur vollen Befriedigung dieser Ansprüche nicht aus, so steht der nach Absatz 2 Nr. 2 errechnete Betrag zur Befriedigung der nicht befriedigten Restansprüche nach Absatz 2 Nr 1 zur Verfügung. Die Restansprüche wegen Personenschäden haben hierbei den gleichen Rang wie die Ansprüche wegen Sachschäden; Absatz 3 ist insoweit nicht anzuwenden.

Übersicht Rn 1. Allgemeines 2. Gefährliche Güter

1-2 3

3. Beförderung auf dem Schiff des Schuldners 4. Ansprüche wegen Dritten entstandener Schäden 5. Haftungshöchstbeträge für Schäden durch Gefahrgüter

4-5 6-7 8-9

6. Rangverhältnis der Ansprüche

1.

10-11

Allgemeines

§ 5h regelt den Haftungshöchstbetrag für die Gesamtheit der aus demselben Er- 1 eignis (§ 5a Rn 3) entstandenen Ansprüche wegen Dritten entstandener Schäden durch gefährliche Güter. Zunächst hatte die Bundesregierung beabsichtigt, für diese Art von Schäden in Übereinstimmung mit Art 18 Abs l b CLNI eine Haftungsbeschränkung generell nicht zuzulassen. 1 Begründet wurde dies damit, daß die in §§ 5e und 5f vorgesehenen Haftungshöchstbeträge für Schadensersatzansprüche aus der Beförderung gefährlicher Güter wegen des enormen Schadenspotentials deutlich zu niedrig seien. 2 Auf Intervention des Bundesrates, der auf die dann nicht mehr gegebene Versicherbarkeit dieser Schäden hinwies, 3 wurde dann j edoch der j etzige § 5h eingeführt. Danach besteht nun die Möglichkeit, die Haftung auch bei Schäden 1 2 3

Vgl $ S Nr S BinSchGE, BT-Drs 13/8446,4. Begr GÄHB, BT-Drs 13/8446,23. Anl 2 zur Begr GÄHB, BT-Drs 13/8446, 55.

107

BinSchG S 5h

Gefahrliche Güter

durch Gefahrgut zu begrenzen, allerdings bei gegenüber den §§ 5e und 5f verdreifachten Sätzen und einem Mindesthaftungsbetrag von 5 Millionen Rechnungseinheiten. Das Gesetz stellt im Hinblick auf § 5 Nr 4 klar, daß § 5h auf Ansprüche nach § 22 WHG (S 5 Rn 8ff) keine Anwendung findet. 2 Die erhöhte Haftungssumme steht gem § 5h Abs 1 S 2 ausschließlich für Gefahrgutschäden zur Verfügung, für die ein gesondertes Verteilungsverfahren durchgeführt wird (SS 1 Abs 4, 36 Abs 1 Nr 4 SVertO). Sind aus denselben Ereignissen weitere Schäden erwachsen, die nicht auf eine Beförderung von Gefahrgütern zurückzuführen sind, stehen hierfür die Haftungssummen nach SS 5e und 5f gesondert zur Verfügung. 2.

Gefährliche Güter (§ 5h Abs 1 S 3)

3 Die Schäden, für die die Haftung nach S 5h beschränkt werden kann, müssen durch gefährliche Güter verursacht worden sein, dh gerade durch deren besonderes Gefahrenpotential. Verursacht also ein Schiff, das gefährliche Güter befördert, eine Havarie, die mit der Gefährlichkeit der Güter in keinem Zusammenhang steht, ist § 5h nicht anwendbar. Es ist nicht gerechtfertigt, in diesem Fall die um das Dreifache erhöhten Normalhaftungshöchstbeträge heranzuziehen. Für die Definition des Begriffs der gefährlichen Güter verweist S 5h Abs 3 S 3 auf die Anlage Α zur Verordnung über die Beförderung gefährlicher Güter auf dem Rhein (ADNR). Trotz der Verweisung auf die ADNR gilt diese Begriffsbestimmung unabhängig davon, ob sich das Schadensereignis auf dem Rhein, der Mosel oder sonst einem Gewässer zugetragen hat, auf das das Binnenschiffahrtsgesetz anwendbar ist (§ 4 Rn 23). Für Schäden durch Güter, die nicht Gefahrgüter iSd ADNR sind, oder Schäden, die nicht mit der Gefährlichkeit der befördernden Güter in Zusammenhang stehen, gelten die Haftungssummen der §S 5c und 5f (Rn 2). Die Verweisung auf die ADNR ist dynamisch, dh es ist die ADNR in der jeweils in Deutschland in Kraft gesetzten Fassung heranzuziehen.

3.

Beförderung auf dem Schiff des Schuldners

4 Die Schäden müssen durch gefährliche Güter verursacht worden sein, die auf bzw in dem Schiff des Schuldners befördert wurden. Erfaßt ist nicht nur das dem Schuldner tatsächlich gehörende Schiff. Im Hinblick auf § 5c kann hierunter auch das vom Schuldner gecharterte bzw ausgerüstete Schiff (vgl S 5c Abs 1 Nr 1) oder das Schiff fallen, auf dem der Schuldner zB als Lotse oder Besatzungsmitglied Dienst tut (vgl § 5c Abs 1 Nr 3). 5 Entgegen dem insoweit mißverständlichen Wortlaut setzt S 5h zudem nicht voraus, daß der Schaden während des Beförderungsvorgangs selbst eingetreten ist. Auch insoweit genügt es gem S 4 Abs 1, daß der Schaden an Bord oder in unmittelbarem 108

Erster Abschnitt. Schiffseigner

§ 5h BinSchG

Zusammenhang mit dem Betrieb des Schiffes entstanden ist. Hierzu im einzelnen § 4 Rn 25ff. 4.

Ansprüche wegen Dritten entstandener Schäden (§ 5h Abs 1 S 1)

§ 5h erfaßt Ansprüche wegen Personenschäden (§4 RnlOf) und Sachschäden (§4 6 Rn 12ff). Unklar ist, wer „Dritter" iS dieser Vorschrift ist. Nach dem Entwurf des insoweit wortgleichen § 5 Nr 5 (Rn 1) und der von der Bundesregierung hierzu gegebenen Begründung sollte der Schiffseigner seine Haftung für Schäden aus Gefahrgütern nur gegenüber anderen Personen als seinen Vertragspartnern nicht ausschließen dürfen. Für die Haftung gegenüber den Vertragspartnern, dh insbesondere dem Absender, sollte es bei den Haftungshöchstbeträgen nach § 5e und § 5f sein Bewenden haben. 4 „Dritter" iSv § 5 Nr 5 BinSchGE sollte also nur derjenige sein, der nicht auch Vertragspartner des Schuldners ist, da letzterer ohnehin die Möglichkeit hat, sein Verhältnis zum Schuldner durch vertragliche Vereinbarung zu regeln und einen entsprechenden Haftungshöchstbetrag einvernehmlich festzulegen (§ 4 Rn 9). Diese Unterscheidung zwischen Vertragspartnern und Dritten als potentiell Geschä- 7 digten, die im Gesetzestext keinen expliziten Niederschlag gefunden hat, überzeugt jedoch auch in der Sache nicht. So ist zunächst zu berücksichtigen, daß zB auch der angestellte Schiffsführer seine Haftung in einem Verteilungsverfahren beschränken kann, von dem mit identischem Haftungshöchstbetrag automatisch auch der Schiffseigner erfaßt wird (§ 5c Abs 1 Nr 3 iVm § 35 Nr 1 SVertO). Aus Sicht des Schiffsführers kann es aber für den Umfang seiner Haftung keine Rolle spielen, ob derjenige, der Ansprüche gegen ihn erhebt, Vertragspartner des Schiffseigners ist oder nicht. Sofern der Gesetzgeber ferner die erweiterte Haftung für Schäden durch Gefahrgut damit begründet, daß von Gefahrgutunfällen zunehmend besonders schwere Schäden ausgehen, ist zu beachten, daß gerade die Vertragspartner des Schiffseigners in besonderer Weise den von diesen Gütern ausgehenden Gefahren ausgesetzt sind und damit des Schutzes der erhöhten Haftungshöchstbeträge des § 5h in besonderem Maße bedürfen. Schließlich wird auch in den übrigen Vorschriften der §§ 5e bis 5j nicht danach unterschieden, ob der Gläubiger Vertragspartner des Schuldners ist oder nicht. § 4 gewährt die Möglichkeit zur Haftungsbegrenzung ungeachtet der Natur des Anspruchs und der Person des Anspruchstellers. Folglich ist auch iRd § 5h davon auszugehen, daß Ansprüche ungeachtet der Eigenschaft des Anspruchstellers erfaßt werden.5

4 5

Begr GÄHB, BT-Drs 13/8446, 23. Unzutreffend daher auch AG Duisburg-Ruhrort, Urt ν 7 . 7 . 2005 (Az 5 C 12/00 BSch), wonach unter dem „Dritten" iSv § 5h jeder zu verstehen sei, der nicht „zum S c h i f f , dh namentlich zu dessen Besatzung gehört. Da für Ansprüche von Besatzungsmitgliedern eine Haftungsbeschränkung gem § 5 Nr 3 generell ausgeschlossen ist, wäre es widersinnig, gerade diese - zugunsten der Anwendbarkeit der SS 5e und 5f aus dem Anwendungsbereich des § 5h herauszunehmen.

109

BinSchG S 5i 5.

Berger und Lotse

Haftungshöchstbeträge für Schäden durch Gefahrgüter (§ 5h Abs 2)

8 Der Haftungshöchstbetrag für die Gesamtheit der aus demselben Ereignis (§ 5a Rn 3) entstandenen Ansprüche wegen Dritten entstandener Personenschäden (§ 4 Rn lOf) beträgt das Dreifache der nach § 5e maßgebenden Haftungshöchstbeträge. Hierzu vgl § 5 e Rn 2ff. Der Mindesthaftungsbetrag beträgt 5 Millionen Rechnungseinheiten. 9 Der Haftungshöchstbetrag für Ansprüche wegen Dritten entstandener Sachschäden (§ 4 Rn 12ff) beträgt das Dreifache der nach § 5f maßgebenden Haftungshöchstbeträge. Hierzu vgl § 5f Rn 2. Auch insoweit wurde der Mindesthaftungsbetrag auf 5 Millionen Rechnungseinheiten festgesetzt.

6.

Rangverhältnis der Ansprüche (§ 5h Abs 3 und 4)

10 Wie bei den Ansprüchen wegen Schäden, die nicht durch Gefahrgüter verursacht wurden, wird für die Ansprüche wegen durch solche Güter verursachten Personenund Sachschäden ein einheitliches Verteilungsverfahren mit zwei gesonderten Haftungssummen durchgeführt (§§ 1 Abs 4, 36 Abs 1 Nr 4 SVertO; vgl hierzu § 5g Rn 1, § 5d Rn 20, 47). Das Verhältnis der unterschiedlichen Anspruchsarten regelt § 5h in seinen Abs 3 und 4 in Anlehnung an § 5f Abs 2 und § 5g. Gem § 5h Abs 3 gehen innerhalb der Ansprüche wegen Sachschäden die Ansprüche wegen Beschädigung von Hafenanlagen usw den übrigen Ansprüchen wegen Sachschäden vor (vgl hierzu § 5fRn3). 11 Reicht die Haftungssumme für Personenschäden nicht zur Befriedigung sämtlicher Ansprüche wegen Personenschäden aus, steht den Gläubigern der Restansprüche gem § 5h Abs 4 auch die Haftungssumme für Sachschäden zur Verfügung. Wurden auch Ansprüche wegen Sachschäden festgestellt, haben diese den gleichen Rang wie die Restansprüche wegen Personenschäden. Für weitere Einzelheiten siehe insoweit § 5g Rn 2.

S 5i [Berger und Lotse] Abweichend von §§ 5e, 5f Abs. 1 und § 5h kann ein Berger im Sinne von § 5c Abs. 1 Nr. 2 oder ein an Bord tätiger Lotse seine Haftung für die Gesamtheit der aus demselben Ereignis entstandenen Ansprüche wegen Personenschäden auf einen Haftungshöchstbetrag in Höhe von 2 0 0 . 0 0 0 Rechnungseinheiten sowie für Ansprüche wegen Sachschäden auf einen Haftungshöchstbetrag in Höhe von 110

Erster Abschnitt. Schiffseigner

S 5i BinSchG

100.000 Rechnungseinheiten beschränken. $ 5f Abs. 2 und § 5g gelten entsprechend. 1.

Allgemeines

§ 5i setzt für Berger iSv § 5c Abs 1 Nr 2, dh Berger, die nicht von einem eigenen Bin- 1 nenschiff aus tätig werden, und für an Bord tätige Lotsen, eigene fixe Haftungshöchstbeträge fest, die regelmäßig erheblich niedriger sind als die Haftungshöchstbeträge der SS 5e und 5f. Der Gesetzgeber begründet dies damit, daß weder der eine noch der andere ein eigenes Schiff verwendet und somit für die Berechnung der Haftungshöchstbeträge hieran auch nicht angeknüpft werden kann. 1 2.

Berger iSv § 5c Abs 1 Nr 2 BinSchG

Von § 5i wird entsprechend § 5c Abs 1 Nr 2 BinSchG jeder erfaßt, der in unmittelba- 2 rem Zusammenhang mit einer Bergung oder einer Wrackbeseitigung Dienste erbringt, die sich auf ein Binnenschiff oder die Ladung eines solchen Schiffes beziehen und entweder ausschließlich auf diesem Schiff oder weder von einem Binnenschiff noch von einem Seeschiff aus erbracht werden. Einzelheiten hierzu § 5c Rn 5. 3.

Lotse

Der Lotse (§ 3 Rn 21f; §§ 21 bis 25 Rn 5; § 92d Rn 2) ist ein selbständiger Gewerbe- 3 treibender, der durch einen Lotsenvertrag für eine bestimmte Reise oder Strecke zum nautischen Berater des Schiffsführers oder zu diesem selbst bestellt wird. Erfaßt wird von S 5i entsprechend dem seerechtlichen § 487c HGB nur der an Bord tätige Lotse, wobei in der Binnenschiffahrt der nicht an Bord tätige Lotse kaum anzutreffen ist. Für Schäden, die durch ein schuldhaftes Fehlverhalten des Lotsen verursacht wurden, haftet zwar gem S 3 Abs 1 bzw Abs 2 auch der Schiffseigner. Die eigene Haftung des Lotsen bleibt hiervon jedoch unberührt. Das Gesetz gibt deshalb dem Lotsen gem § 5c Abs 1 Nr 3 wie dem Schiffseigner die Möglichkeit, seine Haftung zu beschränken. Zwar gehört der Lotse gem § 35 Abs 1 Nr 1 SVertO zum gleichen Personenkreis wie der Schiffseigner, Eigentümer oder Ausrüster, der für ihn haftet, so daß eigentlich ein einheitliches Verteilungsverfahren mit einheitlichem Haftungshöchstbetrag durchzuführen wäre. Ausnahmsweise erfaßt jedoch ein vom Lotsen beantragtes Binnenschiffahrtsrechtliches Verteilungsverfahren gemäß S 36 Abs 3 S 2 SVertO ausschließlich die gegen ihn selbst gerichteten Ansprüche (S 5d Rn 6). In diesem isolierten Verteilungsverfahren können die gegenüber den normalen, für den Schiffseigner etc geltenden Sätze aufgrund der idR geringeren wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit

1

Begr GÄHB, BT-Drs 13/8446, 29.

111

BinSchG

§ 5j

Ansprüche aus Wrackbeseitigung

des Lotsen 2 zumeist erheblich reduzierten Haftungshöchstbeträge des § 5i berücksichtigt werden. 4.

Haftungshöchstbeträge

4 Für die Haftung des Bergers iSv § 5c Abs 1 Nr 2 und des Lotsen sieht das Gesetz für die Gesamtheit der aus demselben Ereignis (§ 5a R n 3 ) entstandenen Ansprüche Haftungshöchstbeträge von 200.000 Rechnungseinheiten für Personenschäden und 100.000 Rechnungseinheiten für Sachschäden vor. Für das Rangverhältnis von Ansprüchen wegen Sachschäden an Hafenanlagen etc und sonstigen Sachschäden verweist § 5i auf die Vorschrift des § 5f Abs 2 (§ 5f Rn 3). Für den Fall, daß die Haftungssumme für Personenschäden nicht zur Befriedigung aller Gläubiger von Ansprüchen wegen Personenschäden ausreicht, wird auf § 5g verwiesen. Einzelheiten hierzu § 5g Rn 2. 5 Für Ansprüche wegen der Tötung oder Verletzung von Reisenden iSv § 5k Abs 1 ist der gern § 5k Abs 3 auf 720.000 Rechnungseinheiten erhöhte Haftungshöchstbetrag zu beachten.

$5j [Ansprüche aus Wrackbeseitigung] Für die Gesamtheit der aus demselben Ereignis entstandenen Ansprüche aus Wrackbeseitigung gilt ein gesonderter Haftungshöchstbetrag. Dieser beträgt die Hälfte der nach § 5e maßgebenden Haftungshöchstbeträge. Der Haftungshöchstbetrag steht ausschließlich zur Befriedigung der Ansprüche aus Wrackbeseitigung zur Verfügung. 1.

Allgemeines

1 § 5j begründet für Ansprüche aus Wrackbeseitigung einen eigenen Haftungsfonds, der zugunsten der Gläubiger neben die Haftungsfonds nach §§ 5e und 5j treten kann. Hierdurch soll zum einen sichergestellt werden, daß die Haftungsfonds für Personen- und Sachschäden nicht dadurch geschmälert werden, daß hieraus auch häufig sehr hohe Ansprüche aus Wrackbeseitigung befriedigt werden müssen. In erster Linie dient die besondere Haftungssumme gem § 5j aber dem Schutz der finanziellen Interessen des Fiskus, da Wracks häufig auf staatliche Veranlassung im Wege

2

Begr GÄHB, BT-Drs 13/8446, 30.

112

Erster Abschnitt. Schiffseigner

s 5j BinSchG

der Ersatzvornahme beseitigt und somit idR der Staat Gläubiger der Ansprüche aus Wrackbeseitigung ist. 1 Aus diesem Grund ist in § 5j auch eine Regelung entsprechend §§ 5f Abs 2, 5h Abs 3 und 5i S 2 zur Privilegierung der Ansprüche wegen zufälliger Beschädigung von Hafenanlagen etc im Zusammenhang mit der Wrackbeseitigung entbehrlich. Da der Haftungshöchstbetrag für Ansprüche aus Wrackbeseitigung gem § 5j S 3 ausschließlich für solche Ansprüche zur Verfügung steht, ist § 5g auch nicht entsprechend auf den Haftungshöchstbetrag nach § 5j anwendbar. 2.

Ansprüche aus Wrackbeseitigung

Unter § 5j fallen nur Ansprüche aus Wrackbeseitigung. Nicht hierzu gehören An- 2 Sprüche aus Bergung, die gem § 5 Nr 1 nicht der Haftungsbeschränkung nach §§ 4ff unterliegen. Zu unterscheiden ist danach, ob das Schiff, auf das sich die Maßnahmen bezieht, noch wirtschaftlich reparaturfähig (vgl §§ 479, 873 HGB) ist, dann Bergung, oder nicht, dann Wrackbeseitigung.2 Die Unterscheidung ist in der Praxis mitunter nicht einfach. Ein gesunkenes Schiff ist nicht zwangsläufig ein Wrack. Bei Reparaturunwürdigkeit kann auch die Beseitigung eines gestrandeten Schiffes eine Wrackbeseitigung iSv § 5j sein. Gem der Begriffsbestimmung des § 4 Abs 4 S I sind Ansprüche aus Wrackbeseitigung solche auf Erstattung der Kosten für die Hebung, Beseitigung, Vernichtung oder Unschädlichmachung eines gesunkenen, havarierten, festgefahrenen oder verlassenen Schiffes samt allem, was sich an Bord befindet oder befunden hat. Gleichfalls hierunter fallen die Kosten für die Beseitigung, Vernichtung oder Unschädlichmachung der Ladung eines Wracks. Die Kosten der Entsorgung der Ladung eines noch reparaturwürdigen Schiffes sind weder Bergungskosten iSv § 742 Abs 2 S 2 HGB noch finden sie bei der Bemessung des Bergelohns Berücksichtigung (§743 HGB). Entsprechende Erstattungsansprüche unterfallen daher nicht § 5 Nr 1. Auf diese Ansprüche ist § 5j entsprechend anzuwenden.3 Zu den denkbaren Rechtsgrundlagen der von § 5j erfaßten Ansprüche vgl § 4 Rn 28f. 3 Denkbar sind Erstattungsansprüche gegen den Verursacher des Schadensereignisses als Handlungsstörer oder gegen den Schiffseigner als Zustandsstörer. 3.

Haftungshöchstbetrag

Der Haftungshöchstbetrag für Ansprüche aus Wrackbeseitigung beträgt die Hälfte 4 der nach § 5e maßgebenden Haftungshöchstbeträge.

1 2 3

Begr GÄHB, BT-Drs 13/8446,30f; Rabe SeeHR $ 487 HGB Rn 1. Vgl Rabe SeeHR Einf Rn 14. So zu dem mit $ 4 Abs 4 insoweit wortgleichen $ 487 HGB Rabe SeeHR $487 HGB Rn 5.

113

BinSchG § 5k

Ansprüche von Reisenden wegen Personenschäden

$ 5k [Ansprüche von Reisenden wegen Personenschäden] (1) Für die Gesamtheit der aus demselben Ereignis entstandenen Ansprüche wegen der Tötung oder Verletzung von Personen, die 1. auf Grund eines Personenbeförderungsvertrages oder 2. mit Zustimmung des Beförderers in Begleitung eines aufgrund eines Güterbeförderungsvertrages mit dem Schiff beförderten Fahrzeugs oder lebenden Tieres mit dem Schiff befördert worden sind (Reisende), gilt ein gesonderter Haftungshöchstbetrag. Dieser steht ausschließlich zur Befriedigung von Ansprüchen der Reisenden zur Verfügung. (2) Der Haftungshöchstbetrag für Ansprüche wegen Personenschäden von Reisenden nach Absatz 1 beträgt 6 0 . 0 0 0 Rechnungseinheiten, multipliziert mit der Anzahl der Reisenden, die das Schiff nach dem Schiffszeugnis befördern darf. Ist die Anzahl der Reisenden, die befördert werden dürfen, nicht vorgegeben, so bestimmt sich der Haftungshöchstbetrag nach der Anzahl der Reisenden, die das Schiff im Zeitpunkt des haftungsbegründenden Ereignisses tatsächlich befördert hat. Der Haftungshöchstbetrag beträgt jedoch mindestens 7 2 0 . 0 0 0 Rechnungseinheiten und höchstens 12 Millionen Rechnungseinheiten. (3) Abweichend von Absatz 2 beträgt der Haftungshöchstbetrag für einen Berger iSv § 5c Abs. 1 Nr. 2 oder einen an Bord tätigen Lotsen 7 2 0 . 0 0 0 Rechnungseinheiten. 1.

Allgemeines

1 Gemäß § 5k ist für sämtliche aus demselben Ereignis (§ 5a Rn 3) entstandenen Ansprüche von Reisenden wegen Personenschäden in Übereinstimmung mit Art 7 CLNI ein eigener Haftungsfonds vorgesehen. Dieser Fonds kann neben den Fonds nach § 5e für Ansprüche wegen der Schädigung von Personen treten, die nicht Reisende iSv § 5k sind. § 5k erfaßt ausschließlich Ansprüche wegen der Verletzung oder Tötung (§ 4 Rn 6) von Reisenden. § 5k soll sicherstellen, daß die Reisenden auch in Katastrophenfällen eine angemessene Entschädigung erhalten. 1 Die Vorschrift hat § 4a aF ersetzt, der bereits vor Inkrafttreten des GÄHB (§ 4 Rn 1) für Ansprüche von Reisenden wegen Personenschäden eine summenmäßige Haftungsbeschränkung vorsah (§ 4 Rn 1). Dem Grunde nach richtet sich die Haftung für die Schädigung von Reisenden iw nach § 77 BinSchG iVm § 664 HGB und der hierzu erlassenen Anlage.

1

Begr GÄHB, BT-Drs 13/8446, 31.

114

Erster Abschnitt. Schiffseigner

2.

S 5k BinSchG

Beförderung aufgrund eines Personenbeförderungsvertrags (S 5k Abs 1 S 1 Nr 1)

Die in § 5k Abs 1 S 1 gegebene Definition des Reisenden entspricht Art 1 Nr 4 der 2 Anlage zu § 664 HGB. 2 Danach ist Reisender zunächst derjenige, der aufgrund eines Personenbeförderungsvertrags mit dem Schiff befördert worden ist. Ein Schiff in diesem Sinne muß kein Fahrgastschiff im Rechtssinne, sondern kann auch eine Yacht sein, sofern sie nicht lediglich zum Sport oder zur Erholung, sondern auch zu Erwerbszwecken verwendet wird iSv § 4 Abs 1 S 1 letzter Halbs (zB Charteryacht). Der Reisende muß den Beförderungsvertrag nicht selbst abgeschlossen haben.3 Bei dem Beförderungsvertrag handelt es sich regelmäßig um einen entgeltlichen Werkvertrag (§ 77 Rn 2). Allerdings ist die Entgeltlichkeit nicht Voraussetzung für die Anwendbarkeit des § 5k. 4 Unverzichtbar für die Anwendbarkeit des § 5k bleibt aber das Vorliegen eines Vertrages, auch wenn es sich um einen unentgeltlichen Gefälligkeitsvertrag handelt.5 So kann bei entsprechendem Rechtsbindungswillen auch der vom Eigner zu einer Schiffsreise eingeladene Gast in den Schutz dieser Vorschrift kommen. 5 Gleiches gilt für auf dem Schiff mitfahrende Handwerker, Werftmitarbeiter oder Beamte der Schiffsuntersuchungskommission (SUK), die während der Reise auf dem Schiff im Auftrag des Schiffseigners tätig sind. Mangels Vertrag ist § 5k dagegen nicht anwendbar auf Beamte der Wasserschutzpolizei, die das Schiff kontrollieren, auf blinde Passagiere7 oder auf Personen, die sich unerlaubt auf dem Schiff aufhalten, um dort Diebstähle zu begehen. Die Grundsätze über eine Haftungsreduzierung bei Gefälligkeitsverträgen finden keine Anwendung.8 § 5k gilt nur für Ansprüche von Reisenden gegen den Eigner, Ausrüster, etc des 3 Schiffes, auf dem sie aufgrund des Beförderungsvertrages befördert werden. Nicht § 5k unterfallen daher zB Ansprüche gegen ein Berger, der von einem von ihm eingesetzten Schiff aus Bergungsdienste erbringt und dabei Reisende auf dem zu bergenden Schiff verletzt. Gleiches gilt für Ansprüche von Reisenden auf einem anderen Schiff als demjenigen, für das die Haftungsbeschränkung geltend gemacht wird. Hierfür gilt ausschließlich § 5e. Für Ansprüche gegen Berger iSv § 5c Abs 1 Nr 2 vgl Rn7.

2 3 4 5 6 7 8

Die Anlage ist abgedruckt unter Nr 2 im Anschluß an $ 664 HGB. Rabe SeeHR vor $664 HGB Rn28; OLG Köln ZfB 1996, SaS 1593 (Charterung eines Schiffes für Reisegruppe). BGH TranspR 1997,154,155. OLG Köln VersR 2002,1534,1535. BGH TranspR 1997,154,155. BGH TranspR 1997,154,155. Rabe SeeHR vor $ 6S4 HGB Rn 30.

115

BinSchG S 5k 3.

Ansprüche von Reisenden wegen Personenschäden

Begleitpersonen (§ 5k Abs 1 S 1 Nr 2)

4 Den aufgrund eines Personenbeförderungsvertrags beförderten Personen (§ 5k Abs 1 S 1 Nr 1) stehen Personen gleich, die sich zur Begleitung eines aufgrund eines Güterbeförderungsvertrags mit dem Schiff beförderten Fahrzeugs oder lebenden Tieres auf dem Schiff aufhalten. Der Rechtsgrund für den Aufenthalt an Bord ist unerheblich. Erforderlich ist allein, daß der Beförderer mit der Begleitung einverstanden ist. Beförderer ist gem Art 1 Nr la der Anlage zu § 664 HGB (Rn 2) derjenige, durch oder für den ein Beförderungsvertrag geschlossen worden ist. Darauf, ob die Beförderung tatsächlich von dieser Person oder von einem anderen durchgeführt wird, kommt es nicht an. Einzelheiten hierzu unter § 77 Rn 5f. Kommen die begleiteten Fahrzeuge oder Tiere selbst zu Schaden, gilt § 5f. 4.

Haftungshöchstbetrag ($ 5k Abs 2)

5 Anders als nach § 5e bemißt sich der Haftungshöchstbetrag gem § 5k Abs 2 nach der Beförderungskapazität des Schiffes. Diese Berechnungsweise soll dem Umstand Rechnung tragen, daß auch kleine Fahrgastschiffe in der Lage sind, vergleichsweise viele Passagiere zu befördern.9 Die in Art 7 Abs 1 S 2 CLNI vorgesehene Staffelung des Haftungshöchstbetrags hat der deutsche Gesetzgeber in Übereinstimmung mit Art 18 Abs 2 CLNI nicht übernommen, da er hierin eine nicht unerhebliche Beeinträchtigung der Gläubigerinteressen erblickte.10 6 Der Haftungshöchstbetrag beläuft sich auf 60.000 Rechnungseinheiten, multipliziert mit der Anzahl der Reisenden, die das Schiff nach dem Schiffsattest höchsten befördern darf ($ 5k Abs 2 S 1), höchstens jedoch 12 Millionen Rechnungseinheiten (S 5k Abs 2 S 3). Ist die Anzahl der Reisenden im Attest nicht angegeben, bestimmt sich der Haftungshöchstbetrag nach der Anzahl der Reisenden, die das Schiff im Zeitpunkt des haftungsbegründenden Ereignisses tatsächlich befördert hat (§ 5k Abs 2 S 2). Der Mindesthaftungsbetrag beträgt gem § 5k Abs 2 S 3 720.000 Rechnungseinheiten. 7 Entsprechend § 5i gilt auch für Ansprüche wegen Verletzung oder Tötung von Reisenden zugunsten von Bergern iSv § 5c Abs 1 Nr 2 und Lotsen ein in der Regel reduzierter Haftungshöchstbetrag von 720.000 Rechnungseinheiten. Zum Grund für diese besonderen Haftungshöchstbeträge vgl § 5i Rn 1.

9 10

Denkschrift CLNI, BT-Drs 13/8220, 29. Denkschrift CLNI, BT-Drs 13/8220,29; Begr GÄHB, BT-Drs 13/8446,32.

116

Erster Abschnitt. Schiffseigner

§ 51 BinSchG

$51

[Begriff der Rechnungseinheit] Die in diesem Abschnitt genannte Rechnungseinheit ist das Sonderziehungsrecht des Internationalen Währungsfonds. Die nach den SS 5e bis 5k maßgebenden Haftungshöchstbeträge werden in Euro entsprechend dem Wert des Euro gegenüber dem Sonderziehungsrecht im Zeitpunkt der Errichtung des Haftungsfonds oder der Leistung einer vom Gericht zugelassenen Sicherheit umgerechnet. Wird die Beschränkung der Haftung im Wege der Einrede nach S 5d Abs. 3 geltend gemacht, so ist maßgeblicher Zeitpunkt für die Umrechnung der Tag des Urteils. Der Wert des Euro gegenüber dem Sonderziehungsrecht wird nach der Berechnungsmethode ermittelt, die der Internationale Währungsfonds an dem betreffenden Tag für seine Operationen und Transaktionen anwendet.

1.

Sonderziehungsrecht als Rechnungseinheit

§ 51 definiert in Übereinstimmung mit Art 8 Abs 1 CLNI den in §§ 5eff zur Bezeich- 1 nung der Haftungshöchstbeträge verwendeten Begriff der Rechnungseinheit und erläutert, wie diese in Euro umzurechnen sind. Bei der Rechnungseinheit handelt es sich um das täglich vom Internationalen Währungsfonds neu errechnete Sonderziehungsrecht. Der sog Transaktionstageswert wird im Bundesanzeiger veröffentlicht, kann aber auch dem Internet entnommen werden. 1 Von der in Art 8 Abs 3 CLNI vorgesehenen Möglichkeit, den Gegenwert der in Rechnungseinheiten ausgedrückten Beträge gesetzlich in Euro zu bestimmen, hat der deutsche Gesetzgeber bewußt keinen Gebrauch gemacht.

2.

Maßgeblicher Umrechnungszeitpunkt

Wird die Haftung durch Errichtung eines Haftungsfonds beschränkt (§ 5d Abs 2), ist 2 für die Umrechnung der Zeitpunkt maßgeblich, in dem der Haftungsfonds errichtet wird oder eine vom Gericht gem §§ 5 Abs 2, 34 Abs 2 S 1 SVertO zugelassene Sicherheit geleistet wird (§ 51 S 2). Der Haftungsfonds gilt mit Erlaß des Beschlusses, mit dem das Verteilungsverfahren eröffnet wird, als errichtet (§§ 8 Abs 1 S 1, 7 Abs 1, 34 Abs 2 S 1 SVertO). Wird die Haftungsbeschränkung durch Erhebung einer Einrede geltend gemacht 3 (§ 5d Abs 3), kommt es für die Umrechnung auf den Tag des Urteils an (§ 51S 3).

1

Vgl zB www.imf.org/external/np/fin/data/rms_five.aspx.

117

BinSchG S 5m

Internationales Privatrecht

$ 5m [Internationales Privatrecht] Die SS 4 bis 51 sind ohne Rücksicht auf das nach Internationalem Privatrecht anzuwendende Recht anzuwenden, wenn im Zeitpunkt des haftungsbegründenden Ereignisses 1. das Schiff, für das die Haftung beschränkt werden soll, ein deutsches Gewässer oder ein sonstiges dem Straßburger Übereinkommen über die Beschränkung der Haftung in der Binnenschiffahrt - CLNI (BGBl. 1998 II S. 1643) unterliegendes Gewässer befahren hat oder 2. Bergungsmaßnahmen für ein im Bereich solcher Gewässer in Gefahr befindliches Binnen- oder Seeschiff oder für die Ladung eines solchen Binnen- oder Seeschiffs erbracht worden sind oder 3. ein im Bereich solcher Gewässer gesunkenes, havariertes, festgefahrenes oder verlassenes Schiff oder die Ladung eines solchen Schiffes gehoben, beseitigt, vernichtet oder unschädlich gemacht worden ist. Ist das Ereignis auf einem ausländischen, dem Straßburger Übereinkommen über die Beschränkung der Haftung in der Binnenschiffahrt - CLNI (BGBl. 1998 II S. 1643) unterliegenden Gewässer eingetreten, so bestimmt sich jedoch abweichend von $ 5k Abs. 2 Satz 3 der Haftungshöchstbetrag für die Gesamtheit der aus demselben Ereignis entstandenen Ansprüche wegen der Tötung oder Verletzung von Reisenden nach dem nach Internationalem Privatrecht anzuwendenden Recht. 1.

Allgemeines

1 § 5m regelt den räumlichen Anwendungsbereich der §§ 4 bis 51 und stellt damit eine Sondervorschrift des Internationalen Privatrechts dar. Bis zum Inkrafttreten des GÄHB am 1. 9. 1998 (§ 4 Rn 1) entsprach es allgemeiner Auffassung, daß die Frage nach der Beschränkung der Schiffseignerhaftung Teil des Deliktrechts und die für die Beantwortung dieser Frage maßgebliche Rechtsordnung somit nach den insoweit geltenden Kollisionsnormen des Internationalen Privatrechts zu bestimmen sei. 1 Demgegenüber bestimmt nun § 5m ausdrücklich, daß die §§ 4 bis 51 betr die Beschränkung der Schiffseignerhaftung in bestimmten Fällen ohne Rücksicht auf das nach Internationalem Privatrecht anzuwendende Recht gelten. Erklärtes Ziel des deutschen Gesetzgebers war es dabei, die deutschen Gerichte vor der Anwendung ausländischen Rechts zu bewahren. 2 So zweifelhaft dieses Ziel, so gering ist allerdings der Erfolg, der dem Handeln des Gesetzgebers insoweit beschieden ist. 1 2

BGHZ 29, 237,241; OLG Hamburg MDR 1964,421,422; Wassermeyer Kollisionsprozeß, 27. Begr GÄHB, BT-Drs 13/8446, 33.

118

Erster Abschnitt. Schiffseigner

2.

§ 5m BinSchG

Deutsches Gewässer oder sonstiges der CLNI unterliegendes Gewässer

Der Anknüpfungspunkt des Internationalen Deliktsrechts ist grundsätzlich der Tat- 2 ort (loci delicti), wobei unterschieden wird zwischen dem Handlungsort, dh dem Ort, an dem die zur Haftung führende Handlung vorgenommen wird (Art 40 Abs 1 S 1 EGBGB), und dem Erfolgsort, dh dem Ort, an dem der Erfolg der schädigenden Handlung eingetreten ist (Art 40 Abs 1 S 2). Liegen Handlungs- und Erfolgsort auf dem Hoheitsgebiet unterschiedlicher Staaten, kommt zwar grundsätzlich das Recht des Handlungsorts zur Anwendung, doch hat der Geschädigte im ersten Rechtszug bis zum Ende des frühen ersten Termins oder dem Ende des schriftlichen Vorverfahrens die Möglichkeit, sich für die Anwendung des am Erfolgsort geltenden Rechts zu entscheiden (Art 40 Abs 1 S 3 EGBGB). Ausnahmsweise ist dann, wenn Schädiger und Geschädigter ihren gewöhnlichen Aufenthaltsort im gleichen Staat haben, das Recht dieses Staates unabhängig davon anwendbar, wo sich der Tatort befindet (Art 40 Abs 2 EGBGB). Hiervon abweichend macht § 5m S 1 die Anwendung des deutschen Rechts davon 3 abhängig, daß sich das Schadensereignis auf einem deutschen oder einem sonstigen Gewässer ereignet hat, das der CLNI unterliegt. Demnach spielt es für die Anwendbarkeit der §§ 4 bis 51 grundsätzlich keine Rolle, auf welchem Hoheitsgebiet der Tatort liegt, solange es ein der CLNI unterliegendes Gewässer ist. Fraglich ist indes, welche ausländischen Gewässer der CLNI „unterliegen". Nach Auffassung des Gesetzgebers unterliegen der CLNI iSv § 5m S 1 im Hinblick auf Art 15 Abs 1 CLNI alle Gewässer, die der Mannheimer Akte oder dem Moselvertrag unterliegen und zwar offenbar ungeachtet dessen, ob die Staaten, zu deren Hoheitsgebiet diese Gewässer gehören, die CLNI ratifiziert haben oder nicht. 3 Dem kann jedoch aus mehreren Gründen nicht gefolgt werden. Der deutsche Gesetzgeber rechtfertigt die Erstreckung des Anwendungsbereichs deutschen Rechts auf ausländisches Territorium mit der Begründung, „daß das am Schadensort geltende ausländische Recht mit den im Binnenschiffahrtsgesetz ... enthaltenen Vorschriften als gleichwertig angesehen werden" könne. Dies ist jedoch nur dann der Fall, wenn der andere Staat die CLNI tatsächlich auch ratifiziert hat, da aus dessen Sicht nur dann die den §§ 4 bis 5m „gleichwertigen" Vorschriften der CLNI oder entsprechende Umsetzungsnormen zur Anwendung kommen. Am Bsp Frankreich, das die CLNI noch nicht umgesetzt hat und wo zumindest im Bereich der Rhein- und Moselschiffahrt noch heute das System der Exekutionshaftung gilt, 4 zeigt sich, daß die eigenen nationalen Vorschriften im Hinblick auf die Beschränkung der Schiffseignerhaftung keineswegs „gleichwertig" sind mit den §§ 4 bis 51. Sofern der Gesetzgeber mit der erweiterten Anwendung der §§ 4 bis 51 den deutschen Gerichten die Anwendung ausländischen Rechts ersparen will (Rn 1), ist darüber hinaus zu bedenken, daß die

3 4

Begr GÄHB, BT-Drs 13/8446, 33. Holland Lokales Recht, 146ff.

119

BinSchG S 5m

Internationales Privatrecht

deutschen Gerichte bei Schadensfällen auf ausländischem Territorium gemäß Art 40 EGBGB (Rn2) für den Haftungsgrund ohnehin ausländisches Recht anzuwenden haben. 4 Richtigerweise sind daher die §§ 4 bis 51 von deutschen Gerichten gemäß § 5m nur dann auf ein Schadensereignis auf einem ausländischen Gewässer anzuwenden, wenn entweder - dieser ausländische Staat die CLNI seinerseits ratifiziert hat und das ausländische Gewässer entweder der Mannheimer Akte oder dem Moselvertrag unterliegt (Art 15 Abs 1 CLNI) oder - der ausländische Staat erklärt hat, daß die CLNI auch für dieses Gewässer gilt (Art 15 Abs 2 CLNI). In diesen beiden Fällen „unterliegt" das Gewässer der CLNI iSv § 5m S 1. 3.

Weitere Voraussetzungen von § 5m S 1

5 § 5m Abs 1 Nr 1 setzt für die Anwendbarkeit der §§ 4 bis 51 voraus, daß das Schiff, auf das die Haftung beschränkt werden soll, im Zeitpunkt des Schadensereignisses ein der CLNI unterliegendes Gewässer befahren hat (Rn 4). Hierbei muß es sich um ein Binnenschiff handeln (§ 1 Rn 24ff). 6 Die §§ 4 bis 51 kommen gemäß § 5m S 1 Nr 2 ferner dann zur Anwendung, wenn Bergungsmaßnahmen für ein Schiff oder dessen Ladung erbracht werden, das sich im Bereich von Gewässern befindet, die der CLNI unterliegen (Rn 4), und in unmittelbarem Zusammenhang mit dieser Bergung Personen- oder Sachschäden eingetreten sind (vgl § 4 Abs 1 S 1). 7 Schließlich sind die §§ 4 bis 51 ungeachtet der Kollisionsnormen des Internationalen Privatrechts dann anzuwenden, wenn im Bereich eines Gewässers, das der CLNI unterliegt iSv § 5m S 1 (Rn 4), ein gesunkenes, havariertes, festgefahrenes oder verlassenes Schiff oder die Ladung eines solchen Schiffes gehoben, beseitigt oder unschädlich gemacht worden ist (Wrackbeseitigung).

4.

Personenbeförderung ($ 5m S 2)

8 Abweichend von § 5m S 1 ist der Haftungshöchstbetrag für alle aus demselben Ereignis entstandenen Ansprüche wegen der Tötung oder Verletzung von Reisenden gem § 5m S 2 auch dann nach dem Recht zu bestimmen, das nach den allgemeinen Kollisionsnormen des Internationalen Deliktsrechts anwendbar ist (Rn 2), wenn sich das haftungsbegründende Ereignis auf einem ausländischen, der CLNI unterliegenden Gewässer (Rn 4) zugetragen hat. Durch diese Regelung trägt der deutsche Gesetzgeber Art 18 Abs 2 CLNI Rechnung, wonach der Vorbehalt betreffend die nach 120

Erster Abschnitt. Schiffseigner

§ 6 BinSchG

Art 7 Abs 1 S 2 CLNI vorgesehene Staffelung (§ 5k Rn 5) nur für die Gewässer des eigenen Staates gemacht werden kann.

$6

[Heimatort des Schiffes]

(1) Das Gericht des Ortes, von dem aus die Schiffahrt mit dem Schiffe betrieben wird (Heimatort), ist, vorbehaltlich des § 3 Abs. 1 des Gesetzes über das gerichtliche Verfahren in Binnenschiffahrts- und Rheinschiffahrtssachen vom 27. September 1952 (BGBl. I S. 641), für alle gegen den Schiffseigner als solchen zu erhebenden Klagen zuständig ohne Unterschied, ob er persönlich oder nur mit dem Schiff haftet. (2) Unter mehreren hiernach in Betracht kommenden Orten gilt als Heimatort der Ort, wo die Geschäftsniederlassung, bei mehreren Niederlassungen die Hauptniederlassung und in Ermangelung einer Geschäftsniederlassung der Wohnsitz des Schiffseigners sich befindet. (3) Ist ein Heimatort nicht festzustellen, so gilt als solcher der Ort, wo der Schiffseigner zur Gewerbesteuer oder Einkommensteuer veranlagt wird.

Übersicht Rn 1. Allgemeines 2. Definitionen des Heimatortes ($ 6 Abs 1)

1-3 4-5

3. Feststellung des Heimatortes ($6 Abs 2,3) 4. Anwendungsfalle

6-10 11

5. Gerichtstand des Heimatortes ($6 Abs 1) 6. Beweislast

12-16 17

1.

Allgemeines

a) In Abweichung vom Seerecht, in dem nach § 480 Abs 1 HGB der Seeschiffsbetrieb 1 mit dem Heimathafen verortet wird, spricht das Binnenschiffahrtsgesetz vom Heimatort (§ 6 Abs 1), woraus sich ergibt, daß dieser Heimatort zwar regelmäßig, aber nicht zwangsläufig an einer Binnenwasserstraße liegen muß. Der Schiffseigner hat also grundsätzlich, insbesondere unter Berücksichtigung steuerlicher Aspekte, die Möglichkeit, einen Heimatort abseits der Wasserstraßen zu begründen und von dort aus - ohne Heimathafen - die Binnenschiffahrt zu betreiben, wodurch ggf günstigere Gewerbesteuer - Hebesätze ausgenutzt werden können (§15 GewStDV). 121

BinSchG § 6

Heimatort des Schiffes

2 b) § 6 wurde seit dem Erlaß des BinSchG zweifach verändert: Zum einen 1952 durch Einfügung von § 6 Abs 1 Halbs 2 und dem dort festgeschriebenen Vorrang der Regelung des BinSchVerfG (§ 3 Abs 1 BinSchVerfG) über die örtliche Zuständigkeit in Binnenschiffahrtssachen (§ 25 BinSchVerfG). Zum anderen 1998 im Zusammenhang mit der Beseitigung der Exekutionshaftung des Schiffseigners gem § 4 aF („mit Schiff und Fracht"). Zu den Fällen, in denen der Schiffseigner nach Einführung der Summenhaftung „nur mit dem Schiff haftet" (§ 61), s u § 113 Rn 2f. 3 c) § 6 Abs 1 definiert den Heimatort und begründet einen zusätzlichen - gegenüber § 3 BinSchVerfG nachrangigen - Gerichtsstand des Schiffseigners. § 6 Abs 2 und Abs 3 stellen gesetzliche Vermutungsregeln für den Fall auf, daß Zweifel über den Heimatort aufkommen. 2.

Definition des Heimatortes (S 6 Abs 1)

4 a) Nach der gesetzlichen Definition ist der Heimatort „der Ort, von dem aus die Schiffahrt mit dem Schiff betrieben wird" (§ 6 Abs 1). Dabei kommt es auf die tatsächliche Abwicklung der Schiffahrtsgeschäfte an, nicht etwa auf eine konstruierte „Papierlage", die keinen Bezug zum tatsächlichen Schiffahrtsbetrieb hat (sog „Liegestuhlreedereien"). 1 Erforderlich ist also, daß sich die Absicht des Schiffseigners, von einem bestimmten Ort aus die Binnenschiffahrt zu betreiben, verwirklicht.2 5 b) Aus der Verwendung des bestimmten Art in § 6 Abs 1 (des Ortes) sowie aus den Vermutungsregeln des § 6 Abs 2, Abs 3, mit denen ein bestimmter Ort festgelegt werden soll, folgt, daß ein Binnenschiff nur einen einzigen Heimatort haben kann. 3 3.

Feststellung des Heimatortes (§ 6 Abs 2, Abs 3)

6 a) Im Gegensatz zur Entstehungszeit des BinSchG Ende des 19. Jahrhundert sind heute - auch in der Partikulierschiffahrt (zum Begriff vgl ο § 1 Rn 48) - kaum mehr Fälle denkbar, in denen Zweifel über den Heimatort 4 aufkommen können. Denn nach §§ 4 Abs 1 , 1 2 Nr 3 SchRegO ist der Heimatort des Schiffes in das Schiffsregister einzutragen. Verändert sich dieser, ist die Veränderung unverzüglich beim Schiffsregister anzumelden (§17 SchRegO). Die Eintragung des Heimatortes begründet die tatsächliche Vermutung, daß der vermerkte Heimatort auch der richtige Heimatort des Schiffes ist.5 Sodann kommt der Schiffseigner gewerberechtlich, erst recht gewerbesteuerrechtlich (SS 2 S 3 GewStG, 6 GewStDV), um die Zuordnung seines Schif1 2 3 4 5

VglBGHZ132, 196. KG OLG 14, 389. PreussOVG Urt V 4. S. 1934 (Az VIII GSt 439/499/33). Lampe, Der Heimatort des Binnenschiffs ZfB 1 9 5 7 , 2 6 6 . RGZ 42, 71.

122

Erster Abschnitt. Schiffseigner

§ 6 BinSchG

fes zu einem bestimmten (Geschäfts-)Ort nicht herum. Der sich daraus ergebende Heimatort seines Binnenschiffes ist für das Rechtspublikum aus dem Schiffsregister (§ 12 Nr 3 SchRegO), aber auch aus privatrechtlich organisierten Schiffsverzeichnissen zu entnehmen (vgl etwa die Schiffsauflistungen der Internationalen Vereinigungen des Rheinschiffsregisters (IVR), www.ivr.nl. (zur IVR s Anhang §§ 90, 91 Rnl). b) Soweit gleichwohl im Einzelfall eine Feststellung des Heimatortes nicht möglich 7 sein sollte, arbeitet das Gesetz in § 6 Abs 2, Abs 3 mit abgestuften Fiktionen in folgender Reihenfolge: -

Geschäftsniederlassung (§ 6 Abs 2 Alt 1) Unter mehreren Geschäftsniederlassungen: Hauptniederlassung (§ 6 Abs 2 Alt 2) Wohnsitz des Schiffseigners (§ 6 Abs 2 Alt 3) Ort der Veranlagung zur Gewerbesteuer (§ 6 Abs 3 Alt 1) Ort der Veranlagung zur Einkommensteuer (§ 6 Abs 3 Alt 2).

c) Die Geschäftsniederlassung, bei mehreren Niederlassungen die Hauptniederias- 8 sung des Schiffseigners, begründet die erste und zugleich wahrscheinlichste der gesetzlichen Vermutungen auf den Heimatort eines Binnenschiffes (§ 6 Abs 2). Diese Vermutung entspricht den Grundsätzen des bürgerlichen und des Zivilprozeßrechts (SS 269 Abs 2 BGB, 21 ZPO). Danach konkurriert der besondere Gerichtsstand der gewerblichen Niederlassung mit den allgemeinen Gerichtsständen des Schuldners, insbesondere seinem Wohnsitz (§13 ZPO). Soweit Schiffseigner eine juristische Person ist, kommt es auf deren Sitz an, der dort gesetzlich vermutet wird, wo sich die Verwaltung befindet (§ 17 Abs 1 ZPO). Der Gerichtsstand der gewerblichen Niederlassung kann nach § 21 ZPO bereits durch den Anschein einer selbständigen Niederlassung begründet werden. 6 d) Läßt sich eine Geschäftsniederlassung nicht feststellen, gilt der Wohnsitz des 9 Schiffseigners (S 7 BGB) als Heimatort des Binnenschiffes (§ 6 Abs 2). Dieser Wohnsitz ist nicht zwangsläufig identisch mit der Zustelladresse des fahrenden Schiffseigners, da nach ständiger Übung der Schiffahrtsgerichte die Zustellung gerichtlicher Schriftstücke an Bord des Schiffes durch die Wasserschutzpolizei erfolgt. 7 e) Sofern auch ein Wohnsitz des Schiffseigners nicht zu bestimmen sein sollte, 10 knüpft § 6 Abs 3 zur Bestimmung des Heimatortes an den Ort der Steuerveranlagung an. Gewerbesteuerrechtlich wiederum begründet der Heimatort des Schiffes die Betriebsstätte, an der der Schiffseigner der Steuerpflicht unterliegt (SS 2 Abs 1

6 7

OLG Köln NJW 1953, 1834. OLG Köln ZfB 2000 SaS 1808; ZfB 1953, 392 = MDR 1954, 119; Beschl ν 10. 5. 1977 (Az 3 WS 5/77); OLG Karlsruhe Beschl ν 8.11.1985 (Az Ws 12/85 RhSch); Beschl ν 6.7.1982 (Az Ws 2/81 RhSch); Beschl ν 10. 9. 1980 (Az Ws 11/80); OLG Bremen Rechtspfleger 1965, 48; s auch Stellungnahme des VGT ZfB 1980, 93; sowie Bemm/v. Waldstein RheinschPV Einf Rn 225.

123

BinSchG § 6

Heimatort des Schiffes

S 3 GewStG, 5, 6, 15 GewStDV); einkommenssteuerrechtlich kommt es auf den Wohnsitz des Schiffseigners an (§ 1 EStG). Die steuerrechtlichen Begriffe „Betriebsstätte" und „Wohnsitz" decken sich aber iw mit den schiffahrtsrechtlichen Begriffen „Geschäftsniederlassung" ($ 6 Abs 1) und „Wohnsitz" ($ 6 Abs 2), so daß die wechselseitigen Gesetzesverweise bei der Bestimmung des Heimatortes tatsächlich nicht weiterhelfen. 4.

Anwendungsfälle

11 Die Verortung eines Binnenschiffs an einen bestimmten Heimatort wird in zahlreichen Gesetzen zur Anwendungsvoraussetzung gemacht. Die in der Praxis wichtigsten Fälle sind: Λ) ff 4,12,17,62 SchRegO: Registereintragung und Anmeldung eines Binnenschiffs, Mitteilung von Veränderungen, Einreichung des Schiffsbriefs. b) ff 163,168 ZVG, 858 Abs 2 ZPO: Zwangsvollstreckung in ein im Schiffregister eingetragenes Schiff am Aufenthaltsort (S 163 ZVG), Bekanntmachung der Versteigerung auch am Heimatort (§ 168 ZVG); Zwangsversteigerung einer Schiffspart (§ 858 Abs 2 ZPO). c)§ 942 Abs 2 ZPO: Zuständigkeit des Amtsgerichtes des Heimatorts für den Erlaß einstweiliger Verfügungen betreffend Eintragung von Vormerkungen oder Widerspruch in das Schiffsregister. d) ff 15,16: Umfang der Vertretungsmacht des Schiffsführers für den Schiffseigner am Heimatort des Binnenschiffs und jenseits des Heimatortes (§§ 15-19 Rn 6). e)J6Abs I.Besonderer Gerichtsstand des Heimatortes für Klagen gegen den Schiffseigner (sRn 12ff). f) Art 45 Abs 1EGBGB: Vorbehaltlich abweichender vertraglicher Vereinbarungen richten sich die Rechtsverhältnisse an Schiffen, die nicht im Register eingetragen sind, grundsätzlich nach dem am Heimatort geltenden Recht8 (zu den Einzelheiten s § 102 Rn 18). g)J13 Melderechtsrahmengesetz (iVm mit den Meldegesetzen der Länder) Heimatort des Binnenschiffs begründet den regelmäßigen Meldeort der Wohnadresse des Schiffseigners. 8

BGH NJW 1995, 2097.

124

Erster Abschnitt. Schiffseigner

5.

§ 6 BinSchG

Gerichtsstand des Heimatortes (§ 6 Abs 1)

a) Aus dem Wortlaut von § 6 Abs 1 „vorbehaltlich" sowie dem nachträglich eingefüg- 12 ten Verweis auf das BinSchVerfG (zur Gesetzesgeschichte s ο Rn 1) ergibt sich, daß die Vorschrift über die örtliche Zuständigkeit in Binnenschiffahrtssachen (§ 3 Abs 1 BinSchVerfG) § 6 vorgeht. b) § 6 Abs 1 begründet somit einen besonderen gesetzlichen, nicht aber einen aus- 13 schließlichen oder allgemeinen Gerichtsstand für Klagen gegen den Schiffseigner. Ist § 3 Abs 1 BinSchVerfG nicht anwendbar, hat der Kläger daher nach § 35 ZPO die Wahl, ob er am Gerichtsstand des Heimatortes oder vor einem anderen zuständigen Gericht gegen den Schiffseigner klagen will.9 Als solche Gerichtsstände kommen in Betracht: Allgemeiner Gerichtsstand des Wohnsitzes (§ 13 ZPO), der Sitz einer juristischen Person (§17 ZPO) sowie die besonderen Gerichtsstände der gewerblichen Niederlassung (§21 ZPO), des Vermögens (§ 23 ZPO), des Deliktsorts (§32 ZPO) sowie des Aufenthaltsorts in Zwangsvollstreckungssachen (§ 163 ZVG). c) Notwendig, aber auch ausreichend ist, daß der Gerichtsstand des Heimatorts 14 zum Zeitpunkt der Klagerhebung besteht. Verändert sich also der Heimatort nach Rechtshängigkeit, hat dies auf die einmal gegebenen Zuständigkeit des Gerichtsstandes des Heimatortes keinen Einfluß mehr (perpetuatio fori, § 2 6 1 Abs 3 Nr 2 ZPO). d) Der Gerichtsstand des Heimatortes gilt nur für Klagen gegen „den Schiffseigner 15 als solchen" (§ 6 Abs 1). Diese Formulierung nimmt Bezug auf die Legaldefinition des Schiffseigners in § 1 S 1. Zu der formellen Eigentümerstellung muß also noch das Merkmal der Verwendung des Schiffes zur Binnenschiffahrt hinzukommen, erst dann kann der Gläubiger seinen Anspruchsgegner, den Schiffseigner, nach § 6 an dem Heimatort des Schiffes gerichtlich in Anspruch nehmen. Schiffseigner iSv § 6 ist auch der Ausrüster (§ 2 Rn 4ff). Dabei spielt es keine Rolle, ob die Ansprüche vertraglicher, deliktischer oder anderweitiger Natur sind. So ist der Gerichtsstand des Heimatortes gegeben bei der Pfandklage des Schiffsgläubigers gegen den Schiffseigner nach § 1 0 3 Abs 3. 10 e) Zu der gerichtlichen Zuständigkeit in Binnenschiffahrtssachen ie vgl die Kom- 16 mentierung zum BinSchVerfG und der Mannheimer Akte sowie unten § 130.

9 10

OLG Hamburg HansGZ Hauptbl 1897 Nr 81. RGZ 78, 308.

125

BinSchG § 6 6.

Heimatort des Schiffes

Beweislast

17 Die den Gerichtsstand des Heimatortes begründenden Tatsachen hat der Kläger eines Rechtsstreits zu beweisen, weil sie vom Klageanspruch unabhängig sind.11 Ergibt sich die Zuständigkeit unmittelbar aus den klagebegründenden Tatsachen, bedarf es indes keines weiteren Beweises.12

11 12

126

RGZ 29, 373; 49, 72. BGH NJW 1964, 498.

Zweiter Abschnitt Schiffer $ 7

[Allgemeine Sorgfaltspflicht und Haftung des Schiffsführers] (1) Der Führer des Schiffes (Schiffer) ist verpflichtet, bei allen Dienstverrichtungen, namentlich bei der Erfüllung der von ihm auszuführenden Verträge, die Sorgfalt eines ordentlichen Schiffers anzuwenden. (2) Er haftet für jeden durch die Vernachlässigung dieser Sorgfalt entstandenen Schaden nicht nur dem Schiffseigner, sondern auch den Ladungsbeteiligten (Absender und Empfänger), den beförderten Personen und der Schiffsbesatzung, es sei denn, daß er auf Anweisung des Schiffseigners gehandelt hat. Auch in dem letzteren Falle bleibt der Schiffer verantwortlich, wenn er es unterlassen hat, dem Schiffseigner die nach Lage des Falles erforderliche Aufklärung zu erteilen, oder wenn ihm eine strafbare Handlung zur Last fällt. (3) Durch die Erteilung der Anweisung wird der Schiffseigner verpflichtet, wenn er bei der Erteilung von dem Sachverhältnisse unterrichtet war.

Übersicht 1. Begriff des Schiffers (Schiffsführers) 2. Sorgfaltspflicht des Schiffsführers 3. Haftung des Schiffsführers 4. Umfang der Schiffsführerhaftung

1.

Rn 1-7 8-10 11-19 20-23

Begriff des Schiffers (Schiffsführers)

Während man sich nach dem allgemeinen Sprachgebrauch unter einem Schiffer ei- 1 nen Binnenschiffahrtstreibenden als solchen vorstellt, versteht das Gesetz den Begriff des Schiffers enger: Danach ist Schiffer (engl Shipper; niederl Schipper; dän Skipper) der verantwortliche Führer, dem die Leitung und Befehlsgewalt über ein Binnenschiff iSv § 1 obliegt (vgl auch Wortlaut von § 19 Abs 1: „der Schiffer in seiner Eigen127

BinSchG §7

Allgemeine Sorgfaltspflicht und Haftung des Schiffsführers

schaff als Führer des Schiffes"), gleichviel ob er selbst oder eine andere (juristische) Person Schiffseigner ist. In der Praxis spricht man heute statt von dem Schiffer von dem Schiffsführer, was iS einer deutlicheren Unterscheidung von dem Begriff des Schiffseigners (§ 1) zu begrüßen ist. Demgegenüber spielt in der Binnenschiffahrt der seerechtliche Begriff des Kapitäns (§§481, 511 HGB), nach der Legaldefinition von § 2 SeemG „der vom Reeder bestellte Führer des Schiffes", trotz gelegentlicher Verwendung insbesondere in der Fahrgastschiffahrt sowie in der Continue-Fahrt von Schubverbänden, keine Rolle. 2 Als Schiffsführer kommt nur in Betracht, wer zur Führung eines Binnenschiffes sowie jedes Schwimmkörpers zur Verwendung auf Binnenwasserstraßen geeignet ist. Diese Eignung gilt als vorhanden, wenn der Schiffsführer „ein Schifferpatent1 für die Fahrzeugart und für die zu befahrende Strecke besitzt" (§ 1.02 Nr 1 BinSchStrO sowie die analogen Vorschriften von RheinSchPV, MoselSchPV und DonauSchPV). Fehlt dem planmäßigen Schiffsführer das Streckenpatent und nimmt er deswegen einen für diese Strecke patentierten Lotsen an Bord, ist dieser für die Schiffsführung verantwortlich und zu Weisungen berechtigt. 2 Der Schiffsführer muß zwar während der Fahrt ständig an Bord sein (§ 1.02 Nr 4 BinSchStrO), nicht zwingend erforderlich ist indes, daß er unmittelbar die Steuerung des Schiffes ausübt. Dazu kann er sich eines Rudergängers bedienen, einer Person, „die hierfür fachlich geistig und körperlich geeignet und mindestens 16 Jahre alt ist" (§ 1.09 BinSchStrO). Ein solches Überlassen des Ruders ändert jedoch nichts daran, daß die Befehlsgewalt über und die vollständige Verantwortung für das Schiff bei dem Schiffsführer verbleibt.3 3 Bei einem Schub- oder Koppelverband, also einer aus mehreren Einheiten bestehenden, vorübergehenden nautischen Schiffsverbindung, ist Schiffsführer derjenige, der das aktive, also antreibende/schiebende Fahrzeug führt. In diesem Fall erstreckt sich seine Befehlsgewalt und Verantwortung auf das passive, also aufseit oder kopfseitig gekoppelte Schiff,4 und zwar auch dann, wenn dieses Schiff als solches jenseits der Koppelung durchaus selbständig fahrbereit wäre (sog Selbstfahrer). Anders dagegen die Pflichtenverteilung zwischen dem Schiffsführer eines Vorspannbootes und dem Schiffsführer des geschleppten Schubverbandes: hier bleibt die nautische Verantwortung für den Schubverband bei dem Schubbootführer, während den Vorspannbootführer die Pflicht trifft, auf besondere Gefahren hinzuweisen.5 4 Auf die Schiffsgröße (§ 1 Rn6) kommt es nicht an, so daß auch derjenige, der ein Kleinfahrzeug iSv § 4 Abs 5 oder eine Motoryacht verantwortlich führt und die tat1 2 3 4 5

Das Fehlen eines erforderlichen Patents kann - selbstverständlich - auch nicht mit der Erklärung entschuldigt werden, man besitze überragende Streckenkenntnisse, ZKR ZfB 1998, SaS 1681. OLG Nürnberg TranspR 1997, 349, 350 = VersR 1998,391. LG München VersR 2005, 830; ZKR ZfB 2001, SaS 1822, 1823; 1982, 127, 128; OLG Köln ZfB 1998, SaS 1689. BGH ZfB 1984,19 = VersR 1984, 76. OLG Köln VersR 2006,1710,1711; BGH VersR 1958,760.

128

Zweiter Abschnitt. Schiffer

§ 7 BinSchG

sächliche Befehlsgewalt inne hat, als Schiffsführer is des Gesetzes anzusehen ist,6 wobei bei der Beurteilung der Frage, ob die Schiffsführereigenschaft zu bejahen ist oder nicht, die Eigenschaft als Eigentümer des Sportbootes nur eines unter mehreren Anzeichen darstellt.7 Ebensowenig maßgebend ist die Dauer der Schiffsführerverantwortung; entscheidend ist, ob die Bemannungsvorschriften (RheinSchUO, BinSchUO) die Besetzung des Schiffes für die Durchführung nautischer Manöver vorsehen. Das ist etwa bei der reinen Bewachung eines ordnungsgemäß stilliegenden Schiffes nicht der Fall. Gem § 3 Abs 2 zählt der Schiffsführer zur Schiffsbesatzung; er gehört aber nicht zur 5 Schiffsmannschaft (§ 21). Der Schiffsführer, der das Schiff nicht nur für eine Fahrt fährt,8 ist Repräsentant des Versicherungsnehmers (Schiffseigners) im Rahmen der Flußkasko-Versicherung,9 nicht aber im Rahmen der Güterversicherung.10 Soweit der Schiffsführer nicht nur die nautische Verantwortung für das Schiff trägt, 6 sondern dieses auch als bzw wie ein Eigentümer zur Binnenschiffahrt verwendet (SS 1, 2), spricht man von dem sog Schiffseigner-Schiffsführer; dieser haftet nicht nur als Schiffseigner (§ 3), sondern daneben auch als Schiffsführer (§ 7). Sind mehrere patentierte Schiffsführer an Bord, insbesondere im Continue-Verkehr 7 der Schub- und Containerschiffahrt (24 Stunden-Einsatz), ist urkundlich im Fahrtenbuch (§ 1.10 Nr lh BinSchStrO) festzuhalten, wem zu welchen exakten Zeitpunkten und ab welchem Strom- oder Kanalkilometer die Verantwortung für das Schiff übertragen wurde. 2.

Sorgfaltspflichten des Schiffsführers

Der Schiffsführer hat bei allen Verrichtungen an Bord - auch in Verantwortung für 8 die ihm angetraute Schiffsmannschaft (§ 21)11 - die Sorgfalt eines ordentlichen Schiffsführers anzuwenden. Diesen Sorgfaltsmaßstab hat der Schiffsführer nicht nur zugrunde zu legen „bei der Erfüllung der von ihm auszuführenden Verträge" (§ 7 Abs 1), also dem Hauptzweck der gewerblichen Binnenschiffahrt, der Beförderung der Ladung von Α nach Β und dem Eintritt eines Transporterfolges; vielmehr umfaßt die Sorgfaltspflicht des Schiffsführers sämtliche geeigneten Maßnahmen und Handlungen, die der sichere und wirtschaftliche Betrieb eines Binnenschiffs erfordert. § 7 konkretisiert die allgemeine Sorgfaltspflicht des S 276 BGB auf die speziellen Anforderungen, die an die Kenntnisse und Fähigkeit eines Schiffsführers der Binnen-

6 7 8 9 10 11

LG München VersR 2005, 830. OLG Oldenburg Urt ν 3.12.1992 (Az S 447/92). OLG Köln VersR 2003,991L = RuS 2003, 29S. BGH ZfB 1983, 223, 224 = VersR 1983, 74. BGHZ 77, 88, 91. OLG Karlsruhe VersR 1997, 858.

129

BinSchG §7

Allgemeine Sorgfaltspflicht und Haftung des Schiffsführers

schiffahrt, nach den jeweils geltenden Verkehrsanschauungen typischerweise gestellt werden (dürfen).12 In Anbetracht von immer aufwendiger werdenden technischen Rahmenbedingungen der Binnenschiffahrt (unter vielem anderen zB Autopilot,13 GPS, computergestützte Bildschirmnavigation, Einsatz von Videokameras insbesondere in der Containerschiffahrt, hydraulische Höhenverstellung des Steuerhauses um bis zu 15 m über Deck, 14 Radarschiffahrt, etc) dürfen diese Sorgfaltsanforderungen indes nicht grenzenlos ausgeweitet werden.15 Nichts anderes kann bezüglich der Ladungsfürsorge gelten. Hier wird etwa der Schiffsführer eines Chemietankers qua seiner Obhutspflicht nicht zum Diplom-Chemiker oder Sachverständigen für Warenkunde. Insbesondere ist der Schiffsführer auf besonders gefährliche Eigenschaften der Ladung spätestens vor Beginn der Beladung hinzuweisen.16 Ebensowenig können von einem Schiffsführer detaillierte und zeitnah aktualisierte juristische Spezialkenntnisse im Binnenschiffahrtsrecht erwartet werden, die idR selbst Volljuristen nicht bekannt sind. Anzusetzen ist vielmehr insgesamt - jenseits einer superlativistischen Überdehnung des Sorgfaltsmaßstabes ex post - ein Sorgfaltsmaßstab, der anknüpft an jene Kenntnisse und Fähigkeiten, die ein Schiffsführer im Rahmen seiner Patentausbildung erworben und die er im Fortgang seiner beruflichen Erfahrung hinzugewonnen und vertieft hat. Maßgebend ist das Sorgfaltsprofil, dessen Beachtung unter Berücksichtigung der konkreten Umstellung des Einzelfalles sowie des Schiffahrtsbrauchs17 von einem verantwortlich handelnden Schiffsführer erwartet werden konnte und durfte. Bei der Beurteilung dieser Frage kommt den Standards der Unfallverhütungsvorschriften (UVV) der für die Binnenschiffahrt zuständigen Berufsgenossenschaft für Fahrzeughalterungen (BGF) häufig eine nicht unwichtige Indizfunktion zu, auch wenn es sich bei der UVV (s ie www.bgf.de) nach hM nicht um Schutzgesetze iSv § 823 Abs 2 BGB handelt. 18 9 Neben der verantwortlichen Organisation des Bordbetriebes 19 und der Einhaltung der Mindestbesatzungsvorschriften 20 sowie der Vorschriften über die Mindestru12 13

14 15 16 17 18 19 20

BGHZ 3 9 , 2 8 1 = VersR 1963, 953; BGH VersR 1974, 565; s auch Handelsbräuche 2 0 0 5 , 2 6 f f . So muß ein Schiffsführer nicht mit jedem Umsteuerversagen rechnen, insbesondere nicht mit einem solchen, bei dem das Schiff entgegen dem Steuerbefehl nicht nur nicht rückwärts, sondern sogar voraus macht, OLG Köln ZfB 1992, SaS 1396; aA OLG Karlsruhe ZfB 1995, SaS 1551 mit einer die Verschuldenshaftung der Binnenschiffahrt (§§ 3, 7; % 92a Rn 1) aushöhlenden Konstruktion einer „Risikohaftung"; vgl auch OLG Hamm OLGR 2 0 0 0 , 1 1 3 sowie BGH VersR 1 9 7 3 , 5 4 1 . OLG Karlsruhe VersR 1997, 858. Ein Schiffsführer darf auf die Richtigkeit des Schiffsattests vertrauen und muß nicht klüger als die SUK sein, BGH ZfB 1989, SaS 1269, 1271; OLG Köln ZfB 1997, SaS 1647, 1648. OLG Köln ZfB 1999, SaS 1765; 1994, SaS 14S7; 1993, SaS 1405. Handelsbräuche 2005,26ff. BGH VersR 2004, 257 = NZV 2004, 136; OLG Karlsruhe VersR 2005, 250; OLG Stuttgart NJW-RR 2000, 752. BGH NJW 2006, 1271. ZKR ZfB 1998, SaS 1674 u 1681; 1997, SaS 1670; 1992, SaS 1362; neben dem Schiffsführer ist auch der Schiffseigner und der von diesem beauftragte Schiffsdisponent für die Einhaltung der Bemannungsvorschriften verantwortlich, ZKR ZfB 1992, SaS 1 4 0 1 , 1 4 0 3 .

130

Zweiter Abschnitt. Schiffer

§ 7 BinSchG

hezeiten 21 steht im Vordergrund der Schiffsführerpflichten die Beachtung der nautischen Sorgfaltsmaßstäbe, die eine Sicherheit des eigenen Fahrzeugs, aber auch der sonstigen Schiffahrt gewährleisten und die Beachtung der für die jeweilige Stromstrecke gültigen Schiffahrtsstraßenordnungen im In- und Ausland (§ 8 Abs 3). Dazu gehört die Kenntnis über Eigenheiten und Besonderheiten der zu befahrenden Schiffahrtsstraße 22 ebenso wie die Beachtung der Schiffahrtszeichen. 23 Das Schiff darf nur so tief abgeladen werden, daß ein hinreichender Sicherheitsabstand zwischen Flußsohle und Schiffsboden verbleibt. 24 Erleidet das Schiff im Fahrwasser eine Grundberührung, hat der Schiffsführer unverzüglich Turnmanöver zu veranlassen 25 sowie das Wasser- und Schiffahrtsamt zu unterrichten. 26 Bestehende Hilfsmittel wie Radar und Sprechfunk sind zu benutzen, wenn damit die Gefährdung von Menschenleben, das Entstehen von Sachschäden oder Behinderungen der Schiffahrt vermieden werden können. 27 Das Radarbild ist richtig auszuwerten. 28 Beim Begegnen und Überholen muß jegliche Gefährdung der Schiffahrt vermieden werden. Bei unsichtigem Wetter sind - jedenfalls an besonderen Gefahrenstellen 29 - schiffahrtsübliche Kurse zu beachten. 30 Zudem sind die Schiffsführer verpflichtet, sich über (bevorstehende) Witterungsverhältnisse fortlaufend zu unterrichten. 31 Für einen ausländischen Schiffsführer, der deutsche Wasserstraßen befährt, sind deutsche Sprachkenntnisse jedenfalls insoweit unverzichtbar, als eine Begegnungsabsprache über Sprechfunk ermöglicht wird. 32 Zu den nautischen Sorgfaltspflichten s ie § 8 Rn 46, die Vorschriften der BinSchStrO, RheinSchPV, MoselSchPV, DonauSchPV sowie Bemm/v. Waldstein, RheinSchPV § 1.04 Rn 4ff. Daneben obliegt dem Schiffsführer vor allem die Verantwortung für die ihm anvertraute Ladung (zu den Sorgfaltsmaßstäben vgl u § 8 Rn 6ff).

21 22 23 24 25 26 27

28 29 30 31 32

ZKR ZfB 1996, SaS 1581; 1993, SaS 1420; OLG Karlsruhe VersR 1997, 737, 740. BGH VersR 1989, 271. KG VersR 2005,1308. BGH VersR 1980,1045; OLG Karlsruhe ZfB 2002, SaS 1851,1852; OLG Köln ZfB 2000, SaS 1807,1808. OLG Köln ZfB 1999, SaS 1739. OLG Karlsruhe ZfB 2000, SaS 1768,1769. BGH ZfB 1991, SaS 1328 = VersR 1991, 605; die Benutzung dieser Hilfsmittel bedeutet aber nicht, daß klaren nach der RheinSchPV vorgeschriebenen Kursweisungen kein absoluter Vorrang mehr zukäme, OLG Karlsruhe ZfB 1995, SaS 1563,1565/1566. ZKR ZfB 1994, SaS 1459. ZKR ZfB 2006, Heft Nr 5, S 52; OLG Karlsruhe ZfB 2002, SaS 1865,1866; ZKR VersR 1999,649. OLG Karlsruhe Urtv 5.12.2001 (Az U 2/01 RhSch). BGH ZfB 1999, SaS 1720. Die anderslautende Ansicht des OLG Karlsruhe (ZfB 1994, SaS 1471,1472 = VersR 1994, 606) verkennt die heute - auch jenseits der Radarfahrt, bei der Sprechfunk ohnehin vorgeschrieben ist ($$ 6.32 RheinSchPV, 6.32 BinSchStrO) - erhebliche Bedeutung des Sprechfunks für die Verkehrssicherheit in der Binnenschifffahrt. Im übrigen kann der Schiffsführer seiner Verpflichtung, vorhandene technische Einrichtungen an Bord zu benutzen (BGH VersR 1991, 605; 1992, 249), im Falle des Sprechfunks nur dadurch nachkommen, daß er spricht und hört, und zwar in einer (gemeinsamen) Sprache, die er und die anderen Verkehrsteilnehmer verstehen.

131

BinSchG §7

Allgemeine Sorgfaltspflicht und Haftung des Schiffsführers

3.

Haftung des Schiffsführers

a)

Gegenüber dem Schiffseigner

11 Der angestellte Schiffsführer haftet dem Schiffseigner grundsätzlich für die schuldhafte Verletzung seiner Dienstobliegenheiten, insbesondere bei Mißachtung von Weisungen des Schiffseigners,33 auf Schadensersatz. § 7 Abs 2 konkretisiert die allgemeine Haftungsnorm des § 280 BGB (positive Vertragsverletzung). 12 Wird der Schiffseigner gem § 3 adjektizisch als Gesamtschuldner neben dem Schiffsführer auf Schadensersatz in Anspruch genommen, hat der Schiffseigner gegen den Schiffsführer grundsätzlich einen Ausgleichsanspruch. Diese Ansprüche des Schiffseigners als Arbeitgeber gegen den Schiffsführer als Arbeitnehmer werden indes nach dem Rechtsinstitut des innerbetrieblichen Schadensausgleichs erheblich eingeschränkt. Dabei ist ausschlaggebend, mit welchem Verschuldensgrad der Schiffsführer bei der Verrichtung einer betrieblich veranlaßten Tätigkeit an Bord34 den Schaden verursacht hat: Uneingeschränkt haftet der Arbeitnehmer für Vorsatz und grobe Fahrlässigkeit, bei leichter Fahrlässigkeit des Arbeitnehmers trägt der Arbeitgeber den Schaden alleine, im Bereich mittlerer Fahrlässigkeit wird der Schaden zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer unter Berücksichtigung des Einzelfalls geteilt.35 Der Umstand, daß es sich bei dem Führen und dem Betrieb eines Binnenschiffs, insbesondere eines Tankmotorschiffs, um eine gefahrgeneigte Tätigkeit handelt, ist zwar nicht mehr Voraussetzung für eine Begrenzung der Arbeitnehmerhaftung, wohl aber noch Abwägungskriterium bei der Beurteilung der Fahrlässigkeitsgrade und der danach vorzunehmenden Schadensaufteilung zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer.36 13 Die Frage, ob im Streitfall ein Schiffsführer als Arbeitnehmer bzw arbeitnehmerähnliche Person oder aber als selbständiger Unternehmer bzw freier Mitarbeiter einzuordnen ist, orientiert sich an dem Grad der Weisungsunterworfenheit und Betriebseingliederung.37 Maßgebend ist die gelebte Vertragswirklichkeit, nicht die „Papierlage." Eine einheitliche Rspr, nach welchen Kriterien die Arbeitnehmereigenschaft in der Binnenschiffahrt zu beurteilen ist, ist derzeit nicht erkennbar.38 Immerhin ist zwischenzeitlich bezüglich der Scheinselbständigkeit in der Binnenschiffahrt geklärt, daß für die Entscheidung, ob ein Schiffsführer als abhängiger

33 34 35 36 37 38

132

Zur Bedeutung dieser Weisungsbefugnis des Schiffseigners für seine eigene Haftung s OLG Karlsruhe VersR 2006, 96, 97/98. Vgl BAG NJW 2003, 377. Vgl BAG NJW 1993, 1732; 199S, 210; BGH NJW 1994, 856; 1996, 1S32. VglBAG NJW 1998, 1810. BGH NJW 1999, 218. Vgl etwa die widerstreitenden Urt des LAG Baden-Württemberg, Urt ν 13.4. 2005 (Az 13 Sa 53/04) und Urt V11.10.2005 (Az 14 Sa 136/04) sowie SG Würzburg Urt ν 30. 6.2005 (Az S 5 U 189/04).

Zweiter Abschnitt. Schiffer

§ 7 BinSchG

Arbeitnehmer oder selbständiger Unternehmer einzuordnen ist, ausschließlich die Arbeitsgerichte zuständig sind ($ 2 BinSchVerfG Rn 20).39 Wegen des außerordentlichen Mißverhältnisses zwischen einerseits den hohen 14 Sachwerten in der gewerblichen Binnenschiffahrt und andererseits der niedrigen Höhe des Streckenentgelts für einen Binnenlotsen haftet dieser, obwohl er kein Arbeitnehmer des Schiffseigners ist,40 dem Schiffseigner analog § 21 Abs 3 SeelotsG nur bei Vorsatz oder grober Fahrlässigkeit. Iü scheidet eine Haftung selbst dann aus, wenn - wie im zu entscheidenden Fall - der streckenpatentierte Lotse aufgrund eines insoweit fehlenden Patents des an Bord anwesenden Schiffseigners als Schiffsführer und nicht, wie idR lotsentypisch, als Berater des Schiffsführers, eingesetzt wird.41 b)

Schiffsführerhaftung gegenüber einem Dritten

Dem Havariegegner haftet der Schiffsführer nach allgemeinem Deliktsrecht (§§ 823ff 15 BGB). Für den (Regel-)Fall der betrieblich veranlaßten Tätigkeit hat der angestellte Schiffsführer nach dem Rechtsinstitut des innerbetrieblichen Schadensausgleichs (s ο Rn 1 lf) einen Freistellungsanspruch. Ist der Schaden bei der Erfüllung vertraglicher Pflichten des Schiffseigners in dessen 16 Eigenschaft als Frachtführer entstanden und enthält der Frachtvertrag eine gemäß §§ 449 Abs 2 HGB, 305ff BGB wirksame Freizeichnung, insbesondere für nautisches Verschulden, so wirkt die Freizeichnung grundsätzlich zugunsten des Schiffsführers.42 Der Freistellungsanspruch des Schiffsführers ist übertragbar und pfändbar;43 der 17 Freistellungsanspruch umfaßt auch die Kosten.44 Der arbeitsrechtliche Freistellungsanspruch des Schiffsführers gegen den Schiffseigner korreliert im übrigen mit dem Versicherungsschutz des Schiffseigners, nach dem der Versicherer den Schaden zu ersetzen hat, der durch eine fehlerhafte Führung des Schiffes verursacht wurde (S 130 S 2 VVG/§ 138 Abs 2 E-VVG). In der Praxis werden daher die gesamtschuldnerisch verklagten Schiffseigner und Schiffsführer gemeinsam durch einen von der Versicherung beauftragten Rechtsanwalt vertreten (§ 150 VVG/§ 102 E-VVG iVm Ziff 15.2 AVB Flußkasko 2000/2004).

39 40 41 42 43 44

OLG Karlsruhe Die Justiz 2004, 354; ArbG Heidelberg Urt ν 16. 9. 2004 (Az 14 Ca 43/04); ArbG Mannheim Urt ν 19. 3.2004 (Az 7 Ca 74/03); ArbG Aschaffenburg Beschl ν 20. 2.2003 (Az S Ca 1881/02 A). BGH ZfB 1972, 506, 507. BGH ZfB 1989,1256 = AP (Nr 3) zu $ 611 BGB m Anm BemmlKorioth. BGHZ 63, 382; 79,287; OLG Köln TranspR 2001, 364. BGH VersR 1976, 485 unter Aufgabe der früheren Rspr BGHZ 41, 203 = NJW 1964, 1272 = VersR 1964, 502. BGH VersR 1976,485.

133

BinSchG §7 c)

Allgemeine Sorgfaltspflicht und Haftung des Schiffsführers

Schiffsführerhaftung gegenüber den Ladungsbeteiligten, den beförderten Personen sowie Personen der übrigen Schiffsbesatzung

18 Den Ladungsbeteiligten (Absender und Empfänger), den beförderten Personen, insbesondere den Reisenden auf einem Fahrgastschiff (§§ 5k Abs 1 Nr 2, 77), sowie den Personen der Schiffsmannschaft ($ 21) gewährt § 7 Abs 2 eine unmittelbare Anspruchsgrundlage gegen den Schiffsführer. Diese gesetzliche Haftung beruht auf der Erwägung, daß die in § 7 Abs 2 genannten Personen in einer engen Beziehung zum Schiff stehen und es aufgrund dieses Näheverhältnisses gerechtfertigt erscheint, ihnen gleich einem vertraglichen Gläubiger einen Schadensersatzanspruch bei Verletzung der Dienstobliegenheiten zu gewähren. 19 An Bord hat der Schiffsführer sowohl die Interessen des Schiffseigners, der Reisenden, der Schiffsmannschaft als auch die der Ladungsbeteiligten wahrzunehmen. Damit ist der Kreis der begünstigten Personen geschlossen. Eine Erweiterung des Kreises der Begünstigten ist ausgeschlossen, weil es sich um eine Ausnahmevorschrift handelt.45 Auch im Hinblick auf diese Schadensersatzansprüche kommt dem Schiffsführer gegen den Schiffseigner ein Freistellungsanspruch nach dem Grundsatz des innerbetrieblichen Schadensausgleichs zu (s ο Rn 1 lf). 4.

Umfang der Schiffsführerhaftung

20 Der Schiffsführer haftet aus § 7 Abs 2 zunächst unbeschränkt persönlich. Neben dem ihm zustehenden Freistellungsanspruch gegen den Schiffseigner (so Rn l l f , 19) hat er auch die Möglichkeit, seine Haftung summenmäßig zu beschränken (§§ 5c Abs 1 Nr 3, 3 Abs 1, Abs 2). Ist der Schiffsführer zugleich Schiffseigner, steht ihm dieses Haftungsbeschränkungsprivileg bereits unmittelbar aus § 4 zu, wodurch die frühere sog Bassermann'sche Partikulierschutzklausel (§ 4 Abs 2 s 2 aF) überflüssig geworden ist. 21 Nach§ 7 Abs 2S 1 letzter Halbs ist die Haftung des Schiffsführers dann ausgeschlossen, wenn er auf Anweisung des Schiffseigners46 gehandelt hat. Doch auch im Anweisungsfall haftet der Schiffsführer, wenn er es unterlassen hat, den Schiffseigner in geeigneter Weise über den der Anweisung zugrunde liegenden Sachverhalt aufzuklären oder wenn dem Schiffsführer eine strafbare Handlung zur Last fällt® 7 Abs 2S 2). 22 Dieses Haftungsprivileg des Schiffsführers beruht auf dem Rechtsgedanken, daß derjenige abhängig Beschäftigte, der sich weisungsgemäß verhält, nicht schadensersatzpflichtig sein kann, erst recht nicht gegenüber seinem Dienstherrn, von dem die Anweisungen stammen. Im Regelfall, in dem der anweisende Schiffseigner über moderne Kommunikationsmittel zeitnah über die wesentlichen Entscheidungsparame45 46

RGZ 10,18. OLG Karlsruhe VersR 2006, 96,97/98.

134

Zweiter Abschnitt. Schiffer

§ 8 BinSchG

ter unterrichtet wurde, haftet der Schiffseigner und nur dieser (§ 7 Abs 3). Der Ausnahmefall einer fahrlässigen oder gar vorsätzlichen Fehlunterrichtung des Schiffseigners durch den Schiffsführer hat wenig praktische Relevanz. Daß der Schiffsführer bei eigener Strafbarkeit, etwa Schiffsverkehrsgefährdung, 23 Gewässerverunreinigung47 oder Verschiffung gefährlichen Abfalls (§§ 315c, 324, 326 StGB),48 seine zivilrechtliche Haftung nicht auf den Schiffseigner verlagern kann, bedarf keiner Erläuterung. Eine gesamtschuldnerische zivilrechtliche Haftung des Schiffseigners mit dem deliktisch handelnden Schiffsführer kommt indes dann in Betracht, falls der Schiffseigner den Schiffsführer zur Begehung der Straftat, etwa der rechtswidrigen Ablagerung von Ölfässern an Deck, angestiftet (§§ 26 StGB, 830 Abs 2 BGB) oder auch nur verleitet hat (§ 357 StGB).

$8 [Besondere Sorgfaltspflichten des Schiffsführers] (1) Der Schiffer hat vor Antritt der Reise darauf zu sehen, daß das Schiff in fahrtüchtigem Zustande, gehörig eingerichtet und ausgerüstet, sowie hinreichend bemannt ist, und daß die Schiffspapiere und Ladungsverzeichnisse an Bord sind. (2) Er hat für die Tüchtigkeit der Gerätschaften zum Laden und Löschen, für die gehörige Stauung der Ladung, sowie dafür zu sorgen, daß das Schiff nicht schwerer beladen wird, als die Tragfähigkeit desselben und die jeweiligen Wasserstandsverhältnisse es gestatten. (3) Wenn der Schiffer im Auslande die daselbst geltenden Vorschriften, insbesondere die Polizei-, Steuer- und Zollgesetze nicht beachtet, so hat er den daraus entstehenden Schaden zu ersetzen.

Übersicht Rn 1. Allgemeines 2. Erfüllung der Dienstobliegenheiten 3. Fahrtüchtigkeit des Schiffes 4. Gehörige Einrichtung und Ausrüstung des Schiffes 5. Ladetüchtigkeit des Schiffes 6. Bemannung

47 48

1-2 3-5 6-15 16 17 18-20

OLG Köln ZfB 1992, SaS 136S. Zu weiteren Beispielen s die bei $ 2 BinSchVerfG Rn 12 zitierte Rspr.

135

BinSchG § 8

Besondere Sorgfaltspflichten des Schiffsführers Rn

7. Schiffspapiere

21-22

8. Beladung/Löschung des Schiffes

23-40

9. Zollvorschriften 10. Haftung des Schiffseigners für die die Fahr- und Ladetüchtigkeit seines Schiffes . . . . 11. Beweislast 12. Einzelfälle der Sorgfaltspflicht

1.

41 42 43-45 46

Allgemeines

1 § 8 , der inhaltlich iw den seerechtlichen Vorschriften der §§ 513-515 HGB entspricht, konkretisiert die in § 7 geforderte allgemeine Sorgfaltspflicht eines ordentlichen Schiffsführers (zum Begriff s ο § 7 Rn Iff) auf bestimmte, in der Praxis besonders wichtige Dienstobliegenheiten. 2 Die Vorschrift hat keinen abschließenden Charakter, insbesondere ergeben sich weitere Verpflichtungen des Schiffsführers aus §§ 10-13, aus § 26 iVm § 425 HGB, aus §§ 91, 92f iVm §§ 92-92e, aus § 611 BGB sowie aus der Auffangnorm des § 276 BGB. Die danach geltenden zivilrechtlichen Haftungsmaßstäbe werden häufig durch öffentlich-rechtliche, insbesondere schiffahrtspolizeiliche, Vorschriften (zB BinSchStrO, RheinSchPV, MoselSchPV, DonauSchPV, BinSchUO, RheinSchUO, etc) ie näher umschrieben (s ο § 7 Rn 8f). 2.

Erfüllung der Dienstobliegenheiten

3 Die Gesetzesformulierung, wonach der Schiffsführer vor Reiseantritt nach einem bestimmten Ausrüstungs- bzw Bemannungsstand „zu sehen" (§ 8 Abs 1) bzw beim Laden und Löschen für die Einhaltung bestimmter Sorgfaltsmaßstäbe „zu sorgen" hat (§ 8 Abs 2), bedeutet nicht, daß er persönlich die dazu erforderlichen Handlungen vornehmen muß. Ihm obliegt vielmehr im Rahmen seiner Verantwortung für das Schiff und die ihm anvertrauten Menschen und Sachen die Organisationspflicht, dafür zu sorgen, daß die notwendigen Maßnahmen durch Mitglieder der Schiffsbesatzung, also entweder durch die Schiffsmannschaft (§§ 21ff) oder durch ihn selbst als Schiffsführer oder durch schiffsfremde Dritte (zB Ladungskontrolleure1) zuverlässig erledigt werden.2 4 Dem Recht, solche verantwortungsvollen Aufgaben im Rahmen einer arbeitsteiligen Schiffsorganisation zu delegieren, entspricht die Verpflichtung des Schiffsführers, die Ausführung seiner Anordnungen zu überwachen.3 1 2 3

BGHZ 82, 182. BGH NJW 2006, 1271. Diese Kontrollpflicht des Schiffsführers gilt erst recht, wenn er zuvor unklare und mißverständliche Weisungen erteilt hat (BGH NJW 2006,1271); s auchZKRZfB 199S, SaS 1517,1522/1523 = VersR 1995,439.

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Zweiter Abschnitt. Schiffer

§ 8 BinSchG

Soweit der Schiffsführer nicht mit Bordmitteln in der Lage ist, die erforderlichen 5 Maßnahmen zur Erfüllung seiner Dienstobliegenheiten aus § 8 Abs 1 und 2 zu treffen, muß er den Schiffseigner sofort benachrichtigen und ihn über den Sachverhalt vollständig und zutreffend informieren, um dessen Weisungen 4 abzuwarten. Hat der Schiffsführer den Schiffseigner ausreichend unterrichtet und verhält er sich dann entsprechend den ihm erteilten Weisungen, gleichviel ob aktiv oder passiv, haftet er nach §§ 8, 7 Abs 2 S 1 den in § 7 Abs 2 genannten Personen nicht, es sei denn, daß ihm eine strafbare Handlung zur Last fällt ($ 7 Abs 2 S 2). Im Falle weisungskonformen Verhaltens des Schiffsführers haftet somit den Ladungsbeteiligten, den Passagieren sowie der Schiffsbesatzung ausschließlich der Schiffseigner (§ 7 Abs 3). 3.

Fahrtüchtigkeit des Schiffes

Der Schiffsführer hat vor dem Antritt der Reise darauf zu achten, daß das Schiff fahr- 6 tüchtig ist. Zur Fahrtüchtigkeit gehört auch die Liegetüchtigkeit.5 Die Übermüdung eines Besatzungsmitglieds kann zu einer anfänglichen Fahruntüchtigkeit führen, wenn sie nicht rechtzeitig entdeckt und beseitigt wird.6 Nach dem allgemeinen Sprachgebrauch versteht man unter einem fahrtüchtigen 7 Schiff ein Fahrzeug, daß nach seiner Bauart, Beschaffenheit und seinen Einrichtungen ohne Gefahren zur Schiffahrt verwendet werden kann. Die besondere Hervorhebung der Einrichtung, Ausrüstung und Bemannung eines Schiffes in § 8 Abs 1 und der Tüchtigkeit der Gerätschaften zum Laden und Löschen in § 8 Abs 2 zeigen, daß der Begriff Fahrtüchtigkeit nach dem BinSchG inhaltlich anders zu verstehen ist. Fahrtüchtig ist daher ein Schiff is des § 8 Abs 1, wenn es in der Lage ist, die gewöhnlichen Gefahren der geplanten Reise zu bestehen. 7 Fahruntüchtig dagegen ist ein Schiff, „wenn ihm bereits bei Antritt der Reise die Fähigkeit fehlt, die geplante Reise durchzuführen. 8 " Zur Fahrtüchtigkeit gehört auch, daß der Schiffsführer, der einen ihm unbekannten Streckenabschnitt befährt, geeignetes Kartenmaterial vorrätig hält. 9 Ist ein Schiff infolge einer falschen Beladung instabil, so ist es als fahruntüchtig an- 8 zusehen. 10 Eine anfängliche Fahr- oder Ladeuntüchtigkeit des Schiffes liegt nicht vor, wenn zu erwarten ist, daß der Mangel bei gehöriger Bedienung des Schiffes vor Konkretisierung der Gefahr entdeckt und beseitigt wird.11 Beginnt die Verladestelle

4 5 6 7 8 9 10 11

OLG Karlsruhe VersR 2 0 0 6 , 9 6 , 9 7 f . OLG Hamburg TranspR 1993, 304. BGH TranspR 2007,36, 38. RGZ 70, 96. OLG Köln TranspR 2000,130 mwN; BGH ZfB 1980, 20, 21. LG Hamburg TranspR 2004,263. BGH LM$ 8 BinSchG Nr 3 = ZfB 1975,449. BGH ZfB 1983,389.

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BinSchG § 8

Besondere Sorgfaltspflichten des Schiffsführers

ohne Einverständnis des Schiffsführers mit der Beladung, obwohl die dazu vertraglich zwingend vereinbarten Dokumente noch nicht vorliegen, kann hierfür nicht der Schiffsführer verantwortlich gemacht werden.12 Der Schiffsführer eines Schubverbandes ist verpflichtet, selbst zu prüfen bzw durch die Schiffsbesatzung prüfen zu lassen, ob der von der Reederei des Schubleichters angegebene Tiefgang mit der tatsächlichen Eintauchung und den durch den Wasserstand gegebenen Tiefgangsmöglichkeiten übereinstimmt. 13 Die Fahruntüchtigkeit kann absolut oder relativ sein: 9 Absolute Fahruntüchtigkeit liegt vor, wenn das Schiff nach seiner Bauart, Stabilität und nach Unfallschäden aller Art grundsätzlich nicht zur Binnenschiffahrt verwendet werden kann, und zwar unabhängig davon, ob das Schiff leer oder mit einer bestimmten Ladung für eine bestimmte Reise von Α nach Β fahren soll. 10 Relative Fahruntüchtigkeit ist anzunehmen, wenn dem Schiff die konkrete Eignung fehlt, die geplante Reise mit der zum Transport vorgesehenen Ladung durchzuführen. 14 Das Schiff muß also „so beschaffen sein, daß es die gewöhnlichen, idR unvermeidlichen Gefahren der zu seiner Verwendung geplanten Fahrt bestehen kann. 1 5 " Dabei führt ein Sicherheitsmangel, der im regelmäßigen Schiffsbetrieb noch vor Eintritt der Gefahr entdeckt und beseitigt wird, nicht zu einer anfänglichen Fahruntüchtigkeit. 16 Eine solche anfängliche Fahruntüchtigkeit ist indes zu bejahen, falls sie bei Reisebeginn „im Keime" vorhanden war und sich dann im Verlaufe der Reise realisiert hat. 17 11 Relative Fahruntüchtigkeit liegt weiter vor, wenn ein Schiff ohne Lukenabdeckung nicht das für die in einem bestimmten Revier zu einer bestimmten Jahreszeit gewöhnlichen Witterungsverhältnisse (hier: Winterreise über das Ijsselmeer) erforderliche Freibord aufweist.18 In gleicher Weise führt eine zu hohe, weil nicht wasserstandsgerechte Abladung,19 ebenso wie undichte Schotten 20 zu der Fahruntüchtigkeit des Schiffes. 12 Gem § 8 Abs 1 hat sich der Schiffsführer vor Antritt der Reise davon zu überzeugen, daß die absolute und relative Fahrtüchtigkeit seines Schiffes für die geplante Reise

12 13 14 15 16 17 18 19 20

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OLG Köln ZfB 1998, SaS 1709. OLGKölnZfB 1987,SaS 1188. BGH VersR 1980, S5 und BGH LM $ 8 BinSchG Nr 5; BGH ZfB 1975,823. RGZ 70, 94, 96. BGH NJW 1995, 1831; BGH VersR 1974, 483; BGHZ 60, 39 = NJW 1973, 329. OLG Köln ZfB 1999, SaS 17, 21; 1998, SaS 1692, 1693; 1991, SaS 1352; BGH NJW 1995, 1831 = TranspR 1995, 306 = NZV 1995, 227; BGH VersR 1980,65; 1974,483. BGH ZfB 1999, SaS 1720; OLG Köln TranspR 2000, 130; OLG Köln ZfB 1994, SaS 1496. OLG Schwerin VRS 1953, 111. BGH VersR 1966, S71.

Zweiter Abschnitt. Schiffer

§ 8 BinSchG

gegeben ist. 21 Hierbei handelt es sich um eine Kardinalpflicht des Schiffsführers, da durch die Beachtung dieser Pflicht vermeidbare Risiken der geplanten Reise ausgeschlossen werden können. 22 Die Überprüfung der Fahrtüchtigkeit hat sich auch auf das Zubehör zu erstrecken;23 13 dieses muß selbst dann funktionstüchtig sein, wenn sein Einsatz während der Fahrt gesetzlich nicht zwingend vorgeschrieben ist. 24 Andererseits darf sich der Schiffsführer darauf verlassen, daß eine von einem sachkundigen und erfahrenen Unternehmer hergestellte und eingebaute Lukenabdeckung den ihr zugedachten Zweck erfüllt und für den als zulässig angegebenen Fahrtbereich geeignet ist.25 Soweit für den Schiffsführer besondere Anzeichen dafür vorliegen, daß die Ruder- 14 anlage seines Schiffes unzuverlässig ist, gebietet es die Sorgfalt eines ordentlichen Schiffsführers, die Ruderanlage vor Antritt der Reise durch einen Sachverständigen selbst dann überprüfen zu lassen, wenn die Ruderanlage grundsätzlich von der Schiffsuntersuchungskommission abgenommen ist.26 Unter einer Reise iSv § 8 Abs 1 ist jede Schiffsbewegung zu verstehen, die nach Been- 15 digung der vorhergehenden Reise, also nach Erfüllung des Auftrages (§ 7 Abs 1) bzw Löschung oder Ladung, zu einem neuen selbständigen Zweck angetreten wird.27 4.

Gehörige Einrichtung und Ausrüstung des Schiffes

Die in § 8 Abs 1 normierte zivilrechtliche Verpflichtung, vor Antritt der Reise für die 16 gehörige Einrichtung und Ausrüstung des Schiffes zu sorgen, entspricht weitgehend dem öffentlich-rechtlichen Anforderungsprofil, also gesetzlichen Vorgaben, die im Interesse der allgemeinen Schiffssicherheit durch BinSchUO, RheinSchUO, BinSchStrO, RheinSchPV, MoselSchPV, DonauSchPV, etc an alle Schiffsführer einheitlich gestellt werden, also nicht etwa auf der (Fracht- bzw Arbeits-)Vertragsebene ausgeklammert werden können (vgl etwa § 26 iVm § 427 Abs 1 Nr 1 HGB). Im Vordergrund steht dabei die Ausrüstungsanforderungen an die Binnenschiffahrt, insbesondere auf dem Rhein (vgl § 23.09 RheinSchUO).

21 22 23 24 25 26 27

OLG Schwerin ZfB 1952,44 mit Anm Vortisch. OLG Köln TranspR 2000,130 = ZfB 1999, SaS 1721; 1994, SaS 149S. RGZ 25,106. BGH ZfB 1991, SaS 1328. OLG Hamburg VersR 1993,126; BGH Hansa 1981,1464; vgl auch BGH LM $ 8 BinSchG Nr 6. BGH ZfB 1993, SaS 1436. BGH NJW 1952, 66.

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BinSchG § 8 5.

Besondere Sorgfaltspflichten des Schiffsführers

Ladetüchtigkeit des Schiffes

17 Die Verpflichtung des Schiffsführers aus § 8 Abs 2, zur Ausführung einer Ladereise nicht nur ein fahrtüchtiges, sondern auch - insbesondere in der gefahrintensiven Tankschiffahrt 28 - ein ladetüchtiges Schiff vorzulegen,29 entspricht der analogen Verpflichtung des Schiffseigners/Frachtführers gegenüber der Ladung, weswegen auf die Kommentierung zu § 412 HGB verwiesen wird. 6.

Bemannung

18 a) Der - selbst ausreichend patentierte 30 - Schiffsführer hat gemäß § 8 Abs 1 dafür zu sorgen, daß das Schiff vor Antritt der Reise hinreichend bemannt ist. 31 Der Antritt einer Fahrt ohne die vorgeschriebene Besatzung ist unzulässig (§ 23.01 Nr 1 RheinSchUO). Welche Besatzung ie mindestens vorgeschrieben ist, richtet sich nach den Angaben im Schiffsattest, dem Schiffstyp (vgl die Typologie in § 23.01 bis 23.12 RheinSchUO: Motorschiffe und Schubboote, Koppel verbände, Fahrgastschiffe, DampfTagesausflugsschiffe sowie Kabinenschiffe) sowie der gewählten Betriebsform (auf dem Rhein: A 1 = 14 Stunden, A 2 = 18 Stunden oder Β Continue-Fahrt = 24 Stunden, jeweils innerhalb eines Zeitraums von 24 Stunden, vgl §23.05 RheinSchUO). Die Einhaltung der Mindestruhezeit ist zu gewährleisten (§ 23.06 RheinSchUO).32 Die jeweilige Besatzung, Betriebsform und Mindestruhezeit ist im Bordbuch festzuhalten (S 23.08 RheinSchUO). 19 Der sich seit Jahren verschärfende Personalmangel in der Binnenschiffahrt stellt keinen Entschuldigungsgrund für die Nichtbeachtung der Bemannungsvorschriften dar.33 Bei ungenügender Besatzung hat der Schiffsführer den Schiffseigner vor Antritt der Reise zu unterrichten (§§ 7 Abs 2,10), damit der Schiffseigner Abhilfe schaffen kann. Aufgrund seiner eigenen nautischen Verantwortung für das Schiff (§ 7) ist der Schiffsführer gegenüber dem Schiffseigner arbeitsrechtlich berechtigt, den Antritt der Reise bei unzureichender Bemannung zu verweigern. Fährt er gleichwohl, stellt dies eine Ordnungswidrigkeit dar, bei deren Behandlung - teilweise in der Berufsschiffahrt heftig umstrittene - Fragen nach der Zweckmäßigkeit bestimmter Bemannungsvorschriften keine Rolle spielen.34

28 29 30 31 32 33 34

ZKR ZfB 1995, SaS 1517, 1522/1523 = VersR 1995, 439. OLG Köln ZfB 1998, SaS 1675/1676 mwN. ZKR ZfB 1994, SaS 1455. BGH TranspR 2007, 36, 37f; ZKR ZfB 1992, SaS 1362 u 1401. AG Mannheim, Beschl ν 19. 2.2007 (Az 50 OWi 802 Js 37067/0S). ZKR ZfB 1989, SaS 1268, 1269. ZKR ZfB 1994, SaS 1456; ebenso Beschwerdeentsch Art 45 Mannheimer Akte ZKR ν S. S. 2006 betreffend § 23.10 RheinSchUO.

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Zweiter Abschnitt. Schiffer

§ 8 BinSchG

b) Die Einstellung und Entlassung von Mitgliedern der Schiffsmannschaft ist Sache 20 des Schiffseigners. Die Ausnahmezuständigkeit des Schiffsführers gem § 15 hat aufgrund der modernen Kommunikationsmittel keine Bedeutung mehr. 7.

Schiffspapiere

Der Schiffsführer hat nach § 8 Abs 1 darauf zu sehen, daß die Schiffspapiere und 21 Ladungsverzeichnisse an Bord sind. Dazu gehören noch § 1.03 RheinSchUO das Schiffsattest, das die technische Eignung des Schiffes für das Befahren der Wasserstraße bescheinigt,35 nach § 60 SchRegO der Schiffsbrief, nach den §§ 12 Ziff 5, 13 SchRegO der Eichschein, das Ölkontrollbuch, bei Güterschiffen die Frachtpapiere (Ladungspapiere) wie der Frachtvertrag (Schiffsbefrachtungsschein, Schlußschein, Ladeschein), das Ladungsverzeichnis (Manifest), der Meßbrief (§§11 Ziff 5, 13 SchRegO) sowie die vom Absender beizubringenden Zollpapiere. In öffentlich-rechtlichen Vorschriften, etwa § 1.10 RheinSchPV, ist die Mitführung 22 weiterer Urkunden sowie die Mitführung eines Abdrucks bestimmter Verordnungen vorgeschrieben.36 Dazu gehört auch das Schiffsführer- und Radarpatent sowie der Abnahmeschein der Schiffsuntersuchungskommission. Nach den Versicherungsbedingungen muß ferner ein Klassifikationsattest an Bord sein. Unbeschadet dessen begründet ein fehlendes Rheinattest des Schiffes nicht den Anscheinsbeweis für eine Fahruntüchtigkeit des Schiffes.37 Die Schiffsdokumente sind auf Verlangen der Wasserschutzpolizei bei einer Kontrolle vorzulegen.38 8.

Beladung/Löschung des Schiffes

a) Nach § 8 Abs 2 hat der Schiffsführer für die „Tüchtigkeit der Gerätschaften zum 23 Laden und Löschen" zu sorgen. Es handelt sich hierbei um Dienstobliegenheiten, die der Vorbereitung der Beladung eines Motorgüterschiffes dienen. Üblicherweise haben Motorgüterschiffe keine eigene Verladeeinrichtungen, da die Lade- und Löschstellen mit modernen Hebezeugen oder Kränen so ausgestattet sind, daß Binnenschiffe schnell beladen oder leergestellt werden können. Maschinenleistungen haben die Handarbeit weitgehend verdrängt. Selbst in Laderäumen wird - mit wenigen Ausnahmen (zB besenreines Auskehren) - überwiegend Gerät eingesetzt. Zu den Pflichten eines Schiffsführers, der ständig Ladestellen unterschiedlichster Art anläuft, gehört es nicht, daß er sich an die örtlichen Gegebenheiten jeder einzelnen Ladestelle erinnert.39

35 36 37 38 39

OLG Nürnberg TranspR 2 0 0 2 , 1 7 0 ; OLG Köln VersR 2 0 0 2 , 8 5 2 . ZKR ZfB 1994, SaS 145S. BGH VersR 196S, 778. ZKR ZfB 1998, SaS 1674; 1996, SaS 1574; 1995, SaS 1559. OLG Köln ZfB 1992, SaS 1394.

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BinSchG § 8

Besondere Sorgfaltspflichten des Schiffsführers

24 Schiffsführer von Motortankschiffen müssen - auch nach Werftaufenthalten - entsprechend den Checklisten ihre bordeigenen Systeme genau überprüfen. Bei Motortankschiffen kann eine Ladeuntüchtigkeit auch auf einer fehlerhaften Bedienung von Ventilen beruhen. Hierdurch können Ladungsteile vermischt werden.40 Bei dem Befüllen von Tankmotorschiffen müssen über die ADNR-Vorschriften hinaus Kalibrierungsdifferenzen berücksichtigt werden.41 25 Ein Schiffsführer genügt seinen Sorgfaltspflichten, wenn er eine umfassende Reinigung der Laderäume durch ein SpezialUnternehmen vornehmen läßt und sich bei der Überwachung und Nachprüfung der angeordneten Maßnahmen sachverständigen Rates bedient. 42 Der objektiv nicht begründete Verdacht einer Kontamination begründet noch keine Beschädigung der Frachtgüter, wenn sich der Verdacht nach kurzer Zeit ausräumen läßt und keine Wertminderung zur Folge hat. 43 26 Verletzt ein Schiffsführer schuldhaft seine Überprüfungspflichten, ist er den in § 7 Abs 2 genannten Personen wegen Verletzung seiner Dienstobliegenheiten schadensersatzpflichtig. Im Falle eines Überläufers hat er die Kosten einer Beseitigung der Wasserverunreinigung nach §§ 823ff BGB, 22 WHG zu ersetzen. 27 b) Das Gesetz schreibt ferner vor, daß der Schiffsführer für die „gehörige Stauung der Ladung" zu sorgen hat. Die Stauung ist die ordnungsgemäße Unterbringung und Verteilung der Frachtgüter in den Laderäumen des Schiffes, so daß weder das Schiff noch die geladenen Güter gefährdet werden. Die Stauung muß so bewirkt werden, daß unter Berücksichtigung aller Umstände und aller Voraussicht eine Gefahr für die Frachtgüter durch die Art der Beladung ausgeschlossen ist. Der Schiffsführer hat auf eine gleichmäßige Beladung des Schiffes zu achten, weil bei einer ungleichmäßigen Beladung das Schiff brechen kann. 28 Welche Maßnahmen zu treffen sind, entscheidet sich nach Lage des Einzelfalls. Der Schiffsführer hat nicht die Verpflichtung, eine bestimmte Art des Ladens oder Löschens vorzuschreiben.44 In aller Regel erfolgt die Beladung und Entladung der Schiffe durch Fachfirmen, die über das entsprechende Gerät verfügen.45 Das enthebt aber den Schiffsführer nicht von der Pflicht, den Belade- und Lösch Vorgang sorgfältig und ständig zu beobachten und einzuschreiten, wenn die Lade- oder Löscharbeiten fehlerhaft sind. Der Schiffsführer bleibt für die Sicherheit seines Schiffes und für die übernommenen Frachtgüter bis zur Auslieferung verantwortlich.

40 41 42 43 44 45

142

OGH Wien Urt ν 6.4.2005 (Az 9 Ob 133/04); OLG Köln VersR 1978,321. OLG Köln ZfB 1992, SaS 1389. OLG Hamburg VersR 19S9,1284;BGHZ82,162 = NJW 1981,992; OLG Köln ZfB 199S,SaS 1583. OLG Hamburg VersR 1991,1271. OLG Köln ZfB 1960, 37S. LG Saarbrücken Urt ν 29. 9.2004 (Az 7 1 0 64/01).

Zweiter Abschnitt. Schiffer

§ 8 BinSchG

Ein Schiffsführer braucht aber nicht damit zu rechnen, daß die von einem Um- 2 9 schlagunternehmen als Fachfirma vorgenommene Art der Verladung Gefahren für das Schiff mit sich bringt, wenn nicht einmal Sachverständige die Gefahr kennen und darauf erst durch den Unfall des Schiffes aufmerksam werden. Aus der Praxis ergeben sich folgende Maßnahmen: Die Frachtgüter müssen festlie- 30 gen, dürfen aber nicht zusammengepreßt sein. Schwere Güter sind unten im Schiff auf der Strau zu laden, nicht auf anderen, zerbrechlichen Gütern. Auch bei der Verladung von Containern ist darauf zu achten, daß nicht durch hohe Gewichte in der oberen Lage eine nachteilige Beeinflussung der Schiffsstabilität herbeigeführt wird. 45 Empfindliche Güter sind besonders zu laden und dürfen nicht mit den Gütern in 31 Verbindung kommen, die Gerüche oder Ausdünstungen verbreiten. Vor der Beladung eines Schiffes mit Gütern, die nicht verunreinigt werden dürfen, muß der Laderaum besonders gereinigt werden. Bei Mehl und Getreide ist die Möglichkeit von Verunreinigungen durch Reste früherer Ladung und durch Gerüche auszuschließen. Der Schiffsführer hat bei gefährlichen Gütern, über deren Gefährlichkeit er späte- 32 stens vor Beginn der Beladung zu unterrichten ist, 47 den Ladevorgang mit erhöhter Sorgfalt zu überwachen und darauf zu achten, daß die Ladeeinrichtungen auf dem Schiff während der Beladung intakt sind und bleiben. 48 Zu den Anforderungen des Schiffsführers an die Beladung eines Schiffes, wenn der Absender der Güter die Beladung des Schiffes vereinbarungsgemäß selbst durchführt, hat der BGH Stellung genommen und ausgeführt, der Schiffsführer habe eine Decksladung unter Berücksichtigung der Beförderungssicherheit (Rn 36) genau zu überprüfen. 49 Der Schiffsführer hat im Rahmen seiner Tätigkeit auch ohne vertragliche Beziehungen das in seine Obhut gelangte Eigentum Dritter sorgfältig zu behandeln. 50 Ein Schiff darf nicht so abgeladen sein, daß es die nautisch gebotenen Maßnahmen 33 nicht durchführen kann. Der Schiffsführer darf auch keine zu hohe Deckslast übernehmen. 51 Soweit schwere Einzelcolli (Transformatoren, Turbinen, oä) zu extremen Punktlasten führen können, ist die Strau durch entsprechende Unterbauten, die das Gewicht verteilen, zu schützen. Mit der Sorgfalt eines ordentlichen Schiffsführers ist es nicht vereinbart, wenn er nässeempfindliche Chemikalien in einem Raum befördert, dessen Schotten nicht völlig wasserdicht sind. 52

46 47 48 49 50 51 52

StA Duisburg Ermittlungsverfahren „Excelsior", Az 112 Js 117/07. OLG Köln ZfB 1999, SaS 1765; 1994, SaS 14S7; 1993, SaS 1405. OLG Köln ZfB 1957, 238. BGH ZfB 1983,183; BGH VersR 1972, 912. BGH VersR 1960, 727; BGH ZfB 1983, 183. BGH VersR 1959, 985. BGH VersR 1975, 823.

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BinSchG § 8

Besondere Sorgfaltspflichten des Schiffsführers

34 Die fachgerechte Entladung eines Schiffes erfordert, daß bis zur letzten Phase des Löschvorganges die in der Schiffsmitte befindliche Ladung ein geringes Übergewicht gegenüber der Ladung in den anderen Schiffsräumen besitzt, damit sich die Elastizitätsveränderung, dh der Rückgang der Durchbiegung des Schiffes nach unten und der Übergang zu der bei einem leeren Schiff vorhandenen leichten Aufbiegung nach oben, ohne Gewalt vollziehen läßt. Die Löschung des Gutes muß deshalb von den Schiffsenden aus zur Schiffsmitte erfolgen. Ein Schiff darf nicht in die Lage gebracht werden, daß schon die Entnahme einer geringfügigen Ladungsmenge in der Schiffsmitte zum Bruch des Schiffes führt.53 35 Der Schiffsführer hat darauf zu achten, daß die Ladung so gesichert ist, daß sie sich nicht verschiebt und die Stabilität des Schiffes gefährdet.54 Coils müssen besonders gesichert werden, weil das Schiff einer Kentergefahr ausgesetzt wird, wenn die Ladung verrutscht. Soweit im Zuge von Wasserbaumaßnahmen in einem Einraumschiff ein Gemisch von Schlamm und Wasser transportiert wird, ist die Kentergefahr aufgrund des Schwappeffekts zu berücksichtigen.55 Ladungsteile in Paletten müssen gegen Bewegungen gesichert werden. Wenn Ladungsteile gegen Wasser, das sich unter der Strau befindet, geschützt werden müssen, kann sich die Notwendigkeit von Unterlagen (Garnieren) ergeben. 36 Der Schiffsführer ist wie der Erachtführer nicht verpflichtet, über die Überprüfung der Verladung auf Betriebssicherheit hinaus auch die Beförderungssicherheit des Gutes (die Ladungssicherung) zu überprüfen. Jedoch trifft ihn die allgemeine Rechtspflicht, auf eine ordnungsgemäße, das Gut vor Schaden bewahrende Verladung hinzuwirken, wenn er erkennt, daß das Gut nicht beförderungssicher verladen ist, oder wenn die Gefahr eines Schadenseintrittes nach den Umständen für ihn ohne weiteres ersichtlich ist.56 37 c) Der Schiffsführer hat im Rahmen seiner Dienstobliegenheiten nach § 8 Abs 2 dafür zu sorgen, daß das Schiff nicht überladen wird. Maßgebend für das Fassungsvermögen eines Schiffes ist der Eichschein. Daraus kann der Schiffsführer die Tragfähigkeit ersehen. Bei Fahrtantritt muß der Schiffsführer an beiden Schiffsseiten anhand der Eichmarken überprüfen, wie das Schiff vorn und achtern im Wasser liegt. Ein Schiff darf nicht so hart abgeladen werden, daß es auf der vorgesehenen Reise nicht genügend Wasser unter dem Kiel vorhanden ist.57

53 54 55 56 57

BGH Urt V 11. 10. 1965 (Az II ZR 258/63). Zur Gefährdung des Schiffes bei mangelhafter Beladung mit Kabeltrommeln vgl BGH VersR 1 9 9 4 , 5 52. AG Mannheim Verklarungsverfahren (Az 30 Η 2/02). BGH ZfB 1989, SaS 1245, wo auch zur Frage der Gewichtung von Fahr- und Verladefehlern Stellung genommen wird. BGH VersR 1980, 1045; OLG Karlsruhe ZfB 2002, SaS 1851, 1852; OLG Köln ZfB 2000, SaS 1807, 1808; 1997, SaS 1188.

144

Zweiter Abschnitt. Schiffer

§ 8 BinSchG

Es m u ß stets ein Wasserpolster von mindestens dreißig Zentimeter unter dem Kiel 38 vorhanden sein, weil sich das Schiff durch seine eigene Geschwindigkeit absenkt und ihm durch Sog und Druck anderer Schiffe, insbesondere beim Überholen, das Wasser unter dem Kiel weggenommen werden kann. Jeder Schiffsführer m u ß laufend die Wasserstandsnachrichten verfolgen und dementsprechend die Beladung seines Fahrzeugs einrichten. Die Wasserstandsverhältnisse und ihre Tendenzen so wie die jeweilige Jahreszeit 39 können für einen Schiffsführer Anlaß sein, die Abladung des Schiffes zu beschränken. 58 Insoweit dürfen aber die Sorgfaltspflichten nicht überspannt werden, da sich die Wasserstandsverhältnisse schnell ändern. Der Schiffsführer braucht nicht mit besonders ungünstigen Verhältnissen zu rechnen, m u ß sich aber stets erkundigen, ob die zu befahrenden Strecken genügend Wasser aufweisen und eisfrei sind. Wenn es sich um wenig befahrene Wasserstraßen handelt oder wenn dem Schiffsführer die Wasserstraße überhaupt unbekannt, dem Absender dagegen bekannt ist, m u ß man den Absender als verpflichtet ansehen, den Schiffsführer zu unterrichten. Eine Verletzung der Sorgfaltspflicht durch Anordnung einer zu tiefen Abladung 40 scheidet aus, wenn schon beim Abschluß des Frachtvertrages mit einer Umladung oder Aufleichterung an bestimmten Zwischenorten gerechnet wird. Bei Massengütern kommt die Klausel vor, daß nach Wasserstand abgeladen wird. Wird nach dem Frachtvertrag eine größere Ladung eingeladen, als nach dem augenblicklichen Wasserstand befördert werden kann, ist anzunehmen, daß der Schiffsführer mit dem Antritt der Reise auf Kosten des Absenders bis zum Steigen des Wassers abwarten soll.

9.

Zoll- und Steuervorschriften

Bei Fahrten im grenzüberschreitenden Verkehr, gleichviel ob im Schengen-Raum 41 oder darüber hinaus, wird vom Schiffsführer ebenso wie bei Fahrten auf den deutschen Wasserstraßen die Kenntnis der jeweils geltenden Vorschriften, insbesondere der Verkehrsvorschriften, Polizei-, Zoll- und Steuervorschriften verlangt (§ 8 Abs 3). Diese hat der Schiffsführer, insbesondere bei der Bebunkerung des Schiffes, zu beachten, weil sonst das Schiff und die Ladung der Gefahr einer Beschlagnahme oder vorläufigen Sicherstellung, die häufig zum Verlust von Ladungsteilen führt, ausgesetzt ist. Eine strafrechtliche Inanspruchnahme des Schiffsführers bleibt hiervon unberührt. 59

58 59

RGZ 38, 5. AG F r e i b u r g Beschl V 3. 2. 2003 (Az 23 Cs 42 Js 13196/01 - AK 985/01).

145

BinSchG § 8 10.

Besondere Sorgfaltspflichten des Schiffsführers

Haftung des Schiffseigners für die Fahr- und Ladetüchtigkeit seines Schiffes

42 Tritt der Schiffsführer pflichtwidrig und schuldhaft 60 trotz vorliegender Fahr- und/ oder Ladungsuntüchtigkeit seines Schiffes die Reise an, so haftet für eintretende Schäden neben dem Schiffsführer (§ 7 Abs 2) auch der Schiffseigner (§ 3 Abs 1). Im Gegensatz zur früheren Rechtslage vor 1998 besteht diese adjektizische Haftung des Schiffseigners nicht mehr unbeschränkt persönlich (§ 8 Abs 4 aF), sondern summenmäßig beschränkbar (§ 4). 11.

Beweislast

43 a) Dem Geschädigten obliegt die Beweislast dafür, daß der Schiffsführer nach objektiven Gesichtspunkten seine Dienstverpflichtungen verletzt hat und hierauf der Schaden beruht. 61 Es ist dann Sache des Schiffsführers, sich zu entlasten, weil der erste Anschein für ein Verschulden des Schiffsführers spricht, wenn ihm objektiv eine Dienstpflichtverletzung zur Last fällt. 52 Für die von ihm behauptete Ladungsuntüchtigkeit eines Schiffes ist der Ladungsbeteiligte beweispflichtig.53 Andererseits ist der Schiffsführer bei einem Ladungsschaden erst dann entlastet, wenn er über die Ausräumung der behaupteten Pflichtverletzung hinaus Umstände darlegen und beweisen kann, die als Schadensursache wahrscheinlich sind und für die er nicht einzustehen hat. 64 4 4 Dem Geschädigten kann für den Beweis einer Fahr- und Ladeuntüchtigkeit65 der Beweis des ersten Anscheins zu Hilfe kommen, wenn zB ein Schiff ohne einen äußeren Anlaß plötzlich sinkt. 66 Bei zu tiefer Abladung spricht der Anscheinsbeweis für ein Verschulden des Schiffsführers, weil er wissen muß, ob sein Schiff für die zu durchfahrende Strecke zu tief abgeladen ist. 67 Auch bei der Verunreinigung der Ladung im Schiff spricht der Anscheinsbeweis für das Verschulden des Schiffsführers. 45 b) Wird der Schiffseigner aus den §§ 7, 8 in Anspruch genommen, haben die Geschädigten die anfängliche Fahr- und Ladeuntüchtigkeit und das Verschulden des Schiffsführers zu beweisen.68 Der Schiffseigner kann den für die vom Schiffsführer 60 61 62 63 64 65

BGH ZfB 1984, 142. BGH VersR 197S, 278, 282. OLG Hamburg VersR 1972, S58. OLG Köln ZfB 1998, SaS 1675 = TranspR 1997, 375. OGH Wien Urt ν 6.4.2005 (Az 9 Ob 133/04f). Die Ladungsuntüchtigkeit indiziert die Fahruntüchtigkeit, vgl Β GHZ 49, 356, 363; 65, 364, 367; 71,167, 171. 66 BGHZ 67, 384 - LM § 58 BinSchG Nr 5. 67 BGH VersR 1980, 6 5 = ZfB 1980, 20. 68 RGZ 125, 422; BGH VersR 1983,1029 = LM $ 8 BinSchG Nr 8 = ZfB 1984,142.

146

Zweiter Abschnitt. Schiffer

§ 8 BinSchG

verschuldete Ladeuntüchtigkeit seines Schiffes streitenden Anscheinsbeweis durch den Nachweis entkräften, daß den Schiffsführer kein Verschulden trifft. 12.

Einzelfälle der Sorgfaltspflichten 6 9

Abladung, keine zu tiefe

BGH VersR 1980,1045; OLG Karlsruhe ZfB 2002, SaS 1851,1852; OLG Köln ZfB 2000, SaS 1807,1808; 1987, SaS 1188; ZKRZfB 1981, 168,169

ADNR, Beachtung der

OLG Köln ZfB 2000, SaS 1780; OLG Karlsruhe TranspR 1999, 307; ZKRZfB 1986,134

Alkoholmißbrauch, kein

OLG Brandenburg NStZ-RR 2002,222; OLG Hamburg TranspR 2000, 82, 84

Anker, vollständiges Einholen der

OLG Köln ZfB 1984,103

Anker, kein Schleifenlassen des

ZKR ZfB 1995, SaS 1560 = VersR 1997,135; BGH ZfB 1988, SaS 1234

Ankerkette, hinreichende Länge derA. bei einem Stillieger

ZKR ZfB 1984,181,182

Anlegen des Schiffes zur Durchführung von Reparaturarbeiten

OLG Karlsruhe VersR 1997, 858, 859

Arbeitgeber, Pflicht zur Mißachtung gesetzeswidriger Anweisungen des

ZKR ZfB 1989, SaS 1250

Ausguck, Aufstellen eines A. bei Verholen in Hafen ZKRZfB 1996, SaS 1594 = VersR 1997, 213 Ausweichpflicht eines Kleinfahrzeuges gegenüber Großfahrzeug

BGH ZfB 1989, SaS 1252,1253

Baustelle in der Wasserstraße, Berücksichtigen einer

OLG Hamm VersR 1999, 739; 1998,1133,1134

Beladung des Schiffes, geeignete

69

BGH ZfB 1983,183; 1975,449; BGH VersR 1994, 552; 1972,912; OLG Köln ZfB 1998, SaS 1709

IS einer zusammenfassenden Übersicht wurden auch Fälle angeführt, in denen die Gerichte eine entsprechende Sorgfaltspflicht des Schiffsführers geprüft, dann aber abgelehnt haben; es verbietet sich ohnehin eine superlativistische Überdehnung der Sorgfaltspflichten des Schiffsführers ($ 7 Rn 8); zu den nautischen Sorgfaltspflichten § 92c Rn 32.

147

46

BinSchG § 8

Besondere Sorgfaltspflichten des Schiffsführers

Benachrichtigung der Behörden bei Festfahrung

OLG Karlsruhe VersR 1999,1261

Benachrichtigung des Schiffseigners im Havariefall

OLG Karlsruhe VersR 2006,96, 97f

Beobachtungvon Kleinfahrzeugen

BGH ZfB 1989, SaS 1252

Bordbetrieb, Organisation des

BGH NJW 2006,1271

Brückendurchfahrt, Absenken des Steuerhauses vor Deutsche Sprachkenntnisse, Kenntnis von d. S. für Begegnungsabsprache Drähte, rechtzeitiges Lösen derD. bei Verholen

OLG Hamm VersR 1997, 572; AG St. Goar ZfB 2004, SaS 1923 OLG Karlsruhe ZfB 1994, SaS 1471,1472 = VersR 1995,606 BGH ZfB 1989, SaS 1244

Einspurige Verkehrsführung auf Mittellandkanal, Einrichten auf

OLG Hamm VersR 1 9 9 8 , 1 1 3 3 , 1 1 3 4

Fährführer, Verpflichtung gegenüber auffahrenden Pkw's Fahrgastschiff, Hinweis auf Gefahrenstellen fürPassagiere auf

OLG Karlsruhe ZfB 1993, SaS 1426,1427 = VersR 1993,1553 = NZV 1993,153 OLG Köln ZfB 1999, SaS 1761; 1993, SaS 1428; OLG Köln Urt ν 9 . 1 2 . 1 9 9 4 (Az 3 U 99/ 94); LG Kiel VersR 1994,1083; AG Hamburg VersR 2005,1096; AG Dresden VersR 1995, 110/111

Fahrrinne, Fahren außerhalb der

OLG Köln VersR 2 0 0 0 , 1 5 2 4

Fahrtüchtigkeit des Schiffes, Gewährleistung der

OLG Köln TranspR 2 0 0 0 , 1 3 0

Fahrwasser, Sorgfaltspflicht bei Befahren des

OLG Köln VersR 2 0 0 0 , 1 5 2 4

Festfahrung, Benachrichtigung der Behörden bei

OLG Karlsruhe VersR 1999,1261

Fieren, rechtzeitiges F. in Schleuse

OLG Köln ZfB 2000, SaS 1784,1785

Frostschäden an Bord, Vermeidung von

OLG Hamburg ZfB 1979, 239

148

§ 8 BinSchG

Zweiter Abschnitt. Schiffer

Füllstand, Beachtung des F. bei Beladung eines Tankschiffs

Gefährliche Ladung, Kenntnis von Gefahrenstelle, Hinweis aufG. bei Einstieg in Fahrgastschiff

Gewässerverunreinigung, Vermeidung von Gleichwertiger Wasserstand, Beachtung des

ZKR ZfB 2005, Heft Nr 4, S 47; OLG Karlsruhe VersR 1997,1165; OLG Köln ZfB 1992, SaS 1389 OLG Köln ZfB 1999, SaS 1765; 1994, SaS 1467; 1993, SaS 1405 OLG Köln ZfB 1993, SaS 1428; OLG Köln Urt ν 9 . 1 2 . 1 9 9 4 (Az 3 U 99/94); AG Hamburg VersR 2005,1096 OLG Köln ZfB 1992, SaS 1368 Schonlau ZfB 1991, 660; Krajewski BN 1979, 129

Grundberührung, unverzügliche Unterrichtung der Wasser- und Schijfahrtsverwaltung

OLG Köln ZfB 1999, SaS 1739

Grundberührung, unverzügliches Veranlassen von Turnmanövern bei

OLG Köln ZfB 1999, SaS 1739

Hafen, angepaßte Fahrweise in

ZKR ZfB 1996, SaS 1594 = VersR 1997, 213

Handruder, rechtzeitiges Umschalten aufH. bei Ausfall des Autopiloten

BGH ZfB 1985,261

Haverie-Grosse-Maßnahme, Verpflichtung zur Einleitung von

OLG Köln ZfB 1993, SaS 1422,1424

Herstellerhinweise, Beachtung von H. bei Schiffsreparatur

OLG Karlsruhe VersR 1997, 858, 859

Hochwasser, Einhalten des vorgeschriebenen Kurses bei

ZKR ZfB 1986,174

Hochwasser, rechtzeitiges Einstellen der ZKR Urt ν 3 . 1 0 . 2003 (Az 424 B-5/03); ZKR ZfB Fahrt bei 1983,190; 1 9 8 2 , 1 2 8 , 1 2 9 Kabeltrommeln, Stauung von

BGH ZfB 1984,261

Kennzeichnung von Tankschiffen

ZKR ZfB 1989, SaS 1268 149

BinSchG

Besondere Sorgfaltspflichten des Schiffsführers

§8

Kontrolle der Besatzung

Kursweisung, Vermeidung des Anscheins einer Laderäume, Reinigung und Überprüfung der

Ladestelle, Kenntnis der örtlichen Gegebenheiten der Ladetüchtigkeit des Schiffes, Gewährleistung der

B G H NJW 2 0 0 6 , 1 2 7 1 ; OLG B r a n d e n b u r g VersR 2 0 0 5 , 1 5 5 9

ZKRZfB 1981,269

B G H Z 8 2 , 1 6 2 = NJW 1 9 8 1 , 9 9 2 = ZfB 1982, 92; OLG Köln ZfB 1996, SaS 1583; OLG H a m b u r g VersR 1 9 9 1 , 1 2 7 1 ; 1 9 8 9 , 1 2 8 4

OLG Köln ZfB 1992, SaS 1394

OLG Köln ZfB 1998, SaS 1 6 7 5 / 1 6 7 6 ; ZKR ZfB 1995, SaS 1 5 1 7 , 1 5 2 2 / 1 5 2 3 = VersR 1 9 9 5 , 4 3 9

Lotse, keine Warnpflicht gegenüber L. bei unbeleuchtetem Schiffsdeck OLG H a m b u r g VersR 2 0 0 1 , 6 1 4 Lukenabdeckung, Überprüfung der Lukenabdeckung bei Winterreise über Ijsselmeer

Lukendeckel, Sicherung der L. vor Fortfliegen im Sturm Mindestbesatzungsvorschriften, Beachtung der

Mindestruhezeit,

Einhaltung der

Nebenwasserstraße,

Ausfahrt aus

OLG H a m b u r g VersR 1 9 9 3 , 1 2 5 , 1 2 6

B G H ZfB 1999, SaS 1720; OLG Köln T r a n s p R 2 0 0 0 , 1 3 0 ; OLG Köln ZfB 1994, SaS 1496

OLG H a m b u r g ZfB 1979, 240

ZKR ZfB 1998, SaS 1674 u 1681; 1997, SaS 1670; 1992, SaS 1362; 1989, SaS 1250; 1987, SaS 1196 Z K R Z f B 1996, SaS 1581; 1993, SaS 1420; 1987, SaS 1208; OLG Karlsruhe VersR 1997, 737, 740 OLG Karlsruhe OLGR 2 0 0 3 , 1 6 2 ; OLG H a m b u r g VersR 1 9 8 3 , 1 1 3 2

Örtliche Gegebenheiten der Ladestelle, Kenntnis der

OLG Köln ZfB 1992, SaS 1394

Organisation des Bordbetriebs

B G H NJW 2 0 0 6 , 1 2 7 1

Patentierung, Gewährleistung einer ausreichenden eigenen

Z K R Z f B 1994, SaS 1455

150

§ 8 BinSchG

Zweiter Abschnitt. Schiffer

Positionslichter, ordnungsgemäße Sicherung eines Stüliegers durch

ZKRZfB 1995, SaS 1549

Radarbild, Auswertung des

ZKR ZfB 1994, SaS 1459

Radargerät, Benutzungvon

BGH VersR 1991,605 = ZfB 1991, SaS 1328; OLG Karlsruhe ZfB 1995, SaS 1563,1565/1566

Reinigung der Laderäume

BGHZ 8 2 , 1 6 2 = NJW 1981,992; OLG Köln ZfB 1996, SaS 1583; OLG Hamburg VersR 1991, 1271; 1989,1284

Ruderanlage, Überprüfung der R. in bestimmten Intervallen Ruderanlage, Überprüfung derR. nach vorrangegangenen Defekt

ZKR ZfB 1990, SaS 1278 ZKR ZfB 1985,227, 228; 1983,427; 1982, 53, 54

Rudergänger, Überprüfung des

LG München VersR 2005,830; OLG Köln ZfB 1998, SaS 1689; ZKR ZfB 2001, SaS 1822,1823; 1982,127,128

Ruhezeiten, Beachtungder

OLG Karlsruhe VersR 1 9 9 7 , 7 3 7 , 7 4 0 ; ZKR ZfB 1996, SaS 1581; 1993, SaS 1420

Schiffahrtsiibliche Kurse, Beachtung von s. K. an besonderen Gefahrenstellen

ZKR ZfB 2006, Heft Nr 5, S 52; OLG Karlsruhe ZfB 2002, SaS 1865,1866; ZKR VersR 1999,649

Schiffahrtszeichen, Beachtungder

KG VersR 2 0 0 5 , 1 3 0 8

Schifferdienstbücher, keine Überprüfungspflicht des Schiffsführers bzgl

AG Kehl Urt ν 23. 9 . 1 9 9 2 (Az 4 OWi 63/92)

Schiffsattest, Vertrauen aufRichtigkeit des

OLG Köln ZfB 1997, SaS 1647,1648

Schiffsdeck, keine Wampflichtgegenüber Lotsen bei unbeleuchtetem

OLG Hamburg VersR 2 0 0 1 , 6 1 4 , 6 1 5

Schiffspapiere, Mitführen der

ZKR ZfB 1994, SaS 1456

Schiffspapiere, Vorlegen derSch. gegenüberWSP Schleuse, Beobachtung der Signalanlage der

ZKRZfB 1998, SaS 1674; 1996, SaS 1574; 1995, 1559; 1 9 8 6 , 1 3 4 BGH VersR 1987,901 = ZfB 1987, SaS 1203 151

BinSchG § 8 Schubleichter, Aufsichtspflicht betreffend stilllegende Seeventile, Schließen der Seitenflagge, rechtzeitiges Einholen der blauen Sprechfunk, Benutzung von

Stauung von Kabeltrommeln Steuerhaus, Absenken des Sch. vor Brückendurchfahrt

Besondere Sorgfaltspflichten des Schiffsführers

ZKRZfB 1995, SaS 1549; 1981,133; 1980,451, 452 BGH ZfB 1979,421 ZKRZfB 1981,269 BGH VersR 1991,605 = ZfB 1991, SaS 1328; OLG Karlsruhe ZfB 1995, SaS 1563,1565/ 1566; OLG Köln ZfB 1983,470; ZKR ZfB 1982, 399 BGH ZfB 1984, 261 OLG Hamm VersR 1997, 572; AG St. Goar ZfB 2004, SaS 1923

Streckenkenntnis

BGH VersR 1989,271

Sturm, Sicherung der Lukendecke im

OLG Hamburg ZfB 1979,240

Tankschiff, Beachtung des Füllstandes bei Beladen eines

ZKR ZfB 2005, Heft Nr 4, S 47; OLG Karlsruhe VersR 1997,1165; OLG Köln ZfB 1992, SaS 1389

Tankschiff, Kennzeichnungeines

ZKRZfB 1989, SaS 1268

Tiefgangsangaben, Überprüfungvon

OLG Köln ZfB 1987, SaS 1188

Turnmanöver, unverzügliches Veranlassen von T. bei Grundberührung

OLG Köln ZfB 1999, SaS 1739

Überholmanöver, Einhaltung des notwendigen Sicherheitsabstandes bei

BGH ZfB 1987, SaS 1208

Übermüdung, Vermeidung von

OLG Karlsruhe VersR 1997, 737, 740

Umsteuerversagen, Rechnen mit

OLG Köln ZfB 1992, SaS 1396; OLG Karlsruhe ZfB 1995, SaS 1551

Verholen, rechtzeitiges Lösen der Drähte bei

BGH ZfB 1989, SaS 1244

Verkehrslage, Pflicht zur Erkundigung der

OLG Köln ZfB 1997, SaS 1668,1669

152

§ 9 BinSchG

Zweiter Abschnitt. Schiffer

Vorspannboot, Pflicht des Schiffsführers eines V. zu Gefahrenhinweisen OLG Köln VersR 2 0 0 6 , 1 7 1 0 , 1 7 1 1 Wasser- undSchiffahrtsamt, unverzügliche Unterrichtung des WSA bei Grundberührung

OLG Köln ZfB 2000, SaS 1768,1769

Weisungen, Einholungvon w. des Schiffseigners

OLG Karlsruhe VersR 2006,96, 97f

Wetterverhältnisse, rechtzeitige Unterrichtung über

BGH ZfB 1999, SaS 1720; TranspR 1995, 306 = NZV1995, 227; OLG Köln VersR 2003,1534, 1535; OLG Hamburg VersR 1 9 9 3 , 1 2 5 , 1 2 6

Wrack, Kennzeichnungeines

BGH ZfB 1984,225

Wrackstellen, Vorbeifahrt an

OLG Köln ZfB 1984,402

$9

[Ersatzschiffsführer]

(1) Wenn der Schiffer durch Krankheit oder andere Ursachen verhindert ist, das Schiff zu führen, so darf er den Antritt oder die Fortsetzung der Reise nicht ungebührlich verzögern; er muß vielmehr, wenn Zeit und Umständen es gestatten, die Anordnung des Schiffseigners einholen und für die Zwischenzeit die geeigneten Vorkehrungen treffen, im entgegengesetzten Falle aber einen anderen Schiffer einsetzen. (2) Für diesen Stellvertreter ist er nur insofern verantwortlich, als ihm bei der Wahl desselben ein Verschulden zur Last fällt.

Übersicht Rn 1. Allgemeines 2. Dienstantritt des Schiffsführers 3. Vorkehrungen bei Verhinderungen des Schiffsführers 4. Ersatzschiffsführer 5. Haftung bei Verletzung der Dienstobliegenheiten

1 2-4 5-8 9-11 12-15

153

BinSchG § 9 1.

Ersatzschiffsführer

Allgemeines

1 Die Vorschrift, die inhaltlich weitgehend mit § 516 HGB übereinstimmt, hat in praxi kaum mehr eine Bedeutung, da aufgrund der fortgeschrittenen Kommunikationstechnik Zeiträume, in denen Weisungen des Schiffseigners nicht zeitnah eingeholt werden können, nur noch in seltenen Ausnahmefällen denkbar sind. Im Innenverhältnis zu dem Schiffseigner gelten für den Schiffsführer die allgemeinen Grundsätze des Arbeitsrechts der Binnenschiffahrt. 1 2.

Dienstantritt des Schiffsführers

2 Arbeitsrechtlich ist der Schiffsführer verpflichtet, seine Dienste zu der im Arbeitsvertrag bestimmten Zeit anzutreten. Er hat sich dann ständig für Schiffsdienste innerhalb der vereinbarten Arbeitszeit bereitzuhalten 2 . 3 Im Arbeitsvertrag können Schiffsdienste auf einem bestimmten Schiff vereinbart sein, so daß der Schiffsführer das Schiff an dem ihm bezeichneten Liegeort ohne weiteres erreichen und seinen Dienst dort antreten kann. Möglich ist aber auch, daß er allgemein zur Leistung von Schiffsdiensten innerhalb der Flotte des Schiffahrtsunternehmens angenommen worden ist. Ihm ist dann rechtzeitig vom Arbeitgeber anzugeben, wann und auf welchem Fahrzeug er Dienste zu leisten hat und wo er an Bord gehen kann. Erfüllungsort für die Arbeitsleistung des Schiffsführers ist der jeweilige Aufenthalt des Schiffes auf dem Strom, nicht der Ort, an dem der Schiffsführer an Bord gegangen ist. 3 4 Der Schiffsführer hat sich an die Anweisungen seines Arbeitgebers zu halten. 4 Werden keine Weisungen über bestimmte Schiffsdienste erteilt, hat der Schiffsführer seine Dienste in den Geschäftsräumen des Arbeitsgebers anzubieten. Teilt der Arbeitgeber die Schiffsführer zu Schiffsdiensten nicht ein, gerät er hinsichtlich der Arbeitsleistung des Schiffsführer in Annahmeverzug (§615 BGB). 3.

Vorkehrungen bei Verhinderungen des Schiffsführers

5 Nach § 9 Abs 1 darf der Schiffsführer den Antritt oder die Fortsetzung der Reise nicht ungebührlich verzögern, wenn er durch Krankheit oder durch andere Ursachen verhindert ist, das Schiff zu führen. Das Gesetz enthält damit den Grundsatz, daß die persönliche Verhinderung des Schiffsführers niemals zu einer unwirtschaftlichen Verzögerung der Reise führen darf. Bei Motorschiffen ist häufig nur ein Schiffsführer an Bord. Fällt er infolge Krankheit oder aus anderen Gründen aus, kann die Fahrt 1 2 3 4

Vgl RGRK-Bemm, Anh II zu $ S30 BGB sowie oben $ 7 Rn 12f. LAG Baden-Württemberg Urt ν 27. 3.2007 (Az 14 Sa 99/06). ArbG Würzburg Beschl ν 4.1. 2006 (Az 3 Ca 1909/05 S). OLG Köln ZfB 2006, Heft Nr 4, 53.

154

Zweiter Abschnitt. Schiffer

§ 9 BinSchG

unter einer patentierten Schiffsführung durch die Schiffsmannschaft nicht fortgesetzt werden, da nur ein Patentinhaber das Schiff führen darf. Bleibt das Schiff liegen, entsteht ein beträchtlicher Nutzungsverlust ($ 92b Rn 3 Off); 6 außerdem können aus dem Frachtvertrag Schadensersatzansprüche erwachsen. Der Schiffsführer hat dem entgegenzuwirken und bei Verhinderungen, die nicht sofort behebbar oder nur von kurzer Dauer sind, sofortige Vorkehrungen zu treffen. Er muß, soweit Zeit und Umständen dies gestatten, die Anordnung des Schiffseigners einholen. Über Fax-, Funk- oder Sprechverbindungen ist in der Praxis der Schiffseigner immer erreichbar und kann sofort seine Weisungen 5 erteilen. Bis zum Eingang der Weisung hat der Schiffsführer jedoch selbst die geeigneten 7 Maßnahmen zu treffen, um den sofortigen Antritt oder die Fortsetzung der Reise zu ermöglichen. Er hat für die Sicherheit des Schiffes und der Ladung zu sorgen. Ein Schiffsführer darf eine Anweisung des Schiffseigners zum Antritt oder zur Fortsetzung der Fahrt nicht befolgen und darf die Fahrt einstellen, wenn er infolge Krankheit nicht mehr fahrtüchtig ist und bei Fortsetzung der Fahrt der Schiffsverkehr gefährdet wäre. Kommt es bei weisungsgemäßer Fortsetzung der Fahrt durch einen fahrtuntauglichen Schiffsführer zu einem Unfall, haften Schiffsführer und Schiffseigner dem Geschädigten als Gesamtschuldner nach den §§ 823ff BGB. Auch bei Unfällen muß der Schiffsführer den Schiffseigner sofort in Kenntnis setzen 8 und dessen Weisungen abwarten. 4.

Ersatzschiffsführer

a) Nach § 9 Abs 1 hat der Schiffsführer, wenn die Einholung einer Anordnung des 9 Schiffseigners untunlich ist, im Falle seiner Behinderung einen Ersatzschiffsführer einzusetzen. Von einer solchen Maßnahme muß der Schiffsführer den Schiffseigner in Kenntnis setzen (§10 Abs 1). In der Praxis kommt die Einsetzung eines solchen Ersatzschiffsführers nicht vor, weil der Schiffseigner durch die modernen Nachrichtenverbindungen sofort in Kenntnis gesetzt werden kann und selbst einen anderen Schiffsführer an Bord beordern kann. Soweit in § 9 Abs 2 der Ersatzschiffsführer als „Stellvertreter" bezeichnet ist, han- 10 delt es sich um keine Stellvertretung iSd BGB (§§ 164ff BGB), sondern um einen kraft gesetzlicher Befugnisse bestellten Ersatzschiffsführer, der die Rechte und Pflichten zur Schiffsleitung nur solange ausüben darf, bis er vom Schiffseigner abberufen wird (§ 20 Abs 6). b) Das Gesetz regelt nicht den Fall, daß der Schiffsführer plötzlich durch Krankheit, 11 Unfall oder Tod handlungsunfähig wird. Die Mitglieder der Schiffsmannschaft kön-

S

OLG Karlsrahe VersR 2006,96,97f.

155

BinSchG S 10

Sorgfaltspflichten des Schiffsführers für Schiff und Ladung

nen in einem solchen Fall nicht an Stelle des Schiffsführers einen Ersatzschiffsführer bestellen. Wer in einem solchen Falle tatsächlich die Schiffsführung übernimmt, ist nicht Schiffsführer iSd § 7, sondern handelt als Geschäftsführer ohne Auftrag nach §§ 677ff BGB. Ein etwaiges Verschulden dieses Geschäftführers hat der Schiffseigner nur zu vertreten, wenn der Geschäftsführer zur Schiffsmannschaft gehört (§ 3 Abs 1).

5.

H a f t u n g für Verletzung der Dienstobliegenheiten

12

a) Bei den Dienstobliegenheiten nach § 9 hat der Schiffsführer die Sorgfalt eines ordentlichen Schiffsführers anzuwenden, denn die Sorgfaltspflicht hat der Schiffsführer bei allen Dienstverrichtungen zu beobachten (§ 7 Abs 1). Bei schuldhafter Verletzung seiner Dienstobliegenheit aus § 9 haftet der Schiffsführer den in § 7 Abs 2 genannten Personen unmittelbar persönlich, hat aber unter Umständen einen arbeitsrechtlichen Freistellungsanspruch gegen den Schiffseigner (vgl ο § 7 R n l l f f , 15).

13

b) Der Schiffsführer hat für ein Verschulden des Ersatzschiffsführers nicht einzustehen, wenn ihn bei der Auswahl kein Verschulden trifft. Der Schiffsführer m u ß sich bei der Auswahl des Ersatzschiffsführers Zeugnisse über die bisherigen Beschäftigungsverhältnisse vorlegen lassen und davon überzeugen, daß der Ersatzschiffsführer ein Schiffsführerpatent für die zu durchfahrende Strecke besitzt und auch iü über die notwendige persönliche Befähigung verfügt. Vorsicht ist gegenüber Personen geboten, die über längere Zeit keine Fahrpraxis hatten.

14

I m F alle eines Auswahlverschuldens ist der Schiffsführer den in § 7 Abs 2 genannten Personen zum Ersatz des auf dem Auswahlverschulden beruhenden Schaden verantwortlich, und zwar als Gesamtschuldner mit dem Ersatzschiffsführer, der den genannten Personen nach den §§ 8 2 3 f f BGB haftet.

15

c) Fügt der Ersatzschiffsführer schuldhaft einem Dritten einen Schaden zu, hat dafür der Schiffseigner nach § 3 iRd Summenhaftung (§§ 4ff) einzustehen; denn auch der Ersatzschiffsführer ist eine Person der Schiffsbesatzung.

$ 1 0

[Sorgfaltspflichten des Schiffsführers für Schiff und Ladung] (1) Der Schiffer ist verpflichtet, von Beschädigungen des Schiffes oder der Ladung, von eingegangenen Geschäften sowie von der Einsetzung eines anderen Schiffers (§ 9) den Schiffseigner in Kenntnis zu setzen. E r hat in allen erhebli156

Zweiter Abschnitt. Schiffer

§ 10 BinSchG

chen Fällen, namentlich wenn er die Reise einzustellen oder zu ändern sich genötigt findet, die Erteilung von Verhaltensmaßregeln bei dem Schiffseigner nachzusuchen, sofern es die Umstände gestatten. (2) Im Interesse der Ladungsbeteiligten hat der Schiffer während der Reise für das Beste der Ladung nach Möglichkeit Sorge zu tragen. (3) Werden zur Abwendung oder Verringerung eines Verlustes besondere Maßregeln erforderlich, so hat er, wenn tunlich, die Anweisung der Ladungsbeteiligten einzuholen, sonst nach bestem Ermessen das Erforderliche selbst zu veranlassen und dafür zu sorgen, daß die Ladungsbeteiligten von dem Vorfall und den dadurch veranlaßten Maßregeln schleunigst in Kenntnis gesetzt werden.

Übersicht 1. Allgemeines 2. Benachrichtigungspflicht 3. Einholung von Anweisungen des Schiffsführers 4. Ladungsfürsorge 5. Einholung von Anweisungen der Ladungsbeteiligten 6. Verhalten des Schiffsführers im Falle eines Interessenwiderstreits

1.

Rn 1-2 3-7 8-12 13-15 16-20 21

Allgemeines

Die in § 10 Abs 1 enthaltene Benachrichtigungspflicht des Schiffsführers entspricht 1 iw der seerechtlichen Vorschrift des § 534 HGB. Der Schiffsführer hat den Schiffseigner über alle wesentlichen Vorgänge innerhalb seines Aufgabenbereichs ohne besondere Aufforderung in Kenntnis zu setzen, damit der Schiffseigner seine Dispositionen treffen kann. Ferner enthält § 10 Abs 2 eine § 535 Abs 1 HGB entsprechende Regelung über die Ladungsfürsorge des Schiffsführers. § 10 Abs 3 entspricht § 535 Abs 2 HGB, der Maßnahmen zur Abwendung oder Verringerung eines Verlustes regelt. Es handelt sich bei den in § 10 beschriebenen Dienstobliegenheiten des Schiffsfüh- 2 rers um gesetzliche Rechte und Pflichten des Schiffsführers. Die Vorschriften über die Geschäftsführung ohne Auftrag sind deshalb unanwendbar. Soweit der Schiffsführer Maßnahmen trifft, handelt er nicht als gesetzlicher Vertreter der Ladungsbeteiligten. Er darf auch keine weiteren Maßnahmen vornehmen, als sie im Interesse der Ladungsfürsorge und zur Sicherung der Ladung notwendig sind.

157

BinSchG S 10 2.

Sorgfaltspflichten des Schiffsführers für Schiff und Ladung

Benachrichtigungspflicht

3 a) Nach § 10 Abs 1 ist der Schiffsführer verpflichtet, den Schiffseigner von Beschädigungen des Schiffes und der Ladung, von eingegangen Geschäften sowie von der Einsetzung eines Ersatzschiffsführers (§ 9) in Kenntnis zu setzen. Die Benachrichtigungspflicht bezieht sich auf alle von dem Schiffsführer abgeschlossenen Geschäfte, sei es, daß die Geschäfte aufgrund einer gesetzlichen Vertretungsmacht (§ 15), sei es aufgrund einer Vollmacht oder ohne Vertretungsmacht abgeschlossen worden sind. Der Schiffseigner soll nach dem Zweck der Vorschriften fortlaufend und zutreffend über alle mit dem Schiff zusammenhängenden Angelegenheiten unterrichtet sein. 4 Von der eigenen Abschlußkompetenz des Schiffsführers werden nur noch wenige Geschäfte minderen Ranges umfaßt (etwa Ersatzbeschaffung von Zubehör oä). Selbst die Ergänzung des Treibstoffvorrats oder die Beauftragung von Vorspann- oder Turnleistungen nach einer Festfahrung erfolgt heute regelmäßig nur in Abstimmung mit dem Schiffseigner. 5 Bei allen Unfällen ist der Schiffsführer verpflichtet, sofort den Schiffseigner zu verständigen. Eine solche Benachrichtigung ist schon aus Gründen des Versicherungsschutzes dringend erforderlich, weil der Schiffseigner, sofern der Unfall für die von dem Versicherer zu tragende Gefahr von Erheblichkeit ist (§ 146 WG), als Versicherungsnehmer dem Versicherer gegenüber verpflichtet ist, jeden Unfall, der das Schiff und/oder die Ladung betroffen hat, sofort dem Versicherer anzuzeigen, auch wenn dadurch ein Entschädigungsanspruch für ihn nicht begründet wird. Im Regelfall wird der Kaskoversicherer sofort seinen Experten an die Unfallstelle beordern und die erforderlichen Maßnahmen an Ort und Stelle veranlassen. 6 b)In der Binnenschiffahrt werden vielfach fortlaufend tagebuchartige Aufzeichnungen durch den Schiffsführer gemacht. Vorschriften über die Führung eines Tagebuches enthält das Gesetz aber nicht. Wegen seiner vielgestaltigen sonstigen Aufgaben wäre ein Schiffsführer auch überfordert, wollte man ihm auch noch die Pflicht zur Führung eines Tagebuchs auferlegen. 7 c) Nach Durchführung der Reise ist der Schiffsführer auf Verlangen des Schiffseigners zur Auskunft und Rechnungslegung nach den §§ 666,675 BGB verpflichtet.

3.

Einholung von Anweisungen des Schiffseigners

8 a) Der Schiffsführer ist nach § 10 Abs 1 S 2 verpflichtet, in allen erheblichen Fällen, wenn es die Umstände gestatten, Verhaltensmaßregeln einzuholen. Das Gesetz enthält eine beispielhafte Aufzählung und nennt die Einstellung oder Änderung der Reise. Man muß von dem Schiffsführer auch verlangen, daß er vorausschauend Anweisungen des Schiffseigners einholt, wenn sich besondere Umstände abzeichnen, die die Durchführung der geplanten Reise beeinflussen. 158

Zweiter Abschnitt. Schiffer

§ 10 BinSchG

Änderung des Wasserstandes, Witterungseinflüsse und Sperrung der Schiffahrt 9 auf einzelne Strecken lassen es angezeigt erscheinen, Entschließungen des Schiffseigners rechtzeitig herbeizuführen, um Schaden von dem Schiff und der Ladung abzuwenden. In den Büros der Reedereien wird aufgrund moderner Computerlogistik die jeweilige 10 Position eines Reedereischiffes auf dem Bildschirm nachvollzogen, so daß Umdisponierungen - etwa aufgrund nachträglicher Weisungen des Absenders betreffend eines anderen Bestimmungsortes ($ 418 HGB) - jederzeit möglich sind. b) Die heutige Kommunikationstechnik erlaubt es dem Schiffsführer nahezu aus- 11 nahmslos, den Schiffseigner zu erreichen, wodurch so gut wie immer Anweisungen des Schiffseigners in den Fällen der großen Haverei (§ 78) möglich sind. Im Falle einer plötzlich auftretenden Schiffsgefahr - ausnahmsweise auch in sonstigen Fällen - kann das aber anders sein. Deshalb ist in § 10 Abs 1 S 2 besonders erwähnt, daß die Einholung von Verhaltensmaßregeln erfolgen soll, sofern es die Umstände gestatten. In derartigen Fällen hat der Schiffsführer nach § 7 Abs 2 die Pflicht, alle erforderlichen Maßnahmen nach eigenem Ermessen unter Beachtung der Sorgfalt eines ordentlichen Schiffsführers zu treffen. c) Die Pflicht zur Einholung von Anweisungen des Schiffseigners besteht nicht nur 12 vor und nach Antritt der Reise, sondern solange dem Schiffsführer die Schiffsführung anvertraut ist. Auch bei einem stilliegenden Schiff muß der Schiffseigner fortlaufend über alle erheblichen Vorkommnisse unterrichtet werden. Im übrigen gelten die allgemeinen Vorschriften der §§ 675 ff BGB. 4.

Ladungsfürsorge

a) Im Interesse der Ladungsbeteiligten hat der Schiffsführer während der Reise für 13 das Beste der Ladung nach Möglichkeit Sorge zu tragen (§ 10 Abs 2). Diese Dienstobliegenheit nach § 10 Abs 2 besteht nur gegenüber den Ladungsbeteiligten (Absender und Empfänger), gegenüber dem Schiffseigner ergibt sich diese Pflicht bereits aus §§ 7 Abs 1, 8 sowie allgemein aus dem Arbeitsverhältnis. Das Gesetz hebt in § 10 Abs 2 die den Schiffsführer gegenüber der Ladung bestehenden Dienstpflichten hervor, weil die Ladungsfürsorge in der gewerblichen Schiffahrt eine Kardinalpflicht darstellt. 1 b) Das Gesetz spricht von einer Ladungsfürsorge während der gesamten Reise. Ver- 14 nünftigerweise muß die Ladungsfürsorge als eine umfassende Pflicht verstanden werden, die mit der Übernahme der Frachtgüter beginnt und erst mit der vollständigen Löschung der Ladung endet. Solange sich die Frachtgüter in der Obhut des

1

OLG Köln TranspR 2 0 0 0 , 1 3 0 .

159

BinSchG S 10

Sorgfaltspflichten des Schiffsführers für Schiff und Ladung

Schiffsführers befinden, hat er die optimalen Maßnahmen zur Erhaltung und Sicherung der Frachtgüter zu treffen. 15 c) Welche Maßnahmen zur pflichtgemäßen Ladungsfürsorge zu treffen sind, richtet sich nach den Umständen des Einzelfalls und kann daher vom Gesetz nicht abstrakt vorgeschrieben werden. Generell hat der Schiffsführer seinen Obhuts- und Fürsorgepflichten durch Überwachung des Schiffes, durch Bewachung des beladenen Schiffes und durch sachgemäße Behandlung der Frachtgüter bis zur Ablieferung der Ladung an den Empfänger zu genügen. Die Ladungsfürsorge gebietet es weiter, entsprechend der jeweiligen Witterung die Ware vor Nässe und Wärme zu schützen und gehörig zu belüften. Notwendig ist eine ständige Ladungskontrolle bei gepackten Colli oder Gütern, die Hitze, Ausdünstungen oder Gasgemische entwickeln können (Einzelheiten bei § 8 Rn 6ff). 5.

Einholung von Anweisungen der Ladungsbeteiligten

16 Der Schiffsführer hat Anweisungen der Ladungsbeteiligten einzuholen, wenn zur Abwendung oder Verringerung eines Verlustes an den Frachtgütern besondere Maßnahmen erforderlich sind und die Einholung einer Anweisung tunlich ist (§ 10 Abs 3). 17 Das Gesetz legt dem Schiffsführer die Verpflichtung auf, nicht nur den Schiffseigner, sondern darüber hinaus auch die Ladungsbeteiligten (Absender und Empfänger) zu verständigen und ihre Anweisungen einzuholen. Der Schiffsführer muß in den angegebenen Fällen den Ladungsbeteiligten von dem Vorfall als solchem und den bisher getroffenen Maßnahmen ohne schuldhaftes Zögern Nachricht geben. Durch die Nachricht soll den Ladungsbeteiligten die Möglichkeit eingeräumt werden, im eigenen Interesse handelnd einzugreifen und die aus ihrer Sicht erforderlichen Maßnahmen anzuordnen. Wegen der Beschaffenheit der Frachtgüter, die eine besondere Behandlung notwendig macht, kann durch zweckentsprechende Anordnung der Ladungsbeteiligten ein Schaden abgewendet oder verringert werden. Die Regel ist indes, daß solche Weisungen der Ladungsbeteiligten an den Schiffseigner ergehen, der sie dann an den Schiffsführer zur Erledigung weiterleitet. 18 Erhält der Schiffsführer auf seine Nachricht keine Anweisung, hat er nach bestem Ermessen das Erforderliche zu veranlassen (§10 Abs 3). Hierüber hat er die Ladungsbeteiligten zu informieren. Auch in einem solchen Fall schreibt das Gesetz dem Schiffsführer keine bestimmten Maßnahmen vor. Vielmehr sind die erforderlichen Maßnahmen nach bestem Ermessen im Rahmen der Sorgfalt eines ordentlichen Schiffsführers, also nach der beruflichen Übung und dem Schiffahrtsbrauch,2 zu treffen, wobei an die Kenntnisse des Schiffsführers keine höheren Anforderungen ge-

2

Handelsbräuche 2005,26ff.

160

Zweiter Abschnitt. Schiffer

§ 1 1 BinSchG

stellt werden können, als sie von einem sorgfältigen Schiffsführer üblicherweise erwartet werden können. Über ein besonderes Fachwissen, wie es von Sachverständigen erwartet wird, braucht ein Schiffsführer nicht zu verfügen (s ο § 7 Rn 8ff). Der Schiffsführer ist je nach den Umständen des Einzelfalls berechtigt, die Ladung 19 ganz oder teilweise zu löschen, zeitweilig einzulagern, eine Leichterung des Schiffes oder eine Umladung in ein anderes Schiff zu veranlassen oder in Fällen eines Maschinenschadens Schlepphilfe in Anspruch zu nehmen. Maßnahmen dieser Art kommen dann vor, wenn das Schiff durch den Zustand der Güter in Gefahr gerät. Beispielsweise kann eine Getreideladung explosive Gase entwickeln, so daß unverzügliche Schutzmaßnahmen zugunsten des Schiffes und der Ladung zu ergreifen sind. Der Schiffsführer ist ohne besondere Vollmacht oder Anweisung nicht berechtigt, die 20 Ladung zu verpfänden oder zu verkaufen. 6.

Verhalten des Schiffsführer im Falle eines Interessenwiderstreits

Im Falle einer Gefahr für das Schiff und die Ladung kann bei der Umsetzung von 21 Anweisungen des Schiffseigners und anderslautenden Anweisungen der Ladungsbeteiligten ein Interessenwiderstreit zwischen dem Schiffseigner und der Ladungsbeteiligten entstehen. In einem solchen Falle hat der Schiffsführer die widerstreitende Interessen abzuwägen und im Zweifel denen des Schiffseigners den Vorzug zu geben, da er zu dem Schiffseigner in einem vertraglichen Arbeitsverhältnis steht und der Schiffseigner in erster Linie für die Sicherheit des Schiffes zu sorgen hat. 3

$11

[Verklarungsverfahren]

(1) Wird das Schiff oder die Ladung von einem Unfall betroffen, so ist der Schiffer berechtigt und auf Verlangen des Schiffseigners oder eines Ladungsbeteiligten verpflichtet, vor dem Amtsgericht des Ortes, an welchem die Reise endet, und, wenn das Schiff vorher an einem anderen Ort längere Zeit liegen bleiben muß, vor dem Amtsgerichte dieses Ortes eine Beweisaufnahme über den tatsächlichen Hergang sowie über den Umfang des eingetretenen Schadens und über die zur Abwendung oder Verringerung desselben angewendeten Mittel zu beantragen. Er hat sich selbst zum Zeugnisse zu erbieten und die zur Feststellung des Sachverhältnisses sonst dienlichen Beweismittel zu bezeichnen.

3

RGZ 14, 40.

161

BinSchG § 1 1

Verklarungsverfahren

(2) Ist eine Beweisaufnahme vor dem in Absatz 1 bezeichneten Gerichte nicht verlangt worden, so ist der Schiffer berechtigt und auf Verlangen des Schiffseigners oder eines Ladungsbeteiligten verpflichtet, eine Beweisaufnahme vor dem für Binnenschiffahrtssachen zuständigen Amtsgericht zu beantragen, in dessen Bezirk der Unfall sich ereignet hat.

Übersicht Rn 1. Historische Herleitung und Verfahrenscharakter 2. Zweck, Bedeutung und Wirkung 3. Gerichtliche Zuständigkeit

1-3 4-7 8-10

4. Sachliche Voraussetzungen: a) Schiff oder Ladung von einem Unfall betroffen

11-14

b) Antragsnotwendigkeit

15

c) Antragsberechtigung

16

d) Antragsverpflichtung

17

e) Antragsform

18

f) Antragsfrist

19

1.

Historische Herleitung und Verfahrenscharakter

1 Das heute in den §§ 11-14 kodifizierte Verklarungsverfahren regelt die schiffahrtsrechtliche Beweissicherung. Die Bezeichnung „Verklarung" (von lat clarus = hell) wird im Gesetz selbst nicht erwähnt, hat sich aber zwischenzeitlich fest etabliert. Der Name der Verklarung geht ebenso wie das Verfahren selbst auf seerechtliche Wurzeln zurück. Ursprünglich bedeutete Verklarung soviel wie eine vom Schiffsführer und seiner Mannschaft zu Aufklärungs- und „Reinigungs"-Zwecken vor einer Behörde abzugebende eidliche Erklärung über Unfälle auf der Seereise (sog Seeprotest). Zurückgehend auf eine zweifelhafte Logik des germanischen (Straf-)Rechts, die von der Tat auf den Vorsatz Schloß, ging es für den Kapitän darum, durch Abgabe der Verklarung subjektiv Rechenschaft abzulegen und darzutun, daß die Havarie nicht von ihm verursacht, jedenfalls nicht verschuldet wurde. Hieraus entwickelte sich dann in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts ein objektives gerichtliches Verfahren zur Aufklärung und Beweissicherung von Schiffahrtsunfällen (Artt 490-493 ADHGB). Während die seerechtliche Verklarung nicht zuletzt aufgrund der obligatorischen amtlichen Seeunfalluntersuchung gemäß dem Seeunfallgesetz von 1877 bis heute eine weitgehend marginale Rolle in der Praxis der Seegerichtsbarkeit des Inlandes1 spielt, sind Verklarungsverfahren in der Binnenschiffahrt jedenfalls bei schwereren Havarien die Regel. Den Beweiserhebungen in der Verklarung kommt

1

Zu den Auslandsverklarungen vgl Bemm/Lindemann Seemannsgesetz, Einf Rn 150ff sowie Rabe SeeHR $ 522 Rn 10.

162

Zweiter Abschnitt. Schiffer

§ 1 1 BinSchG

dabei ein entscheidendes Gewicht für die spätere juristische und wirtschaftliche Aufarbeitung des Schiffahrtsunfalls, gleichviel ob im Prozeß bzw Schiedsverfahren oder im Rahmen eines Vergleiches, zu. Als Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit (SS 145a, 148 Abs 2 FGG) wird die Verklarung zwar vom Untersuchungsgrundsatz (S 13 Abs 4 BinSchG, § 12 FGG) geprägt. Gleichwohl haben in praxi die zivilrechtlichen Interessenten, insbesondere die Versicherer der Schiffe und der Ladung, einen maßgebenden Einfluß auf Umfang, Verlauf und Inhalt des Verfahrens. In ihrer heutigen Form muß man daher die Verklarung als mixtum compositum einordnen, als eine offizielle gerichtliche Beweisaufnahme mit starkem zivilrechtlichen Einschlag.2 Einer der wesentlichen Vorzüge der Verklarung gegenüber dem selbständigen Be- 2 weisverfahren gemäß §§ 485ff ZPO oder gar erst einer Beweiserhebung im späteren Schadensersatzprozeß gemäß §§ 355ff ZPO, ist die ebenso schnelle wie gründliche gerichtliche Ausforschung eines Havariesachverhalts losgelöst von dem Korsett der zivilprozessualen Relationsmethode. Nicht von ungefähr wird das regelmäßig in Schiffahrtshavariesachen eingeleitete Straf- bzw Bußgeldverfahren häufig dergestalt von dem Verklarungsverfahren „überholt", daß die in der Verklarung gewonnenen Erkenntnisse bei Entscheidungen der Staatsanwaltschaft über die etwaige Einstellung des Verfahrens gemäß §§ 153, 153a, 170 StPO, 47 OWiG zugrunde gelegt werden. § 11 Abs 2 BinSchG wurde eingefügt durch § 25 Ziff 2 des Gesetzes ν 27.9.1952. 3 2.

3

Zweck, Bedeutung und Wirkung

a) Da ein Schiffsunfall auf dem Wasser keine Spuren hinterläßt, geht das Interesse 4 des Geschädigten und potentiellen späteren Anspruchstellers dahin, möglichst schnell und gründlich die Beweise zu sichern, die er zur Durchsetzung seiner Schadensersatzansprüche benötigt (sog Angriffsverklarung). Umgekehrt wird es einem Schiffsführer, der sich nach einer Havarie zu Unrecht Verschuldensvorwürfen und Schadensersatzansprüchen ausgesetzt sieht, darum gehen, Entlastungsbeweise zu seinen Gunsten zu asservieren (sog Verteidigungsverklarung). Zu einer solchen Beweissicherung gehört eine zeitnahe Vernehmung von Zeugen ebenso wie eine unverzügliche Feststellung des technisch - nautischen Status quo an Bord eines Havaristen. Von diesem Verfahrenszweck werden auch rechtzeitige Beweissicherungen betreffend der eingetretenen Schäden erfaßt, um sicherzustellen, daß die unfallbetroffenen Schiffe zur Vermeidung unnötigen Nutzungsausfalls kurzfristig repariert und wieder zum Einsatz gebracht werden können. In Einzelfällen, etwa bei Scheitern der schiffahrtsüblichen kontradiktorischen Schadentaxierung oder bei fehlender Kostenverantwortung der Behörde bei polizeirechtlich veranlaßten Maßnahmen, kann 2 3

Zur historischen Herleitung der Verklarung ie s v. Walästein Verklarungsverfahren, 5ff. BGBl 11952,641.

163

BinSchG § 1 1

Verklarungsverfahren

trotz einer klaren Haftungssituation dem Grunde nach Verklarung zu dem alleinigen Zweck eingeleitet werden, einer Ausuferung der Schadenshöhe durch Einschaltung eines Gerichtssachverständigen entgegenzutreten. 5 b) In Anbetracht des drohenden schnellen Beweisverfalls in Schiffahrtssachen ist die Verklarung daher ein modernes Beweissicherungsinstrument, das von seiner Bedeutung nichts verloren hat. Gerade in der heutigen Zeit, die durch eine Reizüberflutung gekennzeichnet ist, die dazu führt, daß die Erinnerung der Zeugen an Einzelheiten schnell verblaßt und ihre Beobachtungsgabe insgesamt schwindet, kommt einer zügigen Beweissicherung, die schon wenige Tage post eventum greift, besondere Bedeutung zu. 4 Um unbefriedigende Urteile zu vermeiden, deren Grundlage eine nicht widerlegte Anscheinslage oder eine Beweisfälligkeit zu einem streitentscheidenden Punkt ist, ist im Interesse der materiellen Gerechtigkeit nichts wichtiger, als unverzüglich nach einer Havarie den Sachverhalt beweismäßig zu konservieren. Als Instrument zur Ermittlung eines Sachverhalts, der die juristische Argumentation auf der Prozeßebene erst ermöglicht, hat die Verklarung in der Rspr der Schiffahrtsgerichte weithin Anerkennung gefunden. Da die potentiellen Prozeßgegner nach einem durchgeführten Verklarungsverfahren viel besser ihre (vermeintlichen) Chancen einkalkulieren können, wird der Husarenritt einer Klage ohne vorausgegangene Beweiserhebung vermieden, und die Beteiligten einigen sich in vielen Fällen ohne Prozeß auf einen sachgerechten Vergleich, zu dem sie sich ohne Verklarung und damit regelmäßig mit Illusionen über die eigene prozessuale Situation nicht bereit gefunden hätten. 6 c) Die Wirkung der Verklarung besteht in erster Linie in ihrer urkundsbeweislichen Verwertung im nachfolgenden Havarieprozeß (§§415ff ZPO). Eine erneute Vernehmung einzelner Zeugen im Rechtsstreit ist zwar zulässig ($ 398 ZPO),5 tatsächlich aber die Ausnahme. Die Beweisfeststellungen der Verklarung (eine rechtskraftfähige Entscheidung über das Maß der Verursachungs- und Verschuldensbeiträge gibt es nicht) unterliegen der freien richterlichen Beweiswürdigung (§ 286 ZPO), wobei vor dem Hintergrund der Beweisunmittelbarkeit (§355 ZPO) anzumerken ist, daß der Schiffahrtsrichter, der in der Verklarung die Beweise aufnimmt, idR derselbe ist (sein sollte), der den nachfolgenden Havarieprozeß entscheidet. 7 Umgekehrt droht denjenigen Schiffsinteressenten, die trotz unklarer Unfallursache eine Verklarung nicht veranlassen und aufgrund dessen den Verlust von Beweismitteln zu vertreten haben, eine Beweislastumkehr zu ihren Lasten. 6 Entsprechendes gilt, wenn ein späterer Anspruchsteller aufgrund unterlassener Verklarung und der

4 5 6

OLG Köln ZfB 2007, Heft Nr 6, S 64; OLG Karlsruhe VRS 85,417ff. BGHVersR 1964,1293= ZfB 1965, 22. OLG Köln Urt V 13. 1. 1981 (Az 3 U 96/79).

164

Zweiter Abschnitt. Schiffer

§ 1 1 BinSchG

eben nur dort möglichen Ausforschung im Prozeß beweisfällig bleibt, weil er substantiierte, anspruchsbegründende Behauptungen nicht aufstellen kann.7 d) Im Gegensatz zum Antrag auf Durchführung eines selbständigen Beweisverfahrens gem §§ 485ff ZPO (§ 204 Abs 1 Nr 7 BGB) bewirkt der Verklarungsantrag keine Hemmung der Verj ährung (s § 117 Rn 22). 3.

Gerichtliche Zuständigkeit

Unabhängig von der Höhe der inmitten stehenden Ansprüche ist sachlich ausschließ- 8 lieh das Amtsgericht zuständig, und zwar das Amtsgericht als Schiffahrtsgericht, da nach richtiger Auffassung § 11 Abs 1 und der 1952 eingefügte § 11 Abs 2 harmonisierend8 dahingehend auszulegen sind, daß grundsätzlich Verklarungsverfahren vor dem sachkundigen Schiffahrtsgericht durchgeführt werden sollen.9 Eine Zuständigkeit der Rheinschiffahrtsgerichte ist dagegen nicht gegeben.10 Örtlich zuständig ist das Amtsgericht - Schiffahrtsgericht, das für die havariegegen- 9 ständliche Stromstrecke zuständig ist (§11 Abs 2; s ie § 3 BinSchVerfG Rn 18). Die theoretisch denkbaren Zuständigkeitsalternativen nach § 11 Abs 1 (Bestimmungsort oder vorübergehender Liegeort des Schiffes nach Havarie) spielen in der Binnenschifffahrtspraxis keine Rolle (mehr), da alle Verklarungsbeteiligten iS der Gewährleistung der Beweisunmittelbarkeit (§ 355 ZPO) daran interessiert sind, daß Beweissicherungs- und Entscheidungsgericht (personen-)identisch sind. Wegen der zwingenden Natur der Verklarung als FGG-Verfahren kommt eine Prorogation zu einem örtlich unzuständigen Schiffahrtsgericht nicht in Betracht.11 4.

Sachliche Voraussetzungen

a)

Schiff oder Ladung von einem Unfall betroffen

10

Das Schiff12 und/oder die Ladung müßten von einem Unfall betroffen sein. Unter 11 Unfall ist jedes von dem normalen Verlauf der Reise abweichende Ereignis zu verstehen, durch das dem Schiff, der Schiffsbesatzung oder der Ladung ein Nachteil ent7

AG M a n n h e i m U r t v 14. 5 . 1 9 9 1 (Az C 110/90).

8

Dieser H a r m o n i e b e d a r f rührt daher, daß der 1 9 S 2 eingeführte $ 1 1 Abs 2 (Rn 3) von einer Zuständigkeit des Schiffahrtsgerichts ausgeht, während in $ 11 Abs 1 n u r von Amtsgericht gesprochen wird, was prima vista argumentum e contrario den S c h l u ß zuließe, für Verklarungen nach $ 11 Abs 1 seien die Schiffahrtsgerichte nicht zuständig. Tatsächlich ist aber „Schiffahrtsgericht" n u r eine besondere B e z e i c h n u n g des Amtsgerichts ($$ 1 4 GVG; 5 B i n S c h G ; vgl RGZ 1 7 6 , 307), so daß es einen Gegensatz der Zuständigkeitszuweisungen zwischen $ 11 Abs 1 u n d $ 11 Abs 2 B i n S c h G nicht gibt; s i e $ 2 BinSchVerfG R n 17.

9

OLG Karlsruhe Beschl ν 2 2 . 3 . 1 9 8 9 (Az 1/S9 BSch).

10

OLG Köln ZfB 1 9 5 9 , 3 6 5 .

11

Keidel/Kuntze/Winkler F G G , vor $$ 3 - 5 R n 7.

12

Z u m Schiffsbegriff vgl $ 1 R n 3ff.

165

BinSchG § 1 1

Verklarungsverfahren

stehen kann bzw entstanden ist. Geboten ist dabei ein weiter Maßstab, der über den versicherungsrechtlichen Begriff des Schiffahrtsunfalls (nicht: Schiffsunfall, „Zusammenstöße aller Art, Auffahren, Kollision an Brücken und Wehren," Ziff 3.1.1 AVBFlußkasko 2000/2004)13 hinausgeht. Ausreichend ist jeder Nachteil, der selbst dann vorliegen kann, wenn Schiff und Ladung unversehrt geblieben sind.14 Unter „Unfall" müssen daher alle Ereignisse subsumiert werden, die in den Verantwortungsbereich des Schiffsführers fallen bzw aus denen ein Dritter Ansprüche gegen den Schiffseigner, Verfrachter, den Schiffsführer oder die sonstige Schiffsbesatzung herleiten kann. Ein Unfall iS des § 11 liegt also nicht nur bei einer direkten Kollision zwischen zwei Schiffen vor; auch dann, wenn etwa der Bergfahrer der Talfahrt keinen geeigneten Weg freiläßt und sich infolgedessen der Talfahrer Schäden wegen einer Grundberührung zuzieht, während das bergfahrende Schiff unbeschädigt bleibt, liegt auch für den Bergfahrer ein Unfall iSv § 11 vor, da er zivilrechtlichen Ansprüchen ausgesetzt ist. Ein Unfall liegt weiter vor, wenn etwa Giftfässer über Bord gehen und der Schiffsführer einer Haftung aus § 22 WHG oder nach dem Umwelthaftungsgesetz ausgesetzt sein könnte. Der klassische Fall des Unfalls iS von § 11 ist der Fall der großen Haverei (§ 78), wo zur sachgerechten Erstellung einer Dispache (§ 87) und der sich hieraus ergebenen zivilrechtlichen Folgen für alle Beteiligten die lückenlose Aufklärung des Unfallgeschehens unumgänglich ist; dies wird auch durch den ursprünglichen Plan des Gesetzgebers, in Fällen der großen Haverei die Verklarung zur Pflicht zu machen, bestätigt. 12 Der Unfall muß nicht aus den besonderen nautischen Gefahren der Schiffahrt herrühren. Auch ein an sich typischer „Landunfall" kann Gegenstand eines Verklarungsverfahrens sein, wenn er Schiffsbezug aufweist. So etwa, wenn Sonnenblumenkerne mit zu hoher Feuchtigkeit in ein Motorgüterschiff eingeladen wurden und trotz sorgfältiger Lukenabdeckung zu keimen beginnen, 15 wenn sich infolge nachlässiger Schweißarbeiten an der Werft an einem Tankleichter eine Explosion ereignet, 16 wenn ein Kühlwasserverlust der Hauptmaschine zu einem Schiffsbrand führt, 17 wenn bei der Löschung eines Schiffes an dem Landpier Naphtha austritt und zu einem Brand und der Verwüstung der Verladeanlage führt, 18 wenn durch orkanartige Stürme das Splittdach eines am Ufer liegenden Silos abgedeckt wird und zwei an der Spundwand stilliegende Schiffe beschädigt werden19 oder wenn eine am Strom stehende morsche Pappel auf ein stilliegendes Schiff stürzt. 20

13 14 15 16 17 18 19 20

BGH VersR 1970, 753; 1 9 5 7 , 9 0 ; Lorenz VersR 1 9 8 1 , 1 0 0 1 . KG Β es Chi V 19. 12. 1904, KGJ 29, A 104, 107. AG Mannheim Beschl ν 2 4 . 1 1 . 1 9 S 7 (Az H3-H7/BSch). AG Kehl Beschl ν 1 8 . 1 0 . 1 9 9 0 (Az Η 22/90 SchG). OLG Naumburg OLGR 2005, 741. AG Mannheim Beschl ν 6. 7 . 1 9 9 0 (Az Η 2/90 BSch). AG Nürnberg Beschl ν 17. 5 . 1 9 9 0 (Az 24 Η 20171/90). OLG Karlsruhe TranspR 1994, 29S m Anm v. Walästein = ZfB 1994, SaS 1474.

166

Zweiter Abschnitt. Schiffer

§ 1 1 BinSchG

Im Gegensatz zur Seeverklarung, die nur bei einem Unfall „während der Reise" 13 statthaft ist, ist bei der Verklarung nach § 11 eine konkrete Reise zwischen zwei Punkten nicht erforderlich. Noch weitgehender wird man sagen müssen, daß selbst die konkrete Beabsichtigung einer Reise nicht erforderlich ist, wenn sich der Unfall als solcher nur „bei dem Betriebe eines Schiffes" (§ 2 Abs l c BinSchVerfG) ereignet. Auch ein unbeladenes Schiff, das ohne konkreten Reisebezug am Ufer liegt, ist bei einem Unfall verklarungsberechtigt, 21 ebenfalls ein Schiff, das zu Reparaturzwecken auf flottem Wasser an der Werft liegt. 22 Unerheblich ist, ob das Schiff bei einem Unfall fährt oder stilliegt. Ein stilliegendes 14 Schiff, das gegen ein vorbeifahrendes Schiff Ansprüche wegen zu hohen Sog- und Wellenschlages zu erheben können glaubt, ist daher von einem Unfall betroffen und zur Einleitung der Verklarung berechtigt 23 ebenso berechtigt wie ein Motorgüterschiff, das ohne eigene Fahrt im Strom ständig verharrt und von einem Ruderboot in vollem Schlagtempo angefahren wird.24 b)

Antragsnotwendigkeit

Wegen des Charakters der Verklarung als FGG-Antragsverfahren 25 setzt die Beweis- 15 sicherungstätigkeit des Gerichts einen Verklarungsantrag voraus, der von dem Antragsteller jederzeit zurückgenommen werden kann, was zur Beendigung dieser antragsgegenständlichen Verklarung führt, der Einleitung einer Verklarung wegen der gleichen Havarie durch einen anderen Berechtigten indes nicht entgegensteht. c)

Antragsberechtigung

Antragsberechtigt ist grundsätzlich nur der Schiffsführer, nicht aber der (selbst das 16 Schiff nicht führende) Schiffseigner, ein Besatzungsmitglied, ein Ladungsbeteiligter oder ein Versicherer. Verunglückt der Schiffsführer bei der Havarie tödlich, so ist arg § 9 der zweite Schiffsführer antragsberechtigt. 26 Befinden sich neben dem verunglückten Schiffsführer nur Matrosen und/oder Schiffsjungen an Bord oder fehlt etwa aufgrund einer längeren Stilliegezeit des Schiffes jegliche Besatzung, wird man einen Übergang der Antragsbefugnis von dem Schiffsführer auf den Schiffseigner annehmen müssen. 27 In einem besonders gelagerten Ausnahmefall wurde daneben der Konsul eines Landes, dem ein tödlich verunglückter Yachteigner angehört hat, als antragsberechtigt für ein Verklarungs verfahren angesehen. 28 21 22 23 24 25 26 27 28

AG Nürnberg Beschl ν 17. S. 1990 (Az 24 Η 20171/90). AG Kehl Beschl ν 1 8 . 1 0 . 1 9 9 0 (Az Η 22/90 SchG). AG Duisburg-Ruhrort Beschl ν 31. 5 . 1 9 9 0 (Az 5 II 5/90). AG Mannheim Beschl ν 1 . 1 2 . 1 9 8 9 (Az Η 10/89 BSch). Keidel/Kuntze/WinklerVGG, $ 12 Rn Sff. OLG Karlsruhe ZfB 1998, SaS 1703. r. Waldstein Verklarungsverfahren, 41. AG Mainz ZfB 2001, SaS 1838.

167

BinSchG § 1 1 d)

Verklarungsverfahren

Antragsverpflichtung

17 Bereits die systematische Stellung der Verklarungsvorschriften im zweiten Abschnitt des BinSchG (§§7-20), wo vor und nach den § § 1 1 - 1 4 Pflichten und Rechte des Schiffsführers normiert werden, macht deutlich, daß der Schiffsführer nach einer Havarie zu einem Verklarungsantrag nicht nur berechtigt, sondern gegenüber dem Schiffseigner, aber auch einem Ladungsbeteiligten verpflichtet ist. Es handelt sich somit um eine besondere Dienstobliegenheit des Schiffsführers, den Schiffseigner zunächst von der Havarie zu verständigen und dann auf dessen Weisung Verklarung zu beantragen (§§ 7 Abs 2 S 2 , 1 0 Abs 1 S 2). Tatsächlich fällt in der heutigen Binnenschiffahrtspraxis die Entscheidung, ob ein Verklarungsantrag gestellt wird, nicht im Steuerhaus des Schiffsführers, sondern regelmäßig im Büro der Versicherung, die bejahendenfalls ihren Versicherungsnehmer, den Schiffseigner im Rahmen versicherungsrechtlicher Obliegenheiten anweist, den Schiffsführer mit der Einreichung eines Verklarungsverfahrens zu beauftragen. Unterläßt der Schiffsführer einen Verklarungsantrag entgegen dem „Verlangen des Schiffseigner oder eines Ladungsbeteiligten" (§11 Abs 1), so macht er sich gegenüber Schiffseigner und/oder Ladungsbeteiligten schadensersatzpflichtig (§ 7 Abs 2). Im Rahmen des Arbeitsverhältnisses mit dem Schiffseigner stellt die Weigerung, nach einer Havarie Verklarungsantrag zu stellen, einen wichtigen Grund dar, dem Schiffsführer fristlos zu kündigen. Andererseits kann sich ein Ladungsbeteiligter, der von dem ihm zustehenden Recht, von dem Schiffsführer die Beantragung einer Verklarung zu verlangen, keinen Gebrauch macht, später nicht darauf berufen, der Sachverhalt sei ungeklärt, weil der Schiffsführer keine Verklarung beantragt habe. 29 e)

Antragsform

18 Der Verklarungsantrag unterliegt keinem speziellen Formzwang, er wird indes in der Regel schriftlich - wegen der Eilbedürfung per Telefax - durch Anwaltsschriftsatz eingereicht. 30 Zwingend ist die Angabe des Namens und der ladungsfähigen Anschrift des Schiffsführers sowie die Angabe der in Betracht kommenden Beweismittel einschließlich des Zeugnisanerbietens des Antragstellers (§11 Abs 2 S 2). 31 Die Voraussetzungen des Verklarungsantrages müssen nur dargelegt, aber nicht glaubhaft gemacht werden. Üblich ist die schriftliche Schilderung des Havarieverlaufs und der (vorläufig) festgestellte Umfang der eingetretenen Schäden aus Sicht des Antragstellers sowie Angaben zu den weiteren Verklarungsbeteiligten (Havariegegner, Ladungsinteressenten, Wasser- und Schiffahrtsverwaltung bzw Hafenverwaltungen als Träger der Verkehrssicherungspflicht für Wasserstraßen und Schleusen, usw). Die Benennung 29 30 31

168

BGH VersR 1960, 844. Zu einem Muster des Verklarungsantrages v. waldstein Verklarungsverfahren, 137. BayObLG KGJ Bd 9,154, Nr 36.

Zweiter Abschnitt. Schiffer

§ 12 BinSchG

dieser Verklarungsbeteiligten hat zwar keine interventionsgleiche Wirkung entsprechend § 68 ZPO, gleichwohl ist die unverzügliche Teilnahme der benannten Verklarungsbeteiligten an der Beweisaufnahme, zu der man selbst eigene Beweisanträge stellen kann, die absolute Regel. f)

Antragsfrist

Auch wenn eine förmliche Antragsfrist im Gesetz fehlt, besteht in Rspr und Litera- 19 tur Einigkeit darüber, daß ein Verklarungsantrag nach einer Havarie ohne schuldhaftes Zögern zu stellen ist. 32 Dabei kann der Maßstab des § 121 BGB nur eingeschränkt auf die Verhältnisse der Schiffahrt übertragen werden. Entscheidend ist die Frage, ob dem Schiffsführer bei einer eingetretenen Verzögerung Entschuldigungsgründe beiseite stehen, etwa ein fehlgeschlagener Versuch einer außergerichtlichen Schadensregulierung, Scheitern der kontradiktorischen Schadentaxierung, verspätete Anmeldung von Schäden der Ladung, nachträgliches Auftreten von Beweismitteln, etc, so daß in diesen Fällen unverändert von einem Rechtsschutzbedürfnis des Antragstellers für die Beweissicherung auszugehen ist. 33 Ebensowenig läßt eine zuvor oder parallel eingereichte Hauptklage auf Schadensersatz das Rechtsschutzbedürfnis für einen Verklarungsantrag entfallen. 34 Wesentlich bleibt, ob das Verfahrensziel, eine schnelle Klärung der Unfallursache und der dabei eingetretenen Schäden, realistischerweise noch erreicht werden kann. 35 Dabei legen die Schiffahrtsgerichte in der forensischen Praxis einen eher großzügigen Maßstab an, bei dem beispielsweise auch nach einem Zeitablauf von vier Monaten noch eine Frische der Beweismittel unterstellt wird. 36 Erachtet das Schiffahrtsgericht einen Verklarungsantrag als verspätet, hat es ihn als unzulässig zurückzuweisen. 37 Hiergegen ist das Rechtsmittel der sofortigen Beschwerde zum Schiffahrtsobergericht gegeben (§ 148 Abs 2 S 1 FGG). 38

$12

[Verklarungstermin]

Zur Aufnahme des Beweises bestimmt das Gericht einen tunlichst nahen Termin, zu welchem der Schiffer und die sonst bezeichneten Zeugen zu laden sind. 32 33 34 35 36 37 38

OLG Karlsruhe VersR 1 9 S 7 , 1 4 8 , 1 4 9 ; WassermeyerKollisionsprozeß, 382. OLG Karlsruhe VersR 1 9 5 7 , 1 4 8 . OLG Karlsruhe VersR 1 9 5 7 , 1 4 8 , 1 4 9 ; offengelassen von OLG Köln ZfB 2007, Heft Nr S, S 64, 65. OLG Hamburg TranspR 1 9 9 2 , 1 8 7 . AG Nürnberg Beschl ν 17. 5 . 1 9 9 0 (Az 24 Η 20171/90); AG Mannheim Beschl ν 8. 2 . 1 9 9 1 (Az Η 2/91 BSch) sowie OLG Köln Beschl ν 1 5 . 4 . 1 9 7 5 (Az 3 U 16/75). LG Hamburg HansGZ 1 9 0 1 , 1 3 7 . OLG Köln ZfB 2007, Heft Nr 6, S 64.

169

BinSchG S 12

Verklarungstermin

Dem Schiffseigner und den Ladungsbeteiligten ist von dem Termine Mitteilung zu machen, soweit es ohne unverhältnismäßige Verzögerung des Verfahrens geschehen kann. Die Mitteilung kann durch öffentliche Bekanntmachung erfolgen.

Übersicht Rn 1. Eröffnungsbeschluß

1-3

2. Terminsbestimmung

4-5

3. NichtÖffentlichkeit der Verklarungstermine

1.

6

Eröffnungsbeschluß

1 Liegen die materiell- und formellrechtlichen Voraussetzungen für die Einleitung eines Verklarungsverfahrens vor, ordnet das Schiffahrtsgericht mit dem Verklarungsbeschluß 1 die Beweisaufnahme über Unfallhergang und Unfallschaden gem § 1 1 BinSchG an, bezeichnet die bislang bekannten Beweismittel, verfügt die Beiziehung der Akten des regelmäßig parallellaufenden Ermittlungsverfahrens der Wasserschutzpolizei, setzt den Beteiligten Fristen zur Benennung und zur Stellung von Zeugen und zieht gegebenenfalls einen technischen Sachverständigen hinzu. 2

Gegen den stattgebenden Verklarungsbeschluß ist ein Rechtsmittel nicht gegeben (§ 148 Abs 2 S 2 FGG).

3

Gegen einen Beschluß des Schiffahrtsgerichts, mit dem die Einleitung des Verklarungsverfahrens abgelehnt wird, findet die sofortige Beschwerde zum Oberlandesgericht - Schiffahrtsobergericht statt (§§ 19 FGG, 11 BSchVerfG), 2 die innerhalb einer Notfrist von zwei Wochen ab Zustellung des Beschlusses zu erheben ist (§ 22 Abs 1 FGG). Beschwerdeberechtigt ist nur der Antragsteller (§ 20 Abs 2 FGG). 3 2.

4

Terminsbestimmung

Regelmäßig mit dem Verklarungsbeschluß selbst wird der Beweistermin bestimmt. Sowohl dieser Termin, als auch Folgebeweistermine zur Zeugengestellung werden üblicherweise zwischen dem Schiffahrtsgericht und den beteiligten Rechtsanwälten abgestimmt, insbesondere in dem Bemühen, einerseits Rücksicht auf die Interessen der fahrenden Schiffsleute zu nehmen, andererseits eine möglichst zügige Einvernahme der Havariezeugen, oft schon wenige Tage nach dem Geschehen, sicher zu 1 2 3

Zu einem Musterverklarungsbeschl v. Waldstein Verklarungsverfahren, 140. OLG Köln ZfB 2007, Heft Nr 6, S 64; OLG Karlsruhe ZfB 1993, SaS 1441. Vgl zum ganzen v. Waldstein Verklarungsverfahren, 69ff sowie Bemm/Lindemann Seemannsgesetz Einf Rn 165.

170

Zweiter Abschnitt. Schiffer

§ 13 BinSchG

stellen. Die Ladung von Zeugen (§ 12 Abs 1 S 1) ist gegenüber dieser Praxis der Zeugengestellung die Ausnahme, idR nur bei Landzeugen oder Personen, die sich einer Zeugengestellung im Parteibetrieb entziehen. Die Terminsmitteilung als „öffentliche Bekanntmachung" (§12 Abs 1 S 3) erfolgt in der Praxis nicht. Nur in seltenen Ausnahmefällen (stündliche Veränderung einer evtl unfallursächli- 5 chen Hochwasserlage, Vernehmung eines lebensgefährlich verletzten Havariezeugen, oä) wird man wegen extremer Eilbedürftigkeit auch eine Vernehmung durch das Schiffahrtsgericht ohne vorherige Verständigung der Verklarungsbeteiligten als zulässig erachten können ($ 12 S 2 Halbs 2; vgl auch die analoge Regelung in § 224 Abs 1 S 2 StPO). In Anbetracht der primär zivilrechtlichen Aufgabenstellung der Verklarung ist indes die Sicherstellung der Parteiöffentlichkeit und der Grundsatz auf rechtliches Gehör (Art 103 Abs 1 GG) für die Verklarungsbeteiligten von wesentlicher Bedeutung, so daß diese stets im Verfahren (idR in Begleitung von Rechtsanwälten) präsent sind. 3.

NichtÖffentlichkeit der Verklarungstermine

Bei sämtlichen Zeugeneinvernahmen, aber auch bei einem iRd Verklarung stattfin- 6 denden Augenscheinstermins oder der Anhörung eines vom Schiffahrtsgericht beauftragten Sachverständigen, gilt wegen des FGG-Charakters der Verklarung der Grundsatz der NichtÖffentlichkeit, da § 8 FGG nicht auf § 169 GVG verweist und § 2 EGGVG das Prinzip der Öffentlichkeit (§ 169 GVG) nur für den Bereich der streitigen Gerichtsbarkeit anordnet. 4 Andererseits enthalten FGG und/oder BinSchG aber auch keine ausdrückliche Bestimmung, wonach Beweistermine unter Ausschluß der Öffentlichkeit durchgeführt werden müßten. In jedem Fall ist es auf die Verwertbarkeit der Verklarungsergebnisse ohne Einfluß iSv §§ 17 Abs 1 S 2 FGG, 547 Nr 5 ZPO, sollten Unbeteiligte während des Verklarungstermins anwesend (gewesen) sein.

$13

[Verklarungsbeweisaufnahme]

(1) Die Aufnahme des Beweises erfolgt nach den Vorschriften der Zivilprozeßordnung. (2) Soweit hiernach nicht die Beeidigung des Schiffers ausgeschlossen ist, beschließt über dieselbe das Gericht nach freiem Ermessen.

4

unklar BGHZ 9, 30, 32/33.

171

BinSchG S 13

Verklarungsbeweisaufnahme

(3) Die an Schiff und Ladung Beteiligten, sowie die etwa sonst durch den Unfall Betroffenen sind berechtigt, in Person oder durch Vertreter der Verhandlung beizuwohnen. Sie können eine Ausdehnung der Beweisaufnahme auf weitere Beweismittel beantragen. (4) Das Gericht ist befugt, eine Ausdehnung der Beweisaufnahme auch von Amts wegen anzuordnen, soweit dies zur Aufklärung des Sachverhalts erforderlich erscheint.

Übersicht Rn 1. Anwendung der ZPO 2. Gegenstand der Beweisaufnahme 3. Vernehmung der Verklarungszeugen 4. Sachverständigengutachten 5. Augenschein 6. Urkunden 7. Protokoll 8. Abschluß des Verfahrens

1.

1-3 4-6 7-8 9-12 13 14 15-17 18-20

Anwendung der ZPO

1 Die Vorschrift des § 13 Abs 1 enthält entgegen ihrem ersten Anschein keinen Generalverweis auf die ZPO. Vielmehr sind der Anwendung der ZPO im Verklarungsverfahren klare Grenzen gesetzt: „Wenn auch die Aufnahme des Beweises nach den Vorschriften der ZPO erfolgt (§ 13 Abs 1), so können nach dem Inhalt der vorausgehenden § § 1 1 und 12 BinSchG darunter doch nur die Vorschriften über den Vollzug der Beweisaufnahme verstanden werden, also über die Vernehmung der Zeugen, von Sachverständigen, über die Aufnahme des Augenscheins, dagegen nicht mehr die Vorschriften, welche das die Beweisaufnahme vorbereitende Verfahren regeln." 1 2 Die ZPO kann daher nur für die konkrete Durchführung der Beweisaufnahme im Verklarungsverfahren Anwendung finden; was Beweisstoff wird, richtet sich gerade nicht nach der Parteimaxime der ZPO, sondern nach den FGG-geprägten eigenen Grundsätzen der Verklarung (§§ llff). § 13 Abs 1 ist eine Parallel Vorschrift zu § 15 FGG und öffnet den ZPO-Vorschriften einen partiellen Geltungsraum, ohne den gerichtlichen Untersuchungsgrundsatz 2 (§ 12 FGG) aufzugeben (arg § 185 Abs 2 FGG iVm Artt 1 Abs 2, 2, 50 EGBGB). Trotz der Anwendung der Beweisaufnahmeregeln

1 2

BayObLG Das Recht 1932,83. Zur einschränkenden Geltung des Untersuchungsgrundsatzes hinsichtlich der Feststellung der Höhe von Betriebsunterbrechungsschäden s OLG Köln ZfB 2007, Heft Nr 6, S 64 sowie Rabe SHR § 524 HGB Rn 7.

172

Zweiter Abschnitt. Schiffer

§ 13 BinSchG

der ZPO bleibt das Verklarungsgericht Herr des Verfahrens und ist bei seiner eigenen Untersuchung grundsätzlich von den Anträgen der Beteiligten unabhängig.3 Iw finden die §§ 371-444 ZPO entsprechende Anwendung. Die allgemeinen Vor- 3 Schriften der ZPO über die Beweisaufnahme (§§355-370 ZPO) sind nur eingeschränkt anwendbar; in Betracht kommt etwa die Beweisaufnahme durch ein auswärtiges Gericht nach § 361 ZPO, der § 2 FGG entspricht. Wegen des Verfahrensziels, die Unmittelbarkeit der Beweisaufnahme (§ 355 ZPO) vor dem Verklarungsgericht sicherzustellen, sollte hiervon freilich nur zurückhaltender Gebrauch gemacht werden. Unanwendbar sind die Vorschriften über den Beweisbeschluß (§§358-360 ZPO), da streitige Tatsachenbehauptungen von Parteien dem Verklarungsverfahren fremd sind. Ebensowenig anwendbar auf die Verklarung sind die Vorschriften über das selbständige Beweisverfahren;4 insbesondere verbietet sich eine entsprechende Anwendung von § 494a ZPO.5 2.

Gegenstand der Beweisaufnahme

Der Umfang der Beweiserstreckung wird bestimmt von dem „Gesamtinteresse an ei- 4 ner möglichen Aufklärung des vollständigen Sachverhalts des Schiffsunfalls als Voraussetzung für die spätere Regelung aller irgendmöglichen Gegenansprüche der daran Beteiligten." 6 Dabei ist es Pflicht des Verklarungsgerichts, alles zur Klärung des Sachverhaltes von sich aus zu tun. 7 Soweit es daher eine mögliche Unfallursache in einem bislang von den Beteiligten noch nicht aufgeworfenen Sachverhaltselement vermutet, hat es von Amts wegen die Beweisaufnahme auf diesen Punkt auszudehnen (§13 Abs 4 BinSchG, § 12 FGG)8. Dies gilt selbst dann, wenn alle Verklarungsbeteiligten einhellig erklären sollten, daß es auf diesen Punkt nicht ankomme. Denn der Gegenstand der Beweisaufnahme ist von dem Parteibetrieb grundsätzlich unabhängig; eine Beschränkung des Beweisstoffes durch die Beteiligten findet nicht statt. 9 Ungeachtet dieser grundsätzlich uneingeschränkten richterlichen Sachverhaltsermittlung wird der Umfang der Beweisaufnahme im Verklarungsverfahren de facto von den Vorgaben der Beteiligten bestimmt. Dem Gericht fehlt der unmittelbare Zugang zu den Geschehnissen; es erfährt den Sachverhalt idR erst aus zweiter oder dritter Hand. Da die Beteiligten regelmäßig die potentiellen späteren Prozeßgegner sind und sie daher ein Interesse an ganz bestimmten Beweisergebnissen haben wer-

3 4 5 6 7 8 9

OLG Köln Urt ν 2. 7. 1959 (Az 3 U 43/58), Revue de la Navigation Interieure et Rhenane 1959, 848; OLG Köln Urt ν 2.6.1960 (Az 3 U 173/59), 10; Waisermeyer Kollisionsprozeß, 382. OLG Karlsruhe TranspR 1993,375,377; OLG Hamburg TranspR 1992,187,188. ZKR ZfB 2004, SaS 1909; OLG Nürnberg ZfB 2000, SaS 1800 = JurBüro 2000, 587; OLG Karlsruhe VersR 2000,1046, 1047; 1994, 367. OLG Köln Beschl ν 25. 2.1972 (Az 3 10/72). BayObLG Das Recht 1932,83. BayObLG Das Recht 1932,83. BayObLG Das Recht 1932,83.

173

BinSchG S 13

Verklarungsbeweisaufnahme

den, schält sich der gerichtliche Untersuchungsgegenstand trotz § 13 Abs 4 über das Fragerecht der Beteiligten heraus. 5 Diese Mischform muß nach den Erfahrungen der Binnenschiffahrtspraxis als gelungen bezeichnet werden, da das Gericht hierbei durch Themenschwerpunkte, die von dem das Verfahren beherrschenden Kreuzverhörsprinzip herausgebildet werden, schnell zu den Kernpunkten eines Schiffsunfalls hingeleitet wird und dort - ohne Einengung durch die Relationsmethode - den Sachverhalt in alle Richtungen ex officio klären kann. Im Gegensatz zur üblichen Beweisaufnahme im Zivilprozeß, bei dem der Richter oft nur wenige Mosaiksteinchen eines Gesamtsachverhaltes erfährt, der ihm ansonsten unbekannt bleibt, ermöglicht das Verklarungsverfahren daher eine umfassende und in Einzelfällen bis ins Detail gehende Sachverhaltsaufklärung von Amts wegen. 6 Soweit ein am Verklarungsverfahren Beteiligter der Auffassung ist, daß sich die gerichtliche Untersuchung auf bis dato noch nicht genügend aufgeklärte Sachverhaltsteile erstrecken sollte, so steht ihm ein Recht zu, die Ausdehnung der Beweisaufnahme auf diese Punkte zu beantragen (§13 Abs 3 S 2). 10 Dieses eigene Beweisantragsrecht der übrigen Beteiligten ist ein wichtiges Korrektiv, um von vornherein eine gewisse Tendenz der Verklarung pro navigio, wie sie der seerechtlichen Verklarungsregelung vor dem 1. SRÄG 1972 eigen war, auszuschalten. 3.

Vernehmung der Verklarungszeugen

7 Da der antragstellende Schiffsführer „sich selbst zum Zeugnisse zu erbieten hat" (§11 Abs 1), ist er als Zeuge und nicht als Partei zu vernehmen. Seine Vernehmung bildet regelmäßig den Auftakt der Verklarungsverhandlung. Vor seiner Vernehmung, zu der ggf ein Dolmetscher hinzuzuziehen ist (§ 9 FGG), ist er zur Wahrheit zu ermahnen (§ 395 ZPO iVm § 13 Abs 1). Soweit er sich mit einer wahrheitsgemäßen Aussage der Gefahr einer strafrechtlichen Verfolgung und/oder zivilrechtlichen Haftung aussetzen würde, steht ihm ein Zeugnisverweigerungsrecht zu (§ 384 Nr 1, 2 ZPOiVmg 13 Abs l). 1 1 8 IRd Zeugenvernehmung, bei der die Verklarungsbeteiligten ein Fragerecht haben (§ 397 Abs 2 ZPO iVm § 13 Abs 1 BinSchG), wird häufig auf Skizzen, Schiffsmodelle sowie Stromkarten Bezug genommen, um die Vernehmung nicht wortgewandter Schiffer anschaulich zu machen. Die Vereidigung des Schiffsführers sowie der sonstigen Zeugen steht im Ermessen des Gerichts (§13 Abs 2 BinSchG iVm § § 1 5 Abs 1 FGG, 39 Iff ZPO), ist aber die Ausnahme.

10 11

OLG Karlsruhe ZfB 1993, SaS 1441. Korioth TranspR 1993, 462, 4S3; die anderslautende Ansicht von v. Waldstein Verklarungsverfahren, 84ff wird nicht mehr aufrecht erhalten.

174

Zweiter Abschnitt. Schiffer

4.

Sachverständigengutachten

a)

Zum Grund

§ 13 BinSchG

Dem Sachverständigenbeweis gem § 402ff ZPO iVm § 13 Abs 1 BinSchG kommt bei 9 der Klärung der Unfallursache im Verklarungsverfahren eine besondere Bedeutung zu. Angesichts des unverändert steigenden technisch - nautischen Standards der Schiffe ist es bei einem Versagen einer technischen Einrichtung idR nur dem Schiffsexperten möglich, die Ursache für den Ausfall oder die Fehlfunktion festzustellen. Trotz nicht selten jahrelanger Havarieerfahrung wird dem Schiffahrtsgericht die Kompetenz, die zur Beurteilung schwieriger technischer, nautischer oder hydrologischer Spezialfragen erforderlich ist, häufig fehlen. Gerade die Ruderanlage mit ihrer elektrischen Autopilotsteuerung sowie das Wende- oder Umsteuergetriebe, durch das Zurückmanöver veranlaßt werden sollen, können ausfallen oder falsch funktionieren, wodurch erhebliche Havarien verursacht werden.12 Im Lichte der strengen Verschuldenshaftung des BinSchG (§§ 3, 7-10, 92b; s § 92a Rn 14ff) kommt es für den Schiffsführer, der von einem technischen Versagen seines Schiffes betroffen wird, darauf an, durch sofortige Bestellung eines Sachverständigen im regelmäßig telefonisch eingeleiteten Verklarungsverfahren den Beweis führen zu können, daß ihn an dem Versagen keine Schuld trifft. Nur so kann er die ihn belastende Anscheinsbeweislage, die bei einem technischen Defekt prima fade für ein Verschulden der Schiffsführung streitet,13 widerlegen. Bei einem Versagen der Ruderanlage etwa wird durch die Wasserschutzpolizei - idR auf Veranlassung des beweisbelasteten Schiffsführers - das Steuerhaus amtlich versiegelt und erst für den Zutritt des im Verklarungsverfahren bestellten Sachverständigen wieder entsiegelt. Der Sachverständige hat insbesondere zu überprüfen, ob die elektrische Ruderanlage nach Konstruktion und Einbau tauglich war und ob sie vor der Havarie regelmäßig gewartet wurde, so daß sie sich in einem Zustand befand, der es erlaubte, sie in Betrieb zu nehmen. 14 Neben technischen Fragen haben die Sachverständigen aber oft nautische Frage- 10 Stellungen des Gerichts zu beantworten, etwa ob ein Stillieger ordnungsgemäß gemehrt war15 oder ob bei einem Überholmanöver zu wenig Abstand gehalten wurde, so daß dem überholten Schiff das Wasser genommen wurde, was zur Grundberührung führte. 15 Dabei ist indes die Würdigung von Zeugenaussagen ausschließlich Sache des im streitigen Verfahren zuständigen (Rn 16) Gerichts, nicht die des Sachverständigen.17 12 13 14 15 16 17

OLG Karlsruhe ZfB 1995, SaS 1551. Bemm/v. Waldstein RheinSchPV, Rn 120ff Einf mwN sowie unten $ 92b Rn 68ff, 76. ZKR ZfB 1978, 475; BGH VersR 1974, 159. AG St Goar Beschl ν 22. 5 . 1 9 9 1 (Az 4 C 20/90 BSchRh). AG Kehl Beschl ν 31. 7 . 1 9 9 0 (Az 2 Cs 126/90). ZKR ZfB 1995, SaS 1532; zu den Voraussetzungen der Einholung eines Obergutachtens s OLG Köln Hamburger Seerechts-Report 2 0 0 7 , 5 3 , 54.

175

BinSchG S 13

Verklarungsbeweisaufnahme

11 Eine Ablehnung des Verklarungssachverständigen erfolgt nach den allgemeinen Regeln des § 406 ZPO. Über den Befangenheitsantrag entscheidet das Schiffahrtsgericht durch Beschluß, gegen den die sofortige Beschwerde zum Schiffahrtsobergericht gegeben ist (§ 406 ZPO).18 b)

Sachverständigengutachten zur Höhe

12 In Betracht kommt darüber hinaus die Einschaltung eines Sachverständigen zur Klärung der Schadenshöhe (§11 Abs 1: „Umfang des eingetretenen Schadens")· 19 Da es jedoch in Schiffahrtskreisen üblich ist, die Schadensfolgen eines Unfalles einschließlich der eingeleiteten Maßnahmen zur Schadensminderungspflicht nach § § 2 5 4 BGB, 92c Abs 1) durch die jeweiligen Experten der (späteren) Prozeßgegner vorprozessual in einer kontradiktorischen Schadenstaxe zu erfassen, 20 ist ein gerichtlich bestimmtes Höhegutachten im Verklarungsverfahren die Ausnahme. 5.

Augenschein

13 Ebenso wie dem Sachverständigenbeweis kommt dem Beweis durch Augenschein (§§ 371, 372 ZPO iVm § 13 Abs 1) im Verklarungsverfahren ein Wert zu, den er im normalen Zivilprozeß nur selten hat: die besonderen Strömungsverhältnisse eines Flusses, die Sichtverhältnisse im Krümmungswinkel eines Hanges, der Ablauf eines Umsteuerversagers in einer Schleuse, die Abläufe von Sicherheitssystemen bei einer Tankschiffumschlagsstelle, usw sind beweisrelevante Geschehensabläufe, die sich oft nur schwierig beschreiben lassen und die auch durch die Vorlage von Fotographien nur eingeschränkt nachvollzogen werden können. 21 Die Gefahr, daß in dem der Verklarung nachfolgenden Havarieprozeß ein Fall entschieden wird, wie er sich in der Wirklichkeit nicht ereignet hat, ist besonders hoch. Daher ist ein Augenschein im Verklarungsverfahren nicht nur zulässig, 22 sondern - mit Ausnahme klarliegender Fälle - auch regelmäßig geboten. 6.

Urkunden

14 Die Beweisaufnahme wird vervollständigt durch die Vorlage von Urkunden (§§ 415ff ZPO iVm § 13 Abs 1), wobei hier Schiffsatteste, Zulassungszertifikate der Schiffsuntersuchungskommission, Rheinschiffahrtszugehörigkeitsurkunden, Bordbuch, Patentpapiere des Schiffsführers, Sicherheitscheck beim Tankschiffsumschlag, be-

18 19 20 21 22

176

OLG Köln Β es chl ν 21. 9. 2001 (Az 3 W 23/01 BSch); OLG Nürnberg Beschl ν 15.11. 2004 (Az 8 W 3269/04 BSch); OLG KölnZfB 1993, SaS 1433. OLG KölnZfB 2007, Heft Nr 6, S 64. Zu den Einzelheiten vgl § 92b 21ff sowie Bemm/v. Waldstein RheinSchPV Einf Rn 36ff. BGH MDR 1988, 42. OLG Köln Urt ν 2.7.1959 (Az 3 U 43/58), Revue de la Navigation Interieure et Rhenane 1959,848.

Zweiter Abschnitt. Schiffer

§ 13 BinSchG

hördliche Anweisungen zur Erfüllung von Verkehrssicherungspflichten oder zum Schleusenbetrieb, usw, im Vordergrund stehen. 7.

Protokoll

Über den Inhalt der Verklarungsverhandlung führt das Gericht ein Protokoll (§ 13 15 Abs 1 BinSchG iVm §§ 160, 492 ZPO). Neben der Aufnahme der Präsenz sowie der etwa gestellten Anträge ist von zentraler Bedeutung, daß die Ergebnisse der Beweisaufnahme und insbesondere Zeugenaussagen wortgetreu und genau festgehalten werden, ua um dem Berufungsgericht, dem der persönliche Eindruck von den vernommenen Zeugen und von einer in Augenschein genommenen Örtlichkeit fehlt, ein zuverlässiges Abbild der Beweisaufnahme bieten zu können. Dagegen hat sich das Gericht irgendwelcher schlußfolgernder Stellungnahmen strikt 16 zu enthalten, um die Entscheidungsneutralität des Verfahrens zu wahren, und den Beteiligten die Möglichkeit zu nehmen, in Spekulationen darüber einzutreten, wie wohl das Gericht bei einem späteren streitigen Verfahren entscheiden möge. Akteneinsicht in das Protokoll und die Verklarungsakten insgesamt ist demjenigen zu gewähren, der ein berechtigtes Interesse glaubhaft macht (§ 34 FGG). 8.

17

Abschluß des Verfahrens

Sobald die Beweisaufnahme abgeschlossen ist, wird das Verklarungsverfahren auf 18 Antrag geschlossen. Dieses Antragsrecht steht nur dem antragstellenden Schiffsführer zu. Freilich haben die Beteiligten ein Recht auf rechtliches Gehör (Art 103 Abs 1 GG) zu dem Schließungsantrag. Wird dieser zur Unzeit gestellt, etwa wenn zwar die Mannschaft des antragstellenden Schiffsführers, nicht jedoch die Schiffsleute des Havariegegners vernommen wurden, so ist der Antrag vom Gericht zurückzuweisen und mit der Beweisaufnahme fortzufahren (§ 12 FGG). Im umgekehrten Fall, wenn die Beweisaufnahme abgeschlossen ist, der Antragsteller es jedoch auch auf Aufforderung unterläßt, einen Schließungsantrag zu stellen, ist das Schiffahrtsgericht berechtigt, das Verfahren von Amts wegen zu schließen (arg § 12 FGG). Da nämlich eine Unterbrechung, eine Aussetzung oder ein Ruhen des Verklarungsverfahrens wegen seines FGG-Charakters nicht in Betracht kommt, insbesondere § 148 ZPO weder direkt noch analog anwendbar ist, muß das Gericht ex officio die Möglichkeit haben, das Verfahren durch Beschluß zu beenden. Wird das Verklarungsverfahren durch das Schiffahrtsgericht verfrüht geschlossen, ist die Beweisaufnahme auf die sofortige Beschwerde eines Verklarungsbeteiligten fortzusetzen; die Präklusionsvorschrift des § 296 ZPO ist im FGG-Verfahren der Verklarung grundsätzlich nicht anwendbar.23 Soweit durch das Schiffahrtsgericht ein Antrag eines Verklarungsbe23

OLG Köln Beschl V 23. 5. 2005 (Az 3 W 16/05 BSch).

177

BinSchG

§14

Verklarungskosten

teiligten auf Ausdehnung der Beweisaufnahme gem § 13 Abs 3 S 2 zurückgewiesen wird, ist hingegen die einfache (§ 19 FGG), nicht die sofortige Beschwerde (§ 148 Abs 2 S 1 FGG) zum Schiffahrtsobergericht gegeben. 24 19 In dem Beschluß, mit dem das Verklarungsverfahren geschlossen wird, setzt das Gericht gleichzeitig den Geschäftswert auf der Basis der Angaben des Antragstellers und der Beteiligten nach freiem Ermessen fest (§ 14 Rn 1). Gegen den Beschluß des Gerichts, durch den das Verklarungsverfahren geschlossen wird, steht den Beteiligten das Rechtsmittel der einfachen Beschwerde (§ 19 FGG) zum Oberlandesgericht Schiffahrtsobergericht zu. 2 5 20

In seltenen Fällen, in denen nach förmlichem Abschluß des Verfahrens neue wichtige Beweismittel auftauchen, bejaht die Rechtsprechung eine Wiedereröffnung des Verfahrens im Rahmen einer sog Nachverklarung. 2 6

$ 1 4

[Verklarungskosten]

(1) (aufgehoben) (2) Ist das Verfahren auf Verlangen eines Ladungsbeteiligten beantragt, so hat dieser die entstandenen Kosten zu erstatten, soweit er nicht Anspruch auf Ersatz des durch den Unfall ihm entstandenen Schadens hat. Die Verpflichtung des Schiffseigners, dem Schiffer die verauslagten Kosten zu erstatten, wird hierdurch nicht berührt. (3) In Fällen der großen Haverei findet die Vorschrift des § 8 4 Anwendung.

Übersicht Rn 1. Geschäftswert

1-2

2. Gerichtskosten

3-5

3. Anwaltskosten

6-8

4. Kostenerstattung a) Ansprüche Schiffsführer gegen Ladungsbeteiligte

9

b) Ansprüche Schiffsführer gegen Schiffseigner c) Ansprüche Schiffseigner gegen Havariegegner im Hauptprozeß ($91 ZPO)

10 11-14

d) Ansprüche Schiffseigner gegen Havariegegner ohne Hauptprozeß

24 25 26

178

OLG Köln ZfB 2007, Heft Nr 6, S 64. OLG Köln ZfB 1999, SaS 1727 = TranspR 2000, 3S; OLG Köln Beschl ν 21. 9. 2001 (Az 3 W 23/01 BSch). Ie v. Waldstein Verklarungsverfahren, 99 f mwN.

Zweiter Abschnitt. Schiffer

§ 1 4 BinSchG Rn

aa) Problemstellung bb) Interessenlage im Regelfall cc) Stellungnahme 5. Verklarungskosten in der großen Haverei

1.

15 16 17-18 19

Geschäftswert

Wegen des nichtstreitigen FGG-Charakters der Verklarung unterliegen die in diesem 1 Verfahren entstehenden Gebühren und Auslagen (Kosten) den Vorschriften der Kostenordnung (§ 1 KostO). Grundlage für die Bestimmung der Gerichts- und Anwaltskosten in der Verklarung ist der Geschäftswert des Verfahrens (§§ 18, 30, 31, 39, 50 Abs 2 KostO). Er ist nach freiem Ermessen des Schiffahrtsgerichtes festzusetzen, wobei maßgebend ist die objektive Bewertung der in Betracht kommenden Ansprüche. Der Geschäftswert wird somit bestimmt „nach der Summe der vermögensrechtlichen Interessen ..., die Gegenstand der Prüfung im Verklarungsverfahren gewesen sind. 1 " Anzusetzen ist dabei ein weiter Maßstab, bei dem sich allerdings eine rein schematische Addierung der in Rede stehenden vermögensrechtlichen Interessen verbietet.2 Abschläge mit der Begründung, das Verklarungsverfahren diene nur dem Beweissicherungsinteresse, kommen nicht in Betracht. 3 Ebenfalls nicht in Betracht kommt eine Beschränkung des Geschäftwertes durch die Parteien, da der Umfang der Beweiserhebung in der Verklarung - im Gegensatz zu einer Beweiserhebung im Zivilprozeß - gerade nicht zur Disposition der Parteien steht (§12 FGG).4 Der Geschäftswert wird auf Antrag, aber auch unabhängig vom Antrag (§ 12 FGG), 2 vom Schiffahrtsgericht gebührenfrei per Beschluß festgesetzt (§31 Abs 1 S 1 KostO) und kann binnen sechs Monaten nach Abschluß der Verklarung noch abgeändert werden (§§ 18, 31 Abs 1 S 2 und S 3 KostO). Gegen den Beschluß des Schiffahrtsgerichts findet die einfache Beschwerde (§ 19 FGG) zum Oberlandesgericht - Schifffahrtsobergericht statt (§31 Abs 3 KostO iVm § 11 BinSchVerfG).5 2.

Gerichtskosten

Die Berechnung der Gerichtskosten erfolgt nach dem Geschäftswert der Verklarung 3 (§18 KostO). Gem § 50 Abs 2 Halbs 1 KostO wird für die Durchführung der Verklarung das Doppelte einer vollen Gebühr (§ 32 KostO) erhoben; schließt sich eine 1

2 3 4 5

Ständige Rspr OLG Köln ZfB 2000, SaS 1785 mwN; OLG Karlsruhe Beschl ν 29.11.1993 (Az W 5/93 BSch); OLG Karlsruhe VersR 1993, S28; OLG Karlsruhe Beschl ν 22. 3. 19S9 (Az W 1/89 BSch); OLG Köln Beschl ν 25. 2. 1972 (Az 3 W 10/72). OLG Köln ZfB 2000, SaS 17S5. OLG Karlsruhe VersR 1993,628. OLG Karlsruhe Beschl ν 22. 3.1989 (Az W 1/S9 BSch). OLG Köln ZfB 2007, Heft Nr 6, S 64.

179

BinSchG § 1 4

Verklarungskosten

Nachverklarung an, entsteht eine zusätzliche Vollgebühr (§ 50 Abs 2 Halbs 2 KostO). Hinzu kommen Kosten für Schreibauslagen (Dokumentenpauschale, § 136 KostO) sowie sonstige Auslagen nach S 137 KostO, insbesondere Entschädigungskosten für Zeugen, Sachverständige und Dolmetscher (§137 Nr 6 KostO). Hinsichtlich der Zeugengebühren für fahrende Schiffer hat sich unter Schiffahrtsanwälten der Brauch herausgebildet, die gestellten Zeugen pauschal, unmittelbar und idR über den Sätzen des Justizvergütungs- und -entschädigungsgesetzes (JVEG) durch einen Verklarungsbeteiligten im Einverständnis mit den übrigen Verklarungsbeteiligten zu entschädigen und diese Kosten zu den Auslagen der Rechtsanwaltsgebührenrechnung und damit einer späteren Kostenfestsetzung nach § 91 ZPO hinzu zu zählen. 4 Kostenschuldner der Gerichtskosten ist grundsätzlich der Antragsteller (§2 Nr 1 KostO); dieser ist auch vorschußpflichtig (§ 8 Abs 1 KostO), wobei aufgrund des Beschleunigungszweckes der Verklarungsbeweissicherung die Einleitung der Verklarung nicht von der Zahlung des Vorschusses abhängig gemacht werden darf (§ 8 Abs 2 S 2 Halbs 2 KostO). Soweit ein anderer Verklarungsbeteiligter eine Ausdehnung der Beweisaufnahme beantragt (§ 13 Abs 3 S 2 BinSchG) oder eine solche Ausdehnung von Amts wegen im Interesse eines anderen Verklarungsbeteiligten erfolgt, ist dieser Kostenschuldner der insoweit zusätzlich entstehenden Gerichtskosten (§ 2 Nr 2 KostO). 5 Gegen den Kostenansatz des Gerichts, den der Rechtspfleger vornimmt, ist die Erinnerung des Antragsteller bzw des sonstigen Kostenschuldners an das Schiffahrtsgericht gegeben (§ 14 Abs 2 KostO); gegen den Beschluß des Schiffahrtsgerichtes, der die Erinnerung zurückweist, ist die einfache Beschwerde (§ 19 FGG) zum Oberlandesgericht - Schiffahrtobergericht zulässig ($ 14 Abs 3 S 1 KostO).6 3.

Anwaltskosten

6 Die Kostenberechnung für die im Verklarungsverfahren7 regelmäßig beauftragten Rechtsanwälte (§ 13 Abs 3 S 1 letzter Halbs BinSchG, § 13 FGG) 8 orientiert sich an dem Gegenstands wert der Verklarung (§13 RVG), der deckungsgleich ist mit dem Geschäftswert des Verfahrens (so Rn 1). „Für das Betreiben des Geschäfts einschließlich der Information" (RVG-Vergütungsverzeichnis, Vorb 3 II), in der Verklarung konkret die Aufnahme des Schiffsführerberichtes, die Einholung von Zeugenaussagen, die Beratung des Antragstellers oder eines anderen Verklarungsbeteiligten, die Überprüfung der Rspr zur Klärung der Beweisanfordernisse, die Einreichung eines 6 7

8

OLG Köln ZfB 2007, Heft Nr 6, S 64. Zur Erstattungsfähigkeit von Anwaltskosten eines vorangegangenen Seeamtsverfahrens s BGH NJW 1982, 3 2 , 3 3 ; zur Erstattungsfähigkeit der Anwaltskosten eines Vorprozesses s OLG Köln Hamburger Seerechts-Report 2 0 0 7 , 8 9 , 9 0 . Die vorgerichtlichen Anwaltskosten des Geschädigten sind iti auch ohne Verklarungsverfahren Teil der Schadensersatzforderung gegen den Schädiger, MK ZfB 1994, SaS 1503.

180

Zweiter Abschnitt. Schiffer

§ 1 4 BinSchG

Verklarungsantrages oder sonstiger Verklarungsschriftsätze, usw entsteht die Verfahrensgebühr in Höhe von 1,3 (VV 3100). Für die Wahrnehmung eines Beweisaufnahmetermins in der Verklarung (Zeugeneinvernahme, Sachverständigenanhörung, Augenschein) sowie damit zusammenhängende Verhandlungen und Erörterungen (RVG-Vergütungsverzeichnis, Vorb 3 III) fällt die Terminsgebühr in Höhe von 1,2 ( W 3104) an, so daß in der Verklarung grundsätzlich insgesamt 2,5 Rechtsanwaltsgebühren entstehen. Soweit neben dem Schiffsführer die Reederei oder deren Versicherung mitvertreten wird, entstehen für jede weitere (juristische) Person 0,3 Erhöhungsgebühren (§ 7 RVG; VV 1008). Hinzu kommen Schreibauslagen, Post- und Telekommunikationskosten, Fahrtkosten sowie Tage- und Abwesenheitsgelder ( W 7000, 7002, 7003, 7004, 7005). Soweit der Rechtsanwalt zunächst ohne Bezug auf ein gerichtliches Verklarungsver- 7 fahren in derselben Havariesache beauftragt wurde, entsteht eine Geschäftsgebühr gem VV 2300, die wegen des Charakters von Schiffahrtssachen als entlegenem Spezialrechtsgebiet über der „Regelgebühr" von 1,3 anzusetzen ist (§ 14 RVG),9 in praxi auf „halber Strecke" zwischen dem Regelwert von 1,3 und dem Höchstwert von 2,5, also bei 1,9. Eine (teilweise) Anrechnung der Verklarungsgebühren auf die Rechtsanwaltsge- 8 bühren im nachfolgenden Havarieprozeß findet nicht statt, da eine Gleichbehandlung der Verklarung mit dem selbständigen Beweisverfahren (RVG-VV, Vorb 3 V) weder vom Wortlaut, noch von dem gänzlich verschiedenen Verfahrenscharakter10 her geboten ist. Konsequenterweise fällt daher bei einem Vergleich nach einem durchgeführten Verklarungsverfahren nur eine Einigungsgebühr in Höhe von 1,0 und nicht wie nach einem selbständigen Beweisverfahren in Höhe von 1,5 an (VV 1000 und 1003). 4.

Kostenerstattung

a)

Ansprüche Schiffsführer gegen Ladungsbeteiligte (§ 14 Abs 2 S 1)

Soweit ein Ladungsbeteiligter die Einleitung der Verklarung von dem Schiffsführer 9 fordert (§ 11 Abs 1), ist er diesem bzw bei Freistellung des Schiffsführers durch den Schiffseigner dem Schiffseigner hinsichtlich der entstehenden Kosten erstattungspflichtig (S 14 Abs 2 S 1 Halbs 1). Nach dem Grundsatz von § 242 BGB („dolo facit qui petit quod statim redditurus est") ist die Erstattungsfähigkeit ausgeschlossen, falls der Ladungsbeteiligte gegen den Schiffsführer und/oder den Schiffseigner Schadensersatzansprüche aus der Havarie hat (§ 14 Abs 2 S 1 Halbs 2).

9 10

OLG Jena AnwBl 2005, 29S = RVGreport 2005,145 m Anm Hansens. OLG Karlsruhe TranspR 1993, 375,377 = NZV 1993,441; s ο $ 11 Rn 1.

181

BinSchG § 1 4 b)

Verklarungskosten

Ansprüche Schiffsführer gegen Schiffseigner (§ 14 Abs 2 S 2)

10 Der arbeitsrechtlichen Verpflichtung des Schiffsführers, auf Verlangen des Schiffseigners Verklarung zu beantragen (§§ 7, 11), entspricht sein Recht, hierfür Kostenerstattung von dem Schiffseigner verlangen zu können. Man wird aber die Kostenerstattungspflicht des Schiffseigners gegenüber dem Schiffsführer auch dann bejahen müssen, wenn der Schiffsführer zur Wahrung eigener Rechte, insbesondere bei Patentgefährdung oder strafrechtlich relevanten Vorwürfen, Verklarung beantragt. c)

Ansprüche Schiffseigner gegen Havariegegner im Havarieprozeß ( § 9 1 ZPO)

11 In dem der Verklarung nachfolgenden Zivilprozeß sind die Verklarungskosten erstattungsfähig, da sie idR zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung gern § 91 ZPO notwendig sind. 11 Über die Frage, in welchem Umfang der (teilweise) Unterlegene die Verklarungskosten zu tragen hat, entscheidet das Gericht nicht im Rahmen der Kostengrundentscheidung der Hauptsache, sondern erst im Kostenfestsetzungsverfahren. 12 Der Verklarungskostenanspruch zählt zu den Kosten der Rechtsverfolgung (S 5 Nr 5) und unterliegt nicht der Haftungsbeschränkung (§ 5 Rn 16). Die Erstattungsfähigkeit der Verklarungskosten gem § 91 ZPO ist an drei Voraussetzungen gebunden: (1) Durchführung eines nachfolgenden oder gleichzeitigen Hauptsacheverfahrens (2) Identität der Parteien dieses Rechtsstreits mit den Beteiligten des Verklarungsverfahrens (3) Identität des Streitgegenstandes des Zivilprozesses mit dem Verfahrensgegenstand der Verklarung. 13 12 Zu (1): Ohne Hauptsacheverfahren scheidet eine Erstattung der Verklarungskosten gem § 91 ZPO schon nach dessen Wortlaut („die unterliegende Partei", „Gegner", usw) aus; eine analoge Anwendung von § 91 ZPO kommt nicht in Betracht. 14 Zu den Kostenerstattungsmöglichkeiten jenseits eines Hauptprozesses s u Rn 15. 13 Zu (2): Auch wenn aufgrund des FGG-Charakters des Verklarungsverfahrens nicht verlangt werden kann, daß sich die späteren Prozeßparteien schon als Beteiligte des Verklarungsverfahrens wie Gegner gegenüber stehen, „müssen aber die Prozeßparteien - zwischen denen allein der prozeßrechtliche Kostenerstattungsanspruch im

11 12 13 14

182

OLG Köln VersR 1 9 9 5 , 4 8 6 ; OLG Karlsruhe VersR 1 9 9 4 , 3 6 7 ; 1993, 628. OLG Karlsruhe ZfB 1999, SaS 1744; 1993, SaS 1404. OLG Karlsruhe ZfB 1993, SaS 1404 sowie Beschl ν 2 3 . 1 . 1 9 8 5 (Az W 2/84 RhSch). OLG Köln Urt V 14. 2. 1969 (Az 3 U 155/68); vgl BGH NJW 1988, 2032; BGH MDR 1983, 204.

Zweiter Abschnitt. Schiffer

§ 1 4 BinSchG

Kostenfestsetzungsverfahrens des ,Hauptprozesses' verfolgt werden kann - schon am Verklarungsverfahren beteiligt gewesen sein." 1 5 Zu (3): Die Verklarungskosten sind nur in dem Maße erstattungsfähig, wie sich der Streitgegenstand des Prozesses mit dem Verfahrensgegenstand der Verklarung deckt. 15 Werden im Anschluß an das Verklarungsverfahren mehrere Prozesse wegen des gleichen Unfalls anhängig, so können die Verklarungskosten in jedem Prozeß von den Beteiligten nur anteilsmäßig geltend gemacht werden: „Dadurch wird verhütet, daß der einzelne Beteiligte in einem Einzelprozeß, in dem er obsiegt hat, seine vollen Verklarungskosten geltend macht, obwohl er in anderen Einzelprozessen unterlegen ist, und daß ein in einem Einzelprozeß mit einem vielleicht verhältnismäßigen geringen Streitwert Unterlegener mit unverhältnismäßig hohen Verklarungskosten belastet wird". 1 7 Eine Festsetzung der Verklarungskosten im Hauptprozeß findet somit nur entsprechend dem jeweiligen streitgegenständlichen Interesse statt. 18 Sollen darüber hinaus Verklarungskosten gegen den Kostengegner durchgesetzt werden sollen, sind diese nicht festsetzungsfähigen Kosten, sofern sie schon beziffert werden konnten (ansonsten Feststellungsklage), als separate Schadensposition einzuklagen. Soweit der Kläger im Hauptprozeß bei seinem Kostenantrag die Formel „einschließlich der Kosten des Verklarungsverfahrens" aufnimmt, hat das nur deklaratorische Bedeutung. Die (ggf teilweise) Erstattungsfähigkeit der Verklarungskosten ergibt sich bereits aus dem Gesetz ( § 9 1 ZPO). d)

Ansprüche Schiffseigner gegen Havariegegner ohne Hauptprozeß

aa)

Problemstellung

14

Umstritten ist, ob und, falls ja, unter welchen Voraussetzungen ie ein außerprozes- 15 sualer Anspruch auf Ersatz der Verklarungskosten in Betracht kommt, wenn es nach der Verklarung - möglicherweise gerade wegen der dort gründlich erhobenen Beweise - nicht zu einem Havariefolgeprozeß kommt, in dem bei Klagabweisung prozessuale Ansprüche auf Erstattung der Verklarungskosten erwachsen wären. Ein solches Ausbleiben eines Folgeprozesses ist insbesondere in der jenseits der klassischen Schiffskollision gegebene Fallkonstellation denkbar, in der ein Schiffsführer zunächst behauptet, sein Schiff habe aufgrund einseitigen, schuldhaften Verhaltens des anderen Schiffsführers Schäden erlitten (Abreißunfälle am Ufer im Zuge einer Vorbeifahrt eines Schiffes, „Wasserwegziehen" aufgrund zu knappen Begegnungsbzw Überholabstandes). 19 Erweisen sich diese Anschuldigungen nach durchgeführ15

16 17 18 19

OLG Karlsruhe Beschl ν 2 3 . 1 . 198S (Az W 2/84 RhSch); OLG Karlsruhe Beschl ν 1 7 . 2 . 1984 (Az W 3/83 RhSch); OLG Karlsruhe Beschl ν 31. 5 . 1 9 8 3 (Az W 2/82 RhSch); OLG Karlsruhe Beschl ν 1 5 . 7 . 1 9 8 3 (Az W 3/82 BSch). OLG Karlsruhe Beschl ν 6 . 1 2 . 1 9 8 5 (Az W 1/85 BSch). OLG Köln Beschl ν 1 1 . 1 1 . 1 9 6 9 (Az 3 W 54/69); OLG Köln Beschl ν 16. 8 . 1 9 6 2 (Az 3 W 47/62). OLG Karlsruhe ZfB 1966, 55. OLG Karlsruhe TranspR 1993, 375 m Anm r. Waldstein = NZV 1993,441.

183

BinSchG § 1 4

Verklarungskosten

ter Verklarung als nicht belastbar, unterbleibt die Erhebung einer Hauptsacheklage. Eine umgekehrte negative Feststellungsklage wäre unzulässig, da durch die Nichtweiterverfolgung ursprünglich behaupteter Ansprüche das „Berühmen" entfallen ist.20 Da es in diesen Fällen an Gegenschäden des beschuldigten Schiffes (Vorbeifahrer an einer Liegestelle, überholendes oder begegnendes Schiff) fehlt, unterbleibt auch insoweit die Einleitung gerichtlicher Schritte. Die Frage ist, wann und auf welchem Wege gleichwohl eine Erstattung der Verklarungskosten, die auf Seiten der zu Unrecht beschuldigten Schiffsführer-/ Schiffseignerseite entstanden sind, in Betracht kommen soll. bb)

Interessenlage im Regelfall

16 Nach einer Havarie entspricht es der Üblichkeit in Schiffahrtskreisen, daß - häufig noch am Tage der Havarie - wechselseitige schriftliche Verantwortlichstellungen der Reedereien, der Partikuliere bzw deren Versicherungen ausgetauscht werden, bei denen die jeweils andere Seite für die am eigenen Schiff entstandenen Schäden haftbar gemacht wird. Diese Haftbarmachungen basieren idR auf ersten telefonischen Vorabinformationen des Schiffsführers, also vor Einholung eines ausführlichen Schiffsführerberichtes oder gar dessen Vernehmung in der Verklarung. Verbunden werden diese Schreiben häufig mit einer kurzen Frist, in dem die Gegenseite zur Haftungsanerkennung dem Grunde nach aufgefordert wird, andernfalls die Einleitung einer Verklarung angekündigt wird. Stellt sich nach durchgeführter Verklarung heraus, daß ursprüngliche Beschuldigungen gegen die ein oder andere Schiffsseite nicht mehr haltbar sind, wird man gleichwohl einen außerprozessualen Verklarungskostenanspruch ablehnen müssen, falls - aus welchen Gründen auch immer ein Folgeprozeß unterbleibt. Denn derjenige, der Verklarung beantragt oder sich an einer solchen beteiligt, handelt grundsätzlich in subjektiver redlicher Weise und in Wahrnehmung berechtigter eigener Interessen, wenn er an einem staatlich geordneten und gesetzlich im einzelnen geregelten Verfahren teilnimmt, so daß er für die Folgen einer allenfalls fahrlässigen Fehleinschätzung der Rechtslage nicht haftet.21 Die Notwendigkeit, daß eine Schiffsseite nach einer Havarie Verklarung veranlaßt oder sich an einer fremdveranlaßten beteiligt und die dabei entstehenden Kosten ohne Überwälzungsmöglichkeit auf dritter Seite trägt, insbesondere um eine Beweisfälligkeit bei einer etwa drohenden negativen Anscheinsbeweislage zuvorzukommen, entspringt der allgemeinen Beteiligung am Schiffsverkehr und den dabei verbundenen Unfall- und Kostenrisiken. Insbesondere löst diese Wahrnehmung eigener Beweisinteressen durch die eine Schiffsseite keine verschuldensunabhängige Kostengefährdungshaftung der anderen Seite aus.22 Das materielle Haftungsrecht weist also insoweit gerade „keine planwidrige Lücke" auf, da es „in keiner seiner Gestal20 21 22

OLG Karlsruhe VersR 1994, 367. BGH NJW 1983, 284. BGH NJW 1988, 2032, 2034.

184

Zweiter Abschnitt. Schiffer

§ 1 4 BinSchG

tungsformen den lückenlosen Ausgleich der einem anderen zugefügten Vermögensnachteile (anstrebt), sondern . . . auch sonst zahlreiche Fälle (enthält), in denen die Verursachung des Schadens nicht zu einer Ersatzpflicht führt". 2 3 Demgemäß lehnen die Schiffahrtsobergerichte eine Pflicht zur Erstattung von Verklarungskosten jenseits der Kostenfestsetzung im Hauptprozeß gem § 91 ZPO regelmäßig wegen fehlender Anspruchsgrundlage ab 24 . cc)

Stellungnahme

Dieser Rspr ist im Grundsatz beizupflichten, 25 insbesondere verbietet sich wegen der Wesensverschiedenheit von Verklarung und selbständigem Beweisverfahren 26 eine Analogie zu § 494a ZPO. 27 Auch die (Kosten-)Notwendigkeit einer sog. „Verteidigungsverklarung" löst - bei fehlendem Hauptprozeß - grundsätzlich keine Kostenerstattungspflicht der Gegenseite aus. Hiervon wird man indessen eine sachliche Ausnahme dann machen müssen, wenn nach einer Havarie schwere Beschuldigungen ohne jede Faktengrundlage oder gar in sittenwidriger Schädigungsabsicht, evtl sogar öffentlich bzw über Mitteilungen an die Presse 28 erhoben und auch nach Fristsetzung zur Unterlassung bzw zum Widerruf nicht zurückgenommen werden. In einem solchen Fall wäre es unbillig, den beschuldigten Schiffsführer - jedenfalls auf der Kostenebene - zur Passivität und Hinnahme haltloser Vorwürfe, die bei Wahrunterstellung seine nautische Kompetenz in Zweifel ziehen könnten (§4.03 RheinPatV), zu verurteilen. Da Vorsatz und Schädigungsabsicht häufig nicht nachzuweisen sein werden, erscheinen die Wege über § 823 Abs 1 BGB (Eingriff in den eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb), § 824 BGB (Kreditgefährdung) oder § 826 BGB (sittenwidrige Schädigung) 29 wenig praktikabel. In diesen Fällen ist es vielmehr 30 geboten, die für die Verklarung als FGG-Verfahren - ohnehin die Ausnahme darstellende - abgestufte Kostenregelung nach § 13a Abs 1 S 1 FGG (Grundsatz der Billigkeit) bzw nach § 13a Abs 1 S 2 FGG (grobes Verschulden eines Verklarungsbeteiligten) anzuwenden.

23 24

25 26 27

28 29 30

BGH NJW 1988,2032, 2034; ebenso OLG Karlsruhe VersR 2000,1046,1047 = ZfB 2000, SaS 17S9. ZKR ZfB 2004, SaS 1909; OLG Nürnberg ZfB 2000, SaS 1800 = JurBüro 2000, 587; OLG Karlsruhe, VersR 2000,1046 = ZfB 2000, SaS 1789; OLG Karlsruhe TranspR 1993, 375 m Anm v. Waldstein = NZV 1993,441; BGHZ 73,105,107f. Die anderslautende Ansicht bei v. Waldstein Verklarungsverfahren, 111 sowie v. Walästän Anm zu OLG Karlsruhe TranspR 1993, 375,378 wird nicht mehr aufrechterhalten. OLG Karlsruhe TranspR 1993, 375,377 = NZV 1993,441; OLG Karlsruhe ZfB 1993, SaS 1404. ZKR ZfB 2004, SaS 1909; OLG Nürnberg ZfB 2000, SaS 1800 = JurBüro 2000, 587; OLG Karlsruhe VersR 2000,1046, 1047 = ZfB 2000, SaS 1789; VersR 1994, 367; TranspR 1993, 375, 377 = NZV 1993, 441 sowie Beschl V 14. 12. 1992 (Az U 11/92 BSch). OLG Karlsruhe TranspR 1993, 375 = NZV 1993,441. Eine solche Kostenerstattung nach $$ 826, 249 BGB hat die ZKR bei Vorliegen der Tatbestandsvoraussetzungen bejaht (ZfB 2004, SaS 1909). Entgegen der bislang herrschenden Ansicht in der Rspr, s Fußnote 21; vgl aber auch OLG Köln Beschl ν 23.4. 2005 (Az 3 W 16/05 BSch), wo aufgrund richterlichen Ermessens von einer Kostenentscheidung im Einzelfall abgesehen wurde, die Anwendung von $ 13a FGG als solche aber grundsätzlich bejaht wurde.

185

BinSchG SS 1 5 - 1 9

Vertretungsmacht des Schiffsführers

18 Auf der Basis eines richterlichen Ermessens 31 kann das Schiffahrtsgericht daher nach Abschluß der Verklarung einer Beteiligtenseite ganz oder auch nur teilweise 32 die Verklarungskosten anderer Beteiligter auferlegen. Im Fall der Kostenerstattung nach Billigkeit bedarf es dazu besondere Gründe wie zB Vorbringen unwahrer Behauptungen, erkennbare Aussichtslosigkeit für Antragsteller, 33 Veranlassung des Verklarungsverfahren durch Verzug einer Seite, usw, 34 wobei in der Verklarung als rein vermögensrechtlicher Angelegenheit - im Gegensatz zu den sonstigen überwiegend das FGG-Verfahrens kennzeichnende Familiensachen - eine Kostenerstattung eher der Billigkeit entspricht. 35 Bei Vorliegen eines groben Verschuldens eines Verklarungsbeteiligten (falsches Tatsachenvorbringen, Veranlassung von überflüssigen Beweisaufnahmen, Stellung eines erkennbar aussichtslosen Antrages)35 sind diesem Verklarungsbeteiligten - ohne richterliches Ermessen 37 - die Verklarungskosten ganz oder teilweise aufzuerlegen. 38 5.

Verklarungskosten in der großen Haverei

19 Da die Verklarung nicht nur den Schiffsunfall hinsichtlich Verursachungs- und Verschuldenselemente, sondern auch hinsichtlich des „Umfangs des eingetretenen Schadens und der zur Abwendung oder Verringerung derselben angewandten Mittel" (§11 Abs 1) aufklären soll, zählen die Verklarungskosten zu den „Kosten für die Ermittlung der Schäden" (§ 84) und sind demnach als große Haverei zu vergüten, also entsprechend der Gefahrengemeinschaft von Schiff und Ladung von diesen gemeinsam zu tragen (§ 84 Rn 5).

$ 15

[Gesetzliche Vertretungsmacht des Schiffsführers]

(1) Befindet sich das Schiff weder am Heimatort, noch an einem Orte, an welchem der Schiffseigner eine Geschäftsniederlassung hat, so ist der Schiffer Dritten gegenüber kraft seiner Anstellung befugt, die Frachtforderungen einzuziehen, sowie für den Schiffseigner alle Geschäfte und Rechtshandlungen vorzunehmen, welche die Ausführung der Reise erforderlich macht.

31 32 33 34 35 36 37 38

$ 13a Abs 1 S 1FGG: „kann", Keidel/Kuntze/Winkler FGG$ 13a Rn 19,20. Keidel/Kun tze/Winkler FGG § 13 a Rn 24. AG Kitzingen Beschl ν 4. 9.1998 (Az UR II 26/94). Keidel/Kuntze/Winkler FGG § 13a mwN Rn 23. Keidel/Kuntze/Winkler ebd. Keidel/Kuntze/Winkler ~FGG $ 13a mwN Rn 25. $ 13a Abs 1 S 2 FGG: „sind"; Keidel/Kuntze/WinklerFGG $ 13a Rn 2S. Keidel/Kuntze/Winkler ebd.

186

Zweiter Abschnitt. Schiffer

SS 15-19 BinSchG

(2) Zur Eingehung von Wechselverbindlichkeiten, zur Veräußerung oder Verpfändung des Schiffes und zum Abschlüsse von Frachtverträgen ist der Schiffer nur aufgrund einer ihn hierzu ermächtigenden Vollmacht des Schiffseigners berechtigt.

$16

[Rechtsgeschäftliche Vertretungsmacht des Schiffsführers] (1) Rechtsgeschäfte, welche der Schiffer eingeht, während das Schiff sich an einem der in S 15 Abs. 1 bezeichneten Orte befindet, sind für den Schiffseigner nur dann verbindlich, wenn der Schiffer aufgrund einer Vollmacht gehandelt hat, oder wenn ein anderer besonderer Verpflichtungsgrund vorhanden ist. (2) Zur Ausstellung von Ladescheinen ist der Schiffer ohne Unterschied des Ortes befugt.

$17

[Beschränkung der gesetzlichen Vertretungsmacht des Schiffsführers im Außenverhältnis] Der Schiffseigner, welcher die gesetzlichen Befugnisse des Schiffers beschränkt hat, kann einem Dritten die Nichteinhaltung dieser Beschränkungen nur dann entgegensetzen, wenn er beweist, daß sie dem Dritten bekannt waren.

$18

[Bevollmächtigung des Schiffsführers im Innenverhältnis] Dem Schiffseigner gegenüber sind für den Umfang der Befugnisse des Schiffers die Bestimmungen der SS 15 und 16 ebenfalls maßgebend, soweit nicht der Schiffseigner diese Befugnisse beschränkt hat.

187

BinSchG SS 1 5 - 1 9

Vertretungsmacht des Schiffsführers

$19

[Haftung aus Geschäften mit gesetzlicher Vertretungsmacht] (1) Durch ein Rechtsgeschäft, welches der Schiffer in seiner Eigenschaft als Führer des Schiffes, sei es mit, sei es ohne Bezeichnung des Schiffseigners innerhalb seiner gesetzlichen Befugnisse geschlossen hat, wird der Schiffseigner dem Dritten gegenüber berechtigt und die Haftung des Schiffseigners begründet. (2) Der Schiffer selbst wird dem Dritten durch das Rechtsgeschäft nicht verpflichtet, es sei denn, daß er dessen Erfüllung gewährleistet oder seine Befugnisse überschritten hat.

Übersicht Rn 1. Allgemeines 2. Gesetzessystematik

15-19

1 2

3. Gesetzliche Vertretungsmacht des Schiffsführers ($ 15) a) Beginn und Ende

3

b) Inhalt 4. Rechtsgeschäftliche Vertretungsmacht des Schiffsführers ($16)

4 5

5. Beschränkung der Vertretungsmacht ($$ 17,18) a) Örtliche Beschränkung b) Sachliche Beschränkung c) Wirkungen 6. Haftung von Schiffseigner und Schiffsführer ($ 19) a) Schiffseignerhaftung b) Schiffsführerhaftung

1.

6 7 8-9 10 11

Allgemeines

1 Die SS 15-19 regeln Inhalt und Grenzen der gesetzlichen sowie der rechtsgeschäftlichen Vertretungsmacht des Schiffsführers, im fremden oder eigenen Namen mit unmittelbarer Wirkung für und gegen den Schiffseigner Geschäfte und Rechtshandlungen vorzunehmen, die im Zusammenhang mit der Verwendung des Schiffes stehen. Als Korrelat der Verpflichtung des Schiffsführers, für Schiff und Ladung zu sorgen (SS 7, 10), soll einerseits der Schiffsführer zu all denjenigen Rechtsgeschäften sowie tatsächlichen Handlungen berechtigt sein, um auf diese Weise den Schiffsbetrieb zu gewährleisten. Andererseits soll der Geschäftsgegner, der häufig den Umfang der Vertretungsmacht des Schiffsführers nicht überprüfen kann, dadurch geschützt werden, daß bezüglich eines wesentlichen Katalogs der Binnenschiffahrtsgeschäfte eine wirksame Vertretungsmacht des Schiffsführers gesetzlich unterstellt 188

Zweiter Abschnitt. Schiffer

SS 1 5 - 1 9 BinSchG

wird. Aufgrund der fortgeschrittenen Kommunikationstechnik nicht nur zwischen Schiff und Reederei, sondern vor allem auch zwischen Reederei und deren Geschäftspartnern (Absender, Empfänger, Hafenbetriebe, Bunkerbetriebe, etc) haben die Vorschriften über die Vertretungsmacht des Schiffsführers weitgehend ihre frühere Bedeutung eingebüßt. 2.

Gesetzessystematik SS 1 5 - 1 9

§ 1 5 Abs 1 enthält die Generalklausel der gesetzlichen Vertretungsmacht des Schiffs- 2 führers. Durch § 15 Abs 2 wird die gesetzliche Vertretungsbefugnis eingeschränkt. § 16 Abs 2 stellt klar, daß die Ausstellung von Ladescheinen zum Umfang der gesetzlichen Vertretungsbefugnis gem § 15 Abs 1 gehört. § 16 Abs 1 regelt die rechtsgeschäftliche Vertretungsmacht des Schiffsführers und stellt lex specialis zu §§ 164ff BGB dar. § 17 statuiert, daß Beschränkungen der gesetzlichen Vertretungsmacht im Außenverhältnis nur Wirkung entfalten, wenn der Dritte von diesen Beschränkungen Kenntnis hatte. § 18 enthält die Regel, daß, soweit arbeitsvertraglich nichts Abweichendes vereinbart wurde, für das Innenverhältnis Schiffsführer - Schiffseigner die Vertretungsbefugnisse des Schiffsführers als rechtens gelten, die gesetzlich (§15 Abs 2) oder vertraglich (§ 16 Abs 1) für das Außenverhältnis zu Dritten gelten. In § 19 Abs 1 wird der Grundsatz der Haftung des Schiffseigners für vom Schiffsführer abgeschlossene Rechtsgeschäfte, in § 19 Abs 2 die Ausnahme der Haftung des Schiffsführers für solche Geschäfte geregelt. Schließlich ist zu berücksichtigen, daß sämtliche Vertretungsvorschriften der §§ 15-19 im Orts- und Hafenverkehr keine Anwendung finden (§131 Abs 1).

3.

Gesetzliche Vertretungsmacht (SS 1 5 , 1 6 Abs 2)

a)

Beginn und Ende

Die Vertretungsmacht des Schiffsführers beginnt mit der Einsetzung/Bestellung als 3 Führer des Schiffes (§ 7); diese muß nicht zwangsläufig mit der arbeitsvertraglichen „Anstellung" (§ 15 Abs 1) zusammenfallen. Maßgeblicher Zeitpunkt für den Beginn der Vertretungsmacht ist somit die tatsächliche Übernahme der nautischen Verantwortung für das Schiff. Umgekehrt endet die Vertretungsmacht mit dem Verlust des Schiffes, insbesondere dem Untergang, nicht unbedingt, da der Schiffsführer auch dann noch kraft seiner umfassenden Sorgfaltspflichten für Schiff und Ladung zu Maßnahmen zur Rettung der Ladung, zur Hebung des Schiffes oder aber zur Einleitung gerichtlicher Maßnahmen zur Beweissicherung im Rahmen eines Verklarungsverfahrens (§ 11) verpflichtet sein kann. 1 In jedem Fall endet die Vertretungsbefugnis jedoch mit der Enthebung vom Dienst (§ 20 Abs 6).

1

RGZ 165, 166, 169.

189

BinSchG SS 1 5 - 1 9 b)

Vertretungsmacht des Schiffsführers

Inhalt

4 Die gesetzliche Vertretungsbefugnis umfaßt grundsätzlich alle Geschäfte und Rechtshandlungen, die im Zuge einer Binnenschiffsreise notwendig werden können. Als (überholtes) Beispiel nennt das Gesetz in § 15 Abs 1 die Einziehung der Frachtforderungen, die indes heute in der Regel unbar in laufender Rechnung erfolgt und schon aus diesem Grund nicht (mehr) zu den Schiffsführeraufgaben zählt. Von Relevanz ist dagegen unverändert die gesetzliche Vertretungsbefugnis des Schiffsführers zur Ausstellung des Ladescheins (§16 Abs 2), die freilich durch Vereinbarung eingeschränkt werden kann. 2 Andererseits kann ein Ladungsbeteiligter als Vertragspartner des Schiffseigners die etwa fehlende Vertretungsmacht bei Zeichnung des Ladescheins durch den Schiffsführer nachträglich schlüssig genehmigen (§§ 177 Abs 2, 184 Abs 1 BGB).3 Neben diesen beiden explizit genannten Beispielen bezieht sich die Vertretungsbefugnis des Schiffsführers auf „objektiv unerläßlich notwendige Handlungen," 4 zu denen die Rspr ua gezählt hat: Beauftragung dringender, für die Fahrtüchtigkeit des Schiffes erforderlicher Reparaturen5, Besorgung neuen Schiffszubehörs (hier: Ersatz für gebrochene Koppeldrähte),6 Abschluß eines Hilfeleistungsvertrages7 bzw eines Bergungsvertrages (§ 750 Abs 1 HGB).8 4.

Rechtsgeschäftliche Vertretungsmacht (S 16 Abs 1)

5 Die aufgrund einer vom Schiffseigner ausdrücklich erteilten Vollmacht durch den Schiffsführer getätigten Geschäfte sind für den Schiffseigner auch dann verbindlich, wenn diese Geschäfte/Maßnahmen/Vertragsinhalte jenseits des Regelzuständigkeitskatalogs der SS 15, 16 Abs 2 lagen. In Zweifelsfällen geht die rechtsgeschäftlich (S 164 Abs 2 BGB) erteilte Vertretungsbefugnis der gesetzlichen Vertretungsmacht vor.9 Die rechtsgeschäftliche Vertretungsbefugnis kann sich im Einzelfall auch aufgrund einer Duldungsvollmacht ergeben.10 5.

Beschränkung der Vertretungsmacht (SS 1 7 , 1 8 )

a)

Örtliche Beschränkung

6 Die gesetzliche Vertretungsbefugnis des Schiffsführers gilt nicht, sofern sich das Schiff (noch) an seinem Heimatort (§ 6) bzw an dem Geschäftssitz des Schiffseigners 2 3 4 5 6 7 8 9 10

RGZ 170, 233. RGZ 170, 233, 236. OLG Hamburg Urtv 6. 1. 1911 AzBf.236/1910. RG JW 1914, 92 Nr 22. OLG Karlsruhe VersR 1997, 516. OLG Hamburg HansGZ Hauptbl 1901, Nr 103. RGZ 70,277. OLG Köln ZfB 2000, SaS 1787. OLG Köln ZfB 2000, SaS 1787.

190

Zweiter Abschnitt. Schiffer

SS 1 5 - 1 9 BinSchG

(SS 17, 21 ZPO) befindet (§ 15 Abs 1). Als Ausnahme hiervon statuiert das Gesetz die „ohne Unterschied des Ortes," also überall, geltende gesetzliche Befugnisse des Schiffsführers, den Ladeschein (§ 444 HGB) auszustellen (§16 Abs 2). Hintergrund der örtlichen Einschränkung der Vollmacht ist die Überlegung des Gesetzgebers, daß der Schiffseigner am Heimatort des Schiffes, der regelmäßig mit dem Geschäftssitz des Schiffseigners zusammenfällt (S 6 Abs 2), seine Geschäfte unmittelbar führen kann und soll. Für das Wirksamwerden der gesetzlichen Vertretungsbefugnis kommt es darauf an, daß das Schiff die beiden genannten Orte verlassen hat; nicht ausreichend ist der Umstand, daß der Schiffseigner im Einzelfall tatsächlich nicht anwesend ist. Umgekehrt wird jedenfalls die gesetzliche Vertretungsbefugnis des Schiffsführers jenseits dieser Orte nicht dadurch eingeschränkt, daß sich der Schiffseigner an Bord befindet. 11 b)

Sachliche Beschränkung

Die gesetzliche Vertretungsmacht des Schiffsführers wird im Hinblick auf folgende 7 Geschäfte ausdrücklich eingeschränkt: Eingehung von Wechselverbindlichkeiten, Veräußerung oder Verpfändung des Schiffes sowie der Abschluß von Frachtverträgen (S 15 Abs 2). Ebenso wenig ist der Schiffsführer nach der Rechtsprechung befugt, einen Frachtvertrag abzuändern. 12 Ob der Schiffsführer eines Fahrgastschiffes gesetzlich befugt ist, Geschäfte zur Verproviantierung abzuschließen, hat das OLG Köln offen gelassen, 13 wird aber - j edenfalls bei einem größeren Umfang solcher Geschäfte abzulehnen sein. c)

Wirkungen

Im Außenverhältnis zu Dritten gilt gem SS 1 5 , 1 6 aus Gründen des Verkehrsschut- 8 zes die Vermutung, daß die gesetzliche Vertretungsmacht des Schiffsführers nicht eingeschränkt ist. Soweit der Schiffseigner daher diese gesetzliche Befugnis seines Schiffsführers im Innenverhältnis einschränkt, hat dies im Außenverhältnis zu Dritten nur unter der Voraussetzung Wirkung, daß dem Dritten diese Einschränkung bekannt war (§ 17). Für diese Kenntnis des Dritten ist der Schiffseigner beweisbelastet (S 17, letzter Halbs). Auf die Art und Weise der Kenntniserlangung kommt es nicht an; eine entsprechende Hinweisklausel in Konnossementsbedingungen ist ausreichend. Im Einzelfall kann auch bei fehlender Einschränkung der Vertretungsmacht der Arglisteinwand des Schiffseigners gegen den Dritten gegeben sein (§ 242 BGB), wenn dieser mit dem Schiffsführer ein Geschäft schließt, von dem er positiv

11 12 13

AA OLG Hamburg HansGZ Hauptbl 1909, Nr 19. RGZ 3 6 , 1 , 3. ZfB 2000, SaS 1787.

191

BinSchG SS 1 5 - 1 9 weiß, daß dieses Geschäft den Absichten und Interessen des Schiffseigners zuwiderläuft. 14 9 Im Innenverhältnis zwischen Schiffseigner und Schiffsführer gilt nach § 18 der Umfang der Vertretungsbefugnis des Schiffsführers als maßgebend, der auch für das Außenverhältnis bei gesetzlicher (§§15, 16 Abs 2) bzw rechtsgeschäftlicher (§16 Abs 1) Vertretungsbefugnis ausschlaggebend ist. 6.

Haftung von Schiffseigner und Schiffsführer ($ 19)

a)

Schiffseignerhaftung

10 Soweit der Schiffsführer iRd gesetzlichen Vertretungsmacht (§§ 9 , 1 5 , 1 6 Abs 2) handelt, wird der Schiffseigner hieraus unmittelbar berechtigt und verpflichtet (§19 Abs 1). Wird der Schiffsführer auf der Basis einer Vollmacht des Schiffseigners, also einer rechtsgeschäftlichen Vertretungsbefugnis, tätig, folgt dasselbe aus §§ 16 Abs 1 BinSchG, 164ff BGB. Im Gegensatz zur Rechtslage vor 1998 (vgl § 4 Abs 1 Nr 1 und 2 BinSchG aF) haftet der Schiffseigner für vom Schiffsführer wirksam abgeschlossene Geschäfte unbeschränkt persönlich; eine summenmäßige Beschränkung der Haftung kommt nicht in Betracht (§ 4 Rn 16). Daneben gewähren Ansprüche aus Rechtsgeschäften, die der Schiffsführer gem §§ 1 5 , 1 6 wirksam für den Schiffseigner abgeschlossen hat, ein Schiffsgläubigerrecht gem § 102 Nr 5 (§ 102 Rn 16). b)

Schiffsführerhaftung

11 Überschreitet der Schiffsführer seine gesetzliche oder rechtsgeschäftliche Vertretungsmacht oder fehlt eine Befugnis, den Schiffseigner bei einem bestimmten Rechtsgeschäft zu vertreten, ganz, wird die persönliche Haftung des Schiffsführers gegenüber dem Dritten begründet (§§ 19 Abs 2 BinSchG, 179 BGB), es sei denn, der Schiffseigner genehmigt nachträglich das Geschäft (§ 177 Abs 1 BGB). Diese Genehmigung kann durch eine Erfüllung des Geschäfts konkludent erteilt werden. Das Überschreiten der gesetzlichen oder rechtsgeschäftlichen Vertretungsbefugnis macht den Schiffsführer im Innenverhältnis zu dem Schiffseigner ggf schadensersatzpflichtig (§§ 7 Abs 2 BinSchG, 280, 823ff BGB). Soweit der Schiffsführer gesetzlich vertretungsbefugt ist (§§ 15, 16 Abs 2) oder vollmachtskonform handelt (§ 16 Abs 1), kommen, sofern im Innenverhältnis nichts Anderweitiges vereinbart wurde, (Rückgriffs-)Ansprüche des Schiffseigners nicht in Betracht (§ 18).

14

RGZ 15, 206.

192

Zweiter Abschnitt. Schiffer

§20

BinSchG

$ 2 0

[Rechte und Pflichten des Schiffsführers]

(1) Der Schiffer untersteht, soweit nicht in diesem Gesetz ein anderes bestimmt ist, den Vorschriften, welche für die technischen Angestellten im Sinne der Gewerbeordnung gelten. (2) (aufgehoben) (3) (aufgehoben) (4) Hat der Schiffer eine Reise angetreten, so ist er verpflichtet, bis zur Beendigung der Reise und zur Entlöschung des Schiffes im Dienste zu bleiben, es sei denn, daß ein den sofortigen Austritt rechtfertigender Grund vorhanden ist. (5) Wird das Dienstverhältnis vor der Ankunft des Schiffes am Bestimmungsorte während der Reise aufgehoben, so hat der Schiffer Anspruch auf die Kosten der Rückreise nach dem Orte, an welchem er in Dienst getreten ist. Diese Bestimmung findet keine Anwendung, wenn der Schiffer sich einer Handlung schuldig gemacht hat, welche geeignet ist, seine sofortige Entlassung zu rechtfertigen. (6) Ist ein die sofortige Entlassung rechtfertigender Grund vorhanden, so kann der Schiffer zwar jederzeit seines Dienstes enthoben werden, jedoch unbeschadet seiner Entschädigungsansprüche für die Zeit bis zum Ende der vertragsmäßigen Dauer des Dienstverhältnisses oder bis zum Ablaufe der Kündigungsfrist. Übersicht

Rn

1. Allgemeines 2. Geltung der Gewerbeordnung

1-2

3. Ordentliche Kündigung . . . 4. Außerordentliche Kündigung

4-5 6-7

3

1. Allgemeines § 20 regelt einzelne Rechte und Pflichten des Schiffsführers, insbesondere im Zusammenhang mit der Beendigung seines Beschäftigungsverhältnisses. Die Vorschrift ist überwiegend veraltet, da sie die arbeitsrechtlich relevanten Vorgänge an Bord eines Binnenschiffes nur rudimentär erfaß. Arbeitsgesetze des Inlands (§§ 61 I f f BGB, §§ Iff, 24 KSchG, §§ I f f AÜG) sowie des Auslands, Einzelarbeitsverträge, Tarifverträge sowie sich ständig ändernde Schiffahrtsbräuche, 1 insbesondere in der modernen Tank- und Containerschiffahrt, haben den Anwendungsbereich der Vorschrift 1

Handelsbräuche 2005,26ff.

193

1

BinSchG § 2 0

Rechte und Pflichten des Schiffsführers

über das Dienstverhältnis des Schiffsführers weitgehend überlagert. Die praktische Relevanz von § 20 war und ist daher gering, was nicht zuletzt dadurch belegt wird, daß sich Rspr zu diesen gesetzlichen Regelungen, trotz einer über 100jährigen Geltung nicht herausgebildet hat (s auch §§ 21-25 Rn 1). 2 Die Regelungen über das Dienstverhältnis des Schiffsführers in § 20 Abs 4 bis Abs 6 finden sich weitgehend wieder bei den Vorschriften betreffend die Schiffsmannschaft in § 25 Abs 2 bis 4. 2.

Geltung der Gewerbeordnung (§ 20 Abs 1)

3 Nachdem die früheren Kündigungsvorschriften der §§ 33a bis 33d GewO weggefallen sind, bezieht sich der Verweis in § 20 Abs 1 nunmehr auf §§ 105 bis 110 GewO, die zur Vertragsfreiheit im Arbeitsrecht (§ 105 GewO), zum Weisungsrecht des Arbeitgebers (§ 106 GewO), zur Abrechnung des Lohns (§§ 107,108 GewO), zum Zeugnisanspruch (§ 109 GewO) sowie zum nach vertraglichen Wettbewerbs verbot des Arbeitnehmers (§110 GewO) allgemeine Vorschriften enthalten, die regelmäßig durch Spezialgesetze bzw Einzelverträge verdrängt wurden. An der gewerberechtlichen Anzeigepflicht des Binnenschiffahrtsgeschäfts (§ 14 GewO) hat sich ebensowenig etwas geändert wie an der Gewerbesteuerpflicht (§ 2 S 2 GewStG; vgl § 6 Rn 1, 6,10). 3.

Ordentliche Kündigung

4 Soweit nicht, was in der heute von der Partikulierschiffahrt geprägten Binnenschifffahrtsrealität die Ausnahme ist, eine tarifvertragliche Regelung vorgeht (dann gem § 52 Rahmentarifvertrag für die Binnenschiffahrt, gültig seit 1. 7.1999: beiderseitige Kündigungsfrist für Schiffsführer und Maschinisten: sechs Wochen zum Schluß eines Kalendervierteljahres, für die übrigen Besatzungsmitglieder: zwei Wochen auf das Monatsende, Fristverlängerungen bei langjährigen Beschäftigungsverhältnissen), gelten die allgemeinen Vorschriften der §§ 620, 622 BGB: vier Wochen Kündigungsfrist bis zum 15. oder zum Ende eines Kalendermonats (§ 622 Abs 1 BGB), wobei bei längeren Beschäftigungsverhältnisses sich diese Frist nach Maßgabe von § 622 Abs 2 BGB auf bis zu sieben Monate zum Ende eines Kalendermonats verlängern kann. Die Kündigung ist schriftlich auszusprechen, wobei ein elektronisches Schriftstück in Abweichung von § 126a BGB nicht ausreicht (§ 623 BGB). Unbeschadet der Kündigung bleibt der Schiffsführer verpflichtet, die Reise zu beenden und die Löschung des Schiffes zu gewährleisten (§ 20 Abs 4). 5 Für die Kündigungsschutzklage zu beachten ist, daß sich die Drei-Wochen-Frist des § 4 KSchG bei laufender Reise auf bis zu sechs Wochen nach Zugang der Kündigung erstrecken kann (§ 24 Abs 3 KSchG). Vor dem Hintergrund der besonders hohen Verantwortung des Schiffsführers für Schiff und Ladung regelt § 20 Abs 6, daß der Schiffseigner den Schiffsführer auch bei ordentlicher Kündigung mit sofortiger Wir-

194

Zweiter Abschnitt. Schiffer

§ 2 0 BinSchG

kung von der Arbeit freistellen kann, wobei der Lohnanspruch des Schiffsführers bis zum Ende der Kündigungsfrist unberührt bleibt. Weiter steht dem Schiffsführer ein Anspruch auf Kosten der Rückreise zu dem Ausgangsort der Reise zu, sofern das Arbeitsverhältnis ordentlich vor Erreichen des Bestimmungsortes endet (§ 20 Abs 5). Zu berücksichtigen ist, daß der Aufwendungsersatzanspruch des Schiffsführers gegen den Schiffseigner nicht nach § 117 verjährt.2 4.

Außerordentliche Kündigung

Es gilt die allgemeine Regel des § 626 BGB, wonach aus wichtigem Grund jederzeit, 6 also ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist, gekündigt werden kann, „wenn Tatsachen vorliegen, aufgrund derer dem Kündigenden unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile die Fortsetzung des Dienstverhältnisses bis zum Ablauf der Kündigungsfrist oder bis zu der vereinbarten Beendigung des Dienstverhältnisses nicht zugemutet werden kann" ($ 626 Abs 1 BGB). Einen „die sofortige Entlassung rechtfertigenden Grund" (§ 20 Abs 6) wird man annehmen müssen, wenn der Schiffsführer seine Pflichten aus §§ 7 - 1 9 sowie seine sonstigen allgemeinen arbeitsvertraglichen Nebenpflichten erheblich verletzt, etwa bei beharrlicher Verweigerung des Dienstantrittes an Bord3, bei grob fahrlässiger Havarieverursachung, bei hartnäckigem Ignorieren berechtigter Weisungen des Schiffseigners (§ 7),4 bei groben Verstößen gegen die Organisationspflicht an Bord,5 bei einer Trunkenheitsfahrt 6 oder bei sonstigen Straftaten im Zusammenhang mit dem Arbeitsverhältnis7, etwa dem nächtlichen Aufbrechen anvertrauter Container einschließlich Diebstahls der darin transportierten Ware.8 Das schützenswerte Interesse des Arbeitgebers als Reeder, seinen Schiffsbetrieb zu organisieren und dazu pünktlich an Bord erscheinendes und zuverlässiges Personal einzusetzen, macht indes eine vorausgegangene Abmahnung vor Kündigungsausspruch nicht entbehrlich. 9 Im Falle der außerordentlichen Kündigung entfallen die Ansprüche des Schiffsfüh- 7 rers auf die Kosten der Rückreise (§ 20 Abs 5 S 2) bzw über den Zeitpunkt der außerordentlichen Kündigung hinausgehende Lohnansprüche (§ 20 Abs 6 letzter Halbs). 2 3 4 5 6

7 8 9

OLG Düsseldorf VersR 2003, 397. LAG Baden-Württemberg Urt ν 27. 3. 2007 (Az 14 Sa 99/06); zur Parallelproblematik bei hartnäckiger Arbeitsverweigerung eines Busfahrers s ArbG Frankfurt aM Urt ν 24. 7.2006 (Az 1 Ca 2101/06). OLG Köln ZfB 2006 Heft Nr 4, 53. BGH NJW 2006, 1271. NachneuererRsprgelteninsoweitfürdenSchiffsverkehrkeineBesonderheitengegenüberdemKfz-Bereich, so daß absolute Fahruntüchtigkeit vorliegt bei 1,1 Promille (OLG Brandenburg NStZ-RR 2002, 222); die ältere Rspr des OLG Köln (ZfB 1990, SaS 1280:1,7 Promille bei Binnenschiffen) wird den erheblichen Anforderungen an einen Schiffsführer in puncto Wahrnehmungs- und Reaktionsfähigkeit nicht (mehr) gerecht. Vgl BAG NZA 2004, 919. ArbG Mannheim - Kammern Heidelberg - Urt ν 28. 4.19S9 (Az 10 Ca 245/88 H). LAG Baden-Württemberg Urt v. 27. 3. 2007 (Az 14 Sa 99/06).

195

BinSchG

§20

Rechte und Pflichten des Schiffsführers

Umgekehrt entfällt in diesem Fall die Pflicht des Schiffsführers, die Reise zu beenden und die Löschung abzuschließen (§ 20 Abs 4 letzter Halbs). Es ist aber auch der Schiffsführer seinerseits berechtigt, außerordentlich zu kündigen, insbesondere bei ständigem Verzug des Schiffseigners mit der Bezahlung des Lohns. 10

10 Vgl BAG NJW 2002, 593 mwN.

196

Dritter Abschnitt Schiffsmannschaft $21

[Begriff der Schiffsmannschaft]

(1) Zur Schiffsmannschaft gehören mit Ausnahme des Schiffers die zum Schifffahrtsdienste auf dem Schiffe angestellten Personen der Schiffsbesatzung, insbesondere die Steuerleute, Bootsleute, Matrosen, Schiffsknechte, Schiffsjungen, Maschinisten und Heizer. (2) Die Schiffsmannschaft untersteht der Gewerbeordnung.

$22

[Dienstantritt]

Die Verpflichtung des Schiffmannes zum Dienstantritt beginnt, wenn nichts anderes verabredet ist, mit dem Abschlüsse des Dienstvertrages. Tritt der Schiffsmann den Dienst nicht binnen vierundzwanzig Stunden an, so braucht er nicht mehr angenommen zu werden. Der Anspruch des Schiffseigners auf Schadensersatz wird hierdurch nicht berührt.

$23

[Dienstpflichten]

(1) Der Schiffsmann ist verpflichtet, in Ansehung des Schiffsdienstes den Anordnungen des Schiffers Folge zu leisten und jederzeit alle für Schiff und Ladung ihm übertragenen Arbeiten zu verrichten. (2) Er darf das Schiff ohne Erlaubnis des Schiffers nicht verlassen. (3) Verunglückt das Schiff, so hat der Schiffsmann für Rettung der Personen und ihres Gepäcks sowie für Sicherstellung der Schiffsteile, der Gerätschaften und der Ladung den Anordnungen des Schiffers gemäß nach besten Kräften zu sorgen. 197

BinSchG SS 21-25

Rechte und Pflichten der Schiffsmannschaft

$24

[Lohnzahlungszeit] Wenn über die Zeit der Lohnzahlung nichts anderes vereinbart ist, so kann der Schiffsmann am Schlüsse jeder zweiten Woche die Auszahlung des verdienten Lohnes verlangen.

$25

[Dienstbeendigung] (1)

(aufgehoben)

(2) Nach Antritt der Reise ist der Schiffsmann verpflichtet, bis zur Beendigung der Reise und zur Entlöschung des Schiffes im Dienste zu bleiben, es sei denn, daß ein den sofortigen Austritt rechtfertigender Grund vorhanden ist. (3) Wird das Dienstverhältnis vor der Ankunft des Schiffes am Bestimmungsorte während der Reise aufgehoben, so hat der Schiffsmann Anspruch auf die Kosten der Rückreise nach dem Orte, an welchem er in Dienst getreten ist. Diese Bestimmung findet keine Anwendung, wenn der Schiffsmann sich einer Handlung schuldig gemacht hat, welche geeignet ist, seine sofortige Entlassung zu rechtfertigen. (4) Ist ein die sofortige Entlassung rechtfertigender Grund nicht vorhanden, so kann der Schiffsmann zwar jederzeit seines Dienstes enthoben werden, jedoch unbeschadet seiner Entschädigungsansprüche für die Zeit bis zum Ende der vertragsgemäßen Dauer des Dienstverhältnisses oder bis zum Ablaufe der Kündigungsfrist.

Übersicht Rn 1. Allgemeines 2. Gesetzessystematik 3. Begriff der Schiffsmannschaft ($21) 4. Dienstantritt ($22) 5. Dienstpflichten ($23) 6. Haftung 7. Lohnzahlung ($24) 8. Dienstbeendigung ($ 25)

198

1 2 3-6 7 8-10

11-13 14-16 17

Dritter Abschnitt. Schiffsmannschaft

1.

SS 2 1 - 2 5 BinSchG

Allgemeines

Die §§ 21-25 befassen sich mit den Rechten und Pflichten der Schiffsmannschaft. Die 1 zT veralteten Vorschriften erfassen die arbeitsrechtlich relevanten Vorgänge an Bord eines Binnenschiffes nur rudimentär. Arbeitsgesetze des Inlands (SS 611ff BGB, §S Iff, 24 KSchG, S§ Iff AÜG) sowie des Auslands, Einzelarbeitsverträge, Tarifverträge sowie sich stetig ändernder Schiffahrtsbräuche1 insbesondere in der modernen Tank- und Containerschiffahrt, haben den Anwendungsbereich der Vorschrift über das Dienstverhältnis des Schiffsmannes weitgehend überlagert. Die praktische Relevanz von §§ 21-25 war und ist daher gering, was nicht zuletzt dadurch belegt wird, daß sich Rspr zu diesen gesetzlichen Regelungen trotz einer über 100jährigen Geltung nicht herausgebildet hat (s auch S 20 Rn 1). 2.

Gesetzessystematik (SS 2 1 - 2 5 )

§ 21 Abs 1 definiert den Begriff der Schiffsmannschaft. § 21 Abs 2 verweist auf die 2 Gewerbeordnung. § 22 regelt den Beginn, S 25 das Ende der Tätigkeit eines Schiffsmanns an Bord. S 23 statuiert einzelne Pflichten des Schiffsmanns, § 24 legt den Fälligkeitszeitpunkt des Lohnes fest. §25 Abs 2 - 4 decken sich weitgehend mit den analogen Regelungen des Dienstverhältnisses des Schiffsführers in § 20 Abs 5-6. 3.

Begriff der Schiffsmannschaft (S 21)

Die Schiffsmannschaft, nicht zu verwechseln mit dem Oberbegriff Schiffsbesat- 3 zung, zu der neben der Schiffsmannschaft noch der Schiffsführer sowie alle übrigen auf dem Schiff angestellten Personen zählen (S 3 Abs 2), umfaßt alle „zum Schiffsdienste auf dem Schiffe angestellten Personen" (§ 21 Abs 1; im folgenden: Schiffsmann). Wie die in § 21 Abs 1 letzter Halbs genannten Beispiele zeigen, ist der Begriff „Schiffsdienst" ieS dahingehend auszulegen, daß die Schiffsmannschaft den nautischen Betrieb des Schiffes gewährleisten soll. Zur Schiffsmannschaft zählen somit die Personen, „die als Arbeitnehmer kraft eines auf eine gewisse Dauer berechneten Dienstverhältnisses in den arbeitsteiligen Organismus der Schiffsdienste und der Bordgemeinschaft eingegliedert sind." 2 Gastronomisches bzw Hotelpersonal an Bord eines Fahrgastschiffes (Köche, Küchenpersonal, Stewarts, Kellner, Raumpflegeund Verkaufspersonal) gehört daher ebensowenig zur Schiffsmannschaft wie dort anwesende Reiseleiter, Musiker, Animateure, usw. Familienangehörige oder Gäste an Bord zählen jedenfalls dann nicht zur Schiffsmannschaft, wenn sie nicht als Besatzungsmitglieder im Bordbuch (S 23.08 RheinSchUO) geführt werden.

1 2

Handelsbräuche 2005, 2Sff. BGHZ 3, 34, 39.

199

BinSchG SS 2 1 - 2 5

Rechte und Pflichten der Schiffsmannschaft

4 Die in § 21 Abs 1 letzter Halbs genannten Beispiele sind zum Teil veraltet, zum Teil unpräzise und vor allem unvollständig: „Schiffsknechte" und Heizer gibt es nicht mehr. Mit „Steuerleute" und „Bootsleute" sind gemeint „Steuermann" und „Bootsmann" iSv § 23.02 RheinSchUO. Für „Schiffsjunge" gilt heute der Hauptbegriff „Leichtmatrose" (§ 23.02 Ziff 2.2 RheinSchUO). Nicht genannt sind als weitere Mitglieder der Schiffsmannschaft: „Decksmann" und „Matrosen-Motorenwart" (§ 23.02 Ziff 2.1 und 2.4 RheinSchUO). Soweit die Präsenz einer nach den gesetzlichen Vorschriften erforderlichen Bemannung/Schiffsmannschaft - auch für kurze Zeit - nicht gewährleistet werden kann, ist der Antritt bzw die Fortsetzung der Reise rechtswidrig.3 5 Der Vertragslotse zählt als Berater des Schiffsführers4 nicht zur Schiffsmannschaft (arg § 3 Abs 1); sofern er aber als Streckenlotse5 den für eine bestimmte Strecke nicht patentierten Schiffsführer vertritt, gilt er selbst als verantwortlicher Schiffsführer6 und damit als Teil der Schiffsbesatzung iSv § 3 Abs 2. Unabhängig von der konkreten Rolle an Bord haften Lotsen dem Schiffseigner eines Binnenschiffes oder sonstigen Auftraggebern in jedem Fall analog § 21 Abs 3 SeelotsG nur für Vorsatz oder grobe Fahrlässigkeit.7 6 Zur (verbliebenen) Geltung der Gewerbeordnung (§ 1 Abs 2) vgl § 20 Rn 3. 4.

Dienstantritt (S 22)

7 Der Beginn des Dienstes eines Schiffmanns (§ 22 Abs 1) sowie der Dienstort richten sich nach den vertraglichen Vereinbarungen. Mangels anderweitiger Regelungen ist Erfüllungsort für die Leistung des Schiffsmannes der jeweilige Aufenthaltsort des Schiffes.8 Im Gegensatz zur Kündigung (§ 623 BGB) ist für den Abschluß des Arbeitsvertrages eine (Schrift-)Form nicht erforderlich. Zum Dienstantritt ist als Nachweis der Befähigung das jeweilige Schifferdienstbuch (§ 23.04 RheinSchUO) vorzulegen. § 22 S 2, der am Leitbild des Anheuerns orientiert war und als lex specialis § 616 BGB verdrängte, ist überholt, da sich der Verzug mit dem Dienstantritt an der vertraglichen Vereinbarung, nicht an deren Abschlußdatum, orientiert. In jedem Fall besteht bei Verzug des Dienstantrittes keine Wartepflicht des Schiffsführers mit der Abfahrt des Schiffes. Unbeschadet hiervon haftet der Schiffsmann bei Verzug des Dienstantritts dem Schiffseigners auf Schadensersatz (§ 22 S 3). Außerdem besteht

3 4 5 6 7 8

ZKR ZfB 1989, SaS 1269. OLG Karlsruhe ZfB 199S, SaS 1563/1564; ZKR ZfB 1979, 237; vgl. auch $ 14 Nr 1 der Lotsenordnung für den Rhein zwischen Basel und Mannheim/Ludwigshafen. 15. S. 1956 - BGBl II 705; BGHZ 59, 242,246ff. Zur Seelotsenpflicht auf der Ems s OLG Oldenburg ZfB 1998, SaS 1677. OLG Nürnberg TranspR 1997, 349, 350 = VersR 199S, 391. BGH ZfB 1989, SaS 1256 = AP (Nr 3) zu $ 611 Lotse m Anm Bemm und Korioth (vgl weitere Hinweise bei Bemm/v. Waldstein RheinSchPV § 1.03 Rn 9,10). ArbG Würzburg Beschl ν 4 . 1 . 2006 (Az 3 Ca 1909/05 S).

200

Dritter Abschnitt. Schiffsmannschaft

SS 2 1 - 2 5 BinSchG

bei hartnäckiger Verweigerung des Dienstantrittes an Bord ein fristloser Kündigungsgrund (S 20 Rn 6 mwN). 5.

Dienstpflichten (S 23)

Der Inhalt der Arbeitsverpflichtung sowie das Maß der vom Schiffsmann zur for- 8 dernden Sorgfalt für Schiff und Ladung orientiert sind an der zugrundeliegenden vertraglichen Vereinbarung, bei Regelungslücken nach dem Schiffahrtsbrauch. 9 Der Pflichtenkreis für den Schiffsmann variiert nach Bauart und Größe des Schiffes, Art der Beladung, Reiseroute, Wetter- und Strömungsverhältnisse, etc, so daß das BinSchG - wie für die Seeschiffahrt: § 29 SeemG - von einem Katalog bestimmter Arbeiten abgesehen hat. In jedem Fall sind die Weisungen des Schiffsführers bzw eines vorgesetzten Mitglieds der Schiffsmannschaft zu befolgen. Gem S 23 Abs 2, 25 Abs 2 Halbs 1 und 2 besteht für den Schiffsmann eine Präsenz- 9 pflicht an Bord, nicht zuletzt um die gesetzlich notwendige Besatzung sicherzustellen (§3.01 RheinSchUO). Die Arbeitszeit richtet sich zum einen nach der gewählten Betriebsform für das Schiff (für den Rhein: Al = 14 Stunden, A2 = 18 Stunden, Β = 24 Stunden; vgl § 23.05 RheinSchUO), zum anderen nach den sich danach ergebenden Mindestruhezeiten gem § 23.06 RheinSchUO. Gegen Übermüdung und die damit verbundenen nautischen Gefahren sind rechtzeitig geeignete Maßnahmen zu ergreifen. 10 Im Havariefall hat der Schiffsmann nach Maßgabe der Anordnungen des Schiffsfüh- 10 rers für das Beste für Menschen, Schiff und Ladung zu sorgen (S 23 Abs 3); hierfür steht ihm im Verhältnis zum Schiffseigner weder eine gesonderte Entlohnung noch ein Anspruch auf Bergelohn zu (§ 740 HGB Rn 4; § 745 HGB Rn 3). Etwas anderes kann ausnahmsweise bei der Rettung von Menschenleben gelten (§ 749 HGB Rn 3). 6.

Haftung des Schiffsmanns

a)

Gegenüber Schiffseigner

Der angestellte Schiffsmann haftet dem Schiffseigner grundsätzlich für die schuld- 11 hafte Verletzung seiner Dienstobliegenheiten auf Schadensersatz (SS 276, 280 BGB). Soweit der Schiffsmann gem den Anweisungen des Schiffsführers gehandelt hat, wird man jedoch analog § 7 Abs 2 S 1 letzter Halbs einen Schadensersatzanspruch ablehnen müssen. Außerdem ist ein Rückgriff des Schiffseigners durch das Rechtsinstitut des innerbetrieblichen Schadensausgleichs erheblich eingeschränkt (zu den Einzelheiten s ο § 7 Rn 12,15).

9 10

Handelsbräuche 2005, 26ff. BGHTranspR.2007,36.

201

BinSchG SS 2 1 - 2 5 b)

Rechte und Pflichten der Schiffsmannschaft

Haftung des Schiffsmanns gegenüber Dritten

12 Der Schiffsmann haftet grundsätzlich gegenüber Havariegegner, Ladungsbeteiligten, etc. gem §§ 823ff BGB. Bei dem Regelfall einer betrieblich veranlaßten Tätigkeit steht dem Schiffsmann aber bei Inanspruchnahme durch Dritte ein Freistellungsanspruch gegen den Schiffseigner zu (zu den Einzelheiten s ο § 7 Rn 12,15). c)

Haftungsumfang

13 Soweit der Schiffsmann ausnahmsweise in Anspruch genommen wird, kann er diese Haftung summenmäßig beschränken (§ 5c Abs 1 Nr 3). In gleicher Weise kann der Schiffseigner, der gem § 3 Abs 1 adjektizisch für ein Verschulden des Schiffsmannes herangezogen wird, seine Haftung summenmäßig beschränken (§ 4). 7.

Lohnzahlung (S 24)

14 Der Lohnanspruch des angestellten Schiffsmanns bestimmt sich nach der zugrundeliegenden Vereinbarung; im (Ausnahme-)Fall der Geltung des Rahmentarifvertrages nach dessen Lohn- und Gehaltstabellen. Nur soweit diese individuellen und kollektiven Vertragswerke schweigen, verlegt § 24 in Abweichung von § 614 BGB die Fälligkeit der Vergütung 11 auf das Ende der zweiten Dienstwoche. 15 Die Haftung des Schiffseigners für Lohnansprüche der Schiffsmannschaft ist nicht summenmäßig beschränkbar (§ 5 Nr 3); außerdem ist der Lohnanspruch des Schiffsmannes ebenso wie derjenige des Schiffsführers abgesichert durch ein an zweiter Rangstelle privilegiert positioniertes Schiffsgläubigerrecht gem § 102 Nr 2 (§102 Rn 8); dieses Schiffsgläubigerrecht wiederum gewährt in der Insolvenz des Schiffseigners dem Besatzungsmitglied ein Recht auf abgesonderte Befriedigung (§50 InsO). 16 Die Lohnansprüche der Schiffsmannschaft unterliegen ebenso wie diejenigen des Schiffsführers der kurzen Verjährung gem § 117 Nr 2 (ein Jahr, wobei der Lauf der Verjährung erst mit dem Schluß des Jahres beginnt, in welchem der Lohn fällig geworden ist, § 117 Abs 2). Der kurzen Verjährung nach § 117 unterliegt indes nicht der Aufwendungsersatzanspruch des Schiffsführers gegen den Schiffseigner.12 8.

Dienstbeendigung (S 25)

17 Hinsichtlich der ordentlichen und außerordentlichen Kündigung des Schiffsmanns wird verwiesen auf § 20 Rn 4ff. § 25 Abs 2 - 4 ist weitgehend deckungsgleich mit den diesbezüglichen Vorschriften für den Schiffsführer in § 20 Abs 4 - 6 . 11 12

202

Zur Frage der Doppelbesteuerung der Vergütung eines Binnenschiffers s BFH BFHE 2 0 4 , 1 0 2 = BB 2004, 147 L. OLG Düsseldorf VersR 2003, 397.

Vierter Abschnitt Frachtgeschäft $26

[Anwendung handelsgesetzlicher Vorschriften]

Auf das Frachtgeschäft zur Beförderung von Gütern auf Binnengewässern finden die Vorschriften des Vierten Abschnitts des Vierten Buchs des Handelsgesetzbuches Anwendung.

$S 27 bis 76 (aufgehoben) 1.

Die Neuordnung des Binnenschiffahrtsfrachtrechts durch das Transportrechtsreformgesetz

Das F rachtrecht ist neben dem Recht der globalen Haftungsbeschränkung (§§4 bis 5 m) 1 der zweite große Bereich des Binnenschiffahrtsrechts, der im vergangenen Jahrzehnt eine durchgreifende Überarbeitung erfuhr. Mit dem Gesetz zur Neuregelung des Fracht-, Spedition- und Lagerrechts (Transportrechtsreformgesetz - TRG) vom 25. 6.1998 1 , in Kraft getreten am 1. 7.1998, wurde das bislang in den §§ 26 bis 76 geregelte Frachtgeschäft zur Beförderung von Gütern auf Binnengewässern mit dem Recht über den nationalen Straßen-, Luft- und Eisenbahntransport vereinheitlicht und in die S§ 407 bis 452d HGB integriert. Eigenständig geregelt blieb allein das Seefrachtrecht (SS 556 bis 678 HGB). Neugeordnet wurden durch das TRG zudem das Speditionsgeschäft (SS 453 bis 466 HGB) sowie das Lagergeschäft (SS 467 bis 475h HGB). Seitens der Binnenschiffahrt wurde vor allem die grundsätzliche Entscheidung des 2 Gesetzgebers bemängelt, das Binnenschiffahrtsfrachtrecht, das Ende des 19. Jahrhunderts aus dem Landfrachtrecht herausgenommen worden war, nicht weiter dem - sachnäheren - Seefrachtrecht anzupassen, sondern im Gegenteil wieder dem Landfrachtrecht einzuverleiben. Im einzelnen machte die Kritik vor allem an den jetzt 1 BGBl 1,1588. 203

BinSchG § 2 6

Anwendung handelsgesetzlicher Vorschriften

fehlenden gesetzlichen Regelungen zum Lade- und Löschvorgang, der erheblich verschärften Haftung des Frachtführers (SS 425, 426, 427 HGB) und den hohen Haftungshöchstbeträgen (§S 431, 449 Abs 2 HGB) fest. 2 Etwas entschärfen wird sich die Situation für die Binnenschiffahrt durch die am 1.11. 2007 in Kraft tretende CMNI, die allerdings nur für grenzüberschreitende Beförderungen gilt (vgl Art 2 CMNI). 2.

Verweisung auf das Handelsgesetzbuch

2 Entsprechend dem Ziel des Gesetzgebers, das Frachtrecht soweit als möglich zu vereinheitlichen, verweist S 26 in seiner jetzigen Fassung für das Frachtgeschäft zur Beförderung von Gütern auf Binnengewässern anders als früher nicht mehr nur auf einzelne frachtrechtliche Normen des HGB, sondern insgesamt auf die das Frachtgeschäft regelnden Vorschriften des Vierten Abschnitts des Vierten Buchs des HGB (SS 407 bis 452d HGB). Die speziellen Vorschriften für den Gütertransport auf Binnengewässern in den SS 27 bis 76 aF wurden im Gegenzug aufgehoben. 3 Auf die aufgehobenen Vorschriften der SS 27 bis 76 aF kann somit nicht mehr zurückgegriffen werden, obwohl diese Vorschriften Teile des Frachtgeschäfts wie etwa den Lade- und Löschvorgang weitaus detaillierter geregelt haben als die nunmehr geltenden Vorschriften des HGB. Ein Rückgriff auf die SS 27 bis 76 aF ist grundsätzlich auch nicht über das Institut des Handelsbrauchs (S 346 HGB) möglich, da ein Handelsbrauch eine tatsächliche Übung auf freiwilliger Basis voraussetzt. 3 Angesichts fehlender detaillierter, den Besonderheiten des Binnenschiffahrtsrechts Rechnung tragender gesetzlicher Vorschriften kommt den Verlade- und Transportbedingungen daher nun eine noch größere Bedeutung zu. Insoweit ist allerdings wiederum zu beachten, daß wichtige Teile des neuen Frachtrechts zwingend sind oder jedenfalls nicht durch VTB abbedungen werden können (S449 HGB). Soweit dem S 449 HGB entgegensteht, können die SS 27 bis 76 aF daher auch nicht generell in einen Frachtvertrag als Quasi-VTB einbezogen werden. Allerdings schließt die Aufhebung der §S 27ff aF nicht generell aus, daß zu Auslegungszwecken zB auf Gerichtsurteile zurückgegriffen wird, die zwar zu zwischenzeitlich nicht mehr existenten Vorschriften ergingen, deren Aussage aber im Einzelfall durchaus auch für die neue Rechtslage fruchtbar gemacht werden kann. 4 Die Verweisung des § 26 gilt ausschließlich für Frachtverträge (S 407 HGB Rn 2ff) betr den Transport von Gütern (S 407 HGB Rn 4) auf Binnengewässern. Sofern der Gesetzgeber die in S 26 auf lediglich exemplarisch aufgeführten „Flüsse" nicht mehr erwähnt, wurde hierdurch der Anwendungsbereich des Binnenschiffahrtsrechts nicht verändert. Zur Abgrenzung vom Seefrachtrecht vgl S 407 HGB Rn 5f.

2 3

Vgl zusammenfassend Korioth TranspR 1998,92ff. B G H N J W 1990,1723,1724; MüKoBGB/Bfliiafow § 310 Rn 11; Ensthaler/AcMifei H G B $ 346 Rn lOff.

204

Vierter Abschnitt. Frachtgeschäft

§ 2 6 BinSchG

Hat der Vertrag die Beförderung von Reisenden und ihrem Gepäck zum Gegen- 5 stand, kommen nicht die §§ 407ff HGB zur Anwendung, sondern iw § 77 BinSchG iVm § 664 HGB. 3.

Übergangsvorschriften

Die §§ 407ff HGB sind auf alle Frachtverträge anzuwenden, die nach dem 30.6.1998 6 geschlossen wurden (Art 170 EGBGB).4 In unklaren Fällen muß der genaue Zeitpunkt des Vertragsschlusses bestimmt werden. IdR ist hierfür der Zugang der Annahmeerklärung bei demjenigen erforderlich, der das Angebot zum Abschluß des Frachtvertrags abgegeben hat (Umkehrschluß zu § 151 BGB). Bei Vereinbarungen über mehrere Reisen, die auch nur zT nach dem 3 0 . 6 . 1 9 9 8 durchgeführt werden, ist ebenfalls durch Auslegung zu ermitteln, ob bereits ein einheitlicher Frachtvertrag oder aber ein bloßer Rahmenvertrag zur Entlastung der Verhandlungen über den Inhalt erst künftig abzuschließender einzelner Frachtverträge geschlossen wurde.

4

BGH TranspR 2001, 372, 374; 2003, 156, 157. Die von Koller TR Vorbemerkung vor $ 1 BinSchG zitierte Entscheidung OLG Karlsruhe TranspR 1999, 310 bezieht sich nicht auf das TRG, sondern das GÄHB ($ 4 Rn 1).

205

Fünfter Abschnitt Beförderung von Reisenden und ihrem Gepäck §77 [Beförderung von Reisenden und ihrem Gepäck] (1) Auf die Beförderung von Reisenden und ihrem Gepäck auf Flüssen und sonstigen Binnengewässern ist § 664 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 des Handelsgesetzbuches entsprechend anzuwenden. Das Recht, eine Beschränkung der Haftung nach den SS 4 bis 5m geltend zu machen, bleibt unberührt. (2) Der Beförderer hat wegen des Beförderungsentgelts ein Pfandrecht an dem Gepäck des Reisenden, solange das Gepäck zurückbehalten oder hinterlegt ist. Die Wirkung und die Geltendmachung des Pfandrechts bestimmen sich im übrigen nach den für das Pfandrecht des Frachtführers an Frachtgütern geltenden Vorschriften.

Übersicht Rn 1. Allgemeines a) Überblick b) Beförderungsvertrag und Reisevertrag c) Pfandrecht des Beförderers d) Räumlicher Anwendungsbereich des $ 77 2. Beförderer, ausführender Beförderer, Bedienstete und Beauftragte a) Vertraglicher Beförderer b) Ausführender Beförderer c) Bedienstete und Beauftragte 3. Haftung für Tod und Körperverletzung eines Reisenden a) Tod, Körperverletzung, Reisender b) Während der Beförderung c) Verschulden d) Umfang des zu erstattenden Schadens 4. Haftung für Verlust und Beschädigung von Gepäck a) Gepäck b) Während der Beförderung c) Verschulden

1 2 3 4 5 6-8 9-10 11 12 13-14 15-18 19-21 22 23

207

BinSchG

$77

D i e B e f ö r d e r u n g von R e i s e n d e n u n d i h r e m G e p ä c k

Rn d) H a f t u n g s h ö c h s t b e t r a g

24-27

e) S c h r i f t l i c h e A n z e i g e

28-31

5. Verjährung a) E r f a ß t e A n s p r ü c h e

32-33

b) B e g i n n der V e r j ä h r u n g

34-36

c) H e m m u n g , N e u b e g i n n , R e c h t s f o l g e n

37

6. Zuständiges Gericht

38

7 . V e r e i n b a r u n g e n zwischen d e n P a r t e i e n

39

8 . P f a n d r e c h t des Beförderers a m G e p ä c k .

40 41

9 . Beweislast 1 0 . I n t e r n a t i o n a l e s Privatrecht

1.

Allgemeines

a)

Überblick

42-43

1 Die Beförderung von Reisenden und deren Gepäck ist durch das 2. SRÄG vom 27. 7.1986 1 auch für den Bereich der Binnenschiffahrt auf eine neue gesetzliche Grundlage gestellt worden.2 Rechtliche Grundlage der Beförderung von Reisenden und deren Gepäck ist über die Verweisung des § 77 Abs 1 demnach § 6 6 4 HGB iVm der hierzu erlassenen Anlage 3 . Diese Anlage, die Gesetzesrang hat, 4 übernimmt im wesentlichen die Regelungen des Athener Übereinkommens von 1974 über die Beförderung von Reisenden und ihrem Gepäck auf See. Das Athener Übereinkommen wurde von der Bundesrepublik Deutschland zwar gezeichnet, wegen der darin enthaltenen, für zu niedrig befundenen Haftungshöchstbeträge aber nicht ratifiziert. 5 Die Vorschriften der Anlage sind vor Eintritt des Schadensfalls nicht zu Lasten des Reisenden abdingbar (Art 15 der Anlage). Ergänzt werden diese Regelungen durch die Vorschriften der §§ 4 bis 5m über die Haftungsbeschränkung (§ 77 Abs 1 S 2). Bedeutsam ist insoweit insbesondere § 5k betreffend die Beschränkung der Haftung für Ansprüche wegen der Tötung und Verletzung von Reisenden, dessen Anwendung uU zu einem niedrigeren Haftungshöchstbetrag als dem des Art 5 der Anlage führen kann. § 5k hat § 4a aF, der ebenfalls mit dem 2. SRÄG ins BinSchG gelangt ist, ersetzt (§ 4 Rn 1). Das sog Athener Protokoll 2 0 0 2 der EU, 5 durch das das

1 2

BGBl 1 , 1 1 2 0 . Vgl Herber TranspR 198S, 259; i m Haftungsrecht, 234ff; Korioth Auswirkungen, 83ff.

3 4

Abgedruckt ab S S59. Zur Gesetzessystematik Werter Haftungsrecht, 149f. Hefter Haftungsrecht, 150.

5

Begr 2. SRÄG, BT-Drs 10/3852, l f . Nach Auffassung des BGHZ 163, 351 m Anm Czerwenfat NJW 2 0 0 6 , 1 2 5 0 sind die niedrigen Haftungshöchstbeträge des Übereinkommens in der Binnenschiffahrt auch nicht auf dem Gebiet der ehemaligen DDR beachtlich. Zum Seerecht vgl insoweit Rabe SeeHR vor § 6 6 4 HGB Rn 3; Herber TranspR 1 9 9 1 , 1 , 3ff.

6

www.eur-lex.europa.eu/smartapi/cgi/sga_doc?smartapi!celexplus!prod!DocNumber&lg=de&type_doc= COMfinal&an_doc=2003&nu_doc=375.

208

Fünfter Abschnitt. Beförderung von Reisenden und ihrem Gepäck

§ 7 7 BinSchG

Athener Übereinkommen in wesentlichen Punkten geändert werden soll, zB durch Einführung einer Gefährdungshaftung für bestimmte Schäden verbunden mit der Verpflichtung des Beförderers zum Abschluß einer Haftpflichtversicherung, wird nach derzeitigem Stand keine Geltung für die Binnenschiffahrt beanspruchen. b)

Beförderungsvertrag und Reisevertrag

Der der Beförderung zugrunde liegende Beförderungsvertrag ist im Regelfall ent- 2 geltlich und auf die Herbeiführung eines bestimmten Erfolges, nämlich die Beförderung des Reisenden und seines Gepäcks von einem bestimmten Abgangsort zu einem bestimmten Bestimmungsort, gerichtet. Hat der Vertrag dagegen die Beförderung von Gütern zum Gegenstand, ist nicht § 77, sondern sind die §§ 407ff HGB anwendbar. Seiner Natur nach ist er Werkvertrag. Sofern in § 77 iVm § 664 HGB und der hierzu erlassenen Anlage eine Regelungslücke enthalten ist, kann folglich auf die Vorschriften der §§ 63 Iff BGB zurückgegriffen werden. 7 Dies gilt beispielsweise für Fragen im Zusammenhang mit Ansprüchen wegen positiver Vertragsverletzung (zB Verspätungsschäden) oder wegen Nichterfüllung des Vertrags.8 Ist der Beförderer (Rn 5) zugleich Veranstalter einer Pauschalreise iSv § 651a BGB, sind zusätzlich die §§ 651a bis 651m BGB zu beachten. Die §§ 651aff BGB regeln den auf eine Gesamtheit von Reiseleistungen (Pauschalreise) gerichteten Reisevertrag. Eine Pauschalreise liegt vor, wenn mindestens zwei Reiseleistungen, von denen keine von lediglich untergeordneter Bedeutung ist, zu einer Gesamtleistung des Veranstalters zusammengefaßt werden. Von den §§ 651aff BGB werden damit insbesondere Kreuzfahrten erfaßt, bei denen der Reisende nicht nur befördert, sondern auch verköstigt und beherbergt wird. 9 Gleiches gilt für Pauschalreisen, die ua eine Schiffsreise zum Bestandteil haben, 10 und für kombinierte Bus-ASchiffsrciscn11. Grundsätzlich nicht anwendbar sind die §§ 651aff BGB dagegen auf die Beförderung mit Tagesausflugschiffen. Die bei diesen Ausflügen erbrachte, ohnehin regelmäßig zusätzlich zu vergütende Verköstigungsleistung tritt jedenfalls gegenüber der Beförderungsleistung zurück. Etwas anderes kann dann gelten, wenn die zu der Beförderungsleistung hinzutretenden Leistungen (zB Tanzmusik oder ein besonders reichhaltiges Menü) die Reise in besonderer Weise prägen. Während die Anlage zu § 664 HGB ausschließlich Vorschriften zur Haftung des Beförderers enthält, regeln die §§651aff BGB weitergehend die Rechte und Pflichten von Reiseveranstaltern und Reisenden. Einen Schwerpunkt bildet dabei das Gewährleistungsrecht des Reisenden. Das Verhältnis von $ 77 iVm § 6 6 4 HGB einerseits und §§ 651aff andererseits bestimmt Art 11 der Anlage zu § 664 HGB. Danach richtet sich die Haftung für Ansprüche

7 8 9 10 11

BGH NJW 1959, 1366. Herber Haftungsrecht, 155. Begr 2. SRÄG, BT-Drs 10/3852,31. BGH NJW 1 9 8 0 , 2 1 8 9 ; TranspR 1 9 8 7 , 3 0 1 . AG Hamburg TranspR 1986, 310.

209

BinSchG

$77

Die Beförderung von Reisenden und ihrem Gepäck

wegen der Tötung oder Verletzung von Reisenden oder wegen des Verlusts oder der Beschädigung von Reisegepäck ausschließlich nach den Vorschriften der Anlage zu § 664 HGB, soweit die betreffenden Schäden hiervon erfaßt werden. Daneben bestehende Ansprüche auf Schmerzensgeld (§ 253 Abs 2 BGB) und Ersatzansprüche wegen nutzlos aufgewendeter Urlaubszeit (§ 651f Abs 2 BGB) werden dagegen dem Grunde nach von der Anlage zu § 664 HGB nicht berührt. 12 Gleiches gilt für Gewährleistungsansprüche infolge Tötung, Verletzung oder Gepäckbeschädigung, die, wie Abhilfe, Minderung oder Kündigung, nicht auf Schadensersatz gerichtet sind. 13 Hinsichtlich des Haftungshöchstbetrags bleibt es indes auch für diese Ansprüche bei den Haftungshöchstbeträgen der Artt 5 und 6 der Anlage zu § 664 HGB, wenn zB die Beeinträchtigung der Reise durch den Tod oder die Verletzung eines Reisenden oder durch den Verlust oder eine Beschädigung von Kabinengepäck oder eines Fahrzeugs verursacht wurde.14 Ist der Reiseveranstalter ausnahmsweise nicht zugleich Beförderer iSv Art 1 Nr 1 der Anlage, kann er sich nach § 651h Abs 2 BGB dennoch auf die sich eventuell zugunsten des Beförderers oder des ausführenden Beförderers aus §§ 4 bis 5m und der Anlage zu § 664 HGB ergebenden Haftungsbeschränkung berufen. 15 Dies gilt jedoch nicht, falls der Veranstalter selbst für den Schaden verantwortlich ist, etwa aufgrund eines Organisations- oder Auswahlverschuldens.16 c)

Pfandrecht des Beförderers

3 Die praktische Bedeutung des durch § 77 Abs 2 gewährten Pfandrechts wegen des Anspruchs des Beförderers auf das Beförderungsentgelt ist gering, da das Beförderungsentgelt regelmäßig vollständig im voraus bezahlt wird. Einzelheiten hierzu unter Rn 40. d)

Räumlicher Anwendungsbereich des § 77

4 Der räumliche Anwendungsbereich von § 7 7 entspricht dem des Binnenschifffahrtsgesetzes (§ 1 Rn 16ff). Wegen der Verweisung auf § 664 HGB ist die Abgrenzung zum Seerecht jedoch insoweit ohne große praktische Bedeutung. Für die Beförderung von Reisenden mit einem Binnenschiff auf See ist die Anlage zu § 664 HGB jedenfalls entsprechend anwendbar. 17 Die globale Haftungsbeschränkung beurteilt sich in diesem Fall nach dem LondonHBÜ (§ 4 Rn 8).

12 13 14 15 16 17

210

LG Hannover NJW 1985, 2903 zu Art24 WA, der Art 11 der Anlage zu $ 664 HGB entspricht; LG München TranspR 1996, 349,351; insoweit mißverständlich dagegen BGH TranspR 1997,154,156. Rabe SeeHR vor § 664 HGB Rn 9. Vgl LG Hannover NJW 19S5, 2903; Rabe SeeHR vor $ 664 HGB Rn 10; Herber Haftungsrecht, 167,182. OLG Frankfurt/M TranspR 1993,122,123. Palandt/Spraw BGB § 65 lh Rn 5; Herber Haftungsrecht, 182. Hefter Haftungsrecht, 161; Rate SeeHR Art 1 Anl§ 664 HGB Rn 4.

Fünfter Abschnitt. Beförderung von Reisenden und ihrem Gepäck

2.

Beförderer, ausführender Beförderer und Bedienstete

a)

Beförderer

§ 7 7 BinSchG

Die Anlage zu § 664 HGB regelt zunächst die Haftung des Beförderers. Gem Art 1 5 Nr la der Anlage zu § 664 HGB ist Beförderer, durch oder für wen ein Beförderungsvertrag geschlossen worden ist, unabhängig davon, ob die Beförderung tatsächlich von dieser Person, die auch als vertraglicher Beförderer bezeichnet wird, oder einem anderen, dh einem ausführenden Beförderer (Rn 6), durchgeführt wird. Reisebüros sind regelmäßig nicht selbst Beförderer, sondern lediglich dessen Stellvertreter. 18 Der Beförderer isd Anlage entspricht dem Frachtführer im Güterfrachtrecht (§ 407 Abs 1 HGB). Zur Frage, ob ein Beförderungsvertrag vorliegt, vgl § 5k Rn 2. Die Vereinbarung eines Entgelts ist hierfür nicht zwingend erforderlich.19 Kann ein entsprechender Rechtsbindungswille festgestellt werden, kann eine Beförderung auch mit einer Yacht durchgeführt werden. Bei kurzen Segeltörns unter Beteiligung befreundeter Mitsegler dürfte ein entsprechender Rechtsbindungswille indes regelmäßig nicht vorhanden sein. 20 Zu den Konsequenzen, wenn ein Beförderer zugleich Reiseveranstalter iSv § 651a Abs 1 BGB ist, vgl Rn 2. Gem Art 16 der Anlage kommt auch ein Staat oder eine öffentlich-rechtliche Körperschaft als Beförderer in Betracht. Tritt der Staat in privatwirtschaftlicher Form, zB als GmbH, auf, ist die Vorschrift des Art 16 der Anlage ohne Bedeutung. b)

Ausführender Beförderer

Der ausführende Beförderer entspricht dem ausführenden Frachtführer nach § 437 6 HGB. Art 1 Nr l b der Anlage zu § 664 HGB definiert den ausführenden Beförderer als Person, die die Beförderung ganz oder teilweise tatsächlich durchführt, ohne selbst Beförderer (Rn 5) zu sein. Ausführender Beförderer kann daher nur sein, wer sich nicht selbst vertraglich gegenüber dem Reisenden zur Beförderung verpflichtet hat. Die Ausgestaltung der rechtlichen Beziehungen zwischen Beförderer und ausführendem Beförderer ist unbeachtlich. Eine tatsächliche Beziehung genügt. 21 Nach dem ausdrücklichen Gesetzeswortlaut kommt es auch nicht darauf an, ob der ausführende Beförderer Eigentümer, Ausrüster oder Charterer ist. Bedeutsam ist allein, daß der ausführende Beförderer die tatsächliche und rechtliche Verfügungsgewalt und Verantwortung über das zur Beförderung verwendete Schiff und dessen Führung hat. 22 Dies ist nicht der Fall bei der reinen Schiffsmiete.23 Der ausführende Be-

18 19 20 21 22 23

Herta-Haftungsrecht, 159. BGH TranspR 1997,154,155;Herto-Haftungsrecht, 161. OLG Köln VersR 2002,1534,1535. Rate SeeHR Art 1 Anl $ 664 HGB Rn 3; Seyffert, 32. BGH TranspR 1997, 154, 155; Herder Haftungsrecht, 168; Raiκ SeeHR Art 1 Anl $ 664 HGB Rn 3; Seyffert, 32. BGH TranspR 1997,154,155.

211

BinSchG

$77

Die Beförderung von Reisenden und ihrem Gepäck

förderer haftet nur für den Zeitraum der von ihm vorgenommenen Beförderung (Rn 12, 21). Zum Verhältnis von Unterbeförderer und ausführendem Beförderer vgl Art 1 CMNI Rn lOff zur entsprechenden Problematik im Bereich des Gütertransports. 7 Gem Art 3 Abs 1 S 2 der Anlage zu § 664 HGB haftet der ausführende Beförderer in Bezug auf den von ihm durchgeführten Teil der Beförderung wie der vertragliche Beförderer und ist damit einem Direktanspruch24 des Geschädigten ausgesetzt, soweit die Regelungen der Anlage den Schadensersatzanspruch erfassen.25 Grundsätzlich richtet sich die Haftung des ausführenden Beförderers daher nach dem vom Beförderer mit dem Reisenden geschlossenen Vertrag, der nicht zu Lasten des Reisenden von den Vorschriften der Anlage abweichen darf. Wird die Haftung des Beförderers durch den Beförderungsvertrag gegenüber der Haftung aus der Anlage verschärft, wirkt diese Verschärfung nur dann gegen den ausführenden Frachtführer, wenn er schriftlich zugestimmt hat (Art 3 Abs 3 der Anlage). Der ausführende Beförderer haftet ausschließlich für eigenes Verschulden und das Verschulden seiner eigenen Bediensteten und Beauftragten. Die Vermutung des Art 2 Abs 3 der Anlage gilt auch zu seinen Lasten. Für ein Verschulden des vertraglichen Beförderers haftet der ausführende Beförderer nur, wenn der vertragliche Beförderer insoweit als Bediensteter oder Beauftragter des ausführenden Beförderers anzusehen war.26 Setzt der ausführende Beförderer Leute des vertraglichen Beförderers als eigene Erfüllungsgehilfen ein, haftet er für diese nach § 278 BGB. 27 8 Eine Haftung des ausführenden Beförderers beseitigt die Haftung des vertraglichen Beförderers nicht (Art 3 Abs 1 S 1 der Anlage). Für ein Verschulden des ausführenden Beförderers und dessen Bediensteten und Beauftragten haftet der vertragliche Beförderer wie für eigenes Verschulden. Art 3 Abs 2 der Anlage entspricht § 278 BGB. Vermittlungsklauseln können nach § 651a Abs 2 BGB unwirksam sein. 28 Soweit die Haftung von vertraglichem und ausführendem Beförderer reicht, haften sie als Gesamtschuldner (Artt 3 Abs 4 und 9 Abs 2 der Anlage iVm §§ 421ff BGB). Die Möglichkeit von vertraglichem Beförderer und ausführendem Beförderer, beim jeweils anderen Rückgriff zu nehmen, wird durch die Vorschriften der Anlage nicht berührt (Art 3 Abs 5 der Anlage). Im deutschen Recht gilt insoweit insbesondere § 426 BGB, wobei aufgrund der zwischen dem vertraglichen und dem ausführenden Beförderer bestehenden vertraglichen Absprachen im Innenverhältnis (§ 426 Abs 1 BGB) regelmäßig der ausführende Beförderer den Schaden allein zu tragen haben wird.29

24 25 26 27 28 29

212

Begr 2. SRÄG, BT-Drs 10/3852,13, 28. Herber Haftungsrecht, 169. Herber Haftungsrecht, 168; Seyffert, 3 5 mwN. Hefter Haftungsrecht, 168. Rabe SeeHR Art 3 Anl § 664 HGB Rn 4. Hefter Haftungsrecht, 170.

Fünfter Abschnitt. Beförderung von Reisenden und ihrem Gepäck

c)

§ 7 7 BinSchG

Bedienstete und Beauftragte

Sowohl der vertragliche Beförderer als auch der ausführende Beförderer haftet für ein 9 Verschulden seiner Bediensteten und Beauftragten, wenn diese in Ausübung ihrer Verrichtungen gehandelt haben (Art 2 Abs 1 der Anlage). Bedienstete und Beauftragte sind alle Personen, die zu der Schiffsbesatzung gehören oder haftungsrechtlich der Schiffsbesatzung gleichgestellt sind (§ 3 BinSchG Rn 17ff). Zwar können hierzu auch selbständige Unternehmer gehören, doch müssen diese gegenüber dem vertraglichen Beförderer oder ausführenden Beförderer weisungsgebunden sein. 30 In Ausübung ihrer Verrichtung handeln die Bediensteten und Beauftragten entsprechend § 3 Abs 1 BinSchG, wenn die schadensursächliche Handlung oder Unterlassung mit der Beförderung nach Zweck und Art in einem inneren Zusammenhang steht. 31 Einzelheiten hierzu unter § 3 BinSchG Rn 23ff. Wird ein Bediensteter oder Beauftragter selbst in Anspruch genommen, kann er 10 sich, soweit der entstandene Schaden unter die Bestimmungen der Anlage zu § 664 HGB fällt, gem Art 8 der Anlage wie der vertragliche Beförderer und der ausführende Beförderer auf die sich aus der Anlage ergebenden Einreden und Haftungsbeschränkungen berufen. Voraussetzung hierfür ist allerdings, daß der Bedienstete oder Beauftragte in Ausübung seiner Verrichtung gehandelt hat (Rn 9). Ist dies der Fall, kann sich der Bedienstete und der Beauftragte nicht nur auf die Einrede der Verjährung nach Art 13 der Anlage berufen, sondern auch auf die Beweislastregeln in Art 2 Abs 2 und Abs 3 S 3 sowie die Vermutung des Art 12 Abs 2 der Anlage. 32 Zu den Haftungsbeschränkungen iSv Art 8 der Anlage zu § 664 HGB zählt auch der Haftungsausschluß für Wertsachen nach Art 4 der Anlage. Auch dann, wenn neben dem Bediensteten oder Beauftragten ein Beförderer haftet, darf der maßgebliche einfache Haftungshöchstbetrag nicht überschritten werden (Art 9 Abs 3 der Anlage). Vertragliche Haftungsverschärfungen gehen nicht zu Lasten der Bediensteten und Beauftragten. 33 Gem Art 10 Abs 2 der Anlage können sich Beauftragte und Bedienstete nicht auf die Haftungsbeschränkungen der Anlage berufen, wenn sie vorsätzlich oder grob fahrlässig gehandelt haben. Andererseits wirkt sich ein vorsätzliches oder grob fahrlässiges Verhalten ihres Dienstherrn oder Auftraggebers nicht zu ihrem Nachteil aus. 34

30 31 32 33 34

BGH TranspR 1997,154, ISS. BGHZ 50, 238, 240f (Schwarzfahrt); 57,309,313 (Gefälligkeitsfahrt). RaiK SeeHR Art 8 Anl§ 664 HGB Rn 4. Herber Haftungsrecht, 176. RaiK SeeHR Art 10 Anl§ 664 HGB Rn 6.

213

BinSchG

$77

Die Beförderung von Reisenden und ihrem Gepäck

3.

Haftung für Tod und Körperverletzung eines Reisenden

a)

Tod, Körperverletzung, Reisender

11 Gem Art 2 Abs 1 der Anlage zu 664 HGB haftet der Beförderer für den Tod und die Körperverletzung (§ 4 Rn 10) eines Reisenden (§ 5k Rn 2). b)

Während der Beförderung

12 Art 2 Abs 1 der Anlage zu § 664 HGB setzt voraus, daß der Schaden während der Beförderung eingetreten ist. Nach Art 1 Nr 8 a der Anlage umfaßt die Beförderung den Zeitraum, während dessen sich der Reisende an Bord des Schiffes befindet oder ein- und ausgeschifft wird, sowie den Zeitraum, in dem der Reisende auf dem Wasserweg vom Land auf das Schiff oder umgekehrt befördert wird, sofern die Kosten dieser Beförderung im Beförderungspreis Inbegriffen sind oder wenn das für diese zusätzliche Beförderung benutzte Wasserfahrzeug dem Reisenden vom Beförderer zur Verfügung gestellt worden ist. Die Zeit, während sich der Reisende in einer Hafenstation, auf einem Kai oder in oder auf einer Hafenanlage befindet, zählt nicht zum Zeitraum der Beförderung (Art 1 Nr 8a S 2 der Anlage zu § 664 HGB). Der Aufenthalt an Land idS ist jedoch nur dann ausgeschlossen, wenn die Hafenanlage etc jedermann zugänglich ist. 35 Regelmäßig beginnt danach der Zeitraum der Beförderung, sobald der Reisende die Gangway betritt. Im Einzelfall kann er jedoch auch schon früher beginnen, sofern der Reisende sich räumlich bereits in die Obhut des Beförderers begeben hat. c)

Verschulden

13 Der Beförderer haftet nur für Verschulden, dh Vorsatz und Fahrlässigkeit iSv § 276 BGB. Der vom Beförderer zu beachtende Sorgfaltsmaßstab wird durch die Eigenarten einer Schiffsreise geprägt. Demnach kann von einem Schiffsreisenden gefordert werden, daß er, um Schaden von sich abzuwenden, während der Beförderung den besonderen Einrichtungen des Schiffes und den mit dem Schiffsbetrieb verbundenen Gefahren Rechnung trägt. Tut er dies nicht, fehlt es entweder bereits an einer Verletzung der Verkehrssicherungspflicht durch den Beförderer oder der Reisende muß sich gem § 254 Abs 1 BGB ein Mitverschulden anrechnen lassen. Die Beförderungspflicht und die damit verbundene Verkehrssicherungspflicht des Beförderers endet grundsätzlich erst, wenn der Reisende wieder Land unter den Füßen hat. 36 In der Rechtsprechung wurde ein Verschulden der Schiffsbesatzung zB in folgenden Fällen angenommen: Der Reisende gerät in den Spalt zwischen Ponton und Schiff, weil nicht durch eigens abgestelltes Personal auf die Gefahrenstelle hingewiesen wurde;37 35 36 37

214

BGH NJW 1959, 1366. BGH NJW 1959, 136S. OLG Köln ZfB 1993, SaS 1428f; vgl aber auch Fn 41.

Fünfter Abschnitt. Beförderung von Reisenden und ihrem Gepäck

§ 7 7 BinSchG

Schaden infolge Bruchs des Brettes, über das die Reisenden das Schiff verlassen sollten. 38 Ein Verschulden des Beförderers wurde dagegen in folgenden Fällen verneint: Kleinkind verbrennt sich an durch Sonneneinstrahlung erhitzten Deckplanken; 39 unterbliebener Hinweis des Beförderers auf kurz bevorstehendes Anlegemanöver;40 kein Übergangsbrett bei zehn bis fünfzehn Zentimeter breitem Spalt zwischen Schiff und Anleger;41 Drängelei bei Anbordgehen; 42 Absetzen von Reisenden an nicht fahrplanmäßiger Haltestelle ohne besondere Vorkehrungen; 43 Handquetschung zwischen Reling und Anlegebrücke 44 . Zur Beweislastverteilung und der Verschuldensvermutung nach Art 2 Abs 3 der 14 Anlage zu § 664 HGB vgl Rn 41. Die früher vom BGH vertretene Auffassung, wonach der Beförderer die Darlegungs- und Beweislast für eine fehlende Pflichtverletzung treffe, wenn der Reisende unterwegs durch Beförderungsvorgänge verletzt wird,45 ist im Hinblick auf Art 2 Abs 3 der Anlage für die Beförderung mit einem Schiff nicht mehr haltbar. 46 Zur Haftung des Beförderers für seine Bediensteten und Beauftragten vgl Rn 9. d)

Umfang des zu erstattenden Schadens

Für den Umfang des zu erstattenden Schadens ist auf die §§ 249ff BGB einschließ- 15 lieh § 254 BGB abzustellen. 47 Ein Anspruch auf Schmerzensgeld gem § 253 Abs 2 BGB und auf Schadensersatz wegen nutzlos aufgewendeter Urlaubszeit (§ 651f Abs 2 BGB) wird durch die Anlage zu § 664 HGB nicht ausgeschlossen, ggf aber der Höhe nach begrenzt (Rn 2). Gleiches gilt für den Anspruch auf Beerdigungskosten (§ 844 BGB). 48 Gem Art 5 der Anlage zu § 664 HGB ist die Haftung des Beförderers bei Tod oder 16 Verletzung gegenüber jedem einzelnen Reisenden auf einen Betrag in Höhe von DM 320.000,-, umgerechnet € 163.613,40, beschränkt. Der Haftungshöchstbetrag nach Art 5 der Anlage gilt anders als der Haftungshöchstbetrag nach § 5k nicht für jedes Schadensereignis neu, sondern insgesamt für sämtliche Schäden, die ein Reisender während der Reise erleidet (Art 9 Abs 1 der Anlage). Ob eine einzige Beförderung vorliegt, ist durch Vertragsauslegung (§§ 133,157 BGB) sowie nach der Lebensanschauung zu beurteilen. 49 Haften der vertragliche Beförderer und der ausführende 38 39 40 41 42 43 44 45 46 47 48 49

BGH ZfB 1959,374. OLG Köln ZfB 1999, SaS 1761. BGH VersR 19SS, 420; LG Kiel VersR 1992,211. OLG Köln u r t ν 9 . 1 2 . 1 9 9 4 (Az 3 U 99/94); OLG Hamburg Hamb Seerechts-Report 200S, 232; 232,233. AG Hamburg VersR 2005,1096. RGJW 1911, 360. RGZ 124, 49, 52f. BGH VersR 1953, 117,118. LG Kiel VersR 1992,211. Hefter Haftungsrecht, 155,166. BGH TranspR 1997,158,159. Herber Haftungsrecht, 177.

215

BinSchG

$77

Die Beförderung von Reisenden und ihrem Gepäck

Beförderer oder deren Bedienstete bzw Beauftragte als Gesamtschuldner, gilt auch insofern der einheitliche Haftungshöchstbetrag (Art 9 Abs 2, Abs 3 der Anlage). Gem § 77 Abs 1 S 2 BinSchG kann sich der Beförderer, wenn er zugleich Schiffseigner oder diesem gem § 5c gleichgestellt ist, neben dem Haftungshöchstbetrag nach Art 5 der Anlage auch auf den Haftungshöchstbetrag des § 5k berufen. 50 Im Einzelfall kann sich hieraus ein geringerer Haftungshöchstbetrag ergeben. Der Höchstbetrag von € 163.613,40 gilt auch für den Kapitalwert einer ggf als Entschädigung festzusetzenden Rente. 17 Zinsen und Verfahrenskosten unterfallen nicht dem Haftungshöchstbetrag nach Art 5 der Anlage zu § 664 HGB (Art 7 Abs 2 der Anlage) und sind zusätzlich zu bezahlen. Der Begriff der Verfahrenskosten entspricht dem der Rechtsverfolgungskosten iSv § 5 Nr 5 BinSchG (§ 5 Rn 14f). 18 Gem Art 10 der Anlage zu § 664 HGB haftet der Beförderer unbeschränkbar, wenn der Schaden von ihm oder einem seiner Bediensteten oder Beauftragten in Ausübung seiner Verrichtung vorsätzlich oder grob fahrlässig herbeigeführt worden ist. Die Regelung entspricht bei Abweichungen im einzelnen § 651k Abs 1 BGB, § 5b BinSchG und § 435 HGB. Ein wesentlicher Unterschied zu § 5b BinSchG besteht darin, daß dieser nicht auf grobe Fahrlässigkeit, sondern darauf abstellt, ob der Schaden infolge Leichtfertigkeit und in dem Bewußtsein herbeigeführt wurde, daß ein solcher Schaden mit Wahrscheinlichkeit eintreten werde (§ 5b BinSchG Rn 4f). Steht fest, daß der Beförderer jedenfalls grob fahrlässig gehandelt hat, und scheidet damit eine Haftungsbeschränkung nach Art 6 der Anlage aus, ist daher weiter zu prüfen, ob nicht wenigstens eine Haftungsbeschränkung nach §§ 4ff BinSchG in Betracht kommt, falls nicht auch Leichtfertigkeit iSv § 5b BinSchG vorliegt.51 Die Anlage zu § 664 HGB weicht insoweit von Art 13 AthenÜ und dem übrigen Schiffahrtsrecht (zB Art 4 CLNI, Art 4 LondonHBÜ, Art 21 CMNI)52 ab, als nach Art 10 Abs 1 der Anlage der Beförderer auch dann unbeschränkt haftet, wenn lediglich eine seiner Hilfspersonen vorsätzlich oder grob fahrlässig gehandelt hat. Gleiches gilt entsprechend Art 10 Abs 1 der Anlage, dh der vertragliche Beförderer haftet auch dann unbeschränkt, wenn ein Bediensteter oder Beauftragter des ausführenden Beförderers oder dieser selbst vorsätzlich oder grob fahrlässig gehandelt hat. 53 Grob fahrlässig handelt nach allgemeiner Anschauung, wer die im Verkehr erforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maße verletzt hat, dh wer dasjenige außer Acht gelassen hat, was in der konkreten Situation jedem eingeleuchtet hätte. 54 Darüber hinaus muß den Handelnden auch in subjektiver Hinsicht ein schweres Verschulden treffen. 55

50 51 52 53 54 55

216

Czerwenka NJW200S, 1250, 1251; zumindest mißverständlich dggBGHZ 1S3, 3 5 1 , 3 5 7 aE. Rabe SeeHR Art 10 Anl § 664 HGB Rn 3. Hierzu $ 5b BinSchG Rn 8. BGHZ 163, 351, 356f m Anm Czerwenka NJW 2 0 0 6 , 1 2 5 0 , 1 2 5 0 f ; Herber Haftungsrecht, 180. BGHZ 10,14, IS; 8 9 , 1 5 3 , 161, NJW 1992, 3235, 323S. BGH NJW 1988, 1265, 1266; 2001, 2092, 2093.

Fünfter Abschnitt. Beförderung von Reisenden und ihrem Gepäck

§ 7 7 BinSchG

Für den ausführenden Beförderer gilt gem Art 3 Abs 1 S 2 der Anlage das zum vertraglichen Beförderer Gesagte entsprechend. Gem Art 10 Abs 2 der Anlage verliert auch der Bedienstete oder Beauftragte eines vertraglichen oder ausführenden Beförderers seine ihm gem Art 8 der Anlage zustehende Möglichkeit zur Haftungsbeschränkung (Rn 10), wenn ihm selbst Vorsatz oder grobe Fahrlässigkeit zur Last fällt. Vorsatz oder grobe Fahrlässigkeit des (ausführenden) Beförderers muß er sich dagegen nicht zurechnen lassen. 55 4.

Haftung für Verlust und Beschädigung von Gepäck

a)

Gepäck

Der Beförderer haftet gem Art 2 Abs 1 der Anlage zu § 664 HGB auch für während der 19 Beförderung eingetretene Verluste und Beschädigungen von Gepäck von Reisenden (S 5k Rn 2). Das Gesetz unterscheidet hinsichtlich der Rechtsfolgen zwischen unterschiedlichen Arten von Gepäck. Nach der Definition des Oberbegriffs in Art 1 Nr 5 der Anlage erfaßt der Begriff des Gepäcks sämtliche Gegenstände einschließlich Fahrzeugen, die der Beförderer aufgrund eines Personenbeförderungsvertrags (mit)befördert. Hierzu gehören zB der auf einer Autofähre beförderte Pkw des Reisenden, die Kleider und Schmuckstücke, die er auf dem Leib trägt und der Stock, den er mit sich führt. Auf die Eigentumsverhältnisse an den Gegenständen kommt es nicht an, so daß auch den Reisenden nicht gehörende Gepäckstücke dem Gepäckbegriff der Anlage zu § 664 HGB unterfallen. Wird dagegen für die Gegenstände ein gesonderter Frachtvertrag geschlossen, was ggf durch Auslegung zu ermitteln ist, sind nicht die Vorschriften der Anlage zu § 664 HGB anwendbar, sondern die §§ 407ff HGB (vgl Art 1 Nr 5a der Anlage). Lebende Tiere sind jedoch selbst dann kein Gepäck isd Anlage zu § 664 HGB, wenn sie, zB das Haustier eines Reisenden, lediglich mitbefördert werden und für sie kein Frachtvertrag geschlossen wurde (vgl Art 1 Nr 5b der Anlage). Für solche Tiere wird nach den allgemeinen Vorschriften, insbesondere den §§ 631ff BGB, gehaftet. Kabinengepäck iSv Art 1 Nr 6 der Anlage zu § 664 HGB ist nur solches Gepäck, das 20 der Reisende in seiner Kabine oder sonst in seiner Obhut oder unter seiner Aufsicht hat. Entscheidend ist der unmittelbare und ungehinderte Zugriff des Reisenden. 57 Danach kann ein Gepäckstück während einer Reise seinen Charakter als Kabinengepäck (vorübergehend) verlieren, wenn die Zugriffsmöglichkeit des Reisenden entfällt. Für Kabinengepäck gilt der besondere Haftungshöchstbetrag des Art 6 Abs 1 der Anlage.

56 57

Rahe SeeHR Art 10 Anl § 664 HGB Rn 6. Rabe SeeHR Art 1 Anl § 664 HGB Rn 7.

217

BinSchG

$77

Die Beförderung von Reisenden und ihrem Gepäck

21 Unter Berücksichtigung der vorgehend beschriebenen Unterscheidung können zwar Wertsachen entweder zum Kabinengepäck oder zum sonstigen Gepäck gehören. Allerdings ist hierfür die Haftung des Beförderers gem Art 4 der Anlage zu § 664 HGB grundsätzlich ausgeschlossen, sofern die Wertsachen nicht dem Beförderer zur sicheren Aufbewahrung, zB in einem Schiffsafe, übergeben wurden. In letzterem Fall haftet der Beförderer bis zu den in Art 6 Abs 3 der Anlage genannten Haftungshöchstbeträgen, es sei denn, es wurde ein höherer Haftungshöchstbetrag vereinbart. Werden dem Reisenden zur Aufbewahrung übernommene Wertsachen während der Reise vorübergehend wieder ausgehändigt, ist die Haftung des Beförderers für diesen Zeitraum ausgeschlossen. Art 4 der Anlage geht als speziellere Norm den §§ 701 bis 703 BGB betr die Gastwirtshaftung vor. Allerdings wird in Anlehnung an § 702 Abs 2 BGB eine entsprechend Art 6 Abs 3 der Anlage beschränkte Haftung des Beförderers anzunehmen sein, wenn er den Wunsch des Reisenden, Wertsachen zur sicheren Aufbewahrung zu übergeben, nicht erfüllt, obwohl ihm eine solche Aufbewahrung zuzumuten wäre.58 b)

Während der Beförderung

22 Gem Art 2 Abs 1 der Anlage zu § 664 HGB wird auch für den Verlust und die Beschädigung von Gepäck nur gehaftet, wenn das den Schaden verursachende Ereignis während der Beförderung eingetreten ist. Für anderes Gepäck als Kabinengepäck (Rn 20) umfaßt die Beförderung den Zeitraum von der Übernahme durch den Beförderer oder dessen Beauftragten oder Bediensteten bis zur Wiederaushändigung (Art 1 Nr 8c der Anlage). Allerdings sind auf den Fall, daß solches Gepäck erst an Bord vom Beförderer übernommen oder dort bereits wieder an den Reisenden ausgehändigt wird, die nachfolgend beschriebenen Bestimmungen betr das Kabinengepäck entsprechend anzuwenden.59 Es ist nicht erkennbar, weshalb etwa der Verlust bzw die Beschädigung von Gepäck, das sich in der Obhut eines an Bord befindlichen Reisenden befindet, entgegen der Wertung des Art 1 Nr 8a der Anlage nicht den Haftungsvorschriften der Anlage unterfallen sollte. Gleiches gilt für ein mitbefördertes Fahrzeug, solange es sich schon oder noch an Bord und in der Obhut des Reisenden befindet, unabhängig davon, ob das Fahrzeug bereits übernommen oder schon wieder ausgehändigt wurde.50 Für Kabinengepäck gilt grundsätzlich das zur Beförderung des Reisenden selbst Gesagte (Rn 12). Abweichend hiervon wird jedoch auch der Zeitraum erfaßt, während dessen sich der Reisende in einer Hafenstation etc befindet, das Gepäck aber bereits vom Beförderer übernommen und noch nicht wieder ausgehändigt worden ist (Art 1 Nr 8b der Anlage).

58 59 60

218

Herta-Haftungsrecht, 172. Herber Haftungsrecht, 162f. Herta Haftungsrecht, 163.

Fünfter Abschnitt. Beförderung von Reisenden und ihrem Gepäck

c)

§ 7 7 BinSchG

Verschulden

Zum Verschuldenserfordernis vgl Rn 13. d)

23

Haftungshöchstbetrag

Für Kabinengepäck (Rn20) gilt gem Art 6 Abs 1 der Anlage zu § 6 6 4 HGB vorbe- 24 haltlich abweichender Vereinbarungen (Rn39) ein Haftungshöchstbetrag von D M 4 . 0 0 0 , - , dh € 2 . 0 4 5 , 1 7 , je Reisenden und je Beförderung. Dieser einheitliche Haftungshöchstbetrag gilt auch bei Beschädigung unterschiedlicher Kabinengepäckstücke zu verschieden Zeitpunkten während der Beförderung. Da sich jedoch der Charakter eines Gepäckstücks während der Reise ändern kann (Rn 18), besteht die Möglichkeit, daß bei Beschädigung zweier Kabinengepäckstücke, von denen zumindest eines während der Beförderung infolge der Zugriffsmöglichkeit des Reisenden zu sonstigem Gepäck geworden ist, sowohl der Haftungshöchstbetrag des Art 6 Abs 1 der Anlage als auch der des Art 6 Abs 3 der Anlage (Rn 26) zur Anwendung kommt. Unabhängig davon, ob in oder auf einem Fahrzeug befördertes Gepäck als Kabi- 25 nengepäck einzuordnen ist, gilt hierfür der Haftungshöchstbetrag von DM 16.000,-, dh € 8.180,67, je Fahrzeug und Beförderung (Art 6 Abs 2 der Anlage zu § 664 HGB). Von diesem Haftungshöchstbetrag werden auch Ansprüche wegen der Beschädigung oder des Verlusts des Fahrzeugs zB infolge fehlerhafter Einweisung selbst erfaßt. Für die Beschädigung und den Verlust allen Gepäcks, das weder Kabinengepäck 26 noch ein Fahrzeug ist oder hierin oder hierauf befördert wird, gilt gem Art 6 Abs 3 der Anlage zu § 664 HGB ein Haftungshöchstbetrag von DM 6.000,-, dh € 3.067,75, j e Reisenden und je Beförderung. Zur unbeschränkten Haftung wegen vorsätzlicher oder grob fahrlässiger Schadensherbeiführung vgl Rn 18. e)

27

Schriftliche Anzeige

Anders als im Falle einer Körperverletzung oder des Todes eines Reisenden muß der 28 Reisende den Verlust oder die Beschädigung von Gepäck gem Art 12 Abs 1 der Anlage zu § 664 HGB entsprechend § 438 HGB dem Beförderer schriftlich anzeigen. Die Anzeige ist kein Rechtsgeschäft, sondern ein tatsächliches Verhalten. § 174 BGB ist daher nicht anwendbar. Nach Sinn und Zweck der Vorschrift genügt eine Anzeige per Telefax (vgl § 438 HGB Rn 5). Zum notwendigen Inhalt der Anzeige vgl § 438 HGB Rn 9. Die Anzeige hat gegenüber dem Beförderer oder gegenüber demjenigen zu erfolgen, den der Reisende als Beauftragen oder Bediensteten des Beförderers ansehen kann. 51 61

Rabe SeeHR Art 12 Anl zu $ 664 HGB Rn 2.

219

BinSchG

$77

Die Beförderung von Reisenden und ihrem Gepäck

29 Für die Rechtzeitigkeit der Anzeige ist danach zu unterscheiden, ob eine äußerlich erkennbare Beschädigung vorgelegen hat (Art 12 Abs la der Anlage zu § 664 HGB) oder aber eine äußerlich nicht erkennbare Beschädigung oder ein Verlust (Art 12 Abs lb der Anlage). Im ersten Fall ist bei Kabinengepäck (Rn 20) der Zeitpunkt der Ausschiffung, dh des Verlassens des Schiffes, maßgeblich, bei sonstigem Gepäck der Zeitpunkt der Aushändigung. Bei äußerlich nicht erkennbaren Beschädigungen oder Verlusten muß die Anzeige innerhalb von fünfzehn Tagen nach dem Tag der Ausschiffung oder Aushändigung oder nach dem Zeitpunkt erfolgen, zu dem die Aushändigung hätte erfolgen sollen. 30 Nach Art 12 Abs 3 der Anlage zu § 664 HGB bedarf es einer Anzeige grundsätzlich nur dann nicht, wenn der Zustand des Gepäcks im Zeitpunkt des Empfangs von dem Beförderer oder einem seiner Beauftragten (zB Kapitän, Offizier) und dem Reisenden gemeinsam festgestellt oder geprüft worden ist. 31 Unterbleibt die erforderliche Anzeige, wird bis zum Beweis des Gegenteils vermutet, daß der Reisende das Gepäck vollständig und unbeschädigt zurückerhalten hat (Art 12 Abs 2 der Anlage zu § 664 HGB). Gelingt es dem Reisenden, das Gegenteil zu beweisen, kann er sich seinerseits wiederum auf die Vermutung nach Art 2 Abs 3 der Anlage berufen, sofern er zuvor bewiesen hat, daß der Schaden während der Beförderung eingetreten ist (Art 2 Abs 2 der Anlage). Zugunsten des regelmäßig in Beweisnot befindlichen Reisenden gelten die gleichen Grundsätze der Darlegungslast wie im Rahmen des § 438 Abs 1 Satz 1 HGB (§ 438 HGB Rn 13), sofern es sich nicht um die Beschädigung oder den Verlust von Kabinengepäck handelt, das sich ja in der Obhut des Reisenden befand.

5.

Verjährung

a)

Erfaßte Ansprüche

32 Die Verjährungsfrist für Ansprüche des Reisenden auf Schadensersatz wegen Tod oder Verletzung oder wegen des Verlusts oder der Beschädigung von Gepäck verjähren gem Art 13 Abs 1 der Anlage zu § 664 HGB in zwei Jahren. Diese Frist, die der Verjährungsfrist nach § 651g Abs 2 BGB entspricht, gilt für sämtliche Ansprüche, die von der Anlage zu § 664 HGB erfaßt werden. Für den Anspruch auf Schmerzensgeld gem §§ 823, 253 Abs 2 BGB gilt die regelmäßige Verjährungsfrist von drei Jahren (§195 BGB). Zum Verhältnis von Art 13 der Anlage zu §664 HGB zu §117 Nr 7 BinSchG vgl § 117 Rn 37. Anders als § 439 HGB erfaßt Art 13 der Anlage nur Ansprüche des Reisenden. Für Ansprüche des Beförderers gegen den Reisenden ist auf die allgemeinen Vorschriften zurückzugreifen (§§ 195ff BGB). 33 Gem Art 13 Abs 3 der Anlage zu § 664 HGB kann die Verjährungsfrist durch schriftliche Vereinbarung nach Entstehung des Anspruchs verlängert werden. An220

Fünfter Abschnitt. Beförderung von Reisenden und ihrem Gepäck

§ 7 7 BinSchG

ders als § 202 Abs 2 BGB besteht nach dem spezielleren Art 13 Abs 3 der Anlage keine Höchstgrenze für die Verlängerung. b)

Beginn der Verjährung

Für den Beginn der Verjährung ist nach Art 13 Abs 2a der Anlage zu § 664 HGB 34 bei Ansprüche wegen einer Verletzung des Reisenden auf den Tag der Ausschiffung, dh den Zeitpunkt, in dem der Reisende das Schiff verlassen hat, abzustellen. Für Ansprüche wegen des Todes eines Reisenden während der Beförderung ist auf den Tag abzustellen, an dem der Reisende hätte ausgeschifft werden sollen. Hat eine Verletzung des Reisenden während der Beförderung dessen Tod nach der Ausschiffung zur Folge, ist für die Ansprüche wegen des Todes auf den Tag des Todes abzustellen, wobei jedoch die Verjährungsfrist hierdurch nicht länger als dreißig Jahre gerechnet vom Tag der Ausschiffung an werden darf. Für die Ansprüche wegen der Verletzung des später versterbenden Reisenden bleibt es bei dem Beginn der Verjährungsfrist am Tag der Ausschiffung. Die Verjährung von Ansprüchen wegen der Beschädigung oder des Verlusts von 35 Gepäck beginnt gem Art 13 Abs 2c der Anlage zu § 664 HGB mit dem Tag der Ausschiffung oder mit dem Tag, an dem die Ausschiffung hätte erfolgen sollen, je nachdem welches der spätere Zeitpunkt ist. Anders als bei der Anzeigepflicht nach Art 12 Abs 1 der Anlage (Rn 29) kommt es insoweit nicht auf den Zeitpunkt der Aushändigung des Gepäcks an. 62 $ 199 BGB ist neben dem spezielleren Art 13 Abs 2 der Anlage zu § 664 HGB nicht 36 anwendbar, so daß es für den Beginn der Verjährung, nicht auf die Kenntnis der den Anspruch begründenden Umstände ankommt. Vgl zu der entsprechenden Problematik iRd § 117 BinSchG dort Rn 17. c)

Hemmung, Neubeginn und Rechtsfolgen der Verjährung

Die Hemmung, der Neubeginn und die Rechtsfolgen der Verjährung sind nach 3 7 den allgemeinen Vorschriften in den §§ 203ff BGB zu beurteilen, da Art 13 der Anlage zu § 664 HGB insoweit keine Regelung enthält. Mangels Vorliegens eines Frachtvertrags iSv § 407 HGB ist § 439 Abs 3 HGB nicht anwendbar. 6.

Zuständiges Gericht

Art 14 der Anlage zu § 664 HGB entspricht § 440 Abs 1 HGB und enthält eine Vor- 38 schrift über die örtliche und internationale Zuständigkeit für Klagen betreffend Ansprüche, die der Anlage unterliegen. Die zusätzlichen Gerichtsstände des Abgangs· und Bestimmungsortes gelten daher nicht für Klagen gegen den Reisenden. 62

Rabe SeeHR Art 13 Anl § 664 HGB Rn 4.

221

BinSchG

$77

Die Beförderung von Reisenden und ihrem Gepäck

Ziel des Art 14 der Anlage ist es, dem Reisenden auf jeden Fall die zwingenden Vorschriften der Anlage zugute kommen zu lassen (Art 34 EGBGB).63 Art 14 der Anlage („auch") steht einer Zuständigkeit nach den allgemeinen Vorschriften (§§ 12ff ZPO) nicht entgegen. Im Geltungsbereich der EuGVO ist Art 14 der Anlage nicht anwendbar, da diese Verordnung entgegengestehende nationale Zuständigkeitsvorschriften verdrängt.64 Eine Vereinbarung, wonach die Regelung des Art 14 der Anlage nicht gelten soll, ist gem Art 15 der Anlage nichtig. 7.

Vereinbarungen zwischen den Parteien

39 Vereinbarungen vor Eintritt des Schadensereignisses, die zu Lasten des Reisenden von den Vorschriften der Anlage zu § 664 HGB abweichen, sind grundsätzlich nichtig (vgl Art 15 der Anlage). Dies betrifft insbesondere die Vorschriften über die Haftungshöchstbeträge (Artt 5 bis 10 der Anlage). Untersagt werden aber zB auch Vereinbarungen, wodurch zu Lasten des Reisenden von den in der Anlage enthaltenen Beweislastregeln abgewichen wird. Eine Ausnahme gilt für die in Art 6 Abs 4 der Anlage ausdrücklich zugelassene Vereinbarung eines Selbstbehalts. Die Vorschrift des Art 15 der Anlage wird iü ergänzt durch die speziellen Regelungen in Artt 7 Abs 1 und 13 Abs 3 der Anlage. Ist danach eine einzelne Klausel unwirksam, läßt dies die Wirksamkeit des Vertrags iü entgegen § 139 BGB unberührt (Art 15 Halbs 2 der Anlage). Für die Einbeziehung von Allgemeinen Beförderungsbedingungen gelten die allgemeinen Vorschriften (§§ 305ff BGB). Wird als Vertragsstatut eine ausländische Rechtsordnung vereinbart, ist Art 34 sowie ggf Art 29 EGBGB zu beachten.65 8.

Pfandrecht des Beförderers am Gepäck (§ 77 Abs 2)

4 0 Da das Beförderungsentgelt regelmäßig vollständig im voraus entrichtet wird, spielt das gesetzliche Pfandrecht des Beförderers am Gepäck gem § 77 Abs 2 BinSchG praktisch keine Rolle (Rn 3). Anders als das Pfandrecht des Frachtführers nach § 441 Abs 3 HGB besteht das Pfandrecht an zurückgegebenem Gepäck nicht fort, sondern erlischt mit der freiwilligen Besitzaufgabe. Im übrigen gelten jedoch gem § 77 Abs 2 S 2 BinSchG die Vorschriften über das Frachtführerpfandrecht gem §§ 441, 443, 368 HGB. Sofern diese Regelungen nichts Gegenteiliges bestimmen, gelten darüber hinaus über § 1257 BGB für ein bereits bestehendes Pfandrecht des Beförderers die §§ 1204ff BGB.

63 64 65

222

Begr 2. SRÄG, BT-Drs 10/3852, 4. Thomas/Putzo/Hä/toge ZPO vor Art 1 EuGVO Rn 4. Herta-Haftungsrecht, 186.

Fünfter Abschnitt. Beförderung von Reisenden und ihrem Gepäck

9.

§ 7 7 BinSchG

Beweislast

Gem Art 2 Abs 2 der Anlage zu § 664 HGB trägt der Reisende die Beweislast dafür, 41 daß der Schaden während der Beförderung entstanden ist. 66 Nach allgemeinen Grundsätzen muß der Reisende darüber hinaus den Umfang des Schadens und die Kausalität sowie grundsätzlich auch das Verschulden des Beförderers bzw eines seiner Beauftragten oder Bediensteten beweisen (Art 2 Abs 3 S 3 der Anlage). Lediglich dann, wenn der Schaden durch Schiffbruch, Zusammenstoß, Strandung, Explosion, Feuer oder durch einen Mangel des Schiffes entstanden ist oder mit einem dieser Ereignisse in Zusammenhang steht, wird das Verschulden des Beförderers bis zum Beweis des Gegenteils vermutet. Maßgeblich ist, ob eines dieser Ereignisse nach den Grundsätzen des Zurechnungszusammenhangs für den Schaden ursächlich geworden ist.57 Betrifft die Beschädigung oder der Verlust anderes als Kabinengepäck, wird das Verschulden unabhängig vom schadensverursachenden Ereignis vermutet (Art 2 Abs 3 S 2 der Anlage). Die allgemeine Beweislastregelung in § 280 Abs 1 BGB ist neben der spezielleren Vorschrift des Art 2 Abs 3 der Anlage nicht anwendbar.68 Soll unbeschränkt gehaftet werden (Art 10 der Anlage), muß der Reisende darlegen und beweisen, daß der Schaden auf vorsätzlichem oder grob fahrlässigem Verhalten beruht. Ebenfalls der Reisende trägt die Beweislast für die Rechtzeitigkeit und inhaltliche und formelle Ordnungsgemäßheit der Schadensanzeige nach Art 2 der Anlage zu § 664 HGB.

10.

Internationales Privatrecht

Wie bei Güterbeförderungsverträgen (§407 HGB Rn39ff) ist auch bei Verträgen 42 über die Beförderung von Personen in erster Linie auf eine ausdrückliche oder konkludente Rechtswahl der Parteien des Beförderungsvertrags abzustellen (Art 27 EGBGB). Diese Rechtswahl ist grundsätzlich frei (§ 407 HGB Rn 40). Sieht jedoch der Beförderungsvertrag im nichtberuflichen oder -gewerblichen Bereich eine kombinierte Beförderungs- und Unterbringungsleistung für einen Pauschalpreis vor und liegen die Voraussetzungen von Art 29 Abs 1 Nr 1, 2 oder 3 EGBGB vor, darf die Rechtswahl nicht dazu führen, daß dem Reisenden der durch die zwingenden Bestimmungen des Rechts des Staates gewährte Schutz entzogen wird, in dem der Reisende seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat (Art 29 Abs 4 S 2 EGBGB). Die Rechtswahl ist aus diesem Grund insbesondere bei Kreuzfahrten, nicht aber im Fährverkehr eingeschränkt.69 Hat der Kreuzfahrtreisende seinen gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland, kommen damit die Regelungen der Anlage zu § 664 HGB ungeachtet

66 67 68 69

Herber Haftungsrecht, 165. Rabe SeeHR Art 2 Anl zu $ 664 HGB Rn 13. Herber Haftungsrecht, 166. Basedow IPRax 1987,333, 341 ;Rabe SeeHR vor $ 664 HGB Rn 34.

223

BinSchG

$77

Die Beförderung von Reisenden und ihrem Gepäck

einer anderweitigen Rechtswahl zur Anwendung. 70 Unabhängig von Art 29 EGBGB kommt gleiches wegen Art 27 Abs 3 EGBGB im rein innerdeutschen Fährverkehr in Betracht. Eine mit dem vertraglichen Beförderer getroffene Rechtswahl ist für das Verhältnis zwischen Reisendem und ausführendem Beförderer grundsätzlich unbeachtlich. 43 Haben die Parteien kein bestimmtes Recht gewählt, ist das anzuwendende Recht objektiv nach Art 28 EGBGB zu bestimmen. Da Art 28 Abs 4 EGBGB nur für Güterbeförderungsverträge gilt, 71 ist hierbei vorbehaltlich Art 28 Abs 5 EGBGB gem Art 28 Abs 2 EGBGB grundsätzlich darauf abzustellen, wo der Beförderer im Zeitpunkt des Abschlusses des Beförderungsvertrages seine Hauptverwaltung bzw die Niederlassung hat, von der aus vertragsgemäß die Beförderungsleistung erbracht wird. Hat der Beförderungsvertrag eine Kreuzfahrt zum Gegenstand, kommt unter der Voraussetzung des Art 29 Abs 1 EGBGB das Recht des gewöhnlichen Aufenthalts des Reisenden zur Anwendung (Art 29 Abs 2 EGBGB). Hat also ein Kreuzfahrtunternehmen zB in den USA für seine Kreuzfahrten geworben oder den Beförderungsvertrag in den USA geschlossen und kommt der Reisende, der seinen gewöhnlichen Aufenthalt in den USA hat, während der Beförderung in Deutschland zu Schaden, wendet ein angerufenes deutsches Gericht amerikanisches Sachrecht an. Allerdings kann selbst dies nicht zur Verurteilung des Kreuzfahrtunternehmens zu einem sog Strafschadensersatz (punitive damages) führen, da dies gegen den deutschen ordre public verstoßen würde (Art 6 EGBGB). 72

70 71 72

224

Herber Haftungsrecht, 156. Herber Haftungsrecht, 156. VglBGHZ 118, 312, 338.

Sechster Abschnitt Haverei $ 7 8

[Große und besondere Haverei]

(1) Große Haverei sind alle Schäden, welche einem Schiffe oder der Ladung desselben oder beiden zum Zweck der Errettung beider aus einer gemeinsamen Gefahr von dem Schiffer oder auf dessen Geheiß vorsätzlich zugefügt werden, sowie auch die durch solche Maßregeln ferner verursachten Schäden einschließlich des Verlustes der Fracht für aufgeopferte Güter, desgleichen die Kosten, welche zu dem bezeichneten Zweck von dem Schiffer oder nach seiner Anweisung von einem der Ladungsbeteiligten aufgewendet werden. (2) Die große Haverei wird von Schiff und Ladung gemeinschaftlich getragen; die Havereiverteilung tritt jedoch nur ein, wenn sowohl das Schiff als auch die Ladung, und zwar jeder dieser Gegenstände entweder ganz oder teilweise wirklich gerettet worden sind. (3) Alle nicht zur großen Haverei gehörigen, durch einen Unfall verursachten Schäden und Kosten (besondere Haverei) werden von den Eigentümern des Schiffes und der Ladung, von jedem für sich allein, getragen.

Übersicht Rn 1. Allgemeines 2. Gemeinsame Gefahr für Schiff und Ladung (§ 78 Abs 1) 3. Vorsätzliche Schadenszufügung ($ 78 Abs 1) 4. Erfolg der Maßnahmen ($ 78 Abs 2 Halbs 2) 5. Umfang der Aufwendungen (§ 78 Abs 1) 6. Verteilung der Havereikosten (§ 78 Abs 2 Halbs 1) . . .

1-5 6-8

9-10 11 12 13

7. Besondere Haverei ($ 78 Abs 3)

14

8. Anderweitige Vereinbarungen 9. Internationales Privatrecht

15-16 17

225

BinSchG § 7 8 1.

Große und besondere Haverei

Allgemeines

1 Das Rechtsinstitut der großen Haverei (Haverie-Grosse) entstammt den alten Regeln der Seefahrer der Insel Rhodos und fand von dort Eingang in das römische Recht (lex rhodia dejactu). Es stellt den Grundsatz auf, daß Schäden, die von einem verantwortlich handelnden Schiffsführer dem Schiff und/oder der Ladung vorsätzlich zugefügt werden, um Schiff und Ladung aus einer gemeinschaftlichen Gefahr zu retten, im Erfolgsfall von Schiff und Ladung gemeinschaftlich zu tragen sind. Denn es wäre vor dem Hintergrund dieser Gefahrengemeinschaft 1 unbillig, die Schadensauswirkungen, die eine nautische oder sonstige Maßnahme zur Rettung des beladenen Schiffes mehr oder minder zufällig auf die Rechtsgüter einzelner Ladungsbeteiligter bzw der Schiffsinteressenten hat, allein diese tragen zu lassen, während andere Beteiligte, deren Rechtsgüter gerade durch diese Maßnahme gerettet wurden, die entstandenen Schäden und Kosten nicht mitzutragen hätten. Die Kostensicherheit, die der Schiffsführer durch die Haverie-Grosse-Vorschriften bekommt, setzt ihn in die Lage, ohne Rücksicht auf Sonderinteressen die Mittel zu ergreifen, die ihm zur Beseitigung einer gemeinsamen Gefahr geeignet erscheinen. Tatsächlich fällt in der Durchführung der Haverie-Grosse-Maßnahmen das Privatinteresse des einzelnen Schiffs- bzw Ladungsinteressenten regelmäßig mit dem Gesamtinteresse aller Beteiligten der großen Haverei zusammen. 2 2 Die gesamten Haverie-Grosse-Regeln gelten verschuldensunabhängig (§ 79 Abs 1; s aber § 79 Abs 2) allein im Innenverhältnis zwischen Schiffsinteressenten und Ladungsbeteiligten 3 . In diesem Verhältnis müssen die gesetzlichen Voraussetzungen von § 78 tatsächlich gegeben sein und können nicht qua Parteivereinbarung unterstellt werden.4 Soweit alle5 Haverie-Grosse-Beteiligten vertraglich verbunden sind, können die gesetzlichen Regeln von §§ 78ff abbedungen bzw modifiziert werden, 6 etwa durch die Vereinbarung der Haverie-Grosse-Regeln der Internationalen Vereinigung des Rheinschiffsregisters (IVR) (s Anhang §§ 90,91). In der Praxis werden die Haverie-Grosse-Regeln der IVR häufig von Schiffs- und der Ladungsseite einbezogen durch die dem Frachtvertrag zugrunde gelegten Internationalen Verladeund Transportbedingungen für die Binnenschiffahrt (IVTB), dort § 19. 7 Zu den York-Antwerp Rules (YAR) s § 85 Rn 3. Ansprüche zwischen Havariebeteiligten und Dritten können sich nur aus sonstigen Vorschriften ergeben. 8 Ebensowenig wird der Schiffsversicherer - trotz bestehenden Versicherungsschutzes für Beiträge zur gro-

1 2 3 4 5 6 7 8

Interessengemeinschaft allein reicht nicht, BGHZ 28,285,294. So bereits Begr BinSchG, 395. BGH ZfB 1979,377. OLG Köln Z£B 1993, SaS 1422. RG JW 1917, 292 Nr 5. OLG Köln ZfB 1985, 17. Die IVTB, Fassung 1999, sind abgedruckt in ZfB 1999, SaS 1748. BGH ZfB 1979,377.

226

Sechster Abschnitt. Haverei

§ 7 8 BinSchG

ßen Haverei (§§ 133, 147 VVG/§§ 131, 136 E-WG) 9 - unmittelbarer Havariebeteiligter; seine Einstandspflicht ergibt sich lediglich mittelbar auf der Deckungsebene 10 . Soweit der Versicherer leistet, erlangt er allerdings im Wege der Rechtsnachfolge ganz oder teilweise die Stellung eines Havariebeteiligten. 11 Die Gefahrengemeinschaft der großen Haverei hat iü mit der der Versicherungskonzeption zugrunde liegenden Gemeinschaft der versicherten Interessen nichts zu tun. 12 Der Begriff der Haverei 13 (von arabisch awar = beschädigte Ware, Schaden erleiden) 3 ist weder im HGB noch im BinSchG legal definiert. Während das Rheinschiffahrtslexikon darunter versteht einen „Schiffsunfall", der zur Folge hat die „Beschädigung eines Schiffes oder seiner Ladung oder auch beider zugleich durch Unfall, höhere Gewalt, vorsätzliches oder unbeabsichtigtes Verschulden" 14 hat das Reichsgericht unter Haverei eingeordnet „alle durch Unfälle während der Seereise entstehenden, über die regelmäßigen Kosten und Schäden der Schiffahrt hinausgehenden Verluste". 15 Als Unfall hat das Reichsgericht wiederum aufgefaßt „jedes von außen wirkende, zufällige und ungewöhnliche Ereignis, gleichviel, ob darauf ein Verschulden dritter Personen oder der Schiffsbesatzung eingewirkt hat". 15 Das BinSchG hat in §§ 78 bis 91 die seerechtlichen Vorschriften der §§ 700 bis 739 4 HGB nur teilweise übernommen. Denn die äußeren Rahmenbedingungen, unter denen die Binnenschiffahrt betrieben wird, weichen ganz erheblich von den Verhältnissen auf See ab: Während auf dem Meer im Havariefall häufig der Totalverlust des Schiffes droht, gelingt es den Schiffsführern von Binnenschiffen, die beispielsweise eine Kopf-auf-Kopf-Kollision erleiden, selbst bei Wassereinbruch regelmäßig, das havarierte Schiff auf die Krippen zu fahren oder anderweitig auf Grund zu setzen und somit vor dem Sinken zu bewahren (§§ 82,83 Rn 13). Andererseits ist das Binnenschiff durch Flußströmungen, Brückendurchquerungen, Kleinwasser, Eisgang, etc Gefahren ausgesetzt, die einem Seeschiff wesentlich seltener oder überhaupt nicht drohen. Diesen Unterschieden ist bei der Anwendung der §§ 78 bis 91 Rechnung zu tragen. 17 §§ 78 bis 81 regeln die Voraussetzungen, unter denen eine Schadens- und Kostenver- 5 teilung iRd großen Haverei in Betracht kommt. In §§ 82, 83 werden die in praxi besonders wichtigen Maßnahmen der großen Haverei genannt. §§ 84, 85 legen den Umfang der Haverie-Grosse-Vergütung und -Beiträge fest. §§ 86 bis 88 regeln das 9

10 11 12 13 14 15 16 17

Zu versicherungsrechtlichen Fragen im Zusammenhang mit der großen Haverei s E. Lorenz, Versicherungsrechtliche Fragen der großen Haverei in der Binnenschiffahrt, in: Wüst/Lorenz/Scherner/Müller (Hrsg), Probleme des Binnenschiffahrtsrechts V, Heidelberg 1 9 8 8 , 3 9 . BGHZ 67, 383 - N J W 1977, 501 = ZfB 1977,109; OLG Karlsruhe ZfB 1988, SaS 1226. BGHZ 67, 383 = NJW 1977, 501 = ZfB 1977, 109. Si'egVersR 1 9 9 6 , 6 8 4 , 6 8 S m w N . Zu den Unterschieden zu dem Begriff „Havarie" vgl Rabe SeeHR vor § 700 Rn Iff. Dunkelberg, Rheinschiffahrtslexikon, 20. RGZ 9 3 , 1 6 6 , 1 7 0 ; s auch OLG Bremen MDR 1 9 6 4 , 6 0 und 1966, 591. RGZ 9 3 , 1 6 6 , 1 7 0 . So auch Begr BinSchG, 103.

227

BinSchG § 7 8

Große und besondere Haverei

außergerichtliche Dispachierungsverfahren. §§ 89 bis 91 schließlich befassen sich mit den Schiffsgläubiger- und Pfandrechten, die aus Anlaß der großen Haverei entstehen. 2.

Gemeinsame Gefahr für Schiff und Ladung (§ 78 Abs 1)

6 Eine große Haverei setzt nach § 78 Abs l l s eine Gefahr für Schiff und Ladung voraus.19 Diese liegt objektiv vor, „wenn dem Schiff und der Ladung durch ein einheitliches Ereignis, dessen Ursache, Art und Intensität unerheblich sind, ein Schaden mindestens mittelbar droht, der nicht durch geeignete nautische Maßnahmen abgewendet werden kann". 20 Ausreichend ist die Wahrscheinlichkeit eines Schadens. Diese gemeinsame Gefahr muß gegenwärtig und unmittelbar bedrohend für Schiff und Ladung sein und eine Situation heraufgeschworen haben, in der regelmäßig ein Schaden an Schiff und Ladung eintritt. 21 Eine abstrakt zu befürchtende, durch geeignete Maßnahmen noch abzuwendende Gefahr (etwa in einigen Tagen zu erwartender Eisgang) reicht nicht aus.22 Nicht maßgeblich ist, welche Ursache die Gefahr hat, insbesondere ob sie auf Naturereignissen (Blitz, Nebel, Sturm, Eisgang, Hochund Kleinwasser, etc) oder auf menschliche Handlungen/Unterlassungen (Kollision, Abreißen eines Stilliegers, etc) zurückzuführen ist (s aber § 79 Abs 2). 7 Hinzukommen muß, daß diese Gefahr Schiff und Ladung gemeinsam droht. 23 Havarie-Grosse liegt nicht vor, wenn die Gefahr nur für das Schiff, nicht aber für die Ladung besteht. 24 Die Gefahrengemeinschaft von Schiff und Ladung beginnt mit der Beladung in das Schiff und endet mit der Löschung aus dem Schiff. Wird das Schiff auf der Reise wasserstandsbedingt vorübergehend aufgeleichtert, ändert dies an der Gefahrengemeinschaft nichts. Die Gefahr muß sowohl dem Schiff als auch der Ladung drohen, 25 nicht maßgeblich ist, daß diese Bedrohung beide gleichmäßig betrifft. 26 Eine solche gemeinsame Gefahr für Schiff und Ladung besteht auch im Falle einer Festfahrung im Strom. Der Umstand, daß die Ladung in einer solchen Situation im Regelfall später noch unversehrt umgeschlagen und gerettet werden kann, ändert nichts daran, daß auch die Ladung von den durch die Festfahrung ausgelösten Gefahren (Auseinanderbrechen, plötzliches Abtreiben des Schiffes, Kollision mit fließender Schiffahrt, etc) unmittelbar bedroht ist. 27

18 19 20 21 22 23 24 25 26 27

228

Vgl auch Regel IHGRIVR (Anhang $$ 90, 91 Rn 7). OLG Karlsruhe Zffi 1999, SaS 1768. OLG Köln TranspR 2000,224,225 unter Bezugnahme auf: G.Bemm Rechtsprobleme der großen Haverei, 39. RGZ 38, 4. OLGR Hamburg 7,1S1. RGZ 14, 34, 40; 165,166,171. OLG Karlsruhe Zffi 1999, SaS 1764. OLG Karlsruhe Beschl ν 25. 3.1994 (Az W1/94 BSch). RGZ 165,166,178. Einen zu engen Gefahrbegriff vertritt insoweit OLG Köln ZfB 1999, SaS 1741,1742 = TranspR 2000,224.

Sechster Abschnitt. Haverei

§ 7 8 BinSchG

Für die Beurteilung, ob eine solche gemeinsame Gefahr für Schiff und Ladung vor- 8 liegt, sind nicht allein objektive Maßstäbe wesentlich. Entscheidend ist, ob ein pflichtgemäß handelnder Schiffsführer ($ 7) subjektiv von einer solchen Gefahrenlage ausgehen konnte und mußte. 28 Etwas anderes gilt, wenn der Schiffsführer in grober Verkennung der Lage29 oder wegen übertriebener Ängstlichkeit30 eine Anscheinsgefahr angenommen hat, für die es real nachvollziehbare Anhaltspunkte nicht gab. Hier scheidet eine gemeinsame Gefahr für Schiff und Ladung aus. Umgekehrt fällt eine solche, die Maßnahme der großen Haverei begründende gemeinsame Gefahr nicht dadurch weg, daß sich ex post herausstellt, daß in Wirklichkeit keine oder nur eine erheblich geringere Gefahr drohte.31 3.

Vorsätzliche Schadenszufügung zum Zwecke der Errettung (§ 78 Abs 1)

Der Vorsatzbegriff des § 78 Abs 1 deckt sich nicht mit dem des bürgerlichen Rechts 9 (§ 276 BGB) oder des Strafrechts (§15 StGB). Der Schiffsführer, der Maßnahmen der großen Haverei veranlaßt, muß die eintretenden Schäden und Kosten als solche gar nicht positiv wollen; ausreichend ist, wenn er den Schadenseintritt als wahrscheinlich ansieht und iRd Rettungszweckes seiner Handlungen in Kauf nimmt. 32 Entscheidend kommt es darauf an, ob die Maßnahme „Teil eines einheitlichen, zum Nutzen von Schiff und Ladung veranstalteten Rettungswerkes" ist.33 Das maßgebende Abgrenzungsmerkmal zu einer Sondermaßnahme gem § 78 Abs 3 ist somit die innere Willensrichtung des Schiffsführers34 bzw der in seinem Einverständnis handelnden Personen.35 Geht es nur um die Rettung von Schiff oder Ladung, zählen die insoweit entstehen- 10 den Schäden und Kosten nicht zur großen Haverei.36 Das Werfen des Ankers in einer Gefahrenlage stellt eine nautische Maßnahme dar, so daß bei Verlust des Ankers eine vorsätzliche Aufopferung selbst dann nicht vorliegt, wenn der Schiffsführer mit dem Verlust rechnete (§§ 82, 83 Rn 8).37 Befolgt dagegen der Schiffsführer im Falle einer gemeinsamen Gefahr für Schiff und Ladung eine behördliche Anordnung und führt diese zur Rettung beider, so gehören Schäden, Opfer und Kosten zur großen Haverei.38 Bei mehreren Einzelmaßnahmen des Schiffsführers kommt es darauf an, ob

28 29 30 31 32 33 34 35 36 37 38

RGZ 38,1, 5; BGH ZfB 1961,4S3; OLG Köln TranspR 2000, 224,225. RGZ 38, 1; 165, 166, 171. RGZ 38,1, 5. Rahe SeeHR § 700 Rn 3 mwN. OLG Bremen VersR 1964, 674. BGHZ 6, 324. OLG Köln ZfB 1993, SaS 1422, 1424. BGHZ 6, 324, 328; BGH VersR 1965, 954; RGZ 78,171; 1S5,1S6,179ff. Begr BinSchG, 104. BGH VersR 1965,972,973. BGH NJW 1981, 2751 — ZfB 1981, 323.

229

BinSchG § 7 8

Große und besondere Haverei

diese auf einem einheitlichen Plan beruhen, Schiff und Ladung gemeinsam zu retten. 3 9

4. 11

Die Verteilung der Schäden und Kosten der großen Haverei k o m m t nur dann in Betracht, wenn sowohl das Schiff, als auch die Ladung zumindest teilweise gerettet werden konnten; denn es sollen - im Gegensatz zu Regel I der HGR IVR (Anhang §§ 90, 9 1 Rn 13) - nur solche Rettungsmaßnahmen gemeinschaftlich getragen werden, die für beide Teile einen, wenn auch nur teilweisen Erfolg erbracht haben. War die Maßnahme nur für einen Teil der Gefahrengemeinschaft, Schiff oder Ladung, erfolgreich, während für den anderen Teil Rettungsmaßnahmen gescheitert sind, liegt kein Fall der großen Haverei vor. In diesen Fällen sind aber Erstattungsansprüche aus Geschäftsführung ohne Auftrag oder ungerechtfertigter Bereicherung denkbar. Als spezielle Ausprägung von § 78 Abs 2 S 2 regelt § 8 2 Nr 3 Abs 2, daß im Falle eines absichtlichen Festfahrens oder Sinkens eines Binnenschiffes zum Zwecke der gemeinsamen Errettung eine Verteilung der Schäden/Kosten nach den Grundsätzen der großen Haverei dann nicht stattfindet, wenn das Schiff durch diese Maßnahme verloren geht bzw reparaturunwürdig wird (Totalverlust). 40

5. 12

Umfang der Aufwendungen (§ 78 Abs 1)

Zu den Aufwendungen der großen Haverei zählen vorsätzlich zugefügte Schäden (§ 78 Abs 1 Halbs 1) ebenso wie vom Schiffsführer veranlaßte Kosten (§ 78 Abs 2 letzter Halbs), wobei zwischen unmittelbaren und mittelbaren Schäden und Kosten zu differenzieren ist. Nur die unmittelbaren Schäden und Kosten müssen auf einer vorsätzlichen Maßnahme zur Rettung von Schiff und Ladung aus einer gemeinsamen Gefahr (Havarieakt) beruhen. Bei den mittelbaren Schäden und Kosten genügt es, wenn sie Folge der unmittelbaren selbständigen Havarieakte sind. 4 1 Zu den Einzelheiten s §§ 82, 83 Rn 5ff.

6. 13

Erfolg der Maßnahmen (§ 78 Abs 2 Halbs 2)

Verteilung der Havereikosten (§ 78 Abs 2 Halbs 1)

Liegen die Voraussetzungen von § 78 Abs 1, Abs 2 Halbs 2 (Rn 5 bis 12) vor, werden die entstandenen Schäden und Kosten auf Schiff und Ladung analog den beitragenden Werten verteilt. Die Ansprüche auf Beitragsleistung zur großen Haverei unterliegen nicht der Haftungsbeschränkung nach § 4 (§ 5 Nr 1, s § 5 Rn 3); andererseits wird eine persönliche Verpflichtung der Haverie-Grosse-Beteiligten nicht begründet

39 40 41

230

RGZ 165, 166, 180; BGHZ 6, 324. Zum Opfer des Schiffes in großer Haverei vgl Liesecke VersR 19S5,1017. BGHZ 28, 285.

Sechster Abschnitt. Haverei

§ 7 8 BinSchG

(S 90 Abs 1). Im Gegensatz zum Seerecht (§§ 700 Abs 2, 716 HGB) trägt die Fracht im Binnenschiffahrtsrecht nicht zur großen Haverei bei. Zu den Einzelheiten der Verteilungsberechnung s § 85. 7.

Besondere Haverei (§ 78 Abs 3)

Nicht verteilungsfähig sind unfallbedingte Schäden und Kosten, denen es an einem 14 Bezug zur Errettung von Schiff und Ladung fehlt. Hier ist wiederum (s Rn 8) maßgeblich der Rettungswille des Schiffsführers bei der Schadenszufügung bzw Kostenauslösung.42 Fehlt es hieran, handelt es sich um gewöhnliche Havariefolgen, die von der Gefahrengemeinschaft von Schiff und Ladung nicht zu tragen sind, vielmehr denjenigen angehen, bei dem sie entstanden sind (casum sentit dominus; s auch § 701 Abs 2 HGB). Ebenso zählen Besatzungslöhne, die im Zusammenhang mit der Errettung von Schiff und Ladung entstehen, zu den gewöhnlichen Kosten, die alleine der Schiffseigner zu tragen hat. 43 Zur Abgrenzung zwischen großer und besonderer Haverei (S 78 Abs 1, Abs 3) s auch §§ 80, 81. 8.

Anderweitige Vereinbarungen

§ 78 ist dispositiv,44 kann also im Frachtvertrag, insbesondere in Transport- und 15 Verladebedingungen, abbedungen oder modifiziert werden (Rn 2). Solche Sondervereinbarungen gelten indes nur im Verhältnis zu den Havariebeteiligten, die sich mit diesen Individualvereinbarungen - beispielsweise als Empfänger durch Annahme des Ladescheins45 - einverstanden erklärt haben. Von besonderer praktischer Bedeutung sind die Haverie-Grosse-Regeln IVR (Fas- 16 sung 2006) (Rn 2), die im Anhang §§ 90,91 dokumentiert und kommentiert sind. 9.

Internationales Privatrecht

Die Frage, ob überhaupt eine große Haverei vorliegt, beurteilt sich nach dem am 17 Dispachierungsort geltenden Recht (lex fori der für die Regulierung zuständigen Gerichte). Durch dieses Recht wird darüber hinaus auch bestimmt, welche Verfahrensvorschriften für die Dispacheverfahren (Anh §§ 87, 88) gelten. 45 Die Behandlung der Haverie-Grosse selbst richtet sich nach dem Statut des Fracht- 18 Vertrags.47 Es ist daher zu prüfen, ob der zugrunde liegende Frachtvertrag selbst be42 43 44 45 46 47

BGHZ 6, 324. BGH LM $ 78 BinSchG Nr 4; BGH VersR 1965,954; OLG Köln VersR 1963,1194. RGZ 89, 285. RG JW 1917, 292 Nr 5. Rabe SeeHR vor $ 700 Rn 15ff. RGZ 38, 1, 3.

231

BinSchG

§79

Einfluß des Verschuldens

stimmt, welches Recht zur Anwendung kommen soll (Art 27 EGBGB). Fehlt im Vertrag einschließlich etwa einbezogener Verlade- und Transportbedingungen eine entsprechende Rechtswahlklausel, kommt das Recht zur Anwendung, mit dem der Vertrag die engste Verbindung aufweist (Art 28 Abs 1 EGBGB). Dabei gilt bei Frachtverträgen die Vermutung gem Art 28 Abs 4 EGBGB, daß grundsätzlich die engsten Verbindungen mit dem Staat bestehen, in dem der Beförderer im Zeitpunkt des Vertragsabschlusses seine Hauptniederlassung hat (näheres s § 407 HGB Rn 39ff).

$79

[Einfluß des Verschuldens]

(1) Die Anwendung der Bestimmungen über große Haverei wird dadurch nicht ausgeschlossen, daß die Gefahr infolge des Verschuldens eines Dritten oder auch eines Beteiligten herbeigeführt ist. (2) Der Beteiligte, welchem ein solches Verschulden zur Last fällt, kann jedoch wegen der ihm etwa entstandenen Schäden keine Vergütung fordern und ist den Beitragspflichtigen für den Verlust verantwortlich, welchen sie dadurch erleiden, daß der Schaden als große Haverei zur Verteilung kommt. (3) Ist die Gefahr durch eine Person der Schiffsbesatzung verschuldet, so trägt die Folgen dieses Verschuldens auch der Schiffseigner nach Maßgabe des § 3.

Übersicht Rn 1. Allgemeines 2. Beteiligte 3. Ursächliches Verschulden 4. Verursachung durch Besatzungsmitglied 5. Rechtsfolgen des Verschuldens

1-2 3 4 5-6 7-10

6. Freizeichnung

11

7. Beweislast

12

1.

Allgemeines

1 § 79, der - bis auf geringfügige redaktionelle Unterschiede - mit der seerechtlichen Regelung des § 7 0 2 HGB übereinstimmt, stellt klar, daß die Haverie-Grosse-Verteilung grundsätzlich verschuldensunabhängig ist. 1 Es kommt also für die Anwen-

1

Vgl auch die inhaltsgleiche Regel III HGRIVR, Anhang $$ 90, 91 Rn 16.

232

Sechster Abschnitt. Haverei

§ 7 9 BinSchG

dung der Regeln der großen Haverei zunächst nicht darauf an, ob ein Havariebeteiligter oder ein Dritter die Gefahr, aus der Schiff und Ladung zu erretten waren, (mit-) verschuldet hat oder nicht. Denn der Grundgedanke der großen Haverei ist es gerade, daß sich ein Beteiligter, dem durch die Rettungsmaßnahmen Schäden oder Kosten entstanden sind, nicht auf einen verschuldensabhängigen Schadensersatzanspruch verweisen lassen muß. 2 Vielmehr soll er nach den Regeln der großen Haverei die Verteilung der Schäden verlangen können, ohne dem Risiko einer Beweisfälligkeit bei dem Nachweis eines Verschuldens ausgesetzt zu sein. Die ratio legis von § 79 Abs 1 besteht vor allem darin, daß in einer Notsituation für Schiff und Ladung, deren tatsächliche Ursache man im Anfangsstadium häufig nicht, jedenfalls nicht präzise genug kennt, aufgrund der Haverie-Grosse-Kostenabsicherung schnell gehandelt wird, um eine Ausweitung der Schäden zu vermeiden.3 Von diesem Grundsatz des § 79 Abs 1 macht § 79 Abs 2 insoweit eine Ausnahme, als 2 derjenige Haverie-Grosse-Beteiligte, dem in bezug auf die Gefahr ein Verschulden zur Last fällt, nach dem Grundsatz von Treu und Glauben ($ 242 BGB: „dolo facit qui petit quod statim redditurus est") von der Schadensverteilung ausgeschlossen wird; ihm soll also ein aktives Forderungsrecht gegen andere Beteiligte der großen Haverei nicht zustehen.4 2.

Beteiligte

Beteiligte an der großen Haverei sind alle Mitglieder der Gefahrengemeinschaft 3 von Schiff und Ladung. Das sind diejenigen (juristischen) Personen, die entweder aktiv einen Vergütungsanspruch geltend machen oder passiv einer analogen Beitragspflicht zur großen Haverei ausgesetzt sind. Im Vordergrund stehen dabei: Schiffseigner oder Ausrüster (§§ 1, 2) und die Ladungsbeteiligten (§ 7 Abs 2). HaverieGrosse-Beteiligte sind daneben die Personen der Schiffsbesatzung gem § 3 Abs 2 ($ 85 iVm § 723 Abs 1 Nr 2 HGB) sowie Reisende gem § 77 (§ 85 iVm § 723 Abs 1 Nr 3 HGB). Dagegen zählen die Versicherer von Schiff und Ladung ebensowenig zu den unmittelbaren Haverie-Grosse-Beteiligten5 wie der Berger.6 3.

Ursächliches Verschulden

Anwendungsvoraussetzung von § 79 Abs 2 ist, daß ein Haverie-Grosse-Beteiligter die 4 Ursprungsgefahr für Schiff und Ladung verursacht und verschuldet hat. Auf ein

2 3 4 5 6

BGHVersR 1979, 905. Grundlegend E. Lorenz, Versicherungsrechtliche Fragen der großen Haverei in der Binnenschiffalirt in: Wüst/Lorenz/Scherner/Müller (Hrsg), Probleme des Binnenschiffahrtsrechts V, Heidelberg 1988,39,44ff. Wüst, Havereiausgleich und Beteiligtenverschulden TranspR 1987,365. BGHZ 67, 383 = NJW 1977, 501 = ZfB 1977,109; OLG Karlsruhe ZfB 1988, SaS 122S. BGHZ 29, 223 = VersR 1959, 223 = NJW 1959, 723.

233

BinSchG § 7 9

E i n f l u ß des Verschuldens

Verschulden bei der zeitlich später liegenden Rettungsmaßnahme kommt es nicht an. Als schiffsseitige Gefahr kommen etwa in Betracht: von Anfang an bestehende Fahr- und Ladeuntüchtigkeit,7 fehlerhafte Ruderanlage,8 fehlende Klasse,9 falsche Beladung, Antritt einer Reise trotz Eisgang, Hoch- oder Kleinwasser,10 sowie schwerwiegende nautische Fehler. Als landseitige Gefahrenquellen sind als Gefahrverursacher von Bedeutung: Versendung gefährlicher Güter ohne Kennzeichnung, Erteilung unrichtiger bzw unzureichender Informationen über Ladungseigenschaften (gefährlicher Schwerpunkt, Zuladung anderer Colli unmöglich, besonders schädliche physikalische oder biologische Eigenschaften der Ware wie Ausdampfen, Keimen, Rieseln unter die Strau, etc).11 4.

Verursachung durch Besatzungsmitglied (§ 79 Abs 3)

5 Auf Seiten des Schiffes kommt es nicht an auf ein persönliches Verschulden des Schiffseigners bei der Gefahrverursachung. Ausreichend ist ein Verschulden eines Besatzungsmitgliedes (§ 3 Abs 2), für das der Schiffseigner adjektizisch haftet (§ 3 Abs 1; s SS 3 Rn Iff, 32ff). Insoweit enthält S 79 Abs 3 keinen eigenen Regelungsgehalt. 6 Auf der Ebene der Haftungsbeschränkung ist zu berücksichtigen, daß Schadensersatzansprüche gem § 79 Abs 2, Abs 3 nicht zu den in S 5 Nr 1 genannten Ansprüchen gehören (§ 5 Rn 3), so daß die Haftung für solche Ansprüche in Übereinstimmung mit § 90 Abs 1 sowie der Gesetzeslage vor 1998 12 nach § 4 Abs 1 beschränkt werden kann 13 . 5.

Rechtsfolgen des Verschuldens

7 Liegt eine schuldhafte Verursachung der gemeinsamen Gefahr für Schiff und Ladung vor, so kann der Haverie-Grosse-Beteiligte, der hierfür die Verantwortung trägt, für seine Schäden und Kosten keine anteilige Vergütung durch die anderen Beteiligten fordern. Dies gilt auch dann, wenn etwa der schuldige Schiffseigner einwendet, die Schiffsführung eines anderen, nicht Haverie-Grosse-beteiligten Schiffes trage Mitschuld an der Havarie. Eine solche Mitschuld (§ 254 BGB) im Außenverhältnis kann im Innenverhältnis der Haverie-Grosse-Gemeinschaft nicht berücksichtigt werden.14

7 8 9 10 11 12 13 14

234

BGHZ 67, 383; OLG Köln ZfB 1993, SaS 1422, 1424. BGH ZfB 1989, SaS 1269, 1270. RGZ 38, S; 62, 424. BGH NJW 1989, 853 = L M § 8 BinSchG Nr 9, OLG Karlsruhe Urtv 25. 6. 1991 (AzU 11/89 BSch). RGZ 20, 79; 9 3 , 1 6 3 ; 141, 3 1 5 , 3 1 7 . S Vorauf! $ 79 Rn 7. Rabe SeeHR Art 3 London HBÜ Rn 4. RGZ 6 2 , 4 2 0 .

Sechster Abschnitt. Haverei

§ 7 9 BinSchG

Hat bei der Havarie nur der schuldige Beteiligte Schaden erlitten, kommt somit 8 eine Verteilung gem § 79 Abs 2 nicht in Betracht. 15 Hat - umgekehrt - der schuldige Beteiligte keinen Schaden erlitten, bleibt er den übrigen schuldlosen Beteiligten, die Schaden erlitten haben, beitragspflichtig. Erleiden schuldige und schuldlose Beteiligte Schäden, so sind nur die Schäden der schuldlosen Beteiligten verteilungsfähig. Soweit bereits eine Haverie-Grosse-Verteilung stattgefunden haben sollte, sind die 9 schuldlosen Beteiligten berechtigt, ihre Beiträge von den schuldigen Beteiligten zurückzufordern (§ 79 Abs 2 Halbs 2). 16 Hat der Dritte wegen schuldhafter Gefahrverursachung (zum Teil) Ersatz für 10 Schäden geleistet, die im Dispacheverfahren bereits zwischen den Haverie-GrosseBeteiligten verteilt wurden, so muß die Ersatzleistung den einschießenden Beteiligten zurückerstattet werden.17 Soweit sich zB die Ladung anteilig an den Bergungskosten beteiligt hat, die später vom Havariegegner gezahlt werden, sind die Beiträge an die Ladung auszukehren.18 6.

Freizeichnung

Soweit einzelne Haverie-Grosse-Beteiligte frachtvertraglich verbunden sind, gelten 11 etwaige Freizeichnungsklauseln grundsätzlich auch im Rahmen von § 79.19 Denn es wäre ein Wertungswiderspruch, wenn sich etwa der Schiffseigner von der Haftung für den Totalverlust der Ladung iRd § 449 HGB freizeichnen könnte, aber andererseits für Haverie-Grosse-Maßnahmen, die gerade im Interesse der Ladung den Totalverlust abwenden, uneingeschränkt haften würde. Dabei ist zu beachten, daß eine Freizeichnung von einer Haftung für die Verletzung sog Kardinalpflichten, insbesondere hinsichtlich der anfänglichen Fahr- und Ladungstauglichkeit eines Schiffes, gem SS 305ff BGB unwirksam ist. 20 7.

Beweislast

Sind Schiff und Ladung in eine gemeinsame Gefahr geraten, weil das Schiff die Reise 12 fahruntüchtig angetreten hat und deshalb gesunken ist, ist es aufgrund des äußeren Anscheins eines Schiffsverschuldens Sache des Havarievergütung verlangenden Schiffseigners zu beweisen, daß ihn oder die Besatzung an der anfänglichen Fahr-

15 16 17 18 19 20

OLG Hamburg MDR 196S, 59. RG Recht 1909 Nr 27,28; OLG Hamburg HansGZ Hauptbl 1913 Nr 41. BGH TranspR 1997,39; OLG Hamburg TranspR 1995,445. OLG Bremen VersR 1984, 735. OLG Köln ZfB 1990, SaS 1279; RGZ SO, 401; 74,335. OLG Köln TranspR 2000, 224, 226 mwN = ZfB 1999, SaS 1741.

235

BinSchG SS 80, 81

Nachfolgende besondere Haverei

untüchtigkeit des Schiffes kein Verschulden trifft. 21 Mißlingt dem Schiffseigner dieser Entlastungsbeweis, so gilt gegen ihn § 79 Abs 2. 2 2 Ohne einen solchen Anscheinsbeweis ist grundsätzlich der Haverie-Grosse-Beteiligte, der die Einschußpflicht zur großen Haverei ablehnt oder einen geleisteten Beitrag zurückfordert, 23 beweispflichtig für die Voraussetzungen des § 79 Abs 2. 24 Soweit frachtvertragliche Beziehungen zwischen den Beteiligten in Betracht kommen, gelten die Beweislastregeln der §§ 4 2 5 , 4 2 6 HGB (s § 426 HGB Rn 10).

$80

[Beitragspflicht bei späterer besonderer Haverei]

Die Verpflichtung, von einem geretteten Gegenstande beizutragen, wird dadurch, daß derselbe später von besonderer Haverei betroffen wird, nur dann vollständig aufgehoben, wenn der Gegenstand ganz verloren geht.

$81

[Vergütungsberechtigung bei nachfolgender besonderer Haverei] (1) Der Anspruch auf Vergütung einer zur großen Haverei gehörenden Beschädigung wird durch eine besondere Haverei, welche den beschädigten Gegenstand später trifft, sei es, daß er von neuem beschädigt wird oder ganz verloren geht, nur insoweit aufgehoben, als bewiesen wird, daß der spätere Unfall mit dem früheren nicht allein in keinem Zusammenhang steht, sondern daß er auch den früheren Schaden nach sich gezogen haben würde, wenn dieser nicht bereits entstanden gewesen wäre. (2) Sind jedoch vor Eintritt des späteren Unfalls zur Wiederherstellung des beschädigten Gegenstandes bereits Aufwendungen gemacht, so bleibt rücksichtlich dieser der Anspruch auf Vergütung bestehen.

21 22 23 24

236

BGHZ 67, 383 =NJW 1977, 501 =MDR 1977, 473 = VersR 1977, 325 =ZfB 1977, 109. BGHZ 67, 383 = NJW 1977, 501 =MDR 1977, 473 = VersR 1977, 325 =ZfB 1977, 109. RG Recht 1909 Nr 27,28. BGHZ 67, 383 =NJW 1977, 501 =MDR 1977, 473 = VersR 1977, 325 =ZfB 1977, 109.

Sechster Abschnitt. Haverei

SS 80, 81 BinSchG

Übersicht Rn 1. Allgemeines 2. Spätere besondere Haverei 3. Totalverlust . 4. Beschädigung

1-2

3-4 5-6

5. Wiederherstellungskosten ($81 Abs 2)

7 8

6. Beweislast

9

1.

Allgemeines

Die sprachlich mißglückten §§ 80, 81 befassen sich mit der Frage, ob und, falls 1 ja, unter welchen Voraussetzungen und in welchem Umfang eine der großen Haverei zeitlich nachfolgende besondere Haverei (§ 78 Abs 3), also eine neue Havarie, Einfluß auf die Haverie-Grosse-Verteilung hat. Während § 80 die Beitragspflicht zur großen Haverei behandelt, steht bei § 81 der Vergütungsanspruch zur großen Haverei im Mittelpunkt. Beide Vorschriften tragen der Überlegung Rechnung, daß eine Dispachierung der Haverie-Grosse-Schäden und -Kosten am Reiseziel (§ 86) nur dann erfolgen kann, wenn die beitragenden Werte, auf die es wegen fehlender persönlicher Verpflichtung zur großen Haverei (§§ 89, 90) ankommt, am Ende der Reise noch vorhanden sind. In der großen Haverei gerettete Objekte, die später infolge einer besonderen Haverei (§ 78 Abs 3, § 78 Rn 14) untergehen, sollen somit weder eine Beitragspflicht (§ 80), noch einen Vergütungsanspruch (§ 81) rechtfertigen. §§ 80, 81 stellen eine besondere Ausprägung des die große Haverei bestimmenden Zusammenhangs zwischen Rettungserfolgs einerseits (§78 Abs 2 letzter Halbs) und Beitragspflicht (§ 80) bzw Vergütungsanspruch (§ 81) andererseits dar. Zu den seerechtlichen Vorschriften der §§ 704, 705 HGB besteht eine Parallele, die 2 Regelungen sind aber nicht identisch: § 704 HGB präzisiert in S 1 den Zeitpunkt des Eintritts der Haverie-Grosse-relevanten Zweithavarie („vor dem Beginn der Löschung am Ende der Reise"). Außerdem wird in § 704 S 2 HGB geregelt, daß durch Dritte verursachte Nachfolgehavarien die Haverie-Grosse-Verteilung unberührt lassen. Beides fehlt bei § 80. § 705 Abs 1 HGB verzichtet im Gegensatz zu § 81 Abs 1 auf einen gesonderten Hinweis der Beweisbelastung desjenigen, der sich wegen einer Nachfolgehavarie gegen den Vergütungsanspruch wendet; ein Unterschied in der Sache ergibt sich hieraus indes nicht. § 705 Abs 2 HGB schließlich ist mit § 81 Abs 2 wortgleich.

2.

Spätere besondere Havarie

Die nachfolgende besondere Havarie (§ 78 Abs 3) muß zunächst zeitlich von der 3 Ersthavarie getrennt sein, dh die Haverie-Grosse-Maßnahmen (§§ 82, 83) müssen 237

BinSchG SS 80, 81

Nachfolgende besondere Haverei

vollständig abgeschlossen sein. Das Schiff muß also die Fortsetzung seiner Reise zumindest begonnen, aber noch nicht beendet haben (§ 86). 4 Diese rein zeitliche Kategorie wird dadurch ergänzt, daß es für eine Anwendung von §§80, 81 in jedem Fall an einem kausalen Zusammenhang zwischen Erst- und Zweithavarie fehlen muß (s auch § 81 Abs 1: „in keinem Zusammenhang"). Darunter wird man zur Vermeidung unbilliger Äquivalenzzufälle einen adäquat-kausalen Ursachenzusammenhang beider Ereignisse zu verstehen haben. Es kann also zB der Umstand keine Rolle spielen, daß das später mit einem Dritten havarierte Schiff diesen Unfall schon deswegen nie hätte erleiden können, weil es sich ohne die Ersthavarie bereits bei einem anderen Stromkilometer befunden hätte. 3.

Total verlust

5 Der Totalverlust des Schiffes oder der Ladung1 durch die nachfolgende Haverie beseitigt die Beitragsverpflichtung gem S 80 aus der Ersthavarie. Denn mangels Rettungserfolges (§78 Abs 2 Halbs 2) am Ende der Reise (§86) soll der betreffende Schiffs- oder Ladungsinteressent nicht zur großen Haverei beisteuern müssen. 6 Nichts anderes gilt für den Vergütungsanspruch gem § 81. Auch dieser geht unter, wenn das Schiff oder die Ladung bei einem neuen Unfall vernichtet wird; der beweispflichtige (§81 Abs 1 vorletzter und letzter Halbs) Anspruchsgegner des Vergütungsberechtigten wird den Nachweis der überholenden Kausalität in diesem Fall ohne Schwierigkeiten führen können. 4.

Beschädigung

7 Schwieriger stellt sich die Situation dar, wenn Schiff oder Ladung bei der Zweithavarie nicht verloren gehen, sondern nur beschädigt2 werden. Im Lichte von §§ 78 Abs 2 Halbs 2, 89, 90, wonach nur existente Werte zur großen Haverei beitragen können, wird man daher - in Kongruenz zu der Streichung bei Totalverlust (s Rn 5, 6) - sowohl die Beitragsverpflichtung (§80 „vollständig"), als auch den Vergütungsanspruch (§ 81 „insoweit") pro rata an den Werten auszurichten haben, die am Ende der Reise (§ 86) de facto noch bestehen. 5.

Wiederherstellungskosten ($81 Abs 2)

8 Nicht zu berücksichtigen sind die Folgen einer Zweithavarie hinsichtlich der Kosten, die bereits vor Fortsetzung der Reise und damit vor einem späteren Unfall veranlaßt wurden. Dies regelt § 81 Abs 2 explizit für den aktiven Vergütungsanspruch. Da 1 2

RGZ 70,175. RGZ 15, 134; 60, 45; 66, 39.

238

Sechster Abschnitt. Haverei

SS 82, 83 BinSchG

dieser indes auf der Passivseite eine Beitragspflicht des anderen Haverie-Grosse-Beteiligten voraussetzt, wird man § 8 1 Abs 2 analog auf § 8 0 anzuwenden haben. In Betracht kommen in diesem Rahmen vor allem unverzügliche, die Fortsetzung der Reise erst ermöglichende Kosten wie provisorische Leckabdichtung oder Schraubenwechsel durch Taucher, Umschlags- und Verschleppungsgebühren, etc. Ungeschriebenes Tatbestandsmerkmal ist aber auch bei § 8 1 Abs 2, daß Schiff und Ladung zumindest teilweise erhalten bleiben. Fallen beide in Totalverlust, entfallen auch Beitragspflicht und Vergütungsanspruch für diese Wiederherstellungskosten (§ 78 Abs 2 Halbs 2). 6.

Beweislast

Umfassend beweisbelastet nach §§ 80, 81 ist der Beitragspflichtige der großen Ha- 9 verei. Er muß, um seiner Beitragsverpflichtung zu entgehen oder diese zumindest zu reduzieren, Tatsachen darlegen und beweisen, aus denen sich die Aufhebung oder Minderung seiner Beitragspflicht ergibt. Dazu zählt der Beweis eines Totalverlustes oder eine Wertminderung eines beitragenden Haverie-Grosse-Wertes in dem Zeitfenster zwischen Fortsetzung und Ende der Reise. Zusätzlich hat der Beitragspflichtige den doppelten Beweis zu führen, daß ein adäquat-kausaler Zusammenhang zwischen Erst- und Zweithavarie besteht und daß die Zweithavarie, hätte es die Ersthavarie nicht gegeben, dieselben Haverie-Grosse-gegenständlichen Schäden verursacht hätte (§ 81 Abs 1). Scheitert dieser Beweis, etwa weil bei der Ersthavarie Laderaum vier Steuerbord, bei der Zweithavarie aber Laderaum eins Backbord in Mitleidenschaft gezogen wurde, bleibt der Haverie-Grosse-Vergütungsanspruch (§ 81 Abs 1) und damit einhergehend die Haverie-Grosse-Beitragsverpflichtung (§ 80) unberührt.

$82

[Umfang der großen Haverei]

In bezug auf den Umfang der großen Haverei gelten, sofern die allgemeinen Voraussetzungen derselben vorhanden sind, die folgenden Bestimmungen: 1. Wenn Waren, Schiffsteile oder Schiffsgerätschaften über Bord geworfen, Taue oder Segel weggeschnitten, Masten, Anker, Ankertaue oder Ankerketten gekappt worden sind, so gehören zur großen Haverei sowohl diese Schäden selbst als die durch solche Maßregeln an Schiff oder Ladung ferner verursachten Schäden. 2. Wenn zur Erleichterung des Schiffes die Ladung ganz oder teilweise in Leichterfahrzeuge übergeladen worden ist, so gehört zur großen Haverei sowohl 239

BinSchG SS 82, 83

Umfang der großen Haverei

der Leichterlohn als der Schaden, welcher bei dem Überladen in das Leichterfahrzeug oder bei dem Rückladen in das Schiff der Ladung oder dem Schiffe zugefügt worden ist, sowie der Schaden, welcher die Ladung auf dem Leichterfahrzeuge betroffen hat. Muß die Erleichterung im regelmäßigen Verlaufe der Reise erfolgen, so liegt große Haverei nicht vor. 3. Wenn das Schiff absichtlich festgefahren ist, um das Sinken desselben abzuwenden, oder wenn das Schiff absichtlich zum Sinken gebracht ist, um eine Zerstörung desselben und der Ladung durch Feuer zu verhüten, so gehören zur großen Haverei sowohl die durch die Maßregel entstandenen Schäden als auch die Kosten und Schäden der Abbringung oder Hebung. Wird das Schiff nicht abgebracht oder gehoben oder wird es nach der Abbringung oder Hebung als reparaturunfähig befunden, so findet eine Havereiverteilung nicht statt. Ist das Schiff gesunken, ohne daß dies zur Rettung von Schiff und Ladung vorsätzlich herbeigeführt war, so gehören zwar nicht die durch den Unfall veranlaßten Schäden, wohl aber die zur gemeinsamen Hebung von Schiff und Ladung verwendeten Kosten sowie die zu diesem Zwecke dem Schiffe oder der Ladung absichtlich zugefügten Schäden zur großen Haverei. 4. Wenn zur Abwendung einer durch Eisgang oder durch andere Umstände verursachten Gefahr, zu deren Beseitigung die ordnungsmäßige Bemannung des Schiffes nicht ausreicht, Hilfsmannschaften oder Schleppdampfer angenommen werden, so gehören die hierdurch entstehenden Kosten und Schäden zur großen Haverei. Erfolgt die Annahme von Schleppdampfern oder Hilfsmannschaften im regelmäßigen Verlaufe der Reise, so liegt große Haverei nicht vor. 5. Wenn das Schiff wegen Eintritts des Winterfrostes gezwungen ist, einen Zwischenhafen aufzusuchen, so gehören zur großen Haverei die Kosten des Einund Auslaufens, die Schlepplöhne, die Hafengebühren, die für die Bewachung des beladenen Schiffes erforderlich gewordenen Kosten und, wenn zur Erleichterung des Schiffes die Ladung ganz oder teilweise in Leichterfahrzeuge übergeladen worden ist, der Leichterlohn sowie der durch die Leichterung entstandene Schaden gemäß der Bestimmung unter Nummer 2.

$83

[Aufenthalt am Zwischenort]

Wird außer dem Falle des S 82 Nr. 5 das Schiff genötigt, die Reise zu unterbrechen und an einem Zwischenorte liegen zu bleiben, so gehören die durch den Aufenthalt an diesem Orte entstehenden Kosten und Schäden nicht zur großen Haverei.

240

Sechster Abschnitt. Haverei

SS 82, 83 BinSchG

Übersicht Rn 1. Allgemeines 2. Opferung von Schiffsteilen oder Gütern (J 82 Nr 1)

1-4 5-9

3. Leichterung des Schiffes (S 82 Nr 2)

10-12

4. Absichtliches Festfahren oder Versenken des Schiffes (§ 82 Nr 3)

13-18

5. Annahme von Hilfsmannschaften oder Schlepphilfe ($ 82 Nr 4 ) .

19-21

6. Aufsuchen eines Nothafens (SS 82 Nr 5 , 8 3 )

22-27

1.

Allgemeines

Die Anwendung der gesamten Haverie-Grosse-Regein gem §§ 78ff bereitet in praxi 1 insbesondere bei der späteren Dispachierung der einzelnen in Betracht kommenden Kostenpositionen, nicht unerhebliche Schwierigkeiten. Ist die akute Gefahr erst einmal vorüber, wird von einem Haverie-Grosse-verpflichteten Ladungsbeteiligten häufig bestritten, daß überhaupt je eine Gefahr und damit die Notwendigkeit für die Auslösung von Kosten bestanden habe. Umgekehrt gilt es, Mißbrauchstendenzen entgegen zu wirken, die sich insbesondere darin realisieren, daß die Schiffsinteressenten Schäden und Kosten zur großen Haverei zuschlagen wollen, die mit einer gemeinsamen Gefahr für Schiff und Ladung tatsächlich nichts zu tun haben. 1 Vor diesem Hintergrund unternimmt § 82, dessen Nr 1 bis 5 mit den seerechtlichen 2 Regeln des § 706 Nr 1 bis 4 HGB teilidentisch sind, den Versuch, die Aufmachung sachlich richtiger Dispachen dadurch zu fördern, daß die wichtigsten und häufigsten Haverie-Grosse-Fälle gem S 78 aufgezählt und näher beschrieben werden. Dieser Beispielskatalog, der keinen abschließenden Charakter hat, 2 wird den heutigen nautisch-technischen Verhältnissen der Binnenschiffahrt nur noch zum Teil gerecht: Während Gefahrenlagen aufgrund Eis und Frost (§ 82 Nr 4 und 5) wesentlich seltener geworden sind und jedenfalls im westeuropäischen Stromgebiet kaum mehr vorkommen, fehlen im Gesetz jegliche Haverie-Grosse-Regein für Gefahrensituationen in der Tankschiffahrt. § 82 Nr 1 ist auf die Containerschiffahrt nur bedingt anwendbar, iü überwiegend irrelevant. Demgegenüber bestimmen die Fälle des § 82 Nr 2 und 3 auch nach über hundert Jahren unverändert die Binnenschiffahrtsrealität. § 82 beschränkt sich nicht nur darauf, wichtige Anwendungsbeispiele des § 78 auf- 3 zuzählen, tatsächlich werden die Tatbestandsvoraussetzungen des S 78 für die gesamten Beispiele des § 82 Nr 1 bis 5 modifiziert. Beispielsweise verschärft § 82 Nr 3 (höhere Anforderungen an Haverie-Grosse-Maßnahmen bei absichtlichem Festfahren bzw Versenken des Schiffes) die allgemeine Regel des § 78, während in § 82 Nr 4 und 5 bei Eis und Frost geringere Anforderungen an die Bejahung einer HaverieGrosse-Situation gestellt werden. Die allgemeinen Voraussetzungen des § 78 müssen 1 2

BGHZ 28, 285,290; so bereits Begr BinSchG, 106/107. BGHZ 28, 285, 288/289.

241

BinSchG SS 82, 83

Umfang der großen Haverei

also nur insoweit vorliegen, als nicht § 82 etwas anderes besagt.3 Bei der Frage, ob große Haverei vorliegt oder nicht, ist also zunächst zu prüfen, ob die allgemeinen Voraussetzungen des § 78 gegeben sind (s auch § 82 Halbs 2: „Sofern die allgemeinen Voraussetzungen [der großen Haverei] vorhanden sind"). Ist dies der Fall, muß geprüft werden, ob ausnahmsweise eine Sonderregel des § 82 den zu entscheidenden Fall von der großen Haverei ausnimmt. Liegen umgekehrt die allgemeinen Voraussetzungen des § 78 nicht vor, ist zu untersuchen, ob ausnahmsweise eine Sonderregel des § 82 große Haverei für die konkrete Gefahrensituation bejaht. 4 Neben dieser Modifizierung der Anwendungsvoraussetzungen des § 78 (Rn 3) regelt § 82 „in bezug auf den Umfang der großen Haverei", welche Schäden und Kosten auf die Beteiligten verteilungsfähig sind, wenn Haverie-Grosse zu bejahen ist. Im Gegensatz zu dem anspruchsbegründenden Teil des § 82 (Rn 3), der sich nur auf die in Nr 1 bis 5 genannten Beispiele bezieht und neben dem durchaus andere Fälle der großen Haverei iSv § 78 denkbar sind, hat § 82 auf der Rechtsfolgenseite, die den Umfang der Haverie-Grosse-Kosten behandelt, erschöpfenden und abschließenden Charakter. 4 Alle sonstigen, in § 82 Nr 1 bis 5 nicht genannten Folgeschäden und Folgekosten können somit nicht zur Verteilung gebracht werden.5 Ein Analogieschluß ist allerdings insoweit zulässig, als gerade der Rechtsgrund, der zur gesonderten Anerkennung bestimmter Folgeschäden und -kosten führte, für den in Frage stehenden Schaden zutrifft. 6

2.

Opferung von Schiffsteilen oder Gütern (S 82 Nr 1)

5 Als erstes Bsp nennt das Gesetz den klassischen Seewurf, von dem das Recht der großen Haverei seinen Ausgang genommen hat (§ 78 Rn 1). Dem Überbord werfen einzelner Schiffs- und/oder Ladungsteile werden andere vorsätzliche Rettungsmaßnahmen wie das Wegschneiden von Tauen oder das Kappen des Ankers gleichgestellt. Stets müssen diese Gegenstände auf Anweisung des Schiffsführers geopfert werden, um Schiff und Ladung aus einer gemeinsamen akuten Gefahr zu erretten. Vorbeugende Maßnahmen gehören nicht hierher. 6 Die häufigste Ursache für die Notwendigkeit solcher Rettungsmaßnahmen gem § 82 Nr 1 besteht darin, daß die Schiffsstabilität aufgrund Schlagseite, Leckage, Grundberührung oä gefährdet ist.7 In einem solchen Fall kann es die nautische Sorgfalt des Schiffsführers (§ 7) gebieten, zB einen Teil der Decksladung zu opfern, um die Stabilität wieder herzustellen, jedenfalls eine unmittelbar sinkgefährliche Krängung des Schiffes zu beseitigen. Im Falle eines Lecks kann mit einer solchen Maßnahme das 3 4 5 6 7

RGZ 44,140. BGHZ 28, 285,290; so bereits Begr BinSchG, 347. BGHZ 28, 285,290. BGHZ 28, 285, 290. RGZ 89, 285.

242

Sechster Abschnitt. Haverei

SS 82, 83 BinSchG

Ziel verfolgt werden, die Leckagestelle an der Außenhaut des Schiffes über die Wasserlinie zu bringen und dadurch weiteren Wassereintritt und ein Sinken des Schiffes zu vermeiden. Dem Seewurf gleichzustellen ist es, wenn Güter an Land oder auf Uferbauwerken abgesetzt und dort Diebstählen oder dem Verderb schutzlos ausgesetzt werden. Unter Waren iSv § 82 Nr 1 sind alle auf dem Schiff zum Zeitpunkt der großen Have- 7 rei transportieren Güter, die Effekten der Schiffsbesatzung (§ 3 Abs 2), das Gepäck der Reisenden (§ 77 Rn 19) sowie alle Vorräte zu verstehen. Durch die Ursprungshavarie wertlos gewordene Ware trägt nicht zur großen Haverei bei. Haverie-Grosse scheidet ebenfalls aus, wenn die gesamte Ladung geopfert werden muß; 8 in diesem Fall fehlt es an dem zwingend notwendigen Erfolg der großen Haverei im Hinblick auf die Ladung (§ 78 Rn 11). Dem Überbordwerfen von Waren gleichgestellt ist der Seewurf von Schiffsteilen oder 8 Schiffsgerätschaften. IRd Binnenschiffahrt ist das im Gesetz besonders genannte Kappen von Ankern, Ankertauen oder Ankerketten praxisrelevant. Zu der Aufopferung des Ankers zählt es indes nicht, wenn dieser bestimmungsgemäß - auch in einer Notsituation - eingesetzt wird, um ein etwa losgerissenes und ins Treiben geratenes Schiff ständig zu machen, und dabei auf felsigem Grund verloren geht. 9 Denn der bestimmungsgemäße Gebrauch eines Ankers liegt gerade darin, daß er von einem flotten Schiff aus geworfen wird. 10 Es handelt sich daher insoweit um keine außergewöhnlichen Maßnahmen nach § 78 Abs 1, sondern vielmehr um Schäden und Kosten der besonderen Haverei (§ 78 Abs 3). 11 Die Gefahr des Ankerverlustes fällt im Verhältnis zu den Ladungsbeteiligten in das alleinige Risiko des Schiffseigners und ist somit nach § 82 Nr 1 in großer Haverei nicht verteilungsfähig. 12 Hiervon unberührt bleibt die Möglichkeit, daß ein Ankerverlust in anderweitigem Haverie-Grosse-Zusammenhang, etwa gem § 82 Nr 3, ggf vergütungsfähig ist. 13 Haverie-Grosse-verteilungsfähig nach § 82 Nr 1 sind nicht nur die unmittelbaren 9 Schäden, die durch die Aufopferung von Waren oder Schiffsteilen, entstehen. Zur großen Haverei zählen auch die mittelbaren Schäden, die durch den Seewurf an den geretteten Werten (Schiff und Ladung) entstehen. Erforderlich ist insoweit ein adäquat-kausaler Zusammenhang zwischen Seewurf und mittelbaren Schäden. Denkbar ist etwa Wasser- oder Regeneintritt in die zum Zwecke des Seewurfs geöffneten Lukendächer oder zB Schäden an Ruder oder Propeller, die dadurch entstehen, daß über Bord geworfene Gegenstände in den Strom geraten.

8 9 10 11 12 13

OLG Hamburg HansGZ 1 S 9 2 , 1 6 2 . BGH VersR 196S, 972; OLG Köln u r t V 30. 7. 1963 (Az U 103/62). OLG Köln VersR 1 9 6 3 , 1 1 9 4 ; OLG Frankfurt am Main Urt ν 1 3 . 1 2 . 1 9 2 2 (Az 4 U 339/22). BGH VersR 196S, 972, 973. BGH VersR 19S5, 972; zum ganzen s Liesecke VersR 1965,1017. BGH VersR 196S, 972, 973.

243

BinSchG SS 82, 83 3.

Umfang der großen Haverei

Leichterung des Schiffes (S 82 Nr 2)

10 Leichterkosten zählen, wie § 82 Nr 2 S 2 - zusätzlich zu §§ 78 Abs 2, 82 Halbs 2 - besonders klarstellt, nur dann zur großen Haverei, wenn die Leichterung nicht allgemein der Fortsetzung der Reise, sondern speziell der Beseitigung einer gemeinsamen Gefahr für Schiff und Ladung dienen soll. 14 Fallen des Wassers als solches gehört zu den gewöhnlichen Rahmenbedingungen der Binnenschiffahrt, auf die sich ein verantwortungsvoll handelnder Schiffsführer (§ 7) einzustellen hat (§ 7 Rn 9). Erfolgt daher im Rahmen einer solchen Reise eine Aufleichterung für einen „trockenen" Streckenabschnitt, etwa das Nadelöhr der West-Ost-Magistrale in Europa, den Donauabschnitt zwischen Straubing und Vilshofen, wobei die aufgeleichterte Menge, nach Passage des schwierigen Stromabschnitts wieder zugeladen wird, kann die Ladung an diesen Kosten im Wege der großen Haverei nicht beteiligt werden. Dennoch enthält § 82 Nr 2 keine allgemeine Regel dahingehend, eine Aufleichterung wegen Niedrigwassers könne niemals Haverie-Grosse-fähig sein. 15 Denkbar ist etwa ein, auch für einen pflichtgemäß handelnden Schiffsführer gänzlich unvorhersehbares extremes Abfallen des Wasserstandes16 oder gar ein Trockenfallen eines Kanals wegen Auslaufens der Stauhaltung. In diesen Fällen wird man eine gemeinsame Gefahr für Schiff und Ladung und damit die Haverie-Grosse-Verteilungsfähigkeit der dabei entstehenden außergewöhnlichen Umschlagskosten annehmen können. 17 11 Zu der großen Haverei gehören Leichterkosten, die entstehen, um eine gemeinsame Gefahr für Schiff und Ladung zu beseitigen, die durch eine Festfahrung oder eine Leckage entstanden ist. Dabei begründet das Aufgrundgeraten des Schiffes für sich alleine noch keinen Fall der großen Haverei.18 Dies ist jedoch zu bejahen, wenn durch ein (weiteres) Fallen des Wassers ein Auseinanderbrechen des beladenen Schiffes droht. 19 Haverie-Grosse liegt ebenfalls vor, wenn das manövrierunfähige Schiff eine Kollisionsgefahr für die fließende Schiffahrt darstellt.20 Maßgebend für die Beurteilung dieser Gefahrenlage ist nicht die - ex post beurteilte - objektive Situation, sondern allein die Lage, wie sie sich ex ante aus der Sicht eines ordentlichen Schiffsführers (§ 7) subjektiv darstellen mußte (§ 78 Rn 8). 21 12 Zu den verteilungsfähigen Leichterkosten gem § 82 Nr 2 zählen zum einen der Leichterlohn, zum anderen die Schäden, die bei der Aufleichterung oder dem Rückumschlag an der Ladung, dem Schiff sowie dem Leichterfahrzeug entstehen. Ebenso gehören hierzu die Kosten für die mit der Leichterung im Zusammenhang stehenden 14 15 16 17 18 19 20 21

244

RGZ 38,1; vgl auch Regel XXIHGRIVR (Anhang $$ 90,90 Rn 45). So schon Begr BinSchG, 347. RGZ 38,1. OLG Hamburg HansGZ 1882,221. RGZ 165,166,174. BGHZ 2, 20; aA OLG Köln ZfB 1999, SaS 1741, 1742 = TranspR 2000, 224. OLG Köln ZfB 1999, SaS 1741,1742 = TranspR 2000, 224. OLG Köln ZfB 1999, SaS 1741 = TranspR 2000, 224.

Sechster Abschnitt. Haverei

SS 82, 83 BinSchG

Kran-, Verschleppungs- oder Lotsenkosten. Ferner gehören die Kosten der Weiterbeförderung mit dem Leichterfahrzeug zum Bestimmungsort (sog stellvertretende Kosten) zu den Kosten der großen Haverei.22 Nimmt der Schiffsführer vorsätzlich Bodenschäden seines Schiffes aufgrund fallenden Wassers in Kauf, da diese erheblich geringer sind als die ansonsten notwendigen Leichterkosten, sind die Bodenschäden ebenfalls als stellvertretende Kosten bis zu Höhe der ersparten vergütungsberechtigten Kosten der Leichterung als Haverie-Grosse-Folge anzuerkennen. 23 Zu den stellvertretenden Kosten vgl auch Rn 27.

4.

Absichtliches Festfahren oder Versenken des Schiffes (S 82 Nr 3)

Nach einer schweren Havarie mit Wassereinbruch gehört es zu den wichtigsten Ret- 13 tungsmaßnahmen, das Schiff, soweit unmittelbare Sinkgefahr besteht, auf die Krippen oder eine Sand- oder Kiesbank zu setzen, um ein Sinken abzuwenden. Insoweit sind die Verhältnisse in der Seeschiffahrt, bei denen eine solche Rettungschance die Ausnahme und nicht - wie in der Binnenschiffahrt - die Regel ist, anders gelagert, so daß bei der Übertragung der Rspr zu der Parallelvorschrift des § 706 Nr 3 HGB 24 auf Situationen der großen Haverei in der Binnenschiffahrt Zurückhaltung geboten ist (S 78 Rn 4). Erforderlich ist zum einen ein absichtliches Festfahren des Schiffes, regelmäßig 14 also außerhalb der Fahrrinne, um das Sinken abzuwenden. Zweck dieser vorsätzlichen Festfahrung als außergewöhnliche Maßnahme muß wiederum sein, eine akute Gefahr für Schiff und Ladung zu beseitigen. Eine unbeabsichtigte Grundberührung fällt somit ebensowenig unter den Festfahrungsbegriff des § 82 Nr 3 wie eine Festfahrung, die dadurch entsteht, daß das Schiff, um eine Kollision mit einem anderen Schiff zu vermeiden, ins Ufer läuft. 25 Nicht erforderlich ist, daß die Festfahrung das einzig verbleibende Rettungsmittel in der großen Haverei ist, es reicht vielmehr aus, wenn ein ordentlicher Schiffsführer (§ 7) in der konkreten Gefahrensituation bei der Wahl mehrerer Mittel die vorsätzliche Festfahrung als geeignetes Rettungsmittel ansehen durfte. Daneben kommt als Rettungsmaßnahme ein vorsätzliches Versenken des Schiffes 15 in Betracht, dh eine absichtliche Beseitigung der Schwimmfähigkeit des Kaskos (§ 1 Rn 4 und 24) mit der Folge, daß dieses ganz oder teilweise unter Wasser gerät. Die Versenkung muß zu dem Zweck erfolgen, die Zerstörung des Schiffes und der Ladung durch Feuer zu verhindern. Die Feuersbrunst muß Schiff und Ladung zumindest teilweise erfaßt haben, so daß eine unmittelbar drohende Gefahr besteht.

22 23 24 25

OLG Karlsruhe HRZ 22,150 Nr 39. BGHZ 28, 285, 296; RGZ 98, 171, 173; vgl auch Regel II HGRIVR ($$ 90, 91 Rn 14f). Vgl auch Regel XVIII HGR IVR (Anhang §§ 90,91 Rn 37). RGZ 44, 136, 139.

245

BinSchG SS 82, 83

Umfang der großen Haverei

Soweit durch die Natur der Ladung bedingt ein Versenken und damit eine vollständige Durchnässung mit zum Teil verunreinigtem Schmutzwasser gleichbedeutend ist mit dem Totalverlust der Ware (zB bei Getreide), kommt eine große Haverei nicht in Betracht, da in einem solchen Fall der notwendige Erfolg der Haverie-GrosseMaßnahme für die Ladung von vornherein nicht eintreten kann (§ 78 Rn 11). 16 Zu den verteilungsfähigen Schäden und Kosten im Zusammenhang mit der absichtlichen Festfahrung/Versenkung nach § 82 Nr 3 gehören alle Schäden und Kosten an Schiff oder Ladung, die durch die erfolgreichen Maßnahmen selbst und deren Folgen eingetreten sind, und zwar sowohl bei dem Freiturnen des Schiffes im Falle der Festfahrung als auch bei dessen Hebung im Falle der Versenkung. In Betracht kommen insbesondere Kosten für Turnen, Beseitigung von Untiefen sowie von durch die Maßnahme veranlaßten Schäden an der Flußsohle, 26 Bergung, Taucheinsätze, usw. Maßgeblich ist aber auch insoweit ein ursächlicher Zusammenhang dieser Maßnahmen mit dem Rettungsziel des Schiffsführers. Der normale Lohn (SS 21 bis 25 Rn 14ff) für die Schiffsbesatzung (§ 3 Abs 2) während der Haverie-GrosseMaßnahmen ist nicht verteilungsfähig.27 17 Nach § 82 Nr 3 S 2 findet keine Havereiverteilung statt, wenn das Schiff „nicht abgebracht oder gehoben oder nach der Abbringung oder Hebung als reparaturunfähig befunden wird". Diese Vorschrift schließt sich an den allgemeinen Erfolgsgrundsatz des S 78 Abs 2 an, daß durch die außergewöhnlichen Maßnahmen Schiff und Ladung mindestens teilweise gerettet werden müssen (§ 78 Rn 11). Es genügt aber nicht die Bergung als Wrack, selbst wenn die geborgenen Wrackteile als Schrott noch einen Materialwert verkörpern und verkäuflich sein sollten. Das Gesetz will verhindern, daß Schiffe, die in Wirklichkeit schon vorher untauglich waren, unter dem Vorwand der gemeinsamen Errettung aus einer Gefahr mißbräuchlich festgefahren oder versenkt werden, um danach von den Ladungsbeteiligten Ersatz in großer Haverei zu verlangen.28 Die Reparaturunfähigkeit des Schiffes ist nach den Umständen des Einzelfalles im Zeitpunkt der Hebung oder Abbringung zu beurteilen. Es ist konkret festzustellen, ob das beschädigte Schiff wieder in einen fahr- und ladungstüchtigen Zustand versetzt werden kann oder ob eine Reparatur, sei es als völlig unmöglich, sei es wegen eines unverhältnismäßig hohen Kostenaufwandes nach vernünftigem Ermessen als ausgeschlossen angesehen werden kann. 29 Jede Reparatur ist tatsächlich machbar, wirtschaftlich aber nicht immer sinnvoll. Übersteigen die Reparaturkosten den Schiffswert im Falle einer durchgeführten Reparatur, liegt wirtschaftlich eine Reparaturunwürdigkeit iS des Gesetzes vor. 26 27 28 29

246

OLG Köln VersR 1978,343. BGH VersR 1965, 954 = Revisionsentsch zu OLG Köln VersR 1963,1194. Begr BinSchG, 107ff. Begr BinSchG, 107f.

Sechster Abschnitt. Haverei

SS 82, 83 BinSchG

Ausnahmsweise gehören nach § 82 Nr 3 S 3 3 0 die Kosten der Hebung eines gesunke- 18 nen Schiffes und der Ladung zur großen Haverei, auch wenn die allgemeinen Voraussetzungen nach § 78 für die Annahme einer großen Haverei nicht vorliegen. Voraussetzung hierfür ist, daß eine gemeinsame Hebung von Schiff und Ladung iSd Errettung aus gemeinsamer Gefahr für notwendig erachtet wird, wobei der Kenntnisstand und die Willensrichtung des Schiffsführers maßgeblich ist. 31 Aufgrund der Länge und Tonnage moderner Binnenschiffe ist dieser gesetzlich geregelte Fall „eines einheitlichen, zum Nutzen von Schiff und Ladung veranstalteten Rettungswerkes" 32 ohne Praxisrelevanz, da eine solche gemeinsame Hebung regelmäßig die Gefahr des Auseinanderbrechens des beladenen Schiffes und damit den (endgültigen) Totalverlust von Schiff und Ladung mit sich brächte. Tatsächlich zielen heutige Rettungsmaßnahmen regelmäßig auf das Einzelinteresse von Ladung oder Schiff ab; die dabei entstehenden Kosten und Schäden sind aufgrund eines fehlenden gemeinschaftlichen Rettungsziels für Schiff und Ladung (§ 78 Abs 1) in der großen Haverei nicht vergütungsfähig. 33

5.

Annahme von Hilfsmannschaften oder Schlepphilfe (S 82 Nr 4)

§ 82 Nr 4 S 1 regelt den Fall, daß die planmäßige Schiffsbesatzung aufgrund einer außergewöhnlichen Gefahrenlage für Schiff und Ladung (S 78) nicht mehr ausreicht, um dieser Gefahrenlage zu begegnen. In diesem, in der modernen Binnenschiffahrt seltenen Fall kommt eine Haverie-Grosse-Verteilung zusätzlicher Personal· und/oder Verschleppungskosten in Betracht. Nicht erforderlich ist es, daß es sich um fremde Hilfsmannschaften oder ein reedereiexternes Schleppboot handelt (so auch die sog Schwesterschiffklausel in Regel XXIII HGR IVR, Anhang §§ 90, 91 Rn 48). Liegen die Voraussetzungen von §§ 78, 82 Nr 4 S 1 vor, können durchaus die Kosten für weitere Bedienstete des Schiffseigners oder für ein der Reederei gehörendes Schleppboot in der großen Haverei vergütet werden.

19

Als Legalbeispiel der Gefahr dient der Eisgang, dem indes „andere Umstände", also 20 Hoch- und Kleinwasser, Sturm, 34 aber auch Feuer an einer Umschlagseinrichtung, gleichzustellen sind. Nicht ausreichend ist die Möglichkeit, daß eine solche Gefahrenlage in Bälde entstehen könnte. Erforderlich ist - wie in der großen Haverei stets (S 78) - die akute besondere Gefahr, die Schiff und Ladung unmittelbar konkret bedroht und zu deren Abwendung zusätzliche Hilfsmannschaften oder eine Verschleppung zwingend notwendig ist.

30 31 32 33 34

Vgl auch Regel XIX HGR IVR (Anhang $$ 90, 91 Rn 38). BGHZ 6, 324, 328; RGZ 98,171; 165,166,179ff. BGHZ 6, 324. BGHZ 6, 324, 329 mV auf die englische seerechtliche Rspr. OLG HamburgHansGZ 1920,281.

247

BinSchG SS 82, 83

Umfang der großen Haverei

21 Normale Gefahrensituationen auf dem Strom als solche sind Teil jeder Schiffsreise; Arbeiten der Schiffsbesatzung (§ 3 Abs 2), die der Abwendung dieser Gefahren dienen, können nie der großen Haverei unterfallen.35 § 82 Nr 4 S 2 stellt daher klar, daß solche gewöhnlichen Zusatzmaßnahmen „im regelmäßigen Verlaufe der Reise", etwa die Beauftragung eines Vorspannbootes in der Bergfahrt durch das Rheingebirge aufgrund (zu) schwacher Motorisierung des eigenen Schiffes oder die Verpflichtung von zusätzlichem Personal zur Ermöglichung der Continue-Fahrt (24 Stunden), nicht iRd großen Haverei gegenüber der Ladung vergütungsfähig sein können. 6.

Aufsuchen eines Nothafens (SS 82 Nr 5 , 8 3 )

22 Im Gegensatz zum Seerecht, wo auch heute noch die sog Nothafelung eine nicht unbedeutende Rolle spielt36 und deswegen in § 706 Nr 4 HGB eine wesentlich weitreichendere Regelung zur Verfügung stellt, 37 beschränkt sich das BinSchG auf den Fall, daß wegen Winterfrost ein Zwischenhafen von dem Schiffsführer zur Rettung von Schiff und Ladung angelaufen werden muß 38 . Arg e contr § 82 Nr 4 („Eisgang oder andere Umstände") und § 83 („außer dem Falle des § 82 Nr 5") kommt eine analoge Anwendung des § 82 Nr 5 auf andere Gefahren als Winterfrost nicht in Betracht. Tatbestandsvoraussetzung ist daneben wiederum eine unmittelbar drohende Gefahr für Schiff und Ladung (SS 78 Abs 1, 82 Abs 2). 23 Unter Winterfrost ist die Gefahr zu verstehen, die Schiff und Ladung dadurch droht, daß Fluß oder Kanal allmählich zufrieren39 und daß das Schiffskasko (§ 1 Rn 26) durch Eisgang während der Fahrt, aber auch durch Einfrieren beim Stilliegen unmittelbar bedroht wird. Im Gegensatz zu der Beeinträchtigung der Binnenschiffahrt durch Kleinwasser, bei der nur im Falle außergewöhnlicher, besonderer Umstände Leichterkosten Haverie-Grosse-vergütungsfähig sind (§ 82 Nr 2; Rn 10), erfaßt § 82 Nr 5 auch die Gefährdungsfälle, die im normalen Verlauf eines Winters eintreten. Es ist also kein besonders strenger außergewöhnlicher Winterfrost erforderlich, um Zusatzkosten gem § 82 Nr 5 in der großen Haverei zu verteilen. Hintergrund ist, daß die wirtschaftlichen Folgen eines möglicherweise wochenlangen Stilliegens in einem Zwischenhafen während des Winters, insbesondere Bewachungskosten, Schlepplöhne, Hafengebühren, Eisbrecherhilfe, etc, gerecht von Schiff und Ladung gemeinsam getragen werden sollen.

35 36 37 38 39

248

OLG Köln VersR 1963,1194. Rabe SeeHR $ 706 HGB Rn 28ff. OLG Köln VersR 1963, 1194. Vgl auch Regel XXIIHGRIVR (Anhang $$ 90,91 Rn 4S). OLG Köln ZfB 1991, SaS 1342.

Sechster Abschnitt. Haverei

SS 82, 83 BinSchG

Der Begriff Zwischenhafen ist zeitlich, nicht räumlich zu verstehen. 40 Der Hafen 2 4 muß von dem Schiff nach dem Antritt und vor Beendigung der Reise wegen Eintritts des Winterfrostes und der damit im Zusammenhang stehenden Gefahr für Schiff und Ladung aufgesucht werden.41 Notwendig ist also die Abänderung des vorgesehenen Reiseplans; nicht ausreichend ist, wenn das Schiff den Hafen im normalen Verlauf der Reise ohnehin angelaufen hätte, etwa zum Bunkern oder zum Laden oder Löschen anderweitiger Güter. 42 Als Zwischenhafen nicht in Betracht kommt der Bestimmungshafen, da mit dessen Erreichen das Reiseziel erfüllt wurde.43 Unter einem Hafen ist nicht nur ein künstlich angelegter, sondern auch ein durch 25 die Natur geschützter, an das Ufer grenzende Ankerplatz zu verstehen, der geeignet ist, Binnenschiffen auf Dauer ein gesichertes Stilliegen zu ermöglichen. 44 Vor dem Hintergrund des Schutzes vor Eis muß es sich um einen Hafen handeln, bei dem gewährleistet ist, daß die von dem Eis auf das Schiff ausgehenden Gefahren beherrscht werden können (Einsatz von Eisbrechern oder jedenfalls Eisstangen zum Schutz vor dem Zerbersten des Schiffes). Notwendig ist das zielgerichtete Aufsuchen des Nothafens durch den Schiffsführer, 26 um den Gefahren für Schiff und Ladung zu begegnen. Es ist daher nicht ausreichend, daß das Schiff in einem bestimmungsgemäß angelaufenen Zwischenhafen wegen inzwischen eingetretener Eisgefahr liegen bleibt und dort einfriert. 45 Diese Kosten gehören zu dem normalen Risiko der Schiffahrt und sind gem § 83 in der großen Haverei nicht vergütungsfähig. Zu den vergütungsfähigen Havereikosten nach § 82 Nr 5 zählen die Kosten des 27 Ein- und Auslaufens (sog Deviationskosten), Schlepplöhne, Hafengebühren, Bewachungs- und Leichterkosten sowie etwaige durch die Leichterung eingetretene Schäden. In besonderen Fallkonstellationen können auch sog stellvertretende Kosten vergütungsfähig sein (Rn 12). 4S Löhne der Schiffsbesatzung (SS 21 bis 25 Rn 14ff) gehören nur insoweit zur großen Haverei, als die Bewachung des beladenen Schiffes gewährleistet wird. Sonstige allgemeine Schiffahrtskosten wie zB Gasölkosten, aber auch Personalkosten für andere als Bewachungszwecke gehören nicht zur großen Haverei.47

40 41 42 43 44 45 46 47

OLG Karlsruhe JW1932,2091 Nr 4. OLG Karlsruhe JW 1932,2091 Nr 4; OLG Düsseldorf JW 1932,2298 Nr 3. OLG Karlsruhe JW 1932,2091 Nr 4; OLG Düsseldorf JW 1932,2298 Nr 3. OLG Hamburg HansGZ 1899,148. RGZ 89, 277. RGZ 39, 11. BGHZ2S, 285= NJW 1959,149. BGH ZfB 1965,370.

249

BinSchG § 8 4

[Haverie-Grosse-Kosten]

$84

[Haverie-Grosse-Kosten]

Wenn durch die Auseinandersetzung unter den Beteiligten Kosten entstehen, so gehören auch diese Kosten zur großen Haverei. Dies gilt insbesondere von den Kosten für die Ermittlung der Schäden und für die Aufstellung der Rechnung über die große Haverei (Dispache).

Übersicht Rn 1. Allgemeines 2. Schadensermittlungskosten

1 2-4

3. Verklarungskosten 4. Dispachekosten

5 6

5. Sonstige Auseinandersetzungskosten

7

1.

Allgemeines

1 Zu den in der großen Haverei gem § 78 Abs 1 vergütungsfähigen Schäden und Kosten zur Rettung von Schiff und Ladung aus einer gemeinsamen Gefahr zählen neben den in § 82 als Hauptbeispiele genannten Kosten der unmittelbaren Rettungsmaßnahmen auch die mittelbaren Auseinandersetzungskosten, die dadurch entstehen, daß zwischen den Haverie-Grosse-Beteiligten (§ 79 Rn 3) Unklarheit oder Streit darüber entsteht, wer in welchem Umfang beitragspflichtig ist. § 84 S 1 entspricht insoweit der seerechtlichen Regelung von § 706 Nr 7 S 1 Alt 2, S 2 HGB. In § 84 S 2 werden die Schadensermittlungs- und Dispachierungskosten als wichtige Legalbeispiele („insbesondere") angeführt, ohne daß dies für die verteilungsfähigen Auseinandersetzungskosten insgesamt abschließenden Charakter hätte.

2.

Schadensermittlungskosten

2 Zu den Auseinandersetzungskosten der großen Haverei gehören zuallererst die Kosten, die bei der Ermittlung Haverie-Grosse-fähiger Schäden und Kosten (§ 78 Abs 1) entstehen (§ 84 S 2). Um diese Schäden der großen Haverei nach Grad, Umfang und Höhe festzustellen, werden regelmäßig Sachverständige beauftragt, die diese Haverie-Grosse-Positionen taxieren. Die dabei entstehenden Sachverständigengebühren fallen unter die Ermittlungskosten. Nicht nach § 84 S 1 vergütungsfähig sind diese Sachverständigenkosten indes dann, wenn sie ausschließlich im Interesse eines Beteiligten oderseiner Versicherung jenseits eines Haverie-Grosse-Bezuges (§ 133 WG/ §§ 1 3 1 , 1 3 6 E-VVG iVm §§ 835, 839 HGB) aufgewandt werden. Solche Interventions250

Sechster Abschnitt. Haverei

§ 8 4 BinSchG

kosten, die sich nicht auf die Gefahrengemeinschaft von Schiff und Ladung beziehen, bleiben bei der Kostenverteilung der großen Haverei unberücksichtigt.1 Zu den in der großen Haverei vergütungsfähigen Sachverständigenkosten zählen 3 Kosten für Taxierung, Schiff- bzw Ladungsbesichtigung, Einholung von Auskünften, Anfahrten, etc. Sofern ein Schiff zur Überprüfung eines Bodenschadens nebst Ruderanlage und Propeller auf Helling genommen werden muß, gehören auch notwendige zusätzliche Besichtigungskosten auf der Werft zu den Sachverständigenkosten.2 Läßt sich der Schiffsführer, Schiffseigner oder Ladungsbeteiligte über die Rechts- 4 frage, welche Schäden in großer Haverei zu berücksichtigen sind und welche nicht, anwaltlich beraten, zählen auch diese Rechtsanwaltskosten zu den Auseinandersetzungskosten gem § 84. 3 3.

Verklarungskosten

Die Kosten eines Verklarungsverfahrens nach § 1 Iff zur Aufklärung des Schiffsun- 5 falls (zu den Voraussetzungen s § 11 Rn 11 ff) zählen nach § 14 Abs 3 zu den HaverieGrosse-Kosten gem § 84. Zu dem Umfang dieser Verklarungskosten s § 14 Rn 1 bis 8. Soweit die Kosten des Verklarungsverfahrens in einem nachfolgenden Rechtsstreit als kostenfestsetzungsfähig anerkannt werden (§ 14 Rn 9ff), können sie in der großen Haverei nicht doppelt umgeschlagen werden. Sofern allerdings umgekehrt ein Teil dieser Verklarungskosten bei der großen Haverei berücksichtigt wurde, kann nur noch der fehlende Kostenanteil zum Gegenstand eines Kostenfestsetzungsantrags im Rechtsstreit gemacht werden. 4.

Dispachekosten

Die Kosten der Dispachierung (s dazu ie §§ 87, 88 Rn 19) gehören gem § 84 S 2 aus- 6 drücklich zu den Haverie-Grosse-Kosten.4 Wird die Haverie-Grosse-Verteilung der Dispache von einem der Beteiligten (§ 79 Rn 3) nicht anerkannt, erfolgt der Übergang in das gerichtliche Dispachebestätigungsverfahren (Anhang §§ 87, 88 Rn Iff, 8ff). Dessen Kosten werden nicht in großer Haverei verteilt; vielmehr folgt die (evtl) Kostentragungspflicht der gerichtlichen Entscheidung ($ 13a FGG). ZB kann das Gericht bei Rücknahme des Dispachebestätigungsantrages dem Antragsteller die Gerichtskosten sowie die außergerichtlichen Kosten des Beteiligten auferlegen, wenn dies der Billigkeit gem § 13a FGG entspricht.5 1 2 3 4 5

OLG Hamburg HansGZ 1881,223. OLG Hamburg HansGZ 1900,282. LG Hamburg HansGZ 1880, 75. LG Hamburg HansGZ 1880, 76. AG Kitzingen Beschl ν 14.11.1998 (AzUR II 26/94).

251

BinSchG § 8 5 5.

Berechnung der Vergütungen und Beiträge

Sonstige Auseinandersetzungskosten

7 Voraussetzung für die Verteilungsfähigkeit weiterer Auseinandersetzungskosten in großer Haverei ist, daß diese Kosten in einem ursächlichen Zusammenhang mit der Haverie-Grosse entstanden sind und vernünftigerweise für die Durchführung der Auseinandersetzung aufgewandt werden durften. 6 In Betracht kommen in diesem Zusammenhang vor allem Zinsen (so auch Regel IX HGR IVR [Anhang § § 9 0 , 91 Rn 24ff] und Provisionen, falls die Haverie-Grosse-Maßnahme - möglicherweise bis zur wirksamen Dispachierung - finanziert werden mußte (so auch das seerechtliche Bsp in § 706 Nr 7 S 1 Alt 1, S 2 HGB).

$85

[Berechnung der Vergütungen und Beiträge]

(1) In bezug auf den Umfang und die Berechnung der für die große Haverei zu beanspruchenden Vergütungen und der für dieselbe zu leistenden Beiträge finden die auf die Seeschiffahrt bezüglichen Bestimmungen der §§ 709 bis 7 2 0 , 7 2 2 bis 724 des Handelsgesetzbuchs entsprechende Anwendung. Güter, welche sich zur Zeit des Havereifalles in einem Leichterfahrzeuge befunden haben (Handelsgesetzbuch § 718), sind jedoch nur unter der Voraussetzung beitragspflichtig, daß sie sich mit dem Schiffe in Gefahr befunden haben. Auch findet bei der Ermittlung des von der Ladung zu leistenden Beitrags (Handelsgesetzbuch § 719) ein Abzug des Zolles für gerettete Güter nur insoweit statt, als der Zoll noch nicht entrichtet ist. (2) Bei der Schadensberechnung bleiben die Beschädigungen und Verluste außer Ansatz, welche betreffen: 1. diejenigen Güter, über die weder ein Frachtbrief oder Ladeschein ausgestellt ist, noch das Manifest oder Ladebuch Auskunft gibt; 2. die Kostbarkeiten, Gelder und Wertpapiere, welche dem Frachtführer nicht bezeichnet sind. (3) Die Ausnahmen unter Nummer 1 gilt nicht für den Hafenverkehr. Übersicht 1. Allgemeines

Rn 1-3

2. Von der Vergütungsberechtigung ausgenommene Güter ($85 Abs 2, Abs 3)

4-7

3. Generalverweis auf SS 7 0 9 - 7 2 0 , 7 2 2 - 7 2 4 HGB 6

OLG Hamburg HansGZ 1900,282.

252

8

Sechster Abschnitt. Haverei

1.

§ 8 5 BinSchG

Allgemeines

§ 85 gestaltet die praktische Umsetzung der Haverie-Grosse-Verteilung in dem Fall 1 gemeinsamer Gefahr für Schiff und Ladung ($ 78) näher aus und regelt iw zwei Themenkomplexe: Welche (beschädigten oder aufgeopferten) Schiff- oder Ladungsteile begründen eine Vergütungsberechtigung (§ 85 Abs 1 S 1 iVm §§ 709 bis 715 HGB, § 85 Abs 2, Abs 3) und welche (erfolgreich geretteten) Schiffs- oder Ladungswerte führen zu einer Beitragsverpflichtung in der großen Haverei (§ 85 Abs 1 S 1 iVm §§ 716, 720, 722 bis 724 HGB, § 85 Abs 1 S 2 und 3). Der Generalverweis in § 85 Abs 1 S 1 auf die seerechtlichen Bestimmungen der 2 §§ 709 bis 720, 722 bis 724 HGB (s die dortige Kommentierung S 667ff) steht zum einen unter der gesetzesunmittelbaren Einschränkung von § 85 Abs 1 S 2 und 3, Abs 2, Abs 3, die vom Seerecht Abweichendes regeln. Zum anderen bedeutet die geforderte „entsprechende Anwendung" von §§ 709ff HGB, daß jeweils im Einzelfall die Übertragbarkeit der seerechtlichen Regelung auf die Verhältnisse der Binnenschiffahrt zu prüfen ist (§ 78 Rn 4). Die Haverie-Grosse-Regeln der York-Antwerp Rules 1994 (YAR), die im Seerecht 3 von zentraler praktischer Bedeutung sind, 1 finden im Binnenschiffahrtsverkehr idR keine Anwendung, da dies eine explizite einzel- bzw rahmenvertragliche Einbeziehung dieser Regeln voraussetzen würde (§ 78 Rn 2). Bei der Anwendung seerechtlicher Rspr zu den in § 85 in bezug genommenen Paragraphen des HGB ist sorgfältig zu prüfen, inwieweit dort (auch) YAR-Regelungen behandelt werden. Insoweit kommt eine schematische Übertragung der YAR-Rspr2 auf die Verhältnisse der Binnenschiffahrt nicht in Betracht. Zu den Haverie-Grosse-Regeln der Internationalen Vereinigung des Rheinschiffsregisters (IVR) und deren Anwendbarkeit s § 78 Rn 2 sowie Anh §§ 9 0 , 9 1 Rn Iff, 19ff.

2.

Von der Vergütungsberechtigung ausgenommene Güter (S 85 Abs 2, Abs 3)

Nach § 85 Abs 2 bleibt bei der Schadensberechnung die Beschädigung und der Ver- 4 lust bestimmter Güter außer Betracht. Nach § 85 Abs 2 Nr 1 bleiben Güter, über die weder ein Frachtbrief noch ein Lade- 5 schein ausgestellt ist, noch das Manifest oder „Ladebuch" Auskunft gibt, außer Betracht, weil der Gesetzgeber Mißstände befürchtet hat. Bei derartigen Frachtgütern fehlt ein jedem Beteiligten zugänglicher Nachweis der tatsächlich erfolgten Verfrachtung. Nur nachweislich verschiffte Güter sollen vergütungsberechtigt sein. Es genügt für die Vergütungsberechtigung, wenn die Frachtgüter in einer der genann1 2

Rate SeeHR vor $ 700 HGB, Anh 733 HGB; Grau TranspR 199S, 279. BGHZ 60, 380.

253

BinSchG § 8 5

Berechnung der Vergütungen und Beiträge

ten Urkunden verzeichnet sind. So genügt es, wenn die Güter im Ladungsverzeichnis genannt sind. Daß eine Nennung im Frachtbrief oder Ladeschein unterblieben ist, ist unschädlich. Die nicht verzeichneten Güter sind aber nach § 723 Abs 3 HGB beitragspflichtig, falls sie gerettet werden (s § 723 HGB Rn 4). § 85 Abs 2 Nr 1 gilt nicht für den Hafenverkehr (§ 131 Rn 2ff), weil dort in aller Regel keine besonderen Urkunden über den Transport der Güter ausgestellt werden (§ 85 Abs 3). Ob der Frachtführer eine Vergütung für entgangene Fracht nach § 715 HGB erhalten kann, bestimmt sich danach, ob die Güter in den oben genannten Urkunden aufgeführt sind. Ist das nicht der Fall, entfällt auch ein Vergütungsanspruch für die entgangene Fracht (s § 715 HGB Rn lf). Die persönliche Habe der Schiffsbesatzung (Effekten) sowie das Gepäck der Reisenden sind zwar nicht beitragspflichtig (§ 723 Abs 1 HGB), aber vergütungsberechtigt (§ 723 Abs 2 HGB; s § 723 HGB Rn 1,4). 6 Nach § 85 Abs 2 Nr 2 bleiben Kostbarkeiten, Gelder und Wertpapiere, die dem Frachtführer nicht benannt sind, bei der Schadensberechnung im Falle des Verlustes oder der Beschädigung außer Betracht, weil sie besonderen Gefahren ausgesetzt sind. Der Frachtführer ist nur aufgrund einer gehörigen Deklaration in der Lage, die erforderlichen Sicherungsmaßnahmen zu treffen, um ein im Verhältnis zur Ladung übermäßiges Risiko zu tragen. Als gehörige Bezeichnung iSd § 85 Abs 2 Nr 2 genügt die Angabe der Art und des Wertes der Kunstgegenstände, Kostbarkeiten, Gelder und Wertpapiere. Sind die Kostbarkeiten zu niedrig deklariert, nehmen sie nur mit dem geringeren Wert an der Vergütung teil. Sie sind aber mit ihrem wirklichen Wert beitragspflichtig. Unterbleibt eine gehörige Deklaration, sind die Kostbarkeiten etc nicht vergütungsberechtigt. Kostbarkeiten, Gelder und Wertpapiere sind nach §§ 723 Abs 3, 708 Nr 3 HGB beitragspflichtig, wenn sie gerettet werden. 7 Die im Seerecht (§ 708 Nr 1 HGB) geltende weitere Ausnahme, daß nicht unter Deck geladene Güter von der Schadensberechnung ausgenommen sind, hat das Binnenschiffahrtsrecht nicht übernommen, weil eine solche Verladeart in der Binnenschifffahrt üblich ist und bei Decksladungen keine den Gefahren der Seeschiffahrt vergleichbaren Gefahren drohen. Sturm und Seegang spielen in der Binnenschiffahrt keine der Seeschiffahrt auch nur ähnliche Rolle. 3.

General verweis auf §§ 7 0 9 - 7 2 0 , 7 2 2 - 7 2 4 HGB

8 Soweit § 85 nicht Anderslautendes regelt oder schweigt, gelten die in bezug genommenen SS 7 0 9 - 7 2 0 , 7 2 2 - 7 2 4 HGB entsprechend.

254

Sechster Abschnitt. Haverei

§ 8 6 BinSchG

$86

[Ort der Schadensverteilung]

Die Verteilung der Schäden erfolgt an dem Orte, wo die Reise endet. 1.

Allgemeines

Während SS 78 bis 85 sich mit dem materiellen Recht der großen Haverei befassen, 1 regeln §§ 86 bis 88 iVm §§ 149ff FGG den formalen Ablauf: Die Aufmachung der Dispache durch Schiffsführer bzw Dispacheur (SS 87, 88 iVm §§ 151, 152 FGG), die Verteilung der dispachierten Schäden und Kosten am Ort des Reiseendes (§ 86), die gerichtliche Verhandlung über die Dispache (§§ 153, 154, 155 Abs 1, Abs 2, Abs 3 S 1 und 2 FGG), eine etwaige gegen die gerichtliche Dispachebestätigung gerichtete Widerspruchsklage (SS 155 Abs 3 S 2, 156 FGG) sowie damit im Zusammenhang stehende Rechtsmittel (§ 157 FGG) und Zwangsvollstreckungsfragen (§ 158 FGG) (s Übersicht Anh §§ 87, 88 Rn 26). 2.

Rechtscharakter des $ 86

§ 86, dem im Seerecht S 727 HGB iw entspricht und der mit der Regelung der Zu- 2 ständigkeit der Gerichte in Dispachebestätigungsverfahren (§ 149 FGG, Anh SS 87, 88, Rn 4f) korrespondiert, hat entgegen dem ersten Anschein mehr zeitlichen, denn örtlichen Regelungscharakter: Mit der endgültigen Trennung von Schiff und Ladung endet die Gefahrengemeinschaft der großen Haverei, so daß spätestens zu diesem Zeitpunkt die Dispache aufzustellen ist und die Schäden zu verteilen sind. Die Dispachierung und die daraus resultierende Verteilung soll somit nicht über das Ende der Reise hinaus verzögert werden,1 was grundsätzlich schon zur Vermeidung einer persönlichen Haftung des Schiffsführers (SS 90» 91 Abs 1, Rn 6ff) oder eines Ladungsbeteiligten (§ 90 Abs 2; SS 90,91, Rn 6ff) geboten ist. 3.

Haverie-Grosse-Verteilungsort

Der Bestimmungshafen ist der regelmäßige Dispachierungsort. Endet die Reise auf- 3 grund der Havarie, so ist die Verteilung an dem Havarieort bzw dem Ort der Bergung des gesunkenen Schiffes vorzunehmen. In Betracht kommt auch die Verteilung in einem Not- oder Zwischenhafen (§§ 82 Nr 5,83,85 iVm S 714 HGB), wenn dort mindestens ein Teil der Ladung gelöscht wird. Die damit verbundene Teildispachierung ist indes wenig praktikabel, weil hierdurch die Weiterreise verzögert wird und daneben die Gesamtdispachierungskosten erheblich erhöht werden können.

1

Begr BinSchG, 112.

255

BinSchG SS 87, 88

Dispache

4 Die Dispachierungsrealität ist heute dadurch gekennzeichnet, daß der Schiffsführerbzw der Schiffseigner oder seine Versicherung (§ 133 WG/§§ 131,136E-VVG) den Dispacheur beauftragen (§ 87 Abs 2), in dessen Büro dann die Fäden der HaverieGrosse-Informationen zusammen laufen und die Erstellung des Rechenwerks (Dispache)2 erfolgt. Um zu vermeiden, daß Schiffsgläubigerrechte (§ 89 Abs 1) bzw Pfandrechte an der Ladung (§ 89 Abs 2) unmittelbar geltend gemacht werden, stellen die zuständigen Versicherer sog Havereireverse 3 aus (näheres zu den Havereireversenbei §§ 90,91, Rn 15 bis 20). 5 Der Dispacheort ist Leistungsort gem S 269 BGB für die Beiträge zur großen Haverei (arg § 149 FGG) und gleichzeitig, bei internationalem Bezug der Reise, Anknüpfungspunkt für das zugrunde liegende Recht (§ 78 Rn 17).4

$87

[Dispache, Dispacheur]

(1) Die Dispache ist von dem Schiffer unverzüglich aufzustellen. (2) Derselbe ist berechtigt und auf Verlangen eines Beteiligten verpflichtet, die Aufstellung einem Sachverständigen (Dispacheur) zu übertragen. In Ermangelung eines für Havereifälle bei der Binnen- oder Seeschiffahrt ein für allemal bestellten Dispacheurs hat auf Antrag das Amtsgericht eine geeignete Person als Dispacheur besonders zu bestellen. (3) Jeder Beteiligte ist verpflichtet, die zur Aufstellung der Dispache erforderlichen Urkunden, soweit er sie zu seiner Verfügung hat, insbesondere Frachtbriefe, Ladescheine und Fakturen, dem Schiffer oder Dispacheur mitzuteilen.

$88

[Aufstellung der Dispache durch die Beteiligten]

Wird die Aufstellung der Dispache verzögert, so ist jeder Beteiligte, unbeschadet seines Anspruchs auf Ersatz des durch die Verzögerung entstandenen Schadens, befugt, die Aufstellung der Dispache durch einen Dispacheur selbst zu veranlassen und zu betreiben.

2 3 4

OLG Hamburg VersR 1996,393. OLG Köln ZfB 1999, SaS 1741, 1742 = TranspR 2000, 224. OLG Bremen VersR 1984, 735; RGZ 32, 6; 38,1, 3; 147, 58,61.

256

Sechster Abschnitt. Haverei

SS 87, 8 8 BinSchG

Übersicht Rn 1. Allgemeines 2. Begriff der Dispache 3. Inhalt der Dispache

1-2

3 4-6

4. Bedeutung der Dispache

7-8

5. Dispacheur (§ 87 Abs 2)

9-14

6. Unverzügliche Aufstellung der Dispache (SS 87 Abs 1,88)

15-16

7. Pflichten und Rechte der Beteiligten ($ 87 Abs 3)

17-18

8. Kosten der Dispachierung

1.

19

Allgemeines

Zur verfahrensrechtlichen Einordnung von SS 87, 88 s § 86 Rn 1. Die Vorschriften 1 verwenden iRd Sechsten Abschnitts des BinSchG (SS 78 bis 91) erstmals den Begriff der Dispache (§ 87 Abs 1) und den des Dispacheurs (§ 87 Abs 2). Im Seerecht entspricht § 728 Abs 1 S 1 HGB § 87 Abs 1, § 728 Abs 2 HGB § 88, § 729 Abs 2 HGB (mit Einschränkungen) $ 87 Abs 2 S 2 und $ 729 Abs 2 HGB § 87 Abs 2 S 1. SS 87, 88 stellen, ergänzt durch SS 149 bis 152 FGG (Anh SS 87, 88, Rn 4ff), das Herz- 2 stück des außergerichtlichen Dispacheverfahrens dar. Das sich daran unter Umständen anschließende gerichtliche Dispachebestätigungsverfahren (SS 153 bis 155 Abs 1, Abs 2, Abs 3 S 1 und 2 FGG) bzw Widerspruchsverfahren (SS 155 Abs 3 S 3, 156 FGG) wird im Anschluß behandelt (Anh SS 87, 88 Rn 8ff, 18ff, 26 [Verfahrensübersicht]). 2.

Begriff der Dispache

Die Dispache ist ein Rechenwerk, aus dem sich in der großen Haverei die Ansprüche 3 der Vergütungsberechtigen gegen die Beitragspflichtigen ergeben, 1 bzw - etwas unschärfer - ein von einem Sachverständigen aufgestellter, gutachterlicher Vorschlag, wie die durch große Haverei entstandenen Rechtsbeziehungen gemäß den geltenden Grundsätzen zu bereinigen sind. 2 In der Dispache werden die Urkunden zusammengetragen und ausgewertet (S 87 Abs 3), die als Rechnungslegung über die entstandenen Schäden und Kosten (§ 78 Abs 1) und die im Haverie-Grosse-Erfolgsfall beizutragenden Werte (§ 78 Abs 2) in Betracht kommen. Die Dispache dient somit als Verteilungsplan über die große Haverei. Soweit nach Vorlage der Dispache weitere Schäden und Kosten bekannt werden, kommt eine Nachtragsdispache in Betracht. 3

1 2 3

OLG Hamburg VersR 1996,393; s dazu die zustimmende Bespr ν Steg VersR 199S, S84. OLG Hamburg TranspR 199S, 445,447 unter Bezugnahme auf RGZ 147, 58, 60. Zu dem Einfluß der Nachtragsdispachierung auf den Lauf der Verjährung s OLG Köln ZfB 1993, SaS 1422, 1423f sowie § 117 Rn 9.

257

BinSchG SS 87, 88 3.

Dispache

I n h a l t d e r D ispache

4 Ein Mindestinhalt der Dispache ist gesetzlich nicht vorgeschrieben, ergibt sich indes mittelbar aus § 78 und dem Zweck der großen Haverei. Üblicherweise gliedert sich die Dispache in vier Abschnitte: a) den Havariebericht, aus dem sich die Haverie-Grosse-Lage (gemeinsame Gefahr für Schiff und Ladung) ergeben muß, b) die Aufstellung der Passivmasse, also die zu vergütenden Schäden und Kosten, c) die Aufstellung der Aktivmasse, also die beitragspflichtigen Werte von Schiff und Ladung sowie d) die Errechnung des Haverie-Grosse-Prozentsatzes und die danach auf die Beteiligten entfallenden Vergütungen und Beiträge. 4 5 Soweit dem Dispacheur (Rn 9) seitens der Haverie-Grosse-Beteiligten Bedenken vorgebracht werden, ob ein Fall der großen Haverei überhaupt vorgelegen habe (Rn 4 lit a) bzw welche Schäden und Werte im einzelnen passiv (Rn 4 lit b) und aktiv (Rn 4 lit c) in der Dispache zu berücksichtigen sind, hat der Dispacheur über diese Einwendungen zu entscheiden und in der Dispache zu begründen, ob und, falls ja, in welchem Umfang solche Einwände Berücksichtigung gefunden haben. Die so begründete Dispache wird dann von den Beteiligten akzeptiert oder im Falle der Nichtakzeptanz einer gerichtlichen Überprüfung iRd Dispachebestätigungs- bzw des Widerspruchsverfahrens unterzogen (Anh SS 87, 88 Rn8ff, 18ff sowie Verfahrensübersicht Rn 26). 6 Trotz des gesetzlichen Verweises von § 14 Abs 3 auf § 84 ist die Durchführung eines schiffahrtsrechtlichen Verklarungsverfahrens (§11 R n l ) nicht Voraussetzung für die Aufmachung einer Dispache. Sofern allerdings ein solches Verklarungsverfahren durchgeführt wird, wird häufig der dortige Verklarungsantrag auch der Havarieschilderung iRd Dispache zugrunde gelegt. 4.

Bedeutung der Dispache

7 Wird die Dispache5 von allen Beteiligten der großen Haverei akzeptiert, kann nach ihr abgerechnet werden. Wird eine zwischen den Beteiligten strittige Dispache später rechtskräftig gerichtlich bestätigt, findet aus ihr die Zwangsvollstreckung entsprechend den Vorschriften der ZPO statt (§ 158 Abs 2 FGG iVm §§ 704ff ZPO; Anh SS 87, 88 Rn 25). Ggf ist ein Rechtskraftzeugnis zu erteilen (§31 FGG). 8 Die Dispache stellt somit eine gegenüber einem „normalen" Sachverständigengutachten bevorzugte, weil beschleunigte gerichtliche Durchsetzung der darin festge-

4 5

BGH TranspR 1997, 39,40. Ein Muster einer Dispache findet sich bei G. Bemm, 163f.

258

Sechster Abschnitt. Haverei

SS 87, 88 BinSchG

stellten Ansprüche dar.6 Anspruchsberechtigte Dispachegläubiger sollen also auf vereinfachtem Wege einen Titel erhalten,7 wobei den Dispacheschuldnern im Streitfall eine gerichtliche Überprüfung der Dispache ie offen steht. Das gegenüber einem sonstigen Erkenntnisverfahren abgekürzte Procedere rechtfertigt sich durch den Grundgedanken einer gemeinsamen Gefahrengemeinschaft von Schiff und Ladung, in die beide Seiten freiwillig eingetreten sind. Die Dispache und ihre gerichtliche Bestätigung entfalten Rechtswirkung nur zwischen den betreffenden HaverieGrosse-Beteiligten (§ 158 Abs 1 FGG), nicht gegenüber Dritten (Anh §§ 87,88 Rn 2). 5.

Dispacheur (S 87 Abs 2)

Nachdem die Aufstellung der Dispache durch den Schiffsführer selbst (§ 87 Abs 1) in 9 praxi nicht mehr stattfindet, kommt der Person des einzuschaltenden Dispacheurs8 erhebliche Bedeutung zu. Dieser ist ein besonders qualifizierter Sachverständiger, der selbst nicht Beteiligter des Haverie-Grosse-Verfahrens wird.9 Er ist kein Schiedsgutachter,10 sondern ein öffentlich bestellter und vereidigter Sachverständiger sui generis. Soweit alle Beteiligten der großen Haverei damit einverstanden sind, kann auch ein 10 nicht vereidigter und nicht öffentlich bestellter (§ 36 GewO) Havariekommissar als Dispacheur tätig werden.11 Im Falle eines solchen Einverständnisses aller Beteiligten der großen Haverei ist eine spätere Berufung darauf, es läge eine unzulässige Dispache vor, wegen Treuwidrigkeit gem § 242 BGB abgeschnitten.12 Unbeschadet seiner regelmäßigen öffentlichen Bestellung und Vereidigung (§ 36 11 GewO) wird der Dispacheur - vergleichbar einem Rechtsanwalt oder Wirtschaftsprüfer - tätig auf der Basis eines privatrechtlichen, entgeltlichen Geschäftsbesorgungsvertrags (§ 675 BGB).13 Auftraggeber des Dispacheurs ist üblicherweise der Schiffsführer (§ 87 Abs 2 S 1) bzw an seiner statt der Schiffseigner bzw dessen Versicherung. Diese einseitige zivilrechtliche Auftragsbindung an einen der Haverie-Grosse-Beteiligten ändert aber nichts daran, daß der Dispacheur eine umfassende, mehrseitige Treuhandbindung gegenüber allen Beteiligten der großen Haverei zu berücksichtigen hat. 14 Insoweit handelt es sich bei dem Geschäftsbesorgungsvertrag um einen Vertrag mit Schutzwirkung zugunsten aller Beteiligter, die Interessen an Schiff

6 7 8 9 10 11 12 13 14

OLG Hamburg TranspR 1995,445,448. OLG Karlsruhe ZfB 2000, SaS 1768. Zur Parallelregel XV der HGRIVR vgl Anhang $$ 90,91 Rn 32. OLG Hamburg VersR 1996,393,395. RGZ 147, 58. Sieg VersR 1996,684,685; OLG Hamburg HansGZ 1890, 13ff. OLG Köln ZfB 1999, SaS 1741. OLG Hamburg VersR 1991, 602 = TranspR 1990, 381. OLG Hamburg TranspR 1995,445,448.

259

BinSchG SS 87, 88

Dispache

und/oder Ladung haben.15 Hieraus folgt, daß der Schiffseigner gegenüber dem Dispacheur kein unmittelbares Weisungsrecht ausüben kann.16 Dem steht nicht entgegen, daß die einzelnen Haverie-Grosse-Beteiligten gegenläufige Interessen haben,17 vielmehr begründet umgekehrt gerade dieser Interessengegensatz die besondere Vertrauensstellung, der der Dispacheur iRd großen Haverei gegenüber allen Beteiligten gerecht zu werden hat. 12 Verletzt der Dispacheur eine dieser Pflichten, etwa dadurch, daß er außerhalb des gesetzlichen Verfahrens nach §§ 153ff FGG (Anh §§ 87, 88 Rn 9ff) die Dispache ohne Einverständnis aller Havarie-Grosse-Beteiligter nachträglich abändert, macht er sich gegenüber seinem Auftraggeber (§ 280 BGB) bzw einem der übrigen Haverie-GrosseBeteiligten (SS 280,311 Abs 3 BGB) schadensersatzpflichtig.18 13 Die Auswahl der in Betracht kommenden Dispacheure erfolgt in praxi durch Heranziehung der im Europäischen Schiffahrts- und Hafenkalender (WESKA; www. Binnenschiffahrts-Verlag.de) genannten öffentlich bestellten und vereidigten Personen. Die hilfsweise Bestimmung eines Dispacheurs durch das Amtsgericht (§ 87 Abs 2 S 2) wird die Ausnahme bleiben. Soweit ein solcher Antrag zurückgewiesen wird, findet die sofortige Beschwerde statt (§ 148 Abs 2 FGG). 14 Weigert sich der Dispacheur, den Dispacheauftrag anzunehmen mit der Begründung, ein Fall der großen Haverei liege nicht vor, kommt eine gerichtliche Verpflichtung in Betracht (S 150 FGG; näheres bei Anh SS 87, 88 Rn 6). 6.

Unverzügliche Aufstellung der Dispache (SS 87 Abs 1,88)

15 Die Dispache ist unverzüglich aufzustellen, also ohne schuldhaftes Zögern (S 121 Abs 1 BGB). Das gleiche gilt, sofern der Schiffsführer - wie regelmäßig - die Dispache nicht selbst aufmacht, sondern einen Dispacheur beauftragt/beauftragen läßt. Auch das hat unverzüglich zu geschehen. Insoweit handelt es sich um eine besondere Ausprägung der dem Schiffsführer nach § 7 zukommenden Dienstobliegenheiten (S 7 Rn 8ff), bei deren Verletzung sich der Schiffsführer gegenüber jeden der HaverieGrosse-Beteiligten schadensersatzpflichtig machen (§ 88 Halbs 1). 16 Verzögert sich die Aufstellung der Dispache, weil der Schiffsführer seine Pflicht nach S 87 Abs 1 verabsäumt, haben die Haverie-Grosse-Beteiligten - unabhängig von ihrem Schadensersatzanspruch (§ 88 Halbs 1; Rn 15) - das Recht, selbst einen Dispacheur zu beauftragen (§ 88 Halbs 2). Wegen der besonderen Treuhandbindung des 15 16 17 18

260

BGH TranspR 1997, 39, 40; OLG Hamburg VersR 1997, 90; OLG Hamburg TranspR 1990, 381 = VersR 1991, 602. BGH TranspR 1997, 39; OLG Hamburg VersR 1997, 90; OLG Hamburg TranspR 1990, 381 = VersR 1991, 602. BGHZ 127, 378, 380. OLG Hamburg VersR 1997, 90; 1996,393.

Sechster Abschnitt. Haverei

Anhang SS 87, 88 BinSchG

Dispacheurs gegenüber allen Beteiligten der großen Haverei (Rn 11) kommt iü der Frage, wer nominell als zivilrechtlicher Auftraggeber gegenüber dem Dispacheur auftritt, keine wesentliche Bedeutung zu. 7.

Pflichten und Rechte der Beteiligten ($ 87 Abs 3)

Die Beteiligten der großen Haverei sind gem § 87 Abs 3 1 9 verpflichtet, dem Dispa- 17 cheur zuzuarbeiten und ihm sämtliche notwendigen Urkunden zur Verfügung zu stellen (arg §§ 259 bis 261 BGB). Soweit sich ein Beteiligter weigert oder einer entsprechenden Aufforderung des Dispacheurs nicht nachkommt, kann er hierzu unter Androhung von Zwangsgeld verpflichtet werden (§151FGG; Anh §§ 87, 88 Rn 7). Umgekehrt haben die Haverie-Grosse-Beteiligten - als besondere Ausprägung von 18 §§810, 811 BGB - das Recht, Urkunden, die andere Beteiligte eingereicht haben, einzusehen (§ 152 FGG; Anh §§ 87, 88 Rn 8). Denn nur diese Einsichtnahme gewährleistet eine effektive Stellungnahme iRd (außergerichtlichen Dispache(bestätigung). 8.

Kosten der Dispachierung

Der Dispacheur erhält für seine Tätigkeit Gebühren, deren Höhe sich am Betrag des 19 Havereischadens bzw der in der großen Haverei geretteten Werte orientiert (arg § 123 Abs 1 S 2 KostO). Im Zweifelsfall entscheidet das Dispachegericht (§ 123 Abs 1 S 1 KostO). Die Dispachierungsgebühren sind Teil des Schadensersatzanspruches des Schiffseigners gegen den schuldigen Havariegegner. 20

Anhang $$ 87, 88

Dispacheverfahren Übersicht 1. Vorbemerkung 2. Sachliche und örtliche Zuständigkeit (§ 149 FGG) .

Rn 1-3 4-5

3. Zwangsverpflichtung des Dispacheurs (§ 150 FGG)

6

19 20

Vgl auch Regel XIV HGRIVR (Anhang §§ 90,91 Rn 31). BGH Z£B 1981,459,460.

261

BinSchG Anhang §§ 87, 88

Dispacheverfahren Rn

4. Aushändigung von Schriftstücken (§151FGG)

7

5. Einsicht in Dispache® 152 FGG)

8

6. Verhandlung über Dispache und Vervollständigung der Unterlagen ($$ 1 5 3 , 1 5 4 FGG)

9-13

7. Dispachetermin ($155 FGG)

14-18

8. Widerspruchsklage (SS 156 FGG, 8 7 8 , 8 7 9 ZPO)

19-23

9. Beschwerde ($157 FGG)

24

10. Zwangsvollstreckung ($ 158 FGG)

25

11. Verfahrensübersicht

26

1.

Vorbemerkung

1 Die Vorschriften des BinSchG, die in §§ 78 bis 85 das materielle, in §§ 86 bis 88 das formelle außergerichtliche Recht der großen Haverei regeln, werden durch Regelungen des FGG teilweise ergänzt (§§ 1 5 1 , 1 5 2 FGG), vor allem aber befaßt sich das FGG in §§ 1 4 9 , 1 5 0 , 1 5 3 bis 158 FGG mit dem gerichtlichen Dispacheverfahren: die gerichtliche Zuständigkeit (§ 149 FGG), das Verfahren über die Dispacheurverpflichtung (§ 150 FGG), die gerichtliche Verhandlung über die Dispache (§§ 153, 154, 155 Abs 1, Abs 2, Abs 3 S 1 und 2 FGG), ein sich etwa an die gerichtliche Dispachebestätigung anschließendes Widerspruchsklageverfahren (§§ 155 Abs 3 S 3 , 1 5 6 FGG) sowie damit im Zusammenhang stehende Rechtsmittel (§ 157 FGG) und Zwangsvollstrekkungsfragen (§ 158 FGG) (vgl bereits §§ 87, 88 Rn Iff sowie Verfahrensübersicht Anh §§ 8 7 , 8 8 Rn 26). 2 Sowohl die außergerichtlich akzeptierte, als auch die gerichtlich rechtskräftig bestätigte Dispache wirkt nur inter partes zwischen den Beteiligten der großen Haverei (§158 Abs 1 FGG); Dritte werden durch die Dispache nicht verpflichtet 1 und können aus ihr keine eigenen Rechte ableiten. 3 Das gerichtliche Bestätigungs- und Widerspruchsverfahren in §§ 149ff FGG hat abschließenden Charakter für die Beitreibung von Haverie-Grosse-Beiträgen. Ansprüche aus großer Haverei, die Gegenstand einer aufgemachten Dispache sind, können daher - ab dem Zeitpunkt der Einreichung des Dispachebestätigungsantrags (§ 153 FGG) - nicht anderweitig eingeklagt werden (§ 261 ZPO). Anders dagegen Beitragsansprüche der großen Haverei nach den Haverie-Grosse-Regeln IVR, die bei einem Scheitern einer außergerichtlichen Verständigung stets einzuklagen sind (Anh §§ 90, 91 Rn 33ff). Iü kann der geschädigte Schiffseigner bei einer Havarie seinen Schaden uneingeschränkt einklagen und ist nicht verpflichtet, sich zunächst den HavarieGrosse-vergütungsfähigen Schaden von den Beteiligten der großen Haverei einzuholen. 2

1 2

BGHNJW 1959,723; OLG Hamburg VersR 1996,393, 395. OLG Karlsruhe ZfB 2000, SaS 1768,1769.

262

Sechster Abschnitt. Haverei

Anhang SS 87, 88 BinSchG

S 149 FGG [Dispache; Zuständigkeit] Für die Verrichtungen, welche den Gerichten in Ansehung der nach dem Handelsgesetzbuch oder nach dem Gesetze, betreffend die privatrechtlichen Verhältnisse der Binnenschiffahrt, aufzumachenden Dispache obliegen, ist das Amtsgericht des Ortes zuständig, an welchem die Verteilung der Havereischäden zu erfolgen hat. S 145a gilt entsprechend. Sachlich zuständig (für das Bestätigungs- und Widerspruchsverfahren) ist das Amts- 4 gericht. Eine Spezialzuständigkeit des Amtsgerichts als Schiffahrtsgericht gem § 2 BinSchVerfG ist nicht gegeben 3 und kann auch wegen des zwingenden Charakters der FGG-Vorschriften nicht durch Vereinbarung (§ 2 Abs 2 BinSchVerfG) zwischen den Beteiligten der großen Haverei herbeigeführt werden (§ 2 BinSchVerfG Rn 18).4 Wegen Unanwendbarkeit von § 11 BinSchVerfG im Dispacheverfahren sind für Beschwerden (§§ 150 S 2, 157 FGG) und Berufungen gegen Entscheidungen des Amtsgerichts die Landgerichte zuständig (§ 72 GVG). Die gerichtliche Zuständigkeit für Dispachestreitigkeiten erstreckt sich nur auf Dispachen, die gem BinSchG aufgemacht sind. Dispachen, die kraft Vereinbarung, insbesondere nach den HaverieGrosse-Regeln IVR, erstellt werden, sind gerichtlich nicht bestätigungsfähig (Rn 3; Anh §§ 90, 91, Rn 33ff). 5 Die Dispachezuständigkeit des Amtsgerichtes erstreckt sich im Falle der Widerspruchsklage allerdings nur bis zur Grenze des AmtsgerichtsStreitwerts von € 5.000 (§ 23 Nr 1 GVG), für darüber hinausgehende Widerspruchsklagen ist das übergeordnete Landgericht zuständig (§156 Abs 1 FGG iVm § 8 7 9 ZPO, Rn21). Dieselbe Zuständigkeit gilt für Klagen auf Erteilung einer Vollstrekkungsldausel bzw Vollstreckungsgegenklagen im Zusammenhang mit der Dispachebestätigung (§158 Abs 3 FGG; Rn 25). Örtlich zuständig ist idR das Amtsgericht des Verteilungsortes gem § 86. In Betracht 5 kommen aber auch Zuständigkeitszuweisungen für Amtsgerichte, die am Havarieort, am Bergungsort, an einem Not- oder Zwischenhafen liegen (§ 86 Rn 3). Da in praxi die Dispachierung im Büro des Dispacheurs erfolgt (§ 86 Rn 4), ist außerdem das Amtsgericht, in dessen Zuständigkeitssprengel sich der Geschäftssitz des Dispacheurs befindet, örtlich zuständig. Dieser Geschäftssitz bestimmt auch jenseits von §§ 149ff FGG den ordentlichen Gerichtsstand für unmittelbare Klagen gegen den Dispacheur (§ 17 ZPO).6 Möglich ist daneben die Vereinbarung eines von S 86 ab3 4 5 6

OLG Nürnberg Beschl ν 30.9. 1994 (Az 3 W 646/94 BSch); aA OLG Karlsruhe Beschl ν 25.3. 1994 (Az W 1/94 BSch). Vgl BGH NJW 1952, 1055; BayObLGZ 1968, 63, 65; Keidel/Kuntze/WmMer FGG vor $$ 3 bis 5, 7 Rn 7, $ 7 Rn24. AA jeweils zu den York-Antwerp Rules (YAR), OLG Hamburg VersR 199S, 393, 394/395 sowie OLG Bremen MDR 1964, 60. OLG Hamburg VersR 199S, 393, 395; zur Abgrenzung zwischen streitiger und freiwilliger Gerichtsbarkeit vgl grundlegend BGHGrS VersR 19SS, 784/785 = NJW 1986,2359,23S0 sowie BVerfG NJW 1992,359,360.

263

BinSchG Anhang §§ 87, 88

Dispacheverfahren

weichenden Dispachierungsortes zwischen den Beteiligten der großen Haverei,7 wodurch das grundsätzlich im FGG-Verfahren geltende Prorogationsverbot (Rn 4) zumindest mittelbar unterlaufen werden kann. Von einer möglichen Zusammenfassung der Dispachierungszuständigkeit einzelner Amtsgerichte bei einem Amtsgericht (§ 149 Abs 2 FGG iVm § 145a FGG) haben die Landesregierungen bislang keinen Gebrauch gemacht, was - neben der fehlenden Zuständigkeit des Schiffahrtsgerichts (Rn4) - einer Bündelung der juristischen Kompetenz in einem durchaus nicht unkomplizierten Gerichtsverfahren entgegensteht. § 150 FGG [Weigerung des Dispacheurs] Lehnt der Dispacheur den Auftrag eines Beteiligten zur Aufmachung der Dispache aus dem Grunde ab, weil ein Fall der großen Haverei nicht vorliege, so entscheidet über die Verpflichtung des Dispacheurs auf Antrag des Beteiligten das Gericht. Gegen die Verfügung findet die sofortige Beschwerde statt. 6 Dieser Fall der gerichtlichen Zwangsverpflichtung des Dispacheurs (mit Beschwerderecht gem § 150 S 2 FGG iVm § 22 FGG) hat wenig praktische Relevanz, da der Dispacheur (§§ 87, 88 Rn 9ff) den Auftrag regelmäßig übernimmt, bevor er die Einzelheiten der großen Haverei und der zu verteilenden Vergütung und Beiträge kennt. Da sich der Dispacheur nicht nur gegenüber dem Auftraggeber, sondern auch gegenüber den übrigen Haverie-Grosse-Beteiligten bei unberechtigter Weigerung schadensersatzpflichtig machen kann (§§ 87, 88 Rn l l f ) wird er auch aus eigenem Interesse von einer solchen Weigerung absehen. Iü unterliegt eine etwaige fehlerhafte Annahme der Haverie-Grosse-Situation durch den Dispacheur der uneingeschränkten gerichtlichen Überprüfung nach §§ 153ff FGG (Rn 9ff, 19ff sowie Verfahrensübersicht Rn 26).

§ 1 5 1 FGG [Aushändigung von Schriftstücken an den Dispacheur] Auf Antrag des Dispacheurs kann das Gericht einem Beteiligten unter Androhung von Zwangsgeld aufgeben, dem Dispacheur die in seinem Besitze befindlichen Schriftstücke, zu deren Mitteilung er gesetzlich verpflichtet ist, auszuhändigen. 7 Nach § 87 Abs 3, einer Ausprägung der bürgerlich-rechtlichen Auskunftspflicht gem §§ 259 bis 261 BGB (§§ 87, 88 Rn 17), sind die Beteiligten der großen Haverei verpflichtet, dem Dispacheur zuzuarbeiten und ihm sämtliche in ihrem unmittelbaren Besitz (S 854 BGB) befindlichen (mittelbarer Besitz gem § 868 BGB reicht nicht aus) 7

Rabe SeeHR Anhang SS 729 HGB, 149 FGG Rn 7.

264

Sechster Abschnitt. Haverei

Anhang SS 87, 88 BinSchG

Urkunden zur Verfügung zu stellen (SS 87, 88 Rn 17). Kommt ein Beteiligter dieser Verpflichtung nicht nach, stellt das Gesetz mit § 151 FGG ein gerichtliches Zwangsmittel zur Verfügung; für die Festsetzung des Zwangsgeldes gilt § 33 FGG. S 152 FGG [Einsicht in die Dispache] Der Dispacheur ist verpflichtet, jedem Beteiligten Einsicht in die Dispache zu gewähren und ihm auf Verlangen eine Abschrift gegen Erstattung der Kosten zu erteilen. Das gleiche gilt, wenn die Dispache nach dem Gesetz, betreffend die privatrechtlichen Verhältnisse der Binnenschiffahrt, von dem Schiffer aufgemacht worden ist, für diesen. Entsprechend SS 810, 811 BGB haben die Beteiligten der großen Haverei nach S 152 8 FGG ein Einsichtsrecht in die Dispache und ihre Belege (SS 87, 88 Rn 18), und zwar gleichviel, ob diese - wie regelmäßig - von dem Dispacheur (S 152 S 1 FGG) oder von dem Schiffsführer selbst aufgemacht wurde (S 152 S 2 FGG). Dieses Recht entspringt dem allgemeinen, auch im FGG-Verfahren geltenden Grundsatz auf rechtliches Gehör gem Art 103 Abs 1 GG. 8 S 153 FGG [Verhandlung über die Dispache; Antrag und Ladung] (1) Jeder Beteiligte ist befugt, bei dem Gericht eine Verhandlung über die von dem Dispacheur aufgemachte Dispache zu beantragen. In dem Antrage sind diejenigen Beteiligten zu bezeichnen, welche zu dem Verfahren zugezogen werden sollen. (2) Wird ein Antrag auf gerichtliche Verhandlung gestellt, so hat das Gericht die Dispache und deren Unterlagen von dem Dispacheur einzuziehen und, wenn nicht offensichtlich die Voraussetzungen der großen Haverei fehlen, den Antragsteller sowie die von ihm bezeichneten Beteiligten zu einem Termin zu laden. Mehrere Anträge können von dem Gerichte zum Zwecke der gleichzeitigen Verhandlung verbunden werden. (3) Die Ladung muß den Hinweis darauf enthalten, daß, wenn der Geladene weder in dem Termin erscheine noch vorher Widerspruch gegen die Dispache bei dem Gericht anmelde, sein Einverständnis mit der Dispache angenommen werden würde. In der Ladung ist zu bemerken, daß die Dispache und deren Unterlagen auf der Geschäftsstelle eingesehen werden können.

8

Bumiller/VWBfcterFGG $ 12 Rn 58ff.

265

BinSchG Anhang §§ 87, 88

Dispacheverfahren

(4) Die Frist zwischen der Ladung und dem Termin muß wenigstens zwei Wochen betragen. S 154 FGG [Vervollständigung der Unterlagen] Erachtet das Gericht eine Vervollständigung der Unterlagen der Dispache für notwendig, so hat es die Beibringung der erforderlichen Belege anzuordnen. Die Vorschriften des § 151 finden entsprechende Anwendung. 9 Mit § 153 FGG beginnt die forensische Befassung mit einer Dispache. Anlaß für den gesetzlich erforderlichen Antrag auf gerichtliche Verhandlung ist ein Streit zwischen den Haverie-Grosse-Beteiligten über Richtigkeit oder Unrichtigkeit der Dispache. Die anspruchstellende Seite, die die Dispache als zutreffend erachtet, möchte auf dem Weg der gerichtlichen Dispachebestätigung so schnell als möglich einen vollstreckungsfähigen Titel (§ 158 Abs 2 FGG, Rn 25). Die widersprechende Seite möchte bei der gerichtlichen Verhandlung über die Dispache deren Aufhebung oder jedenfalls Abänderung erreichen. 10 Antragsberechtigt ist jeder Haverie-Grosse-Beteiligte, und zwar auch dann, wenn er in der Dispache nicht genannt sein sollte. Umgekehrt ist antragsberechtigt jeder Dritte, der nach seiner Ansicht unberechtigter Weise in der Dispache als Beteiligter genannt wird.9 Ein Nichtbeteiligter der großen Haverei, der eigenmächtig die Aufmachung einer Dispache veranlaßt (zB Bergungsunternehmen), ist indes nicht antragsberechtigt. 10 11 Der notwendige Inhalt des Antrags besteht zunächst in der Benennung der HaverieGrosse-Beteiligten (§ 153 Abs 2 S 2 FGG). Üblicherweise wird von dem Antragsteller sogleich die Dispache vorgelegt, so daß das Gericht diese nicht mehr von dem Dispacheur einziehen muß (§ 153 Abs 2 S 1 FGG). Obwohl das Gesetz nicht vorschreibt, daß der Antragsteller zu bezeichnen hat, in welchem Umfang die Dispache gerichtlich bestätigt oder aufgehoben werden soll, lassen die Antragsschriften in praxi diese Zielrichtung erkennen (s § 155 Abs 2 Halbs 1 Alt 2 FGG). Die absolute Regel ist der uneingeschränkte Bestätigungsantrag desjenigen Haverie-Grosse-Beteiligten, der aus der Dispache Ansprüche gegen andere Beteiligte ableiten und titulieren (§ 158 Abs 2 FGG) will. Soweit das Haverie-Grosse-Gericht dem Antrag auf Dispacheverhandlung nicht Folge leistet, steht dem Antragsteller das Beschwerderecht gem § 1 5 7 FGG zu (Rn 24). 12 Den erforderlichen Inhalt der Ladung zur Dispacheverhandlung durch das Gericht regelt § 153 Abs 2, Abs 3 FGG; von Bedeutung ist vor allem die Rechtsbelehrung gem 9 10

266

KGJ47,115. BGHZ 29, 223.

Sechster Abschnitt. Haverei

Anhang SS 87, 88 BinSchG

§ 153 Abs 3 S 1 FGG (Folgen der Säumnis, § 155 Abs 4 FGG). Das Gericht kann mehrere Anträge betreffend eine Dispache gleichzeitig verhandeln (§ 153 Abs 2 S 2 FGG), worauf in der Ladung sinnvollerweise hingewiesen werden sollte. Zu beachten ist daneben die Mindestfrist von zwei Wochen zwischen Ladung und Verhandlungstermin (S 153 Abs 4 FGG). Soweit das Gericht die vorgelegten Unterlagen noch nicht als ausreichend erachtet, 13 hat es zur Vorbereitung einer effektiven Dispacheverhandlung die Beibringung der erforderlichen Belege anzuordnen (§ 154 S 1 FGG iVm § 151 FGG und § 87 Abs 3). Gerichtliche Zwangsandrohungen stehen auch hier zur Verfügung (§ 154 S 2 FGG iVm §§151, 33 FGG). S 155 FGG [Verfahren im Termin] (1) In dem Termin ist mit den Erschienenen über die Dispache zu verhandeln. (2) Wird ein Widerspruch gegen die Dispache nicht erhoben und ist ein solcher auch nicht vorher angemeldet, so hat das Gericht die Dispache gegenüber den an dem Verfahren Beteiligten zu bestätigen. (3) Liegt ein Widerspruch vor, so haben sich die Beteiligten, deren Rechte durch ihn betroffen werden, zu erklären. Wird der Widerspruch als begründet anerkannt oder kommt anderweit eine Einigung zustande, so ist die Dispache demgemäß zu berichtigen. Erledigt sich der Widerspruch nicht, so ist die Dispache insoweit zu bestätigen, als sie durch den Widerspruch nicht berührt wird. (4) Werden durch den Widerspruch die Rechte eines in dem Termin nicht erschienenen Beteiligten betroffen, so wird angenommen, daß dieser den Widerspruch nicht als begründet anerkenne. Ziel der gerichtlichen, nichtöffentlichen 11 Dispacheverhandlung ist die mediations- 14 ähnliche Verständigung zwischen den Beteiligten der großen Haverei (ähnlich Regel XVI HGR IVR; Anh § § 9 0 , 91 Rn34), nicht eine streitige Entscheidung des Gerichts. Gelingt eine solche Einigung (§ 155 Abs 3 S 2 FGG) oder fehlt ein Widerspruch ganz (§155 Abs 2 FGG), hat das Gericht die Dispache zu bestätigen (§155 Abs 2 FGG). Der Widerspruch kann sich auf die Dispache insgesamt beziehen (denkbares Argu- 15 ment: kein Fall der großen Haverei), er kann aber auch nur Teile einzelner Vergütungs- bzw Beitragswerte betreffen. 12

11 12

Bumiller/Winkler RGZ 147, 58.

FGG $$ 8, 9 Rn 17.

267

BinSchG Anhang §§ 87, 88

Dispacheverfahren

16 Soweit sich der Widerspruch in der Verhandlung nicht erledigt, ist der unstreitige Teil der Dispache - vergleichbar einem Teilurteil (§ 301 ZPO) - gerichtlich zu bestätigen (§ 155 Abs 3 S 3 FGG). Dies scheidet aus, falls sich der Widerspruch gegen die Dispache insgesamt richtet (Rn 14, 15). Hinsichtlich des bestätigten, unstreitigen Teils der Dispache, tritt mit der gerichtlichen Bestätigung, die nicht beschwerdefähig ist (S 157 Abs 2 FGG), die Titulierung der aus der Dispache resultierenden Ansprüche ein (§ 158 Abs 2 FGG). 17 Hinsichtlich des streitigen Teils der Dispache ist der Widersprechende auf die weitere Rechtsverfolgung durch Erhebung der Widerspruchsklage zu verweisen (§ 156 Abs 1 S 1 FGG). 13 18 Für die Dispacheurbestellung (§ 150 FGG) sowie die Dispachebestätigung einschließlich der Dispacheverhandlung (SS 153 bis 155 FGG) entsteht an Gerichtskosten jeweils eine volle Gebühr ($ 123 Abs 1, Abs 2 KostO). Maßgebend ist als Geschäftswert insoweit der Havarieschaden bzw der Wert des in großer Haverei Geretteten (§ 123 Abs 1 S 2 KostO). Entgegen dem Wortlaut von § 123 Abs 1 S 2 KostO kommt in der binnenschiffahrtsrechtlichen Dispachierung eine Berücksichtigung der Fracht nicht in Betracht (anders im Seerecht, § 700 Abs 2 HGB). Eine Kostenfestsetzung gegen die unterliegende Seite kommt im Bereich der gerichtlichen Dispachebestätigung - im Gegensatz zum nachfolgenden Widerspruchsverfahren (Rn 23) - nur ausnahmsweise in Betracht (S 13a FGG). 14

§ 156 FGG [Verfolgung des Widerspruchs] (1) Soweit ein Widerspruch nicht gemäß $ 155 Abs 3 erledigt wird, hat ihn der Widersprechende durch Erhebung der Klage gegen diejenigen an dem Verfahren Beteiligten, deren Rechte durch den Widerspruch betroffen werden, zu verfolgen. Die das Verteilungsverfahren betreffenden Vorschriften der SS 878, 879 der Zivilprozeßordnung finden mit der Maßgabe entsprechende Anwendung, daß das Gericht einem Beteiligten auf seinen Antrag, wenn erhebliche Gründe glaubhaft gemacht werden, die Frist zur Erhebung der Klage verlängern kann und daß an die Stelle der Ausführung des Verteilungsplans die Bestätigung der Dispache tritt. (2) Ist der Widerspruch durch rechtskräftiges Urteil oder in anderer Weise erledigt, so wird die Dispache bestätigt, nachdem sie erforderlichen Falles von dem Amtsgericht nach Maßgabe der Erledigung der Einwendungen berichtigt ist.

13 14

268

OLG Köln Beschl ν 6 . 1 2 . 1991 (Az 3 W 65/91); dort auch Ausführungen zur dogmatischen Abgrenzung von Dispachebestätigungs- und Widerspruchsverfahren. OLG Köln Beschl ν 6 . 1 2 . 1 9 9 1 (Az 3 W 65/91).

Sechster Abschnitt. Haverei

Anhang SS 87, 88 BinSchG

Beklagter der Widerspruchsklage ist derjenige, der aus der/dem nach § 155 FGG 19 nicht bestätigten (Teil der) Dispache Ansprüche ableiten will. Kläger ist der Anspruchsgegner dieser Forderungen (§ 156 Abs 1 S 1 FGG). Sein Klageziel ist es, durch ein Obsiegen eine Bestandskraft der Dispache auch hinsichtlich der streitigen Haverie-Grosse-Vergütungen/Beiträge und damit eine Titulierung von Ansprüchen des Beklagten gegen den Kläger (§ 158 Abs 2 FGG) zu verhindern. 15 Demgemäß lautet der Klagantrag: „Die gerichtliche Bestätigung der Dispache N r . . . des Dispacheurs ... vom ... wird insgesamt (bzw: „soweit sich die Bestätigung durch die Einigung der Haverie-Grosse-Beteiligten nicht erledigt hat") abgelehnt." Der Antrag des Beklagten lautet umgekehrt auf gerichtliche Bestätigung (des streitigen Teils) der Dispache (S 156 Abs 2 FGG). Da die zu beanspruchenden Vergütungen und die zu erbringenden Beiträge in der Dispache bereits exakt beziffert sind, ist die Widerspruchsklage eine reine Gestaltungsklage und keine Leistungsklage (arg § 880 ZPO). Durch rechtskräftige Klagabweisung und Dispachebestätigung steht dem Beklagten mit der Dispache als solche ein wirksamer Vollstreckungstitel zur Verfügung (§ 158 Abs 2 FGG). Für das Widerspruchsverfahren gelten die §§878, 879 ZPO entsprechend (§156 Abs 1 FGG): JT 878 ZPO Widerspruchsklage (1) Der widersprechende Gläubiger muß ohne vorherige Aufforderung binnen einer Frist von einem Monat, die mit dem Terminstag beginnt, dem Gericht nachweisen, daß er gegen die beteiligten Gläubiger Klage erhoben habe. Nach fruchtlosem Ablauf dieser Frist wird die Ausführung des Planes ohne Rücksicht auf den Widerspruch angeordnet. (2) Die Befugnis des Gläubigers, der dem Plan widersprochen hat, ein besseres Recht gegen den Gläubiger, der einen Geldbetrag nach dem Plan erhalten hat, im Wege der Klage geltend zu machen, wird durch die Versäumung der Frist und durch die Ausführung des Planes nicht ausgeschlossen. JT 879 ZPO Zuständigkeitfür Widerspruchsklage (1) Die Klage ist bei dem Verteilungsgericht und, wenn der Streitgegenstand zur Zuständigkeit der Amtsgerichte nicht gehört, bei dem Landgericht zu erheben, in dessen Bezirk das Verteilungsgericht seinen Sitz hat.

IS

BGHZfB 1 9 7 7 , 1 0 9 .

269

BinSchG Anhang §§ 87, 88

Dispacheverfahren

(2) Das Landgericht ist für sämtliche Klagen zuständig, wenn seine Zuständigkeit nach dem Inhalt der erhobenen und in dem Termin nicht zur Erledigung gelangten Widersprüche auch nur bei einer Klage begründet ist, sofern nicht die sämtlichen beteiligten Gläubiger vereinbaren, daß das Verteilungsgericht über alle Widersprüche entscheiden solle. 20 Im Dispachebestätigungstermin (§ 155 FGG) ist dem Widersprechenden eine Frist von einem Monat, beginnend ab dem Terminstag, zur Erhebung der Widerspruchsklage zu setzen ($ 878 ZPO). Diese Frist kann, wenn der Kläger hierfür gegenüber dem Amtsgericht erhebliche Gründe glaubhaft macht, verlängert werden (§ 156 Abs 1 S 2 FGG). Wegen des möglichen Auseinanderfallens des Gerichtsstands für die Dispachebestätigungs- und Widerspruchsklagverfahren (Rn 4) hat der Kläger dem für die Dispachebestätigung zuständigen Amtsgericht die Erhebung der Klage nachzuweisen; der Nachweis der rechtzeitigen Einreichung der Klage reicht aus (§ 261b Abs 3 ZPO analog). Der rechtzeitige Nachweis ist im eigenen Interesse des Klägers, um eine gerichtliche Bestätigung der Dispache und damit eine Anspruchstitulierung gegen ihn zu vermeiden (§§ 156 Abs 2 , 1 5 8 Abs 2 FGG). 21 Die gerichtliche Zuständigkeit für die Widerspruchsklage richtet sich nach § 879 ZPO; der Gerichtsstand der Dispachebestätigung und derjenige der Widerspruchsklage fällt somit nur bei Streitwerten unter € 5.000 beim Amtsgericht zusammen. Darüber hinausgehende Widerspruchsklagen sind beim Landgericht anhängig zu machen (§ 879 Abs 1 ZPO: „und" = recte „oder", Rn 4). Soweit mehrere Widerspruchsklagen erhoben werden, ist das Landgericht für sämtliche Klagen sammelzuständig, auch wenn nur in einem der Fälle seine Ausgangszuständigkeit gegeben ist (§ 879 Abs 2 ZPO). Die Entscheidung über die Widerspruchsklage unterliegt der Überprüfung im Wege von Berufung und Revision nach den allgemeine Vorschriften. Das FGG-Beschwerderecht kommt nicht zur Anwendung (§ 157 Abs 2 FGG). 22 Bei rechtzeitigem Nachweis der Widerspruchsklagerhebung ruht das Dispachebestätigungsverfahren bis zur Erledigung des Widerspruchs, gleichviel ob durch rechtskräftige Klagabweisung oder Dispachebestätigung, durch Anerkenntnis, Klagrücknahme oder Vergleich. Nach Abschluß des Widerspruchsverfahrens ist die Dispache dann vom Amtsgericht entsprechend der Tenorierung im Urteil entweder (evtl in berichtigter Form) zu bestätigen oder der Dispache ist die Bestätigung endgültig zu versagen, insbesondere dann, wenn der Widersprechende seine Position durchsetzt, es habe überhaupt kein Haverie-Grosse-Fall vorgelegen. 15 Dem Amtsgericht als Dispachebestätigungsgericht verbleibt auch insoweit (Rn 14) kein eigenes Prüfungsrecht mehr; vielmehr hat es die vorangegangene rechtskräftige Entscheidung im Widerspruchsverfahren nur noch zu exekutieren.

16 OLG Hamburg MDR 1966, 591.

270

Sechster Abschnitt. Haverei

Anhang SS 87, 88 BinSchG

Hinsichtlich der Kosten und der Kostenfestsetzung gelten die allgemeinen Vor- 23 Schriften §§ Iff, 34ff GKG, 91ff ZPO. §§ 123 KostO, 13a FGG sind im gerichtlichen Verfahren über die Widerspruchsklage unanwendbar. Die Kosten eines im Dispachebestätigungsverfahren tätigen Rechtsanwalts gehören nicht zu den Kosten des Widerspruchsverfahrens. 17 S 157 FGG [Beschwerde] (1) Gegen die Verfügung, durch welche ein nach S 153 gestellter Antrag auf gerichtliche Verhandlung zurückgewiesen oder über die Bestätigung der Dispache entschieden wird, findet die sofortige Beschwerde statt. (2) Einwendungen gegen die Dispache, welche mittels Widerspruchs geltend zu machen sind, können nicht im Wege der Beschwerde geltend gemacht werden. Sofern ein Antrag auf Dispacheverhandlung zurückgewiesen wird, ist hiergegen die 24 sofortige Beschwerde gem § 22 Abs 1 FGG binnen einer Zweiwochenfrist bei dem Dispachegericht oder dem Landgericht als Beschwerdegericht einzulegen (§ 157 Abs 1 Alt 1 FGG). Eine weitere sofortige Beschwerde an das Oberlandesgericht ist unter Berufung auf Gesetzesverletzungen möglich (§ 27 FGG). Wird statt dessen die Dispache gerichtlich bestätigt, so kann hiergegen ebenfalls sofortige Beschwerde eingelegt werden (§ 57 Abs 1 Alt 2 FGG), allerdings mit der entscheidenden Einschränkung, daß diese Beschwerde nur auf formelle Rügen gestützt werden kann (iarg e contr § 157 Abs 2 FGG), wie zB mangelhafte Ladung (§ 153 Abs 2, Abs 3 FGG), Nichteinhaltung der Ladungsfrist (§ 153 Abs 4 FGG), mangelhafte Beurkundung einer Einigung über die oder eine Berichtigung der Dispache (§§ 155 Abs 3, 156 Abs 2 FGG). Materielle Einwendungen gegen die Dispachebestätigung bleiben dem Verfahren über die Widerspruchsklage (§ 156 FGG) vorbehalten (§157 Abs 2 FGG).

S 158 FGG [Wirksamkeit der Bestätigung; Zwangsvollstreckung] (1) Die Bestätigung der Dispache ist nur für das gegenseitige Verhältnis der an dem Verfahren Beteiligten wirksam. (2) Aus der rechtskräftig bestätigten Dispache findet die Zwangsvollstreckung nach den Vorschriften der Zivilprozeßordnung statt. (3) Für Klagen auf Erteilung der Vollstreckungsklausel sowie für Klagen, durch welche Einwendungen gegen die in der Dispache festgestellten Ansprüche gel17

OLG Köln Besclll V 6. 12. 1991 (Az 3 W 65/91).

271

BinSchG Anhang §§ 87, 88

Dispacheverfahren

tend gemacht werden oder die bei der Erteilung der Vollstreckungsklausel als eingetreten angenommene Rechtsnachfolge bestritten wird, ist das Amtsgericht zuständig, welches die Dispache bestätigt hat. Gehört der Anspruch nicht vor die Amtsgerichte, so sind die Klagen bei dem zuständigen Landgericht zu erheben. 25

Zur Dispachewirkung nur unmittelbar zwischen den Haverie-Grosse-Beteiligten (§ 158 Abs 1 FGG) s §§ 87, 88 Rn 8 sowie Anh §§ 87, 88 Rn 2. Dementsprechend finden auch Maßnahmen der Zwangsvollstreckung (§ 158 Abs 2 ZPO) einschließlich der gerichtlichen Kontrolle (§ 158 Abs 3 ZPO) nur inter partes statt. Zur gerichtlichen Zuständigkeit für solche gerichtlichen Schritte (§158 Abs 3) so Rn4f. Nachdem die rechtskräftig bestätigte Dispache einen wirksamen Vollstreckungstitel darstellt, gelten die allgemeinen Vollstreckungsvorschriften: Erteilung eines Rechtskraftzeugnisses (§31 FGG), versehen mit einer Vollstreckungsklausel (§§724ff ZPO). Gleiches gilt für gerichtliche Schritte gegen die Erteilung der Vollstreckungsklausel und gegen die Vollstreckung selbst (§§ 731, 732, 767, 768 ZPO). Die Durchführung der Zwangsvollstreckung erfolgt nach §§ 803 ff ZPO.

26 Übersicht über den Ablauf des Dispacheverfahrens:

gerichtlich

272

Sechster Abschnitt. Haverei

Anhang SS 87, 88 BinSchG

273

BinSchG § 8 9

Rechte der Vergütungsberechtigten

$89

[Schiffsgläubigerrecht und Pfandrecht der Vergütungsberechtigten] (1) Die Vergütungsberechtigten haben wegen der von dem Schiffe zu entrichtenden Beiträge die Rechte von Schiffsgläubigern ( S S 102 bis 115). (2) Auch in Ansehung der beitragspflichtigen Güter steht den Vergütungsberechtigten an den einzelnen Gütern wegen des von diesen zu entrichtenden Beitrages ein Pfandrecht zu. Das Pfandrecht kann jedoch nach der Auslieferung der Güter nicht zum Nachteile des dritten Erwerbers, welcher den Besitz in gutem Glauben erlangt hat, geltend gemacht werden. (3) Das an den beitragspflichtigen Gütern den Vergütungsberechtigten zustehende Pfandrecht wird für sämtliche Berechtigten durch den Frachtführer ausgeübt. Die Geltendmachung des Pfandrechts durch den Frachtführer erfolgt nach Maßgabe der Vorschriften, die für das Pfandrecht des Frachtführers wegen der Fracht und der Auslagen gelten.

Übersicht Rn 1. Allgemeines 2. Schiffsgläubigerrecht ($ 89 Abs 1) . . . 3. Pfandrecht an der Ladung (§ 89 Abs 2) 4. Ausübung des Pfandrechts ($ 89 Abs 3)

1.

1-2

3-6 7-15 16-18

Allgemeines

1 Nachdem §§ 78 bis 85 das materielle Recht der großen Haverei, §§ 86 bis 88 das außergerichtliche Dispachierungsverfahren behandeln, steht bei §§ 89 bis 91 das gesetzgeberische Ziel im Mittelpunkt, die Durchsetzung der Haverie-Grosse-Vergütungsansprüche dinglich abzusichern. 2 § 89 Abs 1 begründet für die Vergütungsberechtigten auf Ladungsseite ein Schiffsgläubigerrecht am Schiff (§§102 bis 115), während § 8 9 Abs 2, Abs 3 den Vergütungsansprüchen auf Schiffsseite ein Pfandrecht an der Ladung (§§ 1204ff BGB iVm § 1257 BGB) zur Seite stellt. §§ 90 Abs 1, 91 Abs 1 Satzhälfte 2 stellen den Grundsatz auf, daß Ladungsempfänger und Schiffsführer für Haverie-Grosse-Ansprüche nicht persönlich haften; von diesem Grundsatz machen §§ 90 Abs 2, 91 Abs 1 Satzhälfte 1 die Ausnahmen, daß - jeweils nur im Fall der Kenntnis von der Beitragsverpflichtung zur großen Haverei - der Empfänger bei Entgegennahme und der Schiffsführer bei Auslieferung der Güter beschränkt persönlich auf den Wert der entgegenge274

Sechster Abschnitt. Haverei

§ 8 9 BinSchG

nommenen/ausgelieferten Gütern haften. § 91 Abs 2, Abs 3 schließlich regelt Hinterlegungsrechte für Ladung (Abs 2) und Schiff (Abs 3). 2.

Schiffsgläubigerrecht (§ 89 Abs 1)

Wegen der von dem Schiffseigner für sein Haverie-Grosse-betroffenes Schiff zu ent- 3 richtenden Beiträge haben die vergütungsberechtigten Ladungsinteressenten die Rechte eines Schiffsgläubigers. Dieses Schiffsgläubigerrecht nach § 89 Abs 1 findet in dem Katalog der gesetzlichen Schiffsgläubigerrechte (§ 102) ausdrücklich Erwähnung (S 102 Nr 3; § 102 Rn 1 Iff). Zur Rechtsnatur des Schiffsgläubigerrechts s § 102 Rn 1, §§ 103 bis 105 Rn 1. Zu In- 4 halt, Umfang und Erstreckung des Schiffsgläubigerrechtes auf Schiff und Zubehör s §§ 103 bis 105 Rn 3ff. Zur Rechtsstellung der Haverie-Grosse-Vergütungsberechtigten als Schiffsgläubiger s §§ 103 bis 105 Rn21; zur Geltendmachung des Schiffsgläubigerrechtes s §§ 103 bis 105 Rn 22. Inhaber des Schiffsgläubigerrechtes ist derjenige, dem die vergütungsberechtigte 5 Ladung bei Beginn der Löschung (arg §§ 90 Abs 2, 91 Abs 1: „Auslieferung") gehört. Wurde das Eigentum an der Ladung nach der Haverie, aber noch vor Löschung auf einen Dritten übertragen, wird dieser vergütungsberechtigt und damit aus dem analogen Schiffsgläubigerrecht aktivlegitimiert. Das aus der großen Haverei entstehende Schiffsgläubigerrecht erstreckt sich auch auf 6 den Schadensersatzanspruch, der dem Schiffseigner wegen Verlust oder Beschädigung seines Schiffes gegen einen Dritten zusteht (§115 Abs 1 S 2; § 115 Rn 2). 3.

Pfandrecht an der Ladung (§ 89 Abs 2)

Wegen der von dem Ladungsbeteiligten für seine Haverie-Grosse-betroffene, geret- 7 tete Ladung zu entrichtenden Beiträge haben die Vergütungsberechtigten, idR der Schiffseigner, aber auch Interessenten einer anderen, iRd großen Haverei in Mitleidenschaft gezogenen Ladungspartie, ein gesetzliches Pfandrecht. Dem Schiffsgläubigerrecht gem § 89 Abs 1 entspricht somit ein in seinem Sicherungszweck adäquates, in seiner juristischen Struktur aber durchaus unterschiedliches Ladungsgläubigerrecht (S 89 Abs 2). Gegenstand des Pfandrechts sind sämtliche beitragspflichtigen Güter (§ 85 iVm 8 §§ 718ff HGB). Das Pfandrecht entsteht arg § 89 Abs 2 S 1 bis zur Höhe der Beitragspflicht des einzelnen Gutes, also nicht für die gesamte Havereiverpflichtung aller Güter. Das an einer bestimmten Ladungspartie bestehende Pfandrecht kann somit nicht in Höhe der Beitragspflicht aller übrigen Güter insgesamt geltend gemacht werden.1 1

RGZ 8 2 , 4 1 7 .

275

BinSchG § 8 9

Rechte der Vergütungsberechtigten

9 Der Inhalt des Pfandrechts bestimmt sich gem § 1257 BGB nach §§ 1204ff BGB, soweit nicht das BinSchG Sonderregelungen enthält. 10 Der Rang des Pfandrechts für Vergütungsansprüche der großen Haverei gegenüber sonstigen Pfandrechten an der Ladung (§ 26 iVm § 443 HGB; § 443 HGB Rn 2) ergibt sich aus § 116, der zwar im Achten Abschnitt „Schiffsgläubiger" abgedruckt ist, tatsächlich aber ein „auf den Ladungsgütern haftendes" Pfandrecht behandelt (§116 Rn 1). Zu den Details bei der Beachtung der Rangordnung der Pfandrechte s § 116 Rn 2ff. 11 Soweit einem Ladungsbeteiligten wegen Verlust oder Beschädigung der Ladung ein Schadensersatzanspruch gegen einen Dritten zuwächst, erstreckt sich das Pfandrecht aus großer Haverei auch auf diesen Ersatzanspruch (§ 116 Abs 2 iVm § 115 Abs 1; § 116Rn6ff). 12 Bei der Geltendmachung des Pfandrechts ist zu unterscheiden, ob eine Auslieferung der beitragspflichtigen Güter stattgefunden hat oder nicht. Der Begriff Auslieferung (§§ 89 Abs 2 S 2, 90 Abs 2) ist nicht mit der Ablieferung iSd HGB (§§ 407,408, 419, 421, 425 HGB u passim) identisch; erforderlich für die Auslieferung ist die tatsächliche Herausgabe der Güter an den Empfangsberechtigten, der befugt ist, die Auslieferung zu verlangen (§ 421 HGB). 13 Bis zur Auslieferung (Rn 12) besteht das Pfandrecht des Vergütungsberechtigten aus großer Haverei ohne Rücksicht auf die Eigentumsverhältnisse an diesen Gütern uneingeschränkt. Der vergütungsberechtigte Pfandrechtsgläubiger kann somit seine Verwertungsrechte gegenüber diesen Gütern auch dann durchsetzen, wenn der Eigentümer des Pfandguts kein Haverie-Grosse-Beteiligter ist. 14 Nach der Auslieferung (Rn 12) der Güter kann das Pfandrecht nicht zum Nachteil des redlichen, „dritten", also nicht Haverie-Grosse-beteiligten, Erwerbers geltend gemacht werden (§ 89 Abs 2 S 2). Die Vorschriften über den gutgläubigen Erwerb (§§ 1208, 932, 936,1257 BGB, 366 HGB) finden Anwendung. Der „dritte" Erwerber, der nicht Absender oder Empfänger sein darf, ist dann gutgläubig, wenn er bei dem Erwerb den Havereifall weder kannte noch kennen mußte (§ 932 Abs 2 BGB). 15 Der bösgläubige Erwerber tritt in die Position des Haverie-Grosse-Beitragspflichtigen: Er haftet also dinglich mit der Ladung (§ 90 Abs 1) bzw beschränkt persönlich auf den Wert der Ladung (§ 90 Abs 2). Soweit er die Güter an einen gutgläubigen Vierten weiter veräußert, haftet er auf Schadensersatz (§§ 1227, 990, 989 BGB iVm § 1257BGB). 4.

Ausübung des Pfandrechts (§ 89 Abs 3)

16 Ausgeübt wird das Pfandrecht stellvertretend für alle Haverie-Grosse-Vergütungsberechtigten durch den Frachtführer (§ 89 Abs 3 S 1), nicht den Schiffseigner. Die 276

Sechster Abschnitt. Haverei

SS 90, 91 BinSchG

Verwendung des Begriffes „Frachtführer" in § 89 Abs 3 dürfte insoweit ein Redaktionsversehen darstellen, da bereits § 91 wiederum an den Schiffsführer als Stellvertreter des Schiffseigners (§ 7) anknüpft. In der Partikulierschiffahrt kommt dieser Differenzierung wenig praktische Bedeutung zu, da dort Schiffseigner und (Unter-) Frachtführer regelmäßig zusammenfallen. Im Gegensatz zu der Realisierung der Schiffsgläubigerrechte nach § 89 Abs 1, bei de- 17 nen der übliche „Wettlauf der Gläubiger" stattfindet, hat hier der Frachtführer als Treuhänder für alle (anderen) Pfandrechtsgläubiger die notwendigen Maßnahmen zu veranlassen, und zwar selbst dann, wenn ausnahmsweise das Schiff selbst nicht vergütungsberechtigt in der großen Haverei sein sollte. Eine eigenständige Ausübung des Pfandrechts durch den Vergütungsberechtigten selbst kommt somit nicht in Betracht. Der Treuhandstellung des Frachtführers entspricht auf der anderen Seite seine Schadensersatzpflicht gegenüber den (übrigen) Pfandrechtsgläubigern, sofern er iRd Pfandrechtausübung seine Pflichten schuldhaft verletzt. Die Verwertung des Pfandguts erfolgt nach den allgemeinen Vorschriften, also 18 durch Pfandverkauf (§ 1228 BGB) im Wege einer öffentlichen Versteigerung (§1235 BGB). Soweit für einen Vergütungsberechtigten ausnahmsweise ein gerichtlicher Titel vorliegen sollte, insbesondere in Form einer bestätigten Dispache (§ 158 Abs 2 FGG; Anh §§ 87, 88 Rn 25), kann der Verkauf der beitragspflichtigen Güter durch den Frachtführer (§ 89 Abs 3 S 2) auch im Wege der Mobiliarzwangsvollstreckung erfolgen (§1233 Abs 2 BGB).

$90

[Empfang beitragspflichtiger Güter]

(1) Eine persönliche Verpflichtung zur Entrichtung des Beitrags wird durch den Havereifall nicht begründet. (2) Der Empfänger beitragspflichtiger Güter wird jedoch, wenn ihm bei der Annahme der Güter bekannt ist, daß davon ein Beitrag zu entrichten sei, für den letzteren insoweit verpflichtet, als der Beitrag, falls die Auslieferung nicht erfolgt wäre, aus den Gütern hätte geleistet werden können.

277

BinSchG

SS 9 0 , 9 1

Empfang, Auslieferung oder Hinterlegung beitragspflichtiger Güter

$91

[Auslieferung oder Hinterlegung beitragspflichtiger Güter]

(1) Der Schiffer darf Güter, auf welchen Havereibeiträge haften, vor deren Berichtigung oder Sicherstellung nicht ausliefern, widrigenfalls er für die Beiträge insoweit verantwortlich wird, als diese, falls die Auslieferung nicht erfolgt wäre, aus den Gütern hätten geleistet werden können. (2) Gegen Hinterlegung des beanspruchten Beitrags bei einer öffentlichen Hinterlegungsstelle hat die Auslieferung der Güter zu erfolgen. (3) Wird diese Hinterlegung verzögert, so ist der Schiffer berechtigt, die Güter in einem öffentlichen Lagerhaus oder in anderer sicherer Weise zu hinterlegen.

Übersicht Rn 1. Allgemeines

1-2

2. Grundsatz: keine persönliche Verpflichtung von Empfänger (§ 90 Abs 1) und Schiffsführer ($91 Abs 1)

3-5

3. Ausnahme: Beschränkt-persönliche Haftung von Empfänger (§ 90 Abs 2) und Schiffsführer ($ 91 Abs 1) 4. Hinterlegung des Ladungsbeitrages ($91 Abs 2) bzw der Güter ($91 Abs 3) 5. Havereireverse

1.

6-8 9-14 15-20

Allgemeines

1 Nach dem Grundsatz der Gefahrengemeinschaft von Schiff und Ladung ( § 7 8 Rn 1) kann die Beitragspflicht der Haverie-Grosse-Beteiligten nicht weitergehen als bis zu dem Wert, der durch die Maßnahmen der großen Haverei geretteten Gegenstände, deren Verlust oder jedenfalls Beschädigung eingetreten wäre, wären die Rettungsmaßnahmen durch den Schiffsführer unterblieben. Sowohl Ladungsempfänger (§90), als auch Schiffsführer (§91) sollen daher grundsätzlich nur mit den geretteten Gütern (§ 89 Abs 2) bzw dem erhaltenen Schiff (§ 89 Abs 1) dinglich haften. Gefährdet indes der Ladungsempfänger bzw der Schiffsführer die Realisierung der dinglichen Rechte der Pfandrechtsgläubiger, entsteht eine beschränkt-persönliche Haftung bis zu der Höhe des fiktiven Pfanderlöses (§§ 90 Abs 2 , 9 1 Abs 1). 2

Im Hinblick auf das Pfandrecht an den beitragspflichtigen Gütern sieht § 91 Abs 2 die Hinterlegung des Haverie-Grosse-Beitrages vor, anderenfalls der Schiffsführer berechtigt ist, die Güter als solche zu hinterlegen (§ 91 Abs 3), um seine beschränktpersönliche Haftung ( § 9 1 Abs 1) zu vermeiden. In der Praxis werden seitens der Versicherer der Haverie-Grosse-Beteiligten regelmäßig sog Havereireverse gezeichnet, 278

Sechster Abschnitt. Haverei

SS 90, 9 1 BinSchG

um eine beschränkt-persönliche Haftung des Versicherungsnehmers ebenso zu vermeiden wie eine umständliche und kostenintensive Hinterlegung (Rn 15ff).

2.

Grundsatz: keine persönliche Verpflichtung von Empfänger (S 9 0 Abs 1) und Schiffsführer (S 9 1 Abs 1)

Ladungsempfänger und Schiffsführer sollen grundsätzlich nur die dinglichen Ob- 3 jekte den Gläubigern zur Verfügung halten, die diesen vom Gesetz zur Durchsetzung ihrer Pfandrechte/Schiffsgläubigerrechte zugedacht sind (Rn 1). Hinsichtlich der Realisierung des Schiffsgläubigerrechts sieht der Gesetzgeber auch nach Löschung der Güter die Rechte der Haverie-Grosse-Berechtigten nicht beeinträchtigt, ist das Schiff doch auch später für entsprechende Zwangsmaßnahmen (zB Arrest) greifbar. Anders sieht es indes bei den Pfandrechten an der Ladung aus. Hier entsteht mit 4 Trennung von Schiff und Ladung, regelmäßig der Löschung der Ladung im Hafen, die Gefahr, daß das den Gläubigern zur Verfügung stehende Pfandobjekt verschwindet und dadurch die dingliche Sicherungsposition der Pfandrechtsgläubiger leer läuft. Um dem vorzubeugen, legt das Gesetz dem Ladungsempfänger (§ 90 Abs 2) und dem Schiffsführer (§ 91 Abs 1) Pflichten auf: keine Annahme (§ 90 Abs 2) bzw keine Auslieferung ( § 9 1 Abs 1) beitragspflichtiger Ladungspartien, es sei denn, der Haverie-Grosse-Beitrag für die Ladung wurde hinterlegt ( § 9 1 Abs 2) bzw - bei Verzögerung dieser Hinterlegung - die Güter werden in einem öffentlichen Lagerhaus hinterlegt ( § 9 1 Abs 3). Von diesem Grundsatz einer rein dinglichen Haftung werden indes Zinsen und Ko- 5 sten eines Rechtsstreits, der mit dem Ziel der Entrichtung des Haverie-GrosseBeitrags geführt wurde, nicht erfaßt. Für solche Nebenkosten haftet der Schuldner wegen eines von § 90 Abs 1, § 91 Abs 1 unabhängigen Verpflichtungsgrundes (§§ 91ff ZPO) ebenso unbeschränkt 1 wie unbeschränkbar (§ 5 Nr 1 Alt 2).

3.

Ausnahme: beschränkt-persönliche Haftung von Empfänger (S 9 0 Abs 2) und Schiffsführer (S 9 1 Abs 1)

Nach § 9 0 Abs 2 soll derjenige Empfänger, der die Güter in Kenntnis ihrer Beitrags- 6 Verpflichtung zur großen Haverei annimmt, auf den Wert dieser Beitragsverpflichtung beschränkt-persönlich haften. Hintergrund dieser Regel ist es, dem Ladungsempfänger einerseits die Möglichkeit einer schnellen Weiterverwertung (Transport, Verarbeitung, etc) in die Hand zu geben, ihm hierfür aber andererseits als „Preis" die Verpflichtung aufzuerlegen, für die auf den Gütern ruhenden Pfandrechte be-

1

RGZ 33, 86; RG Recht 1931 Nr 1247.

279

BinSchG

SS 9 0 , 9 1

Empfang, Auslieferung oder Hinterlegung beitragspflichtiger Güter

schränkt-persönlich zu haften. Nur so können das ökonomische Beschleunigungsinteresse der Ladungsinteressenten und das juristische Sicherungsinteresse der Pfandrechtsgläubiger in sinnvoller Weise zusammengeführt werden. Als Empfangsberechtigter der Ladung kommt auch der Absender in Betracht, zB, wenn der Empfänger die Annahme der Ladung ablehnt und den zugrunde liegenden Kaufvertrag rückabwickeln will. 2 Zur begrenzten Höhe der beschränkt-dinglichen Haftung auf den fiktiven Pfanderlös s Rn 1. 7 In gleicher Weise legt $ 9 1 Abs 1 eine beschränkt-persönliche Haftung des Schiffsführers für den Fall fest, daß er in Kenntnis der Belastung bestimmter Güter mit Haverie-Grosse-Verpflichtungen diese ausliefert, ohne sich zuvor des Haverie-GrosseBeitrages zu vergewissern (etwa durch Hinterlegung § 91 Abs 2). Zur begrenzten Höhe der beschränkt-dinglichen Haftung auf den fiktiven Pfanderlös s Rn 1. 8 Die Begrenzung der persönlichen Haftung von Empfänger und/oder Schiffsführer auf die Höhe desjenigen, was der Pfandrechtsgläubiger realistischerweise bei einer Verwertung der Güter erzielt hätte, rechtfertigt sich auch im Hinblick auf die gesetzliche Wertung, daß ansonsten Ansprüche auf Beitragsleistung zur großen Haverei summenmäßig nicht beschränkbar sind (§ 5 Nr 1 Alt 2). 4.

Hinterlegung des Haverie-Grosse-Ladungsbeitrages ( $ 9 1 Abs 2) bzw der Güter (S 91 Abs 3)

9 Der Schiffsführer ist zur Auslieferung der Ladung nicht nur berechtigt, sondern auch verpflichtet, wenn der auf den Gütern lastende Haverie-Grosse-Beitrag bei einer öffentlichen Hinterlegungsstelle hinterlegt wurde (§91 Abs 2). §§ 372ff BGB iVm mit der Hinterlegungsordnung gelten entsprechend. Neben der Hinterlegung des Haverie-Grosse-Beitrags in bar kommt jede andere ausreichende Sicherheitsleistung iSv §§ 232ff BGB in Betracht. Der Schiffsführer muß sich die ordnungsgemäße Hinterlegung eines ausreichenden Sicherungsbetrages durch den Ladungsbeteiligten nachweisen lassen. 10 Soweit der Dispacheur bei den Beteiligten einen sog Einschuß auf ein Depot der großen Haverei gefordert und erhalten hat, darf die Auslieferung erfolgen, wenn dieser Einschuß das Vergütungsinteresse an der auszuliefernden Ware einschließlich der angelaufenen Kosten (Rn 14) deckt. 3 Auch nach Auslieferung bleibt das Pfandrecht der Vergütungsberechtigen an den beitragspflichtigen Gütern (§ 89 Abs 2) bestehen; daneben tritt ein zusätzliches Pfandrecht an dem hinterlegten Geld oder der hinterlegten anderweitigen Sicherheitsleistung (§ 233 BGB).

2 3

RGZ 117,388. RGZ 108, 304.

280

Sechster Abschnitt. Haverei

SS 90, 91 BinSchG

Zahlt der Ladungsbeteiligte den auf ihn entfallenden Beitrag zur großen Haverei 11 nicht und stellt er daneben innerhalb angemessener Frist keine Sicherheit im Wege der Hinterlegung (§91 Abs 2), ist der Schiffsführer berechtigt aber nicht verpflichtet, die Güter selbst in einem öffentlichen Lagerhaus „zu hinterlegen" (§91 Abs 3). Da es sich bei der Ladung nicht um hinterlegungsfähige Objekte iSv §§ 372 BGB, 5 Hinterlo („Geld, Geldpapiere und sonstige Urkunden sowie Kostbarkeiten") handelt, kommt eine Anordnung von §§ 372ff BGB iVm mit der HinterlO nicht in Betracht. Vielmehr sind die Güter mit der Maßgabe sicher einzulagern, daß Herausgabe nur 12 gegen Ablösung des bestehenden Pfandrechts aus der Haverie-Grosse-Beitragsforderung (S 89 Abs 2) sowie der zwischenzeitlich entstandenen Kosten (Rn 14) erfolgen kann. Für den Zeitraum der Einlagerung übt der Schiffsführer in Erfüllung seiner Verpflichtungen gegenüber den Haverie-Grosse-Vergütungsberechtigten (§ 91 Abs 1) ein wirksames Zurückbehaltungsrecht an der Ware aus (SS 273, 1000 BGB). Verweigert sich der Ladungsbeteiligte dieser Ablösung, ist die Ware zur Durchsetzung der Beitragsforderungen zu versteigern bzw freihändig zu verkaufen (§§ 1220ff BGB). Voraussetzung für eine Einlagerung der Güter nach § 91 Abs 3 ist, daß der Ladungs- 13 beteiligte die Hinterlegung des Haverie-Grosse-Beitrages bzw einer adäquaten Sicherheitsleistung (§91 Abs 2) ungebührlich verzögert oder gar verweigert. Wegen der Notwendigkeit einer schnellen Abwicklung dieses Vorgangs4 erscheint die entsprechende Anwendung von § 121 BGB ( unverzüglich ) und der dazu ergangenen Rspr geboten. Liegen die Voraussetzungen für eine Einlagerung gem § 91 Abs 3 einmal vor, kommt eine nachträgliche Hinterlegung des Haverie-Grosse-Beitrages gem S 91 Abs 2 nicht mehr in Betracht. Die Kosten für die Hinterlegung des Haverie-Grosse-Beitrages gem § 91 Abs 2 und 14 die Einlagerung der Güter gem § 91 Abs 3 trägt grundsätzlich der beitragspflichtige Beteiligte als Veranlasser dieser Maßnahmen, es sei denn, die Vergütungsberechtigten oder der Schiffsführer haben zu Unrecht die Hinterlegungs- bzw Einlagerungsvoraussetzungen angenommen. Die Kosten sind sogleich mit Ablösung des Pfandrechts fällig. 5.

Havereireverse

Da die möglichst unverzügliche Löschung der Güter einschließlich deren Weiter- 15 transport, Weiterverarbeitung, etc, von erheblicher wirtschaftlicher Bedeutung ist (Rn 6) und der Schiffsführer andererseits die Sicherheit haben muß, sich durch eine Auslieferung der Güter nicht einer persönlichen Haftung auszusetzen (S 91 Abs 1), bedient sich die Binnenschiffahrtspraxis seit langem des sog Havereirevers'. Dieser

4

BGHZ SO, 16,19 - Z f B 1981, 323.

281

BinSchG SS 90, 91

Empfang, Auslieferung oder Hinterlegung beitragspflichtiger Güter

Verpflichtungsschein wird von dem Haverie-Grosse-verpflichteten Ladungsempfänger bzw dessen Versicherer ausgestellt und dem Dispacheur bzw dem Schiffsführer unmittelbar übergeben. Dadurch entfällt für den Schiffsführer das in § 91 Abs 1 gründende Motiv, die Auslieferung der Ware ohne geeignete Sicherheit zu verweigern bzw bei mangelnder Sicherheit nach § 91 Abs 3 zu verfahren. 16 Die rechtliche Bedeutung des Havereirevers'5 besteht darin, die persönliche Haftung des Ladungsempfängers, die gem § 90 Abs 2 erst mit Annahme der Güter entstehen würde, auf den Zeitpunkt der Übergabe des Havereirevers' vorzuverlagern, um dem Schiffsführer die Auslieferung der Ware ohne eigenes persönliches Haftungsrisiko (S 91 Abs 1) zu ermöglichen. 5 Demgemäß erlischt das Zurückbehaltungsrecht des Schiffsführers an der Ladung ( R n l 2 ) mit Vorlage des Revers', der zudem die (grundsätzliche, Rn 18) Haverie-Grosse-Verpflichtung der Ladung für den Dispacheur auch schriftlich dokumentiert. 7 17 Der Dispacheur hat die Bonität des Reversausstellers und den Text der Verpflichtungserklärung sorgfältig zu prüfen. 8 In der Praxis verwandt werden FormularErklärungen der Internationalen Vereinigung des Rheinschiffsregisters (IVR), bei denen regelmäßig der Ladungsversicherer folgende zentrale Verpflichtungserklärung abgibt: „Der Unterzeichnende verpflichtet sich, sofern Haverie-Grosse vorliegt, den Beitrag in Haverie-Grosse sowie die zu Lasten der nachstehend angegebenen Güter gehenden Sonderkosten zu zahlen" 9 . Mit Zeichnung des Revers' wird der spätere Einwand abgeschnitten, man habe seitens der Ladung von der HaverieGrosse-Beitragspflicht der auszuliefernden Güter keine Kenntnis gehabt. 10 Soweit im Havereirevers vermerkt, ist nach Regel XI HGR IVR die Vergütung in nationaler Währung auszuzahlen (Anh SS 90, 91 Rn28). Zum Vermerk der Ladungsbeteiligten im Revers sowie deren Unterrichtung über Schadensbesichtigungstermine s Regel XIII HGR IVR (Anh SS 90, 91 Rn 30). 18 Demgegenüber wird dem Ladungsempfänger bzw dessen Versicherer durch Zeichnung des Havereirevers' der spätere Einwand, es habe an den Voraussetzungen der großen Haverei gem § 78 Abs 1 gefehlt oder der Vergütung fordernde Beteiligte habe die gemeinsame Gefahr für Schiff und Ladung schuldhaft herbeigeführt (§ 79), nicht abgeschnitten. 11

5 6 7 8 9 10 11

282

Lindeck, Der „Revers" im Falle der Großen Haverei, ZfB 1952, 165. BGHZ 80, 16, 19 = Z f B 1981, 323; OLG Köln ZfB 1999, SaS 1741, 1742 = TranspR 2000, 224. BGHZ 80, 16, 19/20 = Z f B 1 9 8 1 , 3 2 3 . Lindeck Binnenschiffahrtsrecht, S 53. Ein weiterer Textvorschlag für den Havereirevers findet sich bei G. Bemm, Rechtsprobleme der großen Haverei, 162. OLG Hamburg HansGZ 1 9 1 1 , 1 0 5 Nr 47. BGHZ 80, 16, 19 = ZfB 1981, 323; OLG Köln ZfB 1999, SaS 1741, 1742 = TranspR 2000, 224; OLG Köln ZfB 1993, SaS 1422, 1424.

Sechster Abschnitt. Haverei

SS 90, 91 BinSchG

Tatsächlich lassen sich zum Zeitpunkt der Reverszeichnung solche (möglichen) Ein- 19 wände und deren (mögliche) Berechtigung noch nicht überschauen. Die Einordnung des Havereirevers' als Schuldanerkenntnis kommt daher nicht in Betracht. Es geht nicht darum, die rechtliche Position des Vergütungsverpflichteten der großen Haverei zu verschlechtern, Ziel der Reversvorlage ist vielmehr, dem legitimen Sicherungsinteresse der Vergütungsberechtigten gerecht zu werden. Einwände gegen die Dispache können daher auch nach Zeichnung des Havereirevers' in dem außergerichtlichen Dispachierungsverfahren ebenso vorgebracht werden wie in dem gerichtlichen Bestätigungs- und Widerspruchsklageverfahren (zu den Einzelheiten s Anh §§ 87, 88 Rn 9ff sowie die Übersicht zu dem Verfahrensablauf bei Anh §§ 87, 88 Rn 26). Verweigert die Ladung die Vorlage des Havereirevers', hat der Schiffsführer, um 20 seine persönliche Haftung nach § 91 Abs 1 zu vermeiden, gem § 91 Abs 2 den Nachweis einer Hinterlegung des Haverie-Grosse-Beitrages zu verlangen. Wird diese Hinterlegung verzögert oder gar abgelehnt, hat er die Güter nach § 91 Abs 3 einzulagern (Rn 11 ff).

283

A n h a n g §$ 9 0 , 9 1 Haverie-Grosse-Regeln IVR Fassung 2006 Übersicht Vorbemerkungen Regell: Regeiii:

Haverie-Grosse Stellvertretende Kosten

Rn 1-6 7-13 14-15

Regel III:

Einfluß des Verschuldens

16

Regel IV:

Ausschlüsse

17

Regel V:

Beweislast

Regel VI: Regel VII: Regel VIII:

Vergütungen - Schiff Vergütungen - Ladung Vergütungen - Fracht

19-21 22 23

18

Regel IX:

Vergütungen - Zinsen

24-26

Regel X: Regel XI:

Vergütungen - Expertisekosten etc Vergütungen - Währungen

27 28

Regel XII: Regel XIII:

Beitragspflichtige Werte Schadensfeststellungen

29 30

Regel XIV:

Verpflichtung zur Lieferung aller erforderlichen Angaben

31

Regel XV:

Aufmachung der Dispache

32

Regel XVI: Anfechtung der Dispache Regel XVII: Behandlung der Bardepots und Garantien Regel XVIII: Absichtliches Aufgrundsetzen

33-35 36 37

Regel XIX: Regel XX:

Hebung eines gesunkenen Schiffes Turnen usw

38 39-44

Regel XXI:

Leichterung

Regel XXII: Überwinterung Regel XXIII: Gemeinsame Bestimmungen über die Regeln XX, XXI, XXII Regel XXIV: Nothafen Regel XXV: Schiffsverbände Regel XXVI: Lastwagen, Container, Paletten uä Gerät

45 46 47-50 51 52-53 54

285

BinSchG Anhang §§ 90, 91

Haverie-Grosse-Regeln IVR

Vorbemerkungen: 1.

Historische Herleitung:

1 Die Internationale Vereinigung des Rheinschiffsregisters (IVR), eine 1874 von Versicherungsgesellschaften aus Deutschland und der Schweiz unter dem Namen „Rheinschiffsregisterverband" gegründete und 1947 in Rotterdam unter ihrem jetzigen Namen neubegründete Gesellschaft, vertritt die Interessen der europäischen Binnenschiffahrt. 1 Als solche Interessenvereinigung hat sie 1956 die sog Rheinregeln IVR aufgestellt und ihren Mitgliedern zur Anwendung empfohlen. Vorbild waren dabei die die seerechtliche Praxis bestimmenden sog York-Antwerp Rules (YAR).2 Veranlaßt durch die in den 1990iger Jahren, insbesondere nach Öffnung des Main-Donau-Kanals im Jahre 1992, erfolgte Einbindung der mittel- und osteuropäischen Binnenschiffahrt in das gesamteuropäische Wasserstraßennetz, erschien der IVR die Namensfokussierung allein auf das Rheinstromgebiet nicht mehr zeitgemäß, so daß im Jahre 2002 eine Umbenennung erfolgte in die jetzigen Haverie-GrosseRegeln IVR (if: HGR IVR). Diese werden von der IVR in der jeweils aktuellen Fassung (zuletzt: 2006) in den Sprachen der Vereinigung (Englisch, Deutsch, Niederländisch, Französisch), versehen mit einer eigenen Kommentierung, unter www.ivr.nl veröffentlicht.

2.

Haverie-Grosse-Regeln IVR als private Vertragsordnung

2 Die Regeln begründen eine privatrechtliche Vereinbarung über die Art und Weise, wie Haverie-Grosse-Fälle zwischen den Beteiligten abgewickelt werden sollen. Demgemäß sind sie, was häufig übersehen wird, nur bindend, sofern sie zwischen allen Beteiligten in den Frachtverträgen, Konnossementen, etc, zugrunde gelegt wurden (S 305 Abs 2 BGB) (§ 78 Rn 2). Insbesondere ist es nicht möglich, im Rahmen eines einheitlichen Haverie-Grosse-Verteilungsverfahrens gegenüber denjenigen Beteiligten, die sich mit den HGR IVR einverstanden erklärt haben, die HGR IVR, gegenüber den übrigen Beteiligten die allgemeinen gesetzlichen Bestimmungen anzuwenden. Fehlt es somit nur bezüglich eines einzigen Ladungs- bzw Schiffsinteressenten an einer Einbeziehung der HGR IVR, können diese insgesamt nicht zur Anwendung kommen. Ebensowenig gibt es einen Handelsbrauch dahingehend, daß die HGR IVR unabhängig von einer ausdrücklichen Einbeziehung Vertragsbestandteil werden. Allerdings kommt unter Kaufleuten eine stillschweigende Einbeziehung der HGR IVR dann in Betracht, wenn es für den Vertragspartner erkennbar war, jedenfalls bei Beachtung der verkehrsüblichen Sorgfalt hätte erkennbar sein können, daß sein Ver-

1 2

Organisations- und Mitgliederstruktur sowie Satzung ie www.ivr.nl. Zu deren Geschichte und Anwendung ie RateSeeHR vor $ 700 HGB Rn Iff sowie Anh $ 733 HGB Rn Iff.

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Sechster Abschnitt. Haverei

Anhang SS 90, 91 BinSchG

tragspartner nur unter Geltung der HGR IVR würde den Vertrag abschließen wollen. 3 Unabhängig hiervon beherrschen die HGR IVR die Binnenschiffahrtspraxis, ins- 3 besondere im internationalen Verkehr; in den maßgebenden Konnossementsbedingungen werden sie zugrunde gelegt. 4 Soweit die HGR IVR Unklarheiten aufweisen, ist zunächst durch Auslegung der 4 zutreffende Regelungsinhalt zu erforschen. Schweigen die - zwischen allen Beteiligten vereinbarten (Rn 2) - HGR IVR im Einzelfall, ist ergänzend das jeweils anzuwendende (Rn 6) nationale Recht heranzuziehen. 5 Die HGR IVR stellen Allgemeine Geschäftsbedingungen dar und unterliegen inso- 5 weit der uneingeschränkten Inhaltskontrolle gem §§ 305ff BGB. Überraschende und mehrdeutige Klauseln in den HGR IVR gehen zu Lasten desjenigen, der die HGR IVR in den Frachtvertrag einbezogen hat (§ 305c BGB). Erweist sich, daß eine HGR IVR-Regelung oder auch nur ein Teil hiervon von dem Grundgedanken der gesetzlichen Vorschriften gem §§ 78ff erheblich abweicht, wodurch eine unangemessene Benachteiligung eines Ladungs- oder Schiffsinteressenten eintritt, ist die betreffende Regelung wegen Verstoßes gegen die Generalklausel des S 305 BGB insgesamt unwirksam; eine geltungserhaltende Reduktion auf das gerade noch zulässige Maß verbietet sich j edenfalls bei Unteilbarkeit der Klausel. 6 3.

Internationales Privatrecht

Da die HGR IVR selbst keine Rechts wähl treffen, richtet sich die Frage nach dem an- 6 zuwendenden Recht nach dem Statut des Frachtvertrags (ie § 78 Rn 17). Es ist zunächst zu überprüfen, ob der zugrunde liegende Frachtvertrag klarstellt, welches Recht zur Anwendung kommen soll (Art 27 EGBGB). Fehlt im Vertrag eine entsprechende Rechtswahlklausel, kommt das Recht zur Anwendung, mit dem der Vertrag insgesamt, also nicht nur die Abwicklung der Haverie-Grosse, die engsten Verbindungen aufweist (Art 28 Abs 1 EGBGB). Dabei gilt bei Frachtverträgen die Vermutung gem Art 28 Abs 4 EGBGB, daß die engsten Verbindungen mit dem Staat bestehen, in dem der Beförderer im Zeitpunkt des Vertragsabschlusses seine Hauptniederlassung hat (näheres s § 407 HGB Rn 38ff).

3 4 5 6

Vgl die analoge Rspr zu stillschweigenden Einbeziehungen der ADSp sowie der Allgemeinen Lagerbedingungen (ALB): BGHZ 3, 200, 203; 9,1, 3; 12,136,141; IS, 98, 99/100. Ζ Bsp: Rhenania-Bedingungen, § 20 Abs 1, ZfB 1995, SaS 1S36, 1541; Internationale Verlade- und Transportbedingungen für die Binnenschiffahrt [IVTB] $ 19 Abs 1, ZfB 1999, SaS 174S, 1753. So auch BGHZ 60, 380; OLG Hamburg TranspR 1995, 445, 450 zu der Parallelproblematik bei den YorkAntwerp Rules (Y AR). Ständige Rspr Palandt/Heinrichs BGB $ 307 Rn 8 mwN.

287

BinSchG Anhang §§ 90, 91

Haverie-Grosse-Regeln IVR

Regel I Haverie-Grosse Haverie-Grosse liegt vor, wenn angesichts von außergewöhnlichen Umständen vernünftigerweise Opfer gebracht und/oder Kosten aufgewendet worden sind, um Schiff und Ladung aus einer gemeinsamen Gefahr zu retten. 7 Wie bei § 78 steht bei Regel I die Begriffsbestimmung der großen Haverei am Anfang der HGR IVR. Der Grundgedanke, zur Rettung von Schiff und Ladung aus einer gemeinsamen Gefahr werden absichtlich Opfer und Kosten aufgewendet, stimmt mit §§ 7 8 , 7 9 überein, im Detail gibt es allerdings nicht unwesentliche Abweichungen. 8 Hinsichtlich der von einem sorgfältigen Schiffsführer subjektiv wahrgenommenen gemeinsamen Gefahr für Schiff und Ladung wird § 78 lediglich insoweit ergänzt, als von außergewöhnlichen Umständen die Rede ist, die bei einer solchen gemeinsamen Gefahrenlage ohnehin unterstellt werden könne, wobei die ausdrückliche Erwähnung arg e contr deutlich macht, daß die normalen Schiffahrtskosten nicht Haverie-Grosse-fähig sind. Iü gilt das zu § 78 Gesagte (§ 78 Rn 6-8). 9 Aufgewendet bzw erbracht werden müssen Opfer und/oder Kosten. Während der Kostenbegriff von Regel I mit demjenigen von § 78 Abs 1 identisch ist (§ 78 Rn 12), zählen zu Opfern iSd HGR IVR nicht nur die Schäden am Schiff und/oder an der Ladung nach § 78 Abs 1 (§ 78 Rn 12), sondern darüber hinaus auch Schäden an Drittobjekten, etwa eine Kaibeschädigung bei der Notausladung brennender Ladung. 10 Wie bei § 78 Abs 1 müssen die Opfer und Schäden vorsätzlich (s auch Regel XIX) veranlagt werden (§ 78 Rn 9), wobei Regel I ergänzend klarstellt, daß dies vernünftigerweise 7 zu geschehen hat; eine Abweichung zu § 78 Abs 1 besteht in der Sache nicht. 8 11 Im Gegensatz zu § 78 Abs 1 müssen die Rettungsmaßnahmen nach Regel I nicht von dem Schiffsführer persönlich oder auf sein Geheiß vorgenommen werden; ausreichend ist, daß eine schiffahrtskundige Person (Schiffseigner, Versicherer, Havarieexperte) die Maßnahmen anordnet. 9 In der Sache ergeben sich gleichwohl auch hier keine Unterschiede, da auch nach deutschem Recht diese Dritten als Stellvertreter des Schiffsführers angesehen werden. 12 Der Annahme einer Haverie-Grosse steht es nicht entgegen, wenn die schiffsseitigen Maßnahmen behördlichen Anweisungen, etwa einer strompolizeilichen Verfügung, entsprechen. Denn die eigene Absicht des Schiffsführers/Schiffseigners, Schiff

7 8 9

OLG Hamburg VersR 1983, 533. BGHZSO, IS, 22 = ZfB 1981,323. BGHZ 80, 16, 21/22 =Z£B 1981,323.

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Sechster Abschnitt. Haverei

Anhang SS 90, 91 BinSchG

und Ladung aus einer gemeinsamen Gefahr zu retten, entfällt nicht durch den daneben existierenden Willen, die behördlichen Anordnungen zu befolgen. 10 Der wesentliche Unterschied zu der gesetzlichen Regelung nach §§ 78ff besteht 13 darin, daß es nach Regel I auf einen Erfolg der Maßnahmen gern § 78 Abs 2 S 2 (§ 78 Rn 11) nicht ankommt. Damit soll verhindert werden, daß riskante, aber - aus Sicht eines sorgfältigen Schiffsführers - durchaus chancenreiche Rettungsmaßnahmen nur deswegen unterbleiben, weil der Schiffsführer deren Mißerfolg befürchtet. Bleibt beispielsweise ein Turnversuch an einem festgefahrenen Schiff erfolglos, wird das Schiff dann aber aus anderem Grund wieder fahrfähig, sind die Turnkosten - im Gegensatz zu § 78 Abs 2 - nach Regel I HGRIVR in der großen Haverei verteilungsfähig.

Regel II Stellvertretende Kosten Die Netto-Kosten einer Maßnahme, durch welche in Haverie-Grosse vergütungsberechtigte Kosten vermieden worden sind, werden in Haverie-Grosse bis zur Höhe des Betrages der so ersparten Kosten vergütet. Als Netto-Kosten gelten die durch diese stellvertretende Maßnahme verursachten Auslagen, vermindert um die Kosten, welche bei normalem Verlauf der Reise entstanden wären. In der konkreten Gefahrensituation hat der Schiffsführer häufig die Wahl zwischen 14 verschiedenen Maßnahmen: die eine würde ganz erhebliche Kosten/Schäden verursachen, wäre aber gegenüber der Ladung Haverie-Grosse-verteilungsfähig; die andere Maßnahme würde zwar wesentlich weniger Kosten/Schäden auslösen, wäre aber nicht als große Haverei anzuerkennen. In einer solchen Situation soll der Schiffsführer dazu angehalten werden, stellvertretend für die teurere Haverie-Grosse-Maßnahme die günstigere Alternativmaßnahme zu veranlassen. In diesem Fall werden die so ausgelösten stellvertretenden Kosten Haverie-Grosse-vergütungsfähig. Vor dem Hintergrund der Schadensminderungsabsicht von Regel II ist selbstverständlich, daß diese stellvertretenden Kosten nur bis zur Höhe fiktiver Haverie-GrosseKosten festsetzungsfähig sind. Eine Abweichung zur deutschen Rechtslage besteht nicht, da nach der Rspr die Er- 15 satzfähigkeit stellvertretender Kosten seit langem anerkannt ist (SS 82,83 Rn 12, 27), um „eine geradezu pflichtwidrige Handlungsweise des Schiffers zu unwirtschaftlichem Handeln" zu vermeiden.11 10 11

BGHZ 8 0 , 1 6 , 22/23 = Z f B 1981, 323. BGHZ 28, 285, 295/296 in Fortführung VRGZ 98, 171, 173.

289

BinSchG Anhang §§ 90, 91

Haverie-Grosse-Regeln IVR

Regel III Einfluß des Verschuldens Die Pflicht, zur Haverie-Grosse beizutragen, besteht auch dann, wenn das Ereignis, welches zum Opfer oder zu den Kosten Anlaß gegeben hat, auf das Verschulden eines der Beteiligten zurückzuführen ist. Dies soll jedoch eventuelle Rechtsansprüche oder deren Abwehr nicht präjudizieren, die möglicherweise nach den gesetzlichen oder vertraglichen Bestimmungen gegen oder für diesen Beteiligten wegen solchen Verschuldens offen stehen. 16 Regel III 12 deckt sich inhaltlich uneingeschränkt mit § 79, so daß auf die dortige Kommentierung verwiesen werden kann.

Regel IV Ausschlüsse (1) Verluste, Schäden oder Kosten, die durch Verzögerung während oder nach der Reise entstanden sind, wie Nutzungsverluste und alle mittelbaren Schäden irgendwelcher Art wie Kursverluste werden in Haverie-Grosse nicht vergütet. (2) In keinem Fall sind in Haverie-Grosse Verluste, Schäden oder Kosten im Zusammenhang mit Wasserhaushalts- oder Umweltschäden zu vergüten, insbesondere nicht die Kosten der Beseitigung solcher Schäden. Es sind jedoch Kosten zur Abwendung oder Minderung von Wasserhaushalts- oder Umweltschäden zu vergüten, wenn sie als Voraussetzung zu einer Haverie-Grosse-Maßnahme aufgewendet worden sind. 17 In Übereinstimmung mit dem deutschen Recht, bei dem indes eine solche explizite Vorschrift fehlt, beschränkt Regel IV die Erstattungsfähigkeit nur auf solche Opfer und Kosten (Regel I; Rn9), die eine direkte Folge der Haverie-Grosse-Maßnahme sind. Mittelbare Schäden, insbesondere Verzögerungskosten bzw Nutzungsausfallentschädigung (Abs 1) (§ 92b Rn 30ff), zählen daher ebensowenig zur großen Haverei wie WHG- bzw UmweltHG-Schäden.

12

290

OLG Köln TranspR 2 0 0 0 , 2 2 4 = ZfB 1999, SaS 1741; OLG Köln ZfB 1984, 17.

Sechster Abschnitt. Haverei

Anhang SS 90, 91 BinSchG

Regel V Beweislast Der Beweis, daß Verluste oder Kosten in Haverie-Grosse zu vergüten sind, ist von demjenigen zu erbringen, der ihre Vergütung in Haverie-Grosse geltend macht. Regel V gilt als überflüssig, da nicht nur nach deutschem Recht eine Forderung stets 18 vom Anspruchsteller zu beweisen ist. Dementsprechend fehlt es an einem Pendant im BinSchG. Zu den näheren Anforderungen an die Darlegungs- und Beweislast des Anspruchstellers auf Haverie-Grosse-Vergütung s Regeln VI Abs 1, XIII (Rn 19ff, 30).

Regel VI Vergütungen - Schiff (1) Der Beitrag der in Haverie-Grosse zu vergütenden Sachschäden wird durch eine Expertise gemäß Regel XIII ermittelt. (2) Von den zur Vergütung in Haverie-Grosse anerkannten Beträgen sollen folgende Abzüge „neu für alt" gemacht werden: Vs auf erneuerte Teile an Schiffen, Motoren, Maschinen oder Kesseln vom ersten bis fünften Betriebsjahr; V4 auf erneuerte Teile an Schiffen, Motoren, Maschinen oder Kesseln vom sechsten bis zehnten Betriebsjahr; V3 auf erneuerte Teile an Schiffen, Motoren, Maschinen oder Kesseln ab dem elften Betriebsjahr; Kein Abzug für Anker und Ankerketten. Kein Abzug bei Kosten für vorläufige Reparaturen und für Erneuerungen an Schiffen, Motoren, Maschinen oder Kesseln, die am Tage des Unfalls weniger als ein Jahr in Betrieb waren. (3) Schleppstränge und Koppeldrähte werden mit dem Zeitwert vergütet. (4) Die Abzüge sollen lediglich von den Kosten des Neumaterials oder Teilen gemacht werden, wenn diese fertiggestellt und für den Einbau in das Schiff vorbereitet sind. (5) Wenn ein Schiff flott ist, wird keine Vergütung in Haverie-Grosse gewährt für Verlust oder Schäden, verursacht durch den Gebrauch eines oder mehrerer Anker. 291

BinSchG Anhang §§ 90, 91

Haverie-Grosse-Regeln IVR

19 Die Regeln VI bis XI befassen sich ähnlich wie § 85 iVm §§ 709, 710 HGB mit dem Umfang der Haverie-Grosse-Vergütungen; teilweise wird indes die deutsche Gesetzeslage deutlich modifiziert und vor dem Hintergrund einer möglichst hohen Praktikabilität für die Dispacheure schematisiert. 20 Soweit Regel VI Abs 1 von einer „Expertise" spricht, ist daraufhinzuweisen, daß die HGR IVR parallel dazu auch den Begriff der „Dispache" (§ 87 Abs 1) verwenden (etwa Regeln IX, Χ, XIV, XV, XVI); ein sachlicher Unterschied zwischen diesen beiden Begriffen besteht nicht (zu Inhalt und Bedeutung der Expertise/Dispache s §§ 87, 88 Rn 4 bis 8. 21 Wesentlicher Inhalt der Regel VI sind die schematisch zu handhabenden Abzüge neu für alt. Dieses System der festen Abzüge (ähnlich Rule XIII YAR), das sich an objektiven Kriterien, nicht an dem Erhaltungszustand des konkreten, von der großen Haverei betroffenen Schiffes orientiert, hat sich in der Praxis bewährt, vermeidet es doch umständliche Einzelermittlungen des Dispacheurs.

Regel VII Vergütungen - Ladung (1) Der für Beschädigungen oder Verluste an geopferten Gütern in der HaverieGrosse zu vergütende Betrag soll dem Schaden gleichkommen, den der Eigentümer der Güter durch das Opfer erlitten hat, berechnet aufgrund des CIFWertes am letzten Löschtag des Schiffes oder am Ende der Reise, sofern diese an einem anderen Ort als dem ursprünglichen Bestimmungsort endet. (2) Werden so beschädigte Güter verkauft, und ist der Betrag des Schadens nicht in anderer Weise festgestellt worden, so ist der in Haverie-Grosse zu vergütende Verlust gleich dem Unterschied zwischen dem Netto-Verkaufserlös und den nach Absatz 1 berechneten Werten gleicher Güter in gesundem Zustand. 22 Der Schematisierung der vergütungsfähigen Schiffswerte (Regel VI Rn 19 bis 21) entspricht die - gegenüber § 85 Abs 1 iVm §§ 711 bis 713 HGB praktikablere - Standardisierung der Ladungswerte auf der Basis des CIF-Wertes. CIF (Cost Insurance and Freight), einer der verbreitetsten Incoterms im internationalen Handelskauf, legt den objektiven Wert der Ladung zum Zeitpunkt des letzten Löschtages des Schiffes (Regel VII Abs 1) fest, wobei der Verkäufer Kosten, Versicherung und Fracht zu tragen hat. 13 Regel VII orientiert sich am Marktpreis im unmittelbaren Haverie-GrosseZusammenhang und löst sich damit bewußt von dem Faktura-Wert der Ladung, da

13

292

Baumbach/Hopf HGB, Incoterms [6] CIF.

Sechster Abschnitt. Haverei

Anhang SS 90, 91 BinSchG

dieser von Handelsstufe zu Handelsstufe wechselt und damit einer einheitlichen objektiven Berechnung in der großen Haverei entgegensteht. Zu der Abweichung der CIF-Wertberechnung bei Lastwagen, Containern, Paletten uä Transportgerätschaften s Regel XXVI (Rn 54).

Regel VIII Vergütungen - Fracht Der in Haverie-Grosse zu vergütende Betrag für die nicht bezahlte Fracht geopferter Güter ist die verlorene Brutto-Fracht. Opfert der Schiffsführer die (bzw Teile der) Ladung, um der gemeinsamen Gefahr zu 23 begegnen, verliert er bzw der vertragliche Frachtführer idR den darauf bezogenen Frachtanspruch. Dieser Verlust ist - wie im deutschen Recht (§ 85 iVm § 715 HGB; § 715 HGB Rn lf) - in großer Haverei zu vergüten. Im Gegensatz zum BinSchG (S 715 HGB Rn 2) und auch zu den YAR (Rule XV Abs 2) setzt Regel VIII HGR IVR wiederum schematisierend die entsprechende Bruttofracht gemäß Frachtvertrag an, ohne Distanzfracht-, Ersatzfracht- oder Kostenabzüge, deren Ermittlung die Dispachierung verkomplizieren und/oder verzögern würde, zuzulassen.

Regel IX Vergütungen - Zinsen Die in Haverie-Grosse vergüteten Beträge werden verzinst und zwar vom Zeitpunkt an, in dem sie ausgegeben worden sind, oder vom Zeitpunkt an, in dem der Anspruchsberechtigte das geopferte Gut hätte erhalten sollen oder es tatsächlich erhalten hat, bis drei Monate nach dem Datum der Dispache. Der Zinssatz wird jährlich vom Verwaltungsrat der IVR ausgehend vom Euribor-Zinssatz festgestellt. Dieser Zinssatz gilt dann für das folgende Kalenderjahr. Im Gegensatz zum deutschen Recht, bei dem eine Verzinsung des Haverie-Grosse- 2 4 Vergütungsanspruchs nur dann in Betracht kommt, wenn eine schuldhafte (§ 286 Abs 4 BGB iVm §§ 276 bis 278 BGB) Verzögerung der Dispacheaufstellung oder der Auskehrung der Haverie-Grosse-Vergütungen, etc (durch Schiffsführer oder Dispacheur) vorliegt (§ 711 HGB Rn 6), setzt Regel IX - in Übereinstimmung mit den YAR (Rule XXI) - einen solchen Verzug für einen Zinsanspruch nicht voraus. Vielmehr wird Beginn und Ende des Zinslaufes automatisch auf ein ganz bestimmtes Zeitfen293

BinSchG Anhang §§ 90, 91

Haverie-Grosse-Regeln IVR

ster innerhalb der gesamten in Betracht kommenden Spanne zwischen dem Eintritt der Havarie und dem Erhalt der Haverie-Grosse-Vergütung beschränkt: 25 Hinsichtlich aufgewandter Kosten ist Zinsbeginn der Zahlungszeitpunkt dieser Kosten; bei entstandenen Schäden der noch nicht untergegangenen Sache (Schiff oder Ladung) ist Zinsbeginn der Zeitpunkt, zu dem der Berechtigte seine beschädigte Sache zurückerhält; bei dem Totalverlust einer Sache (Schiff oder Ladung) kommt es für den Zinsbeginn auf den hypothetischen Rückkunftszeitpunkt an. Das Zinsende wird einheitlich für Kosten, Schäden und Totalverlust festgelegt auf einen Zeitpunkt drei Monate nach dem Dispachierungsdatum. Nach Ablauf dieser drei Monate kann indes eine weitere gesetzliche Verzinsung in Betracht kommen, sofern beispielsweise der Dispacheur die Auskehrung der Beträge schuldhaft verzögert (§ 286 Abs 4 BGB iVm §§ 276 bis 278 BGB; Rn 24). Zu der Verzinsung von Bardepotbeträgen gem Regel XVII s Rn 36. 26 Im Gegensatz zu der früheren festen Zinshöhe von 7% pa hat die IVR im Jahre 2006 Regel IX dahingehend abgeändert, daß durch die IVR (www.ivr.nl) jährlich für das jeweilige Folgekalenderjahr ein marktkonformer Zinssatz am Maßstab des EuriborZinssatzes festgelegt wird.

Regel X Vergütungen - Expertisekosten etc In der Haverie-Grosse werden ebenfalls vergütet die Kosten der für die Aufmachung der Dispache nötigen Expertisen und Nachforschungen, sowie die Kosten und Gebühren des Dispacheurs und der IVR. 2 7 In teilweiser Übereinstimmung mit § 84 (§ 84 Rn 6) legt Regel X fest, daß sowohl die Kosten für die Aufstellung der Dispache selbst (Dispacheurgebühren), als auch die vorangegangenen Kosten für die Ermittlung der Schäden (Sachverständigen- und Taucherkosten, Hellingkosten, etc) in großer Haverei zu vergüten sind. Abweichend von §§ 14 Abs 3, 84 (§ 84 Rn 5) zählt Regel X die Verklarungskosten (§ 14 Rn Iff) nicht zu den Kosten im Zusammenhang mit der Erstellung der Dispache. Die Höhe der Dispachierungsgebühr wird von der IVR in einem Tarif festgelegt, der kartellrechtlichen Bedenken nicht begegnet, da die HGR IVR nur Wirkung gegenüber demjenigen entfalten, der sich diesen Regeln freiwillig unterwirft (s ο Rn 2).

294

Sechster Abschnitt. Haverei

Anhang SS 90, 91 BinSchG

Regel XI Vergütungen-Währungen (1) Die Auslagen werden in der Währung vergütet, in der sie bezahlt worden sind. Sofern es der Frachtführer im Verpflichtungsschein (Revers) verlangt, ist ihm der Gegenwert in seiner Landeswährung zu vergüten. (2) Die Vergütungen für die Ladung werden in der Währung berechnet, die am Ort, wo die Reise endet, und am Tage ihrer Beendigung Gültigkeit hat. Die Berechnung der Beitragswerte soll zum Kurs am Tage der Beendigung der Reise vorgenommen werden. Regel XI hat nach der Euro-Einführung in den für die Binnenschiffahrt maßgeben- 28 den Staaten (Deutschland, Benelux, Frankreich, Österreich) der Europäischen Union im Jahre 1999/2002 erheblich an praktischer Bedeutung verloren; Anwendungsfelder für diese Regel bestehen auf dem Rheinstromgebiet nur noch im Schiffahrtsverkehr mit der Schweiz, darüber hinaus aber vor allem im Donauverkehr mit den osteuropäischen Staaten. Besteht der Haverie-Grosse-Vergütungsberechtigte auf Auszahlung in nationaler Währung, ist ihm dieser Betrag zu vergüten, wobei der Euro-Kurswert am Auszahlungstag maßgebend ist. Zur Bedeutung des Havereirevers s §§ 9 0 , 9 1 Rn 15 bis 20.

Regel XII Beitragspflichtige Werte (1) Für den Beitragswert des Schiffes ist grundsätzlich maßgebend der Wert, den es am Ende der Reise und in dem Zustand hat, in dem es sich dann befindet. Der Handelswert soll nur als Anhaltspunkt für die Bewertung dienen. (2) Für den Beitragswert der Ladung ist grundsätzlich maßgebend der CIF-Wert, den sie am Ende der Reise und in dem Zustand hat, in dem sie sich zu diesem Zeitpunkt befindet. Der Beitragswert der während der Reise verkauften Ladung entspricht dem Netto-Verkaufserlös, der gegebenenfalls um gewährte Vergütungen in Haverie-Grosse erhöht wird. (3) Von den gemäß Ziff 1 und 2 ermittelten Werten werden alle Kosten in Abzug gebracht, die nach dem zur Haverie-Grosse Anlaß gebenden Ereignis bis zur Beendigung der ursprünglichen Reise entstanden sind. Eine dem Schiff zur Last fallende Sondervergütung gem Art 14 des Internationalen Übereinkommens über Bergung von 1989 darf jedoch nicht von dem gem Ziff 1 ermittelten Wert abgezogen werden. 295

BinSchG Anhang SS 90, 91

Haverie-Grosse-Regeln IVR

(4) Zu den auf vorstehende Art ermittelten Werten werden die in Haverie-Grosse für Sachschäden vergüteten Beträge hinzugerechnet. (5) Postsachen, Mundvorräte, Reisegepäck, selbst wenn registriert, und die persönlichen Effekten tragen zur Haverie-Grosse nicht bei. (6) Soweit die gerettete Fracht für den Frachtführer in Risiko steht, trägt sie mit ihrem Bruttobetrag bei. Soweit unbezahlte Fracht in Haverie-Grosse vergütet wird, trägt sie mit dem Betrag dieser Vergütung bei. 2 9 Regel XII besitzt viele Parallelen zu der Bemessung der Haverie-Grosse-Beitragswerte nach § 85 Abs 1 S 1 iVm SS 716 bis 720, 722 bis 724 HGB, § 85 Abs 1 S 2 und S 3, weswegen auf die dortige Kommentierung verwiesen werden kann. Im Havereirevers (SS 90, 91 Rn 15 bis 20) erklärt der beitragsverpflichtete Ladungsinteressent, „daß der im Revers angegebenen Betrag der Gesundwert der Ladung in unverzolltem Zustand „frei Ankunft Schiff" im Bestimmungshafen ist (gem Regel XII der HaverieGrosse-Regeln IVR, nF)". Zum CIF-Wert der Ladung (Abs 2) s Rn 22; zu der Abweichung der CIF-Wertberechnung bei Lastwagen, Containern, Paletten uä Transportgerätschaften s Regel XXVI (Rn 54). Zu dem Internationalen Übereinkommen über Bergung von 1989 (IÜB) (Abs 3) s § 93 Rn 1. Zu der mangelnden Beitragspflicht von Mundvorräten und Reisegepäck (Abs 5) s S 723 HGB Rn Iff. Im Gegensatz zur deutschen Gesetzeslage, bei der nur Schiff und Ladung, nicht aber Fracht, zur großen Haverei beitragen (S 85 Abs 2), während der Vergütungsanspruch für entgangene Fracht erhalten bleibt (S 78 iVm S 715 HGB; s S 715 HGB Rn lf) bestimmt Regel XII Abs 6 entsprechend den seerechtlichen Regeln (Rule XVII YAR), daß auch die Fracht, die der Frachtführer nach Abschluß der Haverie-Grosse-Maßnahme zu verdienen imstande ist, zur großen Haverei beiträgt.

Regel XIII Schadensfeststellungen (1) In allen Fällen, in denen eine Vergütung in Haverie-Grosse beantragt wird, müssen Ursachen, Natur und Umfang der Sachschäden wie folgt begründet werden: a) Schäden an der Ladung sind schnellstens, wenn möglich schon bei der Ablieferung der beschädigten Güter durch einen Experten festzustellen. Der Kaskobeteiligte ist so rechtzeitig zu benachrichtigen, daß er sich an der Feststellung des Schadens beteiligen kann. Geschieht dies nicht oder beantragt der Ladungsbeteiligte die Feststellung von Ladungsschäden nicht spätestens innerhalb von 8 Tagen nach der Ablie296

Sechster Abschnitt. Haverei

Anhang SS 90, 91 BinSchG

ferung der Güter, so wird bis zum Beweis des Gegenteils die ordnungsgemäße Ablieferung der Güter angenommen, b) Schäden am Schiff sind durch einen oder mehrere Experten sobald wie möglich nach dem Unfall, möglichst vor Antritt einer neuen Reise, festzustellen. Die Ladungsbeteiligten, welche durch einen Vermerk im Revers zu unterrichten sind, können sich bei der Schadensfeststellung vertreten lassen. (2) Werden mehrere Experten hinzugezogen, und können sie sich nicht einigen, so ernennt der Präsident der Havarie-Kommission der IVR einen weiteren Experten, dessen Ansicht entscheidet. Zur Feststellung der Ladungsschäden (Regel XIII Abs 1 lit a) vgl S 85 iVm SS 710 30 bis 713 HGB; zu der Abweichung der CIF-Wertberechnung bei Lastwagen, Containern, Paletten uä Transportgerätschaften s Regel XXVI (Rn 54); zur Taxierung der Schiffsschäden (Regel XIII Abs 1 lit b) vgl S 85 iVm § 709 HGB (§ 709 HGB Rn Iff). Die Schadenfeststellungen durch den oder die (Regel XIII Abs 2) Schiffs- und Ladungsexperten sowie die nachfolgende Aufstellung der Dispache haben „schnellstens" (Regel XIII Abs 1 lit a) bzw „sobald wie möglich" (Regel XIII Abs 1 lit b) zu erfolgen. Soweit sich die eingeschalteten Experten über bestimmte beitragende Werte nicht einigen können, entsendet die IVR einen Obergutachter (Regel XIII Abs 2), der abschließend mit Bindungswirkung gegenüber allen Haverie-Grosse-Beteiligten entscheidet.

Regel XIV Verpflichtung zur Lieferung aller erforderlichen Angaben (1) Die an der Haverie-Grosse Beteiligten haben dem Dispacheur alle für die Aufmachung der Dispache erforderlichen Angaben und Unterlagen spätestens innerhalb von sechs Monaten, nachdem der Dispacheur diese Angaben angefordert hat, zu liefern. (2) Kommen sie dieser Verpflichtung nicht nach, so wird der Dispacheur sich die Angaben verschaffen, die bis zum Beweis des Gegenteils Gültigkeit haben werden. Regel XIV Abs 1 entspricht iw § 87 Abs 3 (SS 87, 88 Rn 17), wobei zusätzlich ein Zeit- 31 limit von sechs Monaten bestimmt wird, innerhalb dessen die angeforderten Unterlagen dem Dispacheur vorzulegen sind. Da dem IVR-Dispacheur in dem Fall, daß ihm trotz Aufforderung Unterlagen vorenthalten werden, gesetzliche Zwangsmittel (S 151 FGG; s Anh SS 87, 88, Rn 6) fehlen, ermächtigt ihn Regel XIV Abs 2 zu einer 297

BinSchG Anhang §§ 90, 91

Haverie-Grosse-Regeln IVR

Art Ersatzvornahme, durch die er sich, soweit möglich, die notwendigen Papiere bzw Informationen selbst besorgen kann. Dabei enthält Regel XIV Abs 2 Halbs 2 eine Anscheinsbeweisregel, wonach die von dem Dispacheur selbst organisierten Unterlagen bis zur Führung des Gegenbeweises als richtig gelten.

Regel XV Aufmachung der Dispache Der Schiffer ist berechtigt und auf Verlangen eines Beteiligten verpflichtet, die Aufmachung der Dispache einem anerkannten Dispacheur zu übertragen. 32 Regel XV stimmt mit § 87 Abs 2 nahezu wörtlich überein. Zu Inhalt und Bedeutung der Dispache s §§ 87, 88 Rn 4 bis 8, zu deren unverzügliche Aufmachung s §§ 87, 88 Rn 15ff. Zu der Rolle und der Aufgabe des Dispacheurs s SS 87, 88 Rn 9 bis 14. Während früher Regel XV einen „der IVR genehmen Dispacheur" forderte, reicht es heute, die Aufmachung der Dispache einem „anerkannten Dispacheur" zu übertragen. Wegen des Dispacheprüfungsrechts der IVR (Regel XVI, Rn 33), aber auch sonstiger Beteiligung der IVR an dem Haverie-Grosse-Verfahren nach HGR IVR (zB Regeln IX, XIII Abs 2, XVII) dürfte gleichwohl die Beauftragung eines Dispacheurs, der von der IVR nicht anerkannt wird, dem Verfahrensziel, möglichst schnell ein von allen Haverie-Grosse-Beteiligten in ihrer Entstehung unterstützte und dann als Abrechnungsgrundlage akzeptierte Dispache zu erhalten, zuwiderlaufen.

Regel XVI Anfechtung der Dispache Alle aufgemachten Dispachen können der IVR zur Prüfung mit den hierzu erforderlichen Unterlagen vorgelegt werden. Diese Vorschrift bewirkt keinen Verzicht der Parteien auf ein gerichtliches oder schiedsgerichtliches Verfahren. 33 Im Gegensatz zu dem gesetzlichen Dispache- und Dispachebestätigungsverfahren (SS 87, 88 iVm SS 149 bis 158 FGG; Anhang §S 87, 88 Rn Iff, s insbesondere Verfahrensübersicht Rn 26) fehlt der Dispachierung nach den HGR IVR die Möglichkeit, die Dispache durch Bestätigung in einen gerichtlichen Titel ($ 158 Abs 2 FGG) zu verwandeln. Derjenige Haverie-Grosse-Beteiligte, der Einwendungen gegen den Inhalt einer nach den HGR IVR aufgemachten Dispache hat, hat indes nach Regel XVI die Möglichkeit („können"), nicht die Pflicht, die Dispache der IVR zur Überprüfung 298

Sechster Abschnitt. Haverei

Anhang SS 90, 91 BinSchG

vorzulegen. Diese Vorlage bedeutet keinen Verzicht auf spätere gerichtliche Schritte (Regel XVIS 2). 14 Die Prüfung der Dispache durch die IVR bedeutet nicht zwangsläufig, daß ein Fall 34 der großen Haverei vorliegt. 15 Bestätigt die IVR bei dieser Überprüfung die Richtigkeit der Dispache oder stellt die IVR umgekehrt einzelne Fehler bei der Dispachierung fest, erwachsen auch hieraus keine unmittelbar durchsetzungsfähigen Ansprüche einzelner Haverie-Grosse-Beteiligter. Vielmehr hat die Überprüfung auf der IVR-Ebene eine mediationsähnliche Funktion; sie baut darauf, daß die HaverieGrosse-Beteiligten die Ergebnisse einer solchen IVR-Überprüfung am Ende freiwillig akzeptieren. Zum Teil existieren allerdings Vereinbarungen zwischen den der IVR angehörenden Versicherungen, bei Dispachen mit den Prüfungsvermerk der IVR ohne weiteres zu regulieren. 15 Wird die Dispache indes auch nach IVR-Überprüfung gem Regel XVI von den Have- 35 rie-Grosse-Beteiligten nicht als Abrechnungsgrundlage angenommen, muß derjenige, der Vergütungsansprüche reklamiert, diese gerichtlich gegenüber dem Beitragsverpflichteten einklagen; eine analoge Anwendung der §§ 153ff FGG (gerichtliche Dispachebestätigung) auf die IVR-Dispache kommt nicht in Betracht (Anh §§ 87, 88 Rn3f). Im einzuleitenden gerichtlichen Klagverfahren ist der Richter nicht an die Feststellungen des Dispacheurs und/oder der IVR gebunden, insbesondere hat er selbständig zu überprüfen, ob ein Fall der großen Haverei vorliegt. 17 Allerdings richtet sich, da die Prozeßparteien sich vertraglich den HGR IVR unterworfen haben (S 241 BGB), das materielle Haverie-Grosse-Recht primär nach den HGR IVR und nur ergänzend nach §§ 78ff oder anderweitigem nationalen Recht.

Regel XVII Behandlung Bardepots und Garantien Die zur Sicherstellung der Ladungsbeiträge erhobenen Bardepots sollen unverzüglich auf ein Sonderkonto bei einer im Verpflichtungsschein (Revers) angegebenen Bank überwiesen werden, über das der Dispacheur und die IVR nur gemeinsam verfügen können. Die so hinterlegten und gegebenenfalls um die Zinsen erhöhten Beträge dienen als Sicherheit für die Zahlungen, die von der Ladung an die Anspruchsberechtigten für Vergütungen in Haverie-Grosse, oder als besondere Kosten zu leisten 14 15 16 17

OLG Köln ZfB 1993, SaS 1422, 1424. OLG Karlsruhe ZfB 1999, SaS 1764. Liesecke VersR 1 9 S 5 , 1 0 1 7 . OLG Karlsruhe Beschl ν 25. 3 . 1 9 9 4 (Az W1/94 BSch).

299

BinSchG A n h a n g S S 90, 91

Haverie-Grosse-Regeln IVR

sind und für welche die Depots eingezogen wurden. Teilzahlungen oder Rückerstattungen von Bardepots können nur aufgrund einer schriftlichen Ermächtig u n g des Dispacheurs und der IVR geleistet werden. Die Depots, Zahlungen und Rückerstattungen sollen kein Präjudiz für die endgültigen Verpflichtungen der Parteien bilden. Die so hinterlegten Summen werden zu Lasten der Haverie-Grosse mit dem in Regel IX festgestellten Zinssatz verzinst; die darauf erhaltenen Bankzinsen werden der Haverie-Grosse gutgeschrieben. In Haverie-Grosse werden ebenfalls vergütet die Bankprovisionen für geleistete Garantien und für Verpflichtungen gegenüber Hilfeleistenden und Anderen. Auf die aufgrund dieser Garantien geleisteten Zahlungen wird in HaverieGrosse ebenfalls der in Regel IX festgestellte Zins gutgeschrieben. 36

Regel XVII, der Rule X X I I Y A R nachempfunden ist, trägt dem Sicherungsbedürfnis der Ladungsinteressenten Rechnung. Soweit diese Haverie-Grosse-Vergütungen oder -Vorschüsse erbringen, müssen diese Beträge vor einer mißbräuchlichen Verwendung jenseits des Zwecks der großen Haverei 1 8 oder gar einem Insolvenzrisiko geschützt werden. Der Dispacheur übernimmt qua seiner umfassenden Vertrauensstellung (S§ 87, 88 Rn I i i ) gegenüber den Vergütungsberechtigten Schutzpflichten bezüglich dieser Gelder. 19 Die Beträge werden daher auf ein Treuhandkonto des Dispacheurs überwiesen, auf das die IVR gemeinschaftlichen Zugriff hat. Zur Bedeutung und Aufgabe des Havereirevers s SS 90, 91 Rn 15 bis 20. Zur Verzinsung der eingeschossenen Beträge s Regel IX, Rn 24 bis 26.

Regel XVIII Absichtliches Aufgrundsetzen Die Schäden und Kosten eines absichtlichen Aufgrundsetzens können, sofern dies eine Maßnahme der Haverie-Grosse darstellt, nur dann eine Vergütung in Haverie-Grosse rechtfertigen, wenn das Schiff nachher wieder flott gebracht und als reparaturwürdig befunden wird. 37 Regel X V I I I entspricht weitgehend S 82 N r 3 S 1 und 2 ( S S 82, 83 Rn 13 bis 18), wobei ein Versenken des Havaristen in großer Haverei nach H G R IVR nicht in Betracht kommt. Leitbild war insoweit Rule V Y A R („freiwillige Strandung"), wobei diese seerechtliche Fokussierung dem binnenschiffahrtsrechtlichen Rettungsinteresse nur

18 RGZ 108, 304. 19

300

OLG Hamburg VersR 1991, 602 = TranspR 1990, 381.

Sechster Abschnitt. Haverei

Anhang SS 90, 91 BinSchG

eingeschränkt gerecht wird. Die zufällige, also gerade nicht vorsätzlich herbeigeführte Festfahrung, ein in der Praxis häufiger Fall, ist nicht nach Regel XVIII vergütungsfähig. Zu Turnmanövern nach einer absichtlichen Festfahrung vgl Regel XX (Rn 39ff).

Regel XIX Hebung eines gesunkenen Schiffes Ist das Schiff gesunken, ohne daß dies zur Rettung von Schiff und Ladung vorsätzlich herbeigeführt war, so gehören zwar nicht die durch den Unfall verursachten Schäden, wohl aber die zur gemeinsamen Hebung von Schiff und Ladung verwendeten Kosten, sowie die zu diesem Zweck dem Schiff oder der Ladung absichtlich zugefügten Schäden zur Haverie-Grosse. Regel XIX stimmt bis auf unwesentliche redaktionelle Unterschiede mit S 82 Nr 3 S 3 38 überein, so daß auf die dortige Kommentierung verwiesen wird (SS 82, 83 Rn 18).

Regel XX Turnen, usw (1) Beim Turnen an einem festgefahrenen Schiff wird, sofern dies eine Maßnahme der Haverie-Grosse darstellt, die dem Hilfeleistenden gezahlte Entschädigung in Haverie-Grosse vergütet. Die Vergütung kann jedoch nur umfassen: a) Die Entschädigung für die Hinfahrt zur Unfallstelle, den dortigen Aufenthalt und die Hilfeleistung, sowie für die Rückfahrt. b) Den Wert des verloren gegangenen Materials und/oder die Kosten der Reparatur der Schäden, welche das hilfeleistende Schiff während der eigentlichen Turnarbeiten erlitten hat. Die eigentlichen Turnarbeiten beginnen, von außergewöhnlichen Umständen abgesehen, zum Zeitpunkt der Übergabe des Schleppstranges und enden zum Zeitpunkt, in dem er abgeworfen wird oder hätte abgeworfen werden können. Als außergewöhnlicher Umstand gilt zB, wenn sich das turnende Schiff vor Beginn der Übernahme des Schleppstranges oder nach Abgabe des Schleppstranges in einem unmittelbaren Gefahrenbereich befindet, der mit Ausführung des Turnauftrages im Zusammenhang steht. c) Die Entschädigung für Nutzungsverlust, ausschließlich für die Zeit der Außerbetriebsetzung des hilfeleistenden Schiffes während der Ausführung der unter b) erwähnten Erneuerungen und/oder Reparaturen. 301

BinSchG Anhang §§ 90, 91

Haverie-Grosse-Regeln IVR

d) Die während der Turnarbeit am Eigentum Dritter verursachten Schäden einschließlich Nutzungsverlust, soweit der Hilfeleistende rechtlich begründete Ansprüche Dritter befriedigen mußte. (2) Beim Einsatz eines Schubbootes treffen die obigen Bestimmungen analog zu. 3 9 Nach einer absichtlichen, im Rettungsinteresse für Schiff und Ladung erfolgten Festfahrung (Regel XVIII, Rn 37) können Turnmaßnahmen in großer Haverei vergütet werden, wobei Regel XX, zu dem es eine Parallele im BinSchG nicht gibt, nach Maßgabe von Nr 1 lit a bis d den Umfang der Turnentschädigung teilweise erheblich einschränkt. Eine frühere Klausel in Regel XX Nr 1 lit a, wonach die Turnentschädigung „nach den Tarifen der IVR" zu erfolgen haben, wurde von der IVR im Jahr 2004 wegen kartellrechtlicher Bedenken gestrichen. 4 0 Regel XX ist von großer praktischer Bedeutung, da Turnmanöver zum Abbringen festgefahrener Schiffe in der Schiffahrt täglich durchgeführt werden. Juristische Grundlage der Turnmanöver ist ein Turnvertrag, der keiner besonderen Form bedarf und der konkludent spätestens mit Übernahme des Schleppstranges durch die Besatzung des Havaristen geschlossen wird. Ob das hilfeleistende Schiff ein normales Binnenschiff oder ein Schleppboot bzw Schubboot ist, spielt keine Rolle (Regel XX Abs 2). Zu einer Abweichung von Regel XX im Falle gerichtlicher bzw schiedsrichterlicher Entscheidungen s Regel XXIII (Rn 47). 4 1 Am unproblematischsten ist noch die unmittelbare Turnentschädigung für die Hinfahrt zur Unfallstelle, die eigentliche Turnhilfeleistung sowie die Rückfahrt (Regel X X Abs 1 lit a). Regelmäßig treffen die beteiligten Schiffsführer hierüber Pauschvereinbarungen über Funk, wobei sich die Vergütung an der Schiffahrtsüblichkeit orientiert. 4 2 Umstritten ist häufig, inwieweit Schäden, die das hilfeleistende Schiff im Zuge der Turnmaßnahme erleidet, in großer Haverei zu vergüten sind (Regel X X Abs 1 lit b). Hierzu wird man arg Regel XXIII Abs 3 nur Schäden zählen können, die sich als direkte Folge des Turnens darstellen. Soweit sich das hilfeleistende Schiff also Schäden außerhalb der eigentlichen Gefahrenzone zuzieht, sind diese nicht vergütungsfähig. Da Turnmanöver häufig zu Schäden führen, 20 kommt eine Minderung oder ein Wegfall der Turnentschädigung nur dann in Betracht, wenn der hilfeleistende Schiffsführer vorsätzlich oder grob fahrlässig handelt. Leichtes Verschulden in der konkreten Gefahrensituation begründet keine Haftung des Hilfeleistenden {arg §§ 277, 680 BGB) und läßt seine Turnentschädigung nach Schiffahrtsbrauch nicht entfallen.

20

302

BGH VersR 1958, 122; 1965, 510.

Sechster Abschnitt. Haverei

Anhang SS 90, 91 BinSchG

Neben dem Turnlohn (Regel XX Abs 1 lit a) steht dem hilfeleistenden Schiffsführer 43 auch Anspruch auf Nutzungsausfallentschädigung (§ 92b Rn 30ff) während der Turnmaßnahmen zu (Regel X X Abs 1 lit c). Schließlich sind Schäden (einschließlich Nutzungsausfallentschädigung), die ein 4 4 Dritter im Zuge der Turnmaßnahmen erleidet, Haverie-Grosse-vergütungsfähig (Regel X X Abs 1 lit d). Wird der Hilfeleistende von Dritten, etwa der Wasser- und Schiffahrtsverwaltung, wegen durch das Turnen entstandenen Auskolkungsschäden berechtigterweise in Anspruch genommen, kann er Freistellung hiervon 21 bzw Aufwendungsersatz verlangen.

Regel XXI Leichterung (1) Wenn die Maßnahme der Haverie-Grosse darin besteht, daß die Ladung ganz oder teilweise an Land verbracht, oder in ein oder mehrere Leichterfahrzeuge umgeladen wird, so werden nur folgende Vergütungen in Haverie-Grosse zugelassen: a) die Kosten, welche durch das Umladen, den Aufenthalt in den Leichterfahrzeugen oder an Land, sowie durch das Rückladen der geleichterten Güter entstanden sind; b) der Wert des verlorengegangenen Materials und/oder die Kosten für die Reparatur der an den Leichterfahrzeugen während der Leichterung entstandenen Schäden; c) die Entschädigung für Nutzungsverlust, ausschließlich für die Zeit der Außerbetriebsetzung des Leichterfahrzeuges während der Ausführung der unter b) erwähnten Erneuerungen und/oder Reparaturen; d) die Schäden, welche das hilfesuchende Schiff während dieser Arbeiten erlitten hat; e) die Verluste und Schäden, welche die geleichterte Ladung sowohl während der Umschlagsarbeiten als auch während des Aufenthaltes an Land oder in den Leichterfahrzeugen erlitten hat; f) die Prämie für eine eventuell abgeschlossene Versicherung. (2) Muß die Leichterung im regelmäßigen Verlauf der Reise erfolgen, so liegt Haverie-Grosse nicht vor.

21

OLG Köln VersR 1 9 7 8 , 3 4 3 .

303

BinSchG Anhang §§ 90, 91

Haverie-Grosse-Regeln IVR

45 Regel XXI entspricht inhaltlich weitgehend § 82 Nr 2 (§§ 82, 83 Rn 10 bis 12). Zu dem Leichterlohn (Regel XXI Abs 1 lit a) sowie etwaigen Schäden am Leichterschiff (Regel XXI Abs 1 lit b) bzw an dem Havaristen (Regel XXI Abs 1 lit d) kommt - in Erweiterung von § 82 Nr 2 - die gesondert zu vergütende Nutzungsausfallentschädigung (S 92b Rn 30ff) für das Leichterfahrzeug hinzu (Regel XXI Abs 1 lit c). Zu einer Abweichung von Regel XXI im Falle gerichtlicher bzw schiedsrichterlicher Entscheidungen s Regel XXIII (Rn 47).

Regel XXII Überwinterung Wenn das Schiff wegen Eintritts des Winterfrostes gezwungen ist, einen Zwischenhafen aufzusuchen, so gehören zur Haverie-Grosse nur die Kosten des Einund Auslaufens, die Schlepplöhne, die Hafengebühren, die für die Bewachung des beladenen Schiffes erforderlich gewordenen Kosten und, wenn zur Erleichterung des Schiffes die Ladung ganz oder teilweise in Leichterfahrzeuge umgeladen worden ist, der Leichterlohn sowie der durch die Leichterung entstandene Schaden. 4 6 Regel XXII entspricht bis auf geringfügige redaktionelle Anpassungen § 82 Nr 5, weswegen auf die dortige Kommentierung verwiesen werden kann (§§ 82, 83 Rn 22 bis 27). Zu dem Einlaufen in den Hafen jenseits winterlicher Witterungseinflüsse s Regel XXIV (Rn 51). Zu einer Abweichung von Regel XXII im Falle gerichtlicher bzw schiedsrichterlicher Entscheidung s Regel XXIII (Rn 47).

Regel XXIII Gemeinsame Bestimmungen für die Regeln XX, XXI, XXII (1) Unbeschadet der einschränkenden Vorschriften der Regeln XX, XXI, XXII sollen Entschädigungen, die durch Gerichtsurteil oder Schiedsspruch festgesetzt wurden, in Haverie-Grosse vergütet werden. (2) Alle Vorschriften der erwähnten Regeln sowie die Bestimmung von Absatz 1 dieser Regel sind ohne Einschränkung anwendbar, auch wenn die hilfeleistenden und hilfesuchenden Schiffe dem gleichen Reeder oder Eigentümer gehören oder vom gleichen Reeder bereedert werden. 304

Sechster Abschnitt. Haverei

Anhang SS 90, 91 BinSchG

(3) Die in diesen Regeln vorgesehenen Vergütungen beschränken sich auf Schäden und Verluste, welche die direkten Folgen der Hilfeleistung, der Leichterung oder des Schleppens sind. (4) Die Vergütungen in Haverie-Grosse sollen jeden Bergelohn umfassen, bei dessen Festlegung auch die Fähigkeiten und Anstrengungen der Hilfeleistenden in bezug auf die Verhinderung oder Begrenzung von Umweltschäden gemäß Art 13 Ziff lb des Internationalen Übereinkommens über Bergung 1989 berücksichtigt werden. Eine Sondervergütung, die der Reeder dem Hilfeleistenden gem Art 14 in Höhe des unter Ziff 4 des oben genannten Übereinkommens, oder gemäß einer anderen, dem Inhalt ähnlichen Bestimmung, zu entrichten hat, darf nicht in Haverie-Grosse vergütet werden. Regel XXIII Abs 1 enthält eine Öffnungsklausel der HGRIVR für den Fall, daß au- 4 7 ßerhalb der IVR-Dispachierung gerichtlich bzw schiedsrichterlich höhere Vergütungsansprüche als sie in Regeln XX bis XXII vorgesehen sind, festgesetzt wurden. In einem solchen Fall soll eine Harmonisierung dadurch eintreten, daß im Wege einer Nachtragsdispache die höheren Ansprüche in die Vergütung gem HGR IVR einbezogen werden. Regel XXIII Abs 2 übernimmt die in Konnossementen übliche Schwesterschiffklau- 4 8 sei, nach der es auf die Vergütungsberechtigung eines hilfeleistenden Schiffes keinen Einfluß hat, wenn dieses demselben Schiffseigner gehört, der auch Eigner des havarierten Schiffes ist. Der unmittelbare kausale Zusammenhang zwischen dem Turnen (Regel XX), dem 4 9 Leichtern (Regel XXI) und dem Schleppen (Regel XXII) mit den eingetreten Schäden ist Vergütungsvoraussetzung (Regel XXIII Abs 3); s Regel XX (Rn 42). Zu dem Internationalen Übereinkommen über Bergung 1989 (IBÜ) (Regel XXIII Abs 4) s § 93 Rn 1 (zur Parallele nach YAR vgl Rule VI lit a Abs 2).

Regel XXIV Nothafen (1) Wenn, außer in dem in Regel XXII erwähnten Fall, der Schiffer eine Maßnahme der Haverie-Grosse dadurch trifft, daß er das Schiff in einem Hafen führt und/oder es dort verbleiben läßt, so sollen ausschließlich die Kosten des Einund Auslaufens, die Schlepplöhne, die Hafengebühren und die für die Bewachung des beladenen Schiffes entstandenen Kosten in Haverie-Grosse vergütet werden. 305

50

BinSchG Anhang §§ 90, 91

Haverie-Grosse-Regeln IVR

(2) Muß ein Schiff jedoch infolge von Niedrigwasser einen Hafen anlaufen und/oder dort verbleiben, so ist eine Vergütung in Haverie-Grosse nicht gerechtfertigt. 51 Regel XXIV Abs 1 entspricht weitgehend § 83, weswegen auf die dortige Kommentierung verwiesen werden kann (§§ 82, 83 Rn 22 bis 27). In Regel XXIV Abs 2 wird zusätzlich klarstellt, daß der häufige Fall von Niedrigwasser und die dadurch ausgelöste Kosten (Anlaufen des Hafens, Aufenthalt im Hafen, aber auch Aufleichtern) in großer Haverei unter keinen Umständen vergütungsfähig ist. Diese Regelung ist sachgerecht, da es zu den Kernaufgaben eines verantwortlichen Schiffsführers gehört, sein Fahrzeug wasserstandsgerecht abzuladen 22 (§ 7 Rn 9). Wenn der Schiffsführer, um eine höhere Beladung seines Schiffes zu ermöglichen, auf steigendes Wasser setzt, gehen die diesbezüglichen Prognoserisiken nicht zu Lasten der Ladung.

Regel XXV Schiffsverbände (1) Als Schiffsverband im Sinne dieser Regel gilt eine Zusammenstellung von Fahrzeugen, die so miteinander verbunden sind, daß jedes Fahrzeug für sich keine eigene Bewegungsfreiheit hat. (2) Wenn Maßnahmen getroffen worden sind, um ein Fahrzeug und/oder einige oder alle Fahrzeuge eines Schiffsverbandes und ihre Ladung aus einer gemeinsamen Gefahr zu retten, finden die Regeln I bis einschließlich XXIV entsprechende Anwendung. Ein Fahrzeug eines Schiffsverbandes ist mit einem anderen Fahrzeug dieses Schiffsverbandes nicht in einer gemeinsamen Gefahr, wenn es durch bloßes Lösen der Verbindung von diesem anderen Fahrzeug in Sicherheit gebracht werden kann. (3) Im Falle einer gemeinsamen Gefahr werden die Regeln I bis XXIV sowohl zugunsten als auch zu Lasten der Interessenten der Fahrzeuge des Schiffsverbrandes und ihrer Ladung angewendet. (4) Für die Berechnung der Beitragswerte und der Vergütungen werden die Fahrzeuge dem Einheitsbegriff „Schiff" und die Gesamtheit der in den Fahrzeugen beförderten Ladungen dem Einheitsbegriff „Ladung" gleichgestellt, und zwar in dem Sinne, wie diese Worte in den Regeln I bis XXIV angewendet werden.

22

306

BGH VersR 1980, 1045.

Sechster Abschnitt. Haverei

Anhang SS 90, 91 BinSchG

Regel XXV bestimmt die analoge Geltung der Regeln I bis einschließlich XXIV auf 52 Schubverbände bzw Koppelverbände. Die Einbeziehung der HGR IVR gegenüber allen Schiffseinheiten und Ladungen des jeweiligen Schubverbandes dürfte indes, sofern der Schubvertrag sowie jedes einzelne Konnossement nicht ausdrücklich anderes regeln, die absolute Ausnahme bleiben (Rn 2). Kommen die HGR IVR bei dem Schubverband ausnahmsweise (Rn 52) zur Anwen- 53 dung, müssen zur Erstattungsfähigkeit von Haverie-Grosse-Maßnahmen zwei Voraussetzungen gegeben sein: eine gemeinsame Gefahr für alle Schiffseinheiten und alle hierauf befindlichen Ladungen einerseits sowie das Ziel der Maßnahme, diese Werte gemeinsam zu retten, andererseits.

Regel XXVI Lastwagen, Container, Paletten uä Gerät (1) Lastwagen, Container, Paletten und ähnliches Gerät gelten als Ladung im Sinne der vorangehenden Regeln, ungeachtet, wessen Eigentum sie sind. (2) Anstelle des CIF-Wertes gemäß Regel VII und Regel XII wird für die Vergütungen und Beitragswerte dieser Transport- und/oder Verladungsmittel ausgegangen von deren tatsächlichem Wert am letzten Löschtag des Schiffes oder am Ende der Reise, falls diese an einem anderen Ort als dem ursprünglichen Bestimmungsort endet. (3) Beziehen sich Schadensfeststellungen nach Ziff XIII la) auch auf Lastwagen, Container, Paletten und ähnliches Gerät, dann sind die Bestimmungen der Regel XIII entsprechend anzuwenden. Regel XXVI nimmt von der Marktpreiswertfestsetzung der Ladung nach CIF-Wert 54 (Rn 22) gem Regeln VII und XII Transportgerätschaften wie Lastwagen, Container, Paletten, etc ausdrücklich aus. Diese gelten zwar als Ladung (Regel XXVI Abs 1), maßgebend soll aber sowohl für die Haverie-Grosse-Vergütung, als auch den Haverie-Grosse-Beitrag der tatsächliche Wert (Regel XXVI Abs 2) am letzten Löschtag des Schiffes sein.

307

Siebenter Abschnitt Zusammenstoß von Schiffen, Bergung

$92

[Schadensersatzpflicht beim Schiffszusammenstoß]

(1) Die Schadensersatzpflicht beim Zusammenstoß von Binnenschiffen bestimmt sich nach den Vorschriften der §§ 92a bis 92f. (2) Fügt ein Schiff durch Ausführung oder Unterlassung eines Manövers oder durch Nichtbeobachtung einer Verordnung einem anderen Schiff oder den an Bord der Schiffe befindlichen Personen oder Sachen einen Schaden zu, ohne daß ein Zusammenstoß stattfindet, so finden die Vorschriften der SS 92a bis 92f entsprechende Anwendung. (3) Als Schiffe im Sinne dieser Vorschriften sind auch Kleinfahrzeuge anzusehen. Den Schiffen stehen bewegliche Teile von Schiffsbrücken gleich.

Übersicht

Rn 1. Allgemeines 2. Unmittelbarer Zusammenstoß von Binnenschiffen ($ 92 Abs 1, Abs 3) 3. Mittelbarer Zusammenstoß von Binnenschiffen (Fernschädigung, $ 92 Abs 2)

1.

1-4 5-12 13-17

Allgemeines

a) Während § 3 als lex generalis die grundsätzliche, adjektizische Haftung des Schiffs- 1 eigners für jegliche vertragliche und außervertragliche Forderungen im Zusammenhang mit dem Schiffsbetrieb regelt, ohne sich auf bestimmte Tatbestandselemente festzulegen, behandeln §§ 9 2 - 9 2 f als leges speciales ausschließlich die - freilich in der Praxis besonders wichtige - Schadensersatzpflicht des Schiffseigners bei einem unmittelbaren (§ 92 Abs 1) bzw einem mittelbaren Zusammenstoß von Binnenschiffen (sog Fernschädigung, % 92 Abs 2). Fehlt es also an einer unmittelbaren oder mittelbaren Kollision zwischen mindestens zwei Binnenschiffen, etwa bei der Anfah309

BinSchG § 9 2

Schadensersatzpflicht beim Schiffszusammenstoß

rung einer Hafen- oder Uferanlage durch ein Binnenschiff, sind §§ 92 bis 92f weder direkt, noch entsprechend anwendbar.1 2 b) SS 92 bis 92f sind - wie S 3 Abs 1 für den Nichtkollisionsfall - reine Zurechnungsnormen für fremdes Verschulden der Besatzung (§ 3 Abs 2). §§ 92 bis 92f begründen somit lediglich eine adjektizische Mithaftung des Schiffseigners für schuldhafte Fehler seiner Besatzung (§ 92b Rn 2). §§ 92 bis 92f sind daher - wie § 3 Abs 1 im Nichtkollisionsfall - weder direkt, noch entsprechend anwendbar für den Fall, daß den Schiffseigner ein eigenes Verschulden trifft, das mit der Führung des Schiffes nicht im Zusammenhang steht, insbesondere die Haftung für Ausrüstungsmängel des Schiffes (sog kommerzielles Verschulden). Führt der Schiffseigner indes sein Schiff selbst (sog Schiffseigner - Schiffsführer, § 1 Rn 47, § 3 Rn 36 und § 7 Rn 6) und kommt es dabei zu einem Zusammenstoß mit einem anderen Schiff, kommen §§ 92 bis 92f zur Anwendung, da der Eigner in diesem Fall zur Besatzung des Schiffes zählt (§S 3 Abs 2, 92b). 3 c) Kollidiert auf Seegewässern ein Binnenschiff mit einem Seeschiff, gelten die §§ 734ff HGB (§ 739 HGB). 2 Stoßen auf See zwei Binnenschiffe zusammen, gelten, soweit nach den Vorschriften des Internationalen Privatrechts deutsches Recht Anwendung findet, §S 92 bis 92f. 3 4 d) SS 92 bis 92f wurden in das BinSchG eingefügt durch das Gesetz zu dem Genfer Übereinkommen vom 15. 3 . 1 9 6 0 zur Vereinheitlichung einzelner Regeln über den Zusammenstoß von Binnenschiffen (IUeZB) sowie zur Änderung des BinSchG und des Flößereigesetzes vom 30. 8. 1972. 4 Das IUeZB, das für die Bundesrepublik Deutschland seit dem 27. 8 . 1 9 7 3 in Kraft ist,5 geht zurück auf das Übereinkommen vom 9 . 1 2 . 1930 zur einheitlichen Feststellung gewisser Regeln über den Zusammenstoß von Binnenschiffen, das nahezu wörtlich dem seerechtlichen Übereinkommen vom 2 3 . 9 . 1 9 1 0 6 entsprach. Mangels einer ausreichenden Zahl von Ratifikationen ist dieses erste Übereinkommen über den Zusammenstoß in der Binnenschiffahrt jedoch nie in Kraft getreten. Im Zuge des nach dem Zweiten Weltkrieg zunehmenden Binnenschiffsverkehrs wuchs jedoch das Interesse an einer grenzüberschreitenden Kodifikation der Regelungen über den Schiffszusammenstoß. Dem Übereinkommen von 1960 war daher mehr Glück beschieden als seinem Vorgänger, und bereits am 13.9. 1966 konnte es nach Hinterlegung der erforderli-

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OLG Karlsruhe ZfB 1992, SaS 1382, 13S3. BGHZfB 1973,613. Rabe SeeHR vor $ 734 HGB Rn 8; Begr IUeZB, BT-Drs 6/2432,4; die frühere Rspr zu § 92 aF (OLG Hamburg MDR 1966, 930) ist mit dem Inkrafttreten des IUeZB im Jahre 1972 gegenstandslos geworden. BGBl II, 1005. Bekanntmachung des Bundesministers des Auswärtigen vom 19.9.1973 (BGBl II, 1495); BGH VersR 1975, 639, 640. Internationales Übereinkommen zur einheitlichen Feststellung von Regeln über den Zusammenstoß von Schiffen ν 23.9.1910 - IUeZ, in Kraft getreten am 1. 3.1913 (RGBl 89).

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Siebenter Abschnitt. Zusammenstoß von Schiffen, Bergung

§ 9 2 BinSchG

chen fünf Ratifikations- bzw Beitrittsurkunden in Kraft treten. 7 Obwohl das damalige geltende Recht kaum von den Vorgaben des IUeZB abwich, entschloß sich der deutsche Gesetzgeber zu einer Übernahme des Übereinkommens ins deutsche Recht zu „Klarstellungszwecken8" und als einem „auch nach außen sichtbaren Beitrag zur Rechtsvereinheitlichung auf diesem Gebiet. 9 " Als problematisch erwies sich rückblickend der Umstand, daß der deutsche Gesetzgeber bei der Umsetzung des Übereinkommens dieses in das BinSchG inkorporierte und es dabei zu Abweichungen im Wortlaut kam, die zwar vom Gesetzgeber nach eigenen Aussagen nicht zu einer inhaltlichen Abweichung führen sollten, die aber - wie etwa iRd §§ 92 bis 92f, aber auch der §§ 117,118 1 0 - manchen Zweifel am Regelungsgehalt der neuen Vorschriften des BinSchG begründeten. Die §§ 92 bis 92f, in Kraft sei dem 6 . 9 . 1 9 7 2 , 1 1 sind an die Stelle des bis dahin geltenden § 92 aF getreten, der bei einem Schiffszusammenstoß in der Binnenschiffahrt einen Generalverweis auf §§ 734 bis 739 HGB enthalten und die dort geregelte Haftung des Reeders auf die Schiffseignerhaftung übertragen hatte. Der - wenig praxisrelevante - dogmatische Unterschied zwischen der früheren und der jetzigen Gesetzeslage besteht darin, daß sich das Verschulden (§ 92b) der Besatzung (§ 3 Abs 2) nach § 92 aF iVm §§ 734ff HGB auf den Zusammenstoß bezog, während sich dieses Verschulden heute darüber hinaus auch auf den durch den Zusammenstoß entstandenen Schaden beziehen muß. 12 2.

Unmittelbarer Zusammenstoß von Binnenschiffen (§ 92 Abs 1, Abs 3)

a) Zum Schiffsbegriff vgl § 1 Rn 3ff, 24ff, zur Abgrenzung Binnenschiff - Seeschiff 5 vgl § 1 Rn 16ff. § 92 Abs 3 stellt Kleinfahrzeuge13 und bewegliche Teile von Schiffsbrücken 14 den Schiffen gleich. Trotz des systemwidrigen Standorts dieser Gleichstellungjenseits von § l 1 5 und des insoweit verwirrenden Wortlauts „Schiffe im Sinne

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Zum Ratifikationsstand vgl Sctiadee/Claringbould, International Transport Treaties, Loseblatt, Deventer/ Antwerpen/London ua 2000. Vgl Begr zum Übereinkommensgesetz, BT-Drs 6/2432,4; s auch OLG Karlsruhe ZfB 1992, SaS 1382,1383. Ebd(Fn8), 13. $ 117Rn 1, § 118 Rn 1 sowie v. Waldstein/HoUandTranspR2003,387,388. Art 5 Abs 1 des Ges ν 30. 8.1972 iVm dem Ausgabetag des BGBl II am 5. 9.1972 (Fn 4). Begr IUeZB, BT-Drs 6/2432, S. Vgl die Legaldefinition „Kleinfahrzeug" in § 1.01 lit i RheinSchPV: „ein Fahrzeug, dessen Schiffskörper, ohne Ruder und Bugspriet, eine Höchstlänge von weniger als 20m aufweist". OLG Karlsruhe ZfB 1992, SaS 1382,1383. Die für die vermeintliche Notwendigkeit von § 92 Abs 3 angeführte Begr, der Schiffsbegriff des § 1 habe Kleinfahrzeuge und bewegliche Teile von Schiffsbrücken nicht umfaßt (Begr IUeZB aaO S 4/5; s auch OLG Karlsruhe ZfB 1992, SaS 1382, 1383) überzeugt nicht, da $ 1 schon von Anfang an (RG JW 1903, 444, Nr 31) - mit Ausnahme von Nachen, Gondeln und ähnlichem - Kleinfahrzeuge mit Besatzung, mit denen die Binnenschiffahrt betrieben wurde, als Schiffe eingeordnet hat (vgl Begr BinSchG S 36; Vortisch/Zschiicke Binnnenschiffahrts- und Flößereirecht, 1. Aufl Berlin 1938, § 1 Anm 2e).

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BinSchG § 9 2

Schadensersatzpflicht beim Schiffszusammenstoß

dieser Vorschriften" (= „Vorschriften der §§ 92a bis 92f", § 92 Abs 1) ist von einem einheitlichen Schiffsbegriff des BinSchG auszugehen (§ 1 Rn 4). 6 b) Zusammenstoßen müssen - mindestens zwei - Binnenschiffe als selbständige nautische Einheiten. Kollidiert ein Binnenschiff mit einer ortsfesten Einrichtung wie zB Steganlage, Kaimauer, Schleusentor, Dalben, 15 verankerten Bojen, usw, finden die §§ 92 bis 92f keine Anwendung. 17 In diesen Fällen haftet der Schiffseigner nur nach den allgemeinen Vorschriften (§§ 3 BinSchG, 823ff BGB), wobei die Rspr zu einer Kollision zwischen einem fahrenden und einem stilliegenden Schiff entsprechend anwendbar ist. 18 7 c) Ebensowenig anwendbar sind die §§ 92 bis 92f auf Zusammenstöße mit schwimmenden, treibenden oder anderweitig sich auf der Wasserlinie bewegenden Gegenständen wie zB treibenden Baumstämmen, abgerissenen Bojen, etc. 19 In diesen Fällen kommt ggf eine Schadensersatzpflicht des Trägers der Verkehrssicherungspflicht nach § 823 BGB in Betracht. 8 d) Weiter scheidet die Anwendbarkeit von §§ 92 bis 92f aus bei dem Zusammenstoß eines fahrenden mit einem gesunkenen Binnenschiff. 20 9 e) Soweit ein Binnenschiff mit einem Flugzeug, etwa einem startenden oder landenden Wasserflugzeug zusammenstößt, sind die §§ 92 bis 92f nicht anwendbar; es gilt § 3 iVm §§ 823ff BGB. Für das Flugzeug gilt die Gefährdungshaftung der §§ 33ff LuftVG. 10 f) Entsprechend anwendbar sind §§ 92 bis 92f dagegen bei einem Zusammenstoß innerhalb eines Schubverbandes (§ 92e). 11 g) Ein Zusammenstoß iSv § 92 Abs 1 liegt nur vor, wenn Schiffe in körperliche Berührung 2 1 geraten. 22 Ausreichend ist, wenn sich Schiffsteile berühren, etwa wenn der Anker des einen Schiffes bei einer Havarie das Kasko (§ 1 Rn 26) des anderen Schiffes aufschlitzt oder wenn ein Schwenkbaum die Aufbauten eines anderen Schiffes beschädigt. Nicht erforderlich ist, daß beide Havaristen sich unmittelbar berühren; eine Schiffskollision iSv § 92 Abs 1 liegt daher auch dann vor, wenn der Schubverband Α das aufseit des Motorschiffes (stilliegende Motorschiff Β anfährt und die Schäden an dem Schiff C auf die primäre Kollisionsenergie Α-B zurückzuführen sind. 23 Dagegen liegt kein Fall des § 92 Abs 1 vor, wenn das geschädigte Schiff durch

16 17 18 19 20 21 22 23

312

BGH ZfB 1979, 56; BGH VersR 1976, 241 und 489. OLG Karlsruhe ZfB 1992, SaS 1382, 1382; BGHZ 22, 197. BGH VersR 1970, 35, 3S; OLG Hamburg VersR 1976, 752, 753. RGZ 40, 51; KG VRS 9, 193. BGH LM$ 4 BinSchG Nr 3. Begr IUeZB, BT-Drs 6/2432,4. RG HansGZ Hauptbl 1897 Nr 3. OLG Köln ZfB 1998, SaS 1717.

Siebenter Abschnitt. Zusammenstoß von Schiffen, Bergung

§ 9 2 BinSchG

Schwell- bzw Schraubenschlag des schädigenden Schiffes an eine Uferanlage gerät; ebensowenig liegt ein „Zusammenstoß" iSv § 92 Abs 1 vor, wenn das eine Schiff im Zuge eines Überhol- oder Begegnungsmanövers dem anderen Schiff das Wasser wegzieht und es dadurch zu einem Grundberührungsschaden kommt. In diesen Fällen liegt eine Fernschädigung iSv § 92 Abs 2 vor, auf die die §§ 92 bis 92f entsprechend anzuwenden sind (Rn 13ff). Das gleiche gilt für den Fall, daß ein Schiff (mit seinem Kasko oder seinem Anker) in den Schlepp- oder Turnstrang 24 oder in die Ankerkette eines anderen Fahrzeugs gerät. 25 h) Anknüpfungspunkte für eine Haftung nach §§ 92 bis 92f sind, da physikalische 12 Vorgänge („Fügt ein Schiff... einem anderen Schiff einen Schaden zu," § 9 2 Abs 2) keine Haftung aus Verschulden (§92b) begründen können, rechtswidrige und schuldhafte Pflichtwidrigkeiten an Bord, wobei als Tatbestandsvoraussetzung auch bei § 92 Abs 1 vorausgesetzt werden muß eine „Ausführung oder Unterlassung eines Manövers" bzw die „Nichtbeobachtung einer Verordnung" ($ 92 Abs 2) durch die Besatzung (§ 3 Abs 2) des schädigenden Schiffes. 3.

Mittelbarer Zusammenstoß von Binnenschiffen (Fernschädigung, § 92 Abs 2)

a) Als Auffangtatbestand gegenüber § 92 Abs 1 erklärt § 92 Abs 2, dem im Seerecht 13 § 738c HGB entspricht, die §§ 92 bis 92f auf all die Fälle entsprechend anwendbar, in denen eine Havarie 26 zwischen zwei oder mehreren Schiffen vorliegt, bei der es aber an dem Merkmal der unmittelbaren Berührung der Schiffe fehlt. 27 Die Tatbestandsvoraussetzung „Ausführung oder Unterlassung eines Manövers" bzw „Nichtbeobachtung einer Verordnung" sind nicht allein auf § 92 Abs 2 bezogen, sondern gelten auch im Rahmen von § 92 Abs 1 (Rn 12). b) Nach richtiger Auffassung setzt die Fernschädigung iSv § 92 Abs 2 ein räum- 14 zeitliches Näheverhältnis zwischen Schädiger und Geschädigtem voraus. Kollidiert Schiff Α aufgrund Verschuldens von dessen Schiffsführung mit Schiff B, worauf Schiff Β sinkt, und fährt dann neun Stunden später Schiff C in das Wrack B, sind somit auf Ansprüche C gegen A §§ 92 bis 92f weder unmittelbar noch entsprechend anwendbar.28 In gleicher Weise fehlt es - im Verhältnis zu dem Primärschädiger D 24 25 26

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28

BGH VersR 1974, 468,470. OLG Hamburg VersR 1973, 1115. Havarie=„Beschädigung eines Schiffes oder seiner Ladung oder auch beider zugleich durch Unfall, höhere Gewalt, vorsätzliche oder unbeabsichtigtes Verschulden", Duukclbcn; Rh ci lisch iflahrts-Lex ikon, 20; s auch § 78 Rn 3. OLG Hamm VersR 1999, 739; nicht entbehrlich ist indes die Einbeziehung zweier oder mehrerer Schiffe in die Havarie, so daß § 92 Abs 2 bei der Anfahrung einer Ufereinrichtung durch ein Binnenschiff nicht anwendbar ist (aA AG St. Goar Hamburger Seerechts-Report 2006,162). Wassermeyer VersR 1974, 993, Fn 5; aA OLG Hamburg VersR 1972, 1118; offen gelassen von BGH VersR 1974, 543; vgl zum Ganzen Rabe SeeHR $ 738c HGB Rn 2.

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BinSchG § 9 2

Schadensersatzpflicht beim Schiffszusammenstoß

an einer Fernschädigung iSv § 92 Abs 2, wenn bei der späteren Behebung des eingetretenen Schadens (Aufleichtern des festgefahrenen Schiffes E) das Leichterfahrzeug F beschädigt wird. 29 15 c) Unter einem Manöver iSv § 92 Abs 2 ist jede Maßnahme des Schiffsführers (§ 7) und der sonstigen Schiffsbesatzung (§§ 3 Abs 2,21) zu verstehen, die darauf gerichtet ist, die Position des fernschädigenden Schiffes im Strom, aber auch im Hafen (insbesondere an Verladeeinrichtungen) zu verändern bzw eine Einrichtung des Schiffes an Bord zu bedienen. Im Vordergrund stehen dabei nautische Maßnahmen wie der Einsatz von Hauptmaschine und Bugstrahlruder, Ruderbewegungen, Kursänderungen, Aufstoppen, Anlegen, Losmachen, Verholen an Lade- oder Löscheinrichtungen, Ein- und Ausfahrt aus Schleusen sowie Tätigkeiten an Bord, die mit diesen Maßnahmen im Zusammenhang stehen: Werfen von Bug- und Heckanker, 30 Übernahme von Schlepp- und Turndrähten, 31 Einsatz von Reibhölzern, Haken und Festmachedrähten, Bedienen eines Schwenk- oder Schorbaumes. 16 In der Praxis besonders wichtig ist die Vermeidung von unnötigem Sog- und Wellenschlag bei der Vorbeifahrt der fließenden Schiffahrt an stilliegenden Binnenschiffen im Lade- und Löschzusammenhang 32 bzw an festgemachten Sportbooten oder Fahrgastschiffen. 33 Die hydrologischen Kräfte hat der vorbeifahrende Schiffsführer durch rechtzeitige Reduzierung der Geschwindigkeit und einen ausreichenden Seitenabstand 34 auf ein möglichst niedrigeres Maß zu verringern. Dies gilt insbesondere bei der Vorbeifahrt an Umschlagseinrichtungen der Tankschiffahrt. 35 Andererseits darf der passierende Schiffsführer, dessen Schiff dem Element ausgesetzt ist und der zur Erhaltung seiner Manövrierfähigkeit - insbesondere in der leeren Talfahrt - bestimmte Drehzahlen nicht unterschreiten kann, darauf vertrauen, daß Stillieger an erlaubter Stelle ordnungsgemäß gegen Beeinflussungen durch unvermeidbaren Wellenschlag, Druck und Sog befestigt und damit gesichert sind. 36 17 d) Unter einer Verordnung iSv § 92 Abs 2 ist jedes Schutzgesetz (§ 823 Abs 2 BGB) zu verstehen, das der Schiffsführung ein bestimmtes Tun/Unterlassen zur Pflicht macht und den schutzwürdigen Interessen der im Binnenschiffahrtszusammenhang involvierten Personen dient. 37 Im Vordergrund stehen dabei Vorschriften des Binnenschiffahrtsverkehrsrechts (BinSchStrO, RheinSchPV, MoselSchPV, DonauSchPV, BodenseeSchStrO, BinSchUO, RheinSchUO, ADNR, PatentV, etc). 29 30 31 32 33 34 35 36 37

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BGHZ59, 175= NJW 1972, 1754. RGZ 171, 97; s auch BGHZ 81, 370, 371. RGZ 171,97. OLG Köln ZfB 2006, Heft Nr 3, 53. Vgl dazu ie Bcmm/v. Waldstein RheinSchPV $ 1.04 Rn 23,24 sowie § 6.20 Rn 2ff. ZKRZfB 1981,270. OLG Köln ZfB 2006 Heft Nr 3, 53; ZKRZfB 1976, 330. ZKR ZfB 1993, SaS 1430. RGZ 97,13; RG ZfB 1943,123; OLG Karlsruhe ZfB 2000, SaS 1768 = VersR 1999,1261.

Siebenter Abschnitt. Zusammenstoß von Schiffen, Bergung

§ 9 2 a BinSchG

$ 92a [Ausschluß des Schadensersatzanspruchs] Im Falle eines Zusammenstoßes von Schiffen besteht kein Anspruch auf Ersatz des Schadens, der den Schiffen oder den an Bord befindlichen Personen oder Sachen durch Zufall oder höhere Gewalt zugefügt worden ist oder dessen Ursachen ungewiß sind.

Übersicht Rn 1. Allgemeines 2. Rechtsnatur 3. Zufall (J 92a Alt 1) 4. Höhere Gewalt ($ 92a Alt 2)

1-4 5 6-8 9-10

5. Ungewisse Ursache (§ 92a Alt 3)

11-13

6. Keine Gefährdungshaftung

14-21

1.

Allgemeines

Zur Einfügung der §§ 9 2 - 9 2 f in das BinSchG vgl §§ 92 Rn 4. Zum Anwendungsbe- 1 reich von § 92a auf unmittelbare (§ 92 Abs 1) bzw mittelbare Schiffszusammenstöße (.Vernschädigung, % 92 Abs 2) vgl § 92 Rn 5 ff, 13ff. § 92a ist - ebenso wie sein sprachlich noch mehr verunglücktes („Im Falle eines Zusammenstoßes ... findet ... kein Anspruch ... statt") seerechtliches Pendant, § 734 HGB 1 - nach deutschem Recht überflüssig, da für Schäden aus Binnenschiffskollisionen ohnehin - jenseits der Ausnahmetatbestände des Notstandes (§§ 228, 904 BGB) 2 und der Billigkeitshaftung nach § 829 BGB - nur gehaftet wird, wenn der Schiffsbesatzung (§ 3 Abs 2) nachgewiesen werden kann, daß sie schadensursächlich, rechtswidrig und schuldhaft gehandelt hat. § 92a ist aber nicht nur überflüssig, sondern aufgrund von rechtsdogmatischen Webfehlern geeignet, Irrtümer über das Haftungsgefüge des BinSchG nach §§ 3ff, 92ff zu erzeugen: a) Zum einen ist die Schlußfolgerung ex negativa, keine der drei Kollisionsursachen 2 des § 92a (Zufall, höhere Gewalt bzw ungewisse Ursache) liege vor, somit ergebe sich eine Haftung aus dem Schiffszusammenstoß, unzulässig. Vielmehr begründet umgekehrt § 92b positiv nur für den Fall eine Haftung des Schiffseigners aus Schiffszusammenstoß, wenn der Geschädigte ein schadensursächliches, rechtswidriges und schuldhaftes Verhalten der Schiffsbesatzung nachweist (§ 92b Rn 4ff).

1 2

Rabe SeeHR $ 734 HGB Rn 1. Vgl aber RGZ 113, 302; 15S, 190; zu der Notstandssituation eines Schiffsführers, der sein Schiff bei steigendem Hochwasser an einer unzureichend befestigten Mauer festmacht, s OLG Köln ZfB 1998, SaS 1694.

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BinSchG $ 92a

Ausschluß des Schadensersatzanspruchs

3 b) Zum anderen bedeutet der Haftungsausschluß für ungewisse Ursachen (§ 92a Alt 3) nicht, daß damit die Möglichkeit ausscheiden würde, einen Schadensersatzanspruch auf einen Anscheinsbeweis (§ 92b Rn 68ff) zu stützen. 3 Ungewißheit im Sinne des § 92a liegt daher nur in Fällen gänzlicher Beweislosigkeit vor, es müssen also auch jegliche Anknüpfungstatsachen, die nach der Lebenserfahrung prima facie auf eine Sorgfaltspflichtverletzung schließen lassen, fehlen.4 4 c) Ebensowenig ist § 92a geeignet, eine vertraglich vereinbarte, verschuldensunabhängige Garantiehaftung oder etwa die frachtrechtliche Receptumhaftung für die Ladung nach § 26 iVm § 425 HGB auszuhebeln (§ 425 HGB Rn Iff). § 92a hat weiter keinen Einfluß auf eine Haftung aus Geschäftsführung ohne Auftrag 5 oder Notstand (§ 904 BGB).5 2.

Rechtsnatur

5 Da § 92a somit - im Gegensatz zu § 92b - eine materiell-rechtliche Haftungsstruktur fehlt, läßt sich diese Vorschrift noch am ehesten verstehen als eine prozessuale Beweiswürdigungsregel, die wiederholt, was nach deutschem Prozeßrecht ohnehin selbstverständlich ist: Gelingt es dem Geschädigten nicht, wenn schon nicht den Vollbeweis zu führen, so doch zumindestens prima facie Anknüpfungstatsachen zu beweisen, die das Gericht von einem schadensursächlichen, rechtswidrigen und schuldhaften Verhalten der Schiffsbesatzung überzeugen (§§ 286, 287 ZPO), so ist seine Schadensersatzklage wegen Beweisfälligkeit („non liquet") abzuweisen. 3.

Zufall (§ 92a A h l )

6 a) Zufall im Rechtssinne (vgl §§ 350, 848 BGB sowie § 68 Abs 1 BinSchG aF) liegt vor, wenn der Schiffszusammenstoß - im Umkehrschluß zu § 276 BGB - von der Besatzung (§ 3 Abs 2) des verursachenden Schiffes nicht zu vertreten ist, diese somit weder vorsätzlich, noch fahrlässig aktiv oder passiv an der Verursachung des Schiffszusammenstoßes beteiligt ist.7 Da sich § 92 Alt 1 nicht auf eine bestimmte äußere Sachverhaltsvoraussetzung für den Zufall festlegt, stellt § 92a Alt 1 den Oberbegriff zu der höheren Gewalt dar8 (dazu u Rn 9f).

3

4 5 6 7 8

Ebenso Begr IUeZB, BT-Drs 6/2432, 5; OLG Köln ZfB 2000, SaS 1778; Baumgärtel/Korofft Beweislast, $s 92-92f, Rn 7ff; Herber VersR 1982, 406, 409; Ullmann VersR 1982, 1020, 1021; Wassermeyer VersR 1974, 1052,1053; Bemm/v. Waldstein RheinSchPV Einf Rn 117; offen gelassen von BGH VersR 1975, S39,640. Wassermeyer VersR 1974,1052,1053. OLG Köln ZfB 1998, SaS 1708. OLG Köln ZfB 1998, SaS 1694. OLG Köln ZfB 1993, SaS 1417. SoauchRßöeSeeHRS 734 HGB Rn2.

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Siebenter Abschnitt. Zusammenstoß von Schiffen, Bergung

§ 9 2 a BinSchG

b) Im Vordergrund der Binnenschiffahrtspraxis steht dabei der zufällige Ausfall 7 des Ruders, der Maschine oder gar eine elektronische Fehlfunktion dergestalt, daß etwa ein Umsteuerbefehl in einer Schleuse von Neutral auf Rückwärts nicht nur nicht ausgeführt, sondern - für den Schiffsführer zunächst nicht erkennbar - gegenteilige Schiffsbewegungen, hier: nach Vorwärts, auslöst. Die Rspr hat in solchen Fällen eine umfassende Entlastungspflicht der Schiffsführung des technisch versagenden Schiffes begründet, die im Ergebnis einer Beweislast für den Zufall gleich kommt. 9 c) Um keinen Zufall iSv § 92a, sondern um ein voraussehbares, nicht notwendig 8 wahrscheinliches Ereignis handelt es sich dann, wenn dasselbe durch ein rechtzeitiges, pflichtgemäßes Handeln hätte verhindert werden könne. Dazu zählen insbesondere Havarien im Zusammenhang mit sich ankündigenden, meteorologischen Veränderungen, die rechtzeitige nautische Maßnahmen wie Einstellung der Fahrt und/oder besonders sorgfältige Befestigung eines Stilliegers (Sturm, Winde) erforderlich machen. 10 Frostwetter und Eisgang im Winter ist, insbesondere auf meteorologisch überwiegend kontinentaleuropäisch geprägten Streckenabschnitten (mitteldeutsches Kanalsystem, Elbe, Main-Donau-Strecke), kein außergewöhnliches Ereignis, da es in regelmäßigen Jahresabständen wiederkehrt. 11 Ebensowenig zufällig ist es, wenn ein Schiffsführer den sich verändernden Wasserstand bei der Beladung seines Schiffes nicht vorausschauend berücksichtigt oder etwa eine bei fallendem Wasser zur rechten Zeit noch mögliche Aufleichterung pflichtwidrig unterläßt und es dadurch zu einer Festfahrung kommt, die einen Schiffszusammenstoß auslöst. 4.

Höhere Gewalt (§ 92a Alt 2)

a) Höhere Gewalt (franz -.force majeure, engl: act of God, niederl: overmacht) im Rechts- 9 sinne (vgl SS 203 Abs 2, 651j Abs 1, 701 Abs 3 BGB, 22 Abs 2 S 2 WHG), ein Unterfall des Zufalls iSv § 92a Alt 1 (Rn 6), liegt vor, wenn ein von außen kommendes, nicht voraussehbares, einen Zusammenhang mit dem Schiffsbetrieb nicht aufweisendes, auch durch äußerste vernünftigerweise zur erwartende Sorgfalt nicht abwendbares Ereignis zu dem Schiffszusammenstoß geführt hat. 12 Schon das geringste Vertretenmüssen (§ 276 BGB) der Schiffsbesatzung ($ 3 Abs 2) schließt daher höhere Gewalt aus. 13

9 10 11 12 13

OLG Köln ZfB 2002, SaS 1857/1858; 1997, SaS 1623; 1994, SaS 1498; ZKR ZfB 2001, SaS 1831; Belum/ v. Waldstein RheinSchPV $ 1.0S Rn 1 2 - 1 4 . BGH VersR 1967, 599. OLG Breslau ZfB 1941, S 20. Vgl BGHZ 100, 185; 62, 351; 7, 338; BGH NJW 1990, 1167; 1986, 2312; BFH NJW 2000, 2527, 2528; OLG Hamm NJW 1 9 8 0 , 2 0 3 . Vgl BGHZ 81, 353, 355; BGH NJW 1997, 3164.

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BinSchG $ 92a

Ausschluß des Schadensersatzanspruchs

10 b) Zu höherer Gewalt zählen insbesondere Naturkatastrophen wie Orkane 14 oder Wirbelstürme, 15 die zu einem Losreißen eines ordnungsgemäß befestigten Binnenschiffs und in der weiteren Folge zu einem Zusammenstoß mit einem anderen Binnenschiff führen. Denkbar ist aber auch das Auftreten einer nicht vorhersehbaren plötzlichen Neerströmung, die dazu führt, daß ein Schiff auf die falsche Fahrwasserseite gerät. 15 Sonstige Fälle höherer Gewalt wie Kriege und innere politische Unruhen, 17 Terroranschläge 18 oder Reaktorunfälle 19 sind nur im Ausnahmefall als Ursache einer Schiffskollision iSv § 92a denkbar. 5.

Ungewisse Ursache (§ 92a Alt 3)

11 a) Im Gegensatz zu den vorangegangenen Alternativen § 92a Alt 1 und 2, die, wenn auch wenig konkrete, positive Tatbestände voraussetzen, kennzeichnet § 92a Alt 3 umgekehrt die negative Tatbestandsvoraussetzung, daß die Ursachen für die Schiffskollision gerade ungewiß sind (und bleiben). Entgegen der unklaren Pluraldefinition („Ursachen") setzt § 92a nicht voraus, daß sich die Ungewißheit auf mehr als eine Ursache für den Schiffszusammenstoß beziehen muß. 12 b) Die Ungewißheit über die Ursache der Kollision kann darin bestehen, daß der Sachverhalt überhaupt nicht mehr aufzuklären ist, insbesondere bei Beweislosigkeit 20 oder etwa bei einander widersprechenden Zeugenaussagen, die eine richterliche Überzeugung von einem bestimmten Geschehen (§ 286 ZPO) nicht zulassen, so daß die Klage abzuweisen ist (non liquet). 13 c) Da § 92a indes einen Anscheinsbeweis zugunsten des Geschädigten nicht ausschließt (Rn 3), fehlt es an der Ungewißheit, wenn der Antragsteller Anknüpfungstatsachen darlegt und beweist, die typischerweise auf eine bestimmte Havarieursache und auf eine damit zwangsläufig im Zusammenhang stehende Sorgfaltspflichtverletzung schließen läßt. 21 Dem Anspruchsgegner obliegt es dann, einen atypischen Sachverhaltsverlauf darzulegen und zu beweisen; der Bereich der Ungewißheit iSv § 92a Alt 3 wird aber nach Führung des Primärbeweises bzw der typischen Anknüpfungsursachen nicht mehr erreicht (zu den Einzelheiten des Anscheinsbeweises in der Binnenschiffahrt s u § 92b Rn 68ff).

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OLG Hamburg ZfB 1979,240. VglBGHZ 85, 50. OLG Hamburg HansRGZ 1932, Β 215. Vgl LG Frankfurt/Main NJW-RR 1991,1205. Vgl LG Leverkusen NJW-RR 1997,1204. VglBGHZ 109,224. OLG Köln ZfB 2000, SaS 1783; ZKR ZfB 1995, SaS 1532 u 1534; 1994, SaS 1478. OLG Köln ZfB 2000, SaS 1778.

Siebenter Abschnitt. Z u s a m m e n s t o ß von Schiffen, Bergung

6.

§ 9 2 a BinSchG

Keine Gefährdungshaftung

§ 92a Altt 1-3 verdeutlichen, daß es ohne ein Verschulden eines Besatzungsmitglie- 14 des (§ 3 Abs 2) eine Haftung des Schiffseigners nicht geben kann, und zwar weder nach § 3 (§ 3 Rn 27ff), noch nach § 92b (§ 92b Rn 4ff). Demgemäß gibt es de lege lata für den Bereich des Binnenschiffsverkehrs einschließlich des Sportbootbereiches22 - jenseits von § 2 2 WHG (§5 Rn8ff) - keine verschuldensunabhängige Gefährdungshaftung. Wegen des für die Gefährdungshaftung geltenden Enumerationsprinzips23 kommt eine Gesetzesanalogie zu StVG, LuftVG, HaftpflG oä nicht in Betracht. 24 Die vor allem in den 80er Jahren des vergangenen Jahrhunderts - vor dem 2. SRÄG 15 1986 und vor der Transportrechtsreform 1998 - teilweise heftig geführte rechtspolitische Diskussion um die Frage, ob eine generelle Gefährdungshaftung in der Binnenschiffahrt eingeführt werden sollte oder nicht 25 , kann als weitgehend erledigt betrachtet werden, da aufgetretene Unbilligkeiten der Exekutionshaftung durch die Einführung der Summenhaftung 1998 beseitigt wurden (§ 4 Rn Iff). Die Haftungssummen für Passagierschäden waren bereits 1986 eingeführt worden (§§4a, 77 BinSchG aF) und wurden 1998 erhöht (§§ 4ff, 77 BinSchG nF). Die Haftungssummen in der Trockenschiffahrt (§§ 5e, 5f) erweisen sich in aller Regel, die auf das Dreifache hiervon erhöhten Haftungssummen in der gefahrintensiven Tankschiffahrt (§ 5h) erweisen sich in der forensischen Praxis nahezu ausnahmslos als ausreichend. IRv §§ 92ff ist die Bundesrepublik Deutschland aufgrund Art 2 Nr 1 S 1 IUeZB („eine 16 Schadenersatzpflicht besteht nur, wenn der Schaden durch Verschulden herbeigeführt ist") ohnehin völkerrechtlich an die Verschuldenshaftung gebunden 26 ; eine Aufsplittung der Haftungsregime (Gefährdungshaftung für Nichtkollisionsfälle [§ 3]; Verschuldenshaftung für Kollisionsfälle [§§ 92ff]) verbietet sich wegen nicht begründbarer Wertungswidersprüche von selbst. Daß Binnenschiffe gefährlich sind, wußte bereits der Gesetzgeber des BinSchG im 17 vorvergangenen Jahrhundert. 27 In Kenntnis der damals bestehenden Gefahren hat sich der Gesetzgeber für das Verschuldensprinzip entschieden, das Schiffseigner (§ 3 Rn 35ff) und Besatzung (§ 3 Abs 2) zu verantwortungsvollem Handeln anhalten soll und regelmäßig auch anhält. Seit dieser Zeit ist die Binnenschiffahrt - trotz der erheblich angestiegenen Transportkapazitäten, trotz des Aufkommens der Tank22

B G H VersR 2 0 0 S , 9 3 1 = M D R 2 0 0 S , 1 2 2 4 = N J W - R R 2 0 0 S , 1 0 9 8 = B G H R e p o r t 2 0 0 S , 2 0 2 4 sowie Klein VersR 1 9 7 8 , 197, 2 0 3 .

23 24

B G H Z 54, 3 3 2 , 3 3 6 f ; SS, 2 2 9 , 2 3 2 f . B G H VersR 2 0 0 S , 9 3 1 = M D R 2 0 0 S , 1 2 2 4 = N J W - R R 2 0 0 S , 1 0 9 8 = B G H R e p o r t 2 0 0 S , 2 0 2 4 sowie Klein VersR 1 9 7 8 , 197, 2 0 3 .

25

B G H Z f B 1 9 8 2 , 4 0 0 ; Herber VersR 1 9 8 2 , 4 0 5 ; Brunn VersR 1 9 8 2 , 4 1 0 ; Bauer ZfB 1 9 8 3 , 3 8 5 ; Pdfcf ZfB 1 9 8 3 ,

26

B G H Z f B 1 9 8 2 , 4 0 0 , 4 0 1 ; B a a e r Stimpel-FS 1 9 8 5 , 9 8 5 f f .

27

B G H ZfB 1 9 8 2 , 4 0 0 , 4 0 1 .

4 6 7 ; Wüst ZfB 1 9 8 4 , 393;Bauer

Stimpel-FS 1 9 8 5 , 9 7 9 , 9 8 5 f f .

319

BinSchG $ 92a

Ausschluß des Schadensersatzanspruchs

schiffahrt und trotz medialer Überbelichtung einzelner Großhavarien - nicht gefährlicher, sondern - dank der modernen Schiffstechnik, dank der Leistungen des Wasserbaus, aber auch aufgrund des erheblich gestiegenen Ausbildungs- und Fortbildungsniveaus der Schiffsführer - erheblich sicherer geworden. Die veränderten Rahmenbedingungen der Binnenschiffahrt im 21. Jahrhundert sprechen daher nicht für, sondern gegen die Einführung einer Gefährdungshaftung. 18 Der - richtige - Grundgedanke einer Gefahrengemeinschaft von Schiff und Ladung, der insbesondere im Recht der großen Haverei seinen gesetzlichen Niederschlag gefunden hat ($ 78 Rn 1), verbietet ebenso eine Risikoverlagerung dergestalt, daß der Schiffseigner verschuldensunabhängig sämtliche, teilweise erst aus der gefährlichen Natur bestimmter Transportgüter (Öl- und Chemieprodukte, Zement, etc) herrührende Risiken alleine tragen soll, während die Verladerseite für den wertschöpfenden Transport von Α nach Β weitgehend von jeglichem ökonomischen Risiko freigestellt werden soll. 19 Ebensowenig spricht das Argument der Versicherbarkeit für die Einführung der Gefährdungshaftung. Denn die erhebliche Haftungsausweitung hätte einen extremen Anstieg der Versicherungsprämien zur Folge, der insbesondere die Partikulierschiffahrt, deren Frachten zT pro Tonne heute niedriger sind als vor 50 Jahren, unter keinen Umständen gewachsen ist. 20 Für den Bereich der Binnenschiffahrt gibt es somit kein „Loch in der Gefährdungshaftung", das durch eine lebensfremde Erhöhung der Sorgfaltskriterien (§ 7 Rn 8) qua Richterrecht geschlossen werden müßte. Ebensowenig geht es an, die - ohnehin schon weitreichende - Anwendung von Anscheinsbeweisen in der Binnenschiffahrt (§ 92b Rn 68ff) so weit auszudehnen, daß damit im Ergebnis das Verschuldenserfordernis ausgehöhlt wird. 21 Man mag daher in Ausnahmefällen die hohen Anspruchsvoraussetzungen der Verschuldenshaftung bedauern 28 ; in der ganz überwiegenden Zahl der zu entscheidenden Fälle führt die - durch eine Anscheinsbeweisführung häufig nicht unerheblich verschärfte - Verschuldenshaftung zu sachgerechten Lösungen, so daß, da Klagabweisungen wegen Beweisfälligkeit auch in anderen Rechtsgebieten tägliche Praxis deutscher Gerichte sind, de lege ferenda im Bereich der Binnenschiffahrt kein Anlaß besteht, von dem bewährten Verschuldensprinzip abzugehen. 29

28 29

320

OLG Karlsruhe TranspR 2003, 245: Tragflächenboot kollidiert auf dem Rhein bei einer Geschwindigkeit von 50-70 km/h mit einem Segel-Surfer, der schwer verletzt wurde (ua Amputation eines Beines). OLG Köln Hamburger Seerechts-Report 2007, 3, 5; OLG Köln ZfB 2002, SaS 1857; aA wohl OLG Karlsruhe Beschl V 27. 11.2006 (Az 22 U 2/06 BSch).

Siebenter Abschnitt. Zusammenstoß von Schiffen, Bergung

§ 9 2 b BinSchG

$ 92b [Haftung des Schiffseigners für Verschulden der Schiffsbesatzung] Ist der Schaden durch Verschulden der Besatzung eines der Schiffe herbeigeführt, so ist der Eigner dieses Schiffes zum Ersatz des Schadens verpflichtet.

Übersicht

Rn 1. Allgemeines 2. Schiffsbesatzung 3. Verschulden der Schiffsbesatzung

1-2 3 4-12

4. Kausal-und Rechtswidrigkeitszusammenhang

13-18

5. Schadensersatz a) Substanzschaden und Nebenkosten

19-29

b) Nutzungsausfallentschädigung aa) dem Grunde nach

30-49

bb) der Höhe nach 6. Darlegungs-und Beweislast 7. Anscheinsbeweis 8. Einzelfälle des Anscheinsbeweises

1.

50-60 61-67 68-75 76

Allgemeines

Zur Einfügung der §§ 92 bis 92f in das BinSchG vgl § 92 Rn 4. Zum Anwendungsbe- 1 reich von § 92b auf unmittelbare (§ 92 Abs 1) und mittelbare Schiffszusammenstöße (Fernschädigung, § 92 Abs 2) vgl § 92 Rn 5ff, 13ff. Obwohl § 92b - im Gegensatz zu §§ 92 und 92a - einen Schiffszusammenstoß als Tatbestandsvoraussetzung für einen Schadensersatzanspruch nicht ausdrücklich nennt, ist ein solcher aufgrund des systematischen Zusammenhangs des ua auch mit „Zusammenstoß von Schiffen" überschriebenen Siebten Abschnitts, aber auch wegen der indirekten Bezugnahme auf die vorangegangenen §§ 92, 92a („eines der Schiffe") nur dann gegeben, wenn (mindestens) zwei Schiffe zusammenstoßen oder sich - ohne körperliche Berührung der Schiffe - fernschädigen (§ 92 Rn 5ff, Rn 13ff). Gehören die Havaristen einem Schuboder Schleppverband an, so gilt § 92b entsprechend (§ 92e). Der wenig praxisrelevante, dogmatische Unterschied des § 92b zu seinem seerechtlichen Pendant, § 735 HGB, besteht darin, daß die Schiffsbesatzung bei § 735 HGB lediglich den Zusammenstoß, bei § 92b darüber hinaus den durch diesen Zusammenstoß erlittenen Schaden schuldhaft verursacht haben muß. § 92b ist gegenüber der Generalhaftungsnorm des Schiffseigners ($ 3 Abs 1) lexspe- 2 Cialis für den - in der Praxis besonders wichtigen - Fall der Schiffskollision (§ 92 Rn 1). Wie § 3 Abs 1 stellt § 92b keine selbständige Haftungsgrundlage, sondern le321

BinSchG $ 92b

Haftung des Schiffseigners für Verschulden der Schiffsbesatzung

diglich eine Zurechnungsnorm dar. Der Schiffseigner haftet danach nur adjektizisch für fremdes Verschulden der Besatzung ($ 92 Rn 2). 2.

Schiffsbesatzung

3 Schadensursächlich isd § 92b muß ein schuldhaftes Verhalten einer Person der Schiffsbesatzung geworden sein. Dazu zählen nach § 3 Abs 2 der Schiffsführer (§ 7; zu Einzelheiten s o § 7 Rn Iff), die Schiffsmannschaft (§ 21; zu Einzelheiten s ο §§ 21 bis 25 Rn 3ff) sowie „alle übrigen auf dem Schiff angestellten Personen" ($ 3 Abs 2).1 3.

Verschulden der Schiffsbesatzung

4 a) Da es eine Gefährdungshaftung in der Binnenschiffahrt nicht gibt (§ 92a Rn 14ff), setzt jede Haftung des Schiffseigners für eine Schiffskollision nach § 92b ein Verschulden der Schiffsbesatzung voraus. Der Begriff des Verschuldens, der im BinSchG nicht definiert ist, wird als objektiv rechtswidriges, pflichtwidriges und subjektiv vorwerfbares Verhalten bestimmt. Er umfaßt Vorsatz und Fahrlässigkeit (§ 276 Abs 1 BGB), wobei fahrlässig handelt, „wer die im Verkehr erforderliche Sorgfalt außer Acht läßt" (S 276 Abs 2 BGB). Die Sorgfaltspflicht der Besatzung, insbesondere des Schiffsführers (§ 7), erfordert vor allem: Beobachten, Schlußfolgern und Handeln,2 und zwar in der konkret gegebenen Augenblickssituation. Diese hat das Gericht bei seiner Überprüfung, ob die gebotene Sorgfaltspflicht beobachtet wurde oder nicht, zugrunde zu legen. Spätere Erwägungen vom sog grünen Tisch aus, bei denen die Anforderungen an die Schiffsbesatzung - von Büromenschen, die nur selten einem vergleichbaren Entscheidungsdruck ausgesetzt sind - lebensfremd überspannt werden, verbieten sich.3 5 In einer Gefahrenlage bleibt der Schiffsbesatzung idR wenig Zeit für ruhige Überlegungen; häufig wäre sogar ein zu langes Überlegen ein Anknüpfungspunkt für ein Verschulden durch Unterlassen (Zögern, s u Rn 8). In einer gefahrvollen Situation schließen Entschlußkraft und Geistesgegenwart auch den Mut ein, daß sich die Handlung, die zu ergreifen sich man in Sekunden veranlaßt sieht, später als objektiv unrichtig erweist. Ein solches, häufig intuitives Handeln muß daher nicht zwangsläufig schuldhaft sein.4

1 2 3 4

RGZ 13, 117; 20, 86. RGZ 18, 177. RG Recht 1905,193. OLG Hamburg VersR 1987,482.

322

Siebenter Abschnitt. Zusammenstoß von Schiffen, Bergung

§ 9 2 b BinSchG

Dies gilt insbesondere, wenn der Schiffsführer oder ein anderes Besatzungsmitglied 6 in einer Gefahrenlage, die er selbst nicht geschaffen hat, 5 sog Maßnahmen des letzten Augenblicks6 ergreift, um den Schiffsunfall abzuwenden. Anzusetzen ist nicht ein individueller, sondern ein auf die allgemeinen Verkehrsbe- 7 dürfnisse der Binnenschiffahrt ausgerichteter objektiv-abstrakter Sorgfaltsmaßstab. 7 Es entlastet also das Besatzungsmitglied nicht, wenn es sich auf mangelnde Fachkenntnis, Verstandeskräfte, Geschicklichkeit oder Körperkraft beruft. Umgekehrt kann es im Einzelfall im Interesse des Vertrauensschutzes geboten sein, die Sorgfaltsanforderungen wegen besonderer Kenntnisse und Fähigkeiten des Handelnden zu erhöhen.8 b) Gegenstand des Verschuldensvorwurfs kann neben einem aktiven Tun auch ein 8 passives Unterlassen dann sein, wenn für das jeweilige Besatzungsmitglied eine Rechtspflicht zum Handeln bestand. Arg § 13 StGB kann sich diese Rechtspflicht sowohl aus vorangegangenem Tun, als auch aus Gesetz ergeben. Dies gilt vor allem für den Fall, daß Vorschriften des Binnenschiffahrtsverkehrsrechts (Rn 10) dem Schiffsführer bestimmte Handlungen vorschreiben, die dieser pflichtwidrig unterläßt, insbesondere die Erteilung von Anweisungen an die Besatzung sowie die Kontrolle, daß die Anweisungen befolgt wurden.9 c) Wegen des systematischen Zusammenhangs zwischen § 3 und § 92b wird man 9 auch für eine Haftung des Schiffseigners nach § 92b als ungeschriebenes Tatbestandsmerkmal voraussetzen müssen, daß das Verhalten des Schiffsführers bzw der übrigen Mannschaft, das zu dem Schiffszusammenstoß (§ 92) führt, in Ausführung von Dienstverrichtungen erfolgt. Nicht von der Mithaftung des Schiffseigners umfaßt werden daher Fälle, in denen das Besatzungsmitglied nur bei Gelegenheit, also ohne inneren Zusammenhang mit dem Binnenschiffsbetrieb handelt. 10 d) Verstöße gegen das Binnenschiffahrtsverkehrsrecht (BinSchStrO, RheinSchPV, 10 MoselSchPV, DonauSchPV, BodenseeSchStrO, BinSchUO, RheinSchUO, ADNR, Patentv, etc) und gegen allgemeine Schiffahrtsusancen,11 insbesondere im nautischen Bereich, indizieren einen pflichtwidrigen Sorgfaltsverstoß.12 Im Zusammenhang mit Kollisionen sind dabei von besonderem Interesse: Nebelfahrt trotz fehlenden Radarpatents,13 Überschreitung der Fahrtzeit, Unterbemannung, Mißachten einer gere5 6 7 8 9 10 11 12 13

BGHVRS 5 , 1 9 1 . OLG Nürnberg Urt ν 1 8 . 7 . 2 0 0 5 (Az 8 U 27SS/04 BSch) sowie Bemm/v. Waldstein RheinSchPV $ 1.04 Rn 28ff und Rabe SeeHR § 73 5 HGB Rn 21, dort auch Abgrenzung zu „Maßnahmen des vorletzten Augenblicks". Vgl BGHZ 106, 323, 330; BGH NJW 2000, 2812. Vgl OLG Koblenz NJW-RR 2 0 0 4 , 1 0 2 5 . BGH NJW 2006, 1271. BGHZ 5 0 , 2 3 8 ; BGH VersR 197S, 771; s ο $ 3 Rn 23f. Handelsbräuche 2005,26ff. RGZ 102, 111; KG ZfB 1944, 71. BGH ZfB 1989, SaS 1256.

323

BinSchG $ 92b

Haftung des Schiffseigners für Verschulden der Schiffsbesatzung

gelten Begegnung/des Rechtsfahrgebots, unzureichende Kennzeichnung des fahrenden oder stilliegenden Schiffes bei Nacht oder unsichtigem Wetter, Mißachtung von schiffahrtsüblichen Kursen an Gefahrstellen,14 zu große, weil nicht pegelorientierte Abladung; Ignorieren einer Wartepflicht (zB § 9.08 Ziff 2 RheinSchPV), verspätete Aufleichterung trotz fallenden Wassers, Verwendung einer von der Schiffsuntersuchungskommission nicht genehmigten Ruderanlage, usw.15 11 Eine Unkenntnis von schiffahrtspolizeilichen Vorschriften ist für den Schiffsführer oder ein sonstiges Besatzungsmitglied nur im Ausnahmefall entschuldbar, etwa bei einer tatsächlichen Mißverständlichkeit des Gesetzes.16 In Fällen unmittelbar drohender Gefahr kann der Schiffsführer umgekehrt sogar gesetzlich verpflichtet sein, von grundsätzlich geltenden Verkehrsvorschriften abzuweichen (§ 1.05 RheinSchPV). 12 e) Obgleich §§ 92, 92b einen Anwendungsfall der unerlaubten Handlung darstellen, 17 scheidet eine Exkulpation des Schiffseigners für ein schuldhaftes Verhalten eines Besatzungsmitglieds gem § 831 Abs 1 S 2 BGB aus (§ 3 Rn 6). 4.

Kausal- und Rechtswidrigkeitszusammenhang

13 Die Ersatzpflicht des Schiffseigners nach § 92b besteht nur dann und nur insoweit, als der Eintritt des Schadens eine kausale Folge des schädigenden Verhaltens der Schiffsbesatzung (§ 3 Abs 2) ist. Zwischen beiden muß ein Kausalzusammenhang bestehen, der sich auf zwei Stufen vollzieht: - haftungsbegründende Kausalität zwischen Fehlverhalten und Rechtsguts Verletzung und - haftungsausfüllende Kausalität zwischen Rechtsgutsverletzung und Eintritt des Schadens.18 14 Nach der Äquivalenztheorie ist ursächlich für einen bestimmten Schiffszusammenstoß jede einzelne Bedingung, die nicht hinweg gedacht werden kann, ohne daß der Zusammenstoß entfiele (conditio sine qua non).19 Besteht der Vorwurf in der Unterlassung einer Handlung, ist die Unterlassung ursächlich, wenn pflichtgemäßes Handeln den Eintritt des Schadens mit Sicherheit - die bloße Möglichkeit oder Wahrscheinlichkeit genügt nicht 20 - verhindert hätte. Der schädigende Schiffszu-

14 15 16 17 18 19 20

324

ZKR ZfB 2006 Heft Nr 5,52. Zu den Einzelheiten vgl § 7 Rn 8ff, $ 8 Rn 3ff u 46 sowie Bemm/v. Waldstein RheinSchPV Kommentierung zu SS 1.04,6.03 und 6.04. RGZ 73, 337. RGZ 153,171 zu $92 aF. ZKR ZfB 1993, SaS 1447 u 1448. BGHZ 2,138,141; 25, 84; OLG Köln ZfB 1993, SaS 1417. BGHZ 64, 51.

Siebenter Abschnitt. Zusammenstoß von Schiffen, Bergung

§ 9 2 b BinSchG

sammenstoß wäre, das unterbliebene Tun hinzugedacht, bei normalem Verlauf der Ereignisse nicht eingetreten.21 Die naturgesetzliche Weite der Äquivalenztheorie wurde zunächst eingeschränkt 15 durch die Adäquanztheorie, wonach ein Ursachenzusammenhang nur dann bejaht wird, wenn - aus der Sicht des sog optimalen Beobachters - ein bestimmtes Fehlverhalten des schuldhaft handelnden Besatzungsmitglieds im allgemeinen und nicht nur unter besonders eigenartigen, ganz unwahrscheinlichen und nach dem regelmäßigen Verlauf der Dinge ganz außer Betracht zu lassenden Umständen zur Herbeiführung des Erfolges geeignet war.22 Da sich auch die Filterwirkung der Adäquanzformel als unzureichend erwiesen 16 hat, 23 hat die Rspr in weiterer Fortführung dem Prüfungspunkt der Adäquanz den des Rechts Widrigkeitszusammenhangs hinzugefügt, der dann zu bejahen ist, wenn sich der Schaden innerhalb des Schutzzwecks der Norm verwirklicht hat. 24 Nach diesen Kriterien ist ein schuldhaftes Verhalten eines Besatzungsmitgliedes (§ 3 17 Abs 2) dann für einen Schiffszusammenstoß (§§ 92 Abs 1, Abs 2) ursächlich, wenn die Möglichkeit des eingetretenen Erfolges nicht von vornherein oder nicht gänzlich außerhalb der durch den erfahrungsgemäßen Verlauf gegebenen Möglichkeiten des Geschehens lagen,25 wobei das Schaffen einer gefahrvollen Lage, aus der sich dann in der weiteren Folge die Kollision entwickelt, als Solitärursache ausreicht.26 Konkurriert bei der Entstehung eines Schadens eine Primärursache (Verursachung 18 des Schiffszusammenstoßes) mit einer Sekundärursache (Fehlverhalten der Besatzung eines anderen Schiffes bei der Hilfeleistung für das havarierte Schiff), sind die einzelnen Kausalbeiträge gegeneinander abzuwägen, zu bewerten und eine quotale Beurteilung als Gesamtschuldner zugrunde zu legen (§ 92c Abs l). 27 Kein adäquater Kausalzusammenhang besteht zwischen der Primärkollision und dem späteren Sinken des Binnenschiffes, wenn das havariebedingte Leck - für den Schiffsführer erkennbar - nur unzureichend abgedichtet und anschließend die Fahrt fortgesetzt wird.28 Dagegen wird der Kausalzusammenhang zwischen der Rechtsgutsverletzung (hier: Anfahrung eines Dalben) und dem eingetretenen Schaden (hier: Beschädigung eines Motorbootes, mit dem der Dalbenschaden untersucht werden soll) nicht durch ein sorgfaltswidriges Vorgehen des Geschädigten unterbrochen; zu berücksichtigen ist insoweit freilich ein Mitverschulden.29 Ebensowenig entfällt der 21 22 23 24 25 26 27 28 29

BGHZ 7,198, 203; 34, 206, 215; 65, 221, 253. St Rspr seitRGZ 81, 360; 133, 127; BGHZ 3, 267; 57, 151; BGHNJW 2002, 2232. BGHZ 79, 259, 261f. BGHZ 57, 137, 142. RGZ 81, 359; 152,401; 115,41; 153,113,119. BGHZfB 1958,130. BGH ZfB 1958,131; OLG Köln ZfB 1959, 458. BGH VersR 1977, 325; OLG Köln ZfB 1998, SaS 1S92,1693. OLG Karlsruhe ZfB 2002, SaS 1855, 185S.

325

BinSchG $ 92b

Haftung des Schiffseigners für Verschulden der Schiffsbesatzung

Zurechnungszusammenhang zwischen Erstursache (hier: zu schnelle Vorbeifahrt) und Schaden (hier: Abrißschäden eines Stilliegers an Umschlagsanlage) durch ein Fehlverhalten Dritter (hier: Sicherheitsmängel der Umschlagsanlage).30 5.

Schadensersatz

a)

Substanzschaden und Nebenkosten

19 Der Umfang der Schadensersatzpflicht aus einem Schiffszusammenstoß (§ 92) bestimmt sich nach dem allgemeinen (§§ 249-252 BGB) und dem deliktischen (§§ 8 4 2 847 BGB) Schadensrecht des BGB; § 92b ist auch schadensrechtlich keine selbständige Deliktsnorm. Zu ersetzen ist jeder unmittelbare und/oder mittelbare Schaden, der auf dem Schiffszusammenstoß beruht (zur Kausalität Rn 13ff). Nach der Differenzhypothese hat der Schädiger (wertmäßig) den Zustand wiederherzustellen, der bestehen würde, hätte er den Schiffszusammenstoß nicht verursacht (Wiederherstellung des status quo ante, § 249 Abs 1 BGB). 20 Hat der Geschädigte im Prozeß auf der Ebene der haftungsbegründenden Kausalität (Rn 13) den Vollbeweis (evtl mittels eines zu seinen Gunsten streitenden Anscheinbeweises, s Rn 68ff), zu führen, kommen ihm auf der Ebene des Nachweises der haftungsausfüllenden Kausalität (Rnl3), insbesondere des Nachweises der Schadenshöhe, ggf die Darlegungs- und Beweiserleichterungen der §§ 252 S 2 BGB, 287 ZPO31 zugute.32 Diese Vorschriften sollen, als Ausnahme von dem Grundsatz des § 286 ZPO, zum einen der Prozeßwirtschaftlichkeit dienen und Beweisaufnahmen insbesondere zu Marginalschadenspositionen und die damit im Zusammenhang stehende Verzögerung des Rechtsstreits vermeiden. Zum anderen will das Gesetz durch die Eröffnung eines geringeren Beweismaßes eine unbillige (Teil-)Abweisung einer Schadensersatzklage verhindern, wenn dem Geschädigten ein Vollbeweis des Schadens praktisch nicht möglich ist, andererseits aber offenkundig, jedenfalls wahrscheinlich33 ist, daß er einen Schaden erlitten hat. 34 Dabei dürfen zu Lasten des Geschädigten keine zu strengen Anforderungen gestellt werden.35 Erforderlich, aber auch ausreichend, ist die Darlegung von Ausgangs- und Anknüpfungstatsachen, die eine Schadensschätzung erlauben.35 21 Von maßgeblicher praktischer Bedeutung für die beweismäßige Konservierung von Schiffsschäden nach einer Kollision sind die kontradiktorischen Schadensta30 31 32 33 34 35 36

326

OLG KölllZfB 2006, SaS 1950, 1951. OLG Karlsruhe TranspR 2 0 0 3 , 2 4 8 , 2 5 0 = VersR 2 0 0 4 , 1 3 3 . AA OLG Nürnberg Urt ν 15. 3 . 2 0 0 7 (Az 1 1 U 376/06 BSch). BGH NJW 2004, 777, 778 u 1521, 1522; NJW-RR 2002, 166; NJW 2002, 128 = BGHZ 149, 63, 66; NJW 2000, 509. Vgl BGH NJW 1988, 2366; OLG Hamm NJW-RR 1990, 12. Vgl BGH NJW 2000, 3287. Vgl BGH NJW 2004, 1945.

Siebenter Abschnitt. Z u s a m m e n s t o ß von Schiffen, Bergung

§ 9 2 b BinSchG

xen. 37 Dabei beauftragen die Havariegegner unmittelbar nach dem Schiffszusammenstoß Schiffssachverständige, die von der jeweils anderen Seite zur zeitnahen Besichtigung eines Havaristen, soweit erforderlich: auf Helling, eingeladen werden. Ähnlich der Partei- und Dispositionsmaxime im Zivilprozeß schält sich durch diesen kontradiktorischen Charakter der Schadensfeststellung das tatsächliche Schadensbild häufig viel besser und gründlicher heraus als durch ein Gerichtsgutachten, das iRd Verklarungsverfahrens (§13 Rn9ff, 12), im Rahmen eines selbständigen Beweisverfahrens nach SS 485ff ZPO oder erst im Schadensersatzprozeß nach SS 402ff ZPO beantragt werden kann. Soweit sich eine havariebeteiligte Seite an der schiffahrtsüblichen kontradiktori- 22 sehen Schadenstaxierung nicht beteiligt und auch sonstige Beweissicherungsmaßnahmen unterläßt, hat sie die damit im Zusammenhang stehenden Beweisnachteile selbst zu tragen. 38 Dies gilt insbesondere für die Wasser- und Schiffahrtsverwaltung des Bundes, die kategorisch die Beteiligung an kontradiktorischen Schadensfeststellungen ablehnt. Falls die festgestellten Kaskoschäden, die hierfür anzusetzenden Reparaturkosten 23 sowie die Anzahl der Reparaturtage vorbehaltlos kontradiktorisch festgestellt werden, ist ein wirksamer Schadensfeststellungsvertrag 39 zustande gekommen, der Bindungswirkung für und gegen die an der Taxe beteiligten Personen entfaltet; 40 dies gilt auch im Verhältnis zu einem Sportbooteigner. 41 Gerade diese wichtige Bindungswirkung entzieht die Schadenshöhe dem Streit und macht auf diese Weise - trotz eines bestehenden Streits über den Grund des Anspruchs - eine außergerichtliche Beilegung erheblich erfolgversprechender. Die Bindungswirkung findet ihre Grenze in § 242 BGB, falls sich in einem Ausnahmefall herausstellt, daß Taxwert und tatsächlicher Reparaturaufwand unerträglich auseinanderklaffen. 42 Die Bindungswirkung der kontradiktorischen Taxe erstreckt sich nicht auf Teile, zu 24 denen einer der Experten einen sog Vorbehalt angebracht hat. Diese streitigen Teile müssen somit von dem Geschädigten jenseits der kontradiktorischen Taxierung bewiesen werden, 43 wobei ggf §S 252 S 2 BGB, 287 ZPO Beweiserleichterungen bieten können (Rn 20). Binnenschiffahrtstypisch zählen zu solchen Vorbehalten etwa Ein-

37 38 39 40

41 42 43

Bell Nutzungsverlust und Schadenstaxe ZfB 19SS, 292. OLG Köln Urt ν 2. 5.1969 (Az 3 U 174/68). OLG Karlsruhe VersR 2006,1239; 1994,1211; OLG Hamburg TranspR 1993,109. BGH VersR 1965, 351; OLG Hamburg TranspR 1993, 109; OLG Köln VersR 1969, 1005; OLG Karlsruhe ZfB 1998, SaS 1715,1716; OLG Karlsruhe NZV 1994, 111; ZKR ZfB 1997, SaS 1654; KG VersR 1976, 463; das gilt auch in Sportbootsachen: OLG Karlsruhe ZfB 1993, SaS 1444 = VersR 1994,1211. OLG Karlsruhe ZfB 1993, SaS 1444 = VersR 1994,1211. OLG Köln ZfB 1957,237; OLG Köln Urt ν 14.10.1954 (Az 3 U 28/54); OLG Hamm Urt ν 6.4.1965 (Az 7 Ο 126/64). OLG Köln VersR 1969,1005.

327

BinSchG $ 92b

Haftung des Schiffseigners für Verschulden der Schiffsbesatzung

wände betreffend Altschäden, Abzüge Neu für Alt, 44 die Reduzierung von Hellingkosten, soweit nicht havariebedingte Reparaturen miterledigt wurden, die Möglichkeit zur „Reparatur bei Gelegenheit" (kein gesonderter Werftaufenthalt und der dadurch entstehende Nutzungsausfall notwendig),45 Einwände betreffend eine unmittelbar bevorstehende Abwrackung des Havaristen (Reparatur unnötig), sowie betreffend die Zahl der veranschlagten Reparaturtage.45 25 Ebenfalls nicht von der (tatsächlichen) Bindungswirkung der Taxe erfaßt werden spätere rechtliche Einwendungen, etwa zur Berücksichtigung eines hypothetischen Kausalverlaufs, überholender Kausalität oder zu § 251 Abs 2 BGB oder ähnlichem.47 26 Die in der Schadenstaxe kontradiktorisch festgelegten Reparaturkosten können, wenn der Grund des Anspruchs erwiesen ist, ohne Rücksicht darauf beansprucht werden, ob der geschädigte Schiffseigner den Schaden reparieren läßt. 48 Auf eine tatsächliche Durchführung der Reparatur kommt es daher nicht an. Sofern nicht repariert wird, ist die Mehrwertsteuer mangels Anfall nicht schadensersatzfähig (§ 249 Abs 2 S 2 BGB).49 Bei einem Unternehmer (§ 14 BGB), der vorsteuerabzugsberechtigt ist, ist die Mehrwertsteuer auch im Reparaturfall nicht ersatzfähig.50 27 Die Kosten der kontradiktorischen Schadenstaxierung zählen - sowohl bezüglich der Feststellung der Schäden des eigenen, wie des fremden Schiffes - zu den Kosten einer zweckentsprechenden Rechtsverfolgung im Zusammenhang mit einer Schiffshavarie (S 91 ZPO).51 Unabhängig davon können diese Kosten auch als selbständige Schadensposition eingeklagt werden.52 28 Im Vordergrund des Interesses des geschädigten Schiffseigners steht die Behebung der durch die Kollision eingetretenen Kaskoschäden (§ 1 Rn 26), die von den Experten insbesondere unter Berücksichtigung der zur Reparatur notwendigen Stahlmenge taxiert 44

45

46 47 48 49

50 51 52

328

BGH ZfB 1997, SaS 1662 (Dalben) = VersR 1997, 1287; MK VersR 1993, 636 = ZfB 1993, SaS 1052 = recte 1412 (Dalben); OLG Hamburg VersR 1987, 460 = ZfB 19SS, SaS 1216 (Dalben); OLG Bremen VersR 19S4, 555 (Dalben); OLG Köln ZfB 1996, SaS 1608 (Dalben); OLG Karlsruhe ZfB 1996, SaS 1567 (Stoßschutzeinrichtung eines Schleusentors); ZKR ZfB 1976, 255 (Windenhaus einer Schleuse); OLG Köln ZfB 1999, SaS 1762,1763 (Peitschenlampe im Schleusenbereich). BGH ZfB 1977,43 = VersR 1977,31; OLG Hamburg 1974,1125; 1970,418; OLG KölnUrtv3.12.1971 (Az 3 U 74/71); Urt ν 27.4.1973 (Az 3 U 186/72); anders ist die Sache zu beurteilen, wenn sich auf unabsehbare Zeit eine solche „passende Gelegenheit" nicht ergibt: in diesem Fall ist ein gesonderter Werftaufenthalt gerechtfertigt und löst eine adäquate Nutzungsausfallentschädigung aus, OLG Köln ZfB 1998, SaS 1717. OLG Hamburg VersR 1966, 380; 1974, 238, 239. BGH VersR 1965, 351; OLG Hamburg VersR 1960,128. BGH VersR 1965, 351. Zu den Rechtsproblemen, die durch die Einfügung von $ 249 Abs 2 S 2 BGB im Jahr 2002 entstanden sind, vgl Notthoff VersR 2006,1464 sowie Palandt/Hemricfts BGB § 249 Rn 15ff; zum Einfluß der Mehrwertsteuer auf den Haftungswert nach $ 114 s BGH ZfB 1986,132; BGH VersR 1969, 511. ZKR ZfB 1980,301. OLG Köln Beschl V 10. 12. 1972 (Az 3 w 62/72). OLG Köln Urt V 27. 10. 1964 (Az 3 U 195/64); Urt V 27. 4. 1973 (Az 3 U 186/72) sowie Urt V 11. 5. 1973 (Az 3 U 119/72); ZKR Ul't V 16. 10. 1972 (Az 14 Ζ 1/72).

Siebenter Abschnitt. Zusammenstoß von Schiffen, Bergung

§ 9 2 b BinSchG

werden. Bei einem Totalverlust bzw (wirtschaftlicher) ReparaturunWürdigkeit 53 (vgl §§ 479,873 HGB) ist der objektive Verkehrswert des Schiffes vor der Havarie zu ersetzen; auf den subjektiven Gebrauchswert des Schiffes für den Eigner kommt es nicht an. 54 Zu den Substanzschäden zählen auch Schäden am Steuerhaus, an den Schiffsaufbauten, am Lukendach,55 am Anker sowie - im Sinkfall - der Verlust der Schiffsführer- und Matrosenwohnung einschließlich sämtlicher Effekten (§ 1 Rn 28). Sofern der geschädigte Schiffseigner gewerbsmäßig Schiffe repariert, umfaßt sein Schadensersatz bei der Reparatur der eigenen Schiffen auch den Unternehmergewinn. 56 Daneben kommen als erstattungsfähige Schadenspositionen nach einer Kollision in 29 Betracht: Bergungskosten (§742 HGB Rn3ff), Verschleppungskosten, Leichterkosten, Krangebühren, Hellingskosten,57 Beiträge zur großen Haverei,58 Kosten für ein neues SUK-Attest, Interventions- bzw Expertisekosten, 59 Rechtsanwaltskosten,50 insbesondere aus einer vorangegangenen Verklarung ($ 14 Rn 6ff), Kosten für ein Rechtsgutachten 61 sowie ggf Kosten eines Vorprozesses.62 In Ausnahmefällen (hier: chemische Kontaminierung eines nahezu neuwertigen Tankmotorschiffes) kommt auch ein sog merkantiler Minderwert eines Binnenschiffs in Betracht. 63 Bei Personenschäden sind ua zu berücksichtigen: Heilungskosten, Schmerzensgeld, Bestattungskosten (S 847 BGB). b)

Nutzungsausfallentschädigung

Erhebliches Streitpotential birgt die Frage, ob und, falls ja, für welchen Zeitraum 30 und in welcher Höhe der geschädigte Schiffseigner von dem ersatzpflichtigen Havariegegner Nutzungsausfallentschädigung für sein Schiff verlangen kann: aa) Materiell umfaßt die Nutzungsausfallentschädigung den entgangenen Fracht- 31 umsatz abzüglich ersparter Unkosten (Roherlös), den ein Binnenschiff während der Reparaturzeit erzielt hätte. Von der Nutzungsausfallentschädigung nicht umfaßt sind Beiträge des einer Schiffahrtsgenossenschaft angehörigen Geschädigten zu deren

53 54 55 56 57 58 59

60 61 62 63

BGH ZfB 1990, SaS 1292,1293. AABGHVersR 1965,351. Zum Schadensersatzumfang bei einer Beschädigung der Luken durch Oxydationsflecken s OLG Hamm Urtv2. 11. 1999 (Az 27U 65/99 BSch). BGH ZfB 1984,141, 142. OLG Köln ZfB 1983, 70. OLG Köln ZfB 1983, S9. OLG Nürnberg Beschl ν 13.8. 1993 (Az 8 W 23SS/93 BSch); OLG Koblenz Rechtspfleger 1992, 129; OLG Köln Urt ν 27.10.1964 (Az 3 U 195/64); Urt ν 27.4. 1973 (Az 3 U 186/72) sowie Urt ν 11. 5. 1973 (Az 3 U 119/72). OLG Hamburg VersR 1974,238. OLG Karlsruhe MDR 197S, S70. OLG Karlsruhe Urt ν 4. 4.1972 (Az 3 U 22/71 RhSch); BGH VersR 1969,441,442. OLG Frankfurt/Main ZfS 1997, 372; OLG Köln ZfB 1998, SaS 1717, 1718; zum merkantilen Minderwert von Sportbooten s OLG Karlsruhe ZfB 1993, SaS 1444.

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Haftung des Schiffseigners für Verschulden der Schiffsbesatzung

Frachtenausgleichsfonds. 64 Dogmatisch leitet sich der Anspruch aus dem Vermögenswert ab, den die ständige Nutzbarkeit eines Wirtschaftsgutes für den Eigentümer in abstracto hat. Nach der Leitentscheidung des BGH 65 kann zwar der Nutzungswert vom eigentlichen Substanzwert der Sache nicht abgespalten werden; die Beeinträchtigung für den Gebrauch liegt aber gerade darin, daß eine sofortige Herstellung des status quo ante nicht möglich ist und die reparaturbedingte Gebrauchsentbehrung dem Eigentümer Nachteile zufügt, die er ohne die Havarie nicht gehabt hätte. 32 Dieser Verlust der eigenwirtschaftlichen Nutzungsmöglichkeit, den der BGH ua bei Kfz-Unfällen auch zugunsten des nichtgewerblichen Geschädigten für schadensersatzfähig erklärt hat 66 , ist im Bereich der Binnenschiffahrt als Schadensersatzposition seit langem anerkannt: Kommt es durch eine Schiffskollision (§ 92 Abs 1), eine Fernschädigung (§ 92 Abs 2) oder sonst zu einer Beschädigung eines Binnenschiffs, fällt dieses regelmäßig während des Zeitraums der Reparatur für die gewerbliche Nutzung aus. Es handelt sich um eine typische Havariefolge, deren ökonomische Nachteile der Schädiger dem Geschädigten auszugleichen hat und für die der Anspruchsgegner iü Versicherungsschutz iRd AVB-Flußkasko genießt. 67 Die Nutzungsausfallentschädigung als Teil des ersatzfähigen Schadens entspricht dabei dem Leitbild von § 252 BGB, wonach immer auch entgangener Gewinn (lucrum cessans) zu ersetzen ist.68 Iü entspricht es der Lebenserfahrung, daß infolge des zeitweiligen Ausfalls eines gewerblich genutzten Binnenschiffes dem Schiffseigner regelmäßig ein Schaden dadurch entsteht, daß er sein Schiff vorübergehend nicht für seinen Gewerbebetrieb einsetzen kann. 59 Die havariebedingte Entstehung eines Anspruchs auf Nutzungsausfallentschädigung entspringt daher einem für den Schädiger „ohne weiteres vorhersehbaren und abzuschätzenden Schadensrisiko".70 33 Tatsächlich macht der Nutzungsausfall bei einer Havarie regelmäßig ein Drittel (oder mehr) des gesamten Schadensvolumens aus, so daß die Schadensersatzfähigkeit gerade für den Partikulier, der sein Schiff häufig fremdfinanziert und - neben laufenden Kosten für Personal, etc - erhebliche monatliche Tilgungs- und Zinsraten zu erbringen hat, von entscheidender Bedeutung ist. An der Fühlbarkeit des Nutzungsausfalls für den Schiffseigner71 können daher regelmäßig ebensowenig ver-

64 65 66 67 68 69 70 71

OLG Karlsruhe ZfB 1995, SaS 1515. Vgl GSZ NJW 1987, 50 = BGHZ 98, 212. Vgl BGHZ 98, 212 = NJW 1987, 50; zur Dogmatik der Nutzungsausfallentschädigung als Teil des Schadensersatzanspruchs s MüKo/Oetkcr, BGB, $ 249 Rn 58ff. Zum Versicherungsschutz einer Werft nach AHB für die Nutzungsausfallentschädigung eines Schiffes aufgrund Werftverschuldens s BGH VersR 1999, 748 sowie Bayer VersR 1999,813. BGH NJW-RR 1989, 953. BGH NJW-RR 1989,953; dies verkennt OLG Bamberg Urt ν 23.1.2006 (Az 4 U 3/05). BGH NJW-RR 1989, 953. Vgl BGHZ 40, 345 = NJW 1964, 542.

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nünftige Zweifel bestehen wie an dessen hypothetischem Nutzungswillen, 72 dh dem Willen, sein Schiff, wäre es nicht reparaturbedingt verhindert, zur Binnenschiffahrt und damit zur gewerblichen Nutzung zu verwenden (§§ 1, 2). Denn zum einen wird dem Schiffseigner die gewerbliche Nutzung seines Schiffes bereits von seiten des Steuergesetzgebers unterstellt (§§ 6 Abs 3 BinSchG, 2 Abs 1 S 3 GewStG, 5, 6 , 1 5 GewStDV), zum anderen ist das Erwerbsmotiv des Schiffseigners - im Gegensatz zu dem des Reeders, § 484 HGB - zwar als solches nicht tatbestandsbegründend für die Eignereigenschaft iSv § 1, gleichwohl aber in der Berufsschiffahrt die absolute Regel (§ 1 Rn 10).73 Fehlt es an der Beschädigung eines Binnenschiffs und ist dieses vielmehr durch eine 3 4 Schiffahrtssperre, die aufgrund einer fremdverschuldeten, vorangegangenen Schiffskollision (§ 92 Abs 1), aufgrund einer Fernschädigung (§ 92 Abs 2), aber auch aufgrund von Tatbeständen jenseits von SS 92-92f, etwa eines Schleusenunfalls, behördlich angeordnet wurde, an der Weiterfahrt verhindert, ist zu berücksichtigen: Da die Nutzbarkeit einer Sache ein wesentlicher Teil des Eigentumsrechts ist (arg §§ 903, 1004 BGB), muß die Beeinträchtigung der Nutzungsmöglichkeit eines gewerblich genutzten Binnenschiffs grundsätzlich auch dann schadensersatzfähig sein, wenn es an einem Eingriff in die Sachsubstanz fehlt. 74 Andererseits muß eine solche Eigentumsverletzung abgegrenzt werden gegen eine bloße Schädigung des durch SS 823ff BGB nicht geschützten Vermögens. 75 Präzise konturierte Abgrenzungskriterien fehlen hierzu bislang 75 , vielmehr hat die Rechtsprechung ein case law entwickelt, das sich für den Bereich der Binnenschiffahrt wie folgt darstellt: Im Fleetfall 77 , bei dem aufgrund eines teilweisen Hauseinsturzes eine wasserseitige 35 Verladestelle über acht Monate gesperrt werden mußte, hat der BGH dem Eigner eines an der Umschlagstelle eingeschlossenen Schiffes einen Schadensersatzanspruch wegen Eigentumsverletzung zugesprochen, da das Schiff jede Bewegungsmöglichkeit verloren habe und damit als Transportmittel praktisch ausgeschaltet und seinem bestimmungsgemäßen Gebrauch entzogen worden sei. 78 Dagegen wurde ein Schadensersatzanspruch für zwar nicht ein- wohl aber ausgeschlossene Schiffe, die wegen Nichtbefahrbarkeit des Fleets die Verladestelle nicht wie geplant erreichen konnten, mit der Begründung abgelehnt, in diesem Fall fehle es an einer Eigentumsverletzung, da diese Schiffe in ihrer Eigenschaft als Transportmittel nicht betroffen seien. 79 Außerdem hat der BGH für diese außerhalb befindlichen Schiffe auch einen 72 73 74 75 76 77 78 79

Vgl BGHZ 45, 212 = NJW 1966, 1260. BGH NJW 1972, 538, 539. BGHZ 138, 230, 235fmwN. TWW/Schauh BGB $ 823 Rn 5 Iff; ErmanjSchiemann BGB § 823 Rn 3 lf; BGHZ 41,127. FWWISchaub BGB $ 823 Rn 53. BGHZ 55, 153 = NJW 1971, 886 = ZfB 1972, 17. BGHZ 55, 153, 159. BGHZ 55, 153, ISO.

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Haftung des Schiffseigners für Verschulden der Schiffsbesatzung

Schadensersatzanspruch wegen eines Eingriffs in den eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetriebe abgelehnt, da es an einem betriebsbezogenen Eingriff fehle: Die Schiffbarkeit einer Wasserstraße gehört nicht zum Bereich des Gewerbebetriebs eines Schiffahrtstreibenden. Die zeitweilige, auch andere Schiffahrtstreibende treffende Sperrung einer Wasserstraße greift daher nicht in (den) Gewerbebetrieb (des Schiffseigners) ein. 80 36 Im Elbe-Seitenkanal-Fall 81 , bei dem an einem Überführungsbauwerk des ElbeSeitenkanals ein Damm eingebrochen war, so daß eine Umschlagstelle über ein Jahr lang wasserseitig nicht angefahren werden konnte, hat der BGH dem Betreiber der Umschlagstelle einen Schadensersatzanspruch versagt. Zum einen fehle es an einer Eigentumsverletzung der landseitigen Anlagen, zum anderen liege aber auch ein Eingriff in den eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb wegen fehlender Betriebsbezogenheit nicht vor. Vielmehr handele es sich bei der Sperrung des wasserseitigen Zugangs der Verladestelle um „eine mehr zufällige und allgemeine Folge des Schadensereignisses". 82 37 Im Hafen-Mülheim-Fall 83 war auf der Ruhr aufgrund einer vorangegangenen Havarie die Schleuse Raffelberg, die letzte Schleuse vor der Einmündung in den Rhein, gesperrt worden. Dadurch war mehreren Schiffen im Hafen Mülheim/Ruhr für die Dauer von 14 Tagen die Weiterfahrt in den Rhein verunmöglicht, allerdings war noch ca. 10 km „Bewegungsfreiheit" auf der Ruhr verblieben. Hier hat das OLG Köln unter Berufung auf die BGH-Entscheidung zum Fleetfall (Rn35) argumentiert, die Nutzbarkeit eines Frachtschiffes beurteile sich nicht nach theoretisch-physikalischen, sondern nach praktisch-wirtschaftlichen Gesichtspunkten. Und danach stelle die unfallbedingte Einsperrung der Schiffe nicht nur eine Störung des Gemeingebrauchs an dem schiffbaren Gewässer dar; vielmehr liege eine Eigentumsverletzung vor. Denn die Schiffseigner würden, da ein rentabler Schiffsverkehr auf einem 10-kmAbschnitt der Ruhr nicht denkbar sei, im Ergebnis an dem Verlassen des Hafens und damit an der wirtschaftlichen Nutzung ihrer Fahrzeuge gehindert. 38 Im Schleuse-Obertürkheim-Fall 84 war auf dem Neckar aufgrund eines technischen Defekts die Schleuse Obertürkheim für die Dauer von drei Tagen gesperrt. Dadurch wurde einem im Oberwasser dieser Schleuse befindlichen Talfahrer die Fortsetzung der Talfahrt verunmöglicht, allerdings verblieb noch ca. 13,5 km „Bewegungsfreiheit" auf dem Neckar in Bergrichtung bis Stuttgart-Plochingen. Das Amtsgericht Mannheim hat grundsätzlich eine Eigentumsverletzung bejaht, soweit die Sperrung

80 81 82 83 84

332

BGHZ 55, 153, 161. BGHZ 86,152; vgl auch OLG Köln ZfB 2007, Heft Nr 6, S 64: über sechswöchige Sperrung einer Umschlagsanlage nach Sinkunfall eines beladenen Schiffes. BGHZ 86, 152, 156. OLG Köln ZfB 1976,21 m abl Anm K. Dütemeyer. AG Mannheim VkBl 2006, 635 (rechtskräftig) = Hamburger Seerechts-Report 2006,110.

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§ 9 2 b BinSchG

der Schleuse zum Ausschluß jeder wirtschaftlich sinnvollen Verwendung des vor der Schleuse befindlichen Schiffes führe. Allerdings müsse der Schiffseigner diejenigen Beeinträchtigungen als verkehrsadäquat und damit ohne den Ausgleich eines Schadensersatzanspruches hinnehmen, mit denen er als Schiffahrtstreibender stets rechnen muß. Ohne dies abschließend entscheiden zu müssen, hat das Amtsgericht ausgeführt, es neige dazu, eine dreitägige Einschließung auch unter Berücksichtigung des hierdurch bedingten wirtschaftlichen Ausfalls bei einem Geschädigten gerade noch als verkehrsadäquat anzusehen. Auf der Basis dieser Rechtsprechung wird man daher eine Eigentumsverletzung und 3 9 damit eine sperrungsbedingte Nutzungsausfallentschädigung für ein an dem Primärereignis unbeteiligtes Binnenschiff grundsätzlich nur dann bejahen können, wenn aufgrund der Sperrung das Schiff nicht nur seine geplante Reise unterbrechen und - wie bei Hochwasser, Eis und sonstigen Schiffahrtsstörungen auch - warten muß, sondern vielmehr für den beanspruchten Nutzungsausfallzeitraum de facto seine Fähigkeit verloren hat, wertschöpfende Transportleistungen zu erbringen. Denn die Eigenschaft der Mobilität gehört bei einem Transportmittel zu dem unmittelbaren Kernbereich des Eigentumsrechts, so daß dessen rechtswidrige und schuldhafte Beeinträchtigung in Gestalt eines vollständigen Entzuges kommerzialisierbarer Beweglichkeit grundsätzlich (siehe aber Rn 41ff) schadensersatzfähig sein muß. Diese Grundsätze finden auch Anwendung, soweit es auf einem Strom, insbesondere 4 0 den Hauptverkehrsadern der europäischen Binnenschiffahrt, dem Rhein und der Donau, zu einer havariebedingtenbehördlichenVollsperrung eines bestimmten Flußabschnitts kommt (Rhein: MS „Excelsior" 2007; MS „Hornberg" 1982; MS „Edelweiß 3 0 " 1962). In diesen Fällen wird man daher bei Schiffen unterhalb und oberhalb des gesperrten Abschnitts eine Eigentumsverletzung ablehnen müssen, da diese Schiffe - wenn auch erschwert durch Umdispositionen, Umschlag, Einlagerung, etc - ihre wirtschaftliche Transportmöglichkeit als solche nicht verloren haben. Innerhalb des Sperrungsabschnitts ist dagegen grundsätzlich (siehe aber Rn41ff) eine Eigentumsverletzung zu bejahen, und zwar unabhängig davon, ob die dort befindlichen Schiffe sich überhaupt nicht mehr oder nur noch innerhalb dieses, für Transportleistungen nicht marktfähigen Abschnittes bewegen können. Um eine unbillige Ausuferung von Schadensersatzansprüchen zu vermeiden, scheint 4 1 es allerdings geboten, einen ökonomischen Wertausgleich für die Dauer solcher Störungen zu versagen, die der Schiffahrtstreibende iRd Gemeingebrauchs an der Wasserstraße als verkehrsadäquat in Kauf nehmen muß. 8 5 Unter einer verkehrsadäquaten Störung in der Binnenschiffahrt wird man die Beeinträchtigungen zählen müssen, die zwar den Ausnahmefall bilden (zB Havarie) und die auch schuldhaft verursacht sein können, die aber bei realistischer Bewertung der Risiken der Binnen-

85

So auch OLG Köln ZfB 1 9 7 6 , 2 1 u AG Mannheim VkBl 2 0 0 6 , 6 3 5 .

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schiffahrt mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit in unregelmäßigen Abständen in Schäden umschlagen (Kollision von Schiffen, Anfahrung einer Brücke, Festfahrung, etc). Inhaltlich scheint insoweit ein weiter Maßstab geboten (zur zeitlichen Einschränkung siehe Rn42f), so daß derjenige, der Anspruch auf Nutzungsausfallentschädigung erhebt, nur solche Fahrtunterbrechungen schadensersatzrechtlich nicht hinnehmen muß, die auf grob fahrlässige, leichtfertige (§ 5b) oder gar vorsätzlich gesetzte Ursachen zurückgehen (Havarie durch Alkoholisierung, vorsätzliche Unterbemannung, grob pflichtwidrig veranlaßte oder geduldete Fahr- und/oder Ladeuntauglichkeit, etc). In diesen Ausnahmefällen erschiene es aufgrund des Grades der Pflichtverletzung, der regelmäßig einer Schiffsverkehrsgefährdung gemäß § 3 1 5 a StGB gleichkommen dürfte, unbillig, dem durch Nutzungsausfall Geschädigten irgendwelche Duldungspflichten aufzuerlegen. 42

Soweit indes in den Regelfällen die Verkehrsadäquanz einer Störung inhaltlich grundsätzlich zu bejahen ist (Rn 32h), bedeutet dies nicht, daß der Wartende zeitlich unbegrenzt ohne Schadensersatz bliebe. Vielmehr ist umgekehrt der Schadensersatzanspruch auf Nutzungsausfallentschädigung um den Zeitraum zu kürzen, der inhaltlich (Rn 41) und zeitlich noch zu akzeptieren ist. Bislang hat die Rechtsprechung noch keine klaren Konturen entwickelt, wie eine solche zeitliche Einschränkung des Schadensersatzanspruchs aussehen könnte, welchen Sperrungszeitraum somit ein unbeteiligter Dritter, der in der Nutzung seines Schiffes gestört wird, entschädigungslos hinzunehmen hat. Bei dem Fleetfall (Rn 35) stand bei einer Einsperrung von über 8 Monaten die erhebliche Beeinträchtigung der Schiffsnutzung außer Frage; im Hafen-Mülheim-Fall (Rn37; 14 Tage Sperrung) hat das OLG Köln ausgeführt, jedenfalls ein mehrwöchiger Nutzungsausfall müsse nicht ohne Schadensersatz hingenommen werden; das AG Mannheim wiederum hat im SchleuseObertürkheim-Fall (Rn 38) drei Tage als gerade noch hinnehmbar bezeichnet.

43 Vor diesem Hintergrund erscheint ein zeitliches Korrektiv sachgerecht, wonach nur relativ geringfügige, das Eigentum des Schiffahrtstreibenden nur unwesentlich beeinträchtigende Störungszeiträume als zu den allgemeinen Gefahren der Schifffahrt gehörend hingenommen werden müssen, also nicht schadensersatzfähig sind, während ein darüber hinausgehender Nutzungsausfall von demjenigen zu tragen ist, der die Sperrung zurechenbar verursacht und verschuldet hat. Eine solche Unterscheidung zwischen erstattungsfähigem und nicht erstattungsfähigem Nutzungsausfall im Deliktsrecht entspricht iü der gesetzlichen Wertung der BinSchLV, bei der auf der vertraglichen Ebene zwischen liegegeldfähigen und nichtliegegeldfähigen Zeiträumen differenziert wird (§§ 1 Abs 2, Abs 3, 2 Abs 2, 4 Abs 2, 6 Abs 3, 7 Abs 2 BinSchLV). Als oberste Grenze einer in der Binnenschiffahrt, liegt inhaltlich Verkehrsadäquanz vor (Rn 41), (gerade noch) als entschädigungslos hinzunehmenden Dauer einer Sperrung erscheint ein Zeitraum von 24 Stunden angemessen. Höhere schadensersatzlose Warte- und Duldungspflichten wird man unter Berücksichtigung der hohen Fixkostenbelastung der Binnenschiffahrt (Finanzierungs- und 334

Siebenter Abschnitt. Zusammenstoß von Schiffen, Bergung

§ 9 2 b BinSchG

Personalkosten, Versicherungsprämien, Berufsgenossenschaftsbeiträge, etc) ablehnen müssen. Liegen daher die sonstigen Voraussetzungen des Schadensersatzanspruchs (Rn 39) vor, kann (nur) für die darüber hinaus gehende Zeit Schadensersatz verlangt werden. Zur Höhe der Nutzungsausfallentschädigung vgl unten Rn 50ff. Zur Beschränkbarkeit der Haftung für Ansprüche aus Schiffahrtssperren nach § 4 Abs 3 Nr 3 vgl § 4 Rn 15. Weitere Anspruchsvoraussetzung für die Nutzungsausfallentschädigung ist grund- 4 4 sätzlich die hypothetische Unterstellung, daß der Schiffseigner sein Schiff, hätte es die Havarie nicht gegeben, in der reparaturbedingten Zeit des Ausfalls hätte gewinnbringend einsetzen können. Diese Nutzungsmöglichkeit wird zugunsten des anspruchstellenden Schiffseigners bei einem gewerblich eingesetzten Binnenschiff vermutet. 86 Denn bei einem Partikulier, erst recht einer Reederei, die seit Jahren im Markt präsent sind, kann, will man lebensfremde, zu strenge Anforderungen im Lichte von §§ 2 5 2 BGB, 287 ZPO vermeiden, 87 unterstellt werden, daß diese Umsätze erzielen, die die Betriebskosten übersteigen, also Gewinn erwirtschaften. (Gewerbliche) Binnenschiffahrt als „Liebhaberei" iSd Steuerrechts 88 findet in praxi nicht statt. Es ist daher ausreichend, wenn der geschädigte Schiffseigner als Ausgangs- und Anknüpfungstatsache 8 9 für seinen Anspruch auf Nutzungsausfallentschädigung (konkludent) vorträgt und ggf beweist, daß er sein Wirtschaftsgut zur gewerblichen Binnenschiffahrt verwendet (§§ 1, 2). Es obliegt dann dem Schädiger, atypische Kausalverläufe (zB Werftaufenthalt ohnehin geplant und durch Behebung havariebedingter Schäden nicht verlängert; Schiffsattest ist abgelaufen und wäre auch ohne Havarie nicht verlängert worden; Schiff befand sich auf dem Weg zur Abwrackung, etc 90 ) darzulegen und zu beweisen. Die anderslautende Ansicht des OLG Bamberg, 9 1 wonach es eine solche Nutzungs- 4 5 Vermutung zugunsten des Geschädigten nicht gebe, dieser vielmehr im einzelnen „nahtlos" darzulegen und zu beweisen habe, welche Folgefrachtaufträge ihm durch die überraschende Ausfallcausa entstanden sind, vermag nicht zu überzeugen. Sie macht die Ausnahme (Fehlen eines Folgeauftrages) zur Regel und führt - entgegen der ratio legis von §§ 2 5 2 BGB, 287 ZPO, dem Geschädigten eine Beweiserleichterung zu ermöglichen 9 2 - zu einer unbilligen Privilegierung des Schädigers. Dies gilt insbesondere bei längeren Ausfallzeiten von mehreren Wochen, für die der geschädigte Schiffseigner, jedenfalls außerhalb von langfristigen Zeitcharterverträgen, praktisch

86 87 88 89 90 91 92

BGH NJW-RR 1989,953; OLG Karlsruhe Urt ν 4. 4.1978 (Az U 7/76 Sch). Vgl BGHZ 29, 398; 100, 50. Zum Fehlen einer Gewinnerzielungsabsicht bei dem Betrieb einer Motoryacht s FG Hannover EFG 1994, 485. Vgl BGH NJW 1998,1S33,1S35. Zu dem Verkauf eines Schiffes nach der Havarie s BGH VersR 1978,418. Ul't ν 23. 1. 2006 (Az 4U 3/05). Vgl BGHZ 74, 224.

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nie konkret darlegen und beweisen kann, welchen Auftrag er drei Wochen nach der Havarie bekommen hätte, läge sein Schiff nicht auf der Werft fest. Demgegenüber gehört es gerade zu dem wesentlichen Anwendungsnutzen von § 287 ZPO, eine solche faktische Beweisfälligkeit für den hypothetischen Kausalverlauf zu vermeiden und dem Geschädigten eine Beweisführung dann zu erleichtern, wenn das Gericht von der Entstehung des Schadens als solchem überzeugt ist. 93 4 6 Fehlt es an der gewerblichen NutzungsWidmung, scheidet ein Anspruch auf Nutzungsausfallentschädigung aus. Dies gilt in erster Linie für den gesamten Bereich der Sportbootschiffahrt, 94 da die „individuelle Genußschmälerung", die der Eigner durch den Verlust der Nutzungsmöglichkeit seines Sportbootes erleidet, keinen vermögensrechtlichen Schaden darstellt. 95 Soweit indes der gewerbliche Vercharterer 95 eines Sportbootes havariebedingte Charterausfälle zu gewärtigen hat, zählen diese zu den schadensersatzfähigen Positionen. Bei Behördenfahrzeugen (Fahrzeuge der Wasserschutzpolizei und der Wasser- und Schiffahrtsverwaltung, Hafenboote, etc) wird man mangels kommerzieller Interessen einen generellen Anspruch auf Nutzungsausfallentschädigung abzulehnen haben; in Betracht kommen aber ggf sog Vorhaltekosten. 97 Sofern die Behörde zur Erfüllung ihrer Aufgaben auf die Anmietung eines Ersatzfahrzeuges für die Reparaturzeit angewiesen ist, wird man diese Kosten ebenfalls als schadensersatzfähig ansehen können. 98 4 7 Ein Anspruch auf Nutzungsausfallentschädigung scheidet aus, soweit der Geschädigte gegen seine Schadensminderungspflicht gem § 254 BGB verstößt. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn er für die Behebung einer geringfügigen Beschädigung des Kaskos, die die Fahrbereitschaft in keiner Weise einschränkt (Bagatellschaden), 99 einen gesonderten Werftaufenthalt veranlaßt, obwohl die Reparatur bei Gelegenheit des nächsten Routineaufenthalts an der Werft (etwa Verlängerung des Schiffsattests) ohne gesonderten Ausfall hätte erfolgen können. 100 Dies gilt erst recht, wenn die Werft nur aufgesucht wird, um eine havariebedingte rein ästhetische Beeinträchtigung 101 zu beseitigen. Hierdurch ausgelöster Nutzungsausfall ist nicht vom Schädiger zu ersetzen. 102 93 94 95 96 97

98 99 100 101 102

336

MüKo/OeffeerBGB, § 2 4 9 R n 4 5 5 mwN. BGHZ 89, 60 = NJW 1984, 72 = VersR 1984, 142 = ZfB 1984, 101 für Motorboote, OLG Schleswig OLGR 2 0 0 5 , 1 3 4 = SchlHAnz 2005, 345 u AG Starnberg Urt ν 4. 6 . 2 0 0 3 (Az 5 C 211/03 BSch) für Segelboote. BGHZ 89, 60, 64. FG Kassel StE 2006, 41 L. Zu den Einzelheiten vgl BGH NJW 1985, 2471; OLG Düsseldorf NZV 2005, 309; OLG Hamm NJW-RR 2004, 1094, 1095; OLG München NZV 1990, 348; 1978, 812; LG Nürnberg-Fürth NJW 1982, 2079; AG Mainz ZfS 1 9 8 9 , 3 0 2 ; LG Köln VersR 1 9 6 7 , 9 8 6 . OLG Hamm VersR 2 0 0 4 , 1 5 7 2 . AG St. Goar Urt ν 1 0 . 1 . 2 0 0 5 (Az 4 C 20/03 BSchMo). BGH VersR 1 9 7 7 , 3 1 ; OLG Hamburg, 1 9 7 4 , 1 1 2 5 ; OLG Köln Urt ν 10. 4 . 1 9 7 0 (Az 3 U 107/69). Zur ästhetischen Beeinträchtigung einer Schleusenbeleuchtungsanlage s OLG Köln ZfB 1999, SaS 1762,1763. OLG Köln ZfB 1998, SaS 1 7 1 7 ; s R n 2 4 .

Siebenter Abschnitt. Zusammenstoß von Schiffen, Bergung

§ 9 2 b BinSchG

Soweit, was häufiger vorkommt und ökonomisch dem Interesse von Schädiger und 4 8 Geschädigtem gleichermaßen entspricht, der Werftaufenthalt neben der Beseitigung der Kollisionsschäden auch anderen nicht havariebedingten Arbeiten (zB Schraubenwechsel, Überprüfung der Bordelektrik, Ausbau der Schifferwohnung, etc) dient, ist die Werftliegezeit im Wege der Vorteilsausgleichung, für die der Schädiger beweisbelastet ist, 103 pro rata auf Schiffseigner und Havariegegner zu verteilen, 104 wobei dies regelmäßig in der kontradiktorischen Schadentaxe vermerkt wird (Rn 24). Erforderlichenfalls ist gem § 287 ZPO zu schätzen. 105 Neben der reinen Reparaturzeit für die havariebedingten Schäden zählen zum scha- 4 9 densersatzfähigen Ausfallzeitraum eines Binnenschiffs außerdem: Weiterfahrverbot nach Havarie durch Wasserschutzpolizei/Schiffsuntersuchungskommission; Leichterung, um Weiterfahrt zu ermöglichen; Löschung/Umschlag von Ware, um Hellingnahme zu ermöglichen; Notreparatur zur (Wieder-)Herstellung der Fahrfähigkeit; 1 0 6 Verschleppung des Havaristen zur Werft; Entgasung eines Tankmotorschiffes und Ausstellung eines Gasfreiheitsattestes zur Ermöglichung von Schweißarbeiten; verzögerte Aufnahme der Werftarbeiten wegen Ausschreibung unter mehreren Werften oder wegen unvermeidbarer Wartezeit an einer Werft, die den günstigsten Preis angeboten hat; 107 Wochenendtage bei Reparaturzeit über fünf Tage bzw Unvermeidbarkeit einer Wochenendunterbrechung der Arbeiten; 108 Untersuchung des Schiffes durch die Schiffsuntersuchungskommission nach Reparatur und Ausstellung des neuen Schiffsattests. Im Falle eines Totalverlustes des gesunkenen oder nicht wiederherzustellenden Schiffes besteht Anspruch auf Nutzungsausfallentschädigung bis zur Neubeschaffung eines adäquaten Fahrzeugs. bb) Hinsichtlich der Höhe der Nutzungsausfallentschädigung gilt: (1)

50

Historischer Abriss109

(a)Bis zur Aufhebung der Tarifbindung der Binnenschiffahrtsfrachten zum 1 . 1 . 1994 1 1 0 bestand für den frachtvertraglichen, dem Frachtführer von dem Absender geschuldeten Anspruch auf Liege- bzw Überliegegeld eine klare Regelung. Die Frachtenausschüsse der Binnenschiffahrt setzten - ohne Rechtssetzungsbefugnis 111 - marktgerechte Durchschnittswerte fest (§ 21 Abs 1 S 2 BinSchVG aF), 112 die

103 104 105 106 107 108 109 110 111 112

BGH ZfB 1960,453. BGH ZfB 1981, 459; BGH VersR 1960, 902. BGH VersR 1960, 902. OLG Karlsruhe Urt ν 4. 4.1978 (Az U 7/76 Sch). OLG Köln ZfB 1991, SaS 1321. AG Duisburg-Ruhrort Urt ν 14. 9.1973 (Az 5 C 160/70BSch). OiieTranspR 2005,391. Gesetz vom 13.8. 1993 (BGBl I, 1489). BVerfG ZfB 1980, 449. OLG Oldenburg ZfB 19Sl,61,62fmitNichtannahmebeschldesBGHZfB 1981,64.

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BinSchG $ 92b

Haftung des Schiffseigners für Verschulden der Schiffsbesatzung

im Frachten- und Tarifanzeiger Binnenschiffahrt (FTB) veröffentlicht wurden. Diese Durchschnittswerte orientierten sich danach, was ein Binnenschiff pro Tag tonnageabhängig abstrakt zu verdienen in der Lage war. Die sich daraus ergebenden Sätze berücksichtigten in einer Mischkalkulation die verschiedenen, zum Teil tageweise wechselnden Betriebsformen von 14 bis 24 Stunden und wurden nicht zuletzt aufgrund in etwa ähnlicher Sätze in den anderen Rheinanliegerstaaten vom Markt allgemein akzeptiert und in der Vertragsabwicklung praktiziert. 113 (b) An diesen bis 1994 geltenden abstrakten Pauschsätzen, die im Ergebnis einem Mindestschaden gleichkamen, orientierte sich über viele Jahrzehnte hinweg auch die Rspr zur Entschädigung von idR deliktisch begr Ansprüchen auf Nutzungsausfallentschädigung.114 Behauptete der Schädiger, der Geschädigte habe weniger verdient als diese Orientierungssätze, war der Schädiger hierfür darlegungs- und beweisbelastet.115 Beanspruchte - umgekehrt - der Geschädigte mehr als diese Pauschsätze, war dies durch Vorlage von Frachtberechnungen drei Monate vor der Havarie und drei Monate nach Reparaturende konkret darzulegen und zu beweisen.115 Diese Regelung erwies sich nicht nur als prozeßwirtschaftlich iSv §§ 252 BGB, 287 ZPO (dazu ο Rn 20), sie diente vor allem der Vermeidung von Prozessen, da für die Entschädigung des Nutzungsausfalls, eine häufig wesentliche Schadensposition (Rn 33), belastbare Parameter zur Verfügung standen, die eine sachgerechte Vergleichslösung ermöglichten. (c) Mit dem 1994 eingefügten § 32 aF 117 wurde die Höhe der frachtvertraglich geschuldeten Liegegelder gesetzlich geregelt, wobei durch die begleitende Liegegeldverordnung vom 26.1. 1994 (§ 1 BinSchLV Rn 1) von der Berechnung nach Tagen abgegangen wurde, vielmehr für die Zeit von 6.00 Uhr bis 20.00 Uhr eine stundenweise Berechnung vorgesehen wurde. An der analogen Anwendung dieser Sätze auch im Havariebereich änderte sich nichts. (d) Durch das Inkrafttreten des Transportrechtsreformgesetzes zum 1. 7.1998 (§ 407 HGB Rn 1) wurde § 32 wieder außer Kraft gesetzt, so daß vorübergehend eine Regelung zur Berechnung der Liegegelder nicht zur Verfügung stand. Die Praxis behalf sich mit der analogen Anwendung der Altregelung, und zwar sowohl im frachtvertraglichen, als auch im deliktischen Havariebereich.

113 G. Dütemeyer Anm zu OLG Köln ZfB 2002, SaS 1873. 114 BGH VersR 1965, 351 und 373; OLG Karlsruhe ZfB 1995, SaS 1515,1516; OLG Köln Urt ν 10.4.1970 (Az 3 U 107/69); ZKR Urt ν 18.10. 1978 (Az 92 Ζ 15/78); Vorauflage $ 92b Rn 30; Bemm/v. Waldstein Einf, Rn 43,46 mwN. 115 KG VersR 1976,436; OLG Hamburg VersR 1974,1216. 116 OLG Karlsruhe ZfB 1998, SaS 1715,1716. 117 Gesetz zur Änderung des BinSchG vom 26. 4.1994 (BGBl 1,886).

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Siebenter Abschnitt. Zusammenstoß von Schiffen, Bergung

§ 9 2 b BinSchG

(e) Durch die BinSchLV vom 23.11. 1999 (§ 1 BinSchLV Rn 1) führte der Gesetzgeber mit Wirkung zum 11.12. 1999 (§ 8 BinSchLV Rn 1) dann stundenweise zu berechnende Liegegeldsätze ein, die - jedenfalls bei der Berechnung auf 24 Stunden-Basis und insbesondere bei höheren Tragfähigkeiten über 20001 - mehr als das Doppelte über den Sätzen nach § 32 aF lagen. Im Frachtbereich führte dies dazu, daß diese Sätze einzelvertraglich zumeist abbedungen und „Liegegeld 1994", „y 2 deutsch gesetzlich" oder etwa niederländisches Liegegeld vereinbart wurde (§ 1 BinSchLV Rn 3). Im Havariebereich wuchs im Gewerbe - mit einiger zeitlicher Verzögerung - nach und nach der Unmut über diese marktfernen Sätze. Teilweise konnten sachgerechte Vergleichsergebnisse noch dadurch erzielt werden, daß die Sätze der BinSchLV nicht auf 24 Stunden, sondern auf Basis von 14 Stunden (Betriebsform A1, § 23.05 Nr 1 RheinSchUO), 16 Stunden (Betriebsform A, § 114 Abs 2 BinSchUO), 18 Stunden (Betriebsform A 2, § 23.05 Nr 1 RhSchUO; Betriebsform B, § 114 Abs 2 BinSchUO) bzw 20 Stunden (§ 114 Abs 2 BinSchUO) berechnet wurden. Teilweise scheiterten diese Bemühungen aber auch in Anbetracht der erheblichen, in Rede stehenden Summen und der durch den Gesetzgeber ausgelösten Unklarheit. (2)

Derzeitige Rspr:

(a) Das OLG Köln hat zwar noch im Jahre 2002 1 1 8 die abstrakte Berechnung der Nut- 51 zungsausfallentschädigung in Havariefällen entsprechend den Liegegeldsätzen der neuen BinSchLV bestätigt, bei dieser Entscheidung aber die Marktferne dieser Sätze unberücksichtigt gelassen. Zwischenzeitlich hat der Kölner Schiffahrtssenat erkennen lassen, daß er voraussichtlich an dieser Entscheidung nicht festzuhalten gedenkt. 118:1 (b) Das OLG Hamburg hat im Jahre 2004 1 1 9 eine gemischt abstrakt-konkrete Berech- 52 nung zugrunde gelegt. Konkret angeknüpft wird an das Einfahrergebnis der letzten drei Monate vor der Havarie. Davon werden abstrakt 25% ersparte Unkosten abgezogen. (c) Das AG Bremen folgte im Jahr 2004 l z o grundsätzlich dem Oberlandesgericht Köln 53 (a) in der Anwendung der Liegegeldsätze der BinSchLV, wendete diese Sätze aber nur an bezogen auf die Stunden, in denen das havarierte Schiff entsprechend der gewählten Betriebsform fährt. (d) Das OLG Karlsruhe hat im Jahr 2005 1 2 1 ebenfalls die abstrakte Nutzungsausfall- 54 berechnung entsprechend der BinSchLV bestätigt, allerdings mit der Einschränkung, daß diese abstrakte Regelung jedenfalls dann gelten könne, wenn es nur um einen einzigen Ausfalltag gehe. Diese Einschränkung legt Zweifel des Karlsruher Senats of118 118a 119 120 121

TranspR 2002,244 = ZfB 2002, SaS 1873 m Anm G. Dütemeyer = VersR 2003,131 = OLGR 2002,223. Beweisbeschl ν 19.12. 200S (Az 3 U 77/06 BSchRh). Urt ν 27.1.2004 (Az 6 BSch U 180/02) abgedruckt in: Hamburger Seerechts-Report 2004,28-30. Urt ν 8.10.2004 (Az 2 a S 0003/03) abgedruckt in: Hamburger Seerechts-Report 2006, 241. ZfB 2007, Heft Nr 4, S 68.

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BinSchG $ 9 2 b

Haftung des Schiffseigners für Verschulden der Schiffsbesatzung

fen, ob eine abstrakte Schadensberechnung bei längeren Ausfallzeiten auf der Basis der Sätze der BinSchLV noch sachgerecht ist. 55

(e) Das OLG Bamberg schließlich hat im Jahre 2006 1 2 2 die Frage der Zulässigkeit einer abstrakten Schadensberechnung entsprechend den Sätzen der BinSchLV ausdrücklich offengelassen, da es den geltend gemachten Anspruch auf Nutzungsausfallentschädigung bereits an fehlendem Vortrag zu Anknüpfungstatsachen scheitern ließ (Rn 45).

56

(f) Eine Entscheidung des BGH zur Nutzungsausfallentschädigung in der Binnenschiffahrt auf der Basis der veränderten Rechtslage seit 1998/99 liegt bis dato nicht vor; eine Revisionszulassung dieser Rechtsfrage erschiene iSv § 543 Abs 2 Nr 1 und 2 ZPO geboten, um eine bundesweit einheitliche Rspr sicher zu stellen (§ 130 Rn 5). (3)

Eigener Lösungsansatz:

57

(a) Tatsache ist, daß die 24 Stunden-BinSchLV-Sätze - trotz teilweise erheblicher Unterschiede der Einfahrergebnisse tonnagegleicher Schiffe - nur ausnahmsweise erzielt werden und insbesondere bei höheren Tragfähigkeiten über 2000 t nicht marktgerecht sind. Das wird schon dadurch belegt, daß diese gesetzlichen Sätze nahezu ausnahmslos rahmen- bzw einzelvertraglich abbedungen werden. In der Trockenschiffahrt sind etwa 60%, in der Tankschiffahrt etwa 75% dieser Sätze die gemittelte Obergrenze des Realistischen. Eine Berechnung der havariebedingte Nutzungsausfallentschädigung auf 100%-Basis erscheint daher nicht sachgerecht, da damit gegen das Bereicherungsverbot des Geschädigten verstoßen würde. Auf der anderen Seite besteht in der Praxis ein dringendes Bedürfnis nach Pauschsätzen, 1 2 3 die allgemein als marktgerecht anerkannt werden. Nur solche Sätze ermöglichen gerade auch bei starken konjunkturellen Schwankungen des Frachtenniveaus eine belastbare Verhandlungsplattform jenseits eines „Überreizens" des Geschädigten und eines „Abwiegeins" des Schädigers. Die Notwendigkeit einer standardisierten Abrechnung gilt auch und gerade bei einer Nutzungsausfallentschädigung von nur einem oder wenigen Tagen. Hier besteht konkret die Gefahr, daß Geschädigte auf die ihnen zustehende Nutzungsausfallentschädigung verzichten, um eine Offenlegung ihrer betriebswirtschaftlichen Situation und den dabei entstehenden Zeit- und Kostenaufwand (der bei Berechnung eines Nutzungsausfalltages genauso hoch ist wie bei der Berechnung von 3 5 Nutzungsausfalltagen) zu vermeiden.

58

(b) Die auf den ersten Blick als Königsweg in Betracht kommende Reduzierung der 24 Stunden-BinSchLV-Sätze auf die jeweilige Stundennutzung gem der Betriebsform 1 2 4 erscheint wegen des häufigen Wechsels der Betriebsformen in der Binnen122 Urtv23.1.2006 (Az 4 U 3/05). 123 OffeTranspR2005,391,398. 124 S ο AG Bremen Rn 53; auf dem Rhein: 14, IS, 24 Stunden $ 23.05 Nr 1 RhSchUO; ansonsten: 16, IS, 20, 24 Stunden $ 114 Abs 2 BinSchUO.

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Siebenter Abschnitt. Zusammenstoß von Schiffen, Bergung

§ 9 2 b BinSchG

schiffahrt, insbesondere in der Partikulierschiffahrt, als wenig praktikabel, da der Streit über die zugrundezulegende Betriebsform vorprogrammiert ist und eine Beweisaufnahme als Anwendungsvoraussetzung für Pauschsätze als wenig zielführend betrachtet werden muß. Ein belastbarer Abrechnungsmodus sollte daher an der - übrigens über Jahrzehnte erfolgreich praktizierten - Mischkalkulation der verschiedenen Betriebsformen festhalten. (c) Praktikabler erschiene es, die 24 Stunden-BinSchLV-Sätze prozentual betriebs- 59 formunabhängig auf Mittelwerte von 50% (Trockenschiffahrt) bzw 662k% (Tankschiffahrt) zu korrigieren. Erforderlichenfalls mag hierzu in einem Pilotverfahren noch Sachverständigenbeweis erhoben werden. Diese Werte lägen unter den gemittel ten Obergrenzen von 60% (Trockenschiffahrt) bzw 75% (Tankschiffahrt) 125 und kämen der alten FTB-Praxis (Rn 50) am nähesten, deren jahrzehntelange Akzeptanz durch das Binnenschiffahrtsgewerbe am besten belegt, daß man offensichtlich den Mittelwerten recht nahe gekommen und zwischen zwei Klippen erfolgreich hindurch gesteuert war, die es in diesem Zusammenhang sorgfältig zu meiden gilt: der sachwidrigen Bereicherung des Geschädigten durch den Schadensfall auf der einen Seite wie der unbilligen Beweisprivilegierung des Schädigers auf der anderen Seite. (d) Unbeschadet hiervon sollte - wie bislang (Rn 50) - der konkrete Gegenbeweis ge- 60 gen die abstrakte Berechnung der Nutzungsausfallentschädigung möglich bleiben. Dem Geschädigten sollte also durch Vorlage seiner Einfahrergebnisse drei Monate vor der Havarie und drei Monate nach Reparaturende der Beweis eines Mehrverdienstes offenstehen, während dem Schädiger das Recht zustehen muß, konkret darzulegen und zu beweisen, daß das beschädigte Schiff in diesen Vergleichszeiträumen weniger als diese Pauschsätze eingefahren hat. Die evtl bestehende Beweisnot des Schädigers kann über eine Beweisanordnung des Gerichts gem §§ 142, 421ff ZPO ausgeglichen werden, betriebswirtschaftliche Nutzungsausfallunterlagen für das Schiff durch den Geschädigten vorzulegen. 126 Damit eine Vorlegungsanordnung gem § 142 ZPO nicht die Anwendung der Pauschsätze in toto aushebelt, sollte der Schädiger dem Gericht, in dessen Ermessen eine solche Anordnung steht („kann", § 142 ZPO), zumindest Indizien nennen, die für ein unterdurchschnittliches Ergebnis sprechen. 6.

Darlegungs- und Beweislast

a) Zunächst hat derjenige, der einen Anspruch aus § 92b erhebt, sich über die tat- 61 sächlichen Umstände des Schiffszusammenstoßes (§92 Rn5ff, 13ff) vollständig, substantiiert und wahrheitsgemäß zu erklären (§ 138 Abs 1 ZPO). Diese Darlegungsund Substantiierungslast 127 bezieht sich auf das gesamte, dem Anspruchsteller be-

125 S ο Rn 57. 126 So G. DiltemeyerZlB 2002, SaS 1S73 und OiieTranspR 2005,391,398. 127 Grundlegend BGH NJW 1991,2707.

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Haftung des Schiffseigners für Verschulden der Schiffsbesatzung

kannte Havariegeschehen und erstreckt sich auch auf die von dem in Anspruch genommenen Schiffseigner vorgetragenen Tatsachen (§138 Abs 2 ZPO). 62 Ein Bestreiten mit Nichtwissen ist nur zulässig im Hinblick auf Tatsachen, die weder eigene Handlungen noch Gegenstand eigener Wahrnehmungen einer Partei gewesen sind (§138 Abs 4 ZPO). Dies betrifft regelmäßig nicht das äußere Havariegeschehen selbst, sondern vor allem zeitlich vor und nach der Kollision liegende Internas des Kollisionsgegners, die dem anderen nicht bekannt sein können (Wartungen, Reparaturen, Ausrüstungszustand, Klassifikation des Schiffes, Ausbildungsstand der Besatzung, Reiseverlauf bis zur Havarie; Werftaufenthalt nach der Havarie; vergleichbare Einfahrergebnisse zur Nutzungsausfallberechnung, etc). 63 Soweit der Anspruchsgegnerbehauptete Tatsachen nicht bestreitet, gelten diese als zugestanden (§§ 138 Abs 3, 288 Abs 1 ZPO) und bedürfen keines Beweises. Dagegen hat der Anspruchsteller über streitigen Prozeßstoff die ihm obliegenden Beweise zu führen (Rn 64ff). Diesen Beweisanforderungen kann der anspruchstellende Schiffseigner auch dadurch gerecht werden, daß er seine eigenen Besatzungsmitglieder als Zeugen benennt bzw im Havarieprozeß auf deren Verklarungsaussagen (§ 13 Rn 7) verweist (§11 Rn 6); eine gesetzliche Beweisregel (§ 286 II ZPO), wonach den eigenen Besatzungsmitgliedern nur ein beschränkter Beweis wert zukommt, gibt es nicht (Rn 66). 128 64 b) Ein Schadensersatzanspruch gegen den Schiffseigner gemäß § 92b ist nur dann begründet, wenn es dem geschädigten Kollisionsgegner gelingt, den Beweis zu führen, daß die dem Schiffseigner adjektizisch zuzurechnende (§§ 3,92b) Besatzung den Schiffszusammenstoß (§§ 92, Rn 5ff, 13ff) verursacht und verschuldet hat, 129 durch den dem Anspruchsteller ein Schaden entstanden ist. Die Beweislast des Geschädigten umfaßt somit sowohl die haftungsbegründende (Zusammenhang zwischen schuldhaftem Fehlverhalten der Besatzung und Rechtsgutverletzung, so Rn 13), als auch die haftungsausfüllende Kausalität (Zusammenhang zwischen Rechtsgutverletzung und Eintritt des Schadens (s ο Rn 13). Scheitert dieser kumulativ-dreiaktige Beweis (Kausalität, Verschulden und Schaden) auf einer Stufe, ist ein Schadensersatzanspruch ausgeschlossen, ohne daß etwa umgekehrt Zufall, höhere Gewalt oder Ungewißheit über die Ursache des Zusammenstoßes (§ 92a) positiv feststehen oder gar von dem Inanspruchgenommenen bewiesen werden müßte (§ 92a Rn 2). 65 Zur Beweisführung in Betracht kommen die allgemeinen Beweismittel der ZPO, also Augenschein (§§ 371ff ZPO), Zeuge (§§ 373ff ZPO), Sachverständiger (§§402ff ZPO), Urkunde (§§415ff ZPO) sowie die Parteivernehmung (§§445ff ZPO). Dabei steht im Kollisionsprozeß der Binnenschiffahrt der Urkundsbeweis im Vordergrund, da Schiffszusammenstöße idR - abgesehen von Havarien mit einem geringen Schalte 129

342

ZKRZfB 1999, SaS 173S. BGH VersR 1975, 639, 640; OLG KölnZfB 1992, SaS 1395.

Siebenter Abschnitt. Zusammenstoß von Schiffen, Bergung

§ 9 2 b BinSchG

densvolumen - durch ein vorangegangenes Verklarungsverfahren (§§ 11 bis 14) aufgeklärt werden. Im nachfolgenden Prozeß werden dann die dort erhobenen Beweise, insbesondere die Zeugenaussagen, urkundsbeweislich verwertet (§ 11 Rn 6). c) Nach dem Tatsachenvortrag beider Parteien sowie der Beweiserhebung über strei- 6 6 tige Behauptungen hat das Gericht unter Ausschöpfung des gesamten Prozeßstoffes nach freier Überzeugung zu entscheiden, ob es den zu beweisenden Havarieverlauf als erwiesen ansieht oder nicht ($ 286 Abs 1 ZPO). 130 Für den von dem Anspruchsteller zu führende Vollbeweis erforderlich, aber auch ausreichend ist ein für die praktische Anwendung brauchbarer Grad von Gewißheit. 131 Ein bestimmtes Havariegeschehen muß also einen so hohen Grad von Wahrscheinlichkeit haben, daß er Zweifeln Schweigen gebietet, ohne sie völlig ausschließen zu müssen. 132 Dabei kommt - wie bei der „Beifahrerrechtsprechung" des BGH im Straßenverkehrsrecht 133 - eine pauschale Abwertung der Aussagen von unfallbeteiligten Besatzungsmitgliedern eines Schiffes nicht in Betracht; erforderlich ist vielmehr stets eine individuelle Würdigung der einzelnen Zeugenaussage. 134 Eine Beweiserleichterung kommt für den Geschädigten nur bei dem Nachweis sei- 6 7 ner Schadenshöhe unter der Voraussetzung von § 287 ZPO in Betracht (Rn 20). Bei dem Nachweis der haftungsbegründenden Tatsachen (ursächliche und schuldhafte Rechtsgutverletzung) gibt es grundsätzlich weder Beweiserleichterungen, noch Beweisvermutungen. Ebensowenig bestehen im Binnenschiffahrtsrecht bestimmte, die freie richterliche Be weis Würdigung ausschließende gesetzliche Beweisregeln (§ 286 Abs 2 ZPO).

7.

Anscheinsbeweis

a) Da ein Schiffsunfall auf dem Wasser keine Spuren hinterläßt und auch iü bei Hava- 6 8 rien häufig Beweisschwierigkeiten auftreten, die dem Geschädigten den Vollbeweis verunmöglichen, läßt die Rspr es zur Vermeidung unbilliger Ergebnisse bei bestimmten Havariekonstellationen zu, daß dem Anspruchsteller ein sog Anscheinsbeweis (Prima-facie-Beweis) 135 zugute kommt. Diesem Anscheinsbeweis kommt im Kollisionsprozeß der Binnenschiffahrt eine nicht unerhebliche Rolle zu. 136

130 131 132 133 134

135 136

BGH VersR 1960, 656, 657; BGH ZfB 1965, 330. Vgl BGH NJW 1993, 935. Vgl BGH NJW 2000, 953; BGH NJW 1992, 39; BGHZ 53, 245, 256. BGH NJW 1995, 955, 956; 1988, 566. BGH ZfB 1979, 55; BGH VersR 1974, 1196; OLG Köln Hamburger Seerechts-Report 2007, 53, 54; OLG Köln ZfB 1 9 8 5 , 4 9 ; Ζ KR ZfB 1999, SaS 1 7 3 6 , 1 9 9 2 , SaS 1388 unter (stillschweigender) Aufgabe der früheren „Blockbeweiswürdigung" (ZKR ZfB 1981,167; 1980,374). Begr IueZB, BT-Drs 6/2432, 5. OLG Köln VersR 1971, 904; grundlegend Vortisch ZfB 1953, 16 sowie ZKR ZfB 1976, 366: „Von einem Beweis des ersten Anscheins kann nur dann gesprochen werden, wenn ein feststehender Sachverhalt unter normalen Umständen nur bestimmte Schlüsse entweder auf seine Ursache oder auf seine Folgen

343

BinSchG $ 92b

Haftung des Schiffseigners für Verschulden der Schiffsbesatzung

69 b) Der Anscheinsbeweis ist kein besonderes Beweismittel, sondern vielmehr ein schlußfolgerndes Element der Beweiswürdigung ($ 286 ZPO) selbst. Im Vordergrund stellt dabei der konsequente Einsatz der allgemeinen Lebenserfahrung durch den Richter, insbesondere auf der Basis des beim Schiffahrtsgericht angesammelten Erfahrungswissens (§ 1 BinSchVerfG Rn 1). Der Anscheinsbeweis führt nicht zu einer Beweislastumkehr 137 oder auch nur zu einer generellen Beweismaßsenkung. Vielmehr eröffnet er als mittelbares Beweismittel in bestimmten Fallkonstellationen (s dazu Rn 76) für den Anspruchsteller die Chance, daß das Gericht durch den Anscheinsbeweis den Vollbeweis als geführt ansieht, obwohl ein oder mehrere Glieder in der Beweiskette von dem Geschädigten en detail nicht nachgewiesen werden konnten. Als Teil der Beweiswürdigung ist der Anscheinsbeweis prozeßrechtlicher Natur und beurteilt sich somit nach der lex fori.13,8 70 c) Voraussetzung für den Anscheinsbeweis ist, daß bestimmte Anknüpfungstatsachen unstreitig sind oder bewiesen werden,139 die auf einen typischen Geschehensablauf schließen lassen. Es muß sich also um einen sich aus der Lebenserfahrung ergebenden Vorgang handeln, durch dessen Typizität es sich erübrigt, die tatsächlichen Einzelumstände eines bestimmten chronologischen Geschehens nachzuweisen. Der Anknüpfungssachverhalt als solcher, der die Schlußfolgerung zugunsten des Anspruchstellers ermöglichen soll, muß indes streng bewiesen werden. 71 Gelingt dem Geschädigten der Nachweis der Typizität des klagbegründenden Sachverhalts, obliegt es dem Anspruchsgegner, diesen Anschein dadurch zu entkräften, daß er darlegt und nötigenfalls beweist, daß die reale Möglichkeit besteht, daß ein atypischer Sachverhalt vorliegt. Nicht ausreichend ist der bloße Hinweis auf einen Geschehensablauf, nach dem die Havarie eine andere als die anscheinsbeweisgegenständliche Ursache haben kann. 140 Für eine Erschütterung des Anscheinsbeweises erforderlich ist vielmehr, daß diese andere Ursache ernsthaft in Betracht kommt. 141 Die Darlegung eines hypothetischen Havarieverlaufs ist zur Entkräftung eines Anscheinsbeweises nicht geeignet. 142 Andererseits ist der positive Nachweis eines atypischen Kausalverlaufs nicht erforderlich.143

137

138 139 140 141 142 143

344

zuläßt, während andere Schlußfolgerungen nur unter außergewöhnlichen Umständen möglich erscheinen. In einem solchen Fall muß diejenige Partei, die sich auf solche außergewöhnlichen Umstände beruft, diese darlegen und - falls sie bestritten werden - beweisen. Mißlingt diese Darlegung oder dieser Beweis, so ist von einem normalen Geschehensablauf auszugehen." OLG Köln ZfB 2000, SaS 1778; OLG Karlsruhe Beschl ν 27.11. 2006 (Az 22 U 2/06 BSch); aA OLG Oldenburg VersR 2006,1566, 1567, wo rechtsirrig für den ICollisionsprozeß in der Binnenschiffahrt eine nicht näher erläuterte Beweislastumkehr zugrundegelegt wird. BGH NJW 1985, 554. BGH NJW 1982,2448. BGH NJW 1978,2032; 1972, 1131. BGH ZfB 1985, 262 („ernstliche Zweifel" an den Anknüpfungstatsachen, vgl dazu den 2001 eingeführten und später wieder aufgehobenen § 292a BGB). BGH ZfB 1967,181. OLG Karlsruhe ZfB 1994, SaS 1500; ZKR ZfB 1997, SaS 1663.

Siebenter Abschnitt. Zusammenstoß von Schiffen, Bergung

§ 9 2 b BinSchG

Kann der Anspruchsgegner die ernsthafte Möglichkeit eines atypischen Havariever- 7 2 laufs 1 4 4 nachweisen, ist der beweisbelastete Anspruchsteller um den Vorteil des Anscheinsbeweises beraubt 1 4 5 und muß jedes Glied in seiner Beweiskette ie beweisen, 1 4 6 was in vielen Havariekonstellationen der Binnenschiffahrt (s u Rn 76) nicht selten unmöglich ist, so daß eine solche Schadensersatzklage wegen Beweisfälligkeit (sog non liquet) abzuweisen ist (§ 92a Alt 3). d) Der Anknüpfungssachverhalt, der einen Anscheinsbeweis ermöglichen soll, muß 73 in seiner Gesamtheit bewiesen werden. Zusammenhanglose Sachverhaltsteile eines Gesamtgeschehens erlauben keine Schlußfolgerungen zu Lasten des Anspruchsgegners. Umgekehrt ist ein Anscheinsbeweis, der den Schluß auf mehrere schuldhafte Sorgfaltspflichtverstöße der Schiffsbesatzung zuläßt, erst dann wirksam entkräftet, wenn alle typischerweise in Betracht kommenden Ursachen durch den Anspruchsgegner erschüttert sind. 1 4 7 Kommen zwei typische Havarieverläufe in Betracht, würde der Anspruchsgegner 7 4 aber nur für einen von ihnen haften, scheidet ein Anscheinsbeweis aus. 148 Dagegen gelten die Grundsätze über den Anscheinsbeweis auch für das gem § 92c oder § 254 BGB festzustellende Mitverschulden 1 4 9 (§ 92 Rn lOff). Die größere Wahrscheinlichkeit eines der möglichen Sachverhalte allein genügt nicht. Ebensowenig ist der Anscheinsbeweis anwendbar, wenn der Anspruchsgegner trotz eines an sich typischen Kerngeschehens Umstände dargelegt und beweist werden können, die gegen eine Typizität der Kollision sprechen. 1 5 0 e) Mißlingt der Anscheinsbeweis, so können gleichwohl zu seiner Begr vorgebrachte 75 Erfahrungssätze als Beweisanzeichen iRd Be weis Würdigung berücksichtigt werden (§ 286 ZPO). 151 Insoweit ist aber Zurückhaltung geboten. Maßgebend sind jeweils die Umstände des Einzelfalls, deren Darlegung und Beweis nicht durch abstrakte Beweisregeln ersetzt werden können. Ebensowenig können diese Umstände wegen ihres Herrührens aus bestimmbaren Risikosphären - in einem fließenden Übergang zu der in der Binnenschiffahrt nicht zulässigen Gefährdungshaftung (§ 92a Rn 14ff) unterstellt werden. f) Einzelfälle des Anscheinsbeweises: 152 144 145 146 147 148 149 150 151 152

76

OLG Köln ZfB 2000, 177S. OLG Köln Urt V 6. 6. 1990 (Az 13 U 280/89). BGHZ 6,169. BGH ZfB 1985, 2S2 mwN. Vgl OLG Hamm VersR 2000, 56. OLG Karlsruhe ZfB 2003, SaS 1SS8, 1889. Vgl BGH NJW 1996, 1828. BGH NJW 1961, 777. IS einer zusammenfassenden Übersicht wurden auch Tatbestände jenseits von %% 92 bis 92f (Schiffszusammenstoß) erfaßt; in diesen Fällen ergibt sich die - ggf durch Anscheinsbeweis - zu beweisende Haftung des Schiffseigners aus % 3 Abs 1; angeführt sind auch Fälle, in denen die Gerichte einen Anscheins-

345

BinSchG $ 92b

Haftung des Schiffseigners für Verschulden der Schiffsbesatzung

Abladung, zu tiefe

BGH VersR 1980,65 = ZfB 1980, 20; BGH VersR 1980,1045 = ZfB 1980, 371

Abreißen eines Schlauches im Zuge einer Vorbeifahrt Abreißen eines Stilliegers

OLG Köln ZfB 1993, SaS 1442 BGH VersR 1969,1090; OLG Karlsruhe ZfB 1993, SaS 1427

Absenken des Anlegers einer Containerbrücke

OLG Hamburg VersR 1 9 7 6 , 7 5 2

Absenken eines anderen Schiffes mit nachfolgender Grundberührung

BGH VersR 1980, 327

Abtreiben eines ankernden Schiffes

OLG Köln Urt ν 1 0 . 4 . 1 9 7 0 (Az 3 U 196/69)

Abtreiben eines Stilliegers

BGH VersR 1971, 856 = ZfB 1971, 336; BGH LM § 92b BinSchG Nr 1; BGH ZfB 1961,283; OLG Köln ZfB 2000, SaS 1778 = TranspR 2001, 405

ADNR-Verstoß

OLG Köln ZfB 2000, SaS 1780; OLG Karlsruhe ZfB 1998, SaS 1703 = TranspR 1999, 307 = VersR 1999,473

Alkoholbeeinflussung

BGH ZfB 1967,147; OLG Köln ZfB 1990, SaS 1280; OLG Hamburg TranspR 2000, 82, 84

Anfahren eines an erlaubterstelle liegenden Ankerdöppers

ZKR ZfB 1994, SaS 1460

Anfahren eines Brückenpfeilers

ZKRZfB 1997, SaS 1663,1664

Anfahren eines Schleusentores

OLG Hamm VersR 2 0 0 0 , 4 7 6 = ZfB 2000, SaS 1767; OLG Karlsruhe ZfB 1998, SaS 1710 = VersR 1999, 257 = NZV1998,411; OLG Karlsruhe ZfB 1995, SaS 1551; OLG Hamburg VersR 1962, 949

Anfahren eines ordnungsgemäß gesicherten Stilliegers

BGH VersR 1982,491; 1957, 312; 1955, 640; BGH MDR 1966, 578; OLG Köln ZfB 1987, SaS 1178; ZKR ZfB 1984,181; KG VersR 1976, 463

beweis geprüft, dann aber abgelehnt haben; vgl iü die Beispiele bei Baumgärtel/Korioth Beweislast, $$ 92 bis 92f Rn 14ff und Bcmm/v. Waldstein RheinSchPV Einf Rn 120 sowie die dortigen jeweiligen Beweisrubriken, insbesondere zu SS 1 . 0 4 , 1 . 0 8 , 6 . 0 3 , 6 . 0 4 und 6.28.

346

Siebenter Abschnitt. Zusammenstoß von Schiffen, Bergung

Anfahren eines nicht ordnungsgemäß gesicherten Stilliegers

BGH ZfB 1982,359

Anfahren eines unbeleuchteten Stilliegers

BGH LM Nr 1 zu § 92b

§ 9 2 b BinSchG

Anfahren eines vorausfahrenden Schiffes OLG Karlsruhe VersR 2 0 0 4 , 1 4 3 8 , 1 4 3 9 ; OLG Köln VersR 1 9 7 9 , 4 3 9 , 4 4 0 ; 1978, 344; 1971, 904; krit Rabe SeeHR, § 735 HGB Rn 36 Anfahren eines in der Schleuse befindlichen Schiffes

BGH VersR 1976,485; 1973, 541

Anfahren einer Steigeranlage

ZKRZfB 2001, SaS 1831

Anfahren eines Dalben

BGH ZfB 1979,56; BGH VersR 1977, 637

Anfahren einer verankerten Tonne

ZKR ZfB 2001, SaS 1828; ZfB 1985,107

Anfahren eines Paddelbootes

OLG Köln ZfB 1988, SaS 1223

Anker, nicht ordnungsgemäß gesetzter

BGH VersR 1982,491 = ZfB 1982,359

Anker, Schleifenlassen der

BGH ZfB 1988, SaS 1234; ZKRZfB 1995, SaS 560

Anker, Verlust der

BGH VersR 1969,441; 1962, 751; ZKR ZfB 1984,471

Ankergeschirr, Bruch des Ankerlicht, fehlendes

BGH VersR 1976, 247 BGH VersR 1966,466 u 484

Ankermanöver, leichte Berührung eines anderen Schiffes bei

ZKRZfB 1979,499

Ankerplatz, nicht rechtzeitiges Aufsuchen des

BGH VersR 1955, 614

Ankerwerfen, Beschädigung eines Unterwasserkabels beim

OLG Bremen Hansa 1969, 785

Ankerdöpper, Überfahren von ordnungsgemäßem

ZKR ZfB 1994, SaS 1460

Aufdrehen des Talfahrers

BGH VersR 1964,1290

Auffahren auf stilliegendes Schiff

OLG Köln ZfB 1993, SaS 1446

Auffahren auf vorausfahrendes Schiff

OLG Karlsruhe VersR 2 0 0 4 , 1 4 3 8 , 1 4 3 9 ; OLG Köln VersR 1 9 7 9 , 4 3 9 , 4 4 0 ; 1978, 344; 347

BinSchG $ 92b

Haftung des Schiffseigners für Verschulden der Schiffsbesatzung

1971, 904; krit. Rabe SeeHR § 735 HGB Rn 36 A usguck, fehlender

Ausscheren eines Leichters hei Begegnung Autopilotanlage, Ausfall der Badeunfall, Alleinverschulden des Motorbootführers hei Kollision mit Schwimmer Begegnungskollision

BGH VersR 1972,170; OLG Karlsruhe ZfB 1992, SaS 1383; OLG Hamburg VersR 1974, 1200,1202; OLG Bremen VersR 1973, 226, 228 BGHZ 6 , 1 6 9 OLG Köln ZfB 1994, SaS 1498; 1993, SaS 1418; s iü Ruderanlage

OLG München RuS 2000,415 BGH VersR 1964, 713; 1961, 317; 1955, 353; OLG Nürnberg ZfB 2002, SaS 1883

Begegnung in engem Fahrwasser, Leckage nach

OLG Köln ZfB 1996, SaS 1605

Bruch des Koppeldrahts innerhalb Schubverband

OLG Karlsruhe ZfB 1999, SaS 1744,1745

Brückenpfeiler, Anfahrungeines

ZKRZfB 1997, SaS 1663,1664

Dalben, Anfahrung eines

BGH ZfB 1979, 56; BGH VersR 1977, 637

Draht- oder Leinenbruch mit Schädigung eines an Land befindlichen Dritten

OLG Karlsruhe ZfB 1993, SaS 1427

Drahtwinde, Abstoppen eines Schubverbandes in Schleuse scheitert wegen Versagens der

OLG Karlsruhe NZV 1993, 225

Explosion eines Sportbootes

Explosion eines Tankschiffs nach ADNR-Verstoß

BGH VersR 2 0 0 6 , 9 3 1 = MDR 2 0 0 6 , 1 2 2 4 = NJW-RR 2 0 0 6 , 1 0 9 8 = BGHReport 2006, 1024 OLG Karlsruhe ZfB 1998, SaS 1703 = TranspR 1999, 307 = VersR 1999,473; OLG Köln ZfB 2000, SaS 1780

Fahrrinne, Grundberührung in Festfahrung 348

OLG Köln ZfB 1996, SaS 1572,1573 BGH VersR 1980,1045

Siebenter Abschnitt. Zusammenstoß von Schiffen, Bergung

Festmachedrähte, zu großer Bewegungsspielraum der Fischsterben, Ölunfall als Ursache für

Fortsetzung der Fahrt bei unsichtigem Wetter

Gewässerverunreinigung, Ölfläche neben Schiff als Indiz für

§ 9 2 b BinSchG

OLG Köln ZfB 1993, SaS 1442 mit Korrekturhinweis ebd SaS 1450 unten OLG Karlsruhe TranspR 2003, 248, 250 = VersR 2004,133 = ZfB 2003, SaS 1886 = OLGR 2003,160 BGH ZfB 1986,131; 1989, SaS 1255; BGH VersR 1991,1257; 1989,608; 1986,546;ZKRZfB 2000, SaS 1794; 1998, SaS 1671,1672; OLG Karlsruhe ZfB 1992,SaS 1283;OLG Köln VersR 2001,739, 740; OLG Köln ZfB 1992, SaS 1355,1356 OLG Karlsruhe ZfB 1979, 295, 296

Grundberührung

BGH VersR 1980, 327 = ZfB 1 9 8 0 , 1 6 7 , 1 6 8 ; OLG Köln ZfB 1996, SaS 1572,1573; OLG Nürnberg Urt ν 2 3 . 9 . 1 9 9 3 (Az 8 U 3823/92 BSch) sowie Urt ν 3 . 6 . 1 9 7 6 (Az 8 U 233/74 BSch)

Hafen, Einlaufen in einen

OLG Köln ZfB 1992, SaS 1355,1356

Hafen, Wassereinbruch während Liegezeit in

OLG Köln ZfB 1996, SaS 1614

Handruder, rechtzeitiges Umschalten auf

ZKRZfB 1978,475; OLG Köln ZfB 1993, SaS 1436

Hellingen, unsachgemäßes

BGH VersR 1971, 341

Hypothetischer Havarieverlauf

BGH ZfB 1968,151

Kentern eines Schiffes

BGHMDR 1973,1004

Kleinfahrzeug, Mißachtung der Ausweichpflicht gegenüber Großschiffahrt

BGH ZfB 1989, SaS 1252

Kollision im Fahrweg der Bergfahrt

ZKRZfB 1993, SaS 1053

Koppeldraht, Bruch desK. innerhalb Schubverband

OLG Karlsruhe ZfB 1999, SaS 1744,1745

Kreuzende Kurse

BGH VersR 1975,639; 1969, 323; 1968, 550 349

BinSchG $ 92b

Haftung des Schiffseigners für Verschulden der Schiffsbesatzung

Kühlwasserverlust vor Schiffsbrand

OLG Naumburg OLGR 2005, 741

Kursänderung bei Überholvorgang

BGH VersR 1970,948; ZKR ZfB 1997, SaS 1636,1637; OLG Köln Urt ν 29. 6 . 1 9 7 3 (Az 3 U 204/72)

Kursfehler

BGH VersR 1974, 713; 1965, 560; 1961, 317; 1955, 353; OLG Hamburg VersR 1959, 849

Kursweisung, fehlende

BGH VersR 1969,277

Leckage nach Begegnen in engem Fahrwasser

OLG Köln ZfB 1996, SaS 1609

Leckage während Hafenliegezeit

OLG Köln ZfB 1996, SaS 1614

Lichterführung, unzureichende

BGH ZfB 1966, 21; BGH VersR 1961, 79

Lüftung, mangelnde L. eines Tankschiff-Pumpenraums

OLG Karlsruhe ZfB 1998, SaS 1703

Mitverschulden, Grad des

OLG Köln ZfB 1992, SaS 1355, 1356

Nebel, Fortsetzung der Nichtradarfahrt bei

BGH VersR 1991,1257; 1989, 608; 1986, 546; BGH ZfB 1986,131; 1989, SaS 1255; ZKR ZfB 2000, SaS 1794; 1998, SaS 1671,1672; OLG Karlsruhe ZfB 1992, SaS 1283; OLG Köln VersR 2001, 739, 740; OLG Köln ZfB 1992, SaS 1355, 1356

Notruder, zu spätes Betätigen des

BGH ZfB 1985, 261; OLG Köln ZfB 1997, SaS 1623,1624

Ölfläche neben Schiff

OLG Karlsruhe ZfB 1979, 295, 296

Ölunfall als Anspruchsgrund für Fischereiberechtigten

Ölunfall eines Tankschiffs beim Umschlag an Ladestelle

OLG Karlsruhe TranspR 2 0 0 3 , 2 4 8 , 2 5 0 = VersR 2004,133 = ZfB 2003, SaS 1886 = OLGR 2003,160 OLG Karlsruhe ZfB 1994, SaS 1500 u 1504

Paddelboot, Mißachtung der Ausweichpflicht gegenüber Großschiffahrt BGH ZfB 1989, SaS 1252; OLG Köln ZfB 1988, SaS 1223 Propeller, Verfangen einer Tonnenkette in 350

ZKR ZfB 2001, SaS 1828,1830

Siebenter Abschnitt. Zusammenstoß von Schiffen, Bergung

§ 9 2 b BinSchG

Radarfahrt

BGH VersR 1974,466; 1965, 757; OLG Karlsruhe ZfB 1992, SaS 1383

Radarzeugnis, fehlendes

BGH ZfB 1989, SaS 1256; BGH VersR 1986, 546; 1974,158; 1969,181; OLG Karlsruhe ZfB 2002, SaS 1865,1866

Rheinschifferpatent, fehlendes

BGH VersR 1965, 778

Ruderanlage, Versagen der

BGH VersR 1982,400; ZKRZfB 2001 SaS 1822; 1978,475; OLG Köln ZfB 2001, SaS 1839; 1997, SaS 1623; 1994, SaS 1498; 1993, SaS 1418 u 1436; 1991, SaS 1313; OLG Karlsruhe ZfB 2001, SaS 1831; OLG Karlsruhe Beschl ν 27.11. 2006 (Az 22 U 2/ 06 BSch), Urt ν 1 1 . 1 1 . 1 9 9 7 (AzU2/ 97 RhSch), Urt ν 22.10.1991(AzU10/90RhSch) sowieUrtv27. 7.1982(AzU4/81RhSch)

Ruderanlage, fehlerhafte Reparatur der

OLG Köln ZfB 1987, SaS 1178

Ruderanlage, unterlassene Probefahrt nach Reparatur der

ZKRZfB 2001, SaS 1831

Schallzeichen, unterlassene

BGH VersR 1982,1138; 1971,437; BGH ZfB 1981,99,100

Schiffsberührung

ZKRZfB 1979,499

Schiffskollision infolge Verkettung 'widriger Umstände

ZKRZfB 1997, SaS 1636

Schiffsbrand, Kühlwasserverlust vor

OLG Naumburg OLGR 2005, 741

Schleifenlassen von Anker, Trossen oder ZKR ZfB 1995, SaS 1560 = VersR 1997,135; Ketten BGH ZfB 1988, SaS 1234 Schleuse, Anfahren der

OLG Hamm VersR 2 0 0 0 , 4 7 6 = ZfB 2000, SaS 1767; OLG Karlsruhe ZfB 1998, SaS 1710 = VersR 1999, 257 = NZV 1998,411; OLG Karlsruhe ZfB 1995, SaS 1551; OLG Karlsruhe NZV 1993, 225; OLG Hamburg VersR 1962, 949

Schubleichter, Ausscheren eines

Β GHZ 6 , 1 6 9

Schübverband, Abstoppen in Schleuse mißlingt wegen Versagens der Drahtwinde

OLG Karlsruhe NZV 1993,225 351

BinSchG $ 92b

Haftung des Schiffseigners für Verschulden der Schiffsbesatzung

Schubverband, Bruch des Koppeldrahts innerhalb

OLG Karlsruhe ZfB 1999, SaS 1744,1745

Schubverband, Schäden innerhalb des

OLG Köln ZfB 1996, SaS 1572; ZKRZfB 1998, SaS 1700,1701 = VersR 1999, 598

Schubverband, Vorbeifahrt eines

OLG Nürnberg ZfB 2003, SaS 1883

Schutzgesetze, Verstöße gegen

BGH VersR 1 9 6 9 , 1 8 1 , 1 8 2 ; 1961, 79; 1958, 297, 298; OLG Hamburg VersR 1 9 7 3 , 5 4 2 , 5 4 3

Schwimmer, Überfahren eines Schw. durch Motorboot

OLG München RuS 2000,415

Sogwirkung

BGH VersR 1970, 35

Spierentonne, Abriß einer

ZKRZfB 2001, SaS 1828,1830

Sportboot, Explosion eines

BGH VersR 2 0 0 6 , 9 3 1 = MDR 2 0 0 6 , 1 2 2 4 = NJW-RR 2 0 0 6 , 1 0 9 8 = BGHReport 2 0 0 6 , 1 0 2 4

Sportboote, Kollision von

OLG Köln ZfB 1987, SaS 1178

Ständige Übung

BGH VersR 1957,297

Steigeranlage, Anfahren einer

ZKRZfB 2001, SaS 1831

Stillieger, Abreißen eines

BGH VersR 1969,1090; OLG Karlsruhe ZfB 1993, SaS 1427

Stillieger, Abtreiben eines

BGH VersR 1971, 856 = ZfB 1971, 336; BGH LM § 92b BinSchG Nr 1; BGH ZfB 1961,283; OLG Köln ZfB 2000, SaS 1778

Stillieger, Anfahren eines ordnungsgemäß gesicherten

BGH VersR 1982,491; 1957, 312; 1955, 640; BGH MDR 1966, 578; KG VersR 1976,463

Stillieger, Anfahren eines nicht ordnungsgemäß gesicherten

BGH ZfB 1982, 359

Stillieger, Anfahren eines unbeleuchteten

BGH LM Nr 1 zu § 92b

Stillieger, Auffahren auf

OLG Köln ZfB 1993, SaS 1446

Stillieger, Verfallen von

ZKR ZfB 1993, SaS 1448; OLG Köln ZfB 2000, SaS 1778

Stillieger, Vorbeifahrt an

BGH ZfB 1990, SaS 1292; BGH VersR 1969, 1090; MIC ZfB 1997, SaS 1622; OLG Karlsruhe

352

Siebenter Abschnitt. Zusammenstoß von Schiffen, Bergung

§ 9 2 b BinSchG

Urt ν 25. 7 . 1 9 9 5 (Az U 2/95 BSch) sowie NZV 1993, 312 = ZfB 1993, SaS 1327; OLG Köln ZfB 1982,402 Stillieger, Wassereinbruch bei

OLG Köln ZfB 1996, SaS 1614

Strömungsänderung, überraschende S. vor Brückenpfeiler

ZKRZfB 1997, SaS 1663,1664

Talfahrer, Abweichen von gewiesenem Kurs

OLG Köln ZfB 1988, SaS 1234,1235

Talfahrer, Aufdrehen des

BGH VersR 1964,1290

Talfahrer, Havarie des T. im Fahrwasser ZKR ZfB 1993, SaS 1052 = recte 1413 der Bergfahrt Tankschiff-Pumpenraum, mangelnde Lüftung des

OLG Karlsruhe ZfB 1998, SaS 1703

Tonne, Abfahren einer

ZKRZfB 2001, SaS 1828,1830; 1985,107, 108

Überhöhte Geschwindigkeit

BGH VersR 1980, 327, 328 = ZfB 1980,167; OLG Karlsruhe ZfB 1992, SaS 1383

Überholmanöver

Umsteuerversager

Unsichtiges Wetter, Fortsetzung der Fahrt bei

BGH VersR 1970,948; 1969,1091 = ZfB 1969, 503; BGH VersR 1957,194 = ZfB 1957,189; BGH ZfB 1962,187; 1961,171; 1960,28; BGH NJW 1 9 6 0 , 1 4 5 2 OLG Hamm OLGR 2000,113; OLG Karlsruhe ZfB 1998, SaS 1710,1711; 1995, SaS 1551; OLG Köln ZfB 1987, SaS 1178 BGH VersR 1991,1257; 1989, 608; 1986, 546; BGH ZfB 1989, SaS 1255; 1986,131; ZKRZfB 2000, SaS 1794; 1998, SaS 1671,1672; OLG Karlsruhe ZfB 1992, SaS 1283; OLG Köln VersR 2001, 739, 740; OLG Köln ZfB 1992, SaS 1355, 1356

Unterbemannung

OLG Köln Urt ν 15. 5 . 1 9 5 2 (Az 3 U 49/51)

Verbotswidriges Befahren einer Stromenge

BGH VersR 1962,130 = ZfB 1962,133

Verfallen von Stilliegen

ZKR ZfB 1993, SaS 1448; OLG Köln ZfB 2000, SaS 1778 353

BinSchG s 92c

Mitverschulden

Verholen

BGH VersR 1966, 59 = ZfB 1966, 357

Verladeanlage, Anfahren einer

BGH VersR 1970,35

Versagen von Schiffseinrichtungen

BGH VersR 1970,35; 1961,317

Verschleppen eines manövrierunfähigen Schiffes ZKR ZfB 1985,199 Vorbeifahrt an Stilliegern Vorbeifahrt eines Schubverbandes im Zusammenhang mit Sportboothavarie

BGH ZfB 1990, SaS 1292; BGH VersR 1969, 1090; MIC ZfB 1997, SaS 1622 OLG Nürnberg ZfB 2003, SaS 1883

Vorausfahrendes Schiff, Anfahren eines

OLG Karlsruhe VersR 2 0 0 4 , 1 4 3 8 , 1 4 3 9 ; OLG Köln VersR 1 9 7 9 , 4 3 9 , 4 4 0 ; 1978, 344; 1971, 904; krit Rabe SeeHR, § 735 HGB Rn 36

Wassereinbruch bei einem Stillieger

OLG Köln ZfB 1996, SaS 1614

Wendemanöver

BGH VersR 1967,36 = ZfB 1967,143

Zusammenhang zwischen falscher Fahrweise des einen und Kentern des anderen Schiffes

BGH MDR 1973,1004

$ 92c [Mitverschulden] (1) Ist der Schaden durch gemeinsames Verschulden der Besatzungen der beteiligten Schiffe herbeigeführt, so sind die Eigner dieser Schiffe zum Ersatz des Schadens, der den Schiffen oder den an Bord befindlichen Sachen zugefügt wird, nach dem Verhältnis der Schwere des auf jeder Seite obwaltenden Verschuldens verpflichtet. Kann nach den Umständen ein solches Verhältnis nicht festgesetzt werden oder erscheint das auf jeder Seite obwaltende Verschulden als gleich schwer, so sind die Schiffseigner zu gleichen Teilen ersatzpflichtig. (2) Für den Schaden, der durch die Tötung oder die Verletzung des Körpers oder der Gesundheit einer an Bord befindlichen Person entstanden ist, haften die Schiffseigner, wenn der Schaden durch gemeinsames Verschulden herbeigeführt ist, dem Verletzten als Gesamtschuldner. Im Verhältnis der Schiffseigner zueinander gelten auch für einen solchen Schaden die Vorschriften des Absatzes 1.

354

Siebenter Abschnitt. Zusammenstoß von Schiffen, Bergung

§ 92c BinSchG

Übersicht Rn 1. Allgemeines 2. Verhältnis $ 92c zu $ 254 BGB 3. Gemeinsames ursächliches Verschulden . . 4. H a f t u n g bei Sachschäden ($ 92c Abs 1) . . . 5. H a f t u n g bei Personenschäden (§ 92c Abs 2) 6. Beweislast u n d Prozessuales 7. Einzelfälle des Mitverschuldens

1.

1 2-9 10-13 14-22 23-27 28-31 32

Allgemeines

Z u r E i n f ü g u n g der §§ 92 bis 92f in das BinSchG vgl § 92 Rn 2ff. Z u m Anwendungs- 1 bereich von § 92c auf unmittelbare (§ 92 Abs 1) u n d mittelbare Schiffszusammenstöße (Fernschädigung, § 92 Abs 2) vgl § 92 Rn 5ff, 13ff. § 92c ist wie sein seerechtliches Pendant, § 736 HGB, lex specialis zu § 254 Abs 1 BGB 1 (Rn 2ff). Bei einem gemeinsam e n ursächlichen Verschulden von mindestens zwei Schiffsbesatzungen (Rn lOff) an einer einzigen Kollision (Rn 12ff) h a f t e n die jeweiligen Schiffseigner dem Geschädigten bei Sachschäden ($ 92c Abs 1) n u r pro rata als Einzel- oder Teilschuldner (§ 420 BGB), während bei Personenschäden (§ 92c Abs 2) die Schiffseigner als Gesamtschuldner (§§ 4 2 6 , 8 3 0 , 8 4 0 BGB) f ü r den Schaden a u f z u k o m m e n haben.

2.

Verhältnis von § 92c zu § 254 BGB

a) Nach herrschender Ansicht ist § 92c gegenüber § 254 Abs 1 BGB lex specialis,2 wobei 2 der Anwendungsbereich des § 92c f ü r Schiffskollisionen partiell weiter ist: § 254 Abs 1 BGB regelt das Verhältnis zwischen den jedenfalls mitschuldigen Geschädigten u n d dem oder den Schädigern, wobei dem Geschädigten der Vorwurf des Verschuldens gegen sich selbst 3 gemacht wird. § 92c erfaßt darüber hinaus auch die Fälle, bei denen nach einer Schiffskollision (§ 92) ein gänzlich unschuldiger Geschädigter mehrere schuldhaft h a n d e l n d e Schädiger auf Sachschaden (§ 92c Abs 1, H a f t u n g pro rata, Kollision zwischen mindestens drei Schiffen) oder auf Personenschaden ($ 92c Abs 2, gesamtschuldnerische H a f t u n g , Kollision von zwei Schiffen ausreichend) in Anspruch n i m m t . b) § 92c ist nicht anwendbar, w e n n zwischen dem Verschulden einer oder mehrerer 3 Schiffsbesatzungen einerseits u n d dem Verschulden eines Dritten (Schleusenver-

1

2 3

RGZ 78, 167; BGH VersR 1959, 504, 50S = ZfB 1959, 337, 338; das übersieht OLG Köln Hamburger Seerechts-Report 2007, 3, 4, das $ 92c trotz Vorliegen einer Schiffskollision unberücksichtigt läßt und unmittelbar $ 254 BGB anwendet. RGZ 78, 167; BGH VersR 1959, 504, 506 = ZfB 1959, 337, 338. Vgl BGH NJW 1997, 2234 mwN; OLG Karlsruhe ZfB 2002, SaS 1855, 185S; OLG Köln ZfB 1997, SaS 1S47, 1648.

355

BinSchG $ 92c

Mitverschulden

waltung, 4 Betreiber einer Lade- und Löscheinrichtung, Träger einer landseitigen Verkehrssicherungspflicht, Passagier an Bord eines Fahrgastschiffes, etc) abzuwägen ist. In diesem Fall ist nur § 254 Abs 1 BGB anzuwenden. 4 c) Weiter ist zu berücksichtigen, daß die Mitverschuldensquotelung des § 92c nur im Verhältnis zwischen (mindestens) zwei Schiffsbesatzungen in Betracht kommt. Geht es darum, ein Verschulden des Schiffseigner, etwa einen Ausrüstungsmangel seines Schiffes, ins Verhältnis zu setzen zu dem Verschulden der eigenen Schiffsbesatzung (§ 3 Abs 2), kommt auch insoweit ausschließlich § 254 Abs 1 BGB zur Anwendung.5 5 d) Ist § 92c anwendbar, kommt im Gegensatz zu § 254 BGB eine Absorbierung eines leichteren Mitverschuldens des Geschädigten nicht in Betracht. Vielmehr sind auch solche geringeren schuldhaften Verursachungsbeiträge quotal zu berücksichtigen. 6 6 e) Soweit es sich um Maßnahmen der Besatzung des geschädigten Schiffes vor oder während der Kollision handelt, verdrängt § 92c auch § 254 Abs 2 S 1 BGB, wobei iRd Mitverschuldensabwägung ein Verschulden bei Entstehung der Gefahrlage stets stärker zu berücksichtigen ist als ein Verschulden bei einer reagierenden Schadensabwendungsmaßnahme (Rn 20). 7 f) Nichts anderes gilt bei Maßnahmen nach der Kollision: Auch hier geht § 92c § 254 Abs 2 S 1 BGB vor. Denn im Gegensatz zu § 736 HGB, bei dem sich das gemeinsame Verschulden der Schiffsbesatzungen auf den „Zusammenstoß" beziehen muß, 7 knüpft § 92c an die „Herbeiführung" des Schadens iSv § 92b an, umfaßt also auch die haftungsausfüllende Seite. 8 g) Im Hinblick auf die adjektizische Haftung des Schiffseigners für schuldhaftes Handeln der Besatzung seines Schiffes (§ 3) und der ganz überwiegend deliktischen Natur von Schadensersatzansprüchen gem §§ 92ff kommt eine Anwendung des § 278 BGB im Rahmen des Mitverschuldens (§ 254 Abs 2 S 2 BGB) kaum in Betracht. Denkbar ist indes eine Haftung gem § 831 BGB für besatzungsfremde Dritte, also etwa Werften, Sachverständige, Rechtsanwälte, die von dem geschädigten Schiffseigner nach der Havarie beauftragt werden. Soweit diese Verrichtungsgehilfen gegen die Schadensminderungspflicht verstoßen, ist dies dem geschädigten Schiffseigner, sofern er sich nicht exkulpieren kann (§ 831 Abs 1 S 2 BGB), zuzurechnen. 9 h) Schließlich bestehen auch Unterschiede hinsichtlich der Beweislast: Während nach einhelliger Ansicht in Rspr und Lehre8 der Schädiger für jegliches Mitverschulden des Geschädigten gem § 254 BGB beweisbelastet ist, bringt es die Gesetzessystematik von §§ 92b, 92c (vgl auch § 92d: „bei der Anwendung der §§ 92b, 92c") 4 5 6 7 8

OLG Hamburg OLG 39, 166. Rahe SeeHR § 736 HGB Rn 5. BGH MDR 1959, 913 = Z f B 1959, 4 1 5 , 4 1 6 ; BGH VersR 1959, 504; RGZ 78, 167; 94, 93. Rahe SeeHR § 736 HGB Rn 6. Palandt/Heinrichs BGB $ 254 Rn 74 mwN.

356

Siebenter Abschnitt. Zusammenstoß von Schiffen, Bergung

§ 92c BinSchG

mit sich, daß der Geschädigte, der uneingeschränkten Schadensersatz begehrt, zunächst gem § 92b den - möglicherweise durch Anscheinsbeweis erleichterten (s § 92b Rn68ff) - Vollbeweis eines hundertprozentigen Verschuldens des Schädigers zu führen hat. Ergibt die Beweisaufnahme oder eine urkundsbeweisliche Verwertung der Verklarungsakten gem §§ 415ff ZPO (§ 11 Rn 6) ein Mitverschulden des Geschädigten oder eines Zweit- oder Drittschädigers, ist dieses quotal iRd § 92c selbst dann zu berücksichtigen, wenn es dazu an substantiiertem Vortrag des Erstschädigers fehlt und/oder Zweit- oder Drittschädiger (noch) nicht prozeßbeteiligt sind. 3.

Gemeinsames ursächliches Verschulden

a) Voraussetzung für die Anwendung von § 92c ist, daß mindestens zwei Schiffsbe- 10 Satzungen an der Verursachung eines einzigen Schiffszusammenstoßes (§ 92 Rn 5ff, 13ff) und des dadurch entstehenden Schadens beteiligt. Im Gegensatz zu § 736 HGB genügt somit nicht ein schuldhafter Ursachenbeitrag für die Kollision als solche, vielmehr muß sich iRd § 92c das gemeinsame Verschulden auch haftungsausfüllend auf den dadurch entstandenen „Schaden" (§ 92c) beziehen. Dabei gelten hinsichtlich des festzustellenden Mitverschuldens auch die Grundsätze über den Anscheinsbeweis9 (§ 92b Rn 68ff). b) Nicht erforderlich ist ein innerer Zusammenhang zwischen den einzelnen 11 Schuldbeiträgen oder gar eine gemeinschaftliche Begehung iSv § 830 BGB. Ausreichend für eine Quotelung nach § 92c ist beispielsweise, wenn ein Stillieger, der unzureichend beleuchtet ist, von einem fahrenden Binnenschiff angefahren wird und sich im Zuge der Beweiserhebung herausstellt, daß der Schiffsführer des fahrenden Schiffes bei sorgfaltsgemäßer optischer Auswertung des Reviers den Stillieger trotz dessen schlechter Beleuchtung hätte erkennen können und müssen.10 c) Die einzelnen schuldhaften Verursachungsbeiträge müssen sich auf eine einzige 11 Schiffskollision beziehen; erforderlich für die Anwendung von § 92c ist also ein raum-zeitliches Näheverhältnis zwischen den Tat- bzw Unterlassungsbeiträgen der einzelnen Schiffsbesatzungen und dem Schadensereignis selbst. Fehlt es daran, kommt eine Verschuldenszuordnung zwischen Erst- und Letztereignis nicht in Betracht: Schiff Α versenkt schuldhaft das mitschuldige Schiff B, neun Stunden später fährt das unaufmerksame Schiff C auf das unzureichend gesicherte Wrack B, eine Quotelung kommt hier jeweils nur gesondert im Verhältnis Α zu Β und Β zu C, nicht aber im Verhältnis Α zu C in Betracht (§ 92 Rn 14). Anders dagegen, wenn bei gleichzeitigem Überholen bzw Begegnen alle drei Schiffe 13 Α, Β und C schuldig sind. Hier muß eine Gesamtquotelung zwischen allen drei Hava-

9 10

OLG Karlsruhe ZfB 2003, SaS 1888, 1889. ZKR ZfB 1995, SaS 1549, 1550.

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BinSchG $ 92c

Mitverschulden

risten vorgenommen werden, 11 und zwar auch dann, wenn am Rechtsstreit eines der drei Schiffe nicht beteiligt sein sollte. 12 4.

Haftung bei Sachschäden (§ 92c Abs 1)

14 a) Bei Sachschäden (S 4 Abs 3) haftet grundsätzlich jeder Schiffseigner nur pro rata als Einzel- bzw Teilschuldner (S 420 BGB) auf die Quote, die dem Verschulden seiner Besatzung entspricht. 13 Auf diese Teilschuld haftet der Schiffseigner dem Geschädigten zusammen mit dem schuldhaft handelnden Besatzungsmitglied als Gesamtschuldner, 14 sofern nicht das Verschulden des Besatzungsmitglieds so gering ist, daß es nach § 254 Abs 1 BGB entfällt. 15 b) Bei zwei oder mehr „schuldigen Schiffen" haften die schuldhaft handelnden Besatzungsmitglieder der einzelnen Schiffe gegenüber dem Geschädigten als Gesamtschuldner, allerdings nur auf den Beitrag, der der geringsten Quote der gemeinsamen Haftung entspricht. 15 Ist also ein Verschulden des Schiffsführers Α von Schiff A in Höhe von 30%, des Schiffsführer Β von Schiff Β in Höhe von 70% bewiesen, hat der schuldlose Geschädigte C bei Sachschäden folgende Ansprüche (§ 92c Abs 1): aa) Schadensersatzanspruch gegen Schiffseigner Α in Höhe von 30% als adjektizischer Teilschuldner (§$ 92b, 92c). bb) Schadensersatzanspruch gegen Schiffseigner Β in Höhe von 70% als adjektizischer Teilschuldner (§$ 3,92b, 92c). cc) Keine gesamtschuldnerische Inanspruchnahme der Schiffseigner Α und B, auch nicht in Höhe von 30%. dd) Schadensersatzanspruch gegen Schiffsführer Α in Höhe von 30% als Teilschuldner (SS 7,92b, 92c). ee) Schadensersatzanspruch gegen Schiffsführer Β in Höhe von 70% als Teilschuldner (SS 7,92b, 92c). f f ) Gesamtschuldnerische Inanspruchnahme der Schiffsführer Α und Β in Höhe von 30%, während die überschießenden 70% allein bei Schiffsführer Β einzufordern sind (s ee). gg) Gesamtschuldnerische Inanspruchnahme von Schiffseigner Α und Schiffsführer A auf 30%. 11 12 13 14 15

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BGH VersR 1966, 752. BGH VersR 1968, 346; aAZKRZfB 1994, SaS 1488, 1490. BGH VersR 1959, 608. BGH LM$ 92 BinSchG Nr 13. BGH LM $ 92 BinSchG Nr 13; aA OLG Karlsruhe TranspR 2003, 248, 250 = VersR 2004, 133 = Zffi 2003, SaS 1886.

Siebenter Abschnitt. Zusammenstoß von Schiffen, Bergung

§ 92c BinSchG

hh) Gesamtschuldnerische Inanspruchnahme von Schiffseigner Β und Schiffsführer Β auf 70%. c) Läßt sich ein bestimmter quotaler Verschuldensbeitrag nicht beweisen, ist also 16 das Verhältnis der Schwere des beiderseitigen Verschuldens nicht feststellbar, haften beide Schiffseigner zu gleichen Teilen (§ 92c Abs 1 S 2 Alt l). 1 6 Voraussetzung ist dabei freilich, daß auf beiden Seiten ein Verschuldensbeitrag also solcher - häufig: prima fade - bewiesen oder unstreitig ist. Durch diese Regelung wird eine für den Geschädigten mißliche Situation vermieden, die sich aus dem Fehlen der gesamtschuldnerischen Haftung des Schiffseigners bei Sachschäden (§ 92c Abs 1) ergibt: Bliebe ein genauer quotaler Verschuldensbeitrag unbewiesen, würde der Geschädigte wegen dieses non liquet beweisfällig und mit einem Teil seines Schadens ausfallen. d) Die Regelung für ein gleich schweres Verschulden (§ 92c Abs 1 S 2 Alt 2) ist über- 17 flüssig, da sich die dann vorzunehmende Quotelung des Gesamtschadens bereits aus § 92c Abs 1 S 1 ergibt. 17 e) Die Fiktion der Haftungsteilung gem § 92c Abs 1 S 2 gilt nicht für die gesamt- 18 schuldnerisch haftenden Besatzungsmitglieder zweier „schuldiger Schiffe" (diese haften bereits bei Sachschäden so wie die Schiffseigner bei Personenschäden dem Geschädigten als Gesamtschuldner). f) Bei der Beantwortung der Frage, wie die Höhe der Quote zu bestimmen ist, ist die 19 Rspr zu § 254 BGB 1 8 zu berücksichtigen. 19 Bei der Festlegung der Quote ist in erster Linie auf das Maß der beider- oder mehrseitigen Schadensverursachung und erst in zweiter Linie auf das Maß des beider- oder mehrseitigen Verschuldens abzustellen. 20 Anzusetzen ist im Rahmen von § 286 ZPO nicht eine lebensfremde ex-post-Sicht am „grünen Tisch", sondern eine Beurteilung des Einzelfalls, die sich eng an der zum Zeitpunkt des Unfalls maßgeblichen Situation orientiert und die die entscheidenden Kausal- und Verschuldensbeiträge aus der Sicht des optimalen Beobachters bewertet, 21 ohne dabei freilich die Sorgfaltspflichten des Schiffsführers und der sonstigen Schiffsbesatzung superlativistisch zu überdehnen (vgl i e § 7 Rn 8ff). Wer die gefahrvolle Havariesituation, in deren Folge der Schiffszusammenstoß 20 und der Schaden entstehen, geschaffen hat (Primärverschulden), haftet im Verhältnis zu demjenigen, der auf diese Situation nur reagiert (Sekundärverschulden), überwie-

16 17 18 19 20 21

ZKR ZfB 2006 Heft Nr 5 S 52, 55; 199S, SaS 1671,1S73. So auch Rabe SeeHR § 736 HGB Rn 19. Vgl BGH VersR 2006, 286; 1997,115S jeweils mwN. BGH VersR 1964, 181; 1959,608; BGH MDR 1959, 913. KG VersR 2005,1308, 1310. BGHZ 3, 261.

359

BinSchG $ 92c

Mitverschulden

gend. 22 Etwas anderes kann dann gelten, wenn der Havariegegner die Gefahrsituation mit einem Minimum an Aufmerksamkeit hätte vermeiden können. 23 21 Soweit der reagierende Schiffsführer bei plötzlich drohender Gefahr sog Maßnahmen des letzten Augenblicks veranlaßt, ist dabei nicht jedes unrichtige Verhalten schuldhaft. 24 Dies gilt insbesondere dann, wenn die Überlegungszeit geringer als eine Minute ist25 und ein sachgemäßes Handeln aufgrund der Primärgefährdung kaum möglich erscheint. In diesen Fällen kommt ein Mitverschulden des reagierenden Schiffes nicht in Betracht. 26 22 Einen beweisregelähnlichen (§ 286 Abs 2 ZPO) Grundsatz, wonach ein Verstoß gegen konkrete binnenschiffahrtsverkehrsrechtliche Vorschriften (BinSchStrO, RheinSchPV, MoselSchPV, DonauSchPV, BodenseeStrO) stets schwerer wiegt als ein Verschulden gegen allgemeine Sorgfaltspflichten ($ 1.04 BinSchStrO, RheinSchPV), gibt es nicht. 27 Maßgebend sind ausschließlich die Umstände des Einzelfalls. Umgekehrt sollte auf der zivilrechtlichen Ebene unbedingt die Unsitte einzelner Wasserschutzpolizeistationen vermieden werden, auch noch in dem eindeutigsten Fall eines Alleinverschuldens bei einem der Havaristen, auf der Basis von Blankettvorschriften, insbesondere § 1.04 BinSchStrO, beide Schiffsführer bußgeldrechtlich in Mithaft zu nehmen.

5. 23

Haftung bei Personenschäden (§ 92c Abs 2)

a) Bei Personenschäden (§ 4 Abs 2) ist die Anspruchssituation für den Geschädigten bzw seine Hinterbliebenen wesentlich günstiger: Hier haften nicht nur Schiffseigner und Besatzung der einzelnen Schiffe dem Geschädigten als Gesamtschuldner (Rn 15), vielmehr haften auch die Schiffseigner der einzelnen beteiligten Schiffe im Falle schuldhaften Handelns ihrer Besatzungsmitglieder gesamtschuldnerisch.

2 4 b) Ein Besatzungsmitglied (§§ 3 Abs 2, 7, 21) oder ein Reisender (§ 77) können bei erlittenen Personenschäden nach § 92 c Abs 2 den Eigner des eigenen Schiffes neben dem Schiffseigner des Havariegegners gesamtschuldnerisch in Anspruch nehmen. Voraussetzung für einen solchen Anspruch ist indes, daß sich der Anspruchsteller zum Kollisionszeitpunkt an Bord befunden hat (§ 92c Abs 2).

22 23 24 25 26 27

RGZ 67, 49; BGH VersR 1992, 1030; 1977, 520; 1962, 541; 1962, 1061; 1961, 608; 1961, 535. OLG Hamburg VersR 1974, 82. OLG Nürnberg Urt ν 8. 7. 2005 (Az 8 U 276S/04 BSch); OLG Köln ZfB 1992, SaS 1398; Ζ KR Zffi 1992, SaS 1360 u 1391. BGH VersR 1969, 323. Zu den Einzelheiten vgl Bcmm/v. Waldstein RheinSchPV $ 1.04 Rn 28ff und Rabe SeeHR $735 HGB Rn 21 jeweils mwN. Entgegen RGZ 67, 50.

360

Siebenter Abschnitt. Zusammenstoß von Schiffen, Bergung

§ 92c BinSchG

c) Soweit einer der gesamtschuldnerisch haftenden Anspruchsgegner wegen Zah- 25 lungsunfähigkeit oder Insolvenz ausfällt, haftet der oder die übrigen Anspruchsgegner ersatzweise (§ 426 Abs 1 S 2 BGB). 28 d) Im Innenverhältnis der gesamtschuldnerisch haftenden Schiffseigner entsteht mit 26 der Zahlung an den Gläubiger ein quotal begrenzter Ausgleichsanspruch des zahlenden Schiffseigners gem § 426 Abs 2 gegen den oder die übrigen gesamtschuldnerisch haftenden Schiffseigner. Der Verweis von § 92c Abs 2 S 2 auf § 92c Abs 1 ist zum einen - wegen des unterschiedlichen rechtlichen Charakters von Teilschuld (§ 92c Abs 1) und Gesamtschuld (§ 92c Abs 2) - mißverständlich und daneben wegen § 426 BGB überflüssig. Die quotale Begrenzung des Gesamtschuldnerausgleichs gilt auch dann, wenn der Geschädigte mit Befriedigung seinen Schadensersatzanspruch in voller Höhe an den zahlenden Schiffseigner abtreten sollte. 29 Soweit der Versicherer den Personenschaden ersetzt, geht der Ausgleichsanspruch 2 7 auf ihn über (§ 67 VVG/§ 88 E-VVG).30 Die Verjährung des Ausgleichsanspruchs richtet sich nach § 118 Abs 2 (§ 118 Rn 6ff). 6.

Beweislast und Prozessuales

a) Zur Beweislast bei einem gemeinsamen Verschulden mehrerer Schiffe vgl ο Rn 9. 28 Eine Beweiswürdigung, die übereinstimmende Aussagen der Schiffsbesatzung per se wegen unterstellter „Bordsolidarität" unberücksichtigt läßt, ist unzulässig; maßgebend sind die Umstände des Einzelfalls. 31 b) Da die pro-rate-Haftung des Schiffseigners bei Sachschäden nach § 92c Abs 1 für 2 9 den Geschädigten das Kostenrisiko des (Teil-)Unterliegens (§ 92 ZPO) birgt, ist es in Schiffahrtssachen üblich, den Hauptschädiger zu verklagen und dem (potentiellen) Nebenschädiger den Streit zu verkünden. Soweit der Geschädigte gegenüber dem in Anspruch genommenen Hauptschädiger teilweise ausfällt, kann er sich dann - auch bezüglich der nicht festsetzungsfähigen Kosten des Vorprozesses - hinsichtlich der noch fehlenden Quote an dem Nebenschädiger schadlos halten. c) Die Entscheidung über die Haftungsquote gehört zu dem Grundverfahren (§ 304 ZPO) und kann nicht dem Betragsverfahren vorbehalten bleiben. 32

30

d) Die konkrete Abwägung des Verschuldens mehrerer Schiffsbesatzungen ist grund- 31 sätzlich Aufgabe der Tatsacheninstanz; die dabei ausgeworfene Quotelung kann

28 29 30 31 32

RGZ 92,146. BGHZ17, 214 = NJW 1955, 1314. RG DR 1942, S 88 Nr 6. ZKR ZfB 1999, SaS 173S; 1992, SaS 1388. Unklar BGH VersR 1974,1172.

361

BinSchG $ 92c

Mitverschulden

aber in der Revisionsinstanz mit der Rechtsrüge insoweit angegriffen werden, als die Beurteilung des Verschuldensmaßstabes auf rechtsirrigen Erwägungen beruht. 33 7.

Einzelfälle des Mitverschuldens 34

32 Aneinandervorbeifahren von Schiffen

BGH ZfB 1979,101

Anfahren eines Brückenpfeilers

OLG Köln ZfB 2005, Heft Nr 1/2, S 64, 65

Auffahrhavarie

OLG Karlsruhe VersR 2 0 0 4 , 1 4 3 8 , 1 4 3 9 ; OLG Köln VersR 1 9 7 9 , 4 3 9 , 4 4 0

Ausguck, fehlender

ZKR ZfB 1996, SaS 1594,1596 = VersR 1997, 213; OLG Karlsruhe ZfB 1992, SaS 1383; ZKR ZfB 1993, SaS 1048 = recte 1408

Autokran, Anfahrungeines schiffseitigenA. durch landseitigeKranbrücke

OLG Köln ZfB 2004, SaS 1924,1925

Baggerbereich, Pflicht zur Erkundigung der Verkehrslage im

OLG Köln ZfB 1997, SaS 1668,1669

Begegnung, Hauer zur Strommitte bei

BGH ZfB 1992, SaS 1358 = VersR 1992,386

Begegnung im Brückenbereich

MK ZfB 1995, SaS 1511,1512

Bergfahrer, Pflicht des ß. ,< Talfahrer, geeigneten Wegfreizulassen

OLG Karlsruhe ZfB 2002, SaS 1851,1852/1853; ZKR ZfB 1992, SaS 1399,1401

Brechen des Vorausdrahtes bei Löscharbeiten

ZKR ZfB 1995, SaS 1 5 6 1 , 1 5 6 2

Brückenbereich, Begegnung im

MK ZfB 1995, SaS 1511,1512

Brückenpfeiler, Anfahrungeines

OLG Köln ZfB 2005, Heft Nr 1/2, S 64, 65

Cochem-Cond, beschränkte Eignung des Yachthafens Drahtseil, Verfangen des Schiffspropellers im 33 34

362

OLG Köln ZfB 1998, SaS 1689; MK ZfB 1997, SaS 1622; 1994, SaS 1503 OLG Karlsruhe ZfB 1995, SaS 1529,1531

BGH VersR 2006, 290, 291; 2003, 783, 784; BGHZ 3, 46, 52. IS einer zusammenfassenden Übersicht wurden auch Tatbestände jenseits von $ 92c (Schiffszusammenstoß) erfaßt; in diesen Fällen ergibt sich das Mitverschulden des Anspruchstellers aus § 254 BGB; angeführt sind auch Fälle, in denen die Gerichte ein Mitverschulden geprüft, dann aber abgelehnt haben; s iü Einzelfälle der Sorgfaltspflichten des Schiffsführers bei § 8 Rn 46.

Siebenter Abschnitt. Zusammenstoß von Schiffen, Bergung

Dreitonzeichen, Nichtabgabe des

§ 92c BinSchG

BGH ZfB 1989, SaS 1258; ZKR ZfB 2006, Heft Nr 5, S 52,55; 1997, SaS 1656,1657; 1993, SaS 1431,1432f; OLG Köln ZfB 1994, SaS 1459, 1460; 1992, SaS 1354,1355 u 1377,1379; s auch Typhon u Schallsignal

Eigenverschulden, gravierendes E. bei Überqueren eines Herfts

OLG Hamm ZfB 1993, SaS 1445

Engstelle, Nichtabgabe von Schallsignalen vor Einfahrt in

OLG Köln ZfB 2001, SaS 1 8 4 1 , 1 8 4 2

Fähre, Queren der F. über markierte Fehltiefe

OLG Köln ZfB 1999, SaS 1739

Fahrgastschiff, Unachtsamkeit bei Betreten eines Festmachung, unzureichende F. einer Motoryacht

OLG Köln ZfB 1993, SaS 1428; LG Kiel VersR 1994,1083 OLG Köln ZfB 1998, SaS 1689,1690; MK ZfB 1997, SaS 1622,1623

Fieren, zu spätes F. bei verfrüht eingeleiteter Schleusung

OLG Köln ZfB 2000, SaS 1784,1785

Flußmitte, zu weites Fahren in

MK ZfB 2004, SaS 1910,1913

Fortsetzen der Fahrt im Nebel

ZKR ZfB 2006, Heft Nr 7/8, S 6 4 , 6 6

Freilassung eines geeigneten Wegs für Talfahrt

OLG Karlsruhe ZfB 2002, SaS 1851,1852/1853; ZKR ZfB 1992, SaS 1399,1401

Funkdurchsage, mangelhafte

MK ZfB 2004, SaS 1910,1913

Funkdurchsage, Entgehen von

ZKR ZfB 1994, SaS 1461

Funkdurchsage, unterlassene

OLG Karlsruhe ZfB 2002, SaS 1851,1853

Funkgerät

s Sprechfunkgerät

Gasfreiheit, Sicherstellen von G. vor Schweißarbeiten an Tankschiff

OLG Karlsruhe ZfB 1994, SaS 1472

Geeigneter Wegfür Talfahrt, Pflicht des Bergfahrers

OLG Karlsruhe ZfB 2002, SaS 1851,1852/1853; ZKR ZfB 1992, SaS 1399,1401 363

BinSchG $ 92c Gefahrenstelle, Beachtungvon schiffahrtsüblichem Kurs nur noch an besonderer

Geographische Merkmale, Nichtberücksichtigen vong. M. während Radarfahrt

Mitverschulden

ZKR ZfB 2006, Heft Nr 5, S 52; OLG Karlsruhe ZfB 2002, SaS 1865,1866; ZKR VersR 1999, 649

OLG Köln ZfB 1997, SaS 1668,1669

Geregelte Begegnung

ZKR ZfB 2002, SaS 1880; 1998, SaS 1671,1673; 1996, SaS 1570; 1995, SaS 1546,1547 u 1553, 1554 u 1555,1556; 1994, SaS 1492

Geschwindigkeit, überhöhte

MK ZfB 2004, SaS 1910,1912; OLG Köln, VersR 2 0 0 1 , 2 3 9 , 7 4 0 ; OLG Köln ZfB 1996, SaS 1594,1596; OLG Karlsruhe ZfB 1992, SaS 1383

Geschwindigkeit, Warnung vor Reduzierung der

OLG Karlsruhe OLGR 2 0 0 3 , 1 6 2

Grundberührung, Leckagekontrolle nach

OLG Köln ZfB 1998, SaS 1692,1693/1694

Hafen, Ausfahrt aus dem

BGH ZfB 1979,17 u 335; ZKR ZfB 1993, SaS 1453: OLG Köln ZfB 1984, 58, 59

Hafen, Einfahrt in den

OLG Köln ZfB 1996, SaS 1594,1596; OLG Karlsruhe ZfB 1995, SaS 1563,1565

Hafen, Verholen im H. nach achtern

OLG Köln ZfB 1996, SaS 1594,1596

Herft, Überqueren eines H. zur Nachtzeit Kleinfahrzeug, Unachtsamkeit des K. gegenüber Großfahrzeug Koppelverband, Mitverschulden innerhalb eines Kranbrücke, Anfahrung eines schiffseitigen Autokrans durch landseitige Kursänderungsverbot, Verstoß gegen K. vorBegegnung Ladungsräume, Gewährleistung wasserdichter 364

OLG Hamm ZfB 1993, SaS 1445 OLG Köln ZfB 1993, SaS 1443 OLG Köln ZfB 1992, SaS 1398 OLG Köln ZfB 2004, SaS 1924,1925 AG Duisburg-Ruhrort ZfB 1 9 7 9 , 4 6 1 , 4 6 2 BGH VersR 1975, 823

Siebenter Abschnitt. Zusammenstoß von Schiffen, Bergung

Markierte Untiefe, Queren einer Fähre über Maschineneinsatz, Annäherungan abgeknickten Dalben ohne Maßnahme des letzten Augenblicks Nebel, Abweichen von schiffahrtsüblicfien Kurs bei

§ 92c BinSchG

OLG Köln ZfB 1999, SaS 1739 OLG Karlsruhe ZfB 2002, SaS 1855,1856 = OLGR 2002,115 ZKRZfB 1992, SaS 1360 u 1391; OLG Nürnberg Urt ν 12. 7. 2005 (Az 8 U 2766/04 BSch) ZKR ZfB 2006, Heft Nr 5, S 52; OLG Köln ZfB 1996, SaS 1603,1604/1605

Nebel, Fortsetzen der Fahrt bei

ZKR ZfB 2006, Heft Nr 7/8, S 64/65; 1985,16; OLG Köln VersR 2001, 739, 740

Notruder, zu spätes Betätigen des

OLG Köln ZfB 1997, SaS 1623,1624; 1994, SaS 1498; 1991, SaS 1313

Ölunfall eines Tankschiffs beim Umschlag an Verladestelle Ponton, Untergehen eines aufseit gekoppelten

OLG Karlsruhe ZfB 1997, SaS 1637,1638/1639; 1994, SaS 1504,1506 OLG Karlsruhe VersR 1999, 385 = ZfB 1998, SaS 1712

Queren einer Fähre über markierte Untiefe

OLG Köln ZfB 1999, SaS 1739

Radarhild, Nichtbeachten des

OLG Köln ZfB 2005, Heft Nr 1/2, S 64, 65

Radarbild, Schlechtauswertung des

ZKRZfB 2001, SaS 1835,1836

Radarfahrt, Nichtberücksichtigen von geographischen Merkmalen während

OLG Köln ZfB 1997, SaS 1668,1669

Radaifahrt, unterlassene Schallsignale bei

OLG Köln ZfB 1995, SaS 1512,1513/1514

Rotlichtverstoß, Reaktion des Schleusenmeisters auf

OLG Köln ZfB 2000, SaS 1799,1800

Ruderboot, Nichtabgabe von wiederholten Schallsignalen gegenüber herannahendem

OLG Karlsruhe ZfB 1992, SaS 1375,1376 = VersR 1993, 381 365

BinSchG $ 92c Schallsignal, Nichtabgabevon

Schallsignal, Nichtabgabevon wiederholten Sch. bei herannahendem Ruderboot Schallsignal, Nichtabgabe von Sch. vor Einfahrt in Engstelle Schiffahrtsüblicher Kurs, Abweichen von sch. K. im Nebel Schiffahrtsüblicher Kurs, Beachtung des sch. K. nur noch an besonderen Gefahrenstellen geboten

Mitverschulden

BGH ZfB 1980, 335; OLG Köln ZfB 2004, SaS 1917,1918; 1995, SaS 1 5 1 2 , 1 5 1 3 , 1 5 1 4 ; 1 9 8 4 , 4 0 3 , 4 0 4 ; ZKRZfB 1999, SaS 1746; 1997, SaS 1671,1673; 1995, SaS 1556,1558; 1994, SaS 1461; s auch Dreitonzeichen, Typhon

OLG Karlsruhe ZfB 1992, SaS 1375,1376 = VersR 1993, 381; s auch Dreitonzeichen, Typhon OLG Köln ZfB 2001, SaS 1841,1843; s auch Dreitonzeichen, Typhon OLG Köln ZfB 1993, SaS 1603,1604/1605

ZKR ZfB 2006, Heft Nr 5, S 52; OLG Karlsruhe ZfB 2002, SaS 1865,1866; ZKR VersR 1999, 649

Schiffsattest, Vertrauen des Schiffsführers aufRichtigkeit des

OLG Köln ZfB 1997, SaS 1647,1648

Schiffspropeller, Verfangen des Sch. im Drahtseil

OLG Karlsruhe ZfB 1995, SaS 1529,1531

Schlauchwache, Unachtsamkeit der Sch. bei Tankschiffumschlag OLG Karlsruhe ZfB 1997, SaS 1637,1638 Schleusenmeister, Reaktion des Sch. auf Rotlichtverstoß Schleusenpersonal, unterlassene Weisungspflicht des

OLG Köln ZfB 2000, SaS 1799,1800 OLG Nürnberg Urt ν 8. 7 . 1 9 7 6 (Az 8 U 177/75 BSch)

Schleusenunfall, Verlassen des markierten Bereiches in Schleuse führt zu OLG Hamburg OLGR 2 0 0 3 , 1 5 7 Schleusenunfall, unterlassene Warnhinweise der Schiffsbesatzung auf Gefahrenlagen

366

OLG Nürnberg Urt ν 8. 7 . 1 9 7 6 (Az 8 U 177/75 BSch)

Siebenter Abschnitt. Zusammenstoß von Schiffen, Bergung

§ 92c BinSchG

Schleusenvorhafen, Verfallen des Bergfahrers im

OLG Karlsruhe ZfB 2002, SaS 1851,1853

Schleusungsvorgang, Verfrühtes Einleiten eines

OLG Karlsruhe 2000, SaS 1784,1785

Schuileichter, Auffahren auf unbeleuchteten Sch., der außerhalb der Fahrrinne unbewacht vor Anker liegt

ZKRZfB 1995, SaS 1549,1550

Schweißarbeiten an Tankschiff

OLG Karlsruhe ZfB 1994, SaS 1472

Segelregatta, Kollision bei

OLG Karlsruhe VersR 2 0 0 5 , 2 5 0 = NJW-RR 2 0 0 4 , 1 2 9 7 mit Anm Müller-Stoy VersR 2005, 1457; OLG Nürnberg VersR 2005,1458; OLG Hamburg OLGR 1999, 230; OLG Hamm NJWRR 1990,925; KG VersR 1969,1018; AG Starnberg VersR 1992,1114

Seitenabstand, Einhaltung des notwendigen S. bei Überholmanöver

BGH ZfB 1987, SaS 1208

Sinkunfall, Unbewachtes Zurücklassen des Schiffes vor

OLG Köln ZfB 1998, SaS 1692,1693

Sportboot, Unachtsamkeit des Sp. gegenüber Großfahrzeug

OLG Karlsruhe ZfB 1993, SaS 1443

Sportboote, Kollision von

OLG Hamburg OLGR 1998, 361

Sprechfunk, Fehlende Meldung über

ZKRZfB 2001, SaS 1835,1836

Sprechfunkgerät, Unterlassene Inbetriebnahme des

BGH ZfB 1991, SaS 1328; ZKRZfB 1995, SaS 1556, 1558

Sprechfunkgerät, Verspätetes Bemerken des Ausfalls des

OLG Köln ZfB 1996, SaS 1603,1605

Streckenkenntnis, fehlende

MK ZfB 2004, SaS 1910,1913

Talfahrer, kein Mitverschulden des T., sofern Bergfahrer keinen geeigneten Weg freigelassen hat

ZKRZfB 1992, SaS 1399,1401

Talfahrer, Verhalten des T. in unklarer Lage

ZKRZfB 1996, SaS 1570,1571 367

BinSchG $ 92c Tankschiffbeladung, „Überläufer"

Tonne, ausschließliches Orientieren an der Τ. bei Radarfahrt

Mitverschulden

ZKR ZfB 2005, Heft Nr 4, S 47; OLG Karlsruhe VersR 1997,1165; OLG Köln ZfB 1992, SaS 1389 OLG Köln ZfB 1997, SaS 1668,1669

Tonnen, hartes Anfahren der

OLG Köln ZfB 1997, SaS 1668,1669; OLG Köln VersR 1980, 841

Typhon, Nichtabgabe des

OLG Köln ZfB 1996, SaS 1586,1587 u 1590, 1591 u 1594,1596; 1992, SaS 1354,1355; s auch Dreitonzeichen, Schallsignal

Überholmanöver

BGH ZfB 1987, SaS 1208; OLG Karlsruhe VersR 2003, 393, 398 = OLGR 2003,114; ZKR ZfB 2000, SaS 1818,1821; 1994, SaS 1488 u 1490; 1983,107; 1981,321

„Überläufer" bei Tankschiffbeladung

ZKR ZfB 2005, Heft Nr 4, S 47; OLG Karlsruhe VersR 1997,1165; OLG Köln ZfB 1992, SaS 1389

Unbewachtes Zurücklassen des Schiffs vorSinkunfall

OLG Köln ZfB 1998, SaS 1692,1693

Verfallen des Bergfahrers im Schleusenvorhafen

OLG Karlsruhe ZfB 2002, SaS 1851,1853

Verholen im Hafen nach achtern

ZKR ZfB 1996, SaS 1594,1596

Vorausdraht, Brechen des V. bei Löscharbeiten

ZKR ZfB 1995, SaS 1 5 6 1 , 1 5 6 2

Wasserbaustelle, Einrichten auf

OLG Hamm VersR 1998, SaS 1133,1134

Wendemanöver

ZKR ZfB 1999, SaS 1755,1756; 1998, SaS 1670, 1671; 1 9 8 1 , 2 7 1 , 2 7 2

Werftreparatur, fehlerhafte w. führt zu Havarie Yachthafen, beschränkte Eignung des Y. Cochem-Cond

368

OLG Karlsruhe ZfB 1995, SaS 1509,1510 OLG Köln ZfB 1998, SaS 1689; MK ZfB 1997, SaS 1622; 1994, SaS 1503

Siebenter Abschnitt. Zusammenstoß von Schiffen, Bergung

S 92d BinSchG

$ 92d [Verschulden des Lotsen] Bei der Anwendung der SS 92b, 92c steht das Verschulden eines an Bord tätigen Lotsen dem Verschulden eines Mitglieds der Schiffsbesatzung gleich. 1.

Allgemeines

Zur Einfügung der §§ 92-92f in das BinSchG vgl § 92 Rn 2ff. Zum Anwendungsbe- 1 reich von § 92d auf unmittelbare (§ 92 Abs 1) und mittelbare Schiffszusammenstöße (Fernschädigung, § 92 Abs 2) vgl § 92 Rn 5ff, 13ff. § 92d, dem im Seerecht § 737 Abs 2 HGB entspricht, ist nach deutschem Recht überflüssig, da sich die adjektizische Haftung des Schiffseigners für schuldhaftes Handeln des Lotsen bereits aus § 3 Abs 1, Abs 2 ergibt. 2.

Verschulden des Lotsen

Soweit der Lotse unmittelbar die Schiffsführung ausübt, ergibt sich die Mithaftung 2 des Schiffseigners für schuldhaftes Verhalten bei Schiffszusammenstößen bereits aus §§ 3 Abs 2, 92b (§ 3 Rn 21f; §§ 21-25 Rn 5). Tritt der Lotse - auf der Basis eines Dienstvertrages1 - als nautischer Berater des Schiffsführers auf,2 haftet der Schiffseigner für schuldhafte Fehler des Lotsen nach §§ 3 Abs 1, 92b, 92d. Im Vordergrund des Lotsenverschuldens stehen heute vor allem nautische Fehler bei der unmittelbaren Führung des belotsten Schiffes, die daraus resultieren, daß der Lotse - trotz idR überragender Streckenkenntnis - mit der Handhabung der täglich wechselnden und technisch immer aufwendiger ausgerüsteten Binnenschiffen im Einzelfall überfordert ist. Wird der Schiffseigner wegen Lotsenverschuldens in Anspruch genommen, kann er 3 die Haftung beschränken (§§ 4ff). 3.

Eigene Haftung des Lotsen

a) Seinem Vertragspartner, idR dem Schiffseigner, haftet der Lotse nach § 21 Abs 3 4 SeelotsG analog nur für Vorsatz oder grobe Fahrlässigkeit.3 b) Dem Havariegegner haftet der Lotse im Rahmen von § 823 BGB persönlich, aber 5 beschränkbar (§§ 5c Abs 1 Nr 3, 5i; § 5c Rn 6; § 5i Rn 3). Nach dem Rechtsinstitut des 1 2 3

BGHMDR 1952, 681. BGHZ 59, 242, 246, 40ff; BGH NZV 1989, 427 m Anm Korioth; BGH VersR 1973, 814, 815; OLG Karlsruhe ZfB 1995, SaS 1563/1564. BGH NZV 1989, 427 = ZfB 1989, SaS 1256.

369

BinSchG S 92e

Haftung im Schleppverband

innerbetrieblichen Schadensausgleichs (Einzelheiten s § 7 Rn 12) steht dem Lotsen ein analoger Freistellungsanspruch gegen den Schiffseigner zu, sofern er nicht vorsätzlich oder grob fahrlässig gehandelt hat. 6 c) Das nach der Leitentscheidung des BGH zur Lotsenhaftung 4 aufgetauchte Problem des gestörten Verhältnisses der gesamtschuldnerischen Haftung zwischen Eigner und Lotse (s dazu Voraufl, § 92d Rn 5) ist erledigt, nachdem der Lotse seit 1998, soweit er nicht leichtfertig handelt (§$ 5b, 5c Abs 1 Nr 3), gem §§ 4, 5c Abs 1 Nr. 3 seine Haftung beschränken kann ($ 92f Abs 2) und zusätzlich in den Genuß einer - gegenüber der Haftung des Schiffseigners oder der Schiffsbesatzung - reduzierten Haftungshöchstbetrages kommt (§ 5i).

$92e [Haftung im Schleppverband] Die SS 92 bis 92d gelten auch, wenn die beteiligten Schiffe zu demselben Schleppverband gehören. 1.

Allgemeines

1 Zur Einfügung der §§ 92-92f in das BinSchG vgl § 92 Rn 2ff. Zum Anwendungsbereich von § 92e auf unmittelbare (§ 92 Abs 1) und mittelbare Schiffszusammenstöße (Fernschädigung, § 92 Abs 2) vgl § 92 Rn 5ff, 13ff. Da die §§ 92-92d den Schiffszusammenstoß zwischen nautisch selbständigen Fahrzeugen voraussetzen (S 92 Rn 6), sind diese Vorschriften direkt auf eine Kollision innerhalb eines Schlepp- bzw Schubverbandes (Rn 2) nicht unmittelbar anwendbar. § 92e erlaubt die entsprechende Anwendung von §§ 92-92d. 2.

Haftung in der Schubschiffahrt

2 a) Nachdem der Schleppverkehr - sieht man von vereinzelten Sonderfällen (Vorschleppboote im Rheingebirge,1 Verschleppen von Schiffen mit Motorausfall, Verschleppen von Arbeitsgerätschaften oder Lagerschuten der Wasser- und Schiffahrtsverwaltung, Verschleppen von Bergungsgeräten, etc) ab - in der Binnenschiffahrt der Vergangenheit angehört, ist § 92e entsprechend auf die moderne Schubschiffahrt anzuwenden.

4 1

BGH NZV19S9,427 = ZfB 1989, SaS 1256. OLG Köln VersR 2006,1710.

370

Siebenter Abschnitt. Zusammenstoß von Schiffen, Bergung

§ 92e BinSchG

b) Soweit ein Leichter aus dem Schubverband mit einem anderen Binnenschiff 3 kollidiert, gelten die §§ 92-92d unmittelbar, wobei sich die Schadensersatzansprüche der Havariegegner nach § 92b grundsätzlich gegen den Schiffseigner des motorisierten, schiebenden Fahrzeugs richten. 2 c) Kommt es zu einer Kollision innerhalb des Schubverbandes, 3 gelten über § 92e 4 die §§ 92-92d entsprechend. 4 Denkbar sind insbesondere Schäden im Zusammenhang mit Koppelungsmanövern oder ein Strangbruch während der Fahrt, wodurch ein Schubleichter ausschert und mit dem eigenen Verband kollidiert. d) Die praktische Bedeutung des § 92e ist gleichwohl gering, da die Rechtsverhältnis- 5 se innerhalb eines Schubverbandes entweder einzelvertraglich (s § 92f Abs 2, letzte Alt; § 92f Rn 7) oder auf der Basis - des von den Beteiligten der Schub- und Leichterschiffahrt gezeichneten - Schubabkommens 5 bestimmt sind. 3.

Beweislast

Schadensersatzansprüche aus Anlaß der Mitnahme fremder Schubleichter durch 6 ein Schubboot unterliegen grundsätzlich den allgemeinen Regeln. Haben aber die Beteiligten das Schubabkommen (Rn 5) gezeichnet, sind die dort vereinbarten Beweisregeln zu beachten. Nach § 1 dieses Schubabkommens hat der Eigner des Leichters zu beweisen, daß ein Anspruch einen Schaden betrifft, der bei Übernahme der Obhut durch das Schubboot noch nicht vorhanden war.6 Ist dieser Beweis geführt, hat der Schubbooteigner dann zu beweisen, daß ein während der Zugehörigkeit zum Schubverband an dem Leichter entstandener Schaden weder auf seinem Verschulden noch auf dem der Schubbootbesatzung beruht. Der Eigner des Schubbootes haftet für Schäden, die an den Fahrzeugen des Schubverbandes während der Zugehörigkeit zum Schubverband durch mangelnde Fahrtüchtigkeit oder unzureichender Ausrüstung des Schubleichters entstehen. Dem Leichtereigner obliegt nach § 2 der Beweis dafür, daß eine angebliche Fahruntüchtigkeit oder eine unzureichende Ausrüstung nicht auf seinem Verschulden beruht. Für Schäden außerhalb der Streckenfahrt haftet der Schubbooteigner für Schäden an den in seine Obhut gegebenen Leichtern nach § 3 des Schubabkommens, wenn er sich nicht entlastet. Für Schäden die an einem Leichter entstanden sind, nachdem sich das Schubboot entfernt hat, trägt der Leichtereigner die Behauptungs- und Beweislast für schadensursächliches Verschul-

2 3

4 5 6

ZKRZfB 1995, SaS 1546; OLG KölnZfB 1979, 459. Um einen Schubverband handelt es sich nicht, wenn ein Schubboot einem Motorschiff bei dessen Ausfahrt nur assistiert, die selbständige Steuertätigkeit des Motorschiffes aber erhalten bleibt, ZKR ZfB 199S, SaS 1700. OLG Köln ZfB 1996, SaS 1572. Text bei Bemm/v. Waldstein RheinSchPV, 581ff; zu den Europäischen Schubbedingungen - Fassung 2007 s www.ivr.nl; zu den Europäischen Schubbedingungen 1997 s ZfB 1997, SaS 1640ff. OLG Köln ZfB 1996, SaS 1572; 19S3,150.

371

BinSchG S 9 2 f

Haftung der Schiffsbesatzung und des Lotsen

den der Schubbootbesatzung, wobei der Schubbooteigner beweisbelastet ist für die ordnungsgemäße Ablegung und Sicherung des Leichters. 7

$92f [Haftung der Schiffsbesatzung und des Lotsen] (1) Die SS 9 2 bis 9 2 e gelten auch für die Haftung der Personen der Schiffsbesatz u n g und der Lotsen. (2) Die Vorschriften über die Beschränkungen der Haftung des Schiffseigners, der Besatzungsmitglieder und der Lotsen und über ihre Haftung aus Verträgen bleiben unberührt. 1.

Allgemeines

1 Zur Einfügung der §§ 92-92f in das BinSchG vgl § 9 2 Rn 2ff. Zum Anwendungsbereich von § 9 2 f auf unmittelbare (§ 9 2 Abs 1) und mittelbare Schiffszusammenstöße (Fernschädigung, § 9 2 Abs 2) vgl § 9 2 Rn 5ff, 13ff. § 9 2 f Abs 1, zu dem es ein seerechtliches Pendant nicht gibt, ist überflüssig und zum Teil mißverständlich. § 9 2 f Abs 2 war bis zur Einführung der Summenhaftung im Jahr 1 9 9 8 zum Teil irreführend und überflüssig; nunmehr ist diese Vorschrift nur noch überflüssig.

2. 2

Verweis a u f das R e c h t des Schiffszusammenstoßes (§ 9 2 f Abs 1)

a) Daß die Schiffsbesatzung ( § 3 Abs2) 1 und der Lotse ( § 3 R n 2 1 f ; § § 2 1 - 2 5 R n 5 ; § 92d Rn 4ff) im Falle schuldhaften Handelns auch und gerade bei Schiffszusammenstößen unmittelbar persönlich haften, steht im Gesetz (§§ 7 BinSchG, 823 BGB), so daß § 9 2 f Abs 1 überflüssig ist. b) Soweit § 9 2 f Abs 1 auf §§ 92b und 92c Abs 1 verweist, ist dies zudem mißverständlich:

3

aa) Der Lotse haftet gerade nicht wie der Schiffseigner adjektizisch (§ 92b) für ein Verschulden der Schiffsbesatzung. Ebensowenig haftet umgekehrt ein Besatzungsmitglied für ein Verschulden eines anderen Besatzungsmitgliedes oder des Lotsen.

4

bb) Der Lotse und die Schiffsbesatzung haften bei Sachschäden (§ 92c Abs 1) gerade nicht wie die Schiffseigner als Teilschuldner (§ 4 2 0 BGB, s § 92c Rn 14) sondern stets - sowohl im Verhältnis zu dem eigenen und dem fremden Schiffseigner, als auch im 7 1

OLG Köln ZfB 1991, SaS 1305. ZKR ZfB 2006, Heft Nr S, S 52, 55; OLG Karlsruhe ZfB 1995, SaS 1563.

372

Siebenter Abschnitt. Zusammenstoß von Schiffen, Bergung

§ 9 3 BinSchG

Verhältnis zu den übrigen eigenen, schuldhaft handelnden Besatzungsmitgliedern und den fremden, schuldhaft handelnden Besatzungsmitgliedern - als Gesamtschuldner. 3.

Verweis auf die Haftungsbeschränkung (§ 92f Abs 2 Alt 1)

a) Vor seiner Einfügung im Jahre 1972 (§ 92 Rn 2ff) bis zur Einführung der Sum- 5 menhaftung im Jahre 1998 (§ 4 Rn 1), war § 92f Abs 2 insofern irreführend, als es im Außenverhältnis zu dem Havariegegner für die Besatzung und/oder den Lotsen - entgegen einer anderslautenden Annahme in der Begr des Gesetzgebers zum IUeZB 2 - gerade nicht die Möglichkeit einer Haftungsbeschränkung mit Schiff und Fracht (§ 4 aF) gab (st Rspr; s Voraufl § 4 Rn 18f). b) Seit Einführung der Summenhaftung im Jahre 1998, die das Privileg der Haf- 6 tungsbeschränkung auch auf Besatzung und Lotsen erstreckte (§§ 4, 5c Abs 1 Nr 3) und für den Lotsen sogar einen niedrigeren Haftungshöchstbetrag bestimmte ($ 5i), ist der Verweis auf die Haftungsbeschränkung nur noch überflüssig. 4.

Verweis auf die Vertragshaftung (§ 92f Abs 2 Alt 2)

Vor dem Hintergrund des Grundsatzes der Privatautonomie ist es - trotz des inso- 7 weit mißverständlichen § 4 Abs 1 S 2 (§ 4 Rn 6) - selbstverständlich, daß individualrechtliche Vereinbarungen Vorrang vor der allgemeinen gesetzlichen Lage haben. Praktische Bedeutung haben solche individualrechtlichen Abreden insbesondere im Rahmen von Charterverträgen sowie im Rahmen des Schubabkommens (§ 92e Rn 5f).

§ 93 [Bergung] Auf die Rechte und Pflichten des nicht von einem Seeschiff aus tätigen Bergers, der einem in Binnengewässern in Gefahr befindlichen Binnenschiff oder sonstigen Vermögensgegenstand Hilfe leistet, sowie auf die Rechte und Pflichten der sonstigen an den Bergungsmaßnahmen beteiligten Personen finden die $§ 740 bis 753a, 9 0 2 Nr. 3 und § 903 Abs. 3 des Handelsgesetzbuchs sowie Art 8 des Einführungsgesetzes zum Handelsgesetzbuch entsprechende Anwendung.

2

BT-Drs 6/2432, 5.

373

BinSchG § 9 3

Bergung

SS 94 bis 101 (aufgehoben) Übersicht Rn 1. Allgemeines 2. Verweisung des $ 93 3. Neuerungen im Bergungsrecht 4. SS 740ff HGB und Bergungsvertrag 5. S S 740ff HGB und Geschäftsführung ohne Auftrag 6. Internationales Privatrecht

1.

1 2 3-5 6-9 10 11-14

Allgemeines

1 Mit dem 3. SRÄG vom 16. 5. 2001 wurde das bis dahin in den §§ 93 bis 101 aF geregelte Bergungsrecht der Binnenschiffahrt vollständig aufgehoben und durch eine Verweisung auf die seerechtlichen Bergungsvorschriften ersetzt. Das 3. SRÄG geht zurück auf das Internationale Übereinkommen von 1989 über Bergung (IÜB)1, welches das Internationale Übereinkommen zur einheitlichen Feststellung von Regeln über die Hilfeleistung und Bergung in Seenot (IÜS) vom 2 3 . 9 . 1 9 1 0 2 ablöste. Mit der Ratifizierung des IÜB 3 und dessen Umsetzung im seerechtlichen Bergungsrecht entschied der deutsche Gesetzgeber, das bislang für die Binnenschiffahrt gesondert geregelte Bergungsrecht aufzuheben und insoweit eine einheitliche Regelung von Binnenschiffahrt und Seeschiffahrt herbeizuführen. Die große sachliche Nähe der beiden Bereiche rechtfertigten keine unterschiedliche gesetzliche Regelung mehr, zumal die wesentlichen Neuerungen im Seerecht wie der verstärkte Umweltschutz auch für die Binnenschiffahrt fruchtbar gemacht werden könnten. 4 Die in die §§ 740 bis 753a und 902 Nr 3, 902 Abs 3 HGB inkorporierten Regelungen des IBÜ sind für die Bundesrepublik am 8 . 1 0 . 2002 in Kraft getreten. 5

2.

Verweisung des § 93

2 S 93 verweist für alle Fälle, in denen einer oder mehrere Berger von Binnenschiffen aus (§ 1 Rn 3ff) einem in Binnengewässern (§ 1 Rn 16ff) in Gefahr geratenen Vermögensgegenstand Hilfe leisten, auf die entsprechenden seerechtlichen Vorschriften im Handelsgesetzbuch. In allen übrigen Fällen, dh insbesondere wenn von einem See1 2 3 4 5

BGB1II2001, S i l . RGBl 1913, SS, 89. Ges zu dem Internationalen Übereinkommen 1989 über Bergung ν 18. S. 2001 (BGBl II, 510). Begr 3. SRÄG, BT-Drs 14/4672,11. BGBl II, 1202.

374

Siebenter Abschnitt. Zusammenstoß von Schiffen, Bergung

§ 9 3 BinSchG

schiff aus oder in Seegewässern Hilfe geleistet wird, kommen die §§ 740ff HGB gem § 740 Abs 1 HGB unmittelbar zur Anwendung. § 93 verweist nicht nur auf die §§ 740 bis 753a HGB betreffend die Rechte und Pflichten des Bergers und der übrigen an der Bergung beteiligten Personen, sondern auch auf die Verjährungsvorschriften in SS 9 0 2 Nr 3 und 903 Abs 3 HGB sowie die Kollisionsnorm des Art 8 EGHGB. Zwar unterblieb eine Verweisung auf Art 7 Abs 1 Nr 4 EGHGB, wonach die Vorschriften betreffend die Bergung auch auf Schiffe anzuwenden sind, die nicht dem Erwerb dienen. Eine solche Verweisung war jedoch entbehrlich, da die Vorschriften des Binnenschiffahrtsgesetzes abgesehen von den §§ 4ff (vgl § 4 Abs 1 S 1 letzter Halbs) ohnehin unabhängig davon anwendbar sind, ob das betroffene Schiff dem Erwerb dient oder nicht (§ 1 Rn 10). Dies galt und gilt auch für das Recht der Bergung. 5 Zu den SS 740ff HGB vgl die dortige Kommentierung.

3.

Neuerungen im Bergungsrecht

Kern des Bergungsrechts ist seit je her der Anspruch des Bergers auf Bergelohn, 3 dessen Höhe so festzusetzen ist, daß er für den Berger einen Anreiz darstellt, tätig zu werden (§ 743 HGB). Der Bergelohn übersteigt daher grundsätzlich einen bloßen Aufwendungsersatz, den der Berger nach den Grundsätzen der Geschäftsführung ohne Auftrag gem §§ 670, 683 BGB zu erwarten hätte. Allerdings besteht der Anspruch auf Bergelohn nur, wenn die Bergungsmaßnahmen erfolgreich waren (§ 742 Abs 1 S 1 HGB). Diese Erfolgsbezogenheit kommt in dem Grundsatz „no cure - no pay" zum Ausdruck und geht auf den Einfluß der Schiffskaskoversicherer zurück, die nur dann ein Interesse an den Bemühungen der Berger hatten und bereit waren, hierfür zu zahlen, wenn diese tatsächlich zu einer wenigstens teilweisen Rettung der in Gefahr geratenen Gegenstände und damit einer Verringerung der von dem Versicherer zu erbringenden Versicherungsleistung führten. 7 Da sich der vorausgesetzte Erfolg grundsätzlich nur auf die Rettung des Schiffes und der an Bord befindlichen Gegenstände bezieht und zudem der Bergelohn durch den Restwert der geretteten Gegenstände begrenzt ist (§ 743 Abs 2 HGB), führte dies jedoch dazu, daß der Anreiz für den Berger, tätig zu werden, dann sehr gering war, wenn bereits feststand, daß die Bergung wegen der Schwere der Schäden erfolglos oder das geborgene Schiff voraussichtlich wertlos sein würde. Berger blieben daher insbesondere auch in Fällen untätig, in denen der Erfolg ihrer Tätigkeit allein in der Verhinderung oder Verringerung von Umweltschäden durch das in Gefahr geratene Schiff bestanden hätte. Um dem entgegen zu wirken, sieht das neue Bergungsrecht eine im Grunde erfolgsunabhängige Sondervergütung für den Fall vor, daß die Bergungsmaßnahmen einem Schiff galten, das eine Gefahr für die Umwelt darstellte (§ 744 HGB).

6 7

Begr 3. SRÄG, BT-Drs 14/4S72, 27. Vgl Trost, 17.

375

BinSchG § 9 3

Bergung

4 Neu für das Bergungsrecht in der Binnenschiffahrt ist ferner die Ersetzung der vormals nur dinglichen Haftung für Bergungs- und Hilfskosten ($ 100 aF) durch eine persönliche Verpflichtung des Schuldners für Bergelohn und Bergungskosten (vgl § 742 Abs 3 HGB). Diese Änderung setzt die begonnene Einführung der Summenhaftung in der Binnenschiffahrt konsequent fort. Im Seerecht war die persönliche Verpflichtung für die Berge- und Hilfskosten einschließlich des Bergelohns bereits mit dem 2. SRÄG im Jahr 1986 eingeführt worden. 5 Nicht nur im Binnenschiffahrtsrecht, sondern auch im Seerecht neu ist dagegen die Aufgabe der bereits bislang kaum praktisch relevanten Unterscheidung zwischen Berge- und Hilfeleistung, die Normierung von Sorgfalts- und Mitwirkungspflichten der an der Bergung beteiligten Personen (§§ 740, 741 HGB), die Berücksichtigung der Sachkunde und der Anstrengung des Bergers in bezug auf die Verhütung oder Begrenzung von Umweltschäden nicht nur bei der Bemessung der Sondervergütung, sondern bereits bei der Bemessung des Bergelohns (SS 743 Abs 1 S 2 Nr 2, 744 Abs 3 S 2 HGB) sowie die Neudefinition der „Bergungskosten" (§742 Abs 2 S 2 HGB). Neu ist darüber hinaus, daß dem Berger durch einstweilige Verfügung eine Abschlagszahlung zugesprochen werden kann ($ 753a HGB), der Ausgleichsanspruch der Schiffsbesatzung (§ 747 HGB) sowie die ausdrückliche Regelung der Vertretungsmacht im Zusammenhang mit Bergungsmaßnahmen und der Voraussetzungen, unter denen einzelne oder sämtliche Bestimmungen eines Bergungsvertrags abgeändert oder für nichtig erklärt werden können. 4.

SS 740ff HGB und Bergungsvertrag

6 Die Anwendbarkeit der SS 740ff HGB iVm S 93 ist grundsätzlich (vgl aber Rn 9) unabhängig davon, ob die Parteien einen Bergungs- oder Schleppvertrag geschlossen haben. 8 In der Binnenschiffahrt ist der Abschluß eines solchen Vertrags die Regel. S 750 HGB sieht den Abschluß und die Inhaltskontrolle eines solchen Bergungsvertrags vor und die Regelung in § 743 HGB betreffend die Höhe des Bergelohns steht ausdrücklich unter dem Vorbehalt einer Vereinbarung der Parteien. Die Vorschriften der SS 740ff HGB sind weitgehend dispositiv, weshalb in einem Bergungs vertrag hiervon abgewichen werden kann. Dies gilt sogar für das Erfolgserfordernis gem S 742 Abs 1 S 1 HGB, das auch durch allgemeine Geschäftsbedingungen abbedungen werden kann. Wegen der Bedeutung des Grundsatzes „no cure - no pay" muß dessen Abbedingung aber ausdrücklich erfolgen. 9 In der Binnenschiffahrt wird das Erfolgserfordernis regelmäßig vertraglich abbedungen. Zudem wird die Haftung des Bergers beschränkt und als Vergütung ein fester Stun-

8 9

376

BGH VersR 1958, 510, 511. Raiκ SeeHR $ 741 HGB Rn 2.

Siebenter Abschnitt. Zusammenstoß von Schiffen, Bergung

§ 9 3 BinSchG

densatz vereinbart.10 Nicht dispositiv sind lediglich § 747 Abs 1 und 2 HGB (vgl § 747 Abs 3 HGB), § 741 Abs 1 (vgl § 741 Abs 1 S 3 HGB) und § 750 Abs 2 (vgl Art 6 Abs 3 IÜB). Ebenfalls zwingend sind die Vorschriften über die Pfandrechte des Gläubigers gem §§ 751, 752 HGB. Aus Gründen der Rechtsklarheit ist die Normierung der dinglichen Rechte nach Art („Typenzwang") und Inhalt („Typenfixierung") grundsätzlich als abschließend anzusehen. Wurde, etwa bei einer Bergung durch einen nicht gewerblichen Berger, ein Bergungsvertrag nicht geschlossen und auch sonst keine besondere Vereinbarung getroffen, gelten die §§ 740ff HGB iVm § 9 3 uneingeschränkt. Liegt ein Bergungsvertrag bzw Schleppvertrag vor, handelt es sich üblicherweise um 7 einen Werkvertrag. 11 Wesentlich ist diesen Verträgen zumeist eine möglichst weitgehende Haftungsfreizeichnung. Während in der Seeschiffahrt idR auf der gesetzlichen Grundlage „no cure - no pay" gearbeitet wird,12 ist dies in der Binnenschiffahrt die Ausnahme. Dort wird die Vorschrift des § 742 Abs 1 S 1 HGB zumeist abbedungen. Die §§ 740ff HGB iVm § 93 bleiben neben den vertraglichen Bestimmungen anwendbar, sofern nichts Abweichendes vereinbart wurde.13 Die §§ 740ff HGB iVm § 93 sind nur dann anwendbar, wenn sich ein Schiff in Gefahr 8 befindet (§ 740 Abs 1 HGB). Gilt der geschlossene Vertrag der Bergung eines Wracks, dh eines endgültig verlorenen Schiffes (vgl § 740 HGB Rn 8), kann auf die §§ 740ff HGB auch nicht hilfsweise zurückgegriffen werden. In diesem Fall liegt eine Bergung im Rechtssinne nicht vor, so daß der Vertrag ein normaler Dienst- oder, wie meistens, Werkvertrag ist, der sich nach den allgemeinen Vorschriften (§§61 Iff, 631ff BGB) richtet. Keinen Anspruch auf Bergelohn, sondern nur einen Anspruch auf den vereinbarten 9 Dienst- oder Werklohn hat idR derjenige, der, zB als Schlepper, in bezug auf das Schiff einen Dienst- oder Werkvertrag abgeschlossen hatte, bevor dieses in Gefahr geraten ist (vgl § 745 Abs 1 HGB). 5.

SS 740ff HGB und Geschäftsführung ohne Auftrag (SS 677ff BGB)

Die §§ 740ff HGB schließen Ansprüche aus Geschäftsführung ohne Auftrag gem 10 §§ 677ff BGB nicht aus.14 Anders als nach §§ 740ff HGB kann der Hilfeleistende nach den Grundsätzen der Geschäftsführung ohne Auftrag allenfalls seine Aufwendungen iSv §§ 670, 683 BGB erstattet verlangen. Ein darüber hinausgehender Anspruch auf

10 11 12 13 14

Vgl insoweit auch die IVR Bedingungen für Hilfeleistungen 2004 (www.ivr.nl/pdf/Turnauftrag.pdf). BGHVersR19S8,510,511. Vgl etwa den Lloyd's Standard Form of Salvage Agreement - Lloyd's open Form (LÖF 2000), abgedruckt zB unter www.lloydsoflondon.com). RGZ 32, 4, 8; 70, 274, 276t BGH MDR 1967, 111, 112.

377

BinSchG § 9 3

Bergung

die übliche Vergütung kann nur geltend gemacht werden, wenn die Geschäftsführung in den Bereich der gewerblichen oder beruflichen Tätigkeit des Geschäftsführers fällt. 15 Auf die §§ 740ff und insbesondere §§ 742 bis 744 HGB kann sich der Hilfeleistende nur berufen, wenn deren Voraussetzungen vorliegen, sich also insbesondere ein Vermögensgegenstand in Gefahr befunden hat. 6.

Internationales Privatrecht

11 Die Verweisung des § 93 erstreckt sich ausdrücklich auch auf die Kollisionsnorm des Art 8 EGHGB. Danach sind die Vorschriften über die Bergung entsprechend Artt 2 und 23 Abs 2 IBÜ von deutschen Gerichten grundsätzlich unabhängig von den sonstigen Regelungen des IPR anzuwenden (Art 8 Abs 1 S 1 EGHGB). Nicht anwendbar sind damit insbesondere die Artt 28 und 39 EGBGB. Für die in Art 8 Abs 1 S 1 EGHGB nicht aufgeführten, weil nicht auf Vorgaben des IBÜ beruhenden §§ 751 und 752 HGB bleibt es bei der Anwendbarkeit der allgemeinen kollisionsrechtlichen Vorschriften in den Artt 43ff EGBGB. 16 Für den in Art 8 Abs 1 S 1 EGHGB ebenfalls nicht in bezug genommenen § 757 HGB betr den Ausgleichsanspruch der Schiffsbesatzung bestimmt Art 8 Abs 1 S 2 HGB in Übereinstimmung mit Art 15 Abs 2 IBÜ, daß dann, wenn die Bergung von einem Schiff aus durchgeführt wurde, für die Beantwortung der Frage nach dem auf den Ausgleichsanspruch anzuwendenden Recht auf die Flagge des bergenden Schiffs abzustellen ist. Erfolgen die Bergungsmaßnahmen nicht von einem Schiff aus, gilt das Recht, dem der Dienstvertrag (vgl Artt 27, 28 EGBGB) oder der Arbeitsvertrag (vgl Art 30 EGBGB) unterliegt. Ist danach deutsches Recht anzuwenden, bleibt es bei der Geltung des § 747 HGB. Der Gesetzgeber hält die Verweisung in Art 8 Abs 1 S 2 EGHGB für eine Sachrechtsverweisung, so daß abweichend vom Grundsatz des Art 4 Abs 1 S 1 EGBGB eine Rück- oder Weiterverweisung nicht in Betracht kommt. 17 12 Ungeachtet der in Art 8 Abs 1 S 1 und S 2 EGHGB geregelten objektiven Anknüpfung steht es den Beteiligten nach Art 8 Abs 1 S 3 EGHGB frei, gem Artt 27 bzw 42 EGBGB das auf ihr Rechtsverhältnis anzuwendende Recht zu wählen. Allerdings darf eine solche Rechts wähl nicht zu einer Abbedingung der §§ 742 Abs 1 und 750 Abs 2 HGB führen. Hierbei handelt es sich im Hinblick auf Art 6 Abs 3 IBÜ um international zwingendes Recht iSv Art 34 EGBGB. 18 13 Kommt es aufgrund der Regelungen des Art 8 Abs 1 EGHGB zur Anwendung deutschen Sachrechts, unterliegt gem Art 8 Abs 2 EGHGB auch der Zinsanspruch des Bergers dem deutschen Recht. Diese Vorschrift entspricht Art 24 IBÜ.

15 16 17 18

BGHZ 65, 384, 3S9f; 69, 34, 36; NJW-RR 1989, 9701. Begr 3. SRÄG, BT-Drs 14/4672, 25. Begr 3. SRÄG, BT-Drs 14/4672, 25. Begr 3. SRÄG, BT-Drs 14/4672, 25.

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Siebenter Abschnitt. Zusammenstoß von Schiffen, Bergung

§ 93

BinSchG

Ungeachtet von Art 8 Abs 1 und Abs 2 EGHGB unterliegen die Verpflichtungen zwischen den Parteien dann, wenn die Bergung durch eine Behörde erfolgt, stets dem Recht des Staates, dem die Behörde angehört. Art 8 Abs 3 EGHGB, der dies regelt, setzt Art 5 Abs 3IBÜ ins deutsche Recht um.

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Achter Abschnitt Schiffsgläubiger $ 102 [Forderungen mit Schiffsgläubigerrecht] Die nachstehenden Forderungen gewähren die Rechte eines Schiffsgläubigers: 1. die öffentlichen Schiffs- und Schiffahrtsabgaben, insbesondere die Brücken-, Schleusen-, Kanal- und Hafengelder; 2. die aus den Dienstverträgen herrührenden Forderungen der Schiffsbesatzung, Gehalts- und Lohnforderungen für die Vergangenheit, jedoch höchstens für den Zeitraum von sechs Monaten, gerechnet von der im Zwangversteigerungsverfahren erfolgenden Beschlagnahme des Schiffes ab; 3. die Lotsengelder sowie Bergelohn oder Sondervergütung einschließlich Bergungskosten; die Beiträge des Schiffes zur großen Haverei; 4. die Forderungen wegen Personenschäden (§ 4 Abs. 2) und wegen Sachschäden (S 4 Abs. 3), die an Bord oder in unmittelbarem Zusammenhang mit dem Betrieb des Schiffes eingetreten sind; 5. die nicht unter eine der vorigen Nummern fallenden Forderungen aus Rechtsgeschäften, welche der Schiffer als solcher kraft seiner gesetzlichen Befugnisse (SS 15 und 16) und nicht mit Bezug auf eine Vollmacht geschlossen hat; 6. die Forderungen der Träger der Sozialversicherung einschließlich der Arbeitslosenversicherung gegen den Schiffseigner.

Übersicht Rn 1. Allgemeines 2. Ein Schiffsgläubigerrecht gewährende Forderungen 3. Öffentliche Schiffs- und Schiffahrtsangaben ($ 102 Nr 1) 4. Forderungen der Schiffsbesatzung (J 102 Nr 2) 5. Lotsengelder, Bergelohn, Sondervergütung, Beiträge zur großen Haverei ($102 Nr 3) . . 6. Forderungen wegen Personen- und Sachschäden ($ 102 Nr 4) 7. Forderungen aus Rechtsgeschäften des Schiffsführers ($ 102 Nr 5) 8. Forderungen der Träger der Sozialversicherung ($ 102 Nr 6) 9. Internationales Privatrecht

1-2

3-6 7 8-10

11-14 15 16 17 18-21

381

BinSchG $ 102 1.

Forderungen mit Schiffsgläubigerrecht

Allgemeines

1 Das Gesetz gewährt den Gläubigern des Schiffseigners für bestimmte Forderungen (§ 102 Nr Ibis 6) ein besitzloses Pfandrecht an dem Schiff nebst Zubehör (S 103 Abs 1). Diese Gläubiger nennt das Gesetz Schiffsgläubiger und dementsprechend wird ihr Pfandrecht auch als Schiffsgläubigerrecht bezeichnet. Als Belastung des Eigentums an dem Schiff stellt es ein beschränktes dingliches Recht dar und gewährt dem Schiffsgläubiger ein dingliches Verwertungsrecht zur Befriedigung aus dem Pfand für die pfandgesicherte Forderung. Das Schiffsgläubigerrecht entsteht ausschließlich kraft Gesetzes und unabhängig davon, in wessen Besitz sich das Schiff befindet (vgl § 103 Abs 2). Anders als die Schiffshypothek (§§ 24ff SchiffsRG) als dem anderen wichtigen dinglichen Recht an Schiffen bedarf es zu seiner Entstehung auch nicht der Eintragung im Schiffsregister und setzt auch nicht voraus, daß das von ihm betroffene Schiff überhaupt im Schiffsregister eingetragen ist. Das Schiffsgläubigerrecht ist also gleichsam „unsichtbar", was sowohl für den Erwerber eines Binnenschiffs als auch für den Schiffsgläubiger selbst nicht unerhebliche Risiken birgt (vgl SS 103 bis 105 Rn 19). Das Schiffsgläubigerrecht gewährt als gesetzliches Pfandrecht (§S 103 bis 105 Rn 1) ein Recht auf vorzugsweise (§§ 103 Abs 3,109 BinSchG iVm § 805 ZPO) und, im Falle der Insolvenz, auf abgesonderte Befriedigung (§ 50 Abs 1 InsO). Die Gläubiger der in § 102 aufgeführten Forderungen werden hierdurch insbesondere auch gegenüber den Gläubigern von Schiffshypotheken in nicht unerheblicherweise privilegiert. 2 Bis zum Inkrafttreten des GÄHB am 1. 9. 1998 und dem damit verbundenen Übergang vom System der Exekutionshaftung zur Summenhaftung (§ 4 Rn 1) wurde diese Privilegierung vor allem damit begründet, daß der Gläubiger dafür, daß ihm der Schiffseigner nicht unbegrenzt persönlich, sondern nur dinglich beschränkt mit Schiff und Fracht haftet, als Ausgleich ein gesetzliches Pfandrecht an diesem Haftungsgut bekommen müsse. Das Schiffsgläubigerrecht bildete damit gleichsam ein Korrelat der dinglich beschränkten Schiffseignerhaftung. 1 Gleichwohl hat der Gesetzgeber mit der Einführung der lediglich summenmäßig beschränkbaren Haftung des Schiffseigners in der Binnenschiffahrt wie im Seerecht (vgl §§ 754ff HGB) davon abgesehen, die Schiffsgläubigerrechte vollständig zu beseitigen. Mit Ausnahme einiger redaktioneller Anpassungen verblieb es bei der grundsätzlichen Privilegierung bestimmter Gläubiger. Begründet wurde diese Zurückhaltung mit sozialpolitischen Motiven2 und mit dem Hinweis auf die im Seerecht aufgrund der Zeichnung des Internationalen Übereinkommens vom 6. 5. 1993 über die Schiffsgläubigerrechte und Schiffshypotheken3 durch den deutschen Gesetzgeber absehbaren gesetzlichen Änderungen, denen man nicht vorgreifen wollte.4

1 2 3 4

Vgl Begr BinSchG, 353. Begr GÄHB, BT-Drs 13/8446, 36. Abgedruckt in TranspR 1994,253ff. Vgl hierzu Czerwenka TranspR 1994,213ff. Vgl Begr GÄHB, BT-Drs 13/8446, 35.

382

Achter Abschnitt. Schiffsgläubiger

2.

§ 102 BinSchG

Ein Schiffsgläubigerrecht gewährende Forderungen

Das Gesetz gewährt ein Schiffsgläubigerrecht ausschließlich für bestimmte, in § 102 3 Nr. 1 bis 6 abschließend aufgezählte Forderungen. Eine entsprechende Anwendung der §§ 102ff auf andere Forderungen ist ausgeschlossen.5 Bei den §§ 102ff handelt es sich um Ausnahme- und Sondervorschriften, die einer analogen Anwendung auf andere Forderungen nicht zugänglich sind. Im übrigen hätte es der Gesetzgeber in der Hand gehabt, anläßlich der Novellierung der §§ 102ff im Jahr 1998 (vgl Rn 2) den Katalog des § 102 zu ergänzen. Die Reihenfolge der in § 102 aufgeführten Forderungen hat gem § 107 Bedeutung für den Rang der durch die Forderungen gewährten Schiffsgläubigerrechte. Die in § 102 genannten Forderungen müssen sich nicht zwingend gegen den Eigen- 4 tümer des Schiffes richten, wohl aber gegen dessen Eigner bzw Ausrüster (§§ lf). Da das akzessorische Schiffsgläubigerrecht (§ 103 Rn 2) das Bestehen einer Forderung voraussetzt, der Schiffseigner aber nicht gegen sich selbst eine Forderung haben kann, ist ein Schiffsgläubigerrecht des Schiffseigners am eigenen Schiff grundsätzlich ausgeschlossen.6 Ein ursprüngliches Eigentümerpfandrecht gibt es nicht. Vorschriften wie die §§ 1163 und 1196 BGB für die Hypothek und die Grundschuld fehlen für das Mobiliarpfandrecht.7 Etwas anderes gilt gem § 1256 Abs 1 S 2 und Abs 2 iVm § 1257 BGB ausnahmsweise für nachträgliche Eigentümerpfandrechte. Begleicht der Eigentümer eines mit einem Schiffsgläubigerrecht belasteten Schiffes aufgrund §§ 1249,1257 BGB die gegen den Ausrüster gerichtete Forderung, um eine Verwertung seines Schiffes zu verhindern (vgl § 2 Abs 2), so geht das Schiffsgläubigerrecht gem §§412, 401, 1250, 1256 iVm § 1257 BGB auf den Eigentümer über, wenn die Forderung, für die das Schiffsgläubigerrecht besteht, mit dem Recht eines Dritten belastet ist oder soweit der Eigentümer ein rechtliches Interesse an dem Fortbestehen des Pfandrechts hat. Ein solches rechtliches Interesse ist zu bejahen, wenn das Schiffsgläubigerrecht einem anderen Pfandrecht an dem Schiff (Schiffsgläubigerrecht oder Schiffshypothek) vorgeht (vgl §§ 106 bis 109). 8 Einen ausdrücklich geregelten Fall eines Schiffsgläubigerrechts am eigenen Schiff enthalten die §§ 742 Abs 1 S 2, 751 Abs 1 HGB iVm § 93 BinSchG im Hinblick auf den Anspruch auf Bergelohn (§ 742 HGB Rn 7). Eine entsprechende Anwendung dieser Vorschriften zB auf den Fall einer Kollision zwischen zwei Schiffen desselben Eigners aus Gründen der Billigkeit ist angesichts ihres Ausnahmecharakters abzulehnen.9

5 6 7 8 9

BGH VersR 19SS, 359,360; Rabe SeeHR $ 754 HGB Rn 1; aA noch BGH VersR 1969, 5S2. Rabe SeeHR vor § 754 HGB Rn 7. jauernigBGB § 1256 Rn 1. Rabe SeeHR vor $ 754 HGB Rn 5; vgl auch RGZ 32, 4, l l f ; 45, 50, 53f; OLG Hamburg HansGZ Hauptbl 1899 Nl' 83,191, 199. Rabe SeeHR vor $ 754 HGB Rn 7; RGZ 45, 50, 54f; aA Mittelstein Recht der Binnenschiffahrt, 403.

383

BinSchG $ 102

Forderungen m i t Schiffsgläubigerrecht

5 Ohne daß dies in § 102 in allen Fällen ausdrücklich erwähnt wäre, muß sich die Forderung auf den Betrieb eines bestimmten Schiffes beziehen, das mit dem Schiffsgläubigerrecht belastet werden soll. Ein Schiffsgläubigerrecht entsteht auch an einem Schiff, das im Zeitpunkt des Schadenseintrittes schon nicht mehr dem verantwortlichen Schiffseigner gehört, dieser im Zeitpunkt der Vornahme der schuldhaften, haftungsbegründenden Handlung aber noch dessen Eigentümer war.10 6 Wie schon unter dem System der Exekutionshaftung nicht allein solche Forderungen ein Schiffsgläubigerrecht gewährt haben, für die der Schiffseigner nur dinglich beschränkt gehaftet hat, 11 kann nicht für sämtliche in § 102 aufgeführten Ansprüche die Haftung nach §§ 4ff beschränkt werden. In allen Fällen des § 102 sind die Forderungen, für die der Schiffseigner persönlich, ggf begrenzt nach §§ 5dff, einzustehen hat, jedoch zusätzlich dinglich durch ein Schiffsgläubigerrecht gesichert. 3.

Öffentliche Schiffs- und Schiffahrtsabgaben (§ 102 Nr 1)

7 Zu den öffentlichen Schiffs- und Schiffahrtsabgaben zählt das Gesetz insbesondere Brücken-, Schleusen-, Kanal- und Hafengelder12. Die Aufzählung ist nicht abschließend. Abzustellen ist darauf, ob die Abgabe für öffentliche Einrichtungen und Leistungen zugunsten des Schiffsverkehrs in eine öffentliche Kasse fließt. Nicht erforderlich ist dagegen, daß die Abgabe aufgrund einer öffentlich-rechtlichen Vorschrift erhoben wird.13 Zu den Schiffahrtsabgaben iSv § 102 Nr 1 gehören auch Kaigebühren, 14 Quarantänegelder,15 öffentliche Lotsengelder, die meist zu den Hafenkosten erhoben werden, sowie Beiträge zu Abwrackfonds16. 4.

Forderungen der Schiffsbesatzung (§ 102 Nr 2)

8 § 102 Nr 1 gilt für sämtliche vertraglichen Ansprüche der Besatzungsmitglieder (§ 3 Rn 17ff) gegen den Schiffseigner bzw Ausrüster, die auf ein Dienstverhältnis zurückgehen. Erfaßt werden daher neben den ausdrücklich genannten Gehalts- und Lohnforderungen zB auch der arbeitsrechtliche Freistellungsanspruch (§ 7 Rn 15ff), Schadensersatzansprüche (zB §§280, 611a Abs 2 oder 628 Abs. 2 BGB), Ansprüche auf Lohnfortzahlung nach dem Entgeltfortzahlungsgesetz, der Anspruch auf Krankenfürsorge (§ 617 BGB) oder der Abfindungsanspruch nach § la Kündigungsschutzgesetz. Unerheblich ist, ob der Anspruch auf einer Individualvereinbarung, einem Ta10 11 12 13 14 15 16

384

BGH ZfB 1 9 8 3 , 2 8 7 . Vgl Voraufis 102 BinSchG Rn 9. Hierzu BGH ZfB 1972, 143f. OLG Hamburg HansGZ Hauptbl 1900 Nr 37. OLG Hamburg TranspR 1994, 69. RGZ 25, 92, 94. LG Duisburg Urt ν 29. 3 . 1 9 9 5 (Az 10 Ο 445/94); OLG Düsseldorf Urt ν 4 . 7 . 1 9 9 S (Az 13 U 106/95); aA VG Düsseldorf ZfB 1 9 7 7 , 4 8 3 , 4 8 4 zu dem gleichlautenden $ 117 Abs 1 Nr 1 BinSchG.

Achter Abschnitt. Schiffsgläubiger

§ 102 BinSchG

rifvertrag oder auf gesetzlichen Bestimmungen beruht. Für private Lotsengelder gilt § 102 Nr 3 (Rn 11), öffentliche Lotsengelder unterfallen § 102 Nr 1 (Rn 7). Da das Gesetz nicht von Arbeitsvertrag, sondern von Dienstvertrag spricht, ist nicht 9 erforderlich, daß das Besatzungsmitglied Arbeitnehmer des Schiffseigners ist. Dienstvertragliche Ansprüche eines selbständigen Matrosen („Ich-AG") unterfallen daher ebenfalls § 102 Nr 2, sofern der Matrose tatsächlich Mitglied der Schiffsbesatzung ist. Beruht die Leistung von Schiffsdiensten dagegen nicht auf einem Dienstvertrag, sondern zB allein auf verwandtschaftlichen oder ehelichen Verbindungen, gewähren Ansprüche hieraus kein Schiffsgläubigerrecht nach § 102 Nr 2. Das Schiffsgläubigerrecht ist auf Forderungen der Schiffsbesatzung für die Vergan- 10 genheit auf einen Zeitraum von sechs Monaten, gerechnet von der im Zwangsversteigerungsverfahren erfolgten Beschlagnahme des Schiffes an, beschränkt. Durch diese Einschränkung, die durch § 24 des Gesetzes über den Vollstreckungsschutz für die Binnenschiffahrt vom 24. 5.1933 1 7 eingefügt wurde und die entgegen dem insoweit mißverständlichen Gesetzeswortlaut nicht nur für Lohn- und Gehaltsforderungen, sondern für sämtliche Ansprüche iSv § 102 Nr 2 BinSchG gilt, wird eine zu große Benachteiligung der anderen Schiffspfandgläubiger verhindert. Nur bei dem arbeitsrechtlichen Freistellungsanspruch macht die Rspr insoweit eine Ausnahme, als das hierfür erworbene Schiffsgläubigerrecht im Zwangsversteigerungsverfahren auch dann zu berücksichtigen ist, wenn es mehr als sechs Monate vor der Beschlagnahme des Schiffes entstanden ist.18 5.

Lotsengelder, Bergelohn oder Sondervergütung, Beiträge zur großen Haverei (§ 102 Nr 3)

Zu den Lotsengelder gehören alle Forderungen der freiwillig angenommenen Lot- 11 sen (§ 3 Rn 14). Zwangslotsen gibt es auf den deutschen Binnenwasserstraßen nicht. Öffentliche Lotsengelder unterfallen § 102 Nr 1 (Rn 7). Zum Bergelohn (§ 742 Abs 1 HGB iVm § 93), den Bergungskosten (§ 742 Abs 2 HGB 12 iVm § 93) und der Sondervergütung des Bergers (§ 744 HGB iVm § 93) siehe ie die dortige Kommentierung. Diese Ansprüche gewähren auch dann ein Schiffsgläubigerrecht, wenn sie auf einer vertraglichen Vereinbarung beruhen. Die Forderung des Eigentümers einer dem öffentlichen Verkehr gewidmeten Wasserstraße auf Ersatz seiner Aufwendungen für die Suche und Bergung von Ladungsteilen, die beim Untergang eines Schiffes über Bord gegangen sind, oder für Maßnahmen in bezug auf dieses Schiff gewähren dagegen kein Schiffsgläubigerrecht an dem havarierten Schiff. 19 17 18 19

RGBl I, 289, 292. BGHZ 66,1, 6. BGH VersR 1986, 359,360; aA noch BGH VersR 1969, 562.

385

BinSchG $ 102

Forderungen mit Schiffsgläubigerrecht

13 Zu den Beiträgen des Schiffes zur großen Haverei, für die die Vergütungsberechtigten gem §§ 89 Abs 1 , 1 0 2 Nr 3 ein Schiffsgläubigerrecht erwerben, s § 85 BinSchG iVm SS 709ff HGB. 14 Bis zum Inkrafttreten des GÄHB (§ 4 Rn 1) zählten zu den Forderungen, die nach § 102 Nr 3 ein Schiffsgläubigerrecht gewähren, auch die aus Notgeschäften des Schiffsführers (§ 15). Diese Ansprüche gewähren jetzt als Unterfall der Forderungen aus vom Schiffsführer kraft seiner gesetzlichen Befugnisse abgeschlossenen Geschäfte nach S 102 Nr 5 ein Schiffsgläubigerrecht mit etwas schlechterem Rang. Wegen aktueller Entwicklungen im internationalen Seerecht hat der Gesetzgeber bewußt davon abgesehen, auch Ansprüche wegen Wrackbeseitigung (§ 4 Rn 27 bis 29) mit einem Schiffsgläubigerrecht auszustatten, obwohl § 754 Nr 4 HGB ein solches für das Seerecht derzeit noch vorsieht.20 6.

Forderungen wegen Personen- und Sachschäden (§ 102 Nr 4)

15 § 102 Nr 4 faßt nunmehr die Ansprüche wegen Sach- und Personenschäden (S 4 Rn lOff), die an Bord oder in unmittelbarem Zusammenhang mit dem Betrieb des Schiffes eingetreten sind (§ 4 Rn 20ff), in einer Gruppe von Schiffsgläubigerrechten zusammen. Ebenfalls neu ist die Gleichstellung der Ansprüche wegen der Tötung und Verletzung von Reisenden mit den Ansprüchen wegen sonstiger Personenschäden. Erfaßt werden wie iRd S 4, auf den S 102 Nr 4 verweist, sowohl vertragliche als auch außervertragliche Ansprüche. Anders als im Seerecht gewähren im Binnenschiffahrtsrecht auch Ansprüche wegen Ladungs- und Reisegepäckschäden (§ 77 Rn 19ff) auch weiterhin ein Schiffsgläubigerrecht, obwohl dies im Gesetzeswortlaut nicht mehr explizit zum Ausdruck kommt. 21 7.

Forderungen aus Rechtsgeschäften des Schiffsführers (S 102 Nr 5)

16 Da die praktische Bedeutung der Vorschriften betr die Vollmacht des Schiffsführers gem §§15 und 16 infolge der modernen Kommunikationsmittel in den vergangenen Jahrzehnten immer weiter zurückgegangen ist (§§15-19 Rn 1), spielen auch die Schiffsgläubigerrechte für Ansprüche aus auf dieser Grundlage geschlossenen Rechtsgeschäften heute keine große Rolle mehr. Berücksichtigt man zudem, daß der Schiffseigner für derartige Ansprüche nicht einmal mehr seine persönliche Haftung beschränken kann (vgl § 4 R n l 6 ) und daß auch das Seerecht ein vergleichbares Schiffsgläubigerrecht nicht mehr kennt, überrascht, daß der Gesetzgeber im Binnenschiffahrtsrecht an diesem Schiffsgläubigerrecht festgehalten hat. Er rechtfertigt dies damit, daß auch weiterhin die Notwendigkeit bestehe, Gläubiger, die ihre Forde-

20 21

386

Begl'GÄHB,BT-Drs 13/8446,35. Begr GÄHB, BT-Drs 13/8446, 36.

Achter Abschnitt. Schiffsgläubiger

§ 102 BinSchG

rung gegen einen im Ausland sitzenden Schiffseigner häufig nur schwer durchsetzen könnten, ausreichend zu sichern. 22 Nicht mehr durch ein Schiffsgläubigerrecht gesichert sind dagegen Forderungen wegen Nicht- oder Schlechterfüllung von Geschäften, die der Schiffseigner selbst abgeschlossen hat. Außer bei reinen Vermögensschäden bietet jedoch insoweit regelmäßig § 1 0 2 Nr 4 ausreichend Schutz. Gleiches gilt für die vor 1998 noch gesondert in § 102 Nr 5 aF aufgeführten Forderungen aus dem Verschulden einer Person der Schiffsbesatzung. 8.

Forderungen der Träger der Sozialversicherung (§ 102 Nr 6)

Durch ein Schiffsgläubigerrecht nach § 102 Nr 6 werden nur Ansprüche gesichert, 17 die sich auf Dienstverhältnisse von Mitgliedern der Schiffsbesatzung beziehen und sich gegen den Schiffseigner bzw Ausrüster richten. Ansprüche mit bezug auf Arbeitsverhältnisse von Arbeitnehmern an Land werden nicht erfaßt. Gesichert werden alle Arten von Ansprüchen, insbesondere Beiträge, Vorschüsse und Sicherstellungsbeiträge sowie Geldstrafen.23 9.

Internationales Privatrecht

a)

Rechtsverhältnisse an Transportmitteln

Durch das Gesetz zum Internationalen Privatrecht für außervertragliche Schuld- 18 Verhältnisse und Sachen vom 21. 5. 1999 24 erfuhr das deutsche Internationale Sachenrecht in den neu eingefügten Artt 43 bis 46 EGBGB erstmals eine gesetzliche Regelung. Der davor gewohnheitsrechtlich geltende Grundsatz, wonach die Rechtsverhältnisse an einer Sache nach der lex rei sitae zu beurteilen sind, wurde in Art 43 Abs 1 EGBGB bestätigt. Danach unterliegen die Rechte an einer Sache dem Recht des Staates, in dem sich die Sache befindet. Allerdings war schon früher deutlich geworden, daß dieser Grundsatz auf Transportmittel nur schwer anwendbar ist, da diese ihrer Bestimmung gemäß nicht dauerhaft an einem Ort verbleiben und die an ihnen bestehenden Rechte somit beständigen Wandlungen ausgesetzt wären. Soweit diese Transportmittel aber unter einer bestimmten Flagge reisten oder in ein Schiffsregister eingetragen waren, bot sich auch für sie ein Anknüpfungsmoment, das kaum Änderungen unterliegt. Der neue Art 45 Abs 1 EGBGB übernahm diesen gewohnheitsrechtlichen Grundsatz und ordnet für Rechte an Luft-, Wasser- und Schienenfahrzeugen - vorbehaltlich einer anderen wesentlich engeren Verbindung (Art 46 EGBGB) - die Anknüpfung an den Herkunftsstaat an. Bei Wasserfahrzeugen ist dies,

22 23 24

Begr GÄHB, BT-Drs 13/8446, 36. Rabe SeeHR $ 754 HGB Rn 6. BGBl I, 1026.

387

BinSchG SS 1 0 3 - 1 0 5

Schiffsgläubigerrecht

soweit sie eingetragen sind, der Staat der Registereintragung, ansonsten der Staat des Heimathafens (§ 480 HGB) oder des Heimatorts iSv § 6 (Art 45 Abs 1 Nr 2 EGBGB). 25 b)

Entstehung und Rangfolge gesetzlicher Sicherungsrechte (Art 45 Abs 2 EGBGB)

19 In Abweichung zu dem in Art 45 EGBGB aufgestellten Grundsatz unterliegt die Entstehung gesetzlicher Sicherungsrechte an den in Art 45 Abs 1 EGBGB aufgezählten Fahrzeugen gem Art 45 Abs 2 EGBGB dem Recht, das auf die zu sichernde Forderung anzuwenden ist. Zum Schutz der Gläubiger wird hierdurch erreicht, daß der Schuldner durch einen Wechsel des Flaggen- oder Registerrechts keinen Wechsel des anwendbaren Sachrechts herbeiführen kann. 26 Stellt sich also die Frage, ob aufgrund eines Anspruchs gegen den Schiffseigner wegen der Beschädigung eines Schiffes gem § 102 Ziff 4 auch ein Schiffsgläubigerrecht entstanden ist, so ist etwa anhand Art 40 EGBGB zunächst festzustellen, welchem Recht der Ersatzanspruch unterliegt. Nach diesem Recht beurteilt sich dann auch die Entstehung des Schiffsgläubigerrechts. 20 Im Bereich des Binnenschiffahrtsrechts ist Art 45 Abs 2 EGBGB insbesondere für die Schiffsgläubigerrechte iSv § 102 bedeutsam. Nach seinem ausdrücklichen Wortlaut gilt Art 45 Abs 2 EGBGB nicht für die übrigen Schiffspfandrechte wie die Schiffshypothek. Hierfür gilt wiederum nach der allgemeinen Vorschrift des Art 45 Abs 1 EGBGB das Recht des Registerorts. 27 21 Die Rangfolge mehrerer Sicherungsrechte in der Zwangsvollstreckung richtet sich gem Art 45 Abs 2 S 2 EGBGB nach dem Recht des tatsächlichen Belegenheitsortes iSv § 43 Abs 1 EGBGB, also regelmäßig der lex fori des Vollstreckungsgerichts.

§ 103 [Pfandrecht an Schiff und Zubehör] (1) Die Schiffsgläubiger haben an dem Schiff nebst Zubehör ein Pfandrecht. (2) Das Pfandrecht ist gegen jeden dritten Besitzer des Schiffes verfolgbar. (3) Die Befriedigung aus dem Pfände erfolgt auf Grund eines vollstreckbaren Titels nach den Vorschriften über die Zwangsvollstreckung.

25 26 27

388

Krit zur Anknüpfung an den Heimathafen bzw -ort Manlwwski TranspR 1996,228ff. Vgl SpickhofTNlW 1999, 2209,2214. Zur Anerkennung von im Ausland wirksam begründeter Schiffspfandrechte in Deutschland BGH ZfB 1992, SaS 1384, 1385f.

Achter Abschnitt. Schiffsgläubiger

SS 1 0 3 - 1 0 5 BinSchG

$104

[Pfandrecht an Schiffen eines Verbands]

Sind mehrere Schiffe in einem Schleppzug, einem Schubverband oder einem Verband von fest gekoppelten Schiffen mit eigener Antriebskraft vereinigt, so erstreckt sich das Pfandrecht des Schiffsgläubigers nur auf dasjenige Schiff, welches den Schaden verursacht hat.

$105

[Pfandrecht für Haupt- und Nebenforderungen]

Das einem Schiffsgläubiger zustehende Pfandrecht gilt in gleichem Maße für Kapital, Zinsen und Kosten.

Übersicht Rn 1. Allgemeines 2. Entstehung des Schiffsgläubigerrechts 3. Gegenstand des Pfandrechts 4. Gesicherte Forderung ($105)

1 2 3-7 8-13

5. Übertragung des Schiffsgläubigerrechts 6. Erlöschen des Schiffsgläubigerrechts

14 15-20

7. Rechtsstellung des Schiffsgläubigers (§ 103 Abs 2 und 3) 8. Geltendmachung des Schiffsgläubigerrechts (§ 103 Abs 3)

21 22-30

1.

Allgemeines

Das binnenschiffahrtsrechtliche Schiffsgläubigerrecht ist ein gesetzliches, besitzloses 1 Pfandrecht sui generis,1 für das in erster Linie die S§ 102 bis 115 gelten. Zwar können über § 1257 BGB auf das bestehende Schiffsgläubigerrecht grundsätzlich auch die §§ 1204ffBGB zur Anwendung kommen. Dies gilt jedoch nur, wenn Vorschriften des BinSchG dem nicht entgegenstehen. Auf das Schiffsgläubigerrecht nicht anwendbar sind dagegen die Vorschriften über die Schiffshypothek (SS 24JT SchiffsRG). Gleiches gilt trotz der Nähe des binnenschiffahrtsrechtlichen Schiffsgläubigerrecht zum seerechtlichen Schiffsgläubigerrecht für die §§ 754ff HGB.

1

RGZ 114,380, 383f; 134, 116,120.

389

BinSchG SS 1 0 3 - 1 0 5 2.

Schiffsgläubigerrecht

Entstehung des Schiffsgläubigerrechts

2 Das Schiffsgläubigerrecht ist streng akzessorisch und entsteht kraft Gesetzes mit der Begründung einer der in § 102 genannten Forderungen (§ 102 Rn3ff). Anders als beim vertraglichen Pfandrecht ist weder eine dingliche Einigung über die Entstehung des Pfandrechts noch eine Übergabe der Pfandsache erforderlich (SS 1204ff BGB). Im Unterschied zur Schiffshypothek ist auch eine Eintragung ins Schiffsregister nicht möglich, geschweige denn erforderlich für die Begründung des Schiffsgläubigerrechts. Das Bestehen eines Schiffsgläubigerrechts hindert nicht die Entstehung anderer gesetzlicher oder vertraglicher Pfandrechte an demselben Schiff. Der gutgläubige Erwerb des besitzlosen Schiffsgläubigerrechts ist ausgeschlossen.2 3.

Gegenstand des Pfandrechts

3 Ein Schiffsgläubigerrecht kann grundsätzlich an jedem Binnenschiff (§ 1 Rn 3ff) entstehen, unabhängig davon, ob es im Schiffsregister eingetragen ist und zu welchem Zweck es verwendet wird. Selbst an Sportbooten kann ein Schiffsgläubigerrecht begründet werden. Eine Ausnahme gilt für Dienstfahrzeuge des Bundes und der Länder. Da derartige Fahrzeuge wegen ihrer Bestimmung, öffentlichen Zwecken zu dienen, dem Privatrecht entzogen sind, kann hieran ein Schiffsgläubigerrecht nicht entstehen. 3 4 Das Pfandrecht erfaßt ausschließlich dasjenige Schiff, durch dessen Verwendung zur Schiffahrt auf Binnengewässern die zu sichernde Forderung (S 102) entstanden ist. 4 Unbeachtlich ist, in wessen Eigentum das Schiff steht und ob der Eigentümer noch weitere Schiffe besitzt. 5 Demnach kann sich das Pfandrecht schon zur Zeit seiner Entstehung auf ein Schiff beziehen, das dem persönlichen Schuldner der Forderung nach § 102 nicht (mehr) gehört. 5 Nach S 104 erfaßt das Pfandrecht selbst bei einer Verbindung mehrerer Schiffe zB zu einem Schub- oder Koppelverband oder zu einem Schleppzug entgegen dem Rechtsgedanken des S 5e Abs 2 und 3 nur dasjenige Schiff, welches den Schaden schuldhaft verursacht hat. So haftet zB bei einem Schubverband nur die Schubeinheit, von der das schadensursächliche Manöver des Verbands ausging, und zwar unabhängig davon, wem der Schubleichter gehört. Der Leichter haftet folglich auch dann nicht, wenn der Eigner der Schubeinheit auch der Eigner des Leichters ist. Wurde allerdings der Schaden zugleich von mehreren Einheiten des Verbands verursacht, so kann auch das Pfandrecht alle diese Einheiten erfassen.

2 3 4 5

Vgl Palandt/Bassenge BGB $ 1257 Rn 2. RGZ 79, 178, 181; 151,271,274. OLG Hamburg HansGZ Hauptbl 1899 Nr 5. RGZ 32, 4,10; 45, 54f.

390

Achter Abschnitt. Schiffsgläubiger

SS 103-105 BinSchG

Gem §115 erfaßt das Pfandrecht auch bestimmte Ersatz- oder Vergütungsan- 6 Sprüche, die dem Eigner des von dem Pfandrecht erfaßten Schiffs wegen des Verlusts oder der Beschädigung des Schiffs gegen einen Dritten zustehen. Einzelheiten hierzu in der Kommentierung zu § 115. Gem § 103 Abs 1 erfaßt das Pfandrecht neben dem Schiff auch dessen Zubehör. 7 Hierzu gehören gem § 97 BGB alle dem wirtschaftlichen Zweck des Schiffs dienenden Sachen, die zu diesem in einem dieser Bestimmung entsprechenden räumlichen Verhältnis stehen. Maßgeblich ist die Verkehrsanschauung. Weitere Einzelheiten hierzu unter § 1 Rn 27. Erfaßt werden die Gegenstände, die im Zeitpunkt der Geltendmachung des Schiffsgläubigerrechts, dh regelmäßig bei der Beschlagnahme des Schiffes im Zwangsvollstreckungsverfahren, als Zubehör anzusehen sind. 6 Wie bei dem Schiff selbst (Rn 4) kommt es auch bei dem Zubehör nicht darauf an, in wessen Eigentum es steht, solange das geforderte räumliche Verhältnis zu dem Schiffahrtsbetrieb besteht. 7

4.

Gesicherte Forderungen (S 105)

Gem § 105 sichert das Schiffsgläubigerrecht nicht nur die Schiffsgläubigerforde- 8 rung iSv § 102, sondern zusätzlich die hierauf anfallenden Zinsen und die Kosten. § 105 entspricht insoweit im wesentlichen der Regelung des § 1210 BGB und des § 755 Abs 2 HGB. Sofern § 105 darüber hinaus bestimmt, daß das Schiffsgläubigerrecht „in gleichem Maße" für Kapital, Zinsen und Kosten gilt, wird der Gleichrang von Haupt- und Nebenforderungen festgeschrieben (Rn 12). Kapital iSv § 105 ist der Betrag der Schiffsgläubigerforderung (§ 102), die dem 9 Pfandrecht zugrunde liegt und die Sachhaftung begründet. Der Kapitalbetrag m u ß sich aus dem vollstreckbaren Schuldtitel (§ 103 Abs 3) ergeben. Die Zinsen können sich nur aus dem in dem Vollstreckungstitel angegebenen Ka- 10 pitalbetrag ergeben. In Betracht kommen gesetzliche (§ 288 BGB) und vertragliche Verzugszinsen, Fälligkeitszinsen (§ 353 HGB) oder Prozeßzinsen (§ 291 BGB). Als Kosten kommen alle zur Befriedigung aus dem Pfandrecht entstandenen Kosten 11 in Betracht, soweit sie zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung des dinglichen Anspruchs notwendig waren. Hierunter fallen also zB die Kosten einer Pfandklage, eines Arrests, einer einstweiligen Verfügung oder einer Zwangsversteigerung. Ansprüche wegen Kosten, die im Zusammenhang mit der Geltendmachung des persönlichen Anspruchs entstanden sind, werden dagegen nicht vom Schiffsgläubigerrecht gesichert. 8

6 7 8

Rabe SeeHR § 755 HGB Rn 2. BGHZ 9 4 , 2 4 0 , 2 4 3 f ü r geleaste Bestandteile des Schiffes; aA Rabe SeeHR 755 HGB Rn 2. OLG H a m b u r g VersR 1 9 6 0 , 4 1 2 .

391

BinSchG SS 1 0 3 - 1 0 5

Schiffsgläubigerrecht

12 Der von § 105 festgeschriebene Gleichrang von Haupt- und Nebenforderungen besagt, daß der Schiffsgläubiger sich für Zinsen und Kosten in gleichem Rang mit dem Kapital aus dem Schiffsvermögen befriedigen kann. Allerdings betrifft dieser Gleichrang nur das Verhältnis zu anderen Pfandrechten. Für die Verteilung des Versteigerungserlöses im Zwangsversteigerungsverfahren sind dagegen weiter die Vorschriften der §§ 162, 12 ZVG zu beachten, wonach zunächst die Kosten, dann die Zinsen und erst zum Schluß das Kapital zu bedienen ist. Für das Rangverhältnis mehrerer Schiffsgläubigerrechte ist auf die §§ 107ff abzustellen. Für die Tilgung der persönlichen Schuld außerhalb der Zwangsvollstreckung bleibt es bei der allgemeinen Regelung des § 367 BGB. 13 § 105 enthält keine Bestimmung darüber, in welchem Umfang für Kapital, Zinsen und Kosten neben der dinglichen Haftung aufgrund des Pfandrechts auch eine persönliche Forderung besteht und ob die persönliche Haftung hierfür ggf nach §§ 4ff beschränkt werden kann. Aus § 105 folgt auch keine Beschränkung der Haftung für Prozeßzinsen und Kosten der Pfandklage. Vielmehr begründet ein solcher Rechtsstreit einen besonderen Verpflichtungsgrund, der im Fall seiner Verurteilung eine persönliche Haftung des beklagten Schiffseigners zur Folge hat. 9 5.

Übertragung des Schiffsgläubigerrechts

14 Als akzessorisches Sicherungsrecht (Rn2) kann das Schiffsgläubigerrecht nicht selbständig übertragen werden, sondern folgt kraft Gesetzes bei Übertragung der gesicherten Schiffsgläubigerforderung (§ 102) gem §§ 1250, 1257 BGB nach. Der Grund für den Übergang der Forderung, also Abtretung nach §§ 398ff BGB, gesetzlicher Forderungsübergang zB nach §§ 1249, 1257 BGB oder Staatsakt (zB Überweisungsbeschluß nach § 8 3 5 Abs 2 ZPO) ist insoweit ohne Bedeutung. Die Forderungsabtretung setzt gem § 398 S 1 BGB eine wirksame Einigung zwischen dem Schiffsgläubiger und einem Dritten über den Übergang der durch das Schiffsgläubigerrecht gesicherten Forderung voraus. Das Schiffsgläubigerrecht folgt der übergehenden Forderung kraft Gesetzes gem §§ 1250, 125, 401 BGB nach, sofern dies die Parteien nicht ausgeschlossen haben (§ 1250 Abs 2 BGB). Ein solcher Ausschluß hat zur Folge, daß das Schiffsgläubigerrecht erlischt und die Forderung als ungesicherte übergeht. Besteht ein Schiffsgläubigerrecht entgegen der Annahme der Parteien nicht, kann ein solches auch nicht gutgläubig erworben werden. 10 Im Falle eines gesetzlichen Forderungsübergangs geht das Schiffsgläubigerrecht gem §§ 1250, 1257, 401, 412 BGB auf den Erwerber der Forderung über. Zum Erwerb des Schiffsgläubigerrechts durch den ablösungsberechtigten Schiffseigentümer vgl Rn 6. Wie der Eigentümer so kann auch der nicht persönlich schul-

9 10

RGZ 33,79,86; RG JW 1901, 183; OLG Hamburg HansGZ Hauptbl 1893 Nr 72. Palandt/Basse/ige BGB § 1250 Rn 1.

392

Achter Abschnitt. Schiffsgläubiger

SS 1 0 3 - 1 0 5 BinSchG

dende Ausrüster ein Ablösungsinteresse haben, um nicht durch eine Zwangsversteigerung des Schiffes sein Besitzrecht an dem Schiff zu verlieren. § 268 Abs 1 BGB gewährt daher auch ihm ein Ablösungsrecht mit der Folge, daß er nach §§401, 412, 268 Abs 3 BGB mit der Schiffsgläubigerforderung auch das Schiffsgläubigerrecht erwirbt. 6.

Erlöschen des Schiffsgläubigerrechts

Aufgrund der strengen Akzessorietät des Schiffsgläubigerrechts (Rn2) erlischt es 15 gem §§ 1244, 1257 BGB mit Erlöschen der gesicherten Schiffsgläubigerforderung. 11 Die Schiffsgläubigerforderung kann zB durch Erfüllung (§ 362 BGB), Aufrechnung (§ 389 BGB) oder durch Erlaß (§ 397 BGB) erlöschen. Ob eine mit der Schiffsgläubigerforderung konkurrierende weitere persönliche Forderung fortbesteht, ist unbeachtlich, da diese nicht durch das Schiffsgläubigerrecht gesichert wird. Gem § 216 Abs 2 BGB, der auch für gesetzliche Pfandrechte gilt, 12 hindert dagegen allein die Verjährung der gesicherten Forderung den Schiffsgläubiger nicht daran, sich weiterhin aus dem verhafteten Schiff zu befriedigen.13 Weiter erlischt das Schiffsgläubigerrecht, wenn es vom Schiffsgläubiger aufgege- 16 ben wird (§§ 1255, 1257 BGB). Für die Aufgabe genügt eine formlose Willenserklärung des Schiffsgläubigers gegenüber dem Schiffseigentümer bzw dem Ausrüster. Anders als im Seerecht (§ 759 HGB) erlischt ein binnenschiffahrtsrechtliches Schiffs- 17 gläubigerrecht nicht allein durch Zeitablauf. Die über § 93 auch in der Binnenschiffahrt anwendbare Vorschrift des § 752 Abs 2 HGB betrifft ausdrücklich nicht das Schiffsgläubigerrecht, sondern nur das Pfandrecht an den übrigen geborgenen Sachen. Einen gewissen Ausgleich für das Fehlen einer § 759 HGB entsprechenden Vorschrift im Binnenschiffahrtsrecht stellt das in § 110 BinSchG vorgesehene Aufgebotsverfahren dar, das dem Erwerber eines Binnenschiffes ermöglicht, für Rechtsklarheit zu sorgen. Das Schiffsgläubigerrecht erlischt mit dem Untergang des Schiffes, sofern dies zu 18 einer wirtschaftlicher Reparaturunwürdigkeit führt. 14 In diesem Fall liegt nur noch ein Wrack, aber kein Schiff mehr vor (§ 1 Rn 22f). An dem Wrack und etwaigen Schiffstrümmern besteht das gesetzliche Pfandrecht als normales Mobiliarpfandrecht fort. 15 Ebenfalls nicht mehr vom Schiffsgläubigerrecht erfaßt werden ursprüngliche Zubehörbestandteile, die jetzt nicht mehr dem Schiffsbetrieb dienen

11 12 13 14 15

Vgl im Seerecht die ausdrückliche Regelung in $ 758 HGB. Palandt/Heinrichs BGB $ 216 Rn 3. So auch OLG Hamburg TranspR 1994, S9 zu $ 222 BGB aF, der grds dem jetzigen § 21S Abs 2 BGB entspricht. RGZ 151,271, 275; vgl auch OLG Karlsruhe VersR 2006,96,98. OLG Hamburg SeuffA 80 Nr 64 (118).

393

BinSchG SS 103-105

Schiffsgläubigerrecht

und damit ihre Eigenschaft als Zubehör verloren haben (vgl SS 1121, 1122 BGB, 31 Abs 2 SchiffsRG).16 19 Durch die Zwangsversteigerung des Schiffes geht das Schiffsgläubigerrecht ebenfalls unter (SS 91 Abs 1, 162 ZVG). Die rechtsgeschäftliche Veräußerung des Schiffes läßt dagegen das Schiffsgläubigerrecht unabhängig von einem guten Glauben des Erwerbers unberührt, sofern nicht auf Antrag des Erwerbers ein Aufgebotsverfahren gem §110 durchgeführt wurde. Die allgemeinen Vorschriften über den lastenfreien Erwerb (SS 936, 1242 Abs 2 S 1 BGB) werden von dem spezielleren § 110 verdrängt. 20 Schließlich geht das Schiffsgläubigerrecht grundsätzlich dann unter, wenn es mit dem Eigentum in derselben Person zusammentrifft (SS 1256, 1249, 1257 BGB). Dies kann insbesondere der Fall sein, wenn der Eigentümer des Schiffes die nicht gegen ihn persönlich gerichtete Schiffsgläubigerforderung erfüllt, um eine Zwangsvollstreckung in das Schiff zu verhindern. Einzelheiten hierzu unter Rn 6.

7.

Rechtsstellung des Schiffsgläubigers (S 103 Abs 2 und Abs 3)

21 Das Schiffsgläubigerrecht gewährt den Schiffsgläubigern eine dingliche Sicherheit für die Schiffsgläubigerforderung (S 102), aus der sie sich nur im Wege der Zwangsvollstreckung aufgrund eines Vollstreckungstitels (Rn22ff) befriedigen können. Der Schiffsgläubiger ist auch nicht befugt, in seinen Besitz gelangte Teile des Schiffes zu veräußern und sich aus dem Erlös zu befriedigen. S 103 Abs 3 gilt hierfür entsprechend. Das Rangverhältnis eines Schiffsgläubigerrechts zu anderen Schiffspfandrechten beurteilt sich nach SS 107 bis 109. Gem S 103 Abs 2 ist das Schiffsgläubigerrecht gegen jeden Besitzer des Schiffes verfolgbar, also auch gegen den gutgläubigen Erwerber. Hieraus folgt indes kein Recht des Schiffsgläubigers zum Besitz des mit dem Schiffsgläubigerrecht belasteten Schiffes. 17 Eine Eintragung des Schiffsgläubigerrechts im Schiffsregister ist ebenfalls ausgeschlossen. Das Schiffsgläubigerrecht ist weder eintragungsfähig noch eintragungsbedürftig (Rn 2). Die Sicherstellung des Schiffes zur Ermöglichung der Zwangsvollstreckung kann nur nach den allgemeinen Vorschriften durch Arrest (SS 916ff, 931 ZPO) oder einstweilige Verfügung (SS 935ff ZPO) erfolgen. 18 In der Insolvenz des Schuldners ist der Schiffsgläubiger absonderungsberechtigt (SS 50,166ff InsO).

16 17 18

394

BGHZ 94,240,243 f für die Entfernung geleaster Bestandteile des Schiffes. OLG Hamburg HansGZ Hauptbl 1901 Nr 88; 1913 Nr 104; Mittelstem Recht der Binnenschiffahrt, 419. OLG Hamburg HansGZ Hauptbl 1903 Nr 94.

Achter Abschnitt. Schiffsgläubiger

S S 1 0 3 - 1 0 5 BinSchG

8.

Geltendmachung des Schiffsgläubigerrechts (S 103 Abs 3)

a)

Vollstreckbarer Titel, Pfandklage

Nach § 103 Abs 3 kann die Befriedigung aus dem Schiffsgläubigerrecht nur aufgrund eines vollstreckbaren Titels nach den Vorschriften über die Zwangsvollstreckung erfolgen. Ausgeschlossen ist damit insbesondere eine Verwertung durch Privatverkauf nach §§ 1233 Abs 1, 1257 BGB. Für den Erwerb des benötigten vollstreckbaren Titels ist eine sog Pfandklage erforderlich. b)

22

Gerichtliche Zuständigkeit

Die gerichtliche Zuständigkeit für eine solche Pfandklage richtet sich nach den 23 allgemeinen Vorschriften (SS 12ff ZPO, 23, 71 GVG). Der dingliche Gerichtsstand nach § 2 4 ZPO ist ausschließlich bei Grundstücken gegeben. In Betracht kommt daneben eine Klage am Heimatort (§ 6) oder kraft gewohnheitsrechtlicher Übung auch am Liegeort des Schiffes im Zeitpunkt der Klageerhebung. 19 c)

Passivlegitimation

Passivlegitimiert für die Pfandklage ist derjenige, der das mit dem Schiffsgläubigerrecht belastete Schiff nebst Zubehör im Zeitpunkt der Erhebung der Klage 20 als Schiffseigner (§ 1) oder Ausrüster (§ 2 Abs 1) zur Schiffahrt verwendet. 21 Der das Schiff nicht verwendende Eigentümer (§ 2 Rn 2, ZOff) ist dagegen nicht passivlegitimiert. Letzteres folgt zwar zwingend weder aus § 2 Abs 2 noch aus § 103 Abs 2, 2 2 entspricht aber dennoch der allgemeinen Auffassung auch zu S 761 Abs 2 HGB aF. 23 Die (zusätzliche) Passivlegitimation des sein Schiff nicht verwendenden Eigentümers wurde im Seerecht erst mit dem 1. SRÄG eingeführt. 24

24

Wurde das Schiff zwischenzeitlich veräußert, ist passivlegitimiert der neue Schiffs- 25 eigner. Gleiches gilt, falls die Person des Ausrüsters gewechselt hat. Wird das mit dem Schiffsgläubigerrecht belastete Schiff im Zeitpunkt der Klageerhebung nicht zur Schiffahrt verwendet und existiert somit weder Schiffseigner noch Ausrüster (SS 1, 2 Abs 1), ist die Klage auch dann nicht gegen den (eingetragenen) Eigentümer zu richten, sondern gegen den Eigenbesitzer (S 872 BGB), dh gegen denjenigen, der das Schiff für sich selbst und nicht für einen anderen (dann S 868 BGB) be-

19 20 21 22 23 24

OLG Hamburg HansGZ Hauptbl 1901 Nr 20. OLG Hamburg TranspR 1994, 69,70. RGZ 78, 307, 308; Recht 1914 Nr 526; 1927 Nr 2102; OLG Hamburg HansGZ Hauptbl 1900 Nr 37; 1901 Nr 103; 1906 Nr 145; OLG Karlsruhe VersR 200S, 96,98. Rabe SeeHR $ 760 HGB Rn 10 zu 755 Abs 1 S 2 HGB, der inhaltlich $ 103 Abs 2 BinSchG entspricht. Reibe SeeHR § 760 HGB Rn 7. Rabe SeeHR § 760 HGB Rn 7.

395

BinSchG SS 1 0 3 - 1 0 5

Schiffsgläubigerrecht

sitzt. 25 Fehlt auch ein solcher Eigenbesitzer, ist in entsprechender Anwendung der § § 5 8 Abs 2, 787 Abs 2 ZPO ein Vertreter zu bestellen. 26 26 Anders als im heutigen Seerecht (§760 Abs 2 HGB) kann die Pfandklage in der Binnenschiffahrt auch nicht gegen den Schiffsführer erhoben werden. 27 Dies gilt nach Streichung des § 97 Abs 2 aF auch für das Schiffsgläubigerrecht für Forderungen des Bergers gem § 751 Abs 1 HGB iVm § 93, da die Regelung zur Passivlegitimation in § 752 Abs 4 HGB allein das Pfandrecht an den übrigen geborgenen Sachen und nicht das Schiffsgläubigerrecht an dem geborgenen Schiff betrifft. d)

Klageantrag

2 7 Der Klageantrag der Pfandklage ist auf Duldung der Zwangsvollstreckung in das genau zu bezeichnende Schiff nebst Zubehör für die anzugebende Forderung nebst Zinsen und Kosten zu richten. 28 Wird auf Zahlung anstatt auf Duldung der Zwangsvollstreckung geklagt, ist die gegen den Schiffseigner, der nicht zugleich persönlicher Schuldner der Schiffsgläubigerforderung ist, gerichtete Zahlungsklage abzuweisen und dem im Klageantrag steckenden Minus, dem Duldungsanspruch, stattzugeben. 29 In einem solchen Fall ist dem Kläger ein Teil der Kosten aufzuerlegen. e)

Schlüssigkeit der Pfandklage

28 Zur Schlüssigkeit der Klage gehört die Darlegung der Begründung einer Schiffsgläubigerforderung (S 102) durch die Verwendung des in Anspruch genommenen Schiffes und die Stellung des Beklagten als Schiffseigner, Ausrüster oder Eigenbesitzer (Rn 25). 30 f)

Weiterveräußerung des Schiffes

2 9 Eine Veräußerung des Schiffes oder ein Wechsel der Person des Ausrüsters nach Eintritt der Rechtshängigkeit ist auf den Rechtsstreit gem § 265 Abs 2 ZPO ohne Einfluß. Ein zwischen den Parteien bereits ergangenes Urteil auf Duldung der Zwangsvollstreckung wirkt nach § 325 Abs 1 ZPO für und gegen den Rechtsnachfolger, sofern dieser nicht gutgläubig war im Hinblick auf die fehlende Rechtshängigkeit bzw auf die fehlende Existenz eines rechtskräftigen Duldungstitels (§ 325 Abs 2 ZPO). Gegen ihn kann unter den Voraussetzungen des § 727 ZPO die Vollstreckungsklausel umgeschrieben werden. 25 26 27 28 29 30

396

Mittelstein Recht der Binnenschiffahrt, 420; OLG Hamburg SeuffA 80 Nr 64 (115ff); OLG Karlsruhe VersR 2006, 96, 98. LG Hamburg HansGZ Hauptbl 1900 Nr 109. Vgl Begr BinSchG, 354. RGZ 72, 347, 352; 67, 353,354. OLG Karlsruhe VersR 2006, 96,98. OLG Karlsruhe VersR 2006, 96,98.

Achter Abschnitt. Schiffsgläubiger

g)

SS 1 0 7 , 1 0 8 BinSchG

Zwangsvollstreckung

Die Zwangsvollstreckung aus dem Duldungstitel erfolgt bei einem im Schiffsregi- 30 ster eingetragenen Binnenschiff nach den §§ 864 ZPO, 162ff ZVG durch gerichtliche Zwangsversteigerung. Für ausländische Schiffe ist § 171 ZVG zu beachten. Bei einem nicht eingetragenen Binnenschiff erfolgt die Zwangsvollstreckung nach den Regeln der Mobiliarzwangsvollstreckung gem §§ 803ff ZPO durch Pfändung und Versteigerung. Zwangsverwaltung ist bei Schiffen vorbehaltlich der Regelung in § 165 Abs 2 ZVG ausgeschlossen. Eine Regelung, die wie § 482 HGB für das Seerecht die Zwangsvollstreckung in ein auf Reisen befindliches Schiff untersagen würde, gibt es im Binnenschiffahrtsrecht nicht. Das Schiffszubehör (Rn 7) unterliegt den gleichen gesetzlichen Bestimmungen wie das Schiff ($ 865 ZPO), eine gesonderte Pfändung des Zubehörs ist ausgeschlossen (S 865 Abs 2 ZPO).

$106 (aufgehoben)

$ 107 [Rangordnung der Pfandrechte der Schiffsgläubiger] Die Rangordnung der Pfandrechte der Schiffsgläubiger bestimmt sich nach der Reihenfolge der Nummern, unter denen die Forderungen in S 102 aufgeführt sind.

§ 108 [Rangordnung der Pfandrechte der Schiffsgläubiger innerhalb derselben Gruppe] (1) Die Pfandrechte für die unter derselben Nummer genannten Forderungen haben, soweit sich aus den Absätzen 2 und 3 nicht ein anderes ergibt, ohne Rücksicht auf den Zeitpunkt ihrer Entstehung den gleichen Rang. (2) Von den Pfandrechten für die in S 102 Nr. 3 aufgeführten Forderungen geht das für die später entstandene Forderung den für die früher entstandene Forderung vor; Pfandrechte wegen gleichzeitig entstandener Forderungen sind gleichberechtigt. Forderungen, welche aus Anlaß eines und desselben Notfalles entstanden sind, gelten als gleichzeitig entstanden. 397

BinSchG $ 5 1 0 7 , 1 0 8

Rangordnung der Schiffsgläubigerrechte

(3) Pfandrechte für die in § 102 Nr. 4 aufgeführten Forderungen wegen Personenschäden gehen Pfandrechten für die unter derselben Nummer aufgeführten Forderungen wegen Sachschäden vor. 1.

Allgemeines

1 Die §§ 107 und 108 regeln die Rangordnung der Schiffsgläubigerrechte für die in § 102 aufgeführten Schiffsgläubigerforderungen. Das Rangverhältnis der Schiffsgläubigerrechte zu anderen Schiffspfandrechten richtet sich dagegen nach § 109. Die „Grundsatznorm" 1 des § 107, die fortan lediglich das Verhältnis der einzelnen Schiffsgläubigerrechtsgruppen gem § 102 zueinander regelt, wurde durch GÄHB vom 25. 8. 1998 (§ 4 Rn 1) wesentlich vereinfacht und an den seerechtlichen § 762 Abs 1 HGB angeglichen. Die Absätze 2 und 3 des § 107 aF sind leicht modifiziert zu Abs 1 und 2 des ebenfalls vollständig neu gefaßten § 108 geworden. § 108 regelt nunmehr umfassend die Rangordnung der Schiffsgläubigerrechte innerhalb derselben Gruppe. 2.

Rangordnung der Gruppen von Schiffsgläubigerrechten (§ 107)

2 Gem § 107 bilden die Schiffsgläubigerrechte für die jeweils in einer Nummer des § 102 zusammengefaßten Forderungen eine eigene Gruppe von Schiffsgläubigerrechten. Die Rangordnung dieser sechs Gruppen entspricht dabei ihrer Numerierung in § 102 BinSchG. § 102 Nr 1 geht also § 102 Nr 2 im Rang vor usw. Wie nach § 108 aF gehen folglich auch weiterhin die Schiffsgläubigerrechte aufgrund von Forderungen der Sozial versicherungsträger gem § 102 Nr 6 allen anderen Schiffsgläubigerrechten im Rang nach. 3.

Rangordnung innerhalb einer Gruppe (§ 108)

3 Gem dem Grundsatz des § 108 Abs 1 haben die Schiffsgläubigerrechte einer Gruppe vorbehaltlich der Regelungen in § 108 Abs 2 und 3 unabhängig vom Zeitpunkt ihrer Entstehung den gleichen Rang. Reicht der Erlös aus der Verwertung des Schiffs und des Zubehörs nicht aus, um alle Schiffsgläubigerrechte derselben Gruppe zu befriedigen, wird der Erlös auf sie im Verhältnis der Beträge der ihnen zugrunde liegenden Forderungen verteilt. 4 Von diesem Grundsatz macht § 108 Abs 2 S 1 Halbs 1 für die Schiffsgläubigerrechte gem § 102 Nr 3 in Übereinstimmung mit § 764 HGB insofern eine Ausnahme, als hier die später entstandenen Schiffsgläubigerrechte den früheren vorgehen. Schiffsgläubigerrechte wegen gleichzeitig entstandener Forderungen haben 1

Begr GÄHB, BT-Drs 13/8446, 37.

398

Achter Abschnitt. Schiffsgläubiger

§ 109 BinSchG

gleichen Rang (§ 108 Abs 2 S 1 Halbs 2). Forderungen aus Anlaß desselben Notfalls gelten als gleichzeitig entstanden (§ 108 Abs 2 S 2). Die Privilegierung des später entstandenen Schiffsgläubigerrechts soll im Interesse aller Schiffsgläubiger die Bereitschaft zur Rettung des Schiffsvermögens erhöhen. Diese Bereitschaft wäre möglicherweise geringer, wenn der Berger befürchten müßte, daß sein eigenes Schiffsgläubigerrecht durch vorangehende Schiffsgläubigerrechte anderer Berger verkürzt würde. Die Fiktion der Gleichrangigkeit in § 108 Abs 2 S 2 soll Streit über die Priorität von Bergungsmaßnahmen vermeiden helfen. Ohnehin wird bei den häufig ineinander greifenden Arbeiten mehrerer Berger später kaum noch festzustellen sein, in welcher Reihenfolge sich die verschiedenen Maßnahmen konkret ausgewirkt haben. Eine weitere Ausnahme vom Grundsatz des § 108 Abs 1 enthält der an § 763 Abs 2 5 HGB angelehnte § 1 0 8 Abs 3 für die Schiffsgläubigerrechte aufgrund § 1 0 2 Nr 4. Danach gehen Schiffsgläubigerrechte für Forderungen wegen Personenschäden den Schiffsgläubigerrechten wegen Sachschäden unabhängig vom Zeitpunkt ihrer Entstehung vor. Reicht also der Versteigerungserlös nicht zur Befriedigung sämtlicher Schiffsgläubigerrechte nach § 102 Nr 1 bis 4 aus, werden, soweit möglich, zunächst sämtliche Schiffsgläubigerrechte für Forderungen wegen Personenschäden befriedigt. Der danach verbleibende Erlös wird im Verhältnis der entsprechenden Forderungsbeträge zueinander auf die Schiffsgläubigerrechte für Forderungen wegen Sachschäden verteilt.

§ 109 [Rangverhältnis der Schiffsgläubigerrechte zu anderen Pfandrechten] (1)Das Pfandrecht des Schiffsgläubigers hat den Vorrang vor den sonstigen Pfandrechten am Schiff, für die in § 102 unter Nummer 4 bis 6 aufgeführten Forderungen jedoch nur insoweit, als jene Pfandrechte nicht früher entstanden sind. (2) Solange hiernach die sonstigen Pfandrechte an dem Schiff der Forderung eines Schiffsgläubigers vorgehen, haben sie zugleich den Vorrang vor den dieser Forderung nachstehenden Forderungen anderer Schiffsgläubiger. (3) Erleidet ein Schiffsgläubiger, welchem der Schiffseigner nur mit dem Schiff haftet, dadurch einen Ausfall an seiner Forderung, daß seinem Pfandrecht an dem Schiffe das Pfandrecht eines Gläubigers vorgeht, der nicht Schiffsgläubiger ist, so wird der Schiffseigner in Höhe dieses Ausfalles persönlich verpflichtet. 399

BinSchG $ 109 1.

Rangverhältnis der Schiffsgläubigerrechte zu anderen Pfandrechten

Allgemeines

1 Während die §§ 107 und 108 die Rangordnung mehrerer Schiffsgläubigerrechte untereinander regeln, ist § 109 für das Verhältnis von Schiffsgläubigerrechten einerseits und sonstigen Pfandrechten an dem Schiff andererseits maßgeblich. Im Unterschied zum Seerecht, das einen generellen Vorrang der Schiffsgläubigerrechte vor allen anderen Schiffspfandrechten vorsieht (§ 761 S 1 HGB), billigt das BinSchG den Schiffsgläubigern keine derart weitgehende Vorrangstellung zu. Vielmehr gehen gem § 109 sonstige Schiffspfandrechte bestimmten später entstandenen Schiffsgläubigerrechten vor. Hieran hat der Gesetzgeber auch nach dem Übergang zur Summenhaftung festgehalten. Die gebotene Angleichung soll im Zuge der Überarbeitung des Seerechts (§ 102 Rn 2) erfolgen.1 2.

Grundsatz: Vorrang der Schiffsgläubigerrechte vor anderen Schiffspfandrechten (§ 109 Abs 1 Halbs 1)

2 Nach dem in § 109 Abs 1 aufgestellten Grundsatz gehen die Schiffsgläubigerrechte allen anderen Schiffspfandrechten und damit auch etwa eingetragenen Schiffshypotheken vor.2 Für das Rangverhältnis zwischen Schiffsgläubigerrechten und sonstigen Schiffspfandrechten ist dabei insbesondere auch der Zeitpunkt der Entstehung des Pfandrechts unbeachtlich. Ohne Bedeutung für den Vorrang der Schiffsgläubigerrechte ist zudem, ob die anderen Pfandrechte auf Vertrag (zB §§ 1204, 1205 BGB oder §§ 8, 24ff SchiffsRG), gesetzlichen Vorschriften (zB § 647 BGB) oder richterlicher Anordnung (zB Arrest) beruhen. 3 Für das Rangverhältnis der den sonstigen Schiffspfandrechten vorgehenden Schiffsgläubigerrechte untereinander sind ungeachtet § 109 weiterhin die §§ 107 und 108 maßgeblich. 3 Nach zutreffender Auffassung kann dem bevorrechtigten Schiffsgläubiger auch ein sonstiges Recht am Schiff, dh insbesondere ein Zurückbehaltungsrecht (zB § 751 Abs 2 HGB iVm § 93, §§ 273 Abs 2, 1000 BGB) nicht wirksam entgegengehalten werden, denn sein Schiffsgläubigerrecht ist gegen jeden dritten Besitzer verfolgbar (§ 103 Abs 2).4

1 2 3 4

Begr GÄHB, BT-Drs 13/S44S, 38. LG Würzburg ZfB 1996, SaS 1S76,1577. Zu den Möglichkeiten des Schiffshypothekengläubigers, sich auf das Erlöschen des Schiffsgläubigerrechts zu berufen BGH ZfB 1974,490,491. ROHG 22 Nr 85. RG HansGZ Hauptbl 1909 Nr 25 = DJZ 1905, 122; Mittelstem Recht der Binnenschiffahrt, 404; aA OLG Hamburg HansGZ Hauptbl 1909 Nr 25.

400

Achter Abschnitt. Schiffsgläubiger

3.

§ 109 BinSchG

Ausnahme: Nachrang der Schiffsgläubigerrechte gem § 102 Nr 4 bis Nr 6 (S 109 Abs 1 Halbs 2 und Abs 2)

Von dem soeben beschriebenen Grundsatz des Vorrangs der Schiffsgläubigerrechte 4 macht das Gesetz insoweit eine Ausnahme, als Schiffsgläubigerrechte nach § 102 Nr 4 bis 6 dann sonstigen Schiffspfandrechten im Rang nachfolgen, wenn diese früher entstanden sind. Für diesen praktisch relevanten Bereich kommt damit der allgemein in §§ 1209, 1257 BGB niedergelegte Prioritätsgrundsatz zur Geltung. Der Grund für diese Ausnahme liegt darin, daß die Forderungen aus § 102 Nr 4 bis 6 nicht selten einen im Verhältnis zum Wert des Schiffes ganz erheblichen Betrag erreichen können mit der Folge, daß der Schiffseigner erhebliche Schwierigkeiten hätte, durch eine Beleihung seines Schiffes etwa notwendige Betriebsmittel oder Reparaturen zu finanzieren. Derjenige, zu dessen Gunsten ein solches Pfandrecht an dem Schiff bestellt würde, müßte gerade für den Fall einer starken havariebedingten Schädigung auch des haftenden Schiffes befürchten, im Rang hinter Schiffsgläubiger nach § 102 Nr 4 zu geraten. Demgegenüber sollte den Schiffsgläubigern nach § 102 Nr 1 bis 3 teils mit Rücksicht auf die Person des Gläubigers, teils aus dem Gesichtspunkt der nützlichen Verwendung des Schiffes auch zugunsten von Inhabern älterer Pfandrechte jeder Art ein unbedingter Vorrang eingeräumt werden.5 § 109 Abs 2 stellt für den Fall des Vorrangs sonstiger Pfandrechte vor Schiffsgläubi- 5 gerrechten nach § 102 Nr 4 bis 6 klar, daß sich der Vorrang des sonstigen Pfandrechts auch auf andere Schiffsgläubigerrechte bezieht, denen die Schiffsgläubigerrechte nach § 1 0 2 Nr 4 bis 6 ihrerseits im Rang vorgehen. 4.

Die Gesamtregelung der §§ 107 bis 109

Für die Rangordnung der Schiffsgläubigerrechte und der sonstigen Pfandrechte an 6 einem Schiff ergibt sich somit folgende Gesamtregelung: 1. Schiffsgläubigerrechte nach § 102 Nr 1 bis 3. 2. Sonstige Pfandrechte, soweit sie vor Schiffsgläubigerrechten nach § 1 0 2 Nr 4 bis 6 entstanden sind. 3. Schiffsgläubigerrechte nach § 102 Nr 4 bis 6. 4. Sonstige Pfandrechte, soweit sie nach den Schiffsgläubigerrechten nach § 102 Nr 4 bis 6 entstanden sind. Für die Rangfolge mehrerer Schiffsgläubigerrechte untereinander sind die §§ 107 und 108 maßgeblich, für die Rangfolge sonstiger Pfandrechte untereinander ist auf die allgemeine Regelung der §§ 1209, 1257 BGB, 25 SchiffsRG (Prioritätsgrundsatz) zurückzugreifen. S

Vgl Begr BinSchG, 355.

401

BinSchG SS HO, 111 5.

Ausschluß von Schiffsgläubigern durch Aufgebot

Ausfall des nur dinglich gesicherten Schiffsgläubigers (S 109 Abs 3)

7 Ein Schiffsgläubiger, welchem der Schiffseigner nicht persönlich mit seinem gesamten Vermögen, sondern nur dinglich mit dem Schiff haftet und der durch den Vorrang eines sonstigen Pfandrechts gem § 109 Abs 1 Halbs 2 (Rn4) einen Ausfall erleidet, wird nach § 109 Abs 3 durch eine persönliche Verpflichtung des Schiffseigners in Höhe dieses Ausfalls entschädigt. Mit dem Übergang zum System der Summenhaftung hat diese Vorschrift stark an Bedeutung verloren, da hierdurch die Fälle, in denen der Schiffseigner allein mit dem Schiff haftet, zur großen Ausnahme geworden sind. Einzelheiten hierzu unter § 113 R n 3 . Die persönliche Verpflichtung entsteht mit Eintritt des Ausfalls.6 Es wird somit derjenige Schiffseigner persönlich verpflichtet, der es in diesem Zeitpunkt war.

§ 110 [Ausschluß von Schiffsgläubigern durch Aufgebot] Wird außer dem Falle der Zwangsversteigerung das Schiff veräußert, so ist der Erwerber berechtigt, die Ausschließung der unbekannten Schiffsgläubiger mit ihren Pfandrechten im Wege des Aufgebotsverfahrens zu beantragen.

$111

[Schiffsgläubigerrecht bei Veräußerung einer Schiffspart] Die Vorschrift des $ 1 1 0 findet keine Anwendung, wenn nur der Anteil eines Miteigentümers des Schiffes den Gegenstand der Veräußerung bildet. 1.

Allgemeines

1 Nach S 103 Abs 2 kann das Schiffsgläubigerrecht gegen jeden Besitzer des Schiffs geltend gemacht werden und erlischt abgesehen vom Fall der gerichtlichen Zwangsversteigerung weder durch freiwillige noch durch unfreiwillige Veräußerung des Schiffs (S 103 Rn 19). Da das Schiffsgläubigerrecht zudem anders als im Seerecht (S 759 HGB) auch nicht durch bloßen Zeitablauf untergeht (§ 103 Rn 17), kann der Erwerber eines Binnenschiffs ein berechtigtes Interesse daran haben, zuverlässig Klarheit über die an dem Schiff etwa bestehenden, aber anders als Schiffshypothe6

OLG Hamburg HansGZ Hauptbl 1912 Nr 56.

402

Achter Abschnitt. Schiffsgläubiger

SS 1 1 0 , 1 1 1 BinSchG

ken nicht im Register erfaßten Schiffsgläubigerrechte zu erlangen. § 110 gibt dem Erwerber daher die Möglichkeit, mittels eines Aufgebotsverfahrens die Schiffsgläubiger in Erfahrung zu bringen und unbekannte Schiffsgläubiger mit ihren Rechten auszuschließen. Erlangt der Erwerber auf diese Weise Kenntnis von Schiffsgläubigern, deren Existenz ihm vom Verkäufer verschwiegen worden waren, hat er unter Umständen die Möglichkeit, den Verkäufer auf der Grundlage einer Rechtsmängelhaftung in Anspruch zu nehmen (§§437, 435, 433 Abs 1 S 2 BGB). Nach § 1 1 1 ist ein solches Aufgebots verfahren für den Fall der Veräußerung lediglich einer Schiffspart ausgeschlossen. 2.

Rechtsgrundlage und Gang des Aufgebotsverfahrens

a)

Rechtsgrundlage

Das Aufgebotsverfahren, gesetzlich ausführlich geregelt in den §§ 946 bis 959 ZPO, 2 ist kein Gegenstand der freiwilligen Gerichtsbarkeit, sondern eine besondere Prozeßart. Gem § 1002 ZPO kommen diese allgemeinen Vorschriften auch auf das Aufgebots verfahren nach § 110 zur Anwendung, soweit die §§ 11 Of BinSchG oder § 1002 ZPO selbst nicht entgegenstehen.1 Gem § 1024 Abs 1 ZPO können Gesetze der Länder die Art der Veröffentlichung des Aufgebots und des Ausschlußurteils sowie die Aufgebotsfrist eigens regeln. Äußerst hilfsweise kann auf die Vorschriften des Ersten bis Dritten Buchs der ZPO zurückgegriffen werden. b)

Gerichtliche Zuständigkeit

Für das Aufgebotsverfahren ist das Amtsgericht (§23 Nr 2h GVG) am Heimatort 3 des Schiffs (§§ 1002 Abs 2 ZPO, 6 BinSchG) zuständig. c)

Antrag

Der Antrag kann schriftlich oder zu Protokoll der Geschäftsstelle gestellt werden 4 (§ 947 Abs 1 S 1 BGB). Ist das Schiff im Schiffsregister eingetragen, kann der Antrag auf Durchführung eines Aufgebotsverfahrens (§ 947 ZPO) gem § 1002 Abs 3 ZPO erst nach der Eintragung der Veräußerung des Schiffes (§ 3 Ab. 1 SchiffsRG) gestellt werden. Er muß die dem Antragsteller bereits bekannten Schiffsgläubigerforderungen enthalten (§ 1002 Abs 4 ZPO), da der Antragsteller nur unbekannte Schiffsgläubiger von ihren Rechten ausschließen kann. Aus diesem Grund muß der Antragsteller dem Gericht auch noch nach Antragstellung und vor Rechtskraft des Ausschlußurteils bekannt werdende Schiffsgläubiger mitteilen. Ein Verstoß gegen diese Obliegenheit führt dazu, daß auch solche Schiffsgläubiger nicht durch das Ausschlußurteil von ihren Rechten ausgeschlossen werden, die zwar nicht dem Ge-

1

Thomas/Pate» ZPO vor $ 946 Rn 1.

403

BinSchG SS HO, 111

Ausschluß von Schiffsgläubigern durch Aufgebot

rieht, wohl aber dem Antragsteller bekannt waren. 2 Da das Ausschlußurteil ohnehin nur gegenüber dem Antragsteller wirkt, können durch die insoweit eintretende Rechtsunsicherheit schützenswerte Rechte Dritter nicht berührt werden. Iü spricht für diese Auffassung auch der in § 1002 Abs 6 ZPO vorgegebenen Wortlaut der Androhung, wonach es für den Ausschluß allein auf die Kenntnis des Antragstellers ankommt. Der Schiffsgläubiger, der sich darauf beruft, daß ihn die Wirkung des Ausschlußurteils nicht treffe, muß im Bestreitensfalle die rechtzeitige Mitteilung seines Rechts beweisen. d)

Antragsberechtigung

5 Antragsberechtigt ist nach dem ausdrücklichen Wortlaut von § 110 nicht der jeweilige Eigentümer, sondern ausschließlich der Erwerber des Schiffs. Erwerber ist, wer das Eigentum an dem Schiff gem den §§ 929ff BGB, 3 SchiffsRG von einem Dritten erworben hat. Die Antragsberechtigung des Erwerbers endet, wenn er das Schiff auf seine erste Reise schickt, da er ab diesem Zeitpunkt über das Schiff wie ein Eigentümer verfügt und es nicht gerechtfertigt erscheint, die Stellung etwaiger Schiffsgläubiger aufgrund dieser Reise durch eine vom Eigner nach eigenem Gutdünken initiiertes Aufgebotsverfahrens zu gefährden. 3 Andererseits fehlt dem Antragsteller ein Rechtschutzinteresse an einem Antragsverfahren, wenn die gerichtliche Zwangsversteigerung eines im Schiffsregister eingetragenen Binnenschiffs angeordnet ist, da in diesem Fall ohnehin gem § 91 ZVG sämtliche in einem solchen Verfahren nicht zu berücksichtigende Lasten einschließlich der Schiffsgläubigerrechte erlöschen. e)

Zulässigkeit des Antrags

6 Ein Aufgebotsverfahren gem § 110 ist in allen Fällen der Veräußerung zulässig, soweit es sich nicht um die gerichtliche Zwangsversteigerung eines im Schiffsregister eingetragenen Schiffs nach §§ 162ff ZVG handelt. Hierunter fällt somit jede sonstige freiwillige oder unfreiwillige Veräußerung. Ebenfalls zulässig ist das Aufgebotsverfahren bei dem Pfandverkauf eines nicht registrierten Schiffs, da das Gesetz ausdrücklich nur den Fall der Zwangsversteigerung ausschließt. 4 f)

Erlaß des Aufgebots

7 Ist der Antrag zulässig, so hat das Gericht das Aufgebot zu erlassen (§ 947 Abs 2 ZPO). Die Entscheidung kann ohne mündliche Verhandlung ergehen. In dem Aufgebot ist unter anderem ein Aufgebotstermin zu bestimmen, in dem etwaige 2 3 4

RGZ 20, 218, 219. Vgl im Ergebnis so auch Mittelstem Recht der Binnenschiffahrt, 418. Im Ergebnis ebenso Mittelstem Recht der Binnenschiffahrt, 418; Prüßmann/Raöe SeeHR2 § 765 HGB Anm 1; a.AFörtsch, 323 Nr 3.

404

Achter Abschnitt. Schiffsgläubiger

SS 1 1 0 , 1 1 1 BinSchG

Schiffsgläubigerrechte spätestens anzumelden sind. Ferner ist in dem Aufgebot den Schiffsgläubigern, die sich nicht melden, anzudrohen, daß ihre Pfandrechte erlöschen, sofern nicht ihre Forderungen dem Antragsteller bekannt sind ($ 1002 Abs 6 ZPO). Das Aufgebot ist sodann zu veröffentlichen. Die zwischen der Veröffentlichung des Aufgebots und dem Aufgebotstermin liegende Aufgebotsfrist muß gem § 1002 Abs 5 ZPO mindestens drei Monate betragen. g)

Ausschlußurteil und Rechtsmittel

Nach Ablauf der Aufgebotsfrist erläßt das Gericht in öffentlicher Sitzung das Aus- 8 schlußurteil. Es lautet dahin, daß die Schiffsgläubigerrechte derjenigen Schiffsgläubiger erlöschen, die sich weder im Verfahren gemeldet haben noch dem Antragsteller bekannt sind (vgl Rn4). Wurde im Aufgebotsverfahren ein Schiffsgläubigerrecht angemeldet, so ist entweder das Aufgebotsverfahren bis zur endgültigen Entscheidung über das angemeldete Schiffsgläubigerrecht auszusetzen oder das Recht in dem Ausschlußurteil vorzubehalten (§953 ZPO), da die endgültige Entscheidung über das Bestehen des Schiffsgläubigerrechts im normalen Klageverfahren herbeizuführen ist.5 Gegen das Ausschlußurteil ist ein ordentliches Rechtsmittel nicht gegeben (§ 957 Abs 1 ZPO). Allerdings kann es unter bestimmten Voraussetzungen innerhalb einer Notfrist von einem Monat angefochten werden (SS 957 Abs 2, 958 ZPO).

3.

Rechte des rechtkräftig ausgeschlossenen Schiffsgläubigers

Da der Ausschluß nur gegenüber dem Erwerber wirkt, werden hiervon die Ansprü- 9 che der ausgeschlossenen Schiffsgläubiger gegen den Veräußerer nicht berührt. Da der Veräußerer durch die Einziehung des Veräußerungserlöses sein Vermögen zum Nachteil der ihrer Rechte verlustig gegangenen Schiffsgläubiger bereichert hat, haftet er diesen gem S 113 fortan in Höhe desjenigen Betrags persönlich, der sich bei einer Verteilung des eingezogenen Betrags nach der gesetzlichen Rangordnung ergäbe. Daneben können dem Schiffsgläubiger gegen den Veräußerer noch konkurrierende Ansprüche nach den allgemeinen Grundsätzen der unerlaubten Handlung (SS 823, 826 BGB) zustehen.

4.

Schiffsgläubigerrecht bei Veräußerung einer Schiffspart (S 111)

a)

Schiffspart und Aufgebotsverfahren

Ein Aufgebotsverfahren zur Ausschließung unbekannter Schiffsgläubiger ist nach 10 S 111 nicht zulässig, wenn nur eine Schiffspart, dh der Miteigentümeranteil an ei-

S

Thomas/PiiföoZPO § 953 Rn 1.

405

BinSchG SS HO, 111

Ausschluß von Schiffsgläubigern durch Aufgebot

nem Schiff, veräußert wird. Mit dieser Regelung trägt der Gesetzgeber dem Umstand Rechnung, daß das Schiffsgläubigerrecht nur an dem Schiff als ganzem, nicht aber an einer Schiffspart entstehen kann (vgl § 1009 Abs 1 BGB). Selbst die Veräußerung eines solchen Anteils im Wege der Zwangsversteigerung läßt daher die an dem Schiff bestehenden Schiffsgläubigerrechte unberührt. § 1 1 1 gilt unabhängig von der Art der Veräußerung. b)

Die Schiffspart im Rechtsverkehr

11 Anders als im Seerecht (§§489ff HGB) ist die Schiffspart und seine Behandlung im Rechtsverkehr im Binnenschiffahrtsgesetz nicht eigens geregelt. Es gelten daher die allgemeinem Bestimmungen. 12 Der Erwerb des Eigentums an einer Schiffspart erfolgte nach den §§ 929ff, 1008 BGB durch Einigung und Übergabe, wobei die Einräumung von Mitbesitz (§ 866 BGB) genügt. Ist das Schiff im Schiffsregister eingetragen, bedarf es gemäß § 3 SchiffsRG zusätzlich der Eintragung des Eigentumsübergangs. Die Auseinandersetzung der Miteigentümergemeinschaft erfolgt nach den §§ 753ff BGB, bei registrierten Schiffen nach den §§ 880 bis 884 ZVG im Wege der Zwangsversteigerung. 13 Gem § 8 Abs 3 SchiffsRG kann an dem Bruchteil eines eingetragenen Schiffs dann eine Schiffshypothek bestellt werden, wenn der Bruchteil in einem Miteigentümeranteil besteht. Die Verpfändung des Anteils an einem nicht eingetragenen Schiff richtet sich nach den allgemeinen Vorschriften (§§ 1204ff, 1258 BGB). 14 Die Zwangsvollstreckung in eine Schiffspart erfolgt nach den §§ 828ff, 857, 858 ZPO durch Pfändung der Schiffspart unter anschließendem freihändigen Verkauf oder öffentlicher Versteigerung.6 Ist das Schiff im Register eingetragen, wird der Veräußerungserlös gem § 858 Abs 5 ZPO zunächst hinterlegt und sodann in einem Verteilungsverfahren nach den §§ 873 bis 882 ZPO verteilt. Schiffsgläubigerrechte finden hierbei jedoch mangels Eintragung im Schiffsregister keine Berücksichtigung (§ 858 Abs 5 S 2 ZPO). Die Schiffsgläubigerrechte bleiben daher auch bei einer solchen Veräußerung im Wege der Zwangsvollstreckung weiter bestehen. Ein Arrest wird nach § 930 ZPO vollzogen.

$ 112 (aufgehoben)

6

Roger DGVZ 2002, 17.

406

Achter Abschnitt. Schiffsgläubiger

§ 1 1 3 BinSchG

$113

[Haftung des Schiffseigners bei Einziehung des Kaufgeldes] Soweit der Schiffseigner bei der Zwangsversteigerung oder bei einer sonstigen Veräußerung des Schiffes den Erlös eingezogen hat, haftet er jedem Schiffsgläubiger, dessen Pfandrecht infolge der Zwangsversteigerung oder infolge eines nach S 110 eingeleiteten Aufgebotsverfahrens erloschen ist, in Höhe desjenigen Betrages persönlich, der sich bei einer Verteilung des eingezogenen Betrages nach der gesetzlichen Rangordnung ergibt.

1.

Allgemeines

Bei der Zwangsversteigerung eines im Schiffsregister eingetragenen Binnenschiffs 1 erlöschen nach den §§ 91, 52,162 ZVG alle im Zwangsversteigerungsverfahren nicht berücksichtigten Schiffsgläubigerrechte. Gleiches geschieht mit den Schiffsgläubigerrechten von unbekannten Schiffsgläubigern, die durch ein Ausschlußurteil in einemvomErwerberdesSchiffesgemg HObeantragtenAufgebotsverfahrensvonihren Rechten ausgeschlossen wurden. Zum Ausgleich der so benachteiligten Schiffsgläubiger sieht das Gesetz eine beschränkt persönliche Haftung desjenigen Schiffseigners vor, der bei einer solchen Veräußerung des Schiffes den Erlös eingezogen hat.

2.

Ausschließlich dinglich haftender Schiffseigner

Da die persönliche Verpflichtung des Schiffseigners nach §113 zugunsten des 2 Schiffseigners einen Ausgleich für den Verlust von Pfandrechten darstellen soll, setzt § 113 ebenso wie die §§ 109 Abs 3, 114 und 115 Abs 3 voraus, daß der Schiffseigner den Schiffsgläubigern zuvor nur dinglich mit dem Schiff gehaftet hat. Hätte sich nämlich bereits zuvor die Schiffsgläubigerforderung persönlich gegen den Schiffseigner gerichtet, würden die Schiffsgläubiger für den Verlust ihres Pfandrechts etwas erhalten, was sie schon besaßen. Eine zusätzliche persönliche Haftung für die gleiche Forderung würde den Schiffsgläubigern keine zusätzlichen Vorteil gewähren und wäre somit überflüssig. Vgl insofern auch § 114 („für welche er nur mit dem Schiff haftet"), der eben dies ausdrücklich klarstellt. Die Fälle, in denen der Schiffseigner den Schiffsgläubigern nur dinglich haftet, 3 sind nach der Einführung der Summenhaftung in der Binnenschiffahrt und der Aufhebung der §§ 97, 100 Abs 1 durch das 3. SRÄG (§ 93 Rn 1) die Ausnahme. Ausschließlich dinglich haftet der Schiffseigner heute etwa noch für die vom Schiff zu entrichtenden Beiträge zur großen Haverei. Für diese Ansprüche gewährt das Gesetz gem §§ 89 Abs 1, 102 Nr 3 zwar ein Schiffsgläubigerrecht, der Schiffseigner wird insoweit jedoch nicht persönlich verpflichtet (§ 90 Abs 1). 407

BinSchG § 1 1 3

Haftung des Schiffseigners bei Einziehung des Kaufgeldes

Eine bloß dingliche Haftung kommt darüber hinaus dann in Betracht, wenn der auch persönlich verpflichtete Schiffseigner ein mit Schiffsgläubigerrechten belastetes Schiff veräußert. Vorbehaltlich der Möglichkeit eines Aufgebotsverfahrens nach § 1 1 0 haftet der Erwerber dann nur dinglich mit dem Schiff, während sich die persönliche Forderung weiter gegen den Veräußerer richtet. Für die Entstehung der beschränkt persönlichen Haftung ist es ohne Bedeutung, ob das Schiffsgläubigerrecht aus der Verwendung des Schiffes durch den gegenwärtigen oder einen früheren Schiffseigner entstanden ist. Allerdings ist §113 auch im Hinblick auf den Erwerber ausgeschlossen, wenn dieser das Schiff in Kenntnis des Bestehens der Schiffsgläubigerforderung schon zu einer neuen Reise ausgesendet hat, da er dann bereits wieder nach § 114 auch persönlich haftet. 3.

Voraussetzungen der beschränkten persönlichen Haftung

4 Die Rechtsfolge der beschränkt persönlichen Haftung tritt ein, wenn das Schiff entweder auf freiwilliger Basis durch den Eigner oder im Wege der Zwangsversteigerung veräußert wurde und es hierdurch zum Erlöschen von Schiffsgläubigerrechten gekommen ist. 5 Zudem muß der Schiffseigner den Erlös eingezogen haben. Dies ist der Fall, wenn dem Vermögen des Eigners für das veräußerte Schiff ein wie auch immer gearteter Gegenwert zugeflossen ist, sei es auch durch Aufrechnung, Verzicht oder Erlaß. Die hierdurch eintretende Mehrung des Vermögens des Eigners muß zu Lasten des ausfallenden Schiffsgläubigers dergestalt erfolgen, daß der Eigner insoweit bereichert ist. Entgegen einer verschiedentlich und unter anderem auch noch in der Vorauflage vertretenen Auffassung kann die bloße Abtretung der Kaufpreisforderung nur dann als Einziehung des Erlöses verstanden werden, wenn der Veräußerer für die Abtretung der Kaufpreisforderung seinerseits eine Gegenleistung erhalten hat. Nur dann ist er auf Kosten des ausfallenden Schiffsgläubigers bereichert. Der Regelungsgegenstand des § 1 1 3 unterscheidet sich wesentlich von dem des § 112 aF, wonach die Abtretung der Frachtforderung durch den Schiffseigner gegenüber den Inhabern von Schiffsgläubigerrechten an der Forderung bis zur Einziehung der Fracht durch den neuen Gläubiger wirkungslos war.1 6 Im Falle der Zwangsversteigerung des Schiffes liegt eine Einziehung des Erlöses iSv § 113 BinSchG nicht nur dann vor, wenn der Schiffseigner einen Erlös erhält, sondern auch dann, wenn bei der Verteilung des Versteigerungserlöses neben den Schiffsgläubigern noch weitere Gläubiger befriedigt werden. Denn auch in einem solchen Fall wird der Schiffseigner von einer Verbindlichkeit befreit und zum Nachteil der bevorrechtigten Schiffsgläubiger bereichert.

1

Begr BinSchG, 356.

408

§ 1 1 4 BinSchG

Achter Abschnitt. Schiffsgläubiger

4.

Umfang der beschränkt persönlichen Haftung

Die aus § 1 1 3 folgende persönliche Haftung des Schiffseigners ist beschränkt auf 7 den Betrag, der bei einer Verteilung des eingezogenen Betrags entsprechend der sich aus den §§ 107 bis 109 ergebenden Rangordnung auf den jeweiligen Schiffsgläubiger entfallen würde. Bei einer solchen fiktiven Verteilung sind sämtliche und nicht nur diejenigen Schiffsgläubiger zu berücksichtigen, die mit ihren Schiffsgläubigerrechten aufgrund der Veräußerung ausgefallen sind. Ebenfalls mit zu berücksichtigen sind die Beträge von etwa gem § 109 vorgehenden sonstigen Pfandrechten an dem Schiff, da auch § 109 Teil der „gesetzlichen Rangordnung" ist. Hat der Eigner den eingezogenen Erlös zum Zweck der Befriedigung von Schiffs- 8 gläubigem ausgekehrt, die anderen, ausgefallenen Schiffsgläubigern im Rang nachgingen, ist es gerechtfertigt, den Schiffseigner nach dem Rechtsgedanken des § 112 Abs 4 aF gegenüber dem vorrangigen Schiffsgläubigern nur insoweit haften zu lassen, als diese nachweisen, daß sie der Schiffseigner wissentlich übergangen hat.

$114 [Persönliche Verpflichtung des Schiffseigners bei Gefährdung des Schiffsvermögens] (1) Sendet der Schiffseigner, nachdem er von der Forderung eines Schiffsgläubigers, für welche er nur mit dem Schiff haftet, Kenntnis erhalten hat, das Schiff zu einer neuen Reise aus, ohne daß dies zugleich im Interesse des Gläubigers geboten war, so wird er für die Forderung in Höhe desjenigen Betrages auch persönlich verpflichtet, welcher für den Gläubiger sich ergeben haben würde, falls der Wert, den das Schiff bei Antritt der Reise hatte, unter die Schiffsgläubiger nach der gesetzlichen Rangordnung verteilt worden wäre. (2) Bis zum Beweise des Gegenteils wird angenommen, daß der Gläubiger bei dieser Verteilung seine vollständige Befriedigung erlangt haben würde.

Übersicht Rn 1. Allgemeines 2. Schiffsgläubigerforderung, für die nur das Schiff haftet

1-2

....

3. Kenntnis des Schiffseigners von der Schiffsgläubigerforderung 4. Aussendung des Schiffes zu einer neuen Reise

3-4 5-6 7-10

5. Beschränkt persönliche Verpflichtung 6. Erweiterter Anwendungsbereich des $ 1 1 4

11-15

7. Beweislast

17-20

16

409

BinSchG § 1 1 4 1.

Persönl. Verpflichtung des Schiffseigners bei Gefährdung des Schiffsvermögens

Allgemeines

1 Bis zur Einführung des Systems der Summenhaftung in der Binnenschiffahrt (§ 4 R n l ) bestand der wesentliche Zweck des §114 darin, dem Schiffsgläubiger zum Ausgleich für die Gefährdung seines dinglich beschränkten Anspruchs und seines Schiffsgläubigerrechts infolge der erneuten Aussendung des Schiffes zusätzlich eine beschränkt persönliche Forderung gegen den Schiffseigner zu gewähren.1 Heute hat diese Vorschrift ihre Bedeutung weitgehend eingebüßt, da die bloß dinglich beschränkte Haftung des Schiffseigners seit Inkrafttreten des GÄHB die Ausnahme ist. 2 Zum Teil wird die Auffassung vertreten, daß § 114 heute darüber hinaus den Zweck verfolgt, dem Gläubiger zusätzlich zum persönlichen aber nach §§ 4ff beschränkbaren Anspruch eine dingliche Sicherheit bzw einen Feststellungsanspruch dahingehend zu gewähren, daß eine solche dingliche Haftung besteht. Dieser Auffassung kann jedoch nicht gefolgt werden. Die Rechtsfolge des § 114 besteht allein darin, dem Schiffsgläubiger dort einen zusätzlichen beschränkt persönlichen Anspruch zu gewähren, wo zuvor allein eine beschränkt dingliche Haftung des Schiffsvermögens gegeben war. §114 setzt somit eine dingliche Haftung voraus (Rn3) und begründet diese nicht. Die ZKR2 hat darüber hinaus zutreffend festgestellt, daß der Kläger, dem gegen den Eigner ein persönlicher aber gem §§4ff summenmäßig beschränkbarer Anspruch zusteht, kein berechtigtes Interesse an der zusätzlichen Feststellung des Bestehens eines Schiffsgläubigerrechts gem § 102ff haben kann, da sich das Bestehen von Schiffsgläubigerrechten bereits aus dem Gesetz selbst ergibt. Die Voraussetzungen des § 114, dh die Aussendung des Schiffes zu einer neuen Reise, stellt allein keinen Arrestgrund iSv § 917 ZPO dar.3 2.

Schiffsgläubigerforderung, für die nur das Schiff haftet

3 § 114 setzt das Bestehen einer Schiffsgläubigerforderung iSv § 102 voraus, für die der Schiffseigner nur mit dem Schiff haftet. Ist der Schiffseigner dagegen im Hinblick auf die Schiffsgläubigerforderung bereits persönlich verpflichtet, scheidet nach dem ausdrücklichen Wortlaut des Gesetzes ein zusätzlicher beschränkt persönlicher Anspruch gem § 114 aus (vgl auch § 112f Rn2). Steht dem Schiffsgläubiger jedoch gegen den Schiffseigner neben dem dinglichen Anspruch noch eine andere Forderung zu, für die der Schiffseigner persönlich einzustehen hat, kann neben diese ohne weiteres ein beschränkt persönlicher Anspruch nach § 114 treten.

1 2 3

RGZ 151, 271, 277; 107, 305, 307; 151, 271, 277f. ZfB 2001, SaS 1831,1S34. OLG Köln ZfB 1957, 237.

410

Achter Abschnitt. Schiffsgläubiger

§ 1 1 4 BinSchG

Zu den Fällen in denen nach der Einführung der Summenhaftung in der Binnen- 4 schiffahrt noch eine ausschließlich dingliche Haftung des Schiffseigners in Betracht kommt, vgl § 1 1 3 Rn 3. 3.

Kenntnis des Schiffseigners von der Schiffsgläubigerforderung

Für die Entstehung des beschränkten persönlichen Anspruchs nach § 114 ist von 5 großer Bedeutung, daß und wann der Schiffseigner vom Bestehen der Schiffsgläubigerforderung Kenntnis erlangt hat, für die er nur mit dem Schiff haftet. Hat der Schiffseigner vom Bestehen einer solchen Forderung keine Kenntnis, wird er auch bei erneuter Versendung des Schiffes zu einer Reise nicht persönlich verpflichtet. Eine Kenntnis liegt vor, wenn der Schiffseigner die Tatsachen kennt, die zur Be- 6 gründung des Schiffsgläubigerrechts geeignet erscheinen.4 Eine juristische Subsumtion ist nicht erforderlich. Unerheblich ist ferner, auf welche Weise der Schiffseigner die Kenntnis erlangt hat.5 Die Schiffsgläubigerforderung braucht weder gerichtlich festgestellt noch vom Schiffseigner anerkannt zu sein. Maßgebend ist die Kenntnis des in Anspruch genommenen Schiffseigners bzw Ausrüsters. Nach einem allgemeinen Rechtsgedanken schadet dem Schiffseigner allerdings auch die Kenntnis eines Stellvertreters (vgl § 166 BGB).6 4.

Aussendung des Schiffes zu einer neuen Reise

a) Für die Frage, ob eine Reise bereits eine neue oder noch die alte ist, ist maßgeb- 7 lieh auf den Zeitpunkt abzustellen, in dem der Schiffseigner Kenntnis von der Schiffsgläubigerforderung erlangt hat, für die er allein mit dem Schiff haftet (Rn 6). Neu ist demnach die Reise, die nach diesem Zeitpunkt beginnt. Der Zeitpunkt der Entstehung des Schiffsgläubigerrechts ist demgegenüber unbeachtlich. b) Die neue Reise kann, muß aber keine Frachtreise sein. Im Hinblick auf den 8 Zweck des § 114, dem Schiffsgläubiger einen Ausgleich für eine Gefährdung seines dinglichen Rechts zu gewähren, genügt jede selbständige Reise mit einem neuen Zweck, da bereits dies eine entsprechende mögliche7 Gefährdung bedeutet.8 Ist ein solcher neuer Reisezweck gegeben, ist unerheblich, wie groß die Strecke ist, die das Schiff zurücklegt, und auch, ob dies im Hafen- oder Ortsverkehr geschieht. An einem neuen Reisezweck fehlt es, wenn das Schiff nach einer Kollision, die zu einer Begründung von Schiffsgläubigerrechten geführt hat, zur Reparatur an eine nahe-

4 5 6 7 8

BGHZ 3, 34, 44. RGZ 33, 79, 83. BGH NJW 1984, 293S, 2936; NJW-KR 2001, 127, 128. RGZ 151, 271, 277. BGHZ 3, 34, 42f.

411

BinSchG

§114

Persönl. Verpflichtung des Schiffseigners bei Gefährdung des Schiffsvermögens

gelegene Werft verbracht wird. Gleiches gilt, wenn das Schiff nach Beendigung der alten Reise lediglich an eine in der Nähe befindliche sichere Stelle gelegt wird. 9 Die Aussendung zu einer neuen Reise ist zu unterscheiden von der Fortsetzung der alten Reise. Die Fortsetzung der bisherigen Reise läßt keine beschränkt persönliche Verpflichtung entstehen, auch wenn anläßlich der fortgesetzten alten Reise neue Schiffsgläubigerrechte entstehen können. Eine Beendigung der alten Reise ist zwar regelmäßig anzunehmen, wenn die Ladung gelöscht wird, doch ist dies nicht zwingende Voraussetzung. So liegt eine neue Reise auch dann vor, wenn die Ladung ohne vorherige Löschung aufgrund eines neuen Frachtvertrags weiter transportiert wird. Die vorübergehende Leichterung des Schiffes zB wegen Kleinwassers führt allein nicht zu einer neuen Reise. 10 c) Die Aussendung zu einer neuen Reise begründet dann keinen beschränkt persönlichen Anspruch, wenn die Reise auch im Interesse des Schiffsgläubigers geboten war. Im Interesse des Schiffsgläubigers liegt zB die Verbringung des andernfalls gefährdeten Schiffs in ein sicheres Winterlager oder eine vom Schiffsgläubiger selbst als neuem Charterer des Schiffs bzw in dessen Auftrag durchgeführte Reise. 5.

Beschränkt persönliche Verpflichtung

11 a) Sendet ein Schiffseigner sein Schiff in Kenntnis eine Schiffsgläubigerforderung, für die er selbst nur dinglich mit dem Schiff haftet, zu einer neuen Reise aus, wird neben der fortbestehenden dinglichen Haftung mit dem Schiffsvermögen eine zusätzliche beschränkt persönliche Verpflichtung des Schiffseigners begründet. Der hieraus folgende Anspruch entsteht nur zugunsten von Schiffsgläubigern, nicht aber zugunsten sonstiger Schiffspfandgläubiger. 9 Zwar setzt er bei seiner Entstehung ein dingliches Schiffsgläubigerrecht voraus, bildet mit diesem aber keine rechtliche Einheit iS einer Akzessorietät. Die höhenmäßig beschränkte, gegen den Schiffseigner persönlich gerichtete Forderung ist von dem Schiffsgläubigerrecht in ihrem Bestand völlig losgelöst. Beide können zB beim Verkauf des Schiffs verschiedene Wege gehen. 10 12 Auch ein Schiffseigner, der sein Schiff anläßlich der neuen Reise selbst führt, wird durch § 1 1 4 persönlich verpflichtet. 13 Eine Verpflichtung aus § 1 1 4 kann auch einen späteren Erwerber eines Schiffes treffen, selbst wenn bereits in der Person des Veräußerers eine persönliche Verpflichtung nach § 114 eingetreten war (vgl § 113 Rn 3). Der Grund hierfür liegt in der zusätzlichen Gefährdung des Schiffes durch die neuerliche Aussendung des

9 10

412

RGZ 107, 305, 307; 151, 271,278. RGZ 151, 271, 277.

Achter Abschnitt. Schiffsgläubiger

§ 1 1 4 BinSchG

Schiffes durch den Erwerber. 11 Der Erwerber haftet in einem solchen Falle dinglich mit dem Schiff und zusätzlich neben dem früheren Schiffseigner beschränkt persönlich. Mehrere aufeinander folgende Schiffseigner haften als Gesamtschuldner. b) Die persönliche Verpflichtung des Schiffseigners ist auf den Betrag beschränkt, 14 den der Schiffsgläubiger aus dem Schiffsvermögen erhalten hätte, falls der Wert, den das Schiff bei Antritt der Reise hatte, unter die Schiffsgläubiger nach der gesetzlichen Rangordnung (§§ 107 bis 109) verteilt worden wäre. Seiner beschränkt persönlichen Verpflichtung genügt also der Schiffseigner, wenn er den Betrag bezahlt, den der Schiffsgläubiger bei einer Verteilung des Schiffsvermögen nach der gesetzlichen Rangordnung erhalten hätte. 12 Anders als iRd § 113 (§113 Rn7) sind aufgrund des ausdrücklichen Wortlauts des § 114 bei der fiktiven Verteilung des Schiffswerts ausschließlich die anderen Schiffsgläubiger iSv § 102 zu berücksichtigen, nicht aber andere dingliche Gläubiger des Schiffes. Wert des Schiffs ist der Veräußerungs- und nicht der Wiederbeschaffungswert und 15 umfaßt nicht die etwa anfallende Mehrwertsteuer. 13 Da es auf den Zeitpunkt der Aussendung ankommt, sind alle werterhaltenden oder wertverbessernden Maßnahmen aber auch Wertverschlechterungen seit der Begründung des Schiffsgläubigerrechts mit zu berücksichtigen. 14 6.

Erweiterter Anwendungsbereich des § 114

Da das Schiffsvermögen auch in anderer Weise zum Nachteil des Schiffsgläubigers 16 durch den Schiffseigner verringert oder den Schiffsgläubigern überhaupt entzogen werden kann, stellt sich die Frage, ob in derartigen Fällen eine entsprechende Anwendung des § 114 möglich ist. Bejaht wird dies zB dann, wenn das Schiff ins Ausland veräußert15 oder das Schiffsvermögen sonst willentlich verschlechtert oder zerstört wird 16 . Dieser Auffassung kann jedoch nicht gefolgt werden. Eine analoge Anwendung der §§ 102ff einschließlich § 114 als Ausnahme- und Sondervorschriften (§ 103 Rn 1) ist nicht möglich. 17 Insbesondere eine Veräußerung ins Ausland kann nicht einer Aussendung des Schiffes zu einer neuen Reise gleichgestellt werden. Ob und inwieweit eine bloße Veräußerung eines Schiffes ins Ausland die hieran bestehenden Rechte des Schiffsgläubigers beeinträchtigt, kann zudem nicht verallgemeinert werden. Schließlich fehlt es bei § 114 an der für eine analoge 11 12 13 14 15 16 17

RGZ 107, 305, 307; Mittelstein Recht der Binnenschiffahrt, 60; aA OLG Hamburg HansGZ Hauptbl 1903, 292 Nr 128. OLG Hamburg HansGZ Hauptbl 1893,219 Nr 72. BGHLMS 114BinSchG N r 4 . RGZ 151,271,278. BGH TranspR 1997,15S. Straps/Abraham SeeR II § 774 HGB Anm \7ίΐ; Mittelstein Deutsches Binnenschiffahrtsrecht $ 114 BinSchG Anm 1. Baumgärtel/Konoift $ 114 BinSchG Rn 3.

413

BinSchG

§114

Persönl. Verpflichtung des Schiffseigners bei Gefährdung des Schiffsvermögens

Anwendung notwendigen planwidrigen Lücke des Gesetzes. Eine Analogie setzt voraus, daß eine vom Gesetzgeber unbeabsichtigt gelassene Lücke vorliegt und diese Planwidrigkeit aufgrund konkreter Umstände positiv festgestellt werden kann, andernfalls jedes Schweigen des Gesetzgebers als planwidrige Lücke von den Gerichten im Wege der Analogie ausgeführt werden könnte. 18 Der Gesetzgeber hatte es jedenfalls im Zusammenhang mit dem Erlaß des GÄHB im Jahr 1998 (§ 102 R n 2 ) in Kenntnis der Jahrezehnte alten Problematik in der Hand, den Anwendungsbereich des § 114 auf andere Fälle der Gefährdung der lediglich dinglich gesicherten Schiffsgläubiger auszudehnen. Dies ist jedoch nicht geschehen. Im Gegenteil ist bereits durch das l.SRÄG die § 1 1 4 entsprechende seerechtliche Vorschrift des § 774 HGB aufgehoben worden. Dies betont den Ausnahmecharakter von § 114. Werden Schiffsgläubiger bei einer Veräußerung des Schiffs ins Ausland oder bei einer sonstigen Entwertung des Schiffsvermögens benachteiligt, muß es bei dem allgemeinen Schadensersatzanspruch aus den §§ 823, 826, 249 BGB sein Bewenden haben. 19

7.

Beweislast

17 a) Im Rechtsstreit hat der Schiffsgläubiger seine Schiffsgläubigerforderung nach Grund und Höhe sowie den Rang des Schiffsgläubigerrechts zu beweisen. Ferner hat er nachzuweisen, daß der Schiffseigner sein Schiff in Kenntnis der Schiffsgläubigerforderung zu einer neuen Reise ausgesandt hat. 20 Ist dem Schiffseigner in einem Rechtsstreit der Streit verkündet worden, der die Schiffsgläubigerforderung zum Gegenstand hat, führt die Streitverkündung zur Kenntnis des Schiffseigners (Rn 6). 18 Ist das Schiff zu einer neuen Reise ausgesandt worden, spricht ein Beweis des ersten Anscheins dafür, daß die Aussendung nicht auch im Interesse des Gläubigers geboten war, weil grundsätzlich jede neue Reise ein bestehendes Schiffsgläubigerrecht gefährdet. Der Schiffseigner seinerseits hat die Möglichkeit, diesen Anscheinsbeweis dadurch zu erschüttern, daß er konkrete Tatsachen behauptet und nötigenfalls beweist, aus denen sich die ernsthafte Möglichkeit ergibt, daß die neue Reise auch im Interesse des Schiffsgläubigers geboten war. Gelingt ihm dies, muß der Schiffsgläubiger vollen Beweis dafür erbringen, daß die Reise nicht auch in seinem Interesse geboten war.

18 19 20

414

Vgl Canaris Die Feststellung von Lücken im Gesetz, 2. Aufl 1983, 51; BGHZ 149, 165, 174 mwN; BGH NJW 1988, 2032,2034; OLG Karlsruhe VersR 2000,1046,1047. Im Ergebnis so auch OLG Köln ZfB 1996, SaS 1590;M!iAflrfiTranspR 1997, 330,33 lf. Nach Auffassung des OLG Karlsruhe Urt ν 20.10.1995 (Az U 8/94 BSch) spricht allerdings eine tatsächliche Vermutung für die Annahme, daß das Schiff tatsächlich zu neuen Reisen entsandt wurde, da dies dem Interesse der Schiffahrttreibenden entspricht. Der Schiffseigner hat daher substantiiert darzulegen, warum dies im konkreten Fall gleichwohl nicht geschehen ist.

Achter Abschnitt. Schiffsgläubiger

§ 1 1 5 BinSchG

Ferner hat der Schiffsgläubiger den Wert des Schiffs im Zeitpunkt der Aussendung zu der neuen Reise nachzuweisen.

19

b) Nach § 1 1 4 Abs 2 wird bei der Feststellung des Betrags der beschränkt persönli- 20 chen Verpflichtung bis zum Beweis des Gegenteils durch den Schiffseigner vermutet, daß der Schiffsgläubiger bei der Verteilung des Schiffswertes seine vollständige Befriedigung erlangt hätte. Dem Schiffseigner steht also der Gegenbeweis offen, daß der Schiffsgläubiger bei einer Verteilung des Schiffsvermögens leer ausgegangen oder nur ein geringerer Betrag auf ihn entfallen wäre. Grund hierfür kann etwa der geringe Schiffswert oder das Bestehen anderer vorrangiger Schiffsgläubigerrechte sein, die bei der fiktiven Verteilung des Schiffswerts zu berücksichtigen sind (Rn 15).

$115

[Schiffsgläubigerrecht an Ersatzforderungen]

(1) Das Pfandrecht erstreckt sich auch auf einen Ersatzanspruch, der dem Schiffseigner wegen des Verlustes oder der Beschädigung des Schiffes gegen einen Dritten zusteht. Das gleiche gilt hinsichtlich der Vergütung für Schäden an dem Schiff in Fällen der großen Haverei. (2) Das Pfandrecht erstreckt sich nicht auf eine Forderung aus einer Versicherung, die der Schiffseigner für das Schiff genommen hat. (3) Soweit der Schiffseigner die Entschädigung oder Vergütung eingezogen hat, haftet er in Höhe des eingezogenen Betrages den Schiffsgläubigern persönlich in gleicher Weise wie bei Einziehung eines Erlöses (§ 113). 1.

Allgemeines

§ 115 regelt den Fall, daß das dem Schiffsgläubiger haftende Schiff beschädigt wird 1 oder vollständig verloren geht. Erwirbt der Schiffseigner aufgrund eines solchen Ereignisses gegen einen Dritten einen Entschädigungs- oder Vergütungsanspruch, so erstreckt sich das Schiffsgläubigerrecht entgegen den allgemeinen Vorschriften (§§ 1212, 1219 Abs 2, 1247, 1257 BGB) auch auf diese Ansprüche als Surrogat der Pfandsache. Nicht erfaßt wird dagegen gem § 115 Abs 2 ein Anspruch auf eine Versicherungsleistung. Für den Fall der Einziehung der Entschädigung durch den Schiffseigner begründet § 115 Abs 3 unter Verweis auf die Regelung in § 113 einen beschränkt persönlichen Anspruch des Schiffsgläubigers gegen den zuvor nur dinglich haftenden Schiffseigner. § 1 1 5 Abs 1 und 2 entspricht nunmehr § 7 5 6 Abs 2 und 3 HGB. § 115 Abs 3 hat dagegen im Seerecht keine Entsprechung. 415

BinSchG $ 1 1 5 2.

Schiffsgläubigerrecht an Ersatzforderungen

Ersatz- und Vergütungsanspruch des Schiffseigners wegen Verlusts oder Beschädigung des Schiffes

2 Anders als vor Inkrafttreten des GÄHB erfaßt das Schiffsgläubigerrecht jetzt in Übereinstimmung mit dem Seerecht sämtliche Ersatzansprüche des Schiffseigners wegen des Verlustes oder der Beschädigung des Schiffes (§115 Abs 1 S 1). Darauf, ob der Schaden rechtswidrig und schuldhaft herbeigeführt wurde, kommt es nicht an. Ersatzansprüche iSv § 115 Abs 1 sind somit auch Ansprüche aus Gefährdungshaftung und aus rechtmäßigem Handeln (§ 904 BGB).1 Praktisch relevant sind vor allem Ersatzansprüche aus Schiffskollisionen (§§ 92ff). Zwar fallen grundsätzlich auch Schadensersatzansprüche des Schiffseigners gegen seine eigenen Besatzungsmitglieder hierunter, doch dürften solche Ansprüche regelmäßig nach den Grundsätzen des innerbetrieblichen Schadensausgleichs ($ 7 Rn 12) ausgeschlossen sein. 3 Gem § 85 iVm §§ 709, 710 HGB wird bei der großen Haverei zugunsten des Schiffseigners für die Aufopferung und Beschädigung des Schiffs nebst Zubehör ein Vergütungsanspruch begründet. Zum Ausgleich der den Schiffsgläubigern durch die große Haverei entstehenden Nachteile tritt gem § 115 Abs 1 S 2 auch dieser Vergütungsanspruch an die Stelle des belasteten Schiffs und werden insoweit ebenfalls von den Schiffsgläubigerrechten erfaßt. 4 Gesetzlich klargestellt ist nun in § 115 Abs 2, daß Ansprüche wegen einer Beschädigung oder des Verlustes des Schiffes gegen eine Versicherung, dh vor allem eine Kaskoversicherung, kein Surrogat des Schiffes iSv § 115 Abs 1 darstellen und somit - anders als von Schiffshypotheken (§ 32 Abs 1 SchiffsRG) - auch nicht von den Schiffsgläubigerrechten erfaßt werden können. Der neue § 115 Abs 2 lehnt sich an die entsprechende Rechtslage im Seerecht (§ 756 Abs 3 HGB) an und entspricht der bereits zuvor bestehenden allgemeinen Meinung. 3.

Pfandrecht an Ersatz- und Vergütungsanspruch

5 Entgegen der insoweit mißverständlichen Formulierung („erstreckt sich auch") ist das gesetzliche Pfandrecht am Ersatz- und Vergütungsanspruch selbständig und tritt neben das fortbestehende Schiffsgläubigerrecht an dem Schiff, sofern dieses nicht gänzlich erloschen ist (vgl § 103 Rn 18). Allerdings handelt es sich auch bei diesem Pfandrecht um ein Schiffsgläubigerrecht mit der Folge, daß die §§ 1273ff BGB nur anwendbar sind, sofern die §§ 103ff nichts anderes bestimmen. Dies bedeutet insbesondere, daß die Verwertung des Pfandrechts nur gemäß § 103 Abs 3 aufgrund eines vollstreckbaren Titels und nicht gem § 1282 BGB durch Einziehung des Ersatz- bzw Vergütungsbetrages erfolgen kann. Zur Durchsetzung ihres Pfand1

Begr GÄHB, BT-Drs 13/8446, 39.

416

Achter Abschnitt. Schiffsgläubiger

§ 1 1 5 BinSchG

rechts an einer Ersatz- oder Vergütungsforderung müssen daher die Schiffsgläubiger gegen den Schiffseigner einen Vollstreckungstitel erwirken und gegen den Schuldner der pfandrechtsbelasteten Forderung beim Vollstreckungsgericht einen Pfändungs- und Überweisungsbeschluß gem §§ 828ff ZPO beantragen. 4.

Einziehung von Entschädigung oder Vergütung durch den Schiffseigner (§ 115 Abs 3)

Zieht der Schiffseigner die Entschädigung oder die Vergütung ein, so bestimmt 6 §115 Abs 3, daß er den hierdurch in ihren Rechten beeinträchtigten Schiffsgläubigern in Höhe des eingezogenen Betrags in gleicher Weise persönlich verpflichtet wird wie bei Einziehung des Erlöses gem §113. § 1 1 5 Abs 3 setzt damit wie §§ 109 Abs 3, 113 und 114 voraus, daß der so verpflichtete Schiffseigner den Schiffsgläubigern zuvor ausschließlich dinglich gehaftet hat, da andernfalls eine zusätzliche persönliche Haftung keinen Sinn ergeben würde (§ 113 Rn 2). Zu den Fällen, in denen nach der Einführung der Summenhaftung in der Binnenschiffahrt noch eine ausschließlich dingliche Haftung des Schiffseigners möglich ist, vgl § 113 Rn 3. Zur Berechnung des Umfangs der persönlichen Verpflichtung des Schiffseigners vgl § 113 Rn 7. Offen gelassen hat der Gesetzgeber, was mit den Pfandrechten an den Entschädi- 7 gungs- oder Vergütungsforderungen geschieht, wenn der Schiffseigner die Entschädigung bzw die Vergütung einzieht und die pfandrechtsbelastete Forderung damit erlischt. Mangels abweichender gesetzlicher Regelung in den §§ 103ff wäre eigentlich auf die allgemeinen Vorschriften zurückzugreifen, wonach das Pfandrecht an der erloschenen Forderung erlöschen, zugleich aber gem § 1287 BGB an der Entschädigung bzw Vergütung ein neues Pfandrecht entstehen würde. Der Verweis in § 115 Abs 3 auf § 113, der nach dem ausdrücklichen Willen des Gesetzgebers den früheren Verweis in § 115 Abs 3 aF auf den jetzt aufgehobenen § 112 aF ersetzen sollte,2 zeigt jedoch, daß der Gesetzgeber von einem endgültigen Erlöschen des Schiffsgläubigerrechts auch in Fällen des §115 Abs 3 ausgegangen ist. Nicht nur § 113 gewährt einen persönlichen Anspruch als Ausgleich für endgültig erloschene Pfandrechte (§ 113 Rn 1). Vor allem § 112 Abs 1 und 2 aF zeigt, daß der persönliche Anspruch gegen den Schiffseigner einen Ausgleich darstellt für den endgültigen Verlust eines Pfandrechts und der damit einhergehenden Bereicherung des Schiffseigners auf Kosten des Schiffsgläubigers. Vor diesem Hintergrund ist daher auch iRd § 115 Abs 3 davon auszugehen, daß die an Entschädigungs- und Vergütungsansprüchen entstandenen Pfandrechte mit der Einziehung der Entschädigung bzw Vergütung durch den Schiffseigner erlöschen und sich nicht an den eingezogenen Beträgen fortsetzen.

2

Begr GÄHB, BT-Drs 13/8446, 39.

417

BinSchG $ 1 1 6 5.

Rangordnung der auf den Ladungsgütern haftenden Pfandrechte

Beweislast

8 Will ein Schiffsgläubiger den Schiffseigner aus der beschränkt persönlichen Haftung nach § 115 in Anspruch nehmen, hat er sein Schiffsgläubigerrecht nach Grund und Höhe, seinen Rang, die Einziehung der Entschädigung und Vergütung sowie den Betrag zu beweisen, den er bei der Verteilung dieser Ansprüche entsprechend seinem Rang erhalten hätte. Es gelten damit die gleichen Grundsätze wie iRd § 113. 9 Will der Schiffsgläubiger die Entschädigungs- oder Vergütungsforderung, an der er gem § 1 1 5 Abs 3 ein Pfandrecht erlangt hat, gegen den Schuldner dieser Forderung durchsetzen, benötigt er außer einem Vollstreckungstitel gegen den Schiffseigner einen Pfändungs- und Überweisungsbeschluß, durch den die Rechte aus der Forderung von dem Schiffseigner auf ihn übertragen werden. Er kann dann selbst gegen den Drittschuldner auf Leistung an sich klagen. In diesem Rechtsstreit hat er die volle Beweislast für das Bestehen der Forderung dem Grunde und der Höhe nach.

$116 [Rangordnung der auf den Ladungsgütern haftenden Pfandrechte] (1) Die wegen der Beiträge zur großen Haverei auf den Ladungsgütern haftenden Pfandrechte gehen den in § 4 4 3 des Handelsgesetzbuchs bezeichneten Pfandrechten vor. Unter den ersten Pfandrechten hat das später entstandene vor dem früher entstandenen den Vorzug; die gleichzeitig entstandenen sind gleichberechtigt; Forderungen, welche aus Anlaß desselben Notfalles entstanden sind, gelten als gleichzeitig entstanden. (2) In den Fällen der großen Haverei und des Verlustes oder der Beschädigung durch rechtswidrige Handlungen finden die Vorschriften des § 1 1 5 entsprechende Anwendung. 1.

Allgemeines

1 Gem § 89 Abs 2 wird wegen der seitens der Ladung zu erbringenden Beiträge zur großen Haverei an den einzelnen Gütern zugunsten der Vergütungsberechtigten ein gesetzliches Pfandrecht begründet. § 1 1 6 regelt das Verhältnis dieser Pfandrechte zu den in § 443 Abs 1 HGB aufgeführten anderen Pfandrechten an der Ladung. Die Regelung des § 116 hat also kein Schiffsgläubigerrecht iSd §§ 102 bis 115 zum Gegenstand und die Stellung des § 116 im Siebten Abschnitt über die Schiffsgläubiger ist damit zweifelhaft. Die in systematischer Hinsicht treffendere Lösung 418

Achter Abschnitt. Schiffsgläubiger

§ 1 1 6 BinSchG

wurde im Seerecht gefunden, das den Vorrang des Pfandrechts an den beitragspflichtigen Gütern (§ 726 Abs 2 HGB) in § 726a HGB und damit im Abschnitt über die große Haverei regelt. 2.

Rangordnung der auf der Ladung ruhenden Pfandrechte (§ 116 Abs 1 S 1)

Das Pfandrecht der Vergütungsberechtigten aus einer großen Haverei an den ein- 2 zelnen Gütern wegen der zu leistenden Beiträge geht nach § 116 Abs 1 S 1 den in § 443 Abs 1 HGB genannten Pfandrechten des Kommissionärs (§ 397 HGB), des Frachtführers (§ 441 HGB), des Spediteurs (§ 464 HGB), des Lagerhalters (§ 475b HGB) und des Verfrachters im Seerecht (§ 623 HGB) an der Ladung vor. Anders als § 109 regelt § 116 Abs 1 S 1 nicht den Rang von sämtlichen sonstigen Pfandrechten, sondern enthält eine Aufzählung bestimmter Pfandrechte. Eine entsprechende Anwendung der Ausnahmeregelung des § 116 auf andere Pfandrechte als die ausdrücklich erwähnten, ist nicht möglich.1 Dies hat zur Folge, daß der Rang von an den Gütern etwa bestehenden vertraglichen Pfandrechten nach der allgemeinen Regelung in § 1209 BGB zu bestimmen ist. Allerdings sind vertragliche Pfandrechte an den Ladungsgütern wegen des Besitzerfordernisses (§ 1205 BGB) die Ausnahme. 3.

Rangordnung gleichartiger Pfandrechte untereinander (§ 116 Abs 1 S 2)

Die Rangordnung der Pfandrechte der Verfügungsberechtigten nach § 89 Abs 2 3 untereinander bestimmt sich gem § 116 Abs 1 S 2 entgegen dem in §§ 1209, 1257 BGB niedergelegten Prioritätsgrundsatz nach dem sog Posterioritätsprinzip. Danach rangiert das später entstandene Pfandrecht vor dem früher entstandenen. Gleichzeitig entstandene Pfandrechte sind gleichberechtigt und haben daher gleichen Rang. Forderungen, die aus dem Anlaß derselben gemeinsamen Gefahr entstanden sind, gelten als gleichzeitig entstanden. Zum gesetzgeberischen Hintergrund dieser Regelung vgl §§ 107 und 108 Rn4. Die Rangfolge der in § 4 4 3 Abs 1 HGB aufgezählten und in § 1 1 6 Absl S 1 in 4 bezug genommenen Pfandrechte ergibt sich aus § 4 4 3 HGB. Für die sonstigen Pfandrechte gelten die §§ 1209,1257 BGB.

1

AA SchapslAbraham SeeR II $ 777 HGB Anm 3.

419

BinSchG $ 1 1 6 4.

Rangordnung der auf den Ladungsgütern haftenden Pfandrechte

Zusammenfassender Überblick über die Rangordnung der Ladungspfandrechte

5 Eine Zusammenschau der Vorschriften über den Rang der Pfandrechte an den Ladungsgütern ergibt folgende Rangordnung: 1. sonstige Pfandrechte, sofern sie früher als alle anderen Pfandrechte entstanden sind; 2. Pfandrechte der Vergütungsberechtigten nach § 89 Abs 2, wobei innerhalb dieses Rangs die später entstandenen Pfandrechte den früher entstandenen vorgehen und gleichzeitig entstandene Pfandrechte gleichrangig sind; 3. Pfandrechte gem § 443 Abs 1 HGB, wobei innerhalb dieser Ordnung die durch die Versendung oder Beförderung des Gutes entstandenen Pfandrechte des Frachtführers und des Spediteurs grundsätzlich Vorrang haben vor den anderen Pfandrechten (weitere Einzelheiten hierzu unter § 443 HGB Rn lf); 4. sonstige Pfandrechte, sofern sie später als alle anderen Pfandrechte entstanden sind. 5.

Rechte der Vergütungsberechtigten an Ersatzforderungen (S 116 Abs 2)

6 Erlangt der Schuldner im Falle einer großen Haverei für die Aufopferung oder Beschädigung von Gütern einen Vergütungsanspruch (§§ 711 bis 713 HGB iVm § 85 BinSchG) oder erlangt er sonst für die Beschädigung oder den Verlust der Güter einen Ersatzanspruch, so tritt, sofern die betroffenen Gütern mit einem Pfandrecht gem § 89 Abs 2 belastet waren, dieser Anspruch gem §§ 115 Abs 1, 116 Abs 2 im Hinblick auf das Pfandrecht an die Stelle der Güter. Einzelheiten zu den Pfandrechten an den Ersatzoder Vergütungsansprüchen und seiner Verwertung vgl § 115Rn 5. 7 Hinsichtlich der von § 116 Abs 2 erfaßten Ersatz- und Vergütungsansprüche gilt grundsätzlich das zu § 115 Gesagte (vgl § 115 R n 2 bis 4). Allerdings fallen unter § 116 Abs 2 nicht sämtliche Ersatzansprüche, sondern nur die wegen Verlusts oder Beschädigung der Güter durch rechtswidrige Handlungen. Anders als von § 115 (S 115 Rn 2) werden daher Ansprüche aus Gefährdungshaftung oder aus § 904 BGB von § 116 Abs 2 nicht erfaßt. Es handelt sich bei dieser Abweichung offensichtlich um ein redaktionelles Versehen des Gesetzgebers. Ein sachlicher Grund für die mit dem GÄHB ins Gesetz gelangte Unterscheidung ist nicht erkennbar. Dennoch zwingt der ausdrückliche Wortlaut des § 116 Abs 2 insoweit zu einer system widrigen Ungleichbehandlung von Ersatzansprüchen wegen des Verlusts oder der Beschädigung von Ladungsgütern und Ersatzansprüchen wegen des Verlusts oder der Beschädigung des Schiffes. 8 Die Klarstellung in § 115 Abs 2, wonach sich das Pfandrecht nicht auf Ansprüche aus einem Versicherungsvertrag, insbesondere einer Transportversicherung, erstreckt, gilt auch iRd § 116 Abs 2. 420

Achter Abschnitt. Schiffsgläubiger

§116

BinSchG

Gem §§ 115 Abs 3, 116 Abs 2 wird durch die Einziehung des Ersatz- bzw Vergü- 9 tungsanspruchs auch der gem §§ 90 Abs 1, 89 Abs 2 grundsätzlich nur dinglich haftende Vergütungsverpflichtete in beschränkter Höhe persönlich verpflichtet (§115 Rn 6 und 7).

421

Neunter Abschnitt Verjährung $117 [Verjährung] (1) Mit dem Ablaufe eines Jahres verjähren: 1. die öffentlichen Schiffs- u n d Schiffahrtsabgaben, insbesondere die Brücken-, Schleusen-, Kanal- u n d Hafengelder; 2. die aus den Dienstverträgen h e r r ü h r e n d e n Forderungen der Schiffsbesatzung; 3. die Lotsengelder; 4. (aufgehoben) 5. die Beiträge zur großen Haverei; 6. die Forderungen aus Geschäften, welche der Schiffer kraft seiner gesetzlichen Befugnisse (SS 15 u n d 16) u n d nicht mit Bezug auf eine Vollmacht geschlossen hat; 7. die Forderungen aus dem Verschulden einer Person der Schiffsbesatzung oder eines Lotsen (§§ 3, 7), soweit ihre Verjährung sich nicht nach § 118 bestimmt. (2) Die Verjährung beginnt mit dem Schlüsse des Jahres, in welchem die Forderung fällig geworden ist.

Übersicht 1. Allgemeines 2. Nach § 117 verjährende Ansprüche ($ 117 Abs 1) a) Überblick b) § 117 Abs 1 Nr 1 c) $ 117 Abs 1 Nr 2 d) $ 117 Abs 1 Nr 3 e) $ 117 Abs 1 Nr 5 f) $ 117 Abs 1 Nr 6 g) S 117 Abs 1 Nr 7 3. Beginn der Verjährung ($117 Abs 2)

Rn 1-2 3-5 6 7 8 9 10 11-13 14-18

423

BinSchG § 1 1 7

Verjährung Rn

4. Ablauf der Verjährungsfrist a) Allgemeines

19

b) Hemmung der Verjährung

20-23

c) Neubeginn der Verjährung

24-25

5. Rechtsfolgen der Verjährung

26-28

6. Abweichende vertragliche Vereinbarungen

29-30

7. Verhältnis zu anderen Verjährungsvorschriften a) $ 118 b) $ 439 HGB

31 32-36

c) Art 24 CMNI

37

d) Art 11 Anlage zu $ 664 HGB

38

e) $ 902 Nr 3 und § 903 HGB

39

f) SS 195 ff BGB

40

8. Internationales Privatrecht

1.

41

Allgemeines

1 Mit Inkrafttreten des Gesetzes zu dem Übereinkommen vom 15. 3. 1960 zur Vereinheitlichung einzelner Regeln über den Zusammenstoß von Binnenschiffen sowie zur Änderung des BinSchG und des Flößereigesetzes vom 30. 8. 1972 (§ 92 Rn 1) erfuhren auch die Regelungen betreffend die Verjährung binnenschifffahrtsrechtlicher Ansprüche eine durchgreifende Änderung. Neu war vor allem die in § 118 eingeführte Verjährungsfrist von zwei Jahren seit Eintritt des schadensursächlichen Ereignisses für Ansprüche aus einem Schiffszusammenstoß iSv § 92. Iü verblieb es für die in § 117 Abs 1 aufgeführten Ansprüche bei der Verjährungsfrist von einem Jahr gerechnet ab dem Schluß des Jahres, in dem die Forderung fällig geworden ist. Der Gesetzgeber begründet diese gegenüber den allgemeinen Regelungen stark verkürzte Verjährungsfrist damit, daß die in Betracht kommenden Forderungen bei längerem Bestehen den Rechtsverkehr erheblich gefährden würden und die schleunige Abwicklung der aus dem Schiffahrtsverkehr entspringenden Forderungen auch deshalb wünschenswert sei, weil bezüglich derselben nach Ablauf eines längeren Zeitraums eine zuverlässige Prüfung häufig nicht mehr möglich sei. 1 Mit derselben Begründung hat der Gesetzgeber stets die regelmäßig verkürzten Verjährungsfristen im gesamten kaufmännischen Rechtsverkehr begründet. Sofern die kurze Verjährungsfrist des § 1 1 7 Abs 1 auch Ansprüche im nichtkaufmännischen Bereich betrifft, wurde dies mit den Beweisschwierigkeiten gerechtfertigt, die sich aus der bestimmungsgemäßen, ständigen Ortsveränderung der Schiffe ergeben. 2 Bei den §§ 117 und 118 handelt es sich um spezielle Vorschriften, die den allgemeinen Regeln in §§ 195ff BGB grundsätzlich vorgehen. Die allgemeinen Vor1

Begr BinSchG, 357.

424

Neunter Abschnitt. Verjährung

§ 1 1 7 BinSchG

Schriften sind jedoch insoweit anwendbar, als die §§ 117f schweigen. Die §§ 195ff BGB erlangen daher im Binnenschiffahrtsrecht vor allem im Hinblick auf die Hemmung und den Neubeginn der Verjährung (Rn20ff) Bedeutung. 2 Zum Verhältnis der SS 117f zu anderen speziellen, die Verjährung binnenschiffahrtsrechtlicher Ansprüche betreffenden Vorschriften vgl Rn 3Iff. 2.

Nach S 117 verjährende Ansprüche (§ 117 Abs 1)

a)

Überblick

Die Gemeinsamkeit der in S 117 Abs 1 aufgeführten Ansprüche besteht darin, daß 3 sie alle ein Schiffsgläubigerrecht gem S 102 gewähren. Zur Begriffsbestimmung kann daher regelmäßig auf die Kommentierung zu § 102 verwiesen werden. Andererseits unterliegen nicht sämtliche mit einem Schiffsgläubigerrecht ausgestatten Forderungen der kurzen Verjährung des § 117. Die Verjährungsfrist bezieht sich sowohl auf den dinglichen Anspruch aus dem 4 Schiffsgläubigerrecht als auch auf einen etwa daneben bestehenden persönlichen Anspruch. 3 Nichts anderes gilt für die beschränkt persönlichen Ansprüche zB gem §S 90 Abs 2, 91 Abs 1 und $114. Allerdings können die Forderungen bei unterschiedlichem Fristablauf etwa im Falle der Hemmung oder des Neubeginns der Verjährung ein unterschiedliches Schicksal haben. 4 Die Regelung des § 117 gilt ungeachtet des Rechtsgrunds des verjährenden An- 5 spruchs. Erfaßt werden sowohl vertragliche als auch außervertragliche Ansprüche. b)

§ 1 1 7 Abs 1 Nr 1

Der kurzen Verjährung unterliegen zunächst die öffentlichen Schiffs- und Schiff- 6 fahrtsabgaben, insbesondere die Brücken-, Schleusen-, Kanal- und Hafengelder ( § 1 1 7 Abs 1 N r l ) . Einzelheiten hierzu vgl unter § 1 0 2 Rn7. Die kurze Verjährungsfrist gilt sowohl für den dinglichen Anspruch aus dem Schiffsgläubigerrecht als auch für die Forderung, für die der Schiffseigner persönlich einzustehen hat (Rn 4). c)

§ 117 Abs 1 Nr 2

Wie von § 102 Nr 2 werden auch von § 117 Abs 1 Nr 2 nicht nur Gehalts- und 7 Lohnforderungen erfaßt, sondern sämtliche aus den Dienst- oder Arbeitsverhältnissen herrührende Ansprüche der Mitglieder der Schiffsbesatzung. Hierunter fällt

2 3 4

Vgl RGZ 36, 116, 120. RGZ 127,72, 74; BGH VersR 19S0,619; Begr BinSchG, 357. RGZ 36, 116, 119f.

425

BinSchG $ 1 1 7

Verjährung

nicht der (mietvertragliche) Entgeltanspruch des Patikuliers, der sein von ihm selbst bemanntes Schiff einem Dritten zur Durchführung von Transporten zur Verfügung stellt. 5 Weitere Einzelheiten vgl § 102 Rn 8. d)

§ 117 Abs 1 Nr 3

8 Zu den privaten Lotsengeldern iSv § 117 Abs 1 Nr 3 vgl § 102 Rn 11. Die in § 102 Nr 3 daneben geregelten Ansprüche des Bergers unterlagen bis zum Inkrafttreten des 3.SRÄG vom 16. 5. 2001 (§93 Rn 1) gem § 117 Nr 4 aF ebenfalls der kurzen Verjährung. Diese Ansprüche verjähren nun gem § 902 Nr 3 HGB iVm § 93 in zwei Jahren. Gem § 903 Abs 3 HGB iVm § 93 beginnt die Verjährungsfrist in diesem Fall mit dem Ablauf des Tages, an welchem die Bergung beendet wurde. Nach Streichung des § 1 1 7 Abs 1 Nr 4 kann § 1 1 7 anders als nach dem früher geltenden Recht 5 auf Ansprüche aus Geschäftsführung ohne Auftrag auch nicht mehr entsprechend angewendet werden. Insoweit ist nun über § 93 auf die Zweijahresfrist des § 902 HGB zurückzugreifen. e)

§ 117 Abs 1 Nr 5

9 Die in § 117 Abs 1 Nr 5 genannten Beiträge zur großen Haverei gewähren nach den §§ 89 Abs 1, 102 Nr 3 ein Schiffsgläubigerrecht und nach § 89 Abs 2 ein gesetzliches Pfandrecht an den einzelnen Ladungsgütern. Außerdem können persönliche Forderungen gegen den Schiffsführer nach § 91 Abs 1 und gegen den Frachtführer nach § 90 Abs 2 entstanden sein. Alle diese Ansprüche verjähren nach einem Jahr. f)

§ 117 Abs 1 Nr 6

10 Zu den Ansprüchen aus den Geschäften auf der Grundlage der SS 15 und 16 iSv S 117 Abs 1 Nr 6 vgl § 102 Rn 14. War der Schiffsführer zu der Vornahme des Geschäfts vom Schiffseigner eigens bevollmächtigt worden, ist § 117 Abs 1 Nr 6 nicht anwendbar. In diesem Fall gilt die normale, auf das Rechtsgeschäft anzuwendende Verjährungsfrist. Maßgeblich ist im Rahmen des § 117 Abs 1 Nr 6 allein, daß der Abschluß des Geschäfts durch den Schiffsführer in gesetzlicher Vertretungsmacht erfolgt ist und nicht, daß er aufgrund einer erteilten Vollmacht hätte handeln können. g)

§ 117 Abs 1 Nr 7

11 Der Anwendungsbereich des § 1 1 7 Abs 1 Nr 7 ist weit gefaßt und wurde von der Rspr im Laufe der Zeit beständig weiter ausgedehnt. Es fallen hierunter nicht nur 5 6

OLG Oldenburg ZfB 1 9 8 1 , 6 1 , 6 3 f . Vgl hierzu BGH LM§ 117BinSchG Nr 5.

426

Neunter Abschnitt. Verjährung

§ 1 1 7 BinSchG

die wegen des in § 117 Abs 1 Nr 7 Halbs 2 normierten Vorrangs nur ausnahmsweise nicht nach § 118 verjährenden Ansprüche aus Schiffshavarien. 7 Nach § 117 Abs 1 Nr 7 verjähren sämtliche Ansprüche aus dem Verschulden eines Besatzungsmitglieds (S 3 Rn 17ff) oder eines Lotsen (§ 3 Rn21f). Bei den in § 117 Abs 1 Nr 7 erwähnten §§ 3 und 7 handelt es sich lediglich um eine beispielhafte Aufzählung. 8 Erfaßt werden folglich neben Ansprüchen aus §§ 823 und 831 BGB 9 auch vertragliche Ansprüche, sofern sie auf einem schuldhaften Verhalten eines Besatzungsmitglieds oder eines Lotsen beruhen. 10 Dabei ist unerheblich, ob die Ansprüche privatoder öffentlich-rechtlicher Natur sind. 11 Über diese vom Wortlaut des § 117 Abs 1 Nr 7 ohne weiteres erfaßten Fälle hinaus wendet die Rspr mit Blick auf Sinn und Zweck der kurzen Verjährungsfrist des § 117 Abs 1 (Rn 1) § 117 Abs 1 Nr 7 entsprechend an auf verschuldensunabhängige Ansprüche des Eigentümers nach § 904 S 2 BGB 12 und § 22 WHG 13 und solche aus Geschäftsführung ohne Auftrag zB im Zusammenhang mit der Suche eines verloren gegangenen Ankers oder der Beseitigung von Ölverschmutzungsschäden 14 . Zum Verhältnis von § 1 1 7 zu § 4 3 9 HGB vgl Rn 32ff. Eine Person der Schiffsbesatzung ist auch der Schiffseigner-Schifführer, dh der 12 Schiffseigner, der sein Schiff selbst führt. 15 Dies gilt auch, wenn es sich um den Eigner eines Fahrzeugs handelt, das lediglich Sport- und Vergnügungszwecken dient. 16 Unerheblich ist, gegen wen sich der Anspruch richtet, so daß auch Ansprüche von § 117 Abs 1 Nr 7 erfaßt werden, die sich nicht gegen den Schiffseigner, sondern unmittelbar gegen das schuldhaft handelnde Besatzungsmitglied richten. 17 Diese Gleichbehandlung ist schon deshalb geboten, um eine Umgehung des § 1 1 7 durch den Anspruchsteller zu Lasten des Schiffseigners zu verhindern. Diese Gefahr besteht, weil der Schiffseigner als Arbeitgeber das Besatzungsmitglied idR nach den Grundsätzen des innerbetrieblichen Schadensausgleichs von Schadensersatzansprüchen freizustellen hat (§ 7 Rn 12) und sich den gegen das Besatzungsmitglied geltend gemachten Ansprüchen somit letztlich selbst ausgesetzt sieht. Sowohl nach seinem Wortlaut als auch nach Sinn und Zweck des § 117 (Rn 1) ver-

7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17

Zum Anwendungsbereich des $ 118 Abs 1 vgl $ 118 Rn 2 bis 4. RGZ 105, 198,199f; BGHZ 19, 82, 83; 69, 62, S5; 76, 312, 314. OLG Hamm ZfB 1973,19; aA noch OLG Hamm ZfB 1971, 246 (Anspruch aus Verletzung einer Verkehrssicherungspflicht). RGZ 105, 198, 199f;BGHZ 76, 312, 314 = NJW 1981, 2576 mwN. VG Frankfurt ZfB 1997, SaS 1653. BGHZ 19, 82, 83f; zust WassermeyerKollisionsprozeß, 398f. BGHZ 76, 312, 317ff. BGH ZfB 1980, SaS 766; VersR 1969, 562, 562f; OLG Köln VersR 1969, 246; VG Frankfurt/M ZfB 1997, SaS 1653. BGHZ 19, 82, 83; OLG Karlsruhe VersR 1972, 247; 2007, 521, 522; OLG Hamburg VersR 1979, 816; WassermeyerKollisionsprozeß, 389. BGH VersR 1997, 738; ZfB 1 9 7 7 , 3 6 8 ; aA Ζ KR ZfB 1989, 53. Vgl AG Mainz ZfB 2000, SaS 1170; r. Waldstein/Holland TranspR 2003, 387, 391.

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Verjährung

jähren nach § 117 Abs 1 Nr 7 zudem Ansprüche, die ein Besatzungsmitglied gegen ein anderes Besatzungsmitglied erhebt. 18 13 Nicht der kurzen Verjährung des § 117 unterliegen dagegen Ansprüche, die sich weder gegen den Schiffseigner noch gegen ein Mitglied der Schiffsbesatzung oder den Lotsen richten. 19 Eine entsprechende Anwendung des § 117 contra legem ist in diesem Fall ausgeschlossen. Der Katalog des § 117 Abs 1 enthält allein Ansprüche aus dem Betrieb eines Schiffes 20 und nicht sämtliche Ansprüche im Zusammenhang mit dem Schiffsbetrieb. Da sie nicht aus dem Betrieb eines Schiffes entstanden sind, erfaßt § 117 auch nicht etwaige Ansprüche des Charterers eines Schiffes gegen den Schiffseigentümer. 21 3.

Beginn der Verjährung (§ 117 Abs 2)

14 Gem § 1 1 7 Abs 2 beginnt die kurze Verjährungsfrist des § 1 1 7 Abs 1 mit dem Schluß des Jahres zu laufen, in dem die Forderung fällig geworden ist. § 117 Abs 2 verdrängt als die speziellere Vorschrift die §§ 199ff BGB. Nach allgemeinen Grundsätzen ist ein Anspruch fällig, wenn und sobald der Gläubiger von dem Schuldner Leistung verlangen kann. 22 In materieller Hinsicht ist dies der Fall, sobald sämtliche Tatbestandsmerkmale einer Anspruchsgrundlage erfüllt sind. In prozessualer Hinsicht muß der Anspruch im Wege einer Klage geltend gemacht werden können. 23 Bei Klagen auf Schadensersatz ist insoweit eine Bezifferbarkeit des Schadens nicht erforderlich; es genügt grundsätzlich die Möglichkeit der Erhebung einer Feststellungsklage. 24 15 Da der Geschädigte eine Feststellungsklage regelmäßig bereits vor Fertigstellung einer vereinbarten kontradiktorischen Schadenstaxe erheben kann, ist der Beginn der Verjährung auch hiervon unabhängig. 25 Die von der Gegenauffassung 26 getroffene Unterscheidung zwischen der in den allgemeinen Vorschriften (§ 199 Abs 1 Nr 1 BGB) vorausgesetzten „Entstehung" des Anspruchs (die Möglichkeit der Erhebung einer Feststellungsklage genüge) und der in § 1 1 7 Abs 2 geforderten „Fälligkeit" des Anspruchs (die Möglichkeit der Erhebung einer Leistungsklage sei

18 19

20 21 22 23 24 25 26

428

v. Waldstein/Holland TranspR 2003, 387, 391. v. Waldstein/Holland TranspR 2003, 387, 391; iE ebenso Bemm/v. Waldstein RheinSchPV Einf Rn 178; OLG Hamburg OLGR Hamburg 2000, 94; aA OLG Karlsruhe Urt ν 8. 7. 1992 (Az U 10/9 BSch) zu Ansprüchen eines Schiffseigners gegen die Wasser- und Schiffahrtsverwaltung als Betreiberin einer Schleuse. BGHZfB 1980,813,815. OLG Düsseldorf VersR 2003, 397. Palandt/Heinrichs $ 271 BGB Rn 1. BGHZ 55, 340, 341 mwN; 79,176, 177f; OLG Köln VersR 2002, 1534, 1535f. RGZ 83, 354, 358; BGHZ 73, 3S3, 3S5; 79, 17S, 178; WM 1978, 49S; OLG Köln VersR 2002, 1534, 1535f; Wassermeyer Kollisionsprozeß, 3 91. v. Waldstein/HollandTampR 2003, 387,392. OLG Hamburg VersR 1979, 816; 1970, 51S, 51Sf.

Neunter Abschnitt. Verjährung

§ 1 1 7 BinSchG

erforderlich) kann weder in dogmatischer noch in praktischer Hinsicht überzeugen. Die grundsätzliche Leistungspflicht des Schuldners ist unabhängig von einer (vorübergehend nicht gegebenen) Bezifferbarkeit des Schadensersatzanspruchs. Sofern der Wortlaut des § 117 Abs 2, der insoweit dem des § 118 in der Fassung bis zum Inkrafttreten des Gesetzes zu dem Übereinkommen vom 15.3. 1960 ( R n l ) entspricht, von der Begrifflichkeit des BGB abweicht und anstatt auf die Entstehung des Anspruchs auf dessen Fälligkeit abstellt, ist zudem zu berücksichtigen, daß noch im ersten Entwurf zu dem am 1.1. 1900 in Kraft getretenen BGB für den Verjährungsbeginn der Zeitpunkt vorgesehen war, in welchem „die Befriedigung des Anspruchs rechtlich verlangt werden kann (Fälligkeit)". 27 Offenbar um Definitionsschwierigkeiten zu vermeiden, wurde der Begriff der Fälligkeit dann später durch „Entstehung des Anspruchs" ersetzt. Diese Änderung des Wortlauts, die in dem bereits 1898 neugefaßten BinSchG nicht nachvollzogen wurde, hatte indes keine Änderung in der Sache zur Folge. 28 Hiernach kann es auch für den Beginn der Verjährung eines Anspruchs auf Ersatz 16 von Nutzungsausfall nicht auf die Bezifferbarkeit des Schadens ankommen. 29 Wie jeder andere Schadensersatzanspruch wird er fällig iSv § 1 1 7 Abs 2, sobald der Schaden zumindest Gegenstand einer Feststellungsklage sein kann. Zum Teil wird vertreten, daß über den Wortlaut des § 117 Abs 2 hinaus neben der 17 Fälligkeit des Anspruchs als weitere Voraussetzung für den Beginn des Laufs der Verjährungsfrist die Kenntnis des Gläubigers von den anspruchsbegründenden Umständen und der Person des Schuldners erforderlich sei. Während dies vor Inkrafttreten des Schuldrechtsmodernisierungsgesetzes vom 2 6 . 1 1 . 2001 3 0 am 1.1. 2002 durch eine analoge Anwendung von § 852 Abs 1 BGB aF erreicht wurde, 31 könnte jetzt unmittelbar auf § 199 Abs 1 Nr 2 BGB zurückgegriffen werden. Dies ist jedoch abzulehnen. Der Übertragung des Rechtsgedanken aus § 852 Abs 1 BGB aF bzw § 199 Abs 1 Nr 2 BGB auf § 117 Abs 2 steht entgegen, daß es sich hierbei um eine Spezialvorschrift handelt, die die Voraussetzungen des Beginns der Verjährung der in § 117 Abs 1 aufgeführten Ansprüche abschließend regelt (Rn 14). Bei der Novellierung der §§ 117f im Jahr 1972 hat der Gesetzgeber in Kenntnis des Problems davon abgesehen, die Voraussetzungen für den Verjährungsbeginn in § 117 Abs 2 zu verschärfen. Zudem entsprach es bereits vor Inkrafttreten des Schuldrechtsmodernisierungsgesetzes allgemeiner Auffassung, daß außerhalb des begrenzten Anwendungsbereichs des § 852 BGB aF der Verjährungsbeginn grundsätzlich nicht von der Kenntnis des Gläubigers von dem Anspruch abhing. 32 Wird dem Ge-

27 28 29 30 31 32

E I $ 158 Abs 1. MüKoBGB/Groffte § 199 Rn 4. Offengelassen in OLG Hamm ZfB 1973,19, 20. BGBl 1,3138. VglZKRZfB 1998, SaS 53; OLG Köln VersR 2002, 1534, 153S. BGHZ73, 363, 365.

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Verjährung

schädigten zB vom Versicherer des schädigenden Schiffes die Identität des Schädigers bzw des Ausrüsters des schädigenden Schiffes nicht offenbart, hat er die Möglichkeit, eine Auskunftsklage zu erheben. 33 Im Hinblick auf den bestehenden Auskunftsanspruch kann der Schuldner wegen eines Verstoßes gegen das Verbot unzulässiger Rechtsausübung an der Erhebung der Verjährungseinrede gehindert sein (S 242 BGB). 34 18 Bei nicht vorhersehbaren, neuen selbständigen Schäden aufgrund des Schadensereignisses beginnt die Verjährung mit dem Schluß des Jahres der Kenntnis des Schadens und des ursächlichen Zusammenhangs mit der unerlaubten Handlung. 35 Eine Pflicht zur fürsorglichen Erhebung einer Feststellungsklage betreffend etwaige Spätschäden wäre unbillig. Eine Nachtragsdispache führt jedenfalls dann nicht zu einer Verschiebung des Beginns der Verjährungsfrist nach § 1 1 7 Abs 2, wenn sie keine neuen Feststellungen tatsächlicher Art trifft und auch keine anderen Ansätze für Schadenspositionen enthält. 36 4.

Ablauf der Verjährungsfrist

a)

Allgemeines

19 Grundsätzlich läuft die Frist gem § 117 ein Jahr nach dem Schluß des Jahres ab, in dem der Anspruch fällig geworden ist. Ist also ein Anspruch iSv § 117 Abs 1 im Jahr 2007 fällig geworden, läuft die Verjährungsfrist am 3 1 . 1 2 . 2 0 0 8 , 2 4 Uhr, ab. Etwas anderes gilt, wenn der Ablauf der Frist gehemmt war oder die Verj ährung neu begonnen hat. b)

Hemmung der Verjährung

20 Da das BinSchG spezielle Regelungen zur Hemmung der Verjährung nicht enthält, ist insoweit auf die allgemeinen Vorschriften in den §§ 203 bis 211 BGB zurückzugreifen (Rn 2). Eine Hemmung der Verjährung führt gem § 209 BGB dazu, daß der Zeitraum, während dessen die Verjährung gehemmt ist, nicht in die Verjährungsfrist einrechnet wird. Ist also die Verjährung in obigem Bsp (Rn 19) vom 1.1. 2008 bis zum 3 1 . 3 . 2008 gehemmt, läuft die Verjährungsfrist anstatt am 31.12. 2008 erst am 31. 3. 2009 ab. In den Fällen des § 204 Abs 1 BGB endet die Hemmung gem § 204 Abs 2 sechs Monate nach der rechtskräftigen Entscheidung oder anderweitigen Beendigung des eingeleiteten Verfahrens. Sind die Merkmale eines Hemmungstatbestandes dagegen nur während eines bestimmten Zeitraums im Jahr 2007 gehemmt, berührt dies den Zeitpunkt des Ablaufs der Verjährung nicht, da die Verjährungsfrist ohnehin erst am 31.12. 2007, 24 Uhr, zu laufen beginnt. 33 34 35 36

430

AG Mainz ZfB 2001, SaS 1824. Palandt/Heinrichs BGB vor $ 194 Rn 16ff. BGHVersR 1968,1163,1164. OLG Köln ZfB 1993, SaS 1422, 1423.

Neunter Abschnitt. Verjährung

§ 1 1 7 BinSchG

Ein wichtiger Fall, in dem eine Hemmung der Verjährung eintritt, ist die Erhe- 21 bung einer Leistungs- oder Feststellungsklage (§ 204 Abs 1 Nr 1 BGB). Dagegen wird die Verjährung nicht bereits durch die bloße Mahnung, Übersendung einer Rechnung oder ähnliches bewirkt. Die Hemmung setzt eine wirksame Klageerhebung voraus. 37 Ist die Klage mängelbehaftet, tritt die Hemmungswirkung mit der Behebung des Mangels ein. 38 Eine bloß unzulässige Klage bewirkt dagegen eine Hemmung der Verjährung. 39 Dies ist etwa der Fall, wenn die Klage beim örtlich oder sachlich unzuständigen Gericht erhoben wurde 40 oder das Feststellungsinteresse fehlt 41 . Grundsätzlich ist für die Klageerhebung die Zustellung der Klageschrift beim Schuldner erforderlich (§ 253 Abs 1 ZPO). Gem § 167 ZPO gilt die Zustellung im Hinblick auf die Hemmung der Verjährung jedoch bereits mit der Einreichung der Klageschrift als bewirkt, sofern die Zustellung demnächst erfolgt. Beruht eine Verzögerung der Zustellung auf Umständen, die nicht der Sphäre des Klägers zuzuordnen sind, sind diese unbeachtlich. 42 Seit der Novellierung des Verjährungsrechts durch das Schuldrechtsmodernisie- 22 rungsgesetz bewirkt die Zustellung des Antrags auf Durchführung eines selbständigen Beweisverfahrens gem §§ 485ff ZPO allgemein und nicht nur iRd Kauf- und Werkvertragsrechts eine Hemmung der Verjährung (§ 204 Abs 1 Nr 7 BGB). Keine Verjährungshemmung bewirkt dagegen das der freiwilligen Gerichtsbarkeit zugehörige Verklarungsverfahren gem SS U f f ( S U Rn7). § 2 0 4 A b s l Nr 7 BGB ist hierauf auch nicht entsprechend anwendbar, zumal der Gesetzgeber den schifffahrtsrechtlichen Besonderheiten dadurch Rechnung getragen hat, daß er laut § 204 Abs 1 Nr 10 BGB auch der Anmeldung des Anspruchs im schiffahrtsrechtlichen VerteilungsVerfahrens (§5d Rn35) eine verjährungshemmende Wirkung beigemessen hat (vgl insoweit auch Art 24 Abs 3 S 2 CMNI). Gerade auch in Schifffahrtsprozessen bedeutsam ist ferner die Hemmung der Verjährung durch die Zustellung der Streitverkündung (§ 204 Abs 1 Nr 6 BGB). Allerdings setzt die Verjährungshemmung voraus, daß die Streitverkündung zulässig ist iSv § 72 ZPO. 43 Eine große praktische Bedeutung hat schließlich § 203 BGB, wonach zwischen den 23 Parteien schwebende Verhandlungen über den Anspruch oder die den Anspruch begründenden Umstände die Verjährung so lange hemmen, bis eine der Parteien die Fortsetzung der Verhandlungen verweigert. Die Hemmung wird mit der Schadensmeldung in Gang gesetzt, sofern der in Anspruch Genommene nicht sofort und eindeutig jeden Ersatz ablehnt, sondern sich auf Erörterungen der Ansprüche

37 38 39 40 41 42 43

BGHNJW 1959, 1819; NJW-RR 1997, 1216, 1217. BGH LM ZPO $253 Nr IS. BGHZ78, 1,5; NJW 1999, 2115. BGH NJW 1978, 1058. BGHZ 39, 287, 291; 103, 298, 302. BGH NJW 1971, 891, 892; 1972, 208, 209; 1992,1820,1821. BGH ZfB 1976,294; OLG Hamm NJW-RR 1986, 1505, 1506 mwN.

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Verjährung

in der Sache einläßt. 44 Dies kann auch durch einen eingeschalteten Sachverständigen oder Havariekommissionar geschehen. 45 Die Verjährung tritt frühestens drei Monate nach dem Ende der Hemmung ein. Kein Verhandeln iSv § 203 BGB liegt vor, wenn die in Anspruch genommene Partei sofort jeden Ersatz oder jede anderweitige Kompensation ablehnt. Ebenfalls keine Verhandlung in diesem Sinn begründet die bloße Vereinbarung und Durchführung einer kontradiktorischen Schadenstaxierung, die häufig nur der Beweissicherung dient, oder die Bitte, den Rechtsstreit gütlich beizulegen. 46 Der Begriff des Anspruchs ist weit zu verstehen, so daß Verhandlungen über einen vertraglichen Anspruch auch die Verjährung von konkurrierenden deliktischen Ansprüchen hemmen. 47 Die Verweigerung der Fortsetzung der Verhandlung muß klar und eindeutig sein 48 und sollte zu Beweiszwecken in schriftlicher Form erfolgen. Läßt der Gläubiger die Verhandlungen einschlafen, endet die Hemmung in dem Zeitpunkt, in dem eine Antwort von ihm billigerweise zu erwarten gewesen wäre. 49 Zum Verhältnis von § 4 3 9 Abs 3 HGB und § 203 BGB vgl § 439 HGB Rn 9. c)

Neubeginn der Verjährung

2 4 Nicht lediglich zu einer Hemmung, sondern zu einem vollständigen Neubeginn der Verjährung führt gem § 212 BGB ein Anerkenntnis des Schuldners oder die Vornahme bzw Beantragung einer behördlichen oder gerichtlichen Vollstrekkungshandlung, nachdem die Verjährungsfrist des § 1 1 7 Abs 1 bereits zu laufen begonnen hat. Ist einer dieser Fälle gegeben, fängt die Verjährungsfrist mit dem Tag des Anerkenntnisses oder der Vollstreckungshandlung neu an zu laufen und endet gem §§ 187 Abs 1, 188 Abs 2 BGB mit Ablauf des entsprechenden Tages des Folgejahres. Eine Verjährung, die bereits einmal neu begonnen hatte, kann bei einem erneuten Anerkenntnis oder weiteren Vollstreckungshandlungen wiederholt neu beginnen. 25

Die Aufzählung der Tatbestände in § 212 Abs 1 Nr 1 BGB, aus denen sich ein Anerkenntnis ergeben kann, ist nicht abschließend. Es genügt jedes tatsächliche Verhalten des Schuldners dem Gläubiger gegenüber, aus dem sich das Bewußtsein des Verpflichteten vom Bestehen des Anspruchs unzweifelhaft ergibt und weshalb der Gläubiger darauf vertraut, daß die Erhebung der Einrede der Verjährung unterbleiben wird. 50 Ein deklaratorisches Schuldanerkenntnis genügt. 51 Nicht

4 4 BGH VersR 2005, 699, 700; NJW 2007, 587. 45 OLG Karlsruhe VersR 2007, 521, 522. 46 OLG Köln Zffi 1993, SaS 1422, 1427. 47 JauernigBGB $ 203 Rn 2. Vgl insoweit auch $213 BGB. 48 BGH NJW 1998, 2819, 2820. 49 OLG Düsseldorf VersR 1999, 69, 70. 50 BGH NJW 2000,2661,2663. 51 BGH NJW 1992,2228, 2229; Jauernig BGB $ 781 Rn 18.

432

Neunter Abschnitt. Verjährung

§ 1 1 7 BinSchG

ausreichend ist dagegen eine kontradiktorische Schadenstaxierung, selbst wenn der Schuldner deren Ergebnis verbindlich gegen sich gelten lassen will. Die Taxe erstreckt sich regelmäßig allein auf die tatsächliche Feststellung vorhandener Schäden und die Kosten der Schadensbeseitigung, nicht aber auf die Berechtigung von Schadensersatzansprüchen. 5.

Rechtsfolgen der Verjährung

Die Rechtsfolgen der Verjährung sind in den §§ 214 bis 218 BGB geregelt. Die Ver- 26 jährung eines Anspruchs berechtigt den Schuldner dazu, die Leistung zu verweigern (§ 214 Abs 1 BGB). Hatte er die geschuldete Leistung bei Eintritt der Verjährung bereits vollständig oder teilweise erbracht, kann er das Geleistete abweichend von § 8 1 3 Absl S 1 BGB nicht aufgrund der Verjährung zurückverlangen (§214 Abs 2 S 1 BGB). Da die Verjährung dem Schuldner lediglich ein Leistungsverweigerungsrecht gewährt, die Forderung im übrigen aber bestehen bleibt, 52 erlöschen selbst für die Forderung bestellte bzw entstandene akzessorische Sicherungsrechte wie Schiffshypotheken oder Schiffsgläubigerrechte nicht. Der dinglich gesicherte Gläubiger kann hieraus weiter Befriedigung suchen (§ 216 Abs 1 BGB). Ferner kann der Gläubiger mit der verjährten aber fortbestehenden Forderung weiter aufrechnen, sofern sich Haupt- und Gegenforderung einmal in unverjährtem Zustand gegenüber standen (§§ 215, 390 BGB). Entsprechendes gilt gem § 215 BGB nunmehr ausdrücklich auch für die Berufung auf ein Zurückbehaltungsrecht. Das Leistungsverweigerungsrecht des Schuldners muß durch Erhebung einer Ein- 27 rede geltend gemacht werden. Dies muß nicht notwendig im Prozeß geschehen. Auch eine vorprozessual erhobene Verjährungseinrede ist vom Gericht zu beachten, wenn der Schuldner sich hierauf beruft oder der Gläubiger entsprechend vorträgt. 53 Dem Schuldner steht es frei, sich auf die Verjährung zu berufen. 54 Trotz Verjährung kann der Schuldner den Anspruch erfüllen (vgl § 214 Abs 2 S 1 BGB) und diesen dadurch zum Erlöschen bringen (§ 362 BGB). Mit Erhebung der Einrede endet ein etwa bestehender Schuldnerverzug, da dieser 28 einen durchsetzbaren Anspruch voraussetzt. Ab diesem Zeitpunkt kann folglich kein weiterer Verzugsschaden (§§ 280 Abs 2, 288ff BGB) mehr entstehen. Mit Eintritt der Verjährung der Hauptforderung verjähren gem § 217 BGB auch bis zu diesem Zeitpunkt aufgelaufene Nebenforderungen einschließlich eines etwaigen Anspruchs auf Verzugsschaden.55

52 53 54 55

BGH NJW 1983, 392; 2 0 0 0 , 1 3 3 1 . BGHZ 1 , 2 3 4 , 2 3 9 ; OLG Düsseldorf NJW 1991,2000f. BGH VersR 1972, 3 9 4 , 3 9 6 . RGZ 156, 113, 121; BGH NJW 1982, 1277.

433

BinSchG $ 1 1 7 6.

Verjährung

Abweichende vertragliche Vereinbarungen

2 9 Die § § 1 1 7 , 118 sind nicht zwingender Natur und unterliegen daher grundsätzlich der freien Vereinbarung der Parteien. Einschränkungen ergeben sich nach § 2 0 2 BGB, der diese freie Vereinbarung voraussetzt, nun insoweit, als die Verjährung von Ansprüchen wegen vorsätzlichen Handelns nicht im voraus erleichtert und nicht eine Verjährungsfrist von mehr als dreißig Jahren bestimmt werden kann. Hiervon abgesehen sind sowohl der Fristbeginn, die Fristlänge als auch der Ablauf der Frist durch die Parteien gestaltbar. Auf die Erhebung der Verjährungseinrede kann der Schuldner nun vor und nach Eintritt der Verjährung verzichten. 56 Modifikationen des § 117 durch Verlade- und Transportbedingungen sind grundsätzlich möglich, sofern diese gem §§ 305ff BGB wirksam in den Vertrag einbezogen worden sind. Allerdings unterliegen diese Bedingungen einer Inhaltskontrolle nach §§ 307ff BGB. Dies führt insbesondere dazu, daß die Vereinbarung unzumutbar kurzer Verjährungsfristen wegen eines Verstoßes gegen die wesentlichen Grundgedanken der gesetzlichen Regelungen gem § 307 BGB unwirksam ist. Eine Verjährungsfrist von sechs Monaten wird insoweit noch für zulässig erachtet. 57 30 Betrifft die Verjährung Ansprüche aus einem Frachtvertrag gem § 439 Abs 1 HGB (§439 HGB Rn 2f), wird § 2 0 2 BGB durch die Spezialvorschrift des § 4 3 9 Abs 4 HGB verdrängt. Hiernach kann vor Entstehung des Schadens 58 die Verjährung nur durch eine ie ausgehandelte Vereinbarung erleichtert oder erschwert werden. 7.

Verhältnis zu anderen Verjährungsvorschriften

a)

§118

31 Im Anwendungsbereich des § 118 wird § 117 Abs 1 Nr 7 verdrängt. Zum Anwendungsbereich des § 118 vgl § 118 Rn 2ff. b)

§ 4 3 9 HGB

32 Problematisch ist das Verhältnis des § 117 Abs 1 zu § 4 3 9 HGB, das insbesondere wegen der Verlängerung der Verjährungsfrist auf drei Jahre gem § 4 3 9 Abs 1 S 2 HGB und wegen des unterschiedlichen Verjährungsbeginns (§ 117 Abs 2 bzw § 439 Abs 2 HGB) einer Klärung bedarf: Bei beiden Vorschriften handelt es sich um Spezialvorschriften, die als solche den allgemeinen Vorschriften (§§ 195ff BGB) vorgehen. Zwischen den beiden Normen selbst ist indes ein Verhältnis von spezieller und genereller Norm nicht erkennbar. Weiter verkompliziert wird die Beantwortung der Frage nach dem Rangverhältnis beider Normen dadurch, daß beide Vor56 57 58

JaacrmgBGBS202Rn3. BGH VersR 1981, 229, 230; OLG Karlsruhe ZfB 1990, SaS 1302. Begr TRG, BT-Drs 13/8445, 80; KolkrTR $ 439 HGB Rn 52.

434

Neunter Abschnitt. Verjährung

§ 1 1 7 BinSchG

Schriften sowohl vertragliche als auch deliktische Ansprüche erfassen (Rn 11 bzw § 439 HGB Rn 2). Die Frage des Vorrangs stellt sich allerdings nur in den Fällen, in denen der Anspruchsgegner wegen eines eigenen Verschuldens (§ 823 BGB) oder eines Verschuldens seiner Schiffsbesatzung oder eines Lotsen nach § § 3 , 7, 92b BinSchG und zugleich als Frachtführer gem §§ 425ff HGB haftet (§ 439 HGB Rn 3). Anspruchsgegner muß folglich ein Schiffseigner oder Ausrüster sein, da der angestellte Schiffsführer iSv § 7 nicht zugleich selbständiger Gewerbetreibender sein kann iSv § 407 Abs 3 Nr 2 HGB. Schließlich kann es zu einem Konflikt zwischen § 117 Abs 1 Nr 7 und § 4 3 9 HGB bei außervertraglichen Ansprüchen nur bei Ansprüchen des Absenders oder des Empfängers wegen des Verlusts oder der Beschädigung des Gutes oder wegen einer Überschreitung der Lieferfrist kommen. Andere außervertragliche Ansprüche werden von § 439 HGB nicht erfaßt, wie sich aus den §§434, 436, 437 Abs 1 und Abs 4 HGB ergibt. Andere Ansprüche als die von diesen Vorschriften erfaßten unterliegen nicht dem ersten Unterabschnitt, wie dies § 439 Abs 1 S 1 HGB voraussetzt. Vor Inkrafttreten des TRG (§407 HGB R n l ) wurde ausgehend vom Grundsatz 33 der Anspruchskonkurrenz, dh der Selbständigkeit jedes Anspruchs mit eigener Anspruchsgrundlage, allgemein angenommen, daß bei einer Inanspruchnahme eines Schiffseigners oder Ausrüsters auf der Grundlage von §§ 3, 7, 92b ausschließlich die Verjährungsvorschrift des § 1 1 7 Abs 1 Nr 7 zur Anwendung komme. Ob der Schiffseigner zugleich Frachtführer war und aus Frachtvertrag haftete, war unerheblich. 59 Demnach verjährten frachtvertragliche Ansprüche nach § 26 BinSchG aF iVm § 439 HGB aF, schiffahrtsrechtliche Ansprüche gegen den Schiffseigner bzw Ausrüster dagegen nach § 117 Abs 1 Nr 7. Begründet wurde dies insbesondere damit, daß der frühere, die Haftung des Frachtführers in der Binnenschiffahrt regelnde § 58 aF in § 117 Abs 1 Nr 7 anders als §§ 3, 7 nicht aufgeführt war. 60 Während der Gesetzgeber hinsichtlich der Dauer der Verjährungsfrist in § 1 1 7 Abs 1 ausdrücklich auf den Gleichlauf mit der frachtrechtlichen Regelung hinwies, 61 sollte es hinsichtlich des Beginns der Verjährung von Ansprüchen gegen den Eigner und den Schiffsführer aus dem Betrieb des Schiffes zu einer einheitlichen, von der frachtrechtlichen Vorschrift abweichenden Neuregelung kommen. 62 59

60 61

62

BGH VersR 1975, 823: „Grundsätzlich gilt für die Verjährung eines aus einer bestimmten Norm hergeleiteten Anspruchs die dieser Norm zugeordnete Verjährungsvorschrift. Hiervon kann allerdings eine Ausnahme in Betracht kommen, wenn sich der Anspruch auch auf eine weitere Norm stützen läßt, für die eine andere Verjährungsregelung eingreift und sich aus dem gesetzgeberischen Zweck dieser Regelung ergibt, daß sie den Anspruch unabhängig von der jeweiligen Anspruchsgrundlage ergreifen soll. So liegt es hier jedoch nicht." Weitergehend Palandt/Hdnrfcfti BGB $ 195 Rn 18, der offenbar von einem grundsätzlichen Vorrang des $ 117 ausgeht. BGH VersR 1975, 823,824. Vgl Begr BinSchG, 357: „Die Ansprüche gegen den Frachtführer wegen Verlust oder Beschädigung von Frachtgütern sind in $ 118 (entspricht dem jetzigen $ 117 Abs 1; d Verf) nicht aufgeführt, weil dieselben schon nach Art 408 Abs 1 des Handelsgesetzbuchs in einem Jahr verjähren". BGH VersR 1957, 823,824.

435

BinSchG $ 1 1 7

Verjährung

Demgegenüber wird heute zum Teil vertreten, daß zumindest in den Fällen, in denen der nach §§ 3, 7 haftende Schiffseigner oder Ausrüster auch nach §§ 425, 437 HGB nF in Anspruch genommen werden könne, sämtliche Ansprüche gegen den Schiffseigner/Ausrüster nach § 4 3 9 HGB nF verjähren würden. Im Falle einer Anwendungskonkurrenz käme dem speziell frachtrechtlichen § 439 HGB nF der Vorrang gegenüber dem speziell binnenschiffahrtsrechtlichen § 1 1 7 Abs 1 Nr 7 zu. 63 Begründet wird dieser Vorrang mit einer sich aus § 434 HGB nF ableitbaren stärkeren Verzahnung der vertraglichen und außervertraglichen Verantwortlichkeit des Frachtführers. Hieraus folge eine Einschränkung der Tragweite der Haftung aus den §§ 3, 7 durch die §§ 429ff HGB, weshalb es dem Schiffseigner auch gestattet sein müsse, sich auf § 4 3 9 HGB nF zu berufen. § 4 3 9 HGB nF sei auch seinem Wortlaut nach auf Ansprüche aus §§ 3, 7 ohne weiteres anwendbar und es sei gerade sein Sinn, sowohl vertragliche als auch außervertragliche Ansprüche zu regeln. Wenn bei Ansprüchen aus den §§ 823, 831 BGB der § 4 3 9 HGB nF den § 852 BGB aF und jetzt § 195 BGB verdrängen könne, so sei nicht einzusehen, warum dies nicht auch im Hinblick auf § 1 1 7 Abs 1 Nr 7 möglich sein solle. Schließlich stellten die §§ 407ff HGB, die den Gedanken betonten, daß der Frachtführer praktisch nur nach Maßgabe des Frachtvertrags und des Frachtvertragsrechts haften soll, gegenüber § 117 Abs 1 Nr 7 leges posteriores dar, was ebenfalls zu einem Vorrang des § 439 HGB führen würde. 64 3 4 Richtig an dieser Auffassung ist zunächst die Feststellung, daß der mit Erlaß des TRG im Jahr 1998 in das BinSchG gelangte Verweis in § 26 auf § 439 HGB einen Widerspruch zu § 1 1 7 Abs 1 Nr 7 darstellen kann (Rn32). Allerdings war dieser Widerspruch nicht neu, sondern bestand schon vor Inkrafttreten des TRG: Bereits § 26 aF verwies auf die Verjährungsvorschriften in § 439 HGB aF und schon zuvor erfaßte § 1 1 7 Abs 1 Nr 7 nach ganz allgemeiner Auffassung nicht nur außervertragliche Ansprüche aus §§ 3, 7 und §§ 823ff BGB, sondern auch vertragliche Ansprüche (Rn 11). Bereits vor Inkrafttreten des TRG überschnitten sich demnach die Anwendungsbereiche des § 4 3 9 HGB aF und des § 117 Abs 1 Nr 7. Der BGH 55 hat diesen Konflikt mit Hilfe des Grundsatzes der Anspruchskonkurrenz gelöst und damit insbesondere einen generellen Vorrang der frachtrechtlichen Verjährungsvorschrift abgelehnt. 35

Nach zutreffender Auffassung kann auch das Inkrafttreten des TRG keine andere Bewertung rechtfertigen. Ein grundsätzlicher Vorrang des § 4 3 9 HGB läßt sich zum einen nicht mit einem generellen Vorrang der (neuen) frachtvertraglichen Vorschriften gegenüber den Regelungen des BinSchG begründen. Selbst Koller66 hält zB

63 64 65 66

436

Koller TranspR 2004, 24, 25f. Ko/ZerTranspR 2 0 0 4 , 2 4 , 2 5 . VersR 1975,823f. Koller TR § 439 HGB Rn 18; i m TranspR 2 0 0 4 , 2 4 , 2 5 ; ebenso Herber SeeHR, 326.

Neunter Abschnitt. Verjährung

§ 1 1 7 BinSchG

die §§4ff BinSchG neben § 4 3 1 HGB für anwendbar, wenn der Frachtführer zugleich Schiffseigner oder eine der diesem in § 5c Abs 1 Nr 1 gleichgestellte Person ist. Es ist nicht auszumachen, inwieweit die §§ 4ff „spezieller" geregelt sein sollten, als § 117 Abs 1 Nr 7. 67 Desgleichen läßt sich aus den §§ 407ff HGB nicht zwingend ableiten, daß der Frachtführer nur nach den § § 4 2 5 f HGB haften solle. Vielmehr werden außervertragliche Ansprüche nur erfaßt, sofern sie auf dem Verlust oder der Beschädigung von Gütern oder auf einer Überschreitung der Lieferfrist beruhen (SS 434, 436, 437 Abs 1 und 4 HGB). Ferner begründet der Umstand, daß § 439 HGB als speziellere Vorschrift dem S 195 BGB vorgeht, nicht automatisch einen Vorrang des § 4 3 9 HGB auch vor § 117 Abs 1 Nr 7: § 117 Abs 1 Nr 7 verdrängt als lex specialis gleichfalls § 1 9 5 BGB (Rn2, 38). Schließlich übersieht Koller, daß der Vorteil, den er dem Schiffseigner mit der generell vorrangigen Anwendung des § 4 3 9 HGB gewähren will, sich dann schnell in einen Nachteil verkehren kann, wenn ein qualifiziertes Verschulden iSv S 439 Abs 1 S 2 vorliegt und damit eine Verjährungsfrist von drei Jahren zur Anwendung kommt. IRd $ 1 1 7 beträgt die Verjährungsfrist unabhängig vom Grad des Verschuldens stets ein Jahr. Ist somit weder ein eindeutiger Vorrang des § 439 HGB noch des § 117 begründbar, 36 kann die Kollision dieser beiden Vorschriften nur durch eine möglichst weitgehende Befolgung des Grundsatzes der Anspruchskonkurrenz aufgelöst werden. Von diesem Grundsatz, wonach mehrere durch ein und denselben Sachverhalt begründete, nebeneinander bestehende Ansprüche jeweils selbständig in der für sie maßgebenden Frist verjähren, 58 wird nur abgewichen, wenn und soweit Sondergesetze einen Spezialtatbestand abschließend regeln. 59 Wie gezeigt (Rn35), ist dies vorliegend im Verhältnis der § 439 HGB und § 117 nicht der Fall. Zwar wird die Auffassung vertreten, daß bei konkurrierenden Ansprüchen ein Vorrang der kürzeren Verjährung bestehen kann, wenn sie nach dem Schutzzweck auch die konkurrierenden Ansprüche erfassen will, um eine Aushöhlung der kurzen Frist zu verhindern. 70 Der Umstand, daß § 439 Abs 1 HGB in Abhängigkeit vom Verschuldensgrad zwei unterschiedliche Verjährungsfristen vorsieht, wovon die eine unter Berücksichtigung des früheren Fristbeginns zwar kürzer, die andere aber länger ist als die Frist des § 1 1 7 , verhindert vorliegend jedoch ein Absehen vom Grundsatz der Anspruchskonkurrenz. Die Anwendung des Grundsatzes bedeutet, daß Ansprüche gegen den Frachtführer aus §§425ff HGB nach § 4 3 9 HGB verjähren, Ansprüche gegen den Schiffseigner oder Ausrüster gem §§ 3, 7 nach § 117 Abs 1 Nr 7, Abs 2. Im Hinblick auf letztere Ansprüche sind mangels Anwendbarkeit von § 439 Abs 4

So aber Koller TranspR 2004, 24, 25, der mit dieser Begründung eine Ungleichbehandlung der $$ 4ff und des $ 117 Abs 1 Nr 7 rechtfertigt. 68 BGHZ 9, 301, 303; 116, 297, 300; ZIP 2004, 1810,1S13; NJW 1987, 200S, 2010; Β GHZ 24,191f; Palandt / Heinrichs BGB § 195 Rn 17. 69 Palandt/Spraa BGB vor $ 823 Rn 5. 70 Vgl BGHZ 66, 315, 317; VersR 1975, 823f. 67

437

BinSchG $ 1 1 7

Verjährung

HGB abweichende Vereinbarungen der Parteien auch dann zu beachten, wenn sie nicht ie ausgehandelt, sondern etwa in Verlade- und Transportbedingungen enthalten sind (Rn29). Fraglich ist die Verjährung von deliktischen Ansprüchen gegen den Schiffseigner oder Ausrüster aus S S 823ff BGB wegen des Verlusts oder der Beschädigung von Ladungsgütern, die sowohl unter § 4 3 9 HGB (Rn32) als auch unter § 117 Abs 1 Nr 7 (Rn 11) fallen. Sowohl die eine als auch die andere Vorschrift geht § 195 BGB als lex specialis vor, so daß der Grundsatz der Anspruchskonkurrenz hier nicht weiterhilft. Richtig erscheint es jedoch, diese deliktischen Ansprüche, die ebenso wie Ansprüche nach den §§ 3, 7 ein Verschulden voraussetzen, grds nach § 117 Abs 1 Nr 7, Abs 2 verjähren zu lassen und nicht wie die verschuldensunabhängigen Ansprüche aus §§ 425ff HGB nach § 439 HGB. Allein auf diese Weise erhält man sich die durchaus stimmige Korrelation von Verschuldensgrad und Dauer der Verjährungsfrist: verschuldensunabhängige Ansprüche führen zu einer Verjährungsfrist von einem Jahr ab Ablieferung des Gutes (§439 Abs 1 S 1, Abs 2 HGB), Ansprüche, die ein einfaches Verschulden voraussetzen, verjähren in einem Jahr ab dem Schluß des Jahres, in dem der Anspruch fällig geworden ist (§117 Abs 1 Nr 7, Abs 2), und Ansprüche, die ein vorsätzliches oder vorsatzgleiches Verhalten voraussetzen, verjähren in drei Jahren (§ 439 Abs 1 S 2, Abs 2 HGB). c)

Art 24 CMNI

37 Die Abgrenzung des Anwendungsbereichs des § 117 BinSchG und des Art 24 CMNI ist wie bei § 4 3 9 HGB trotz identischer Dauer der Verjährungsfrist von einem Jahr wegen des unterschiedlichen Verjährungsbeginns bedeutsam (Rn 32). Anders als im Bereich des § 4 3 9 HGB kann jedoch bei Art 24 CMNI nicht nach dem Grundsatz der Anspruchskonkurrenz verfahren werden. Aufgrund des Vorrangs international vereinheitlichten Sachrechts beurteilt sich die Verjährung von Ansprüchen, die dem Anwendungsbereich des Übereinkommens unterfallen (hierzu Art 24 CMNI Rn 2f) auch dann stets nach Art 24 CMNI, wenn § 117 seinem Wortlaut nach anwendbar wäre. d)

Art 11 der Anlage zu § 6 6 4 HGB

38 Art 11 der Anlage zu § 6 6 4 HGB bestimmt, daß eine Schadensersatzklage wegen des Todes oder der Körperverletzung eines Reisenden oder wegen des Verlusts oder der Beschädigung von Gepäck gegen den Beförderer oder den ausführenden Beförderer nur auf der Grundlage der Bestimmungen der Anlage zu § 664 HGB erhoben werden kann. Diese ausdrückliche Regelung hat zur Folge, daß in diesen Fällen § 117 von Art 13 der Anlage zu $ 664 HGB verdrängt wird, wonach Ansprüche auf Schadensersatz wegen des Todes oder der Körperverletzung eines Reisenden oder wegen des Verlusts oder der Beschädigung von Gepäck in zwei Jahren verjähren. Da zumindest der ausführende Beförderer regelmäßig entweder Schiffseigner oder aber Ausrüster ist, kommt eine Anwendung von § 117 neben Art 13 der 438

N e u n t e r Abschnitt. V e r j ä h r u n g

§ 118 BinSchG

Anlage zu §664 HGB nicht in Betracht. Art 13 Abs 2 der Anlage zu §664 HGB verdrängt § 117 Abs 2, Art 13 Abs 3 der Anlage zu § 664 HGB geht § 202 BGB vor. Ansprüche des Beförderers gegen den Reisenden unterfallen nicht Art 13 der Anlage zu § 664 HGB und verjähren daher gem §§ 195ff BGB. e)

§§ 902f HGB

Als Spezialvorschriften gehen auch die über § 93 im Binnenschiffahrtsrecht an- 39 wendbaren §§ 902 Nr 3 und 903 Abs 3 HGB betr die Verjährung von Ansprüchen auf Bergelohn und Sondervergütung einschließlich Bergungskosten dem § 117 vor. f)

§§ 195ff BGB

Die allgemeinen Vorschriften des §§ 195ff BGB werden von §§ 117f verdrängt. So- 40 weit die §§ 117f BGB keine Sonderregelungen enthalten, ist allerdings auf die entsprechenden allgemeinen Vorschriften zurückzugreifen (Rn 2). Da den §§ 195ff BGB auch die anderen speziellen Regelungen in § 439 HGB und Art 13 der Anlage zu § 664 HGB vorgehen, ist der Anwendungsbereich der allgemeinen Vorschriften im Bereich der Binnenschiffahrt gering. Denkbar sind zB Ansprüche wegen der Beschädigung eines Schiffes oder der Verletzung von Besatzungsmitgliedern infolge des Fehlverhaltens eines Schleusenbeamten (vgl Rn 13), des Empfängers oder des Absenders, sofern sich letztere nicht als Schiffseigner oder Ausrüster ebenfalls auf §117 Abs 1 Nr 7 berufen können.

8.

Internationales Privatrecht

Das auf die Verjährung und die hiermit zusammenhängenden Fragen anzuwen- 41 dende Recht folgt grundsätzlich dem Recht, dem auch der Anspruch selbst unterliegt. Für vertragliche Ansprüche ist dies ausdrücklich in Art 32 Abs 1 Nr 4 EGBGB geregelt. Nach allgemeiner Auffassung gilt dies jedoch auch für Ansprüche, die nicht auf Vertrag beruhen. 71

§ 118 [Verjährung bei Schiffszusammenstößen] (1) Ersatzansprüche aus dem Zusammenstoß von Schiffen (§§ 92 bis 92f) verjähren mit Ablauf von zwei Jahren seit dem Ereignis.

71

BGH WPM 1978,733f für deliktische Ansprüche.

439

BinSchG § 1 1 8

Verjährung bei Schiffszusammenstößen

(2) Ausgleichsansprüche unter mehreren für einen Schaden aus einem Zusammenstoß als Gesamtschuldner haftenden Schiffseignern verjähren mit dem Ablauf eines Jahres. Die Verjährung beginnt mit dem Tage der Zahlung, auf Grund deren die Ausgleichung verlangt wird, oder, wenn vorher eine gerichtliche Entscheidung über die Höhe der gesamtschuldnerischen Haftung rechtskräftig geworden ist, mit dem Tage der Rechtskraft der Entscheidung. Die Verjährung von Ansprüchen, die einem Gesamtschuldner wegen des Ausfalls, den er bei der Ausgleichung durch die Zahlungsunfähigkeit eines anderen Gesamtschuldners erleidet, gegen die übrigen Gesamtschuldner zustehen, beginnt jedoch nicht vor dem Tage, an dem der Berechtigte Kenntnis von der Zahlungsunfähigkeit erlangt.

Übersicht Rn 1. Allgemeines 2. Schiffszusammenstoß

1 2

3. Fernschädigung 4. Verjährungsfrist und -beginn ($ 118 Abs 1)

3-4 5

5. Verjährung von Ausgleichsansprüchen

6-8

6. Hemmung, Neubeginn und Rechtsfolgen der Verjährung 7. Abweichende Vereinbarungen

9 10

8. Internationales Privatrecht

11

1.

Allgemeines

1 Die jetzige Fassung des § 118 beruht auf dem Gesetz zu dem Übereinkommen vom 15. 3. 1960 zur Vereinheitlichung einzelner Regeln über den Zusammenstoß von Binnenschiffen vom 30. 8. 1972 (IUeZB, vgl § 92 Rn 1). § 118 regelt die Verjährung von Ansprüchen aus Schiffskollisionen und gehört damit thematisch zu den §§ 92 bis 92f. § 117 Abs 1 Nr 7 wird nach der ausdrücklichen gesetzlichen Regelung von § 118 verdrängt, soweit dessen Anwendungsbereich reicht. Schwierigkeiten bei der Bestimmung des Anwendungsbereiches des § 118 ergeben sich aus dem Umstand, daß der deutsche Gesetzgeber bei der Inkorporierung des IUeZB in die §§ 92ff, 118 hiervon im Wortlaut abwich, ohne damit eine inhaltliche Änderung zu beabsichtigen (§ 92 Rn 1). Dies führte zu Unstimmigkeiten, die im Wege der Auslegung beseitigt werden müssen.

2.

Schiffszusammenstoß als die Berührung von mehreren Schiffen

2 Ansprüche unterfallen jedenfalls dann der zweijährigen Frist des § 118 Abs 1, wenn es sich um Ersatzansprüche aus einer tatsächlichen Kollision, dh einer körperli440

Neunter Abschnitt. Verjährung

§ 118 BinSchG

chen Berührung von zwei oder mehreren Schiffen handelt. Vgl hierzu ie § 9 2 Rn 5ff. 3.

Fernschädigung als Schiffszusammenstoß iSv § 118

Zweifelhaft ist die Geltung des § 118 im Falle einer sogenannten Fernschädigung 3 von Binnenschiffen iSv § 92 Abs 2. Eine solche liegt vor, wenn schadensursächlich zwar das Zusammenwirken mehrerer Schiffe war, eine körperliche Berührung hierbei jedoch nicht stattgefunden hat (§ 92 Rn 13ff). Eine Fernschädigung liegt zB vor, wenn eine Motoryacht dadurch beschädigt wird, daß ein Schwimmbagger mit einer Ankertrosse einen der Dalben anbricht, an denen die Yacht festgemacht worden war.1 Gleiches gilt, wenn ein Stillieger, ein in eine Schleuse einfahrendes Schiff oder ein Schiff während eines Überholvorgangs durch den Sog und Wellenschlag eines vorbeifahrenden Schiffes beschädigt wird.2 Obwohl sich hier die beteiligten Schiffe nicht berühren, wendet der BGH ohne weitere Erörterung die Vorschriften des § 1 1 8 Abs 1 mit der Begründung an, daß „Ansprüche aus SS 92 Abs 2, 92b" nach § 118 Abs 1 verjähren würden. Der BGH hat hier offensichtlich den Klammerzusatz in § 118 Abs 1 „Zusammenstoß von Schiffen (§§ 92 bis 92f)" in dem Sinne gedeutet, daß ein Zusammenstoß von Schiffen iSv § 118 auch dann vorliegt, wenn eine Fernschädigung gem § 92 Abs 2 zu dem Schaden geführt hat. Diese Auffassung ist deshalb problematisch, weil nach dem vom BGH herangezogenen § 9 2 Abs 2 auf die Fälle der Fernschädigung ausdrücklich nur die §§ 92a bis 92f entsprechend anzuwenden sind, nicht aber § 118. Andererseits ist zu berücksichtigen, daß das IUeZB anders als das BinSchG eindeu- 4 tig formuliert: Nach Art 7 Nr 1 IUeZB verjähren sämtliche Schadenersatzansprüche aufgrund des Übereinkommens generell mit Ablauf von zwei Jahren seit dem Ereignis. Art 7 Nr 1 IUeZB unterscheidet also nicht zwischen Fernschädigungen einerseits und Schäden aus einer tatsächlichen Kollision von Schiffen andererseits. Aufgrund der Inkorporierung des IUeZB in den §§92ff, 118 kann das Übereinkommen im deutschen Recht zwar keine unmittelbare Geltung beanspruchen und steht es dem deutschen Gesetzgeber frei, dem Übereinkommen widersprechende nationale Regelungen zu beschließen, falls er das Verdikt völkerrechtswidrigen Handelns nicht scheut. Auf der anderer Seite ist das innerstaatliche Recht zumal dann im Zweifel soweit als möglich völkerrechtskonform auszulegen, 3 wenn sich ein anders lautender Wille des Gesetzgebers nicht feststellen läßt. Da ein solcher anders lautender Wille des Gesetzgebers hier nicht feststellbar ist, ist § 118 also in der Tat die weite Auslegung beizumessen, die ihm auch vom BGH 4 zuerkannt wor1 2 3 4

Vgl den Sachverhalt bei BGHZ 81, 370,371. RGZ 171, 97, 98. Maunz/DürigGG Stand 1990 Art 25 Rn 30. BGHZ 81, 370, 371.

441

BinSchG § 1 1 8

Verjährung bei Schiffszusammenstößen

den ist. Nur so läßt sich ein Widerspruch zu dem eindeutigen Wortlaut des IUeZB vermeiden.5 § 118 unterfallen damit sämtliche Schadensersatzansprüche, die ihren Grund in einem gleichwie gearteten Zusammenwirken mehrerer Schiffe haben. Die Anfahrung oder Fernbeschädigung anderer Gegenstände als Schiffe (zB Hafen-, Ufer- oder Brückenanlagen) unterfällt dagegen nicht den §§92ff, 118, sondern § 117 Abs 1 Nr 7, Abs 2 (§ 117 Rn 11). 4.

Verjährungsfrist und Verjährungsbeginn nach § 118 Abs 1

5 Abweichend von § 117 Abs 2 verjähren Ansprüche nach § 118 Abs 2 mit Ablauf von zwei Jahren seit dem Ereignis. So verjähren zB Ansprüche aus einer Kollision vom 15.10. 2006 gem §§ 187 Abs 1, 188 Abs 2 BGB mit Ablauf des 15.10. 2008, sofern es sich hierbei nicht um einen Samstag, Sonntag oder einen staatlich anerkannten allgemeinen Feiertag handelt. In diesem Fall tritt entsprechend § 193 BGB an die Stelle dieses Tages der nächste Werktag. 5.

Verjährung von Ausgleichsansprüchen (§ 118 Abs 2)

6 a) Wurde bei einem Schiffszusammenstoß eine an Bord befindliche Person verletzt oder getötet, so haften gem § 92c Abs 2 mehrere für den Schaden verantwortliche Schiffseigner als Gesamtschuldner (§ 92c Rnl5ff). Ausgleichsansprüche unter diesen Schiffseignern (SS426 BGB, 92c Abs 1, 2 S 2 BinSchG) verjähren gem § 118 Abs 2 mit dem Ablauf eines Jahres. Zwar spricht auch S 118 Abs 2 lediglich von Schäden, die aus einem Schiffszusammenstoß herrühren, doch kann im Hinblick auf die Fernschädigungsfälle nichts anderes gelten als iRd § 118 Abs 1 (Rn3, 4): Art 7 IUeZB, Vorlage für den Gesetzgeber bei der Formulierung auch des § 1 1 8 Abs 2, erfaßt unterschiedslos sämtliche Schadensersatzansprüche, die dem Übereinkommen unterliegen und damit auch die Fälle der Fernschädigung gem Art 1 Nr 2 IUeZB. Unanwendbar ist § 118 Abs 2 dagegen auf Schadensersatzansprüche wegen Sachschäden, die durch einen Schiffszusammenstoß verursacht wurden. In diesem Fall haften mehrere Schiffseigner gem § 92c Abs 1 nicht als Gesamtschuldner. Ausgleichsansprüche gem § 4 2 6 BGB, die nicht auf einen Schiffszusammenstoß zurückgehen, unterliegen den allgemeinen VerjährungsVorschriften gem §§ 195ff BGB. 7 b) Die Jahresfrist des § 118 Abs 2 beginnt grundsätzlich mit dem Tag der Bezahlung des Schadens durch denjenigen, der den Ausgleichsanspruch geltend macht. Wird allerdings bereits vor einer Zahlung eine gerichtliche Entscheidung über die Höhe der Gesamtschuld rechtskräftig, so beginnt die Verjährung mit dem

S

Vgl v. Walistein/Hollani TranspR 2003, 387, 389. Ebenso MIC Urt ν 2 8 . 9 . 1994 (Az 4 Z-l/94); Altehoefer ZfB 1973, 539, 555; aA AG Mainz Urt ν 23. 7.1993 (Az 34 C 4/93 - BSch); Baumgärtel/Korfofft § 118 Fn 3.

442

Neunter Abschnitt. Verjährung

§ 118 BinSchG

Tage der Rechtskraft der Entscheidung gegenüber dem Ausgleichsgläubiger. Maßgeblich für den Beginn der Verjährungsfrist ist also nicht zwingend die Entstehung des Ausgleichsanspruchs.6 Da die Verjährungsfrist durch Rechtskraft allerdings nur zu Lasten solcher Gesamtschuldner in Lauf gesetzt wird, die im Urteil des Vorprozesses als Beklagte aufgeführt sind, kann es praktisch nicht vorkommen, daß der Rückgriffsanspruch verjährt, bevor der Anspruchsberechtigte überhaupt Kenntnis von seinem Rückgriffsanspruch erlangt hat. Gegenüber Dritten, die an dem Rechtsstreit nicht oder nur als Streitverkündete oder Streithelfer beteiligt waren, wird die Verjährungsfrist nicht in Lauf gesetzt. Bei Zahlungsunfähigkeit eines Gesamtschuldners ist der Ausfall von den übrigen 8 zur Ausgleichung verpflichteten Schuldnern zu tragen (§ 426 Abs 1 S 2 BGB). Bei der Zwangsvollstreckung gegen einen Gesamtschuldner, der sich als zahlungsunfähig erweist, kann erhebliche Zeit verstreichen. Das Gesetz will den Gesamtschuldner, der seinerseits die Schuld erfüllt hat, schützen und läßt deshalb den Beginn der einjährigen Verjährungsfrist des Ausgleichspartners für einen Ausfall, den ein Gesamtschuldner durch die Zahlungsunfähigkeit eines anderen Gesamtschuldners erleidet, erst am Tage der Kenntnis des Berechtigten von der Zahlungsunfähigkeit eintreten (§118 Abs 2 S 3).

6.

Hemmung, Neubeginn und Rechtsfolgen der Verjährung

Mangels entsprechender Sondervorschriften richten sich Hemmung, Neubeginn 9 und Rechtsfolgen der Verjährung nach § 118 wie iRd § 117 nach den allgemeinen Vorschriften (§ 117 Rn 19ff). 7.

Abweichende Vereinbarungen

Vertragliche Vereinbarungen im Zusammenhang mit der Verjährungsvorschrift des 10 § 1 1 8 sind die Ausnahme und beschränken sich regelmäßig auf Absprachen nach dem Schadensereignis. Diese sind gem § 2 0 2 BGB weitgehend frei (§117 Rn29). Hat ein Schiffseigner mit einem Dritten durch eine Vereinbarung die Verjährungsfrist abgekürzt, können auch die Mitglieder der Schiffsbesatzung in den Schutzbereich dieser Abrede einbezogen sein. Umgekehrt aber kann eine Verjährungsverzichtserklärung des Schiffseigners wegen des Verbots von Verträgen zu Lasten Dritter nicht zum Nachteil der Schiffsbesatzung gereichen. Es gibt in der Binnenschiffahrt keine gewohnheitsrechtliche Übung des Inhalts, daß eine Verjährungsverzichtserklärung des Schiffseigners auch für die Schiffbesatzung gelten soll.

6

ν. ψaldstein [HollandTranspR 2003, 387,390.

443

BinSchG § 1 1 8 8.

Verjährung bei Schiffszusammenstößen

Internationales Privatrecht

11 Die Verjährung eines Anspruchs unterliegt demselben Statut wie der Anspruch (§ 117 Rn39). Dieses ist in den Fällen des Schiffszusammenstoßes regelmäßig nach Artt 40 bis 42 EGBGB zu bestimmen (§ 5m Rn 2). Allerdings ist zu beachten, daß auch in den anderen Staaten, die das IUeZB ratifiziert haben, eine § 118 entsprechende Verjährungsvorschrift gilt.

SS 119 bis 129

(aufgehoben; jetzt Schiffsregisterordnung)

444

Zehnter Abschnitt Schlußbestimmungen $130 [Zuständigkeit des Bundesgerichtshofs] In bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten, in welchen durch Klage oder Widerklage ein Anspruch aufgrund dieses Gesetzes geltend gemacht ist, wird die Verhandlung und Entscheidung letzter Instanz im Sinne des § 8 des Einführungsgesetzes zum Gerichtsverfassungsgesetze dem Bundesgerichtshof zugewiesen. 1.

Zweck des $ 130

a) Nach SS 8 EGGVG, 7 ZPO konnte die Landesgesetzgebung eines Bundeslandes, 1 in dem mehrere Oberlandesgerichte errichtet sind, die Revisionszuständigkeit in bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten einem obersten Landesgericht dann zuweisen, wenn sich der Gegenstand des Verfahrens überwiegend auf landesrechtlichem Terrain bewegt (§ 8 Abs 2 EGGVG).1 Dieser landesrechtliche Bezug ist den Binnenschiffahrtssachen - bis auf wenige denkbare Ausnahmen (etwa zu regionalen Fischerei- 2 oder Quellrechten) - grundsätzlich fremd, so daß schon aus diesem Grund eine Zuweisung der letzten Instanz in Binnenschiffahrtssachen zu einem obersten Landesgericht eines Bundeslandes nicht in Betracht kam. Der Ausschluß einer solchen letztinstanzlichen Zuständigkeit eines obersten Landesgerichtes durch § 130 war bereits vor diesem Hintergrund theoretischer Art. b) Nachdem das einzige noch existierende oberste Landesgericht der 16 Bundes- 2 ländern, das traditionsreiche Bayerische Oberste Landesgericht zum 3 0 . 6 . 2006 geschlossen wurde 3 , gibt es für S 130 jedenfalls derzeit, also ohne Neubegründung eines obersten Landesgerichtes durch ein Bundesland, keinen Anwendungsbereich. Der Zweck des § 130, eine judikative Gleichbehandlung aller Binnenschiffahrts-

1 2 3

Zur Abgrenzung zwischen bundesrechtlichen und landesrechtlichen Normen vgl BVerfGE 6, 45, 53; BayObLGZ 55,10,12. OLG Karlsruhe ZfB 2003, SaS 1886 = TranspR 2003,248 = VersR 2004,133; OLG Brandenburg OLGR 2001, 424ff. Hirsch Die Auflösung des Bayerischen Obersten Landesgerichts NJW 2006,3255.

445

BinSchG $ 130

Zuständigkeit des Bundesgerichtshofs

Sachen in Deutschland sicherzustellen, 4 ist somit auch ohne diesen Paragraphen gewährleistet. 2.

Revisionsinstanz BGH

3 a) In Schiffahrtssachen, nicht in Rheinschiffahrts- oder Moselschiffahrtssachen, in denen eine Revision nicht stattfindet (§ 9 BinSchVerfG Rn 4ff), ergibt sich die Revisionszuständigkeit des BGH in Zivilsachen in erster Linie aus § 133 GVG sowie arg e contr aus § 10 BinSchVerfG. § 130 hat demgegenüber nur eine untergeordnete, § 8 Abs 1 EGGVG ausschließende Bedeutung für die Revisionszuständigkeit des BGH in Binnenschiffahrtssachen. Innerhalb des BGH ist derzeit (Geschäftsverteilungsplan 2006) für Frachtsachen der I. Zivilsenat, für alle anderen Binnenschiffahrtssachen der VI. Zivilsenat zuständig. 4 b) Die Zulässigkeit der Revision in schiffahrtsrechtlichen Zivilsachen richtet sich ie nach SS 542ff ZPO. Nachdem die Wertrevision, deren letzte Streitwertgrenze DM 60.000 (S 546 ZPO aF) in Schiffahrtssachen häufig überschritten wurde, im Zuge der ZPO-Reform 2002 durch die Zulassungsrevision ersetzt wurde (§ 543 ZPO), sind Revisionen in Schiffahrtssachen die Ausnahme geworden. Da der Gesetzgeber zusätzlich die Zulässigkeit der Nichtzulassungsbeschwerde an ein Überschreiten des Beschwerdewertes von € 20.000 gekoppelt hat (§ 26 Nr 8 EGZPO),5 findet in Fällen unterhalb dieser Beschwergrenze keine wirksame Kontrolle mehr statt, ob das Vorliegen von Revisionsgründen gem S 543 Abs 2 ZPO durch das Oberlandesgericht - Schiffahrtsobergericht als Berufungsinstanz rechtmäßig verneint wurde oder nicht. 5 c) Diese Tendenz hat dazu geführt, daß de facto eine Bündelung und Vereinheitlichung der Rspr der Oberlandesgerichte - Schiffahrtsobergerichte, insbesondere zwischen den in der Praxis für das Rhein- und Donaustromgebiet besonders wichtigen Oberlandesgerichten Karlsruhe, Köln und Nürnberg, nicht mehr stattfindet, was iS der „Wahrung der Einheitlichkeit der Rspr" (arg Art 95 Abs 3 GG), gerade in schwierigen binnenschiffahrtsrechtlichen Fragen, keine Zustimmung finden kann. 6 d) Zu den Voraussetzungen und der Durchführung der Revision in Schiffahrtszivilsachen ie s S 9 BinSchVerfG Rn Iff. 7 e) In Schiffahrtsstrafsachen findet eine Revision nicht statt (§10 BinSchVerfG).

4 5

Begr BinSchG, 139. BGH TranspR 2006, 219; 2005, 403; BGH NJW 2005, 224.

446

Zehnter Abschnitt. Schlußbestimmungen

§131

BinSchG

$131 [Orts-, Trajekt- und Fährverkehr] (1) Bei Schiffen, welche nur zu Fahrten innerhalb desselben Ortes bestimmt sind, sind § 8 Abs 4 und SS 15-19 auf das Rechtsverhältnis des Schiffes nicht anzuwenden. (2) Durch die Landesregierungen kann bestimmt werden, daß Fahrten zwischen benachbarten Orten der Fahrt innerhalb desselben Ortes im Sinne des ersten Absatzes gleichstehen. (3) Auf Schiffahrtsbetriebe, welche im Anschlüsse an den Eisenbahnverkehr geführt werden und der staatlichen Eisenbahnaufsicht unterstellt sind, finden die vorhergehenden Bestimmungen des Gesetzes mit Ausnahme der SS 4-5m, 9 2 - 9 2 f , 118 keine Anwendung. (4) Das gleiche gilt bezüglich des Betriebes von Fähranstalten, soweit nicht der Betrieb mittels frei schwimmender Schiffe stattfindet.

Übersicht Rn 1. Allgemeines 2. Orts- und Hafenverkehr ($ 131 Abs 1, 2) 3. Trajektverkehr ($131 Abs 3) 4. Fährverkehr (§ 131 Abs 4)

1.

1 2-6 7-8 9-11

Allgemeines

Die Vorschrift schränkt den sachlichen Anwendungsbereich des BinSchG teilweise 1 ein: Dort, wo die Schiffahrt, ihres grundsätzlichen Verkehrscharakters zwischen entfernter liegenden Orten weitgehend enthoben, in erster Linie lokalen Aufgaben dient, passen diverse Regelungen des Gesetzes nicht. Für diesen örtlichen Schiffsverkehr zwischen verschiedenen Stellen desselben Platzes, zB beim Beladen und Löschen von Schuten, werden daher einzelne Vorschriften für unanwendbar erklärt (Orts- und Hafenverkehr, § 131 Abs 1, Abs 2). Für den Trajektverkehr (§ 131 Abs 3) und den (nicht frei fahrenden) Fährverkehr (§131 Abs 4) wird umgekehrt - mit wenigen Ausnahmen - das gesamte BinSchG für unanwendbar erklärt. 2.

Orts- und Hafenverkehr (S 131 Abs 1, Abs 2)

a) Im Orts- und Hafenverkehr (§131 Abs 1) werden allein die Vorschriften über die 2 gesetzliche Vertretungsmacht des Schiffsführers (§§ 15 bis 19) ausgeschlossen. Wegen der ohnehin bereits bestehenden örtlichen Einschränkungen nach §§ 15 Abs 1, 447

BinSchG § 1 3 1

Orts-, Trajekt- und Fährverkehr

16 Abs 1 (SS 15-19 R n 6 ) kommt dem Ausschluß nach S 131 Abs 1 wenig eigener Regelungscharakter zu. Gänzlich überflüssig ist der Ausschluß von § 8 Abs 4 (persönliche Haftung des Schiffseigners für sog kommerzielles Verschulden, also Ausrüstungsmängel des Schiffes), nachdem diese Regelung bereits 1998 ersatzlos entfallen ist. 3 b) Bei der Frage, ob das in Rede stehende Fahrzeug dem orts- bzw hafengebundenen Verkehr dient oder nicht, kommt es entsprechend dem Wortlaut des Gesetzes auf den Bestimmungszweck des Schiffes über einen längeren Zeitraum an. Wird das Wasserfahrzeug konkret ortsgebunden verwendet (zB Lagerbargen, Kiesbaggerfahrzeuge, Taucherschächte), ist die Voraussetzung zu bejahen. Wird ein regelmäßig zur Streckenfahrt eingesetztes Schiff nur gelegentlich im Orts- und Hafenverkehr eingesetzt, insbesondere bei häufig zu (Zwischen-)Lagerzwecken eingesetzten Verholschuten in der Schubschiffahrt, erfährt das BinSchG keine Einschränkungen. Zum Begriff des Hafens s §§ 82, 83 Rn 25. 4 c) Gem § 131 Abs 2 kann der besondere Anwendungsrahmen des BinSchG im Ortsverkehr (S 131 Abs 1) durch Landesverordnung erweitert werden. Auch ohne solche Sonderregelungen wird man § 1 3 1 Abs 2 regional wirtschaftlich dahingehend auszulegen haben, daß Fahrten innerhalb größerer Hafeneinheiten, insbesondere an den Seeplätzen, aber auch am Rhein, wo häufig gegenüberliegende links- und rechtsrheinische Binnenhäfen kooperieren, zum Hafenverkehr zählen. 5 d) Liegt ein Hafen- oder Ortsverkehr vor, finden § § 1 5 bis 19 keine Anwendung. Die übrigen Vorschriften, insbesondere diejenigen über die Summenhaftung (§§ 4ff), über die Kollision von Schiffen (§§ 92ff) sowie über die Verjährung (SS 117f) gelten ohne Einschränkung. Besonders zu beachten ist eine den örtlichen Sichtverhältnissen und der Belegung des Hafens angepaßte Fahrweise der Schiffe. 1 6 Soweit §§ 15 bis 19 nicht angewendet werden können, gelten die allgemeinen bürgerlich-rechtlichen und handelsrechtlichen Vorschriften, insbesondere §§ 164ff BGB, 407ff HGB. 3.

Trajektverkehr (S 131 Abs 3)

7 a) Der sog Trajektverkehr, also ein Schiffstransport, der im Anschluß an einen Bahnverkehr weiter unter staatlicher Eisenbahnaufsicht stattfindet, hatte in der Binnenschiffahrt schon bislang keinerlei praktische Bedeutung. Im Zuge der Privatisierung der Bahn und des damit im Zusammenhang stehenden weitgehenden Rückzugs des Staates bei der Erbringung, aber auch der Beaufsichtigung von Verkehrsleistungen (Deregulierung), ist erst recht nicht mehr mit einem Anwendungsbereich der Vorschrift zu rechnen. 1

ZKRVersR 1997,213.

448

Zehnter Abschnitt. Schlußbestimmungen

§ 1 3 1 BinSchG

b) Nicht erfaßt von § 131 Abs 3 wird der durchaus häufige sog gebrochene Ver- 8 kehr zwischen Schiff und Bahn, bei dem qua Umschlag Schiff - Güterwaggon und umgekehrt von einem oder im Anschluß an einen Schiffstransport ein Warentransport auf der Schiene stattfindet. Für eine Schiffsreise in diesem Zusammenhang gilt das BinSchG ohne Einschränkungen. 4.

Fährverkehr (§ 131 Abs 4)

a) Entsprechend der gesetzlichen Begriffsbestimmung von § 1.01 Nr 10 BinSchStrO 9 handelt es sich bei einer Fähre um „ein Fahrzeug, das dem Übersetzverkehr von einem Ufer zum anderen dient und von der Strom- und Schiffahrtspolizeibehörde als Fähre behandelt wird" (so auch § 1 Nr 1 Fährenbetriebsverordnung vom 24.5. 1995, BGBl I S 75 22). b) Für die Anwendung von § 131 Abs 4 wesentlich ist die Unterscheidung, ob die- 10 ser Übersetzverkehr frei fahrend oder nicht frei fahrend (Gier-, Seil- bzw Kettenfähre) stattfindet. Da bei den zuletzt genannten, nicht frei fahrenden, sondern an einem unter oder über der Wasserlinie geführten Draht oder Kette gezogenen Fähren „ein eigentlicher Schiffahrtsbetrieb nicht vorliegt, 3 " kommt das BinSchG mit Ausnahme der §§ 4 bis 5m, 92 bis 92f und 118 (§ 131 Abs 3) nicht zur Anwendung. Für nicht frei fahrende Fähren gilt die besondere Kennzeichnungspflicht beim Stilliegen gem § 3.23 BinSchStrO. c) Frei fahrende Fähren unterliegen ebenso wie im Distanzverkehr eingesetzte 11 Binnenschiffe in vollem Umfang der Geltung des Binnenschiffahrtsgesetzes. Zu beachten sind die besonderen Sorgfaltsmaßstäbe und Verkehrsregelungen im Zusammenhang mit dem Fährverkehr.4 Selbst krasse Fehler des Fährführers, insbesondere ein Übersehen eines auf dem Strom fahrenden Schiffes, entheben die durchgehende Schiffahrt nicht von der allgemeinen Sorgfaltspflicht nach § 1.04 BinSchStrO.5

2 3 4

5

Otte 1324. Begr BinSchG, 140; zur Verkehrssicherungspflicht des Betreibers einer Kettenfähre s AG Bremen Hamburger Seerech ts-Report 2 0 0 6 , 2 4 1 , 2 4 2 . $ 6.23 BinSchStrO, §§ 7 - 9 Fährenbetriebsverordnung, Zeichen 129 zu $ 40 StVO, OLG Köln ZfB 1993, SaS 1416; OLG Karlsruhe Z£B 1993, SaS 1426; vgl ie Bemm/v. Waldstein RheinSchPV $ 6.23 Rn Iff; sowie Kühn Haftung bei Fährschiffunfällen, DAR 19S7, 276. Fährunfall von Königswinter, OLG Köln Urt ν S. S. 1967 (Az 3 U 173/66). Zur Beweislast für die Zulässigkeit einer Querfahrt der Fähre OLG Köln ZfB 1999, SaS 1739; ZKR ZfB 1983, 189; AG St. Goar Urt ν 15. 5. 2006 (Az 4 C 9/05 BSchRG); AG Mannheim Urt ν 1 7 . 1 . 1986 (Az 285/85 BSch); zur Verkehrssicherungspflicht des Fährbetreibers gegenüber auffahrenden Pkw's OLG Karlsruhe ZfB 1993, SaS 1 4 2 6 , 1 4 2 7 = NZV 1 9 9 3 , 1 5 3 = VersR 1 9 9 3 , 1 5 5 3 ; AG St. Goar Hamburger Seerecht-Report 2 0 0 6 , 1 8 2 u 214.

449

BinSchG s 133

Höhere Verwaltungsbehörde

S 132 (aufgehoben)

§ 133 [Höhere Verwaltungsbehörde] Welche Behörden in jedem Bundesstaate unter der Bezeichnung „höhere Verwaltungsbehörde" im Sinne dieses Gesetzes zu verstehen sind, wird durch die Zentralbehörde des Bundesstaates bekannt gemacht. Nachdem der Bezug dieser Vorschrift, die Zuständigkeit der „höheren Verwaltungsbehörde" nach §§ 29f, 48f BinSchG aF vor allem zur Regelung der Lade- und Löschzeiten in der Binnenschiffahrt mit dem TRG 1998 (§407 HGB Rn 1) endgültig entfallen ist, gibt es für § 133 keinen praktischen Anwendungsbereich mehr. Iü war § 133 bereits seit Geltung des Grundgesetzes 1949 seiner ursprünglichen Bedeutung beraubt, da der Bundesgesetzgeber im Rahmen seiner konkurrierenden Gesetzgebungskompetenz nach Art 74 Nr 21 GG das Binnenschiffahrts- und Wasserstraßenrecht - jenseits der für Rhein, Mosel, Donau und den Bodensee ohnehin zu berücksichtigenden, völkerrechtlichen Sonderregelungen - weitgehend 1 bundeseinheitlich geregelt hat. Soweit dies ausnahmsweise in Randbereichen nicht der Fall sein sollte, bleibt es bei der Auffanggesetzgebungskompetenz der Länder gem Art 129 Abs 2 GG.

1

Mit Ausnahme von § 131 Abs 2, der iü nur eine Verordnungszuweisung an die Landesregierungen enthält, findet sich im gesamten BinSchG kein Verweis auf eine ergänzende Zuständigkeit der einzelnen Landesgesetzgeber.

450

2.

Handelsgesetzbuch (HGB)

Vom 10. Mai 1897 (RGBl. S. 219) (BGBl. III 4100-1) zuletzt geändert durch Art. 3 Gesetz vom 17.11. 2006 (BGBl. 12606) (Auszug)

Viertes Buch Handelsgeschäfte Vierter Abschnitt Frachtgeschäft Erster Unterabschnitt Allgemeine Vorschriften

$407

Frachtvertrag (1) Durch den Frachtvertrag wird der Frachtführer verpflichtet, das Gut zum Bestimmungsort zu befördern und dort an den Empfänger abzuliefern. (2) Der Absender wird verpflichtet, die vereinbarte Fracht zu zahlen. (3) Die Vorschriften dieses Unterabschnitts gelten, wenn 1. das Gut zu Lande, auf Binnengewässern oder mit Luftfahrzeugen befördert werden soll und 2. die Beförderung zum Betrieb eines gewerblichen Unternehmens gehört. Erfordert das Unternehmen nach Art oder Umfang einen in kaufmännischer Weise eingerichteten Geschäftsbetrieb nicht und ist die Firma des Unterneh451

HGB § 4 0 7

Frachtvertrag

mens auch nicht nach § 2 in das Handelsregister eingetragen, so sind in Ansehung des Frachtgeschäfts auch insoweit die Vorschriften des Ersten Abschnitts des Vierten Buches ergänzend anzuwenden; dies gilt jedoch nicht für die SS 3 4 8 bis 350.

Übersicht Rn 1. Allgemeines 2. Frachtgeschäft

1

a) Frachtgeschäft und Frachtvertrag

2

b) Gewerbebetrieb c) Beförderung von Gütern

3 4

d) Abgrenzung zum Seefrachtrecht e) Orts-, Trajekt- und Fährverkehr

5 6

3. Frachtführer a) Begriff b) Frachtführer, Schiffseigner, Ausrüster c) Hauptfrachtführer und Unterfrachtführer d) Unterfrachtführer und ausführender Frachtführer e) Vertragliche Pflichten des Frachtführers 4. Absender a) Vertragspartner des Frachtführers b) Absender und Verladestelle c) Vertragliche Pflichten des Absenders 5. Empfänger 6. Rechtliche Natur des Frachtvertrags und Abgrenzung a) Rechtliche Natur des Frachtvertrags b) Abgrenzung zu anderen Verträgen c) Reisecharter und Zeitcharter

7 8 9 10 11-12 13 14 15-16 17-20 21 22-25 26

7. Abschluß und Inhalt des Frachtvertrags a) Abschluß des Frachtvertrags

27-28

b) Inhalt 8. Frachtpapiere 9. Abdingbarkeit der gesetzlichen Vorschriften

29-32 33-34 35-36

10. Handels-und Schiffahrtsbräuche

37

11. Internationales Privatrecht a) Vorrangige Anwendung der CMNI b) Rechtswahl und objektive Anknüpfung c) Geltungsbereich des Vertragsstatuts

1.

38 39-40 41

Allgemeines

1 Bis zum Inkrafttreten des Transportrechtsreformgesetzes am 1.7. 1998 (§26 BinSchG Rn 1) wurde das Frachtgeschäft in der Binnenschiffahrt vor allem durch die 452

Vierter Abschnitt. Frachtgeschäfte

§ 4 0 7 HGB

§§ 27 bis 76 BinSchG aF geregelt. Hierbei handelte es sich um Ergänzungen und Modifikationen des aufgrund der Verweisung des § 26 BinSchG aF auch in der Binnenschiffahrt anwendbaren Landfrachtrechts in Bereichen, in denen dies die Besonderheiten des Schiffsverkehrs geboten. Wesentliche praktische Bedeutung hatten dabei vor allem die Regelungen betr den Lade- und Löschvorgang sowie die Vorschriften über die Haftung des Frachtführers. Mit Inkrafttreten des TRG wurden die Sonderregelungen der §§ 27 bis 76 BinSchG aufgehoben und aus der grundsätzlichen Verweisung auf die frachtrechtlichen Vorschriften des HGB wurde eine generelle. Zwar wurde der Gesetzgeber der besonderen wirtschaftlichen Bedeutung von Lade- bzw Löschzeitenüberschreitungen in der Binnenschiffahrt zwischenzeitlich dadurch gerecht, daß er auf der Ermächtigungsgrundlage des § 412 Abs 4 HGB eine Verordnung über die Lade- und Löschzeiten sowie das Liegegeld in der Binnenschifffahrt (Lade- und Löschzeitenverordnung - BinSchLV) vom 23.11. 1999 1 erlassen hat (§ 1 BinSchLV Rn 1). Dennoch muß festgestellt werden, daß die Vereinheitlichung des Frachtrechts für die unterschiedlichen Verkehrsträger den Umstand unberücksichtigt läßt, daß gerade der Transport von Gütern mit Besonderheiten aufweist, denen auch iRd Auslegung des Gesetzes nur unzureichend Rechnung getragen werden kann.

2.

Frachtgeschäft

a)

F rachtgeschäft und F rachtvertrag

Der Begriff des Frachtgeschäfts (vgl amtliche Überschrift des Vierten Abschnitts und 2 § 407 Abs 3 S 2) hat gegenüber dem des Frachtvertrags keine gesonderte Bedeutung. Jedes Geschäft, dem ein Frachtvertrag zugrunde liegt, ist ein „Frachtgeschäft" iSd Gesetzes. Den Frachtvertrag definiert das Gesetz in § 407 selbst als einen Vertrag, durch den sich der Frachtführer im Rahmen seines gewerblichen Unternehmens gegenüber dem Absender gegen Bezahlung der Fracht verpflichtet, das Gut zum Bestimmungsort zu befördern und dort an den Empfänger abzuliefern. b)

Gewerbebetrieb

Das Gesetz stellt allein darauf ab, ob die Beförderung zum Gewerbebetrieb des Be- 3 förderers gehört. Darauf, ob der Beförderer Kaufmann ist iSv §§ 1, 2, kommt es, wie § 407 Abs 3 S 2 zeigt, nicht an. Nach dem Willen des Gesetzgebers, der die Vorschriften über das Frachtgeschäft als Spezialvorschriften für gewerbliche Beförderer verstanden wissen will, 2 ist zudem unerheblich, ob die konkrete Beförderung zum gewerblichen Betrieb des Absenders gehört. Der Partikulier (§ 1 BinSchG Rn 48) ist

1 2

BGBl 1,2389. Begr TRG, BT-Drs 13/8445, 25.

453

HGB § 4 0 7

Frachtvertrag

unabhängig vom Umfang seines Geschäftsbetriebs Frachtführer iSv § 407 Abs 2. 3 Da nur ein Selbständiger ein Gewerbe betreiben kann, können angestellte Schiffsführer im eigenen Namen keine Frachtverträge abschließen. Auf nicht gewerbsmäßige Beförderungen zB durch die Schiffahrtsverwaltungen, die Wasserschutzpolizei oder durch Freizeitskipper finden die allgemeinen Vorschriften des BGB über den Werkvertrag oder, bei Unentgeltlichkeit, über den Auftrag Anwendung (§§631ff, 662ff BGB). c)

Beförderung von Gütern

4 Die §§ 407ff regeln ausschließlich den Transport von Gütern. „Beförderung" setzt eine wenn auch nur minimale Ortsveränderung voraus.4 Die Tätigkeit eines Umschlagsbetriebs genügt jedenfalls dann, wenn nicht nur ein Transportmittel entladen, sondern das Gut zusätzlich in ein anderes Transportmittel verladen wird.5 Da Gut iSv § 407 grundsätzlich alle transportablen, beweglichen Sachen einschließlich lebender Tiere (vgl § 427 Abs 1 Nr 6 HGB iVm § 90a BGB) sein können und die Verwendung eines vom transportierten Gut zu unterscheidendes Transportmittel nicht erforderlich ist, kann auch die Verbringung eines neuen Schiffes von der Werft zum Besteller mit eigener Maschinenkraft ein Frachtgeschäft darstellen. 5 Die Beförderung von Reisenden und ihrem Gepäck unterliegt dagegen im wesentlichen § 77 Abs 1 BinSchG iVm § 664 Abs 1 S 1 und Abs 2 und der hierzu erlassenen Anlage (§ 77 BinSchG Rn 1). Die §§ 407ff sind hierauf nicht anwendbar. d)

Abgrenzung zum Seefrachtrecht

5 Verträge über die Güterbeförderung auf See unterfallen nicht den §§ 407ff (vgl § 407 Abs 3 S 1 Nr 1), sondern §§ 556 bis 663. Für die Abgrenzung von See- und Binnenfrachtrecht ist nicht auf die Art des verwendeten Schiffes, sondern allein darauf abzustellen, welcher Natur das Gewässer ist, auf dem der Transport durchgeführt wird. Zur Abgrenzung von Binnen- und Seewasserstraßen vgl näher § 1 BinSchG Rn 16ff. Allerdings ist gem § 450 auf einen Schiffstransport, der ohne Umladung sowohl über Binnen- als auch über Seewasserstraßen führt, Seefrachtrecht auch dann anzuwenden, wenn entweder ein Konnossement iSd §§ 642ff ausgestellt wurde oder die auf Seegewässern zurückzulegende Strecke die größere ist. Dagegen kann auch dann, wenn ein Vertrag über einen Multimodaltransport eine Teilstrecke über Seegewässer umfaßt, diese den §§ 407ff unterliegen (hierzu §§ 452ff).

3 4 5 6

So auch Didier Risikozurcchnung, 10. Koller TR $ 4 0 7 HGB Rn 10. OLG Hamburg TranspR 2003, 7 2 , 7 4 . Vgl aber auch BFH ZfB 1 9 6 4 , 3 3 7 . OLG Düsseldorf TranspR 1991, 233, 235; FranKift/Thume TR $ 407 HGB Rn 49; RGZ 67, 10, 12; RG JW 1908, Nr 27 und Nr 49.

454

Vierter Abschnitt. Frachtgeschäfte

e)

§ 4 0 7 HGB

Orts-, Trajekt- und Fährverkehr

Den §§ 407ff unterliegen auch der Orts-, der Trajekt- sowie der Fährverkehr (vgl 6 S 131 BinSchG). 3.

Frachtführer

a)

Begriff

Der Begriff des Frachtführers folgt aus dem des Frachtvertrags. Frachtführer ist dem- 7 nach, wer sich gegenüber einem anderen, dem Absender, gegen Bezahlung der Fracht verpflichtet, im Rahmen seines Gewerbebetriebs ein Gut zu Land, auf Binnengewässern oder mit Luftfahrtzeugen zum Bestimmungsort zu befördern und dort an den Empfänger abzuliefern. b)

Frachtführer, Schiffseigner und Ausrüster

Da das Gesetz nicht voraussetzt, daß der Frachtführer die Beförderung der Güter 8 mit einem eigenen Transportmittel durchführt, können Frachtführer und Schiffseigner iSv § 1 BinSchG personenverschieden sein. Andererseits ist der Frachtführer nicht selten Ausrüster iSv § 2 Abs 1 BinSchG. Ist der Frachtführer zugleich Schiffseigner oder Ausrüster, haftet er dem Absender nicht nur aus (Fracht-)Vertrag und Delikt (SS 823ff BGB), sondern möglicherweise auch nach S 3 BinSchG (vgl § 3 BinSchG Rn 14ff, 35ff). Führt der Frachtführer darüber hinaus das Schiff selbst, kommen zudem Ansprüche des Absenders oder Empfängers als Ladungsbeteiligtem gem § 7 Abs 2 BinSchG in Betracht (hierzu § 3 BinSchG Rn 32ff sowie § 7 BinSchG Rn 1 Iff). c)

Hauptfrachtführer und Unterfrachtführer

Sofern vertraglich nichts anderes vereinbart wurde, liegt es im eigenen Ermessen des 9 Frachtführers, wie er seine Beförderungspflicht erfüllt. Dabei kann er nicht nur entscheiden, ob er ein eigenes oder ein fremdes Schiff verwendet. Stehen dem vertragliche Absprachen nicht entgegen, kann der Frachtführer auch eine dritte Person mit der Beförderung beauftragen und mit dieser seinerseits einen Frachtvertrag iSv S 407 schließen. Im Rahmen eines solchen sog Unterfrachtvertrags wird der erste Frachtführer, der Hauptfrachtführer, im Verhältnis zu dem zweiten, dem Unterfrachtführer, zum Absender isd §§ 407ff. Beauftragt der Unterfrachtführer seinerseits einen Frachtführer, wird er selbst wiederum zum Absender des neuen Frachtvertrags und der von ihm Beauftrage zum Unterfrachtführer zweiten Grades. Die Kette der Unterfrachtverträge ist beliebig verlängerbar, wobei grundsätzlich allein der erste Frachtführer als Hauptfrachtführer bezeichnet wird. Der Unterfrachtführer kann sich grundsätzlich auf den Frachtführer begünstigende gesetzliche oder vertragliche Einreden und Einwendungen aus dem Verhältnis zwischen Absender und Haupt455

HGB § 4 0 7

Frachtvertrag

frachtführer berufen. 7 Nicht zu verwechseln mit dem Unterfrachtführer ist der Teilfrachtführer, der sich gegenüber dem Urabsender oder einem Frachtführer in der Frachtführerkette lediglich zur Beförderung des Guts über eine Teilstrecke verpflichtet hat. Dabei können sowohl der Hauptfrachtführer als auch (mehrere) Unterfrachtführer Teilfrachtführer sein. Da es in bezug auf die mehreren Teilfrachtführer an einem einheitlichen Frachtvertrag fehlt, sind die §§ 452 bis 452d betr den multimodalen Transport auf diese (Teil-)Frachtverträge auch dann nicht anwendbar, wenn die einzelnen Teilfrachtführer sich unterschiedlicher Beförderungsmittel bedienen. 8 d)

Unterfrachtführer und ausführender Frachtführer

10 Durch die Einschaltung weiterer Frachtführer ändert sich nichts daran, daß Ansprüche aus dem Frachtvertrag grundsätzlich allein im Verhältnis zwischen den Parteien des jeweiligen Vertragsverhältnisses bestehen können: Der Unterfrachtführer hat keinen direkten Frachtanspruch gegen den Urabsender, der seinerseits Schadensersatz gem SS 425ff nur gegenüber dem Hauptfrachtführer als seinem eigenen Vertragspartner geltend machen kann. Eine Ausnahme gilt bei Schäden, für die gem § 437 der sog ausführende Frachtführer haftet, also derjenige Frachtführer in der Kette, der den Transport tatsächlich ausgeführt hat. In diesem Fall gewährt das Gesetz dem Absender neben dem Anspruch gegen den Hauptfrachtführer einen zusätzlichen Direktanspruch gegen den ausführenden Frachtführer (§437 Rn lf). Zu Regreßmöglichkeiten in diesen Fällen vgl S 437 Rn 14f. Deliktische Ansprüche aus den SS 823ff BGB können dagegen unabhängig von vertraglichen Bindungen gegenüber jedermann geltend gemacht werden, der eines der erfaßten Rechtsgüter des Anspruchstellers verletzt hat. In diesem Fall ist ggf § 434 zu berücksichtigen. e)

Vertragliche Pflichten des Frachtführers

11 Aus dem Frachtvertrag ergeben sich für den Frachtführer vielfältige Pflichten. Hauptpflicht ist die Pflicht zur Beförderung, dh die Verbringung des Gutes in vollständigem und unbeschädigtem Zustand an die vertraglich vereinbarte Ablieferungsstelle. 9 Ist eine Lieferfrist nicht vereinbart, so hat der Frachtführer das Gut innerhalb der Frist abzuliefern, die einem sorgfältigen Frachtführer unter Berücksichtigung der Umstände vernünftigerweise zuzubilligen ist (§423). Zum vom Frachtführer zu verwendenden Transportmittel R n 3 1 . Zur Frage des Bestehens eines Umladeverbots Rn 32. Haben die Parteien einen Transport mit Binnenschiff vereinbart, ist damit aufgrund der Gebundenheit an die Wasserwege idR der vom Frachtführer einzuhaltende Transportweg vorgegeben. Etwas anderes kann zB in den Niederlanden gelten, wo das dortige Kanalsystem Alternativstrecken zuläßt. Haben die Parteien

7 8 9

BGH VersR 1977, 717, 718; ZfB 1981, 98; LG Hamburg ZfB 1966, 94; aA noch BGH ZfB 1972, 19. Koller TR $ 452 HGB Rn 10. RGZ 15, 74, 75f.

456

Vierter Abschnitt. Frachtgeschäfte

§ 4 0 7 HGB

keine besondere Vereinbarung getroffen, ist im Zweifel auf dem üblichen Weg zu transportieren. Im Einzelfall, etwa bei Eisgang, Klein- oder Hochwasser, kann der Frachtführer verpflichtet sein, eine Ausweichroute zu wählen, um die Lieferfrist einzuhalten. Etwaigen Weisungen des Absenders ist ggf Folge zu leisten (§ 419). Im Zweifel hat der Absender das Gut zu verpacken und zu kennzeichnen (§ 411) 12 sowie zu verladen, dh beförderungssicher zu laden, zu stauen und zu befestigen, und zu entladen (§ 412 Abs 1 S 1 ) . Der Frachtführer hat dagegen für die betriebssichere Verladung des Gutes zu sorgen ($ 412 Abs 1 S 2). Mangels anderweitiger vertraglicher Absprachen obliegt die Verzollung dem Frachtführer (vgl §§ 408 Abs 1 S 1 Nr 11, 413 Abs l), 1 0 wobei der Absender die Verzollung durch Erteilung von Auskünften und Besorgung von Begleitpapieren zu unterstützen hat (§ 413 Abs 1). Eine Pflicht zum Abschluß einer Transportversicherung trifft den Frachtführer dagegen nur bei einer entsprechenden vertraglichen Vereinbarung. 11 4.

Absender

a)

Vertragspartner des Frachtführers

Der Absender ist der Vertragspartner des Frachtführers, also derjenige, demgegen- 13 über sich der Frachtführer unmittelbar verpflichtet, das Gut zu befördern. In der Binnenschiffahrt wird der Vertragspartner des Frachtführers auch als Befrachter oder Verlader bezeichnet. Der Frachtvertrag kann den Transport von fremdem oder eigenem Gut des Absenders betreffen und er kann für fremde oder eigene Rechnung des Absenders abgeschlossen werden. Stets muß dies jedoch im eigenen Namen geschehen. Ergibt die Auslegung, daß der Auftraggeber des Frachtführers nicht im eigenen, sondern im fremden Namen gehandelt hat, ist nicht er Absender, sondern derjenige, in dessen Namen er gehandelt hat. Im Bestreitensfall muß der handelnde Auftraggeber beweisen, daß er im fremden Namen gehandelt hat (§ 164 Abs 2 BGB). b)

Absender und Verladestelle

Regelmäßig wird die Verladung bzw Löschung nicht vom Absender selbst, sondern 14 von einer hierzu vom Absender beauftragten Verladestelle durchgeführt. Dabei kann sich der zwischen Absender und Verladestelle geschlossene Vertrag als Frachtvertrag darstellen (vgl Rn 4). Da andererseits zwischen der Verladestelle und dem Frachtführer keine vertraglichen Beziehungen bestehen, können etwaige Schadensersatzansprüchen in diesem Verhältnis grundsätzlich nur deliktischer Natur sein (§§ 823ff BGB). Allerdings kann der Vertrag zwischen Absender und Verladestelle Schutzwir-

10 11

So bereits OLG Düsseldorf TranspR 1995,25f. Koller TR § 407 HGB Rn 76.

457

HGB § 4 0 7

Frachtvertrag

kung zugunsten des Frachtführers entfalten (§412 Rn 15). Zudem ist die Verladestelle Erfüllungsgehilfe des Absenders iSv § 2 7 8 BGB (§412 R n l 6 ) . Die Figur des Abladers 12 (vgl zB §§ 642, 643 Nr 4, 645 Abs 1 und 654) ist dem Binnenschiffahrtsrecht unbekannt. c)

Vertragliche Pflichten des Absenders

15 Gern § 407 Abs 2 ist der Absender zur Bezahlung der Fracht verpflichtet. Die Fracht ist als Werklohn iSv § 631 BGB 13 die Vergütung des Frachtführers und Gegenleistung für die Transportleistung des Frachtführers. Die Pflicht zur Bezahlung der Fracht ist Hauptleistungspflicht iSd §§ 320ff BGB und bemißt sich vorrangig nach den getroffenen Vereinbarungen, hilfsweise nach der Üblichkeit (§ 632 Abs 2 BGB). Haben die Parteien nichts anderes vereinbart, ist die Fracht grundsätzlich erst bei Ablieferung des Gutes fällig (420 Abs 1 S 1). Frachtansprüche verjähren nach § 439 (§ 439 Rn 2). Neben dem Frachtanspruch steht uU ein Anspruch auf Aufwendungsersatz (vgl §§ 409 Abs 3 S 2 , 4 1 0 Abs 2 Nr 2 , 4 1 4 Abs 1,415 Abs 2 S 1 Nr 1,415 Abs 3 , 4 1 6 S 2 , 4 1 7 Abs 2 , 4 1 7 Abs 3 , 4 1 8 Abs 1 S 4 , 4 1 8 Abs 2 S 2 , 4 1 9 Abs 1 S 3 , 4 1 9 Abs 4 , 4 1 0 Abs 1 S 1), auf Liegegeld (§§ 412 Abs 3, 415 Abs 2 S 1 Nr 1 iVm der BinSchLV) oder auf eine angemessene Mehrvergütung aus sonstigem Grund (§§418 Abs 1 S 3, 419 Abs 4, 420 Abs 3). 16 Aus den § § 4 1 5 bis 417 HGB folgt, daß der Absender nicht verpflichtet ist, dem Frachtführer das Ladungsgut zu übergeben. So kann der Absender gem § 415 Abs 1 den Frachtvertrag jederzeit, dh auch schon vor Übergabe der Ladung kündigen. Allerdings stehen dem Frachtführer in diesem Fall die sich aus § 415 Abs 2 und Abs 3 ergebenden Rechte zu. 5.

Empfänger

17 Empfänger ist derjenige, an den der Frachtführer aufgrund des Frachtvertrags das beförderte Gut abzuliefern hat (§ 407 Abs l). 14 Dieser „Sollempfänger" ist nicht zwingend mit demjenigen identisch, an den das Gut tatsächlich ausgeliefert wird.15 Ob ihm das Gut gehört oder auch nur wirtschaftlich zugute kommen soll, ist unbeachtlich. Der Empfänger kann, muß aber nicht mit dem Absender identisch sein. Ist der Absender nicht auch Empfänger, ist der Empfänger nicht Partei des Frachtvertrags, obgleich er hieraus Rechte erwirbt (§§ 418 Abs 2, 421 Abs 1, 418 Abs 2 S 2) und, bei Vorliegen bestimmter Voraussetzungen, hierdurch auch verpflichtet wird (§ 421 Abs 2

12 13 14 15

458

Hierzu Raiκ SeeHR vor $ 556 HGB Rn 12; Ramming. TranspR 1993, 370; OLG Düsseldorf TranspR 1996, 165,167. OLG Köln TranspR 1 9 9 5 , 6 8 . OLG Köln ZfB 1983, 27. OLG Köln ZfB 1998, SaS 1685, 1686.

Vierter Abschnitt. Frachtgeschäfte

§ 4 0 7 HGB

und 3).16 Der Frachtvertrag ist damit ein echter Vertrag zugunsten Dritter iSv § 328 BGB, 17 nicht aber ein Vertrag zulasten Dritter, da der Absender aus dem Frachtvertrag nur nach einer vorangegangenen autonomen Entscheidung, dem Ablieferungsverlangen (Rn 19), verpflichtet wird.18 Wichtigstes Recht des Empfängers aus dem Frachtvertrag ist der gegen den Fracht- 18 führer gerichtete Anspruch auf Ablieferung des Gutes, sobald dieses an der Ablieferungsstelle eingetroffen ist (§§ 407 Abs 1, 421 Abs 1). Der Ablieferungsanspruch kann durch einen Ladeschein (§§ 444ff) verbrieft werden. Ebenfalls an die Ankunft des Guts an der Ablieferungsstelle gebunden ist der Übergang des Verfügungsrechts des Absenders auf den Empfänger (§418 Abs 2 S 2). Die aus § 421 Abs 2 und Abs 3 folgende Verpflichtung des Empfängers zur Bezah- 19 lung von Fracht, Liegegeld und Vergütung gem § 420 Abs 3 entsteht erst, wenn der Empfänger gegen den Frachtführer sein Recht auf Ablieferung des Guts geltend macht. Mit der Geltendmachung des Ablieferungsanspruchs wird der Empfänger zudem verpflichtet, dem Frachtführer Mehraufwendungen und eine angemessene Vergütung gem § 418 Abs 2 S 3 zu bezahlen. Wurde ein Ladeschein (§§444ff) ausgestellt, ist dessen Inhalt für das Rechtsver- 20 hältnis zwischen Frachtführer und Empfänger maßgeblich (§ 444 Abs 3 HGB), sofern Empfänger und Absender nicht identisch sind. Für das Verhältnis zwischen Frachtführer und Absender ist allein der Frachtvertrag bedeutsam (§444 Abs 4 HGB). 6.

Rechtliche Natur des Frachtvertrags und Abgrenzung

a)

Rechtliche Natur des Frachtvertrags

Der Frachtvertrag ist seinem Wesen nach ein Werkvertrag mit Elementen eines Ge- 21 schäftsbesorgungsvertrags. 19 Geschuldeter Erfolg ist die Beförderung und Ablieferung des Guts durch den Frachtführer (Rn 11). Auf die §§ 631ff BGB kann ergänzend zurückgegriffen werden, sofern die §§ 407ff oder die Parteiabsprachen Lücken aufweisen. Im Hinblick auf die Rechte des Empfängers ist der Frachtvertrag echter Vertrag zugunsten Dritter (Rn 17). Der Frachtvertrag kann Schutzwirkung zugunsten Dritter, etwa zugunsten der Besatzung des vom Frachtführer verwendeten Schiffes entfalten, nicht aber zugunsten des Betreibers einer Hafenanlage am Sitz des Empfängers20 und regelmäßig auch nicht zugunsten des Unterfrachtführers21. 16 17 18 19 20 21

BGH VersR 19S2, 728. Vgl zB OLG Hamburg TranspR 1993,22,23. Koller TR $ 421 HGB Rn 1; BGHZ 75, 92, 94. Fremuth/Thume TR § 407 HGB Rn 22. OLG Karlsruhe TranspR 1998, 258,259f. OLG Hamm TranspR 1999,197,198.

459

HGB § 4 0 7 b)

Frachtvertrag

Abgrenzung zu anderen Verträgen

22 Abzugrenzen ist der Frachtvertrag vom Speditionsvertrag. Dies geschieht durch Auslegung (§§ 133, 157 BGB). 22 Für das Vorliegen eines Frachtvertrags spricht zB, wenn der Auftragnehmer einen Frachtbrief (§408) des Auftraggebers akzeptiert, in dem er als Frachtführer und sein Auftraggeber als Absender bzw Befrachter bezeichnet werden, 23 wenn der Auftragnehmer vertragsgemäß über die gesamte Strecke mit eigenem Laderaum transportiert 24 oder wenn die Parteien einen „Transport" oder eine „Beförderung" vereinbaren 25 . 23 Ein Mietvertrag dürfte demgegenüber regelmäßig dann vorliegen, wenn der Auftragnehmer anstatt einen Transporterfolg zu versprechen dem Auftraggeber lediglich den Besitz oder die Verfügungsgewalt über ein Schiff einräumt (Miet- oder Bareboatcharter). Überläßt der Vermieter zusätzlich die Dienste seines Personals, wird der Mietvertrag kombiniert mit einem Dienstverschaffungsvertrag, sofern das Personal der Aufsicht des Mieters untersteht (locatio navis et operarum magistri et nauticorum).2S Dagegen liegt ein Frachtvertrag vor, wenn der Auftragnehmer die Verfügungsgewalt über sein Schiff behält, sich aber verpflichtet, auf längerer Zeit für den Auftraggeber Güter zu befördern (Zeitcharter). 2 4 Bei Verträgen, die auf die Verschleppung anderer Schiffe oder Schiffskörper (§ 1 BinSchG Rn 3ff) gerichtet sind, ist danach zu unterscheiden, ob der zu verschleppende Gegenstand in die Obhut des Schleppers übergeht (dann regelmäßig Frachtvertrag) oder nicht (dann allgemeiner Werkvertrag).27 Der traditionelle Schleppvertrag, der die Fortbewegung eines bemannten aber nicht selbstfahrenden Fahrzeugs zum Gegenstand hat, ist demzufolge Werkvertrag, 28 der Vertrag über das Schleppen von nautisch unselbständigen, unbemannten Schiffskörpern ist dagegen regelmäßig Frachtvertrag. Ebenfalls als Frachtvertrag einzuordnen ist der Schub- oder Koppelvertrag betr ein fremdes Fahrzeug, da hier die zu verschiebende Schiffseinheit regelmäßig in die Obhut desjenigen übergeht, der die Verfügungsgewalt über die antreibende Schiffseinheit inne hat. Ein Frachtvertrag liegt daher zB auch vor, wenn ein havariertes Schiff von einem anderen aufseit genommen wird, um an die Werft verbracht zu werden.

22 23 24 25

26 27 28

460

OLG Hamburg TranspR 199S, 72. Zur Fixkostenspedition OLG Hamburg TranspR 2007, 253f. BGH VersR 1971, 755; VersR 1991, 1037, 1038; BGHZ 84, 101, 104. OLG Düsseldorf TranspR 1990,188. BGH TranspR 2001, 447, 450; OLG Hamburg TranspR 1989, 55; OLG Düsseldorf TranspR 1993, 347; VersR 1994, 201; TranspR 1995, 350, 351; OLG München TranspR 1990, 16; vgl auch OLG Hamburg TranspR 1993,28,29. BGH VersR 1986, 31, 32f; RGZ 25, 108, HOff; 82, 427, 429; 98, 327, 328; BGH VersR 1962, 713, 714; Hansa 58,1709; OLG Hamburg VRS 1953, 117. RGZ 67, 10, 12 mwN; BGH VersR 1956, 367; 1957, 286. Zum Vertrag über die Verschleppung eines bemannten Schwimmdocks als Frachtvertrag vgl OLG Hamburg TranspR 1993,194, 195. RGZ 112, 41, 42; BGH ZfB 1957, 460.

Vierter Abschnitt. Frachtgeschäfte

§ 4 0 7 HGB

Die bloße Einlagerung von Gütern in ein Binnenschiff ist Verwahrung und keine 25 Beförderung. Ein hierüber geschlossener Vertrag ist daher Verwahrungs- oder Lagervertrag, nicht aber Frachtvertrag. Denkbar ist jedoch ein Frachtvertrag mit der Nebenpflicht der Lagerung, wenn eine Beförderung nach der Einlagerung vereinbart oder in Aussicht genommen wird oder wenn die Lagerung während oder nach dem Abschluß der Reise erforderlich wird.29 d)

Reisecharter und Zeitcharter

Die im Seerecht übliche Unterscheidung von Reisecharter (Charterung eines Schiffes 26 für eine bestimmt Anzahl von Reisen) und Zeitcharter (Charterung eines Schiffes für einen bestimmten Zeitraum) ist in der Binnenschiffahrt nicht üblich. Diese beiden Unterarten des Frachtvertrags unterliegen, sofern sie einen Transport auf Binnengewässern betreffen, den §§ 407ff. Dies gilt indes nicht für die Zeitcharter in der Form der reinen Mietcharter (Rn 23). Im Verhältnis zu den Ladungsbeteiligten ist der Zeitcharterer als Frachtführer anzusehen.30 7.

Abschluß und Inhalt des Frachtvertrags

a)

Abschluß des Frachtvertrags

Der Frachtvertrag wird zwischen dem Absender und dem Frachtführer geschlossen. 27 Auf beiden Seiten ist Stellvertretung möglich. Aufgrund der modernen Kommunikationsmittel ist die früher verbreitete Bevollmächtigung des Schiffsführers zum Abschluß von Frachtverträgen (§15 Abs 2 BinSchG) heute die Ausnahme (§§15-19 BinSchG Rn 1). Entweder der vertragsschließende Schiffsführer ist als Partikulier zugleich Frachtführer oder aber die Reederei handelt als Frachtführer den Frachtvertrag aus und übermittelt die relevanten Daten per Telefon oder per Telefax an den Schiffsführer. Anders als im Seerecht ist in der Binnenschiffahrt auch die Einschaltung von Frachtmaklern unüblich. Wie im Seerecht bedarf auch der Frachtvertrag iSv § 407 zu seiner Wirksamkeit kei- 28 ner bestimmten Form. Für die Wirksamkeit des Frachtvertrags ist die Ausstellung eines Frachtbriefs selbst dann nicht erforderlich, wenn der Frachtführer die Ausstellung verlangt hat (§ 408 Abs l). 31 Üblich ist heute die Absprache des Vertragsinhalts per Telefon und die anschließende, häufig nur einseitige Bestätigung per Telefax mit Verweis auf Allgemeine Verlade- und Transportbedingungen. Durch Auslegung ist zu ermitteln, ob es sich bei dem Bestätigungsschreiben um eine für den Vertragsschluß konstitutive Willenserklärung (Annahme eines Angebots) handelt oder aber um ein kaufmännisches Bestätigungsschreiben, dessen Absender bereits 29 30 31

RGZ 49, 92, 93; RG JW 1893, 100 Nr 23; 189S, 148 Nr 14. BGH ZfB 1981, 238, 239. KollerTK § 407 HGB Rn 40.

461

HGB § 4 0 7

Frachtvertrag

von einem geschlossenen Vertrag ausging. Widerspricht der Empfänger eines kaufmännischen Bestätigungsschreibens diesem nicht unverzüglich, gilt der Vertrag, auf den darin Bezug genommen ist, als mit dem Inhalt des Bestätigungsschreibens zustanden gekommen. 32 b)

Inhalt

2 9 Damit ein wirksamer Frachtvertrag zustande kommt, müssen sich Absender und Frachtführer über die wesentlichen Bestandteile des Frachtvertrags einig geworden sein: Entgeltliche Beförderung des Guts von einem Ladehafen zu einem Löschhafen (OrtsVeränderung) und Übernahme des Guts in die Obhut des Frachtführers. Dagegen muß die Höhe der Fracht nicht zwingend vereinbart werden. Im Zweifel ist das übliche (§§ 632 Abs 2 BGB, 354 HGB) oder ein angemessenes33 Entgelt zu entrichten. 30 Die zu befördernden Güter können genau bezeichnet sein (zB Container oder Stückgüter mit einer bestimmten Nummer) oder nur nach Art und Menge (zB 15001 Gasöl). Denkbar ist aber auch, die Art der zu befördernden Güter bei Vertragsschluß noch offen zu lassen (Verfrachtung von „Gütern aller Art"). Letzteres ist in der Binnenschiffahrt jedoch die Ausnahme. 3 1 Ebenfalls nicht zu den wesentlichen Bestandteilen des Frachtvertrags gehört das zu verwendende Beförderungsmittel. Dem Frachtführer kann insoweit ein Ermessen zustehen (§315 BGB). 34 Im Regelfall wird sich jedoch aus der Menge und der Art des Guts sowie dem Lade- und Entladeort schließen lassen, wenn ein Transport mit Binnenschiff erfolgen soll. Im Zweifel ist in üblicher Weise zu transportieren. 35 Eine Vereinbarung in dem Frachtvertrag hinsichtlich des zu verwendenden Beförderungsmittels kann insbesondere bei grenzüberschreitenden Transporten Einfluß auf das anzuwendende Haftungsregime haben, da die Verkehrsträger unterschiedlichen internationalen Übereinkommen unterliegen. Verwendet der Frachtführer für die Beförderung einen anderen Verkehrsträger als den vereinbarten, haftet er jedenfalls nach dem (strengeren) Haftungsregime des tatsächlich benutzten Verkehrsträgers, da er infolge seiner Vertragsbrüchigkeit nicht besser stehen darf als bei vertragskonformem Verhalten. 36 In der Binnenschiffahrt legt der Absender nicht selten Wert drauf, daß die Beförderung mit einem konkreten Schiff oder (durch bestimmte Maße oder Ausrüstungsstandards definierten) Schiffstyp durchgeführt wird. Der Frachtführer macht sich schadensersatzpflichtig, wenn er gegen eine entsprechende Vereinbarung verstößt (§§ 276, 280 BGB). Existiert eine solche Vereinbarung nicht, steht dem Frachtführer ein Ermessen zu, wobei er allerdings

32 33 34 35 36

462

Baumbach/Hopf HGB $ 343 Rn 17. BGHZ 94, 98,104. BGH TranspR 1989,327, 328; OLG Düsseldorf TranspR 1993,287. BGH VersR 1971, 755; OLG Karlsruhe TranspR 1994,232,238. BGH TranspR 1990, 19,20.

Vierter Abschnitt. Frachtgeschäfte

§ 4 0 7 HGB

den berechtigten Interessen des Absenders Rechnung zu tragen hat (§315 BGB). Wird ein Partikulier mit dem Transport beauftragt, wird der Absender davon ausgehen, daß der Transport mit dem Schiff bzw einem der Schiffe des Partikuliers durchgeführt wird. Zur Pflicht des Frachtführers, ein fahr- und ladetüchtiges Schiff vorzulegen, vgl § 412 Rn 6. Gem § 4 4 BinSchG aF galt ein mit strengen Haftungsvorschriften sanktioniertes 32 Umladeverbot für den Fall, daß die Beförderung mittels eines bestimmten Schiffs vereinbart worden war. Zwar ist diese Vorschrift aufgehoben worden, doch ist mangels einer anderslautenden Absprache auch weiterhin anzunehmen, daß dem Frachtführer jedenfalls dann eine eigenmächtige Umladung der Güter in ein anderes Schiff nicht gestattet sein soll, wenn die Verwendung eines bestimmten Schiffs vereinbart wurde.37 Wurde ein bestimmtes Schiff nicht vereinbart, steht es dem Frachtführer dagegen grundsätzlich frei, mit welchem Schiff er den Transport durchführt oder durchführen läßt. Wird in einer Auftragsbestätigung ein bestimmtes Schiff namentlich erwähnt, ist durch Auslegung zu ermitteln, ob hierdurch der Frachtführer verpflichtet werden sollte, die Beförderung nur mit diesem Schiff durchzuführen.

8.

Frachtpapiere

Gem § 408 Abs 1 kann der Frachtführer vom Absender die Ausstellung und Unter- 33 Zeichnung eines Frachtbriefs mit einem gesetzlich vorgegebenen Mindestinhalt verlangen. Der Frachtbrief stellt eine Beweisurkunde über Abschluß und Inhalt des Frachtvertrages sowie die Übernahme des Gutes durch den Frachtführer dar. Der Frachtbrief kann eine gesetzliche Vermutung entfalten (§ 409 HGB). Daneben können die Parteien des Frachtvertrags vereinbaren, daß der Frachtführer gem § 444 verpflichtet sein soll, einen Ladeschein (Rn 20) auszustellen. 9.

34

Abdingbarkeit der gesetzlichen Vorschriften

Die Verwendung von Verlade- und Transportbedingungen (VTB) ist jedenfalls in 35 der Rheinschiffahrt allgemein üblich.38 Vor Inkrafttreten des TRG waren die frachtrechtlichen Vorschriften weitgehend durch VTB abdingbar. Die Grenzen der Vertragsfreiheit bildeten die allgemeinen Vorschriften (§§ 138, 242, 276 Abs 2 BGB) und das zwischenzeitlich aufgehobene Gesetz zur Regelung des Rechts der Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGBG). Danach konnte weder durch VTB noch durch Individualvereinbarung die Haftung des Frachtführers für die Verletzung sog Kardinal-

37 38

Koller TR $ 407 HGB Rn 48. OLG Köln TranspR 2 0 0 0 , 4 7 2 .

463

HGB § 4 0 7

Frachtvertrag

pflichten, etwa die Vorlage eines fahr- und ladetauglichen Schiffes, ausgeschlossen werden.39 36 Im neuen Recht sind die Möglichkeiten zur Gestaltung des Frachtvertrags durch VTB stark eingeschränkt worden (§ 449). Der für die Binnenschiffahrt bedeutsame Haftungsausschluß für nautisches Verschulden kann danach nur noch über eine im einzelnen ausgehandelte Vereinbarung zum Bestandteil des Frachtvertrags gemacht werden. Eine höhenmäßige Haftungsbegrenzung ist über VTB nur noch bis zu einer gesetzlichen Mindesthaftungssumme von zwei Sonderziehungsrechten zulässig (§ 449 Abs 2 S 2). 10.

Handels- und Schiffahrtsbräuche

37 Ungeachtet des § 449 vermögen Handels- und Schiffahrtsbräuche den Inhalt von Frachtverträgen zu gestalten (§ 346). Sie sind eine wichtige Quelle für die Erforschung des Parteiwillens und ergänzen die frachtrechtlichen Vorschriften des HGB. Ihre Bedeutung ist nach Inkrafttreten des TRG ($ 26 BinSchG Rn 1) um so bedeutsamer, als das vereinheitlichte Frachtrecht die Besonderheiten der Güterbeförderung mit Binnenschiffen häufig ignoriert. Derartige Bräuche gehen als sog „stillschweigende Vereinbarungen" den entsprechenden, nicht zwingenden gesetzlichen Vorschriften vor.40 Das Handeln der an der Vertragsdurchführung Beteiligten ist anhand solcher tatsächlichen Übungen auszulegen und zu ergänzen, selbst wenn den Parteien die Übung nicht bekannt war.41 Steht ein Handelsbrauch im Widerspruch zu vertraglichen Vereinbarungen zwischen den Parteien, gehen letztere vor.42 Handels- und Schiffahrtsbräuche können allerdings nur dann als verbindlich anerkannt werden, wenn sie sich durch langjährige Übung unter Billigung der beteiligten Schiffahrtskreise entwickelt haben. 43 Es reicht dazu nicht aus, daß bestimmte Geschäftsbedingungen oder Übungen von Handelskammern oder Verbänden zu Handelsbräuchen erklärt werden. Der Gutachterausschuß der Schifferbörse zu Duisburg-Ruhrort, einer privaten Organisation in der Rechtsform des eingetragenen Vereins,44 erstattet regelmäßig Gutachten zur Feststellung von Handelsbräuchen in der Binnenschiffahrt, die in einer Sammlung veröffentlicht werden.45 Problematisch hieran ist allerdings, daß sich diese veröffentlichten Gutachten idR auf die Darstellung des Inhalts eines Handelsbrauchs beschränken, ohne aber mitzuteilen, welcher

39

40 41 42 43 44 45

464

BGHZ 49, 356, 363; VersR 1973, 1060, 1061. Insgesamt zur Gestaltung des Frachtrechts der Binnenschiffahrt durch Allgemeine Verlade- und Transportbedingungen nach altem Recht vgl Frank Die Ausgestaltung des Frachtrechts durch Vertragsbedingungen in der Rheinschiffahrt, Duisburg 1999. Vgl BGH NJW 1966, 502. RGZ 95, 242, 243. OLG Köln ZfB 1996, SaS 1583. Canaris Handelsrecht $ 22 Rn 5ff; BGH NJW 1990,1724; OLG Hamburg JW1932,209 Nr 6. OLG Karlsruhe VersR 1975,1118. Vgl auchwww.ihk-niederrhein.de. Handelsbräuche 2005.

Vierter Abschnitt. Frachtgeschäfte

§ 4 0 7 HGB

Sachverhalt und welche konkrete Fragestellung der gutachtlichen Feststellung zugrunde lag. Eine Übertragbarkeit des für den Einzelfall festgestellten Brauchs auf andere Sachverhalte ist daher häufig nur bedingt möglich. Zur Frage, inwieweit die aufgehobenen Regelungen in §§ 27ff BinSchG aF als Handelsbräuche weiter gelten können, vgl § 26 BinSchG Rn 3. 11.

Internationales Privatrecht

a)

Vorrangige Anwendung der CMNI

Weist ein Frachtvertragsverhältnis Berührungen zu mehreren nationalen Rechts- 38 Ordnungen auf, ist anhand der Vorschriften des Internationalen Privatrechts die für das Zustandekommen und die Durchführung des Frachtvertrags maßgebliche Rechtsordnung zu ermitteln. Vorrangig zu beachten sind dabei allerdings internationale Übereinkommen, die zum Teil selbst Kollisionsnormen enthalten. Für die Güterbeförderung auf Binnenwasserstraßen gilt insoweit die CMNI. Zum Anwendungsbereich der CMNI vgl Art 2 CMNI Rn Iff. Ist der Anwendungsbereich der CMNI nicht eröffnet oder enthalten die Regelungen des Übereinkommens Lücken (Art 1 CMNI Rn 3), muß zur Bestimmung der auf einen Frachtvertrag anwendbaren Rechtsordnung neben Art 29 CMNI ggf auf die allgemeinen Vorschriften des Internationalen Privatrechts, in Deutschland die Artt 27ff EGBGB, zurück gegriffen werden. b)

Rechtswahl und objektive Anknüpfung

Die Parteien des Frachtvertrags können gem Art 27 EGBGB das auf den von ihnen 39 bereits geschlossenen oder noch zu schließenden Vertrag anwendbare Recht durch einvernehmliche Wahl selbst bestimmen. Die Rechtswahl ist frei und unterliegt grundsätzlich keinen Einschränkungen. Da der Sachverhalt eine räumliche Beziehung zu dem gewählten Recht nicht aufweisen muß, können die Parteien sogar ein Recht vereinbaren, zu dem weder sie noch der Sachverhalt irgendeine Beziehung haben (Umkehrschluß zu Art 27 Abs 3 EGBGB). Für Sachverhalte, die nur Beziehungen zu einem einzigen Staat aufweisen, macht Art 27 Abs 3 EGBGB allerdings insoweit eine Einschränkung, als die zwingenden Vorschriften der Rechtsordnung des Staates, mit dem der Sachverhalt verbunden ist, trotz der Wahl des anderen Rechts anwendbar bleiben. Zu einer weiteren Einschränkung der freien Rechtswahl durch § 449 iVm Art 34 EGBGB vgl § 449 Rn 12ff. Die Rechtswahl kann nach Art 27 Abs 1 EGBGB ausdrücklich oder konkludent ausgeübt werden. Indizien für eine konkludente Rechtswahl können etwa sein die Vereinbarung eines einheitlichen Gerichtsstands, eines einheitlichen Erfüllungsorts oder eines einheitlichen Schiedsgerichts mit ständigem Sitz sowie die Bezugnahme auf Vorschriften einer bestimmten Rechtsordnung, die Bezugnahme auf andere Verträge mit einer ausdrücklichen Rechtswahl oder auch die Verwendung von Allgemeinen Vertragsbedingungen, die auf einer bestimmten Rechtsordnung aufbauen. Sofern mehrere solcher Indizien auf 465

HGB § 4 0 7

Frachtvertrag

dieselbe Rechtsordnung verweisen, wird dadurch deren Indizienwirkung verstärkt. Verweisen die Indizien dagegen auf unterschiedliche Rechtsordnungen, wird die Indizienwirkung aufgehoben. 4 0 Liegt eine ausdrückliche oder stillschweigende Rechtswahl nicht vor, so ist das Vertragsstatut gem Art 28 EGBGB durch objektive Anknüpfung zu ermitteln. Grundsätzlich unterliegt danach der Vertrag dem Recht des Staates, mit dem er die engste Verbindung aufweist (Art 28 Abs 1 EGBGB). Bei Güterbeförderungsverträgen wird dabei gem Art 28 Abs 4 EGBGB 46 vermutet, daß sie mit dem Staat die engste Verbindung aufweisen, in dem der Frachtführer im Zeitpunkt des Vertragsabschlusses seine Hauptniederlassung hat, sofern sich in diesem Staat auch der Verladeort oder der Entladeort oder die Hauptniederlassung des Absenders befindet. Aus der Gesamtheit der Umstände kann sich jedoch trotz Vorliegens der Voraussetzungen des Art 28 Abs 4 EGBGB ergeben, daß der Vertrag eine engere Verbindung mit einem anderen Staat hat. Gem Art 28 Abs 5 EGBGB gilt in diesem Fall die Vermutung des Art 28 Abs 4 EGBGB nicht. Sind die Voraussetzungen des Art 28 Abs 4 EGBGB nicht gegeben, ist gem Art 28 Abs 1 EGBGB anhand sämtlicher Umstände des konkreten Falles die engste Verbindung zu einer bestimmten Rechtsordnung zu ermitteln. Anhaltspunkte können dabei sein der Bestimmungshafen, die Vertragssprache, der Be- und Entladeort oder auch der gewöhnliche Aufenthalt des Frachtführers. 47 Zum Teil wird dem Bestimmungshafen eine hervorgehobene Bedeutung zugemessen. 48 Hingegen ist ein unmittelbarer Rückgriff auf Art 28 Abs 2 EGBGB nicht möglich, da Art 28 Abs 4 EGBGB diesem als speziellere Vorschrift vorgeht. 49 d)

Geltungsbereich des Vertragsstatuts

4 1 Das Vertragsstatut gilt grundsätzlich für die Voraussetzungen, die Auslegung und für die Wirkung des Vertrags (Artt 31 Abs 1, 32 EGBGB). Allerdings kann sich nach Art 31 Abs 2 EGBGB jede Partei für den Einwand, sie habe dem Vertrag nicht zugestimmt, auf das Recht des Staates ihres gewöhnlichen Aufenthaltsorts berufen, wenn nach dem Vertragsstatut, das mit dem Recht des Aufenthaltsorts nicht identisch ist, ein Vertrag zustande gekommen ist, dies aber nach den Vorschriften des Aufenthaltsrechts unbillig wäre. Soweit nach Art 32 Abs 2 EGBGB für die Art und Weise der Vertragserfüllung und für die vom Gläubiger bei mangelhafter Erfüllung zu treffenden Maßnahmen das Recht am tatsächlichen Erfüllungsort zu berücksichtigen ist, sind vor allem die Rügepflichten des Empfängers sowie etwaige Liegegeldansprüche betroffen. 50 Das Vertragsstatut entscheidet daneben gem Art 27 Abs 4 iVm 46 47 48 49 50

466

Eingehend hierzu Manlwwski TranspR 1993,213, 219ff. Koller TR $ 407 HGB Rn 127; BGH TranspR 1988, 338, 340; OLG Frankfurt TranspR 1993,104,105. Soergel/ron Hoffmann EGBGB Art 28 Rn 466. Manhmski TranspR 1993,224f; Koller TR § 407 HGB Rn 127; aA OLG Frankfurt TranspR 1993,104,105. MüKoBGB/Martini Art 28 EGBGB Rn314; Soergel/ron Hoffmann EGBGB Art 38 Rn466; BGHZ 9, 221, 223f; Benke JZ 19S4,226f.

Vierter Abschnitt. Frachtgeschäfte

SS 4 0 8 , 4 0 9 HGB

Art 31 EGBGB über das Zustandekommen des Rechtswahlvertrags. Für Ansprüche aus Orderkonnossement ist die Sonderanknüpfung nach Art 37 Nr 1 EGBGB zu beachten. 51 Diese Sonderanknüpfung gilt allerdings nur für Verpflichtungen, die sich aus der Handelbarkeit des Konnossements ergeben. Hierzu zählen nach überwiegender Auffassung jedenfalls Fragen, die mit dem Erwerb vom Nichtberechtigten, der Rechtscheinhaftung und dem Einwendungsausschluß zusammenhängen. 52

$408 Frachtbrief (1) Der Frachtführer kann die Ausstellung eines Frachtbriefs mit folgenden Angaben verlangen: 1. 2. 3. 4. 5. 6.

7. 8. 9. 10. 11. 12.

Ort und Tag der Ausstellung; Name und Anschrift des Absenders; Name und Anschrift des Frachtführers; Stelle und Tag der Übernahme des Gutes sowie die für die Ablieferung vorgesehene Stelle; Name und Anschrift des Empfängers und eine etwaige Meldeadresse; die übliche Bezeichnung der Art des Gutes und die Art der Verpackung, bei gefährlichen Gütern ihre nach den Gefahrgutvorschriften vorgesehene, sonst ihre allgemein anerkannte Bezeichnung; Anzahl, Zeichen und Nummern der Frachtstücke; das Rohgewicht oder die anders angegebene Menge des Gutes; die vereinbarte Fracht und die bis zur Ablieferung anfallenden Kosten sowie einen Vermerk über die Frachtzahlung; den Betrag einer bei der Ablieferung des Gutes einzuziehenden Nachnahme; Weisungen für die Zoll- und sonstige amtliche Behandlung des Gutes; eine Vereinbarung über die Beförderung in offenem, nicht mit Planen gedecktem Fahrzeug oder auf Deck.

In den Frachtbrief können weitere Angaben eingetragen werden, die die Parteien für zweckmäßig halten. (2) Der Frachtbrief wird in drei Originalausfertigungen ausgestellt, die vom Absender unterzeichnet werden. Der Absender kann verlangen, daß auch der Frachtführer den Frachtbrief unterzeichnet. Nachbildungen der eigenhändigen

51 52

BGH NJW 1 9 8 7 , 1 1 4 5 , 1 1 4 5 f ; Marikowski TranspR 1 9 8 8 , 4 1 0 f f Soergel/ron Hoffmann EGBGB Art 37 R n 3 6 . Ie ist der Geltungsbereichs des Art 37 N r l EGBGB jedoch stark umstritten, vgl MüKoBGB/Mflfftm Art 37 EGBGB Rn 40.

467

HGB SS 408, 409

Frachtbrief

Unterschrift durch Druck oder Stempel genügen. Eine Ausfertigung ist für den Absender bestimmt, eine begleitet das Gut, eine behält der Frachtführer.

$409 Beweiskraft des Frachtbriefs (1) Der von beiden Parteien unterzeichnete Frachtbrief dient bis zum Beweis des Gegenteils als Nachweis für Abschluß und Inhalt des Frachtvertrages sowie für die Übernahme des Gutes durch den Frachtführer. (2) Der von beiden Parteien unterzeichnete Frachtbrief begründet ferner die Vermutung, daß das Gut und seine Verpackung bei der Übernahme durch den Frachtführer in äußerlich gutem Zustand waren und daß die Anzahl der Frachtstücke und ihre Zeichen und Nummern mit den Angaben im Frachtbrief übereinstimmen. Der Frachtbrief begründet diese Vermutung jedoch nicht, wenn der Frachtführer einen begründeten Vorbehalt in den Frachtbrief eingetragen hat; der Vorbehalt kann auch damit begründet werden, daß dem Frachtführer keine angemessenen Mittel zur Verfügung standen, die Richtigkeit der Angaben zu überprüfen. (3) Ist das Rohgewicht oder die anders angegebene Menge des Gutes oder der Inhalt der Frachtstücke vom Frachtführer überprüft und das Ergebnis der Überprüfung in den von beiden Parteien unterzeichneten Frachtbrief eingetragen worden, so begründet dieser auch die Vermutung, daß Gewicht, Menge oder Inhalt mit den Angaben im Frachtbrief übereinstimmen. Der Frachtführer ist verpflichtet, Gewicht, Menge oder Inhalt zu überprüfen, wenn der Absender dies verlangt und dem Frachtführer angemessene Mittel zur Überprüfung zur Verfügung stehen; der Frachtführer hat Anspruch auf Ersatz seiner Aufwendungen für die Überprüfung.

Übersicht Rn 1. Allgemeines 2. Abgrenzung zu anderen Frachtpapieren

1

2

3. Inhalt (§ 408 Abs 1 HGB) a) Allgemeines b) Ort und Tag der Ausstellung (§ 408 Abs 1 S 1 Nr 1)

3 4

c) Name und Anschrift des Absenders ($ 408 Abs 1 S 1 Nr 2) d) Name und Anschrift des Frachtführers (§ 408 Abs 1S 1 Nr 3)

5 6

e) Stelle und Tag der Übernahme des Gutes sowie die für die Ablieferung vorgesehene Stelle ($ 408 Abs 1S 1 Nr 4)

468

7

Vierter Abschnitt. Frachtgeschäfte

SS 4 0 8 , 4 0 9 HGB Rn

f) Name und Anschrift des Empfängers und eine etwaige Meldeadresse (§ 408 Abs 1 S 1 Nr 5) g) Bezeichnung des Gutes, Art der Verpackung (§ 408 Abs 1 S 1 Nr 6) h) Anzahl, Zeichen und Nummer der Frachtstücke (§ 408 Abs 1S 1 Nr 7) i) Rohgewicht oder die anders angegebene Menge des Gutes ($ 408 Abs 1 S 1 Nr 8) . . .

8 9 10 11

j) Fracht, anfallende Kosten, Vermerk über die Frachtzahlung (§ 408 Abs 1 S 1 Nr 9) . .

12

k) Nachnahme (§ 408 Abs 1 S 1 Nr 10)

13

1) Weisungen für die Zoll- und sonstige amtliche Behandlung des Gutes ($ 408 Abs 1 S 1 Nr 11)

14

m) Vereinbarung über die Beförderung in offenem, nicht mit Planen gedecktem Fahrzeug oder auf Deck (§ 408 Abs 1 S 1 Nr 12) n) Weitere Angaben ($ 408 Abs 1 S 2) 4. Form ($ 408 Abs 2)

15 16 17-19

5. Anspruch auf Ausstellung und Unterzeichnung eines Frachtbriefs (§ 408 Abs 1 S 1, Abs 2 S 2)

20-21

6. Beweiskraft des Frachtbriefs (§ 409) a) Allgemeines b) Abschluß und Inhalt des Frachtvertrags, Übernahme des Gutes (§ 409 Abs 1)

22-23 24

c) Zustand und Verpackung des Gutes, Anzahl, Zeichen und Nummern der Frachtstücke ($ 409 Abs 2) d) Rohgewicht, Menge, Inhalt der Frachtstücke (§ 409 Abs 3) 7. Vorbehalte

1.

25-26 27 28-29

Allgemeines

Der Frachtbrief ist eine vom Absender auf Verlangen des Frachtführers auszustel- 1 lende Beweisurkunde über den Inhalt des Frachtvertrags. Haben beide Parteien den Frachtbrief unterzeichnet, kommt ihm eine qualifizierte Beweiswirkung gem § 4 0 9 zu. Darüber hinaus ist der Frachtbrief Instruktionspapier, dh er dient der Information des Frachtführers über die in § 408 Abs 1 aufgezählten Punkte. Bedeutung kann dies etwa im Zusammenhang mit §§414 und 427 erlangen. Die Ausstellung des Frachtbriefs ist begrifflich zu unterscheiden vom Abschluß des Frachtvertrags. Ein Frachtvertrag setzt für seine Wirksamkeit nicht die Ausstellung eines Frachtbriefs voraus. Andererseits kann die Ausstellung eines Frachtbriefs beweisen, daß und ggf mit welchem Inhalt ein Frachtvertrag geschlossen wurde. Der Frachtbrief hat in der Binnenschiffahrt weit geringere Bedeutung als im Straßentransport. §§ 408 und 409 sind sämtlich dispositiv (vgl § 449). Unterfällt ein Frachtvertrag der CMNI, gehen die Artt 1 Nr 6,11 und 12 CMNI den §§ 408f vor (Art 1 CMNI Rn 2). 2.

Abgrenzung zu anderen Frachtpapieren

Anders als der Ladeschein (§§ 444ff) ist der Frachtbrief kein Wertpapier. Abzugren- 2 zen ist der Frachtbrief ferner von der formlosen Empfangsquittung des Frachtfüh469

HGB SS 408, 4 0 9

Frachtbrief

rers. Die Empfangsquittung liefert ein Indiz (§ 286 ZPO) dafür, daß dem Frachtführer das Gut ausgehändigt wurde und sich das Gut und seine Verpackung bei Übernahme in einem äußerlich guten Zustand befunden haben. 1 Der Frachtführer kann den Indizwert der Empfangsquittung dadurch beseitigen, daß er die Aufnahme eines Vorbehalts in die Empfangsquittung beweist (Rn 25) oder die Überzeugung des Gerichts in die Richtigkeit der von ihm bzw einem seiner Leute unterschriebenen Quittung zB dadurch erschüttert, 2 daß er beweist, daß die Empfangsquittung vor Verladung des Gutes unterschrieben wurde3 oder er bei der Verladung nicht anwesend war.4 Als Privaturkunden iSv § 4 1 6 ZPO unterliegen derartige Quittungen im Hinblick auf ihre inhaltliche Richtigkeit grundsätzlich der freien Beweiswürdigung.5 Vgl auch Rn 23.

3.

Inhalt (s 4 0 8 Abs 1 HGB)

a)

Allgemeines

3 Damit eine vom Absender unterzeichnete Urkunde als F rachtbrief angesehen werden kann, dem ggf gem § 409 eine qualifizierte Beweiswirkung zukommt, genügt es, daß sie eine der in § 408 Abs 1 genannten Angaben enthält. Zwar führt das Fehlen oder die Unrichtigkeit einer oder mehrerer der Sollangaben nach § 408 Abs 1 nicht zur Ungültigkeit des Frachtbriefs, 6 doch kann hierdurch dessen Beweiswert beeinträchtigt werden. Damit überhaupt vom Vorliegen eines Frachtbriefs gesprochen werden kann, muß sich allerdings aus der Urkunde zumindest folgendes ergeben: Der unterzeichnende Absender hat den Frachtführer mit der Beförderung von Gütern von einem Übernahmeort zu einem Ablieferungsort beauftragt. 7 b)

Ort und Tag der Ausstellung (S 4 0 8 Abs 1 S 1 Nr 1)

4 Maßgeblich sind allein Ort und Tag der Ausstellung des Frachtbriefs, nicht des Abschlusses des Frachtvertrags. c)

Name und Anschrift des Absenders (S 4 0 8 Abs 1 S 1 Nr 2)

5 Der Absender ist der Vertragspartner des Frachtführers (S 407 Rn 11). Es genügt, daß anhand der im Frachtbrief enthaltenen Angaben eine Identifizierung des Absenders möglich ist.

1 2 3 4 5 6 7

Vgl Nachweise bei BGH TranspR 2003,156,158. BGH TranspR 2003,15S, 158; OLG Düsseldorf TranspR 2002, 158, 159. OLG Düsseldorf NJW-RR1996,361. BGH VersR 198S, 287,289. OLG Düsseldorf NJW-RR 1996, 361. Rechtsausschuß, BT-Drs 13/10014,46. Fremuth/Thume TR § 408 HGB Rn 13.

470

Vierter Abschnitt. Frachtgeschäfte

d)

SS 4 0 8 , 4 0 9 HGB

Name und Anschrift des Frachtführers (§ 4 0 8 Abs 1 S 1 Nr 3)

Anzugeben ist Name und Anschrift desjenigen Frachtführers, der unmittelbar 6 Vertragspartner des den Frachtbrief ausstellenden Absenders ist, nicht etwa der Unterfrachtführer oder der ausführende Frachtführer (S 407 Rn 10). Die Verwendung der Firma (§17 HGB) ist unschädlich. 8 e)

Stelle und Tag der Übernahme des Gutes sowie die für die Ablieferung vorgesehene Stelle (S 4 0 8 Abs 1 S 1 Nr 4)

Übernahme- oder Ladestelle ist die genaue Stelle im Ladehafen, an der der Fracht- 7 führer das Gut übernehmen muß. Tag der Übernahme ist der Tag der tatsächlichen Übernahme, auch wenn dieser mit dem ursprünglich geplanten Übernahmetag nicht übereinstimmt. Als Ablieferungs- bzw Löschstelle, ist hingegen diejenige Stelle im Löschhafen anzugeben, die im Zeitpunkt der Ausstellung des Frachtbriefs für die Ablieferung vorgesehen ist. Nachträgliche Änderungen zB infolge einer Weisung (§418 Abs 1) sind für § 4 0 8 Abs 1 S 1 Nr 4 unbeachtlich. Die Angabe eines Ablieferungstages, dh mittelbar der Lieferfrist (§ 423), ist nicht vorgesehen. f)

Name und Anschrift des Empfängers und eine etwaige Meldeadresse (S 4 0 8 Abs 1 S 1 Nr 5)

Die Anschrift des Empfängers (§407 Rn 17) muß nicht mit der der Ablieferungs- 8 stelle (Rn7) identisch sein. Die Meldeadresse bezeichnet die Stelle, zu der der Frachtführer vor oder nach Eintreffen an der Ablieferungsstelle Kontakt aufzunehmen hat, um nähere Informationen über Ort, Zeit und Modalitäten der Ablieferung einzuholen und/oder um die Entladebereitschaft anzuzeigen. 9 In der Schiffahrt kommt ihr erhebliche Bedeutung zu. g)

Bezeichnung des Gutes, Art der Verpackung (§ 4 0 8 Abs 1 S 1 Nr 6)

Aufzuführen ist die allgemein gebräuchliche Bezeichnung des Gutes. 10 Bei Gefahr- 9 gut (§ 410 Rn 2) ist aus Sicherheitsgründen grundsätzlich die von den einschlägigen Gefahrgutvorschriften (zB der ADNR) vorgegebene Bezeichnung zu verwenden. h)

Anzahl, Zeichen und Nummer der Frachtstücke (S 4 0 8 Abs 1 S 1 Nr 7)

Frachtstücke sind einzelne Teile des Ladungsgutes, wenn sie als Einzelstücke im 10 Frachtbrief als solche ausgewiesen sind, oder vom Absender hergestellte Einheiten, unabhängig davon, ob sie der Verpackung des Gutes dienen oder den Transport des

8 9 10

Koller TR $ 408 HGB Rn 6. OLG Karlsruhe TranspR 1999, 349,350. Vgl OLG Düsseldorf TranspR 1992,218,219.

471

HGB SS 408, 4 0 9

Frachtbrief

Gutes erleichtern, falls sie als solche im Frachtbrief aufgeführt sind (zB Container). 11 Im Bereich der Transporte von Massengütern ist diese Vorschrift ohne praktische Bedeutung. Der Begriff des Frachtstücks spielt eine Rolle bei der Berechnung des Haftungshöchstbetrags gem § 431, wenn nur Teile der Ladung beschädigt wurden oder verloren gegangen sind (vgl hierzu § 431 Rn 5). i)

Rohgewicht oder die anders angegebene Menge des Gutes (S 4 0 8 Abs 1 S 1 Nr 8)

11 Rohgewicht ist das Nettogewicht des Gutes zuzüglich des Gewichts der Verpackung (zB Container oder Paletten). Alternativ kann die Menge des Gutes angegeben werden (zB m 3 , Festmeter, Liter), sofern von der Mengenangabe auf das Gewicht geschlossen werden kann. 12 j)

Fracht, anfallende Kosten, Vermerk über die Frachtzahlung (S 4 0 8 Abs 1 S 1 Nr 9)

12 Zum Begriff der Fracht vgl § 407 HGB Rn 14. Mit Kosten können nur solche Aufwendungen des Frachtführers für das Gut gemeint sein, deren Entstehung bereits bei Ausstellung des Frachtbriefs absehbar sind bzw die im Frachtvertrag vereinbart wurden. 13 Fehlen Angaben zur Zahlung der Fracht, gelten insoweit die § § 4 2 0 Abs 1,421. k)

Nachnahme (§ 4 0 8 Abs 1 S 1 Nr 10)

13 Im Bereich des Transports mit Binnenschiffen unüblich. 1)

Weisungen für die Zoll- und sonstige amtliche Behandlung des Gutes (S 4 0 8 Abs 1 S 1 Nr 11)

14 Enthält der Frachtbrief Weisungen iSd Vorschrift, wird gem § 409 Abs 1 vermutet, daß diese Weisungen spätestens bei Aushändigung des Frachtbriefs und nicht nachträglich iSv § 418 erteilt worden waren. m)

Vereinbarung über die Beförderung in offenem, nicht mit Planen gedecktem Fahrzeug oder auf Deck (§ 4 0 8 Abs 1 S 1 Nr 12)

15 Vgl § 427 Rn 2. Sonstige Abreden über haftungsrechtlich relevante Transportformen müssen nicht in den Frachtbrief aufgenommen werden. 14

11 12 13 14

472

Koller TR § 408 HGB Rn 14. KollerTR § 408 HGB Rn 11. Kollei' TR § 408 Rn 12;aAFrem«ift/ThumeTR$408HGBRn23. Begr TRG, BR-Drs 368/97, 36.

Vierter Abschnitt. Frachtgeschäfte

n)

SS 4 0 8 , 4 0 9 HGB

Weitere Angaben (S 408 Abs 1S 2)

Der Absender kann sowohl weitere Vereinbarungen (zB Lieferfrist, Gerichtsstand) 16 aus dem Frachtvertrag als auch sonstige Informationen in den Frachtbrief aufnehmen, sofern beide Parteien dies für zweckmäßig erachten. Zeichnet der Frachtführer die weiteren Angaben des Absenders gegen, so gelten die Angaben bis zum Beweis des Gegenteils als im Frachtvertrag vereinbart. Die verschuldensunabhängige Haftung des Absenders nach § 414 Abs 1 S 1 Nr 2 erfaßt auch unrichtige oder unvollständige weitere Angaben iSv § 408 Abs 1 S 2 (§ 414 Rn 3). 4.

Form (S 408 Abs 2)

Der Frachtbrief muß in drei Originalausfertigungen ausgestellt werden. Erstellung 17 im Durchschreibeverfahren ist möglich (vgl Rn 18). Die Übermittlung der Ausfertigungen in digitalisierter Form genügt, wenn eine qualifizierte elektronische Signatur gem § 126a Abs 1 BGB vorliegt.15 Für die geforderte Unterschrift gilt nicht der strenge § 126 BGB. Nachbildungen der 18 eigenhändigen Unterschrift durch Druck oder Stempel beim Telefax oder Scannen genügen (§ 408 Abs 2 S 3). Gleiches gilt nach überwiegender Auffassung für die Vervielfältigung einer Unterschrift im Durchschreibeverfahren.16 Ausfertigungen, die der Absender nicht ordnungsgemäß unterzeichnet hat, sind 19 formungültig. Die qualifizierte Beweiswirkung des § 4 0 9 ist dann ebenso ausgeschlossen wie die verschuldensunabhängige Haftung des Absenders nach § 414 Abs 1 S 1 Nr 2. Eine Verwertung der in der formungültigen Ausfertigung enthaltenen Angaben als Indiz iSv § 286 ZPO bleibt jedoch möglich.17 Wird ein formungültiger Frachtbrief vom Frachtführer unterzeichnet, liegt ggf eine Empfangsquittung vor (Rn 2). 5.

Anspruch auf Ausstellung und Unterzeichnung eines Frachtbriefs (S 408 Abs 1 S 1, Abs 2 S 2)

Der Absender ist gem § 408 Abs 1 S 1 dem Frachtführer gegenüber verpflichtet, ei- 20 nen Frachtbrief mit den gewünschten Angaben auszustellen. Ist das Ausstellungsverlangen des Frachtführers nicht näher konkretisiert, sind im Zweifel alle der in § 408 Abs 1 aufgeführten Angaben aufzunehmen. Für unrichtige und unvollständige Angaben im Frachtbrief haftet der Absender verschuldensunabhängig gem § 414 Abs 1 S 1 Nr 2. Die Parteien können vereinbaren, daß der Frachtführer den Fracht-

15 16 17

Koller TR § 408 HGB Rn 17. Koller TR $ 408 HGB Rn 18; aA OLG Düsseldorf VersR 199S, 218,219. Koller TR $ 408 HGB Rn 26.

473

HGB SS 408, 4 0 9

Frachtbrief

brief auszustellen hat. Kommt der Absender seiner Verpflichtung zur Ausstellung eines formgültigen und vollständigen Frachtbriefs nicht nach, kann der Frachtführer die Übernahme des Gutes verweigern (§ 273 BGB), bei fortgesetzter Weigerung auch vom Vertrag zurücktreten und Schadensersatz verlangen (SS 281, 323 BGB). Anders als § 417 Abs 2 HGB ist § 412 Abs 3 HGB auch in diesem Fall anwendbar, da § 412 Abs 3 HGB nicht nach dem Grund des Wartens des Frachtführers unterscheidet. 18 21 Gem § 408 Abs 2 S 2 kann der Absender vom Frachtführer verlangen, daß auch dieser den Frachtbrief unterzeichnet. Nur einem beidseitig unterzeichneten Frachtbriefkommt die gesteigerte Beweiswirkung des § 409 HGB zu. Aus §§ 408 Abs 2 S 2, 409 folgt darüber hinaus, daß der Absender auf eigene Initiative, dh ohne daß er hierzu vom Frachtführer aufgefordert worden wäre, einen Frachtbrief ausstellen und dem Frachtführer zur Gegenzeichnung vorlegen kann. Der Anspruch des Absenders auf Unterzeichnung des Frachtbriefs durch den Frachtführer wird erst mit Übernahme des Gutes fällig, 19 da ihm andernfalls die Anbringung von Vorbehalten betr den Zustand und die Menge (vgl Rn 28f) der Güter nicht möglich wäre. Bei der Unterzeichnung kann sich der Frachtführer durch Dritte vertreten lassen. Die Unterzeichnung eines Frachtbriefs ist bei Vorliegen eines entsprechenden Verlangens des Absenders „erforderlich" iSv § 15 Abs 1 BinSchG, so daß insoweit eine gesetzliche Vertretungsmacht gegeben ist (vgl §§ 15-19 BinSchG Rn 1, 4ff). Kommt der Frachtführer seiner Verpflichtung aus § 408 Abs 2 S 2 nicht nach, kann der Absender uU den Frachtvertrag kündigen (§ 415 Abs 2 S 2, Abs 3 S 3) und Schadensersatz verlangen (§§ 276, 280 BGB).

6.

Die Beweiskraft des Frachtbriefs (S 409)

a)

Allgemeines

22 Liegt ein von beiden Parteien unterzeichneter, formgültiger Frachtbrief vor, so ist bis zum Beweis des Gegenteils davon auszugehen, daß bestimmte darin enthaltene Angaben der Wirklichkeit entsprechen. Die Wirkung der Vermutungen des § 409 geht somit über die normale Beweiswirkung von Urkunden nach § 416 ZPO hinaus, wonach lediglich der Umstand als bewiesen gilt, daß die darin enthaltenen Erklärungen von dem Aussteller abgegeben wurden. Ein Beweis für die inhaltliche Richtigkeit der Urkunde ist von S 416 ZPO nicht umfaßt. 20 Ungeachtet des unterschiedlichen Wortlauts ist die Beweiswirkung der drei Absätze des § 409 identisch. Für den geforderten Beweis des Gegenteils ist ein Vollbeweis dahingehend erforderlich, daß die Angaben in dem Frachtbrief falsch sind, 21 die Regeln des Anscheinsbeweises sind jedoch anwendbar 22 . 18 19 20 21 22

474

AA Koller TR $ 408 HGB Rn 21. Koller TR $ 408 HGB Rn 20. BGH NJW 2002, 2707; OLG Düsseldorf NJW-RR 1996, 361. BGH NJW-RR 1994, 567, 568. BGH NJW 1996, 1828.

Vierter Abschnitt. Frachtgeschäfte

SS 4 0 8 , 4 0 9 HGB

Ein einseitig vom Absender unterzeichneter, formgültiger Frachtbrief stellt eine Ur- 23 künde iSv § 416 ZPO dar, die iRd §§ 4 1 6 , 4 4 0 ZPO beweisen, daß der Absender die in dem Frachtbrief enthaltenen Angaben gemacht hat, nicht aber, daß diese Angaben richtig sind. 23 b)

Abschluß und Inhalt des Frachtvertrags, Übernahme des Gutes (§ 4 0 9 Abs 1)

Die Vermutung erstreckt sich auf den reinen Vorgang des Vertragsschlusses unab- 2 4 hängig vom Vorliegen etwaiger Willensmängel der Parteien sowie des Frachtvertrags. 24 Hinsichtlich des Inhalts des Frachtvertrags erfaßt die Vermutung nur solche Details, die im Frachtbrief einen Niederschlag gefunden haben. Eine Vermutung dafür, daß der Frachtbrief den Inhalt des Frachtvertrags vollständig wiedergibt, besteht nicht. 25 S 409 Abs 1 erfaßt nur den Vorgang der Übernahme von Gütern als solches, wobei es insoweit auf die Bezeichnung des Gutes im Frachtbrief ankommt. Sind zB im Frachtbrief nur Verpackungseinheiten genannt (Kartons, Säcke, Container), bezieht sich die Vermutungswirkung nur auf die Übernahme dieser Verpakkungseinheiten, nicht dagegen auf die Übernahme von in diesen Verpackungseinheiten (angeblich) enthaltenen, im Frachtbrief aber nicht genannten Gütern. Für Zustand und Menge des Gutes gilt § 409 Abs 2 und Abs 3. c)

Zustand und Verpackung des Gutes, Anzahl, Zeichen und Nummern der Frachtstücke (§ 4 0 9 Abs 2)

Mit dem Zustand von Verpackung und Gut ist der äußerliche Zustand gemeint, 25 wie er sich mit angemessenen Mitteln und der verkehrserforderlichen Sorgfalt eines Frachtführers bei Übernahme des Gutes überprüfen läßt. Besondere Warenkenntnis oder Prüfeinrichtungen dürfen dabei beim Frachtführer bzw dessen Erfüllungsgehilfen (S 7 BinSchG Rn 8) grundsätzlich nicht vorausgesetzt werden. Da der Frachtführer grundsätzlich nicht befugt ist, eine Verpackung (zB Container) zu öffnen, spricht die Vermutung regelmäßig nur für den äußerlich guten Zustand der Verpakkung und nicht den Zustand des Inhalts der Verpackung. 26 Eine Vermutung für die Beförderungstauglichkeit der Verpackung (§411, vgl auch § § 4 1 4 Abs 1 N r l , 424 Abs 1 Nr 2) folgt aus § 409 Abs 2 nicht, 27 ebensowenig die Ordnungsgemäßheit von Verladung und Verstauung 28 .

23 24 25 26 27 28

BGHNJW 1980,1680,1681;TranspR 1998, 21, 23. OLG München VersR 1982,264f; OLG Hamburg VersR 1982, 556. BegrTRG,BR-Drs 368/97,36. Ebenroth/Boujong/Joost/GflisHGB $ 409 Rn 10; OLG Düsseldorf NJW-RR 1996,361. Koller TR § 409 HGB Rn 18. Ebenroth/Boujong/Joost/Gflis HGB $ 409 Rn 10.

475

HGB SS 4 0 8 , 4 0 9 26

Zum Begriff des Frachtstücks vgl Rn 10. Ist auf dem Frachtbrief nur die Zahl der Container vermerkt, so erstreckt sich die Vermutung nicht auf die Zahl bzw Menge der darin enthaltenen Güter. d)

27

Rohgewicht, Menge, Inhalt der Frachtstücke (§ 4 0 9 Abs 3)

Zum Begriff von Rohgewicht und Menge vgl Rn 11. Der Inhalt von Frachtstücken ist nur bei Öffnung einer vorhandenen Verpackung, nur mittels besonderer Prüfinstrumente, bei Probenentnahmen oder bei einer Zerlegung des Gutes erkennbar. Die Intensität der vorzunehmenden Überprüfung folgt aus den vertraglichen Abreden oder dem Verlangen des Absenders ( § 4 0 9 Abs 3 S2). Im letzteren Fall steht dem Frachtführer ein Aufwendungsersatzanspruch zu, auf den § 4 1 8 Abs 1 S 4 entsprechend anwendbar ist. 29 Die Überprüfungspflicht umfaßt auch die Pflicht zur Eintragung des Prüfergebnisses im Frachtbrief (vgl § 4 0 9 Abs 3 S 1). Ist eine Eintragung ohne Überprüfung erfolgt, gilt nicht die Vermutung des § 409 Abs 3, der eine Überprüfung voraussetzt. Die Eintragung entfaltet dann lediglich die normale Indizwirkung (§ 286 ZPO). 30

7. 28

Frachtbrief

Vorbehalte

Ein Vorbehalt ist ein Vermerk im Frachtbrief, der deutlich macht, daß der Frachtführer die Beweiswirkung des Frachtbriefs einschränken will. Ein wirksamer Vorbehalt beseitigt die (gesteigerte) Be weis Wirkung. Dies bedeutet insbesondere, daß wieder die allgemeinen Beweislastregeln zum Zuge kommen, wonach jede Partei die ihr günstigen Tatsachen zu beweisen hat. Dies gilt auch zugunsten des Absenders, obwohl nicht er, sondern der Frachtführer den Vorbehalt angebracht hat. 3 1 Der Vorbehalt muß begründet (§ 4 0 9 Abs 2 S 2) und hinreichend konkret sein. 32 Ein allgemeiner Vermerk „unter Vorbehalt" genügt nicht. Ein Vorbehalt ist jedoch nicht allein deshalb unwirksam, weil er in Form einer vorgefertigten Erklärung, etwa eines Stempels angebracht wird. Gerade im Bereich des Transports mit Binnenschiffen ist angesichts der Menge des zu verladenden Gutes und der Geschwindigkeit der Beladungsvorgänge mit modernster Umschlagstechnik eine eingeschränkte wenn nicht gar fehlende Kontrollmöglichkeit durch den Frachtführer praktisch die Regel. Dem Frachtführer muß daher die Möglichkeit gegeben werden, in entsprechend standardisierter Form Vorbehalte anzubringen. Auf das Erfordernis einer Begründung des Vorbehalts kann jedoch nicht verzichtet werden, soll der Vorbehalt nicht zu einem Formalismus verkommen. Das betroffene Frachtstück muß genau bezeichnet sein.

29 30 31 32

476

Kollei'TR § 409 HGB Rn 25. Koller TR $ 409 HGB Rn 29; Ebenroth/Boujong/Joost/Gasi HGB $ 409 Rn 13. Koller TR § 408 HGB Rn 6. Vgl OLG Düsseldorf TranspR 1993, 54, 55 zu dem entsprechenden Art 9 CMR.

Vierter Abschnitt. Frachtgeschäfte

§ 4 1 0 HGB

Formgerecht begründete Vorbehalte müssen vom Absender nicht anerkannt oder auch nur objektiv richtig sein, um die Vermutung des § 409 HGB auszuräumen. 33 Vorbehalte sind entgegen dem Wortlaut nicht nur in den Fällen des § 409 Abs 2 sondern auch in den Fällen der §§ 4 0 9 Abs 1 und Abs 3 zulässig, da der Frachtführer andernfalls gezwungen wäre, den Frachtbrief insgesamt zurückzuweisen, selbst wenn nur ein einzelner Bestandteil desselben unzutreffend ist. 34

$410

Gefährliches Gut

(1) Soll gefährliches Gut befördert werden, so hat der Absender dem Frachtführer rechtzeitig in Textform die genaue Art der Gefahr und, soweit erforderlich, zu ergreifende Vorsichtsmaßnahmen mitzuteilen. (2) Der Frachtführer kann, sofern ihm nicht bei Übernahme des Gutes die Art der Gefahr bekannt war oder jedenfalls mitgeteilt worden ist, 1. gefährliches Gut ausladen, einlagern, zurückbefördern oder, soweit erforderlich, vernichten oder unschädlich machen, ohne dem Absender deshalb ersatzpflichtig zu werden, und 2. vom Absender wegen dieser Maßnahmen Ersatz der erforderlichen Aufwendungen verlangen.

Übersicht 1. Allgemeines 2. Gefährliches Gut 3. Mitteilungspflicht des Absenders ($ 410 Abs 1) 4. Rechtsfolgen einer Pflichtverletzung

Rn 1 2 3-5

a) Ausladen, Einlagern, Zurückbefördern, Vernichten oder Unschädlichmachen ($ 410 Abs 2) b) Schadensersatzansprüche des Frachtführers c) Scheinbar gefährliche Güter

33 34

6-7 8 9

LG Köln TranspR 2002,155, 156; OLG Düsseldorf TranspR 1993, 54, 55. Koller TR $ 409 HGB Rn 5. 477

HGB § 4 1 0 1.

Gefährliches Gut

Allgemeines

1 § 410 normiert wie die §§ 411 bis 413 Nebenpflichten des Absenders. § 410 konkretisiert die generell bestehende Warnpflicht des Absenders1 in bezug auf gefährliche Güter. Während die Verletzung der allgemeinen Warnpflicht gem §§311, 280 BGB nur bei einem Verschulden zu einer Haftung des Absenders führt, können Verstöße des Absenders gegen § 410 zu einer verschuldensunabhängigen Schadensersatzpflicht gem § 4 1 4 Abs 1 S 1 Nr 3 führen. § 4 1 0 ist uneingeschränkt abdingbar. Im Anwendungsbereich der CMNI gilt Art 7 CMNI. 2.

Gefährliches Gut

2 Zu den gefährlichen Gütern iSv § 4 1 0 zählen im Bereich der Binnenschiffahrt zunächst die in der ADNR oder der GGVBinSch verzeichneten Produkte. Daneben sollen alle anderen Güter unter diese Vorschrift fallen, die aus beförderungsspezifischer Sicht als gefährlich anzusehen sind. 2 Maßgeblich ist, ob das konkrete Gefahrenpotential des Guts die „Normalgefahr", mit der ein Frachtführer stets zu rechnen hat, übersteigt. 3 Der Frachtführer soll sich ohne zusätzliche Hinweise des Absenders nur auf solche Gefahren einstellen müssen, die mit einem Gütertransport typischerweise verbunden sind. Übersteigt das Gefahrenpotential des Guts unabhängig von einer besonderen Art des Transports 4 diese Normalgefahr, liegt ein gefährliches Gut iSv § 410 vor. Unerheblich ist allerdings, ob sich die Gefahr erst bei einer besonderen Behandlung des Guts5 oder einem atypisch verlaufenden Transport (zB Kollision) realisiert. 6 Die Gefahr kann auch dem Transportmittel selbst drohen. 7 Gefährlich iSv § 410 ist auch Paketschrott, bei dem mit Austritt von Altöl während der Beförderung zu rechnen ist.8

3.

Mitteilungspflicht des Absenders (S 4 1 0 Abs 1)

3 Gegenstand der Mitteilungspflicht ist zunächst die genaue Art der mit dem Gut verbundenen Gefahr. 9 Maßgeblich ist dabei auf den Verständnishorizont eines ordentlichen Frachtführers abzustellen. Die Mitteilungspflichten der ADNR sind in jedem 1 2 3 4 5 6 7 8 9

Vgl BGH ZfB 1960, 278. Begr TRG, BR-Drs 368/97, 38; Fremuth/Thume TR $ 410 HGB Rn 3. Hierzu auch OLG Köln ZfB 1993, SaS 1405,1406. J