Bilder für die Jugend: Erzählungen [Neuer Abdr., Reprint 2022 ed.] 9783112659687, 9783112659670


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German Pages 204 [220] Year 1874

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Table of contents :
Inhalt
Die Bärenburg. Ein Mährchen
Der Handwerksmann
Die Unvermählte
Die beiden Schwestern
Belisar
Die Fahne
Der Inwelier
Der Neujahrswunsch
Das Element. Ein Mährchen
Die Unvermählte. Eine Fortsetzung d er Geschichte gleichen Ramens
Der Gang um Mitternacht
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Bilder für die Jugend: Erzählungen [Neuer Abdr., Reprint 2022 ed.]
 9783112659687, 9783112659670

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STUTTGART.

G. J.Göschen’sche Verlagshandlun£>.

Bilder für die Jugend.

Erzählungen von

Ernst von Houwald.

Neuer Abdruck.

Mit acht Holzschnitten.

-----------------------------Stuttgart. G. I. Göscheu'sche Verlagshandlung.

1874.

Druck der K. Hofbuchdruckerei Zu Guttenderg (C. Grüninger) in Stuttgart.

Die Bärenburg.

Ein Mährchen......................................................

1

Der Handwerksmann.................................................................................. 41

Die Unvermählte.....................................

62

Die beiden Schwestern................................................................................... 84 Belisar..............................................................................................................91

Die Fahne.........................................................................................................95 Der Juwelier................................................................................................ 115 Der Neujahrswunsch

................................................................................130

Das Element.Ein Mährchen.................................................................... 145

Die Unvermählte. Eine Fortsetzung der Geschichte gleichen Namens

156

Der Gang um Mitternacht......................................................................176

Die Bärenburg. Ein Mährchen. Auf einer hohen,

waldbewachsenen Felskuppe lag ein altes,

einsames Schloß, die Barenburg

der Graf von Pilkau,

genannt.

welcher es zugehörte,

Die reiche Familie, wohnte jedoch auf

ihren andern größern Besitzungen, und schon seit Menschengedenken

hatte kein Mitglied mögen.

derselben

längere Zeit daselbst zubringen

Nur ein alter Kastellan

verlebte hier seine einsamen

Tage und wurde bisweilen nur von neugierigen Reisenden besucht,

die sich in dem Schlosse herumführen ließen und mit stiller Be­

wunderung die zwar altertümliche, aber schöne Einrichtung des­ selben betrachteten.

nicht zurück hielten,

Wenn die Fremden nun ihr Erstaunen darüber daß in dem gänzlich unbewohnten Gebäude

sich alles doch so wohl erhalten finde,

so lächelte dann der alte

Kastellan geheimnißvoll und gab zu vernehmen,

in der Bauart des Schlosses liegen möge,

wie dieß wohl

die ohne weiteres

Zuthun sich selbst erhalte und nichts zu Grunde gehen lasse. Die Leute in der Nachbarschaft wußten aber wohl, was er meinte;

denn das Schloß stand längst in dem Rufe, daß es von Geistern bewohnt sei; der Kastellan hatte auch einmal auf einer Hochzeit, zu welcher er im nächsten Städtchen gebeten worden, bei einem Glase Wein einiges davon verlauten lassen, ja er hatte sogar,

als seine beiden Tischnachbarn, der alte pensionirte Forstinspektor und der aufgeklärte Stadtrichter sich über die Möglichkeit von Houwald, Bilder für die Jugend.

1

2 Geistererscheinungen gestritten, in der Weinbegeisterung dem Streite dadurch ein Ende zu machen gesucht,

des alten Forstmannes geschlagen,

daß er sich auf die Seite

mit ihm den wilden Jäger,

den schwarzen Irrwisch u. s. w. in Schutz genommen und endlich jeden, der an solche Dinge nicht glaube, feierlich eingeladen, die

nächste Nacht auf der Bärenburg zuzubringen.

Von der ganzen

Gesellschaft war diese Einladung zwar mit Schweigen erwiedert

worden,

weil man sich eines geheimen Grauens dabei nicht er­

wehren konnte,

der Kastellan

gegen den Stadtrichter

Muth

zu behaupten,

aber war

nur noch dringender

vorgerückt,

so daß

dieser,

nicht

länger

ausweichen

endlich

um

seinen

konnte,

sondern als die Gesellschaft auseinander gegangen war, sich wirk­

lich mit dem Kastellan auf das

Schloß begeben hatte.

Wie

er aber dort die Nacht zugebracht, und was er dort gesehen, blieb ein Geheimniß; nur ließ die Versicherung, daß er lieber Nacht­

wächter im Städtchen, als Kastellan auf der Burg sein möchte, auf manche unerfreuliche, vielleicht schauderhafte Erfahrung schließen.

So stand es um die geheimnißvolle, unbewohnte Burg, als der jetzige Besitzer derselben,

hinterließ zwei Söhne,

der alte Graf von Pilkau,

starb.

Er

von denen der älteste ihm im Besitz der

großen Majoratsgüter folgte,

der jüngere

Willibald, nur dieß einsame Schloß,

aber,

mit Namen

die Bärenburg mit seinen

Umgebungen, als Erbtheil erhielt. Willibald stand als Cavalleriedfficier unter dem Heere seines Königs;

er hatte manchen rühmlichen Feldzug mitgemacht und

sich ein großes Ansehen unter allen seinen Kameraden erworben; zumal er sich nicht allein durch Geistesbildung und Muth aus­ zeichnete, sondern auch ein frohes, treues, tieffühlendes Herz, den Freunden entgegenbrachte.

Sie konnten,

sie mochten nichts

ohne ihn beginnen; er war die Würze ihrer Freuden, der Rath­ geber in ernstern Angelegenheiten, das Vorbild ihres Thuns und Handelns.

Aber seit dem Tode seines Vaters und der Ordnung seines

Nachlasses war eine bedeutende Veränderung mit ihm vorgegangen,

seine Stimmung war ernster geworden, er zog sich oft aus dem Kreise der Freunde zurück, suchte die Einsamkeit und beschäftigte

sich fast ausschließlich durchlesen,

damit,

alte Papiere und

Urkunden zu

die er sich aus dem Archive seines Schloßes hatte

zuschicken lassen. Bei dieser Beschäftigung

traf

ihn

einst

sein

vertrautester

Freund und treuester Waffenbruder, der Hauptmann von Marheim;

er sah die finstern Wolken auf Willibalds Stirn, und

wie er in halber Zerstreutheit die Papiere bei Seite schob und

ihn kalt bewillkommte, als störe ihn der Besuch des Freundes. „Was ist dir denn?" rief Marheim, und faßte seine Hand. „Der Tod deines Vaters mag dir, dem redlichen Sohne, sehr zu Herzen gehen;

wohl

aber wenn auch der Schmerz um den

Verlust geliebter Personen uns in den Freudenbecher des Lebens wiederholt noch die Tropfen einer heiligen Wehmuth mischt, da­

mit sie die Seele wie eine Arznei stärken und die schönen Farben der Erinnerung immer wieder

auffrischen mögen,

dieser Schmerz doch nicht das Gemüth,

so verdüstert

so jagt er doch nicht

finstere Wolken fortwährend über die sonst heitere Stirn, so verschließt er doch nicht das Herz dem Freundeszuspruch.

Es

muß dir daher noch etwas anderes

ein

tiefes, unersorschliches Geheinmiß; nicht sein,

auf der Seele liegen,

denn meine Schuld kann es

und meine Freundschaft zu dir gibt mir ein Recht,

dich darnach zu fragen!"

Willibald seufzte tief auf, sah dann dem Freunde lange ins Auge und sagte endlich:

„Ja, du hast ein Recht auf alles, was

mich jetzt so tief bekümmert; es geht dich vielleicht näher an als

du glaubst, darum will ich nicht länger schweigen, du sollst alles wisien." Rach dem Tode meines Vaters ftnfr unsere großen Familien-

4 leheu meinem ältesten Bruder zugefallen, da- alte Schloß, die Bärenburg,

erhalten.

Eigenthum

meine» Vater» lag, auch niemals,

Da



entfernt

auf denen ich

ich hingegen habe nur

mit seinen Umgebungen al» von

den

erzogen wurde,

Hauptgütern er selbst e»

so lange ich denken kann, besuchte, so blieb e»

auch mit fremd ; ich kannte e» nur au» einer Zeichnung, die im

Zimmer meine» Vater» hing,

darstellte,

seine düstere,

und die wir Kinder

abgeschiedene Lage

gern

immer

manche» Abenteuerliche dabei zu träumen.

betrachteten,

um

Jetzt nun ist dieser

Ort mein Eigenthum geworden; au» de» Vater» Papieren habe ich mich überzeugt, daß die Einkünfte davon wohl zureichen würden, dm gmügsam und einfach lebeudm Besitzer dort zu ernähren.

Freudig erwachte in mir der Gedanke:

jetzt endlich wirst du

deinem Herzen folge» und dem Mädchen,

liebst, deine Hand biete» können;

niederlegm

und

in

frohe», häusliche»,

die

verlassene

glückliche» Leben

da» du längst schon

dann willst du die Waffen

ehrwürdige

Bärmburg ein

einsühren! — Und wen ich

mir zur Gefährtin meine» Leben» zu erwählen gedachte----------soll ich sie dir noch erst nennen, Bruder?"

Marheim reichte ihm die Hand,

und sagte:

„Ich weiß e»,

du liebst meine Schwester Sara!"

„Ja, ich liebe sie mit treuem Herzen!" „Ich hoffte in der Bereinigung

fuhr Willibald fort.

mit ihr mein höchste- Glück;

aber auch diese schöne menschliche Hoffnung soll nicht in Erfüllung

gehen!" „Und warum nicht?"

rief Marheim; „wa- stellt sich ihr in

den Weg?"

„Etwa-, da» wohl außer den Grenzen unserer Kraft liegt!"

fuhr Willibald ernst fort. — „Ich hatte an den altm Kastellan, der jene» Schloß dort in Aussicht hält,

geschrieben, ihm meinen

Plan bekannt gemacht, ihm aufgetragen, die nöthigen Einrichtungen

5 zu meiner Aufnahme dort zu besorgen; allein welche Nachrichten

habe ich von ihm erhalten ?•

Willibald reichte mit diesen Worten den Brief de» Kastellan»

dem Freunde Hw.

Marheim hatte ihn aber kaum flüchtig ge­

lesen, et» er lachend auSrief: „Miet Geistererscheimmgen, Spuck­

geschichten, die der alte blödfinnige Mann dort erlebt haben will, und diese machen dir Sorge?

Sind nicht

Schlössern solche Sagen in Umlauf?

meisten alten

gibt e» dort eine

wo man noch bei Nacht

Marterkammer oder ein Burgverließ, Heulen und Zähnklappern vernimmt,

von bett Bald

oder e» gehen leichenhafte

Mönche um und ziehen die Bettvorhänge weg,

oder e» zucken

bleiche Lichter durch die hohen Zimmer und auf den Wänden lie-t

man furchtbare Worte in feuriger Schrift!" „Da» alle» würde mich nicht besorgt machen," fiel Willibald

ein, „da» habe ich dem Alten dort auch schon entgegnet, und ihm

befohlen, dennoch meinen Willen zu vollziehen.

Allein statt jede»

weitern Einwande» hat er mir au» dem Archiv der Bärenburg

Aktenstücke zugesendet, gestellt wird;

wodurch die Sache außer

allen Zweifel

meine achtbaren Vorfahren haben hier niedergelegt

und fast eidlich bestärkt,

wa» fie dort Schauderhafte» erfahren.

Wie kann ich ein Weib, da» ich liebe,

in solche Umgebungen,

ja ich will e» auisprechen, in ein solche» Spuckloch einführen,

wollen!" Marheim warf einige Blicke in die alten Akten, und schüttelte

dann auch bedenllich den Kopf.

„Da» ist arg," sagte er, „aller­

dings etwa- arg; aber trotz aller Hochachtung gegen deine Dor­ fahren bleibe ich doch bei meinem Spruche: nur, wa» meine Auge« sehen!

mein Herz glaubt

Den Hal» wird e» un» ja nicht

kosten, Bruder, und die kalten Schauer vergehen ja auch wieder,

wenn nur erst der warme Tag kommt. Laß un» nach der Bärenburg selbst Hinreisen, sehen, hören, prüfen, und dann handeln.

Hier

6 ist meine Hand, ich begleite dich, r» soll ein ritterliche- Abenteuer werden!*

Willibald schlug ein,

die Reise wurde näher besprochen,

ein

Urlaub auf vierzehn Tage erbeten, und schon am folgenden Tage saßen die Freunde wohl gerüstet und bewaffnet auf ihren Reffen,

von einem einzigen Diener begleitet,

und ritten in gespannter

Erwartung der Berggrgend zu, in welcher die Bärrnburg lag. erst langten sie in den Abendstunden

Am dritten Tage

vor

E» war ein rauher April­

Schlosse an.

dem

alten einsamen

tag,

Schnee- und Regenschauer zogen vorüber und durchnäßten

die Reiter, der Wind sauste durch den hohen Forst, «ad wie die

Stimme

einer

rosteten,

vom Sturme hin und her getriebenen Fahne de- be­

einsamen Wehklage tönte da- Seufzen

moosten Burgthurme- durch die Einöde.

der ver­

Der Weg zum Schlöffe

war mit Gestrüpp und hohem Kraute verwachsen und zeigte, daß

er lange nicht mehr, befahren worden war.

Jetzt hielten unsere

Reisenden endlich vor der verschlossenen hohen Pforte.

dem sie mehrmals die Klingel

wart geöffnet,

gezogen,

wurde

Erst nach­

von dem Thor»

nach ihrem Begehr gefragt, und da sie ihre Na­

men genannt hatten,

der Einlaß gestattet.

eilte der Kastellan herbei,

Auf dem Schloßhof

seinen neuen Gebieter mit schuldigem

Respekt zu empfangen. »Hier, Alter,

bin ich selbst!*

rief ihm Willibald

entgegen.

»Deine Briefe, deine Aktenstück« waren für mich nur todte Zeu­

gen;

ich mußte meine Burg

mein

Eigenthum

streitig

selbst

machen

sehen und wiffen,

will!

So bin

ich

wer mir

denn mit

frohem Muthe hierher geritten, und trete unter Gotte» Schutz jetzt

auch mit frohem Geist in meine Heimath!" Der

Alte beugte sich ehrerbietig auf die Hand seine» Herrn

und sagte: »Ich heiße Ew. Gnaden mit treuem Herzen willkom» men!

Dem Willkommen

folgte aber bisher immer gar zu bald

da» Lebewohl, möge e» endlich ander» werden!"

7 Er

hierauf ei» paar

zündete

Kerzen

Freund« durch die KreuzgLnge des Schlöffe-,

an und

führte

die

in denen r- schon

Nacht geworden war, nach einem großen Zimmer, wo er in dem weiten Marmorkamine von dem Thorwart eia Helle- Feuer an­ zünden ließ, während

er selbst mehrere Lichter

auf dem schwer

um da- hohe große Zimmer

vergoldeten Kronleuchter ansteckte,

möglichst zu erleuchten. Den Freunden ward es hier bald recht behaglich,

frugale- Abendbrod, austrug,

welche- die

Frau de- Kastellan-

und ein al-bald

hatte ihnen noch niemals so herrlich geschmeckt.

Die

ernste Stimmung wich »ach und nach einer stöhlichen Unterhal­

aufgestapelt worden waren,

tung, und als zwei kostbare Betten

der Kastellan eine silberne Nachtlampe angezündet,

und mit be­

denklicher Miene gefragt hatte: „ob der Herr Graf vielleicht be­ fehlen,

daß jemand noch im Vorzimmer schlafen soll?" — ent­

gegnete dieser:

„Ich habe noch keine Lust zu schlafen!

Gla- mitzutrinken!

Schaff

Alter, um ein

un- eine Bowle Punsch, und komm dann selbst,

Ich mag eher hier nicht ruhen, bi- ich nicht

aus deinem Munde nähere Aufschlüsse über die Geheimnisse dieseSchlöffe- erhalten habe!"

„Aber «- ist Nacht!" sprach der Kastellan,

„und die Nacht

hat leisere Ohren al- der Tag!" „So

mag sie un- zuhören!"

erwiederte der Graf lächelnd.

„Geh nur, Mter, und erfillle, wa- ich dir befohlen!"

Da wurde die dampfende Bowle herbei gebracht; die Freunde setzten sich an den Kamin, in welchem da- Feuer auf- neue an­

geschürt worden, und der Kastellan mußte sich auch seinen Stuhl

herbeiholen.

Al»

Marheim

aber dem Reitknecht,

der eben da-

Zimmer verlassen wollte, befahl, vor allen Dingen die geladenen Pistolen au- den Sätteln herauf zu bringen, sprach der Kastellan

leise: „Lasten Ew. Gnaden da» Schießgewehr lieber in den Half­

tern stecken.

Waffen

deuten

immer

auf Mißtrauen

oder Be-

8 sorgniß, und beide- muß man hier nicht zeigen.

Auch ist eS doch

um die schönen Tapeten schade, rnenn man zwecklos in den Zim» und hiermit nahm er eine Kerze

rnern hier schießen will!-

und

leuchtete schweigend an den Winden hin, wo man noch deutlich genug die Spuren mehrerer Kugeln erkannte, die bedeutend« Löcher

in di« Tapeten geschlagen hatten, auf welchen sehr künstlich eine Bärenjagd dargrstrllt war.

„Diese Zeichen geben allerdings zu erkennen, schehen ist,*

sagte Marheim.

was hier ge­

„Aber weßhalb, alter Knabe, hast

du unS denn gerade in dieß Zimmer geführt, wo man Schießübungen

gehalten zu habe» scheint! Gibt es im Schlöffe keine Kammern, die ein ruhigeres Ansehen haben?" —

„Es ist dieß da- beste und bequemste Zimmer im Schlöffe !■ ent­

gegnete

der Kastellan.

„De»

Herrn Grafen hochseliger Herr

Vater und Großvater haben auch hier logirt, und haben mehrere

von jenen Kugeln dort —* „Die

Pistolen sollen in de» Halstern bleiben!"

befahl der

„in meinem eigenen Hause

brauche ich

Graf dem Reitknechte;

allerdings keine Waffen,

da will

ich mich sicher dünken.

Aber

jetzt, Mer," fuhr er zum Kastellan gewendet fort, „jetzt wirf alle

Bedenken, alle Rücksichten bei Seite.

Erfülle nur, wa» du mir

deinem Herrn, schuldig bist, und entdecke mir alle», wa- du über dies« Burg weißt, und was du in deiner langen Einsamkeit hier

gesehen und erfahren hast!" Der Kastellan verneigte sich, hob dann sein Gla» empor und

sagte feierlich:

„Auf da- Wohlergehen meine-

gnädigen Herrn,

und daß er Friede hier finden möge!" — Rach einer Pause, in welcher er sich zu befinnm schien, hob er endlich folgendergestalt

zu «zählen an: „Al- vor mehreren hundert Jahrm dies« Wald «ine noch viel größere Wildniß war, neben dem edlen Wllde auch

noch mancherlei reißende, blutdürstige darin genommen hatten,

Thiere

ihren Aufenthalt

und auf diesem Felsen sich noch keine

9 Gebäude erhoben, da war Ew. Gnaden Ahnherr, der Graf Max

von Pilkau, wegen seiner besonder- wichtigen

«nd ritterlichen

Dienste von de- Kaiser- Majestät mit diesen großen Waldungen

beliehen worden.

Er wollte derselbe nun auch alsbald eine große

Jagd darin anstelle«, dm» e- hatten die bmachbartm Ortschaften sich mit dringmden Bittm

an ihn gewmdet, daß er da- Wild,

welche» ihnm die Saatm zerstöre, in etwa- dämpfen, sonder- aber zwei große Bären

in ihre Heerden

ganz be­

erlegen möchte, die nicht allein

einbrächen, sondern

wagten und da» Lebm der Mmschen

selbst sich in

bedrohten;

di« Dörfer

und

endlich eine» Morgen» ein arme- junge- Weib erschien,

al» nun sich vor

dem Grafen niederwarf und ihm unter tausend Thränen berich­

tete, wie in hmtiger Nacht der grimmige Bär ihr Knäblein an­

der Wiege

gestohlm und damit in dm Wald gerannt sey,

wurde da» Herz de» Grafm dergestalt erschüttert, da- Hüfthom von der Wand riß,jum da- Hallo blasen.

da

daß er selbst zur Jagd zu

Aber er konnt« vor Wemuth nicht blasen über dm Jam*

mer de» Weibe-, und er reichte da- Hom seinem Freunde,

dem

Ritter von der Weihe, der blie< die Jäger beim auch alsbald zu, sammen, und alle zogm kampflustig in den tiefen Wald. Der Graf

„daß er dm Wald nicht eher verlaffen

aber that da- Gelübde:

«olle,

al» bi» der Bär erlegt sey, und daß

wo dieser glücklich gefällt worden, That errichten tottbe.*

Und

er auf der Stell«,

ein würdige» Denkmal dieser

die Jagd

begann;

viel de» edlm

Wilde- wurde mit Pfeil und Bogen und Wurflpieß gefällt, aber die Bären hinter

den

fand

man nirgend».

Wipfeln

der

Schon

Bäume,

neigte die Sonne sich

und auf» neue wurde« die

Hunde in- Dickicht gehetzt; auf» neue jagten sie einen Hochgeweih« len Hirsch daran» hervor,

der Graf ihm nach,

«nd weit den Lbrigm voran sprengte

ihn mit dem Wurfspieße zu erlege».

Da

trat ihm plötzlich die Mutter de» geraubtm Kinde- in dm Weg;

auch sie hielt eine« Wurfspieß

in der Hand,

da- lange Haar

10 flattert« im Wind«, und Gesicht und Hände bluteten von Dor­ nen

zerrissen.

„Wat jagt Ihr dem

Hirsche

nach?"

rief

fl«.

„Was durchtobt Ihr den Wald? — So werdet Ihr die Bären

und mein Kind nimmer finden I

Ich bin Euren Rossen nachge-

laufen, und «a« Ihr nicht erspähet in Eurer Jagdlust, da» hat

Mutterangst und Liebe erlauscht. Mitten durch da» Blasen Eurer Hörner, durch da» Gebell Eurer Rüden,

die weinende Stimme

habe ich von fern her

meine» Kinde» vernommen.

lebt r»! aber kein Augenblick ist zu versäumen.

Gewiß «och

Wollt Ihr mir

e» retten helfen, so folgt mir unverzüglich." „Und der Graf wendete sein Roß und ritt der Mutter nach,

die durch Dorn

stehen

blieb,

und nur

bisweilen

nach den Klagetönen

au» dem

und Gestrüpp vorau-eilte,

um

aufzuhorchen

Walde, die nur sie vernahm.

So gelangten sie an den Fuß die­

se» Felsen, und die Mutter rief: „Dort oben hör' ich da- Wei­ nen meine» Kinde«, dort oben muß die Höhl« der Bären seyn!"

Sie klimmte eilend» den Felsen hinan und halte die Spitze be­ reit» erreicht, ehe der Graf vom Rosse abspringen und ihr fol­

gen konnte, da aber brach aus den Felsspalten, wo sie bei ihren eigenen Jungen da» geraubte Kind verborgen, die alte Bärin heulend

hervor, stürzte sich auf da» Weib, und r» begann ein furchtbarer

Kampf zwischen den beiden Müttern.

Die Frau hatte der Bärin

den Wufspieß zwar tief in die Brust gebohrt,

aber sie war von

der Last derselben dennoch zu Boden geworfen worden, sie fühlte sich von den gewaltigen Tatzen eng umklammert, scharfen Zähne

in ihre Brust

gedrückt.

und schon die

Da erreichte der Graf

eben den Kampfplatz, er stieß seinen Fangstahl durch da» Herz der Bärin und rettete so

freute

die muthrrfüllte Mutter;

er sich de» Siege«,

al«

aber kaum er­

er sich plötzlich von hinten mit

riesiger Gewalt umfaßt und zu Boden geworfen fühlte.

Der alte

furchtbare Bär nämlich war auf da« Geheul der Bärin herbei­

geeilt, und suchte nun,

zur höchsten Wuth entflammt,

den Tod

11 derselben zu rächen; mit seinen Tatzen hielt er den Grafen fest

umstrickt,

und preßte ihm dergestalt die Brust

ihm daS Blut emporquoll, wollten.

zusammen,

und ihm die Sinne

Er hätte der Gewalt

daß

fast vergehe«

de» grimmigen Thiere- unter«

liegen müssen, denn da- Weib war nicht al-bald au- den Klauen der Bärin befreit, al« sie alle» andere um sich her vergessend in

die Fcl-schlucht gesprungen war,

um dort ihr weinende» Äthb

zu suchen, wenn nicht der Ritter von der Weiße, der treue Freund

in der Noth, erschienen wäre, auf sich gezogen hätte. folgt,

und den Kampf mit dem Bären

Er nur war der Spur de» Grafen ge­

ihm nur war da» Heulen

der

blutdürstigen Thiere da»

Zeichen der Gefahr seine- Freunde» gewesen, und seinen Fangstahl auf der Jagd

bereit» verschossen hatte,

ob er gleich

verloren und seinen Wurfspieß

so stürzte er sich doch mulhig

und nur

mit einem kurzen Dolch in der Hand auf de» furchtbaren Sieger

seine» ohnmächtigen blutenden Freunde«.

Der

Bär ließ sofort

von dem Grafen ab und strebte diesen neuen Feind zu umfassen, der Ritter wich ihm auch nicht au», und so in gegenseitiger Um­

armung, »Brust an Brust mit dem Unthier, drückte er ihm den

Dolch wiederholt

in die Rippen, 6t« der Bär unter gräßlichem

Gebrüll verendete.

Auch der Graf war wieder zu sich selbst gekom­

men, und al« beide Freunde sich umfaßt hielten,

und zwar hart

verletzt, aber doch al« Sieger die große Gefahr übersahen, der sie entgangen waren, trat die Mutter au« der Felsspalte mit ihrem wieder gefundenen Kinde, und rief:

„Mein Kind lebt noch, ich

habe r« wieder! Gott hat e« auch in der Höhle der Baren erhal­ ten !"

Der Ritter ließ sein Hüsthorn erschallen, die Jagdgrfähr»

ten versammelten sich alsbald auf der Spitze de« Felsen und er­ sahen mit Erstaunen au« den erlegten gewaltigen Bären die Ge­ fahr ihre« Herrn.

Der Graf aber hatte nur Augen für die ent­

zückte junge Frau, die ihr Kind an die Brust gelegt hatte, wo «8

die süße Milch der

Mutter

mit ihrem Blut«

vermischt trank,

12 und die kleine» Händchen zitternd nach ihr au-streckte. Haus« zu begleite» und

schenke».

Er be­

da» Weib sicher

fahl einem Anechte