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German Pages 124 Year 1928
Berlin in Geschichte und Kunst Von
Heinrich Spiere
München und Berlin 1928
Druck und Verlag von R.Oldenbourg
Serlin in Geschichte unö Runst. Von Heinrich SPiero.
1. Lage und geopolitische Se-eutung. Betrachten wir einen alten Plan von Berlin, zum Beispiel den jetzt im Märki schen Museum befindlichen von Johann Gregor Memhard oder den von La Vigne aus dem Jahre 1685, so sehen wir: Berlin liegt an der Spree und ihrem nördlichen Nebenfluß, der Pauke. Nehmen wir einen Plan aus der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts zur Hand, so wird deutlich: Berlin liegt an der Spree, an der Pauke und am Landwehrkanal, der, durch die Südstadt gezogen, parallel dem Hauptflusse Oberspree und Unter spree nochmals verbindet. Heute aber lehrt uns ein Blick auf die Karte: Berlin liegt an der Spree, an ihrer östlichen Erweiterung zur Müggel, es liegt an der Havel, und es zieht sich noch ein langes Stück den Oberlauf der Pauke entlang. Immer aber folgt die Haupt dehnung der Stadtanlage der ost-westlichen Flußrichtung; sie in erster Linie be stimmt Wachstum und Wirken des Ortes, und die Streckung Berlins an diesem Teile des Stromlaufes wird für seine Auswahl als Hauptort der Mark und für sein Wachsen zur Hauptstadt immer größerer Gebiete ausschlaggebend gewesen sein. Denn wohl bedeutete die Spree gegenüber der wasserreicheren Havel mit der alten Festung Brandenburg wenig; dafür aber lag Berlin in ein altes Urstromtal wie in natürliche Schutzwände unvergleichlich günstig gebettet, ein Tal, das ziemlich genau die Mitte zwischen dem Nordabhang der deutschen Mittelgebirge, insbesondere dem Nordrande Böhmens, und der Ostseeküste hält. Dies Tal ist das westliche Ende des mittelsten der drei norddeutschen Urstromtäler, des Warschau-Berliner, im Warthe-Oder-Spree-Zuge; nördlich verläuft im Netze-Warthe-Oder-Zug das Thorn-Eberswalder, südlich, von der Oder zwischen Guben und Kottbus abbiegend, das Glogau-Baruther-Tal, und alle drei kommen im Havelluch zusammen und gehen in das gemeinsame Becken des Elbtals über. Das Berliner Tal erstreckt sich in einer Breite von knapp 5000 Metern zwischen dem Plateau des Barnims nördlich und dem des Teltows südlich. Im Norden tritt der Höhenzug mit dem Prenzlauer Berge, den ehemaligen Weinbergen vor dem Rosentaler Tor und der Höhe, auf der die Zionskirche steht, noch heute ebenso deutlich im Stadtbild hervor, wie im Süden mit der sanften Hebung, die zu dem ehemaligen uralten Dorfe Schöneberg hinaufsührt und, viel stärker, mit dem Tem pelhofer Berge, dessen höchster Punkt der 66 m hohe Kreuzberg ist. Im fünfzehnten Kapitel von Wilhelm Raabes „Hungerpastor" wandert der Kandidat Hans Unwirrsch mit seinem Begleiter, dem Leutnant Götz, vom Fläming, dem den Südteil der Mark 1*
4 durchziehenden Bergrücken, auf die Hauptstadt zu. „Die Landstraße hatte sich an einem ziemlich unbedeutenden Hügel emporgewunden... Nacht war's und still, kein Zweig der kahlen Bäume zu beiden Seiten des Weges regte sich ... vor dem Hügel lag die Ebene, wie sie hinter ihm sich dehnte; aber mit Staunen und Schrecken starrte Hans auf den feurigen Schein vor ihm und horchte auf das dumpfe Rollen und Summen, welches aus einer unendlichen Tiefe dicht zu seinen Füßen zu kommen schien. ,Das ist die Stadt!' sagte der Leutnant Götz. ,Jn einer halben Stunde sind wir an den Barrieren.'" Da standen die beiden Wanderer unmittelbar an dem Abhang des Mergel geschiebes, zu dessen Fuß, eingeklemmt zwischen dem Nord- und dem Südplateau, in jenem Urstromtal Berlin erwuchs. Dies Tal dankt seine Entstehung dem Durch bruch des Spreewassers in der Diluvialzeit durch das vergletscherte Eiszeitgebiet. Wo, wie in den Müggelbergen, eine Staumoräne zusammengeballt war, hatten die Wasser einen Umweg machen müssen, der von ihnen mitgeführte Talsand füllte immer nur links und rechts des Flußlaufs und seiner Zubringer, der unter halb Köpenicks mündenden Wühle und der Panke, das Becken, bis er an den Höhen Widerstand fand. Im Mittellauf des Tales breitete sich unter dem Sande bis zu ziemlicher Tiefe Infusorienerde, eine aus abgestorbenen Algen gebildete Masse, und Moorgrund, durch den zum Beispiel in den Jahren 1925 und 1926 die Boden senkungen und Gebäuderisse beim Umbau des Opernhauses und der Alten Bibliothek hervorgerufen wurden. An einigen Stellen des Stadtbezirks, etwa in den Rehbergen im Norden, tritt auch noch weißer Dünensand an die Oberfläche. Dieses Spreetalgebiet hatte nun — und das war für seine Verteidigung günstig — im Westen, bevor es sich gegen das Havelluch hin öffnete, eine natürliche Schutzwehr in den Havelseen, die sich vom Tegeler Fließ bis südlich Potsdams hin ziehen. Der Einfluß der Spree in die Havel bei Spandau bildet einen natürlichen Brückenkopf zwischen dem Tegeler See und der bei den Pichelsbergen beginnenden südlichen See-Erweiterung der Havel. Durch diesen Engpaß ging zugleich die große Verbindungsstraße nach Westen, die bei Havelberg auf die Elbe stieß. Andererseits führten von Berlin zwei große und bequeme Straßen nach Osten zur Oder: die eine, nördliche, im Panketal über Bernau nach Oderberg; es ist genau die Linie der heu tigen Stettiner Bahn, nur daß diese vor Oderberg abbiegt, das aber noch heute Kanalmündung für den Berlin-Stettiner Großschiffahrtsweg ist. Die zweite Straße ging im Spreetal über Fürstenwalde nach Frankfurt, also auch genau im Zuge der heutigen Bahnlinie, und beide Straßen waren von Berlin her zu beherrschen. Vergegenwärtigen wir uns nun, daß Oderberg im frühen Mittelalter der große Stromübergang nach Pommern hin, Frankfurt derjenige nach der Lausitz und Schlesien war, daß sich zwischen beiden die unpassierbaren Brüche der Oder und Warthe dehnten, so erscheint die Siedelung im Spreetal zwischen dem Barnim und dem Teltow in ihrer durch die Natur gegebenen Bevorzugung: sie lag im Kreuz punkt des Straßensystems zwischen dem Elbübergang und den Oderübergängen. Der Verlauf der deutschen Geschichte aber war ja der: die im deutschen Ostraum siedelnden germanischen Völkerschaften brachen mit der Völkerwanderung nach Westen und Süden aus. Theodor Fontane hat das für unsere Landschaft in einer Vision dargestellt:
5 Über den Müggelsee setzt mich der Ferge. Nun erklett'r ich die Müggelberge. Mir zu Häupten rauschen die Kronen Wie zu Zeiten der Semnonen, Unsrer Urahnen, die hier im Eichwaldsschatten Ihre Gottheitsstätten hatten.
Und die Spree hinauf, an Buchten und Seen, Seh ich wieder ihre Lager stehen, Wie damals beim Ausbruch. Tausende ziehn Hin über die Dahme ... Der Vollmond schien. Jetzt aber — der Dämeritz ist überschritten — An des Zuges Ausgang und inmitten Erblick ich Mädchen, erblick ich Fraun, Alle thusneldisch anzuschaun, Alle mit Butten, alle mit Hucken, Draus blond die kleinen Germanen gucken — So ziehen sie südwärts mit Kiepen und Kobern, Von der Müggel aus die Welt zu erobern.
Dieser suevische Hauptstamm der Germanen, in dessen heiligem Hain Zins die Tagsatzungen aller suevischen Stämme statthatten, wanderte, wie alle Stamm verwandten nach Südwesten, und dann drängten die Slawen nach, wie August Kopisch es besingt: Dann hört man hier Wenden nennen. Wollten Christum nicht erkennen, Schlugen sich dreihundert Jahr.
Die Überbleibsel dieser wendischen Bevölkerung sitzen heute noch im Spree tal und Spreewald zwischen Bautzen und Lübbenau. Mit dem neuen Jahrtausend aber kam der große Rückschlag, es hob mit dem Reiten gen „Oostland" die deutsche Eroberung und Besiedelung des slawisch gewordenen Ostraums diesseits der Elbe an; schon drang unter dem sächsischen Markgrafen Gero (900—965) das Deutsch tum ins mittlere Spreetal vor. Aber unter Geros Nachfolgern ging der Gewinn wieder verloren. Erst im 12. Jahrhundert wurde die Wendung nach Osten vor allem durch Heinrich den Löwen von Bayern und Sachsen (1129—1195) mit stürmischem Nachdruck erneut, und damit beginnt auch die Geschichte Berlins.
2. Anfänge* Ziemlich genau halbwegs zwischen Köpenick und Spandau gabelt sich die Spree, bildet eine Insel und ändert dann ihre bisher nordwestliche Laufrichtung scharf nach Westen hin. An dieser Stelle liegt der Stadtkern des heutigen Berlins, und zwar erwuchsen hier nebeneinander zwei Städte, auf der Insel und dem West ufer Kölln, auf dem Ostufer Berlin. Die Herkunft beider Ortsnamen ist nicht mit voller Sicherheit festzustellen. Ein Historiker des 18. Jahrhunderts leitet Berlin von einem in der Erdbeschreibung des Griechen Claudius Ptolemäus (um 150) erwähnten Orte OIqovUov = Virilium = Virolinum = Berlinum ab; andere führen den Namen auf eine keltische Bezeichnung für Damm zurück, wahrschein licher ist die Herkunft von der etymologisch ungeklärten, auch sonst öfters vorkommen den Bezeichnung „to dem Berlin" für einen unbebauten Weideplatz.
6 Den Namen Kölln führte man, so noch Lessings Freund Christoph Friedrich Nicolai, auf das wendische Kollne zurück: Koll heißt Wasserpfahl; die Stütze dafür fand man später in aufgedeckten Pfahlbauten in der Spree. Neuerdings neigt man jedoch dazu, Kölln ebenso wie Köln am Rhein von dem römischen colonia (Siedelung) abzuleiten. Die slawische Deutung ist deshalb unwahrscheinlich, weil auf dem Köllner Gebiet eine wendische Niederlassung nicht nachzuweisen ist. Es hätte sonst nach der Eindeutschung auch hier als Wohnstätte der wendischen Fischerbevölkerung ein Kietz entstehen müssen, wie er in Küstrin dem Namen nach noch vorhanden ist und in Rummelsburg noch vor kurzer Zeit vorhanden war. Wie scharf noch lange in den Oderstädten die Scheidung zwischen Wenden und Deutschen war, kann man z. B. aus Achim von Arnims Geschichte von den drei liebreichen Schwestern entnehmen. In das Licht der Geschichte treten Kölln und Berlin erst mit der Eroberung der Mark durch das Askanische Fürstengeschlecht. Im Jahre 1134 belehnte Kaiser Lothar Albrecht den Bären von Anhalt (1100—1170) mit der Mark Brandenburg, deren Eroberung von Salzwedel her über Havelberg unternommen ward. Zunächst drang der neue Markgraf gegen die Wenden über Potsdam hin aus bis zur Havel-Nuthe-Linie vor; dann aber gingen er und seine Nachfolger in die Schmale des Spreetales wie vom Süden, so vom Norden, vom Barnim her, vor. Mit den Heeren kamen Mönchs- und Ritterorden ins heidnische Land. Zister ziensermönche gründeten das (von Willibald Alexis im 11. Kapitel der „Hosen des Herrn von Bredow" und von Fontane im 51. Kapitel seines Romans „Vor dem Sturm" wie in den „Wanderungen durch die Mark" geschilderte) Kloster Lehnin, südwestlich von Potsdam, und der Templerorden griff bis auf den Südrand des Teltows aus und gründete Tempelhof (dessen noch bis tief ins 19. Jahr hundert unveränderte Grundanlage wiederum im Anfang von Karl Gutzkows „Rittern vom Geiste" dargestellt wird). Noch wichtiger für die allmähliche Ein kreisung Berlin-Köllns durch Christentum und Deutschtum war die Niederlassung der Zisterzienser in Zinna bei Jüterbog; von hier stießen sie in ihrer missionierenden und kultivierenden Tätigkeit nördlich und östlich vor und begannen u. a. mit dem Bruch der Kalkberge bei Rüdersdorf. Die Herrschaft über den mittleren Spreelauf gehörte dem in Köpenick resi dierenden Wendenfürsten Jaczo, der im Gegenstoß im Jahre 1157 nach Westen drang und Albrecht das feste Brandenburg entriß. Als der Markgraf ihn wieder vertrieb und ostwärts verfolgte, soll Jaczo der Sage nach die Havel durchritten und durchschwommen und dabei, an seinen Göttern verzweifelnd, für den Fall seiner Errettung den Übertritt zum Christentum gelobt haben. An der in den Strom vorgebauten Uferstelle, die er glücklich erreichte, hing er dann seinen Schild an eine Eiche. Die Stätte dieser Überlieferung, das Schildhorn unterhalb Spandaus,
wo, bezwungen im Streite, Fürst Jaczo dem Christengott sich weihte, «Fontane.» ist jetzt durch ein Denkmal bezeichnet.
Erst Albrechts Urenkel, die von 1220—1267 regierenden Markgrafen Johann I. und Otto III. erwarben von einem slawischen Fürsten Borwin den Barnim und das Berliner Gebiet; 1237 wird Kölln, 1244 Berlin zum ersten Male genannt.
In Urkunden um das Jahr 1250 treten auch die ersten Namen von Berlin-Köllner Bürgern auf. Es sind der Propst Simeon von Kölln und der Schulze oder Schult heiß von Berlin Marsilius, offenbar ein Abkömmling einer ratsgesessenen Soester Familie, in dessen Person die Verbindung der neuen Städte mit den alten deutschen hervortritt. Der Bildhauer Max Baumbach (1859—1915) hat diese ersten beiden
Nikolaikirche, Südportal.
geschichtlich bezeugten Berliner auf dem Denkmal der zwei Markgrafen in der Siegesallee festgehalten. Johann und Otto versuchten, Siedler nach den beiden alsbald mit Stadtrecht ausgestatteten Orten zu ziehen. Das Spreegefälle ward zur Errichtung von Wasser mühlen ausgenützt, die Städte erhielten Zollgerechtigkeit, die Markgrafen ließen dort in einer Münze Geld schlagen, sie zogen Mönchsorden hin, die sich der Wohl tätigkeit unter der noch sehr armseligen Bevölkerung und der Volksbildung an nahmen. In Kölln ward dem Schutzheiligen der Stadt, dem Fischer-Patron Petrus
8 zu Ehren die Petrikirche erbaut, an der Stelle, wo das nach mehrfachem Brande 1853 von Heinrich Strack (1805—1880) errichtete jetzige Gotteshaus steht. In der nach ihnen benannten Brüderstraße saßen die Brüder des Ordens vom heiligen Dominikus, in Berlin, in der Klosterstraße ließen sich Franziskaner nieder. Dem Berliner Schutzheiligen, dem Kaufmanns-Patron Nikolaus, wurde die Nikolaikirche geweiht, deren Feldsteinbasis sicher noch aus dem ersten Drittel des 13. Jahrhunderts stammt. Während die einzige Berliner Wehrkirche, die in dem südlichen Vorort Buckow, einer einstigen Templersiedlung, noch heute das Antlitz ihrer ersten Anlage bewahrt, erwuchs die Nikolaikirche im Verlauf ihrer wechsel vollen, durch Brand unterbrochenen Baugeschichte zu einem bezeichnenden Denk mal der Backsteingotik; das Langhaus, der Hauptteil, ist erst in der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts fertig geworden, kurz nach der südlichen Erweiterung durch die zierliche Liebfrauenkapelle. Etwa ein Menschenalter später als zur Nikolaikirche legte man den Grundstein zur Marienkirche; auch sie wurde zum Teil aus Findlingsgestein hergestellt und erst im Lauf der Jahrhunderte, zumal nach dem großen Brande von 1380, in dem roten wetterbeständigen Backstein weitergeführt, der in seiner durch unser Klima sich abwandelnden Färbung den norddeutschen Hochbauten des hohen Mittelalters ihr besonderes Gesicht gibt. Wie die Nikolaikirche noch heute, so ragte die schräg zum Neuen Markte gestellte Marienkirche bis etwa 1885 zwischen einem Gewirr kleiner, schutzsuchender Häuser und enger Gassen in die gebietende Höhe; Julius Rodenbergs Novelle „Herrn Schellbogens Abenteuer" gibt noch einen Begriff davon. Die dritte Kirche des 13. Jahrhunderts, die Klosterkirche, errichteten die Baumeister des Franziskanerordens schon ganz aus Backstein. Die reichere Aus stattung des Chors und der Pfeiler zeigt ebenso die geschmackvolle Baulust jener Mönche, wie die sich unter dem jetzigen Gymnasium zum Grauen Kloster hin ziehenden hohen gotischen Wölbungen mit ihren die Vierungen tragenden Säulen. Die Grenze beider Städte bildete im Süden und Westen der Fluß. Nördlich und östlich wurde das Stadtgebiet schon im 13. Jahrhundert über die ursprünglich von den Markgrafen gesetzten Grenzen vorgeschoben. Die neue, etwa zwei Meter dicke und zehn Meter hohe Stadtmauer war von Rund- und Kanttürmen unter brochen. Ihre Richtung entsprach von der jetzigen Friedrichsbrücke über das Span dauer Tor bis zur Georgen-, der heutigen Königstraße ziemlich genau der Neuen Friedrichstraße. Wo nun die Stadtbahn den Alexanderplatz westlich begrenzt, stand das Oderberger oder Georgentor. Nicht weit außerhalb dieses Durch lasses beherbergte das St. Georgenhospital die seit den Kreuzzügen zahlreich gewordenen Aussatzkranken. Vom Georgentor bis zum Stralower Tor und zum Spreeufer steht dann die Stadtbahn auf den alten Stadtmauerfundamenten. Auf der Köllner Seite setzte die Mauer sich bis zum Köpenicker Tor am Ende der Roßstraße fort, durch die man auf das Winter- und das Sommerfeld gelangte; quer über diese führte der Weg nach Köpenick. Die Stadtmauer lief westlich bis zum Spreeknie fort, wurde am Ausgang der Gertraudtenstraße vom Gertraudtentore geteilt, folgte nach Norden dem heutigen Mühlgraben und endete der berlini schen gegenüber an der Spree.
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Nahe dem Spandauer Tore, erst durch die Stadterweiterung in die Be festigung eingebettet, lag das Hospital zum Heiligen Geiste, eine unter hoch stämmigen Bäumen erbaute Zuflucht der Armen und Siechen. Seine Kapelle mit dem wunderschönen gotischen Sterngewölbe, wohl ein Werk aus den ersten Jahren des 14. Jahrhunderts, steht noch, einbezogen in das Gebäude der Handels hochschule. Diese vier Kirchen, Nikolai, Marien, Kloster und Heiliggeist, sind die ältesten Bauwerke Berlins; nur ein Bürgerhaus, das Schipmannsche auf dem Hohen Steinweg 15, reicht in seinen Grundmauern, den Gurtgewölben seiner Keller und den Stern- und Kreuzgewölben zweier Räume des Erdgeschosses, noch ins 14. Jahrhundert zurück. Denn bis zu dieser Zeit waren außer den Kirchen alle Häuser der Stadt aus Holz, so daß der Bürger Zabel (Sabellius), als er sich im Jahre 1288 ein steinernes Haus erbaute, den Beinamen „a domo lapidea“ (vom steinernen Hause) erhielt. Das bescheidenere Kölln war, wie schon die Wahl des Schutzheiligen zeigt, wesentlich eine Fischerstadt, Berlin dagegen entfaltete alsbald, dank seiner Lage zur Oder, einen lebhaften Handel, in dem allerdings auch der Fisch eine große Rolle spielte. Die Stadt wurde ein wichtiger Umschlagplatz für Seefische. Welche Be deutung besonders der Hering in Verdienst und Wandel der Stadt hatte, erhellt zum Beispiel aus einer Aufzeichnung des Stadtbuches von 1397, das die für das städtische Wesen wichtigsten Verordnungen und Rechtsfälle zusammen faßte. Da heißt es, bezeichnend zugleich für die Grausamkeit damaligen Straf rechts: „Eyn Junge ward gehangen dorch des willin sdarums, bat he hadde gestolen by nachte eyne turnten Heringes, vor Claims Schulten schumekers hus. Dy turnte Heringes horede (gehörtes unsers medeburgers sMitbürgers) Bussen Langen, des bekantte dy Junge witlich vor allin luden." [... vor allen Leuten). Kölln erhielt Spandauer, Berlin aber das weit bedeutendere Ansprüche be friedigende Brandenburger Stadtrecht. Demzufolge ernannte in Kölln der mark gräfliche Vogt die Ratmannen; in Berlin, das ohne Vogt unmittelbar unter dem Markgrafen stand, ergänzte der Rat sich selbst in freier Kürung. In Kölln richtete der Vogt im Namen des Landesherrn, in der Schwesterstadt sprach „aus Vollbord" (aus der der Stadt verliehenen Vollmacht) der Schulze mit den Schöppen Recht, und vor dem Rathause am Molkenmarkt, dem „Alten Markt", zu dem im Zuge des heutigen Krögels ein Stichkanal führte, bezeugte der ragende Roland diese Bevorzugung; vor dem Köllner Rathause am Fischmarkt erhob sich keine solche symbolische Gestalt. Jenes Berliner Rathaus, bei dem auch der Pranger seinen Platz hatte, war ein Holzbau, schon zu Ende des 13. Jahrhunderts aber wurde weiter der Marienkirche und dem Neuen Markte zu ein steinernes Rathaus aufgeführt; an der Westseite befand sich die Gerichtslaube, eine offene gotische Halle, unter der an gewissen Tagen öffentlich Recht gesprochen ward. Sie steht jetzt als einziger Rest des alten Baus im Park von Schloß Babelsberg. In ihrem Friese sind die zum Verbrechen führenden Leidenschaften durch Tiere dar gestellt. An der Außenecke glotzte der Kaak, ein geflügelter, langohriger Menschen kopf aus gebranntem Ton, in die den Gerichtsverhandlungen beiwohnende Menge; ein Abguß des verlorenen Urstücks wird im Märkischen Museum bewahrt.
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Der Rat setzte sich im wesentlichen aus grundbesitzenden Geschlechtern zu sammen, und zwar vor allem aus eingewanderten deutschen Familien; doch be gegnet uns in der Ratsrolle schon im Jahre 1280 „Lüdecke, der Slave" — die Wenden hatten also hier eine bessere Rechtsstellung als anderswo. Die allmählich entstehenden Zünfte und Innungen der Handwerker wurden vom Rate eifer süchtig niedergehalten und mußten um ihre Beteiligung an der Macht langwierige Kämpfe führen. Auf die Dauer erwies sich die rechtliche und verwaltungsmäßige Trennung der beiden in regem bürgerlichem Verkehr miteinander stehenden Nachbarstädte denn doch als widernatürlich. So erbaten und erhielten die beiden Räte im März 1307 von dem Markgrafen Hermann die Vereinigung ihrer Gemeinwesen zu einer Stadtgerechtigkeit. Der Rat sollte zu zwei Dritteilen aus Berliner, zu einem aus Köllner Bürgern gebildet werden; der Schöppenstuhl sollte so zustande kommen, daß die Berliner drei Köllner, die Köllner aber vier Berliner küren mußten. Förmlich waren auch jetzt Berlin und Kölln noch Einzelstädte; aber die Ge meinsamkeit der obersten Verwaltung führte zu einer gemeinsamen Politik, zu immer unlösbarerer Verknüpfung, und so dürfen wir von jetzt ab von Berlin sprechen, wenn es auch noch Jahrhunderte dauerte, bis nach erneuter Trennung alle Unterschiede beseitigt wurden.
3. Macht und Sturz. Die Einung der beiden Städte fand ihren äußeren Niederschlag in zwei Bauten. Bisdann war der Mühlendamm die einzige Verbindung zwischen Berlin und Kölln gewesen — nun bauten die Räte nördlich davon die Lange Brücke. Es ist dies der Flußübergang der jetzigen Kurfürstenbrücke, und infolge des damals viel breiteren Spreebetts war die Brücke wirklich von stattlicher Dehnung. Ihre mittleren Pfeiler ruhten auf einer Insel, und mitten auf sie setzte man das ge meinsame Rathaus; das war im Mittelalter nichts so Seltenes, auch das Bam berger Rathaus steht, zu gleicher Befriedigung beider Stadtteile, mitten im RegnitzFluß. Von diesem ersten Kölln-Berliner Rathause gibt Willibald Alexis im Eingang seines Romans „Der Roland von Berlin" ein anmutiges Bild. „Es war aber das Rathaus der vereinigten Städte Berlin und Kölln ein hohes und stattliches Gebäude, in all dem bunten Schmuck der Zeit, wo es entstanden. In der Hast aufgeführt, weil man's bedurfte, als die Städte sich zusammentaten zu einer, war es nicht so fest und von dicken Steinen als die großen Rathäuser in andern reichen Städten. Darum dauerte es auch nicht über das Mittelalter hinaus, und ist keine Spur davon übergeblieben. Waren kaum die Untermauern und ein Teil des Erdgeschosses von Stein, und wos war, warens nur Backsteine. Das andere ruhte auf Pfahlwerk, und waren die Obergeschosse alle Fachwerk. Aber zur Zeit, wo beide Städte dieses Rathaus zu gemeinsamer Ehr und Nutzen aufführten, baute man in Fachwerk nicht minder kühn und lustig als in Stein und Mörtel. Da fand man dieselben Formen in den himmelhohen hölzernen Häusern wieder, über die wir in den gotischen Baudenkmälern der Vorzeit aus Sandstein und Marmor staunen. So ragte auch das Rathaus zwischen Berlin und Kölln mit seinem buntverzierten Oberbau und den vielen zierlichen Türmchen über die andern Häuser hinaus. Die Türmchen, nicht zur Ver teidigung, es war nur Spielwerk, schauten nach allen Stadtteilen; der mächtige, vielfach ausgezackte Giebel aber war dem Spreeflusse zugewandt. Er durste nach keiner der beiden Städte blicken. Das Holzwerk war nicht überputzt, aber, künstlich ausgeschnitzt und rötlich gefärbt, glänzte es schon von fern dir entgegen, und das Auge sah die ganze Gliederung des wunderlichen Baus. Wie schöne Mohren und Türken und allerhand Ungeheuer zeigten die
— 11 — kunstvoll geschnitzten Balkenköpfe, und wie grimmig gähnten die Drachenköpfe von den Wettertraufen! Und wie waren die Stiele zierlich überkreuz gefugt, daß es wie ein queres Schachbrett aussah. Und überall, wo eine Mauerwand sich bloß gab, war sie mit bunten Malereien überdeckt. Die Helden und Weisen aller Zeiten, auch die Königinnen und Schönen der ritterlichen Höfe waren hier zu sehen; alle, Griechen, Römer und Hebräer als die der Fabel in der buntesten, scheckigsten Modetracht des abgelaufenen (b. i. des 14.) Jahrhunderts. Da ritt der heilige Georg und tötete den Lindwurm, der heilige Florian goß Wasser über die Feuersbrunst, und der heilige Martin teilte mit dem Schwert seinen Mantel mit dem Armen, der ihn anbettelte. Aber unter den Türen und an den Ecken noch einmal, stand, in Holz ge hauen, der große Christofsel; denn der das Jesuskindlein trug, das ist die Welt, des Schultern sind wohl stark genug, um ein Haus zu tragen. Aber an allen Ecken hingen die Wappen von Berlin und Kölln, ihrer Geschlechter und der verbündeten Städte."
Bisher war es mit dem Wohlstand der Stadt langsam bergan gegangen; jetzt wuchsen ihr Reichtum und ihre Macht rascher. Es dauerte nicht lange, und Ber lin ließ, in der Gunst seiner Mittellage, das einst mächtige Brandenburg und die Haupt- und Handelsstadt Frankfurt weit hinter sich zurück. Es schloß mit nahen kleineren Orten Schutz- und Trutzbündnisse und dehnte diese Einigung mit der Zeit auf Frankfurt, Brandenburg, Salzwedel aus, ja bis nach Dahme in der Niederlausitz — kurz, Berlin übernahm 1308 die Führung des Märkischen Städte bundes, und nicht lange, so durfte auf der Zinne des Rathauses die Flagge der Hanse hochgehn; Berlin war dem land- und meerbeherrschenden Bunde bei getreten. Der Märkische Städtebund zielte, wie die verwandten Verbindungen im übrigen Reich, auf selbständige Wahrung des Landfriedens, und zwar da, wo die Kraft des einzelnen Gemeinwesens nicht hinreichte, mit „gesamter Hand". Man kam überein, keinem neuen Landesherrn anders als nach vorgängiger Verständi gung untereinander zu huldigen und Heerfolge zu leisten. Die letzten anhaltini schen Markgrafen, insbesondere Waldemar der Große (1308—1319), hemmten diese Bestrebungen der Städte nicht; Waldemar stattete vielmehr Berlin noch mit neuen Rechten aus. Er unterstellte die in Berlin lebenden Edelleute und die „mark gräflichen Kammerknechte", die im Großen Jüdenhofe zwischen der Stralauer Straße und der Georgenstraße wohnhaften Juden, der einträglichen städtischen Gerichtsbarkeit, während sie bislang nur vor das markgräfliche Landgericht gezogen werden konnten. Er bewilligte, daß Berliner Bürger nur vor ihr eigenes Gericht geladen werden durften. Schließlich bestätigte Waldemar den Berlinern die Frei heit der Getreideausfuhr nach Hamburg und befreite ihre nordöstlich aus- und ein gehenden Waren von dem Zwange der Niederlage in Oderberg; sie durften also künftig bis zur Berliner Niederlage zwischen Spree und Molkenmarkt passieren, ohne erst in Oderberg gestapelt und mit Gebühren belegt worden zu sein. Von Berliner Niederlaggebühren war nur frei, wer „syne kremeryge draget vnder syn arme", also die kleinen Krämer. Im Jahre 1320 starb mit Heinrich dem Kinde, ein Jahr nach Waldemars Tode, der brandenburgische Zweig der Askanier oder Anhaltiner aus. Nun, in dem sofort einsetzenden Zwist um die Lehnsfolge, zeigte sich die trutzige Macht des Städtebundes. Die Städte erklärten sich für Rudolph von Sachsen, einen Ab kömmling der Anhaltiner, und als Kaiser Ludwig der Bayer auf dem Nürn berger Reichstage von 1323 seinen ältesten Sohn Ludwig mit der Mark belieh, war der von Guben bis Rathenow, von Luckau bis Eberswalde gedehnte Städte-
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bund stark genug, auf einer in Berlin gehaltenen Tagung seine Neutralität zwischen den um das Land hadernden fürstlichen Parteien erklären zu können. Es kam nicht zum Kriege, der Kaiser setzte seinen Willen durch, aber die feste Haltung der Städte brachte Berlin einen bedeutenden Gewinn. Ludwig verpfändete einem der Prä tendenten, dem mit der Witwe Waldemars vermählten Otto von Braun schweig, für eine Abfindung eine mittelmärkische Stadt — aber Berlin war von dieser Möglichkeit ausgenommen. Nun trat Berlin auf die Seite des vom Kaiser ernannten Markgrafen Ludwig und hielt auch zu ihm, als der Papst Johann XXII. (1316—1330) ihn bannte. Immer wieder versuchte Rudolph von Sachsen, die neue Ordnung der Dinge zu durchbrechen. Mit Unterstützung des Papstes warb er Parteigänger, unter denen der Propst Nikolaus von Bernau der entschlossenste war. Die Städte weigerten dem Sachsen Unterstützung und Gehorsam, selbst auf die Gefahr päpstlichen Bannes hin. Da wagte Nikolaus nicht nur den Einritt in die Stadt, er scheint auch vom Altar der Marienkirche her gegen den Kaiser und den neuen Markgrafen geeifert zu haben. Er fiel am 16. August 1325 unmittelbar vor der Kirche der entfesselten Volkswut zum Opfer, wurde niedergeschlagen und verbrannt. Nun kam wirklich der päpstliche Bann über Berlin und wurde erst nach großen Geldopfern und langen Verhandlungen gelöst. Vor der Marienkirche aber ward ein Sühnekreuz errichtet, dessen Bedeutung freilich späteren Geschlechtern aus dem Gedächtnis schwand, so daß ihm Detlev von Liliencron in der Ballade „Das Steinkreuz am Neuen Markt" eine ganz andere, humoristische Deutung geben konnte. Die Stadt wußte auch die Zeit des Interdiktes mit ungeschwächter Macht zu überstehen. Ja, sie durfte es wagen, in einem das ganze Land aufwühlenden Streite Partei gegen den Markgrafen zu nehmen. Waldemar war sehr volkstümlich ge wesen, und nach seinem Tode wiederholte sich in der Mark die auch sonst beim Ab leben beliebter und eindrucksvoller Herrscher beobachtete Erfahrung: die Tatsache des Heimgangs fand nicht überall Glauben. Die Sage umwand Waldemars Gestalt — In Lüften ein Lärmen, ein Bellen und Jagen, „Das ist Waldemar", sie flüstern und sagen — (Fontane.)
und als im Jahre 1347 ein Mann von fürstlicher Haltung sich für den angeblich zur Sühne einer rechtswidrigen Ehe nach dem Heiligen Lande gepilgerten und nun zurückgekehrten Waldemar ausgab, fand er zahlreiche Anhänger. Er wurde zur Schachfigur auf dem politischen Felde. Der nach Ludwigs des Bayern Tode auf den deutschen Thron gelangte Kaiser Karl IV. aus dem Hause Lützelburg (Luxem burg) wurde von Ludwigs Sohne, eben dem brandenburgischen Ludwig, nicht an erkannt und bekämpft. Er rächte sich durch förmliche Belehnung des alten Walde mar, dessen wirkliche Herkunft stets im Dunkel geblieben ist, mit der Mark. Markgraf Ludwig aber stand, nach des Willibald Alexis Wort „mit dem einen Fuße auf dem brandenburgischen Sande, mit dem andern auf den Alpen Tirols, und sein Sinn war nicht hier, und sein Sinn war nicht dort. In der Mark fröstelte ihn". So waren auch die Märker nicht warm mit ihm geworden, und als der von dem anhaltinischen Hause aufgenommene und gestützte Waldemar in die Mark einbrach, öffnete ihm schließlich, nach langen vorsichtigen Verhandlungen, auch Berlin im Jahre 1348 seine Tore.
— 13 — Nun kamen schwere Jahre. Die Pest zog in die Lande, Judenverfolgungen brachen aus (man beschuldigte die Juden der Brunnenvergiftung), und die düsteren Flagellanten, die Geißelbrüder, zogen durch die Städte, Selbstfolterung zur Buße für die Gottesstrafe des „Schwarzen Todes" heischend. Dabei gingen die Kämpfe weiter. Berlin ward 1349 durch Ludwigs Schwager, den König von Däne mark belagert, aber durch Waldemars mecklenburgische Verbündete entsetzt. Dann ließ der Kaiser im nächsten Jahre Waldemar fallen, aber Berlin erklärte namens des Märkischen Städtebundes, es wolle beim anhaltischen Hause bleiben. Ludwig mußte mit seinem jungem Bruder, Ludwig dem Römer, dem er 1350 die Mark abtrat, nochmals gegen Berlin ziehn. Wieder kam es zu keiner Eroberung, aber von seinem Feldlager in Tempelhof her vertrug er sich 1351 mit der Stadt, in der aber noch jahrelang blutiger Streit zwischen den Parteien geherrscht hat. Wie schlimm die Pest gehaust hatte, zeigt die Geschichte der Templergründung Richards dorf hinter dem Sommerfelde südöstlich Berlins; das Dorf war völlig öde und leer geworden, die Johanniter mußten ein neues erbauen und besiedeln, das den alten Namen erhielt, der allmählich in Rixdorf zusammengezogen wurde. Kaiser Karl IV. hat Berlin von seiner Elbresidenz Tangermünde her be sucht, er hat aber auch schweren Zwist mit der Stadt zu bestehen gehabt. Ludwig der Römer starb im Jahre 1365, und das Regiment kam an seinen dritten Bruder, Otto den Faulen. Diesen trieb der nach dem Besitz der Mark für sein eigenes Haus begierige Kaiser so in die Enge, daß er im Vertrage zu Fürstenwalde am 15. August 1373 für sich und die Wittelsbacher auf Brandenburg verzichtete. Nun war Karl der Herr, aber Berlin weigerte ihm den Einlaß. Die Doppelstadt fürchtete dem Kaiser nicht versagen zu können, was sie von den ewig bedrohten bayrischen Markgrafen stets erlangt hatte, sie fürchtete für ihre fast reichsstädtische, durch den Rückhalt an der Hansa gestärkte Selbständigkeit. Der Bürgermeister Thile Wardenberg und der Kämmerer Albert Rathenow entflammten die Bürgerschaft und begannen im Verbände mit einigen märkischen Edelleuten den Kampf. Er verlief für die Stadt unglücklich. Sie öffnete 1373 Karl den Zugang; er zog von Strausberg her ein, bestätigte die städtischen Rechte, ächtete aber die zwei entflohenen Führer Rathenow und Wardenberg. Der erste war jedoch nach wenigen Jahren wieder Aldermann von Berlin und sogar Gesandter am Kaiser hof, Wardenberg kehrte nicht zurück, blieb aber auf einigen, durch die Acht nicht ver lorenen märkischen Besitzungen. Unter Karl IV. wurde das Land befriedet, und obwohl er Tangermünde zum Vorort des märkischen Handels machen wollte, konnte er die Blüte Berlins nicht beeinträchtigen. Der landesherrliche Mühlenhof nahe dem Krögel, zu dem die Dörfer Schöneberg und Wilmersdorf gehörten, war den Bürgern ver pachtet und brachte reichen Ertrag, das Gewerbe gedieh, die frommen Bruder schaften, zu denen die wohltätige Gilde des Kalandsordens*) in der Nähe der Marienkirche getreten war, übten ihre menschenfreundliche und bildende Tätigkeit, von den in den Pest- und Fehdezeiten immer wieder ausbrechenden Volksleiden schaften ungestört. Der Landbesitz der Städte wuchs. Schon eignete den Köllnern der Hof Treptow an der Spree, den Berlinern Reinickendorf und der Wedding 9 Der Name stammt vom römischen Kalendae; die Brüder hielten ihre Versammlungen im Kalandshof zu den Kalenden, d. i. am Monatsersten.
— 14 — irrt Norden, längs der Panke Teile von Pankow, int Osten der Boxhagen und der Hof von Stralo w. Die Stadt versuchte nach Möglichkeit, benachbarten Rittern, die ihr gefährlich werden konnten, ihr Land abzukaufen, und setzte, wo ihr das ge lang, eigene Lehnsleute auf die Stellen, so in Falken berg. Berlin dehnte mit diesem Vorgehen seine Macht auf den Teltow und den Barnim aus. Freilich ward dies Gedeihen durch verheerende Brände immer wieder gestört, der schlimmste war im Kometenjahr 1380, von dem mit Berlin in Fehde liegenden Geschlechte der Balken von der Lietzenitz angelegt— das Haupt des Missetäters ErichValke wurde auf dem Oderberger Tor aufgepflanzt. — Dieser Brand vernichtete die Marien kirche, St. Nikolai mit Ausnahme der Vorderwand, das Berliner Rathaus und zahl lose Bürgerhäuser. Das Unglück fiel schon in die hadervolle Zeit nach Karls Tode*). 1378 war der Kaiser gestorben und hatte Brandenburg an seinen unmündigen Sohn Sigismund vererbt; dieser, anderen politischen Plänen zugewandt, in Ungarn zum Herrscher gekrönt, verpfändete 1388 die Marken (außer der Neumark) an einen Vetter, Jobst von Mähren. Der kümmerte sich um sein neues Land nur, wenn es galt, durch Verpfändung fürstlicher Rechte oder auf andere Weise Geld aus ihm zu gewinnen. Die Mark verkam in Unfrieden, in ritterlicher Fehde- und Raublust und lag den feindlichen Nachbarn offen. Ernst von Wildenbruch hat in seinem Schauspiel „Die Quitzows" einige der damals in Berlin gangbaren Spottverse auf den fernen Landesherrn in unsre Sprache übertragen. Da sang man bei dem obergärigen, sandgelben Weißbier, das nur in Berlin-Kölln richtig ge braut und in steinernen Kruken bewahrt wurde: Ein Schnarchen tut man hören Rings in der Christenwelt, Das ist der Jobst von Mähren, Der schläft aus brandenburgschem Geld.
Oder die Kinder sangen in der dem gutmütigen Berliner gleichzeitig anhangen den Spottlust: Herr Jobst, Herr Jobst, Gib unsern Kindern Obst; Hast Brandenburg aufgefressen, Nicht Stumpf noch Stiel vergessen. Laß Äppel und Birnen hangen, Sonst müssen wir betteln gangen.
Den vorgeblichen Sänger dieses Liedes, den Berliner Schmiedegesellen Köhne Finke, erschuf Wildenbruch aus der letzten Strophe einer Berliner Volks ballade, darin es heißt: Der uns dies neue Lied erfand, Ein Schmiedeknecht ist er genannt, Sie heißen ihn Köhne Finken. Er führt ein Hämmerchen in seiner Hand, Gut Bierchen mag er wohl trinken. x) Das furchtbare Ereignis des Brandes, das lange im Gedächtnis der Berliner Bürger haftete, hat der Chronist Angelus in folgendem Distichon besungen:
TIbVrtl Festo Berlin perlt Igne Molesto Et sIC In CIneres soLVItVr Vrbls honos. (Zehrende Flamme umlohte Berlin am Tag des Tiburtius, Und zu Asche versank Zier und Stolz unsrer Stadt.) Die fetten Buchstaben ergeben, als römische Zisfern zusammengezählt, die Summe 1380.
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Freilich litt Berlin unter den Verhältnissen der Zeit viel weniger als das flache Land. Unter tüchtigen Bürgermeistern wie Henning Perwenitz wußte die Stadt vielmehr ihre Macht und ihren nach dem Schrecken des Brandes rasch wieder erblühenden Wohlstand mit der nun schon oft bewährten berlinischen Zähig keit zu mehren. Sie erwarb das feste Schloß Köpenick zu eigener Wehr gegen Osten und das Dorf Lichtenberg vor dem Stralower Tore. Berlin verschaffte sich eigene Münzgerechtigkeit und schloß nach vorübergehender Entfremdung den Bund der beiden Nachbarstädte noch enger; so sollte jeder Köllner Bürger ohne weiteres das Berliner, jedweder Berliner das köllnische Bürgerrecht besitzen. Schließlich brachte die Stadt zu weiterer Wahrung ihrer stolzen Unabhängigkeit durch Kauf auch das höchste Gericht und den Blutbann an sich — sie gewann immer mehr republikanische Selbständigkeit. Jedoch auch Berlin wurde auf die Dauer von den Kämpfen des in unselige Friedlosigkeit verstrickten Landes nicht verschont. Die Landsremdheit und Ferne des durch Statthalter vertretenen Markgrafen kam einmal den benachbarten pommerschen Herzogen zugute, die ihre Fahnen bis vor die Tore Berlins trugen, dann aber dem märkischen Geschlechte der Quitzows*). Diese Ritter von wendi scher Herkunft, Männer von bedenkenloser Herrschsucht und Tapferkeit, eroberten von ihrer Burg Quitzöwel nahe Havelberg und dem erheirateten Schloß Plaue her eine große Anzahl märkischer Plätze, und insbesondere der 1366 geborene Dietrich von Quitzow gewann eine fast fürstliche Machtfülle, er war ein ge fürchteter Gegner und ein oft von eben Bekämpften umworbener Bundesgenosse. Gemeinsam mit den Berlinern entriß er den Pommern Strausberg und das nördlich Berlins gelegene Bötzow. Berlin empfing ihn mit glänzenden Festen; der geistliche Chronist Engelbert Wusterwitz von Brandenburg an der Havel berichtet ausführlich über die von dem Rat gegebenen Bankette und Tanzfeste. Aber der Quitzow hielt die Treue nicht. Im Jahre 1410 überfiel er die Berliner Herden, und, wahrscheinlich unter Führung von Nikolaus Wins, zogen die Berliner nun gegen den vormals Verbündeten, wurden aber nördlich ihrer Stadt, wohl in der Jungfernhaide, geschlagen. Der Quitzow nahm den Berlinern auch Köpenick fort. Und sein Geschlecht war nicht das einzige willkürlich in den Landen hausende. Die allgemeine Unsicherheit griff allmählich auch auf die innerstädtischen Verhältnisse über, wo die Zünfte mit dem Rat haderten. Und die schwere Nieder lage des Deutschen Ordens bei Tannenberg im Jahr 1410 machte die Polengefahr riesengroß. Da starb Jobst von Mähren, und im gleichen Jahre 1411 ließ sich Kaiser Sigismund zuerst von den Berlinern zu Händen des Ritters Wend von Jhleburg (Eulenburg) huldigen, dann übertrug er am 8. Juli 1411 dem ihm durch klugen politischen Beistand wohlvertrauten Burggrafen Friedrich VI. von Nürn berg aus dem Hause Zollern, der damals gerade vierzig Jahre zählte, die Ver weserschaft der Mark; vier Jahre danach, auf dem Konstanzer Reichstag stattete er Friedrich auch mit der Kurwürde als Erzkämmerer des Reiches aus. Die erste Aufgabe des neuen Herrn war, das nach August Kopischs Wort „von den Quitzows ganz zerquitzete" Markgrafentum zu befrieden, die feindliche x) Das ausführlichste Werk über die Quitzows schrieb der Berliner Schulmann und Geograph Karl Friedrich von Klöden; neue Bearbeitung von Friedel 1889—90.
— 16 — Nachbarschaft seines neuen Reiches abzuwehren. Solche Tätigkeit entsprach nicht eigentlich seinem Wesen, denn der märkische Poet Nikolaus Upschlacht singt von ihm: Na striden jagete Hy gar sachte, Lifslichen [...] mit em kosete und lachte. Na frede stund all sein beger.
Aber er mußte sich dem Kriegswerk unterziehen. Am 7. Juli 1412 hatten die Berliner dem neuen Markgrafen gehuldigt, am 24. Oktober kämpften zum ersten Male Berliner und Köllner unter hohenzollernscher Führung, und zwar gegen die jungen pommerschen Herzöge Otto und Kasimir, die über das Rhinluch in die Mittelmark vorstoßen wollten. Bei Kremmen kam es zur Schlacht. Die Pommern waren im Vorteil und drangen auf dem das brüchige Gelände querenden Kremmer Damm vor, wie einst in einer früheren Kremmer Schlacht ihre Vorfahren. Aber die Einnahme der Stadt gelang ihnen nicht, sie mußten zurück, und Friedrich war dieser einen und schwersten äußeren Bedrohung Herr. Freilich hatte die Schlacht schmerzliche Opfer gefordert. Der vertrauteste Begleiter und Fähnleinführer des Markgrafen, der Graf Johannes von Hohenlohe, war gefallen. Im Torfmoor, neben dem Kremmer Damme, (Wo Hohenloh fiel) was will die Flamme?
(Fontane)
Seinen Leichnam ließ Friedrich in der Berliner Klosterkirche beisetzen und von einem, uns dem Namen nach unbekannten Meister dem Freunde zu Ehren ein Gemälde fertigen, das jetzt seinen Platz neben der Orgel hat. Theodor Fontane beschreibt es (in den „Fünf Schlössern") folgendermaßen: „Es ist, aller Wahrscheinlichkeit nach, eines Nürnberger Meisters Arbeit, ein vergleichweise wohlgelungenes Bild, auf dem wir einen jugendlichen Ritter in schwarzer Rüstung und weißem Pelzmantel erblicken, der vor dem Heilande kniet und wehmütig das blasse, überaus traurige Haupt zu dem Erlöser erhebt. Christus selbst steht mit den Emblemen seiner Schmach, mit Geißel, Dornenkrone und dem Mopstabe, vor dem Ritter, aus des Heilandes Wunden aber ergießen sich fünf Blutströme in den Kelch des heiligen Abendmahles. Darüber ein Helm mit dem Adlerschmuck und ein Wappenschild mit zwei Leoparden. Um das Ganze herum zieht sich die Legende: ,Nach Christi Geburt im 1412. Jahre am St. Columbanus Tage verschied der hochgeborne Graf Herr Johannes von Hohenlohe. Dem Gott genade.'" Auch die Quitzows und ihre Freunde hatten dem neuen Markgrafen gehuldigt. Nichtsdestoweniger fuhren sie alsbald in ihrer Bedrückung und Ausraubung der Marken fort, und Friedrich mußte sie förmlich bekriegen. Wieder fand er die Heeresfolge der Berliner, sogar die Glocken der neu ausgebauten Marienkirche wurden zu Geschützen umgegossen, und als fünf Frankfurter Kaufleute Friedrich Geld zum Feldzuge vorschossen, übernahmen die Berliner Burgemeister Johannes Danewitz und Thomas Heidecke die Bürgschaft dafür. Die Quitzows wurden schon im Jahre 1414 geschlagen, ihre Burgen Friesack und Plaue gebrochen, Rathe now, dessen sie sich bemächtigt hatten, bezwungen. Die willige Beteiligung der Berliner an diesen Kämpfen und an der Wieder eroberung des von den Pommern besetzten Prenzlau int Jahre 1426 unter den Bürgermeistern Bastian von Welsickendorf, Henning Stroband (der als Ratmann in Wildenbruchs „Quitzows" auftritt) und Hans von Petersdorf
— 17 — sicherte der Stadt ihre alten Rechte und Vorrechte. Aber innerhalb der Mauern herrschten schwere Kämpfe um die Ratsverfassung. Als im Jahre 1342 die Hussiten bis vor Bernau kamen, haben sich die Berliner wohl einheitlich gegen die bis vor ihre Tore streifenden Scharen gewehrt, aber sonst gab es mannigfachen Hader. Der Rat ergänzte sich ja seit alten Zeiten selbst. Dennoch hatten die vier angesehen sten Zünfte, diejenigen der Schuhmacher, Tuchmacher (Wollweber), Knochen hauer (Schlächter), Bäcker schon um 1380 Anteil an dem Stadtregiment errungen, wie schon ein Jahrhundert vordem in dem altmärkischen Stendal der Obmann der Gewandschneidergilde Bismark, ein Vorfahr des Kanzlers, dem Rat zugehört hatte. Nun drängten die andern Gewerke nach gleichen Gerechtsamen. In den sich so anspinnenden Streitigkeiten glaubten die emporstrebenden Bürger den Landesherrn auf ihrer Seite zu haben, der in der Prenzlauer Stadtverfassung in ihrem Sinne gehandelt hatte. Aber er konnte ihnen um so weniger helfen, als er fast ständig außerhalb der Mark weilte. Die Eroberung Prenzlaus hatte sein Sohn Johann, wegen seiner Neigung zu chemischen Versuchen Johann, der Alchymist, genannt, leiten müssen, und später führte für den abwesenden Gatten die Kurfürstin Elisabeth, eine bayrische Prinzessin, die schöne Else zubenamst, die Regierung. So konnte Berlin im Bunde mit Frankfurt und Brandenburg nicht nur die Städte der Mark gegen alle etwaigen fürstlichen Ansprüche hinter sich bringen; es blieb auch bei der Wahl des neuen Rates durch den alten. Berlin und Kölln besaßen nun drei Bürgermeister (consules) und fünfzehn Ratsherren (senatores), daneben sechzehn Verordnete, die aber bei ihrer geringen Zahl dem Rate gegenüber wenig bedeuteten, zumal wenn dieser geschlossen blieb. Und Berlin, das Cöpenick gegen 700 Schock Groschen (etwa 10000 Goldmark unserer Währung) dem Kurfürsten hatte überlassen müssen, erwarb im Jahre 1435 für etwa den vier fachen Preis die Johanniterkomturei Tempelhof mit den Dörfern Tempelhof, Richardsdorf, Mariendorf und Marienfelde. Man setzte damit blutigen Grenzkämpfen zwischen dem Orden und den Köllnern endlich ein Ziel. Gegen die seit dem 14. Jahrhundert von Westfalen her bis nach den Marken ausgreifenden Femgerichte der Freigrafen (deren Erinnerung Karl Leberecht Jmmermann in seinem „Münchhausen" dichterisch festgehalten hat) wehrten sich die märkischen Städte mit Erfolg; „wir bedürfen dieses heimlischen Gerichtes nicht", erklärte der Märkische Städtebund zu Berlin am 28. Oktober 1434. Zu Kadolzburg in Mittelfranken verstarb im Jahre 1440 Friedrich L, sein siebenundzwanzigjähriger Sohn Friedrich II. folgte dem Vater in den branden burgischen Besitztümern und in der Kur. Sein Augenmerk war von vornherein auf eine Einschränkung der städtischen Freiheiten gerichtet. Willibald Alexis hat ihn im „Roland von Berlin" geschildert, wie er unerkannt in Berlin weilt und dann, voll ernster Pläne für die Wohlfahrt des Landes und die Festigung seiner Herrscher macht, der Stadt entreitet. Häuslicher Streit der Berliner kam seinen Absichten entgegen. In drei folgenreichen Zusammenstößen spielten sich die Ereignisse ab. Zunächst entspann sich bald nach Friedrichs Regierungsantritt ein heftiger Zwist zwischen den Berlinern und den Köllnern; er ward dadurch verschärft und zugleich verwickelt, daß die Räte mit der Bürgerschaft und die Zünfte mit den vier bevorzugten Gewerken uneins waren. Zuerst riefen die Innungen, dann, da ein schiedliches Vertragen unmöglich schien, auch der Rat den Kurfürsten an. Berlin in Geschichte und Kunst.
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— 18 — Und er entschied kurzab: die Städte sind wieder zu trennen. Die alten Räte wählen beim Abgang die neuen, und zwar aus den vier Gewerken und den gemeinen Bürgern, jedoch bedürfen die Gekürten landesherrlicher Bestätigung, und der Kurfürst hat das Recht, andere als die Vorgeschlagenen zu ernennen. Er hat auch die Ausschreibung neuer Steuern und Auflagen zu genehmigen. Und schließlich verbot der Befehl den Abschluß von Bündnissen außer Landes und hob die bestehen den auf. Es war ein harter Schlag gegen die Freiheit der Stadt. Und noch im gleichen Jahre 1442 kam es zum Aufstande, und Friedrich beantwortete diesen mit neuen und härteren Maßregeln. Er ließ sich von den Städten einen Platz auf der Köllner Seite beim Dominikanerkloster zum Bau einer Burg abtreten, nachdem die Mark grafen bisher im Hohen Hause neben dem Franziskanerkloster ein, von George Hesekiel in seinem „Berlinischen Historienbuch" liebenswürdig geschildertes, Quartier besessen hatten; er verlangte die Abtretung des Rathauses auf der Langen Brücke; er schränkte das wichtige Niederlagerecht auf Berliner und Köllner Güter ein. Und am härtesten, weil am sichtbarsten, traf die Berliner bte Entziehung des Gerichtsrechts und des Blutbanns. Wie dieses Ereignis, der ganzen Bürgerschaft vor Augen, sich vollzog, hat Alexis in jenem Roman darzustellen versucht: „Da blinkten beim Fackelschein Spieße, Helme und gewaltige Äxte, und sie hämmerten an dem steinernen Roland. ,Jm Namen des Markgrafen, unseres allergnädigsten Herrn, des Kurfürsten Friedrich des Andern!'- rief ein Herold zur versammelten Menge, als da die verwunderten Gesichter sich anschauten und ein dumpfes Gemurmel umgmg. ,Jn seinem Namen nehmen wir diesen Roland hinweg, als welcher das Sinnbild war des obersten Gerichts und Blutbanns, so dieser Stadt zustand, und von nun an steht er ihr nicht mehr zu; also soll auch dieses Bild hinfüro nicht mehr stehn. Das ist sein Wille!' Und da er stürzte, nach nicht vielen Schlägen, denn er war sehr verwittert, zückte es durch die Luft wie em dumpfes Schmerzgeheul. Den Roland aber luden sie auf eme Schleife und zogen ihn bei Fackelschein durch die Gassen nach der Langen Brücke, und hier stießen sie ihn übers Geländer in die Spree"*).
Es gärte weiter in der Stadt. Auf dem abgezwungenen Platze ließ Friedrich eine Steinburg mit vorstrebenden Türmen erbauen, von der der Grüne Hut an der Spreeseite der letzte Rest ist. Dabei kam es, zumal als das Spreebett zu gunsten der Burggräben gestaut werden sollte, zu Streitigkeiten, und unter der Führung des Bürgermeisters Bernd Ryke entlud sich im Jahre 1448 der lange angesammelte Groll in einem Aufstande, dem „Berliner Unwillen". Die kurfürst lichen Richter und Beamten wurden ausgetrieben, die Tore geschlossen, das Hohe Haus und der fürstliche Mühlenhof genommen, das neue Schloß durch einen Palissadenzaun in die Stadt wieder einbezogen. Berlin erbat die Hilfe der märkischen Städte, aber alle versagten sich, und die Bundesgenossenschaft der Hansa war für die unfrei gewordene Stadt längst ohne Wert geworden.
Friedrich lud die Berliner zunächst vor sein Hofgericht nach Spandau; aber die Bürger setzten den Überbringer der Ladung gefangen. So rückte der Kurfürst gegen Berlin vor, und da anscheinend köllmscher Verrat ihm die Tore öffnete, war der Kampf schon im Mai 1448 zu Ende. Das bereits vor dem Waffengang *) Rob Gisekes Drama „Ein Bürgermeister von Berlin" behandelt die gleichen Vorgänge.
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Wasserfront des Schlosses mit Grünem Hut.
eingesetzte außerordentliche Gericht entschied. Berlin und Kölln mußten sich zur Einhaltung der Ordnung von 1442 verstehen, sie verloren nahezu allen städtischen Grundbesitz außerhalb der Mauern, auf ihre Mühlen und Zollgesälle hatten sie zu verzichten. Die Führer des Aufstandes wurden mit Gelde gebüßt und mußten zum Teil all ihr Gut in des Fürsten Hand geben, alle aber mußten schwören: „nymmermehr zu ewigen Zeiten Widder vnnsern gnedigen Heren, Marggraf Friderich, seine erben und nachkomen, vnd die herschafft, wedder mit Worten ader mit werken, zu sein, thun) schaffen ader gestaten zu thun, Seine gnade, erben vnd nachkomen zu warnen, ob wir ichts^ horten, vernahmen ader sehen, das mit Worten ader mit wercken Widder seine gnade, seine erben ader herschafft sein mochte, Sie das sunder surrten*2) wissen lassen und Inen das also zu verkündigen und in keyner Wege verswygen, und domit seine, seiner erben getruwe, gehorsame und vnderteinige borger sein vnd blyben wollen: alse vns Got helffe und Seine Heiligen."
Bernd Ryke aber verlor all seinen reichen Besitz, er ging nach Sachsen und wurde dort erschlagen.
Drei Jahre darauf war das Schloß zu Kölln vollendet, das gemeinsame Rat haus in ein Hofgericht umgewandelt. Friedrich, der trotz mangelnder Kriegslust den Beinamen der Eisenzahn trägt, hatte gesiegt, Berlin war von der Höhe ge sunken, aber auch mit der aufsteigenden Geschichte der Mark und ihrer Herrscher enger verknüpft als je. x) etwas. 2) ohne Säumen.
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4. vom Mittelalter zur Neuzeit. Die veränderte Stellung Berlins drückte sich äußerlich in einer Wandlung seines Wappens aus, die keine Besserung war. Das erste heraldische Zeichen Berlins war ein Adler mit gespreizten Flügeln in einer Turmhalle gewesen. Um 1340 war ein schreitender Bär in die Mitte des Bildes getreten, über dem an einem Bande ein kleiner Querschild mit dem brandenburgischen Adler schwebte. Jetzt — seit 1450 — setzte der flügelspreitende Adler die Klauen auf des Bären Rücken, und dieser trug eine Halskette (die er erst 1876 verlor). Die Stadt zählte wohl gegen 7000 Einwohner. Das war nicht wenig, denn große, blühende alt deutsche Städte, wie Nürnberg oder Straßburg, hatten kaum mehr als 20—25000. Aber Berlin war doch durch die Kämpfe des Jahrzehnts und den Verlust des Rück halts am Städtebunde. und der Hansa auch in seinem Handel zurückgekommen, es stand hinter dem einst überflügelten Oderfrankfurt zurück.
Jetzt galt es, sich in den neuen Verhältnissen einrichten. Das Schloß des Kurfürsten war den Bürgern ein unbehaglicher, ja unheimlicher Anblick; aber es deutete in seiner Größe auf eine Benutzung als künftige Residenz hin. Einst weilen blieb Berlin im zweiten Range neben Tangermünde: im Laufe von zwei Menschenaltern erwuchs es zur anerkannten Hauptstadt des Kurfürstentums. Die Anwesenheit des Hoflagers veranlaßte manchen Prälaten, manchen Adeligen, sich in der Stadt, nahe dem Schlosse, anzubauen. So ließ sich der Bischof von Havelberg hinter dem Hohen Steinweg ein Haus errichten, und die Breite Straße hinter der Burg wie die Spandauer und die Heiligegeistgasse wurden mit statt lichen Herrenhäusern umsäumt. Am Schlosse entstand eineReit- und Stechbahn. Das kirchliche Leben Berlins trieb erfreuliche Blüten. Schon im Jahre 1411 war auf dem Pestkirchhofe vor dem Gertraudtentore ein Spital mit einer Kapelle entstanden, von dem der Platz später den Namen Spittelmarkt empfing. 1484 erbaute ein vom Heiligen Lande zurückgekehrter Pilger aus Berliner Stamm etwas weiter südwestlich die von einem Klausner gehütete Jerusalemer Kapelle zu Ehren der Jungfrau Maria, des Kreuzes, der Heiligen Fabian und Sebastian. Und als wiederum der Schwarze Tod durchs Land gezogen war und zahlreiche Opfer gefordert hatte, schmückte die Berliner Bürgerschaft die Turmhalle der St. Marien kirche mit einem in bunten Farben über die Wände laufenden Totentanz. Auf einem 2 m hohen, 23 m langen Bande zeigt sich in der Mitte die Gestalt des ge kreuzigten Heilands, und ihr schreiten von links und rechts wie im Doppelreigen Erdenbürger jedes Standes zu. Links die Geistlichen: von der Kanzel eines Franziskaners her, unter der eine Tiergestalt die Sackpfeife bläst, kommen sie heran. Der Küster, blau und weiß gekleidet, ein grauer Augustiner, ein roter Pfarrer, ein Arzt mit dem Uringlas und dann alle kirchlichen Rangstufen bis zum Papste hinauf. Von rechts aber nahen die weltlichen Stände. Mit dem natürlichsten aller menschlichen Verhältnisse, mit Mutter und Kind*), beginnt es, dann folgt, im grün und gelb gestreiften Kittel, der Narr, ihm der Bauer, der Amtmann, der Kaufmann, der Wucherer, der schwarzverbrämte Bürgermeister, schließlich hinter dem Ritter und dem Könige das Kaiserpaar. Aber zwischen je zweien der Vorüberwandelnden geht der Tod, er, ein weißes Grabtuch über den Schultern, zwischen den Zähnen grinsend, führt die ungern Folgenden. Plattdeutsche Verse, immer je eine auffordernde Strophe des zum letzten Tanze ladenden Todes und eine um Aufschub bittende des Geführten, begleiten dies Kunstwerk, das bedeutendste uns aus jener Zeit gebliebene, von Anfang bis zu Ende.
*) Diese Gruppe ist im 19. Jahrhundert beim Einbau einer Wand verbaut und zerstört worden.
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Um dieselbe Zeit erhielt die Marienkirche einen bronzenen Taufkessel, der über vier Drachenfüßen in vierzehn Rundbogen die Flachbilder der Gottes mutter, Christi und der zwölf Apostel trägt; ob ihn derselbe Meister Heinrich aus Magdeburg gefertigt hat, der das mit der Köllner Petrikirche zugrunde gegangene kunstvolle Taufbecken schuf, wissen wir nicht. Auch der Maler des gleich zeitigen schönen Madonnenbildes der Klosterkirche ist uns unbekannt. In Berlin entstanden mehrere neue geistliche Gilden, und durch die zahl reichen Wallfahrten zum Wunderblut im Wilsnacker Dom erhielt die über Reinicken dorf nach dem Priegnitzer Städtchen führende Straße die Bezeichnung: Heiliger Blutsweg. Friedrich II., der all diese geistlichen Bestrebungen nachdrücklich förderte, errichtete, unmittelbar vor der Niederlegung seines Regiments, am Schlosse ein Domstift mit einem Propst und sechs Domherrn; zum Gottesdienst überwies er die Burgkapelle neben dem Grünen Hut.
Friedrichs Nachfolger, sein Bruder Albrecht Achilles, hat nur drei Jahre die Mark von der Mark aus regiert; schon 1473 zog er sich in sein fränkisches Stamm land zurück und übertrug die Herrschaft in Brandenburg, das er selten besuchte, seinem Sohne Johannes, der als erster Hohenzoller in Berlin Hochzeit hielt. Sein Vater hatte zum ersten Male eine Versammlung der Stände, einen Landtag, nach Berlin berufen, und seither blieb Berlin die Stätte dieser Entbietungen *). Johannes, der als Kurfürst (1486—1499) von späteren Geschichtsschreibern mit Unrecht nach humanistischer Weise den Beinamen Cicero erhielt, blieb im guten Vernehmen mit der Bürgerschaft. Er suchte den Finanzen der Stadt dadurch auf zuhelfen, daß er beim Landtage die Erhebung einer Bierziese genannten Steuer durchsetzte, von der ein Drittel in den Schatz derjenigen Stadt floß, darin das Bier gebraut wurde. Dem Brauche der Zeit gemäß unterhielt Johann einen Vogelherd, ein Netzwerk mit Leimruten, Lockbüschen und Lockvögeln, und zwar bei seinem Lusthause in Pankow. Als er zu Arneburg an der Elbe gestorben war, ließ ihm sein Sohn Joachim durch den Meister der Nürnberger Erzgießer, Peter Vischer und dessen Sohn Johannes einen ehernen Sarkophag errichten, der, erst 1532 beendet, im Kloster Lehnin aufgestellt, alsbald aber in das Köllner Brüderkloster überführt wurde. Es ist ein herrliches Denkmal der erwachten deutschen Renaissance. Auf dem Sargdeckel ruht lebensgroß die gerüstete Gestalt des Kurfürsten, neben jeder der sechs Tragsäulen hockt ein wachender Löwe. Jetzt bewahrt die Gruftkirche des Domes das Kleinod. Joachim I. mit dem späteren Beinamen Nestor, der Weise, war ein überzeug ter Bekenner der humanistischen Bildung seiner Zeit. Er bescherte der Mark in Frankfurt eine, von dem Studiosus Ulrich von Hutten mit dankbarem Jubel begrüßte Universität und suchte das Berliner Schulwesen nach Kräften zu bessern, ohne freilich an den drei einzigen, mit den Kirchen zu St. Nikolai, St. Marien und St. Petri verbundenen Schulen und den ebenso bescheidenen Klassen der beiden Klöster allzuviel zu erreichen; der meistgelesene lateinische Schriftsteller war der strenge Kirchenvater Tertullianus. Joachim gab der Stadt die untere Ge richtsbarkeit über ihre Bürger zurück, errichtete aber für die dem Stadtgericht nicht Unterstehenden, insbesondere die fürstlichen Beamten das zuerst in Tangermünde, T) Albrecht Achilles privilegierte 1482 für Johann Tempelhoff die erste Berliner Apotheke.
— 22 — dann im Kollegienhause in der Brüderstraße zu Kölln amtierende Kammer gericht; es wurde zugleich für alle Rechtshändel die oberste entscheidende Stelle. In schweren Kämpfen bezwang der Kurfürst die an den Straßen wegelagernden Stegreifritter; in dem glänzenden Zeitbild „Die Hosen des Herrn Bredow" hat Willibald Alexis diese Seite von Joachims Regierung wie seinen leidenschaft lichen Bildungseifer gezeichnet. Unter einem steigenden und in der stattlichen Pludertracht der Zeit, gegen die noch 1555 der Geistliche Andreas Musculus eine Strafpredigt „Der Hosen Teuffel"*) richtete, auch nach außen hervortreten den Reichtum lebte freilich die ganze Härte des Mittelalters weiter. Im Jahre 1458 hatte man zu Berlin den Hussiten Matthäus Hager wegen Irrlehre ver brannt, im Jahre 1510 vollzog sich ein Prozeß von großem Ausmaß gegen den Kesselflicker Paul Fromm aus Bernau, der aus einer Dorfkirche die Monstranz und Hostien entwendet hatte. Auf der Folter befragt, ließ er sich zu der Aussage herbei, die eine Hostie an einen Juden verkauft zu haben. Daraufhin wurden über vierzig Juden eingezogen und bekannten sich unter dem Druck der Tortur, zum Teil schon aus Angst vor ihr, sowohl zu dem Hostienmißbrauch wie zu den ihnen vom Aberglauben der Zeit zugeschriebenen Morden von Christenkindern zu rituellen Zwecken. Sie wurden mit Fromm, den man unterwegs mit glühenden Zangen zwickte, zum Hochgericht vor dem Stralauer Tore (an der Ecke der Großen Frankfurter und der Weberstraße) gebracht, dort an ein schräges Galgengerüst geschmiedet und lebendigen Leibes verbrannt. Alle Juden aber traf die Verweisung aus der Mark. Auf der gleichen Stätte ward dreißig Jahre später ein Mann gerädert, dessen Schicksal den größten märkischen Dichter, Heinrich von Kleist, zu einem un sterblichen Kunstwerk entflammte, der Köllner Handelsmann Hans Kohlhase. Von einem Ritter um zwei Rosse gekränkt und von den Behörden im Stich gelassen, suchte er auf eigene Faust sein Recht und geriet in Fehde mit Sachsen wie schließ lich mit dem Kurfürsten, dessen Beamten er nahe dem Stolper Loch bei Potsdam (der Ort heißt noch Kohlhasenbrück) eine Sendung Mansfelder Silber wegnahm und versenkte. Bei einem Besuche seiner Frau in der Fischerstraße ward dieser Verbrecher aus verletztem Rechtsgefühl, dem das Berliner Volk sehr anhing, er griffen und dann auf jene grausame Art getötet. Sein Ende fiel schon in die Regierungszeit Joachims II. Hektor (1535 —1571), die in mehr als einer Hinsicht für Berlin von größter Bedeutung war — vor allem und zunächst in religiöser. Wittenberg lag ja nicht weit von Berlin. Im Schicksalsjahr 1517, dem Jahre von Martin Luthers Thesenanschlag, war der Ablaßhändler Johann Tezel auch in Berlin eingekehrt; vor der Klosterkirche hatte er unter dem Kugelwappen des Papstes aus dem Hause der Medizäer, Leo X., seinen (nun in der Nikolaikirche zu Jüterbog aufbewahrten) Ablaßkasten aufgeschlagen und mannigfachen Zulauf gefunden. Aber langsam erwachte an der Spree die Teilnahme für die neue Lehre. Und indes sich Joachim I. schroff von ihr abwandte, erklärte sich seine Gattin Eli sabeth dasür und entfloh, als ihr ein hartes Verfahren drohte, bei Nacht und Nebel auf ein sächsisches Schloß. Alexis hat diese Wirrung im letzten Buche seines x) Vgl. Alex. Cosmar, „Der Hosenteufel" in: Sagen und Miszellen aus Berlins Vorzeit I. Berlin 1831.
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„Werwolfs" dargestellt. Elisabeths Sohn Joachim II. aber bekannte sich nach einigem Zögern unter der Einwirkung der Stände zu Luthers Wort und nahm am 1. November 1539 das Abendmahl in beiderlei Gestalt; schon vorher hatten die Köllner einen Freund Luthers, Johann Baderasch, an die Petrikirche be rufen. Am folgenden Tage fand feierlicher evangelischer Gottesdienst für Rat und Bürger in der Nikolaikirche statt. Evangelisch ward der Dom auf dem jetzigen Schloßplätze, eine Schöpfung des neuen Kurfürsten; er hatte die Dominikaner nach Brandenburg an der Havel verwiesen und das Domstift aus dem Schlosse heraus in ihr von ihm mit großen Mitteln umgebautes Kloster verlegt. Auch hier wirkte ein Schüler Luthers, Georg Buchholzer. Alle Berliner Gotteshäuser wurden der Reformation geöffnet, die Petrikirche ward zum Mittelpunkte einer Propstei, und bei dem ersten Berliner Buchdrucker, Johann Weiß, ward eine Kirchenordnung für die Mark gedruckt. Die Franziskaner ließ man in ihrem Kloster, sie durften nur keine neuen Mitglieder mehr aufnehmen und hielten sich noch bis 1571 an der alten Stelle. Als Domprediger und Generalsuperintendent zog als bald einer der berühmtesten Theologen der Zeit, Johannes Agricola (eigentlich Schnitter, aus Eisleben, 1494—1566) ein, der nachmals in geistlichen Streit mit Luther und Melanchthon geriet, das geistige Leben Berlins aber außer durch seine Predigt auch durch reiche Liederdichtung förderte. Dies geistige Leben begann sich nach mancher Richtung hin zu entfalten. Lateinische Poeten standen neben solchen, die lateinische Lieder in deutsche umdichteten, wie Heinrich Knust (lateinisch Chnustinus). Er war auch ein fruchtbarer Dramatiker, der die alten kirchlichen Mysterienspiele mit volkstümlichen Einsprengseln aufzufrischen suchte; da bewegen sich in der Weihnacht unter den Hirten auf dem Felde ganz unbefangen der Nachbar Tyle und der Knecht Tylke und sprechen Berliner Platt. Dauernd wirksam blieb von dieser Poesie nichts, dagegen haben sich die Schwänke des auch in Berlin be liebten und belachten märkischen Eulenspiegels Hans Clauert bis auf diesen Tag lebendig gehalten; der Schalk ist 1566 in seiner Heimatstadt Trebbin an der Pest gestorben. Maler und Bildhauer zogen in die Hauptstadt ein und zierten Dom, Schloß, Nikolai- und Marienkirche mit einer Fülle von Bildern, unter denen Werke Lukas Cranachs, des Lutherdarstellers, hervorragen. Vieles von den Kunstschätzen jener Zeit ist noch erhalten, so in St. Nikolai eine „Beweinung Christi"; andere Stücke aus diesem Gotteshause, eine Himmelfahrt, ein „Barmherziger Samariter", eine „Auferweckung des Lazarus", hangen jetzt im Märkischen Museum. Das be deutsamste künstlerische Unternehmen des Kurfürsten und seines Nachfolgers Johann Georg war der An- und Neubau des Schlosses. Er berief dazu den Baumeister Kaspar Theyß, der ihm schon das Jagdschloß in dem westlich Berlins nach der Havel hin gelegenen Grünewald gebaut hatte. Theyß und sein Gehilfe Kunz Buntschuh errichteten quer zu der alten Spreeburg einen viergeschossigen Bau in den reichen Formen der deutschen Renaissance mit der Hauptfront nach dem Schloßplatz, mit runden Ecktürmen. Die Kapelle ward mit einem spitzen Turme gekrönt. 1572 übernahm dann der aus Italien stammende Graf Rochus Lynar (aus dem Geschlechte der Smart di Faenza) den Weiterbau. Er und sein Landsmann Peter Niuron bauten parallel der Wasserburg einen Querflügel, der den von Theyß begonnenen Hofbau mit den längs der Stockwerke laufenden offenen Ga-
— 24 — letten von Westen einfaßte. Mit Hans Räspell schuf Lynar den noch heut un verändert vorhandenen Bau neben dem Grünen Hut längs des Flusses mit den zwei spitzen Türmen und den sich dreifach verjüngenden, verzierten beiden Giebeln dazwischen; er trat an die Stelle des abgerissenen ältesten Schloßteiles, von dem eben nur der Grüne Hut erhalten blieb. Und an diesen lehnte sich bis zum Nordost eck der zierliche Neubau der Schloßapotheke. Endlich verband man durch einen bedachten Gang von der Südwestecke her, hoch über der Straße, das Schloß mit dem neuen Dome und zeichnete die Nordwestecke durch den Turm der Wasser kunst aus, die erste, nach nicht langer Zeit wieder verfallene Berliner Wasser leitung. Mit den Architekten kommt das Kunstgewerbe, Silberschmiederei, Goldmodellierung, Zinkguß, Teppichweberei. Da saß nach dem Tode des letzten Franziskaners der „Wundermann" Leonhard Thurneisser in den alten Kloster hallen, aus der Schweiz gebürtig, Arzt, Abenteurer, Forschungsreisender, jetzt als Drucker in vielen Sprachen, als Holzschneider und Teppichweber gesucht und ein flußreich — das Schloßmuseum bewahrt einen solchen Teppich — zugleich aber als Horoskopsteller, Alchymist und Glückskettenverkäufer angestaunt und von der Sage umraunt, die sogar den Elch umwob, den Thurneisser im Klostergarten hielt. Der Wohlstand der Stadt wuchs mit der Bevölkerung, die sich in rund 100 Jah ren etwa verdoppelte. Der alte Wettstreit mit Frankfurt ward nun endgültig zu gunsten der Spreestadt entschieden. Die Bürger zogen, dem Beispiele Joachims II. folgend, am Tempelhofer Berge und vor dem Spandauer Tore Wein*), sie tummel ten sich im Schützenhofe vor dem Georgentore, sie schmückten ihre Häuser mit Sandsteinpforten und Vortreppen, ihre Ofen mit geschmackvollen Erzeugnissen des neu in die Mark eingeführten Eisengusses, etwa einer Platte, die eine in die Tracht der Zeit gekleidete Venus mit ihrem Pfau auf einem Schlitten zeigt. Die Zünfte hielten ihr Gildenbier, und wie die Kurfürsten auf der Stechbahn Reiterspiele und Ringelstechen veranstalteten, so hatte die Bürgerschaft im Jahre 1561 ihren Knittelkrieg mit den Spandauern, wobei beide Parteien am Lande und auf der Spree vollgerüstet miteinander tournierten. Manche der alten Ber liner Geschlechter kamen in Vermögenszerrüttung und verschwinden aus der Stadtgeschichte, andere stiegen zu neuem Wohlstand auf — die reiche Ausstattung ihrer Familiengrüfte, etwa der Zeheder in der Turmhalle von St. Nikolai, das Relief des Joachim Zerer in der Marienkirche, das Gemälde über dem Grabe des Hans von Bach in der Klosterkirche, zeigen es noch heute. Dem Schlosse gegenüber, an der Ecke der Breiten Straße wurde ein Marstall errichtet; an ihn lehnte sich bald das schöne Stadthaus der havelländischen Familie von Ribbeck, die nachmals durch Theodor Fontanes Gedicht vom Birnbaum auf dem Grabe des kinderfreundlichen Ritters so berühmt ward. Die neue Baulust und Kunstfreude des Hofes zog fürstliche Gäste herbei, die sich mit den Gastgebern auf der Stechbahn tummelten, in dem kurfürstlichen Garten an der Spree vor dem Spandauer Tore lustwandelten oder das Wild im anwachsenden Tiergarten westlich vor den Toren Köllns belauerten. Aber auch die Bürgerschaften besuchten sich zu festlichen Gelegenheiten; bis nach Halle und an die Ostsee ergingen die Ein ladungen zu Schützenfesten, von Gegeneinladungen gefolgt. Kleiderordnungen *) Im Jahre 1588 erbrachte der eine Weinberg am Tempelhofer Berge 13^ Tonnen roten und weißen Weines mit einem Erlöse von rund 400 Goldmark.
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sollten dem wachsenden Luxus steuern, sogar die Bewirtung bei Mählern im Privathause wurde durch die Obrigkeit an genaue Regeln gebunden. Und noch schwerer war es, das äußere Gewand der Städte in Ordnung zu halten. Die Sauberkeit der schmalen Gassen war sehr gering, der Abfluß der Rinnsteine unregel mäßig, und die Straßenbeleuchtung äußerst dürftig. Die eisernen Becken, die mancherorts, zumal an den Ecken, aufgestellt waren, sollte der Nachtwächter nachts mit Kienholz erhellen — aber der Wind blies die Flamme oft genug aus, und der ohne eigene Laterne heimkehrende Bürger hatte Mühe, nicht in einen der vor den Häusern angebrachten Schweinekoben oder in eine Kloake zu fallen. Der Neue Markt war mit einem Aussichtshügel geschmückt, der aus Dünger geschichtet war. Öffentliche Badstuben gab es hier und da. Seltsam nahmen sich die Narren kisten vor den Bernauer Bierschenken aus; in diese Lattenverschläge sperrte die Scharwache Betrunkene und enthaftete die von der Menge Verhöhnten erst, wenn der Rausch verflogen war. Den Mühlendamm besetzte ein Doppelreihe von Krämerbuden, und gegenüber dem Köllnischen Rathause am Ende der Breiten Straße standen die in Wind und Wetter offenen Scharren der Fleischer. Die Stadt dehnte sich langsam aus, der Werder an der Spree vor Kölln wurde allmählich bebaut. Ward die Stadtgrenze neu festgesetzt, so wurde ein feierlicher Umgang gehalten; an den wichtigsten neuen Punkten wurden Knaben mit Ruten gestrichen, was zwar schmerzlich, aber ehrenvoll war. Denn der Ge prügelte sollte so zum Erinnerungsträger werden, der später im Streitfälle die Stelle der empfangenen Prügeltracht aus in so nachdrücklicher Art geschärftem Gedächtnis angeben mochte. Die ersten Zeitungen wurden gedruckt; auf Oktavblättern, vier bis acht Seiten stark, brachte der Buchdrucker Michael Hentzken in unregelmäßigen Abständen die neuesten ihm zugegangenen Nachrichten, etwa in folgender Form [1578]: Newezeittung aus der Türckey / wie das der Türckische Keyser seiner Wascht) etliche hat richten lassen / zu Konstantinopel. Auch wie das der Persianer König dem Türckischen Keyser zwo große Schlachten abgewunnen hat / und viel Volcks erschlagen. Was sich auch in Brabant / in kürtz in dem Spanischen Läger zugetragen hat / kürzlich zu lesen. Und was sich in Franckreich durch den Marschal Anuillus widerumb vor Empörung er hoben / Alles in kürtz versasset. Was auch der König in Hispanien widerumb für eine newe Inquisition angefangen hat / kürtzlich von einem guten Freunde beschrieben.
Der Segen der Reformation zeigte sich wie im kirchlichen Leben so im Sch ul betrieb. Das große Gemeinwesen bedurfte einer gut ausgestatteten und mit tüch tigen Lehrern besetzten Lateinschule. So schuf Kurfürst Johann Georg (1571— 1598) im Jahre 1574 in den Räumen des Klosters, das die grauen Franziskaner verlassen hatten, eine Landesschule, das jetzige Gymnasium zum Grauen Kloster. Am 13. Juli 1579 hielt der Kanzler Lampert Distelmeyer (1522 —1588) die Weiherede, Jakob Bergemann war der erste Rektor, der Lehnssekretär und Schulvisitator Joachim Steinbrecher verfaßte die Schulordnung und förderte die junge Anstalt in jeder Weise. An den hohen Festtagen gingen die Klosteraner und die Zöglinge der Kirchenschulen unter Führung ihrer Lehrer in x) Pascha.
— 26 — schwarzen Schulterkrägen, wie Martin Luther in Eisenach, als Kurrende, singend und Gaben sammelnd, von Haus zu Haus; sie wirkten auch bei Hochzeitsfesten und Leichenbegängnissen mit. Der Unterricht im Kloster baute sich vor allem auf der Kenntnis der beiden alten Sprachen auf, im Zusammenhänge mit ihnen wurde Geschichte getrieben, alle andern Wissenszweige standen weit zurück, wofern sie überhaupt einen Platz im Lehrplan hatten; hinzu kam die Aufführung von Komödien, meist in lateinischer, später auch in deutscher Sprache. Wie sein Vorgänger rief auch Kurfürst Joachim Friedrich (1598—1608) eine gelehrte Schule von rasch aufsteigendem Rufe ins Leben. Er gründete 1604 in Joachimstal am Werbellinsee nördlich von Berlin ein Gymnasium mit einem die Schüler beherbergenden Alumnat, ein Seitenstück der sächsischen Fürstenschulen; im 17. Jahrhundert ward die Anstalt nach der Burgstraße in Berlin, später nach Wilmersdorf, schließlich nach Templin in der Uckermark verlegt. Auf jedem Gebiete hatte das Jahrhundert der Reformation Berlin empor geführt. Was die Stadt vordem im Streit ihrer Bürger und mit der Landesherr schaft verloren hatte, war wieder eingebracht. Auch ihr Handel ging längst über die deutschen Grenzen nach Ost und West, über das Meer, wie etwa der Großkauf mann Georg Scholle in der Spandauer Straße mit dem Staatssekretär der britischen Elisabeth, Robert Cecil von Burleigh, in Verkehr stand. Mit dem Antritt des 17. Jahrhunderts aber zogen sich wie über dem ganzen Vaterlande so über der brandenburgischen Hauptstadt die düsteren Wolken neuer Glaubens- und Machtkämpfe dräuend zusammen.
5. Jm Slutfchein -es Deutschen Krieges. In seiner Ballade „Vier Augen sind im Wege" erzählt Detlev von Liliencron von einem Grafen, dem zuliebe eine Frau, auf ein mißverstandenes Wort hin, ihre beiden Kinder umbringt; er aber weist sie schaudernd zurück, und erst in der Entsühnung durch den Papst findet sie Seelenruhe und zugleich den Tod. Diese Sage knüpft sich an einen Hohenzollern, Albrecht den Schönen von Nürnberg, und eine Gräfin von Orlamünde, und sie fand mit den Hohenzollern den Weg nach Berlin. Die Gräfin ward zur unheilverkündenden „Weißen Fau", und das Berliner Volk verwob ihre Gestalt mit derjenigen von Anna Sydow, der „schönen Gießerin", einer Geschützgießerswitwe, die die GeliebtaJoachims II. gewesen war. Daß man gerade beim Tode des Kurfürsten Johann Sigismund (1608—1619) an die Unglückbringerin glaubte, von ihrem gespenstischen Huschen durch die Korridore des Schlosses raunte, deutet auf die Entfremdung zwischen dem Fürsten und seinem Volke. Wohl hatte Johann Sigismund den Besitzstand seines Hauses durch die rheinisch-westfälischen Lande Cleve, Mark und Ravensberg und vor allem durch das Herzogtum Preußen vermehrt, denn als Gatte der Erbtochter Anna des letzten Königsberger Herzogs war er dessen Nachfolger geworden; aber das beschäftigte die Berliner Bürger viel weniger als sein Übertritt zu dem von den Lutheranern heftig bekämpften kalvinisch-reformierten Glauben. Diese im Jahre 1613 erfolgte Bekenntnisänderung, mit der der Dom eine reformierte Kirche wurde, erbitterte nicht nur die lutherische Stadtgeistlichkeit, sie führte, insbesondere nach der Entfernung vieler Kunstwerke aus dem nun mit kalvinischer Einfachheit auszustattenden Dome, zu mancherlei Unruhen und Gewalttätigkeiten. Und keins
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der von Johann Sigismund angeordneten öffentlichen Religionsgespräche konnte das getrübte Verhältnis zu den Bürgern wiederherstellen. Wie zwei große letzte Denkmäler der kunstfrohen und glaubenseinheitlichen nahen Vergangenheit ragen zwei der schönsten Bürgergrabstätten der Berliner Kirchen in die Gegenwart, die Kötteritzschsche Gruftkapelle in der Nikolaiund das Grabmal Ehrenreichs von -Röbel in der Marienkirche, dessen Er richtung schon in die Kriegszeit fällt. Die Kötteritzschsche Kapelle hält das Gedächtnis des 1609 verstorbenen kurfürstlichen Rats Johannes von Kötteritzsch und seiner Frau Caritas, einer Tochter Lampert Distelmeyers, der dem Turmportal von Nikolai gerade gegenüber wohnte, fest; die Inschrift besagt in dem übertreibenden Stile der Zeit: Ossa heic recubant, anima coelo recepta, fama per totum ordern volutat. (Hier ruhen seine Gebeine, der Himmel empfing seine Seele, über den ganzen Erdkreis schwingt sich sein Ruhm.) Schmiedekunst an reich gezierten Gittern, Stukkatur von erlesenem Geschmack an den krönen den Reliefs mit ihren sprechenden Gruppen und Malerei von hohem Rang haben sich hier zu einem äußerst eindrucksvollen Denkmal verbunden, dessen Urheber wir leider nicht mehr kennen. In der Mitte zeigt ein Ölgemälde auf Holz die Kötteritzsch schen Eheleute, ihn in der dunklen Ratsherrntracht mit goldener Ehrenkette, Frau Caritas gleichfalls schwarz gekleidet mit weißer Haube, beide mit den weißen, gekrausten „Mühlsteinkrägen" der Zeit, kniend mit zusammengelegten Händen; links über den Knienden erhöht Moses mit den Gebote-Tafeln, rechts Johannes der Täufer, halbnackt, das Gotteslamm mit der Siegerfahne, auf das er deutet, vor sich. Über den Anbetenden aber öffnet sich ein tiefer Blick in die Nikolaikirche selber, wie sie damals aussah. Sie ist von Andächtigen gefüllt, vorn auf der kleinen Empore vollzieht ein Pfarrer im weißen Chorrock (wie ihn die Geistlichen der Marienkirche noch heute tragen) eine Taufe, im Chore vor dem Altare wird das Heilige Abendmahl ausgeteilt. Man sieht zu weiterer Belebung des farbenfrohen Bildes einen Bettler auf Krücken und eine zur Tür gehende Frau mit Kind und Hund. Die Gruft für Ehrenreich von Röbel und seine Frau, Anna geborene von Göllnitz, ist ein hoher, von zwei knienden Engeln getragener Marmoraufbau. Im Mittelteil über der Gruftpforte knien links und rechts von dem Gekreuzigten, leicht zurückgebogen, Ehrenreich und Anna, neben ihnen wachen zwischen reich ornamentierten Säulen zwei sehr liebliche Engel. Das Ganze überhöht, zwischen zwei Heiligen, die schlanke Gestalt der Hoffnung.
Und seit mehr als einem Jahrhundert war Hoffnung dem Berliner Volke niemals nötiger gewesen als in den Jahrzehnten des großen und grausamen Krieges, der, im Jahre 1618 ausbrechend, ein Menschenalter hindurch Deutschland verheerte, es zum Tummelplatz aller nachbarlichen Truppen und jedes europäischen Ehr geizes, zur Stätte dumpfen und fanatischen Glaubenshasses machte und schließ lich den vaterländischen Boden entvölkert, verwüstet, das Volk um den Ertrag der Arbeit von Generationen betrogen zurückließ. Berlin und die Mark beherrschte gerade in diesen Zeitläuften ein schwacher Fürst, Georg Wilhelm, dem sein Vater Johann Sigismund schon vor seinem Tode 1619 die Regierung abgetreten hatte, und Georg Wilhelm stand ganz unter dem oft unheilvollen Einflüsse seines Ministers, des Grafen Adam Schwarzenberg (1584—1641). Zunächst schien sich der Krieg im Jahre 1620 der Residenz zu nähern. Ein groß britannisches Hilfskorps von 3000 Mann rückte durch die Mark, dem Winterkönig von Böhmen und seiner englischen Gattin zur Unterstützung. Berlin kam aber mit dem bloßen Schrecken davon. Erst sieben Jahre später lernten die Bürger, die sich im Aufruhr gegen Georg Wilhelm gewendet hatten, als sie die Besatzung Branden burgs verstärken sollten, die wirkliche Härte des Krieges kennen. Der Kurfürst
— 28 — wollte trotz allen an ihn ergehenden Aufforderungen Neutralität wahren. Das hinderte die Kaiserlichen nicht, im Winter von 1627 auf 1628 Berlin und die un geschützte Mark wie feindliches Land auszubeuten; Wallenstein hatte sein Haupt quartier in Bernau, am 15. November und dann wieder im Februar war er mit Terzky und andern Führern in Berlin. Vier Jahre danach folgten die Schweden. Gustav Adolf, des Kurfürsten Schwestermann, forderte diesen zu einem Bündnis auf und gab dieser Einladung Nachdruck, indem er mit einer ganzen Armee vor Berlin marschierte und sich in Köpenick festsetzte. Eine Zusammenkunft an der Oberspree führte nicht zum Ziele. Da rückte der Schwede in Berlin ein und zwang den Kur fürsten, ihm freien Durchzug durch die Mark und die Besetzung Spandaus zu be willigen — Frankfurt hatten die Schweden bereits genommen und geplündert. In seiner gewollten waffenlosen Neutralität blieb Georg Wilhelm kein anderer Entschluß übrig. Magdeburg aber, zu dessen Entsatz Gustav Adolf herangezogen war, fiel vor seinem Anlangen an der Elbe. Und als der Kurfürst nun Spandau zurückforderte, nötigten die Schweden ihn durch einen Aufmarsch vor Berlin, ihnen die Festung neuerdings einzuräumen und beträchtliche Hilfsgelder zu zahlen. Da starb Gustav Adolf bei Lützen den Heldentod. Und jetzt, vom Jahre 1632 an, wurden Berlin und die Mark zum Spielball aller Kriegsparteien, obwohl Georg Wilhelm endlich eine bescheidene Wehrmacht aufstellte, zu der auch Berlin steuern mußte. Zuerst zogen die Kaiserlichen unter dem Obersten Hans Wins, einem Sprossen der alten Berliner Ratsfamilie, gegen Berlin, räumten aber als bald das Feld, um nicht durch die Sachsen vom wallensteinischen Hauptheere ab geschnitten zu werden. 1636 kamen die Schweden wieder und erpreßten von den Berliner Bürgern Geld und Ware, weit über das Vermögen der durch die Not der Jahre verarmten Bevölkerung hinaus. Den Schweden folgten wieder die Reichsvölker und ihnen — der Schwarze Tod, die Pest, die in dem einen Jahre 1637 168 Häuser zu völligen Todeshäusern machte. Noch während ihres Wütens kamen die Schweden zurück. Die Not und das Entsetzen vor der Zukunft starrten aus den ausgemergelten, fiebergerüttelten Gestalten der Bürger, aus den verfallenen Häusern, den kotbedeckten Straßen. Es kam soweit, daß die Verordneten und die ganze Bürgerschaft im Jahre 1639 die Räte um Erlaubnis zur Auswanderung baten, was der Kurfürst natürlich abschlug. Um die Stadt besser verteidigen zu können, wurden viele vor der Mauer erbaute Häuser abgebrochen und schließlich bei einem erneuten schwedischen Angriff alle Vorstädte der berlinischen Seite außerhalb der durch Spitzpfähle und Schanzen verstärkten Mauern kurzab nieder gebrannt. Wie oft mögen die Berliner in ihren bröckelnden und verwahrlosten Kirchen das Lied des Lutherfreundes Erasmus Alberus gesungen haben, der hundert Jahre vordem als einer der ersten an der Spree evangelisch gepredigt hatte: Ach, lieber Herr, behüt uns heut In dieser Nacht vorrn bösen Feind Und laß uns in dir ruhen fein, Daß Leib und Seele sicher sein!
Und rings um die Stadt dehnte sich ein verwüstetes, mit Dorfruinen übersätes Land. Auf viele Meilen fände man weder Menschen noch Vieh, weder Hund noch Katze, schrieb der Berliner Rat an den Kurprinzen. Mit Gewalt wurden die Kriegssteuern beigetrieben, mancher Beamte oder Lehrer, dem jahrelang die Be-
— 29 soldung ausblieb, hing sich auf oder ging in den Fluß, die Bürger hatten weder die Möglichkeit, ihren gewohnten Handel, ihre nährenden Gewerbe zu betreiben, noch konnten sie ihre Ackerstellen vor den Toren bebauen, Vieh auf die Weide austreibeu — sie mußten fürchten, daß sie für den nächsten Söldnertrupp irgendeines Heeres säten und züchteten. In Jammer und Elend geduckt, sittlich durch die lange Kriegs zeit geschwächt und verwildert, auf die-Hälfte des Vorkriegsstandes zusammen geschmolzen — so erwarteten die Berliner Bürger die Einreise des zwanzigjährigen Kurfürsten Friedrich Wilhelm, der in Königsberg weilte, als am 1. Dezember 1640 Georg Wilhelm im dortigen Ordensschlosse starb.
H. Aufschwung. Über Friedrich Wilhelm hat sein Urenkel, der große König, geschrieben: „Er war des Namens der Große würdig, den seine Völker und die Nachbarn ihm einstimmig verliehen haben. Der Himmel hatte ihn eigens dafür geschaffen, durch seine Tatkraft die Ordnung in einem Lande wieder herzustellen, das durch die Mißwirtschaft der vorangegangenen Regierung völlig zerrüttet war. Er wurde zum Schützer und Neubegründer seines Vaterlandes, zum Ruhm und zur Ehre seines Hauses." Die Genialität dieses Herrschers bewährte sich nicht zuletzt in dem Schicksal seiner Hauptstadt. Wohl verflossen mehr als zwei Jahre, bis er Königsberg ver lassen und die Erbhuldigung der Berliner empfangen konnte — aber von Anfang an trug er Sorge, das bürgerliche Wesen der Residenz zu verbessern, die furchtbaren Wunden des Krieges zu heilen, den verlorenen Wohlstand neu zu entwickeln, die Bevölkerung zu vermehren. Noch aber war ja Krieg, und erst nach acht Jahren, 1648, vollzog auch Friedrich Wilhelm den Frieden von Osnabrück und Münster, der den dreißigjährigen Hader endete, und Berlin beging sein Friedensfest. Der Kurfürst mußte ein Heer haben, größer, stärker, achtunggebietender als das seines Vaters; und dazu sollten die Berliner mehr steuern als bislang. Er erleichterte ihnen das jedoch in tnannigfacher Weise. Er milderte den Zunftzwang, vermehrte durch Herabsetzung des Meistergeldes die Anzahl tüchtiger selbständiger Handwerker und beförderte mit aller Kraft die Einbürgerung neuer „Manufakturen", den Berlinern bis dahin fremder Gewerbszweige, in der Stadt. Er führte die Färberei, die Herstellung von Seiden, die Tabakspinnerei x) ein und unterstützte diese und andere Fabrikationen durch die Fernhaltung fremder Konkurrenzwaren. Er privi legierte auch im Jahre 1659die erste Buchhandlung in Berlin. Seine bedeutendste Leistung für den Berliner Handel aber war die in den Jahren 1662—1668 erfolgte Anlegung des Friedrich-Wilhelms-Kanals, der bei Müllrose südlich Frank furts von der Oder absticht und in fast vier Meilen langem, von acht Schleusen unterbrochenem Laufe das Gelände bis zur Spree durchschneidet. Zwei Meter tief, schuf er für Berlin eine ganz neue, bequeme, lebenswichtige Verbindung mit den Oderländern bis zur Seeküste. Ja, Friedrich Wilhelms Pläne gingen über den Ozean hinaus; wie er durch Benjamin Raule (f 1707) eine Kriegsflotte bauen ließ, so errichtete er mit diesem Seemann und Reeder holländischen Bluts eine Afrikanische Handelsgesellschaft, die den Warenverkehr mit der Guineaküste und *) Spinnen hieß beim Rauchtabak die Herstellung des Rollentabaks aus den einzelnen Blättern.
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den dortigen preußischen Kolonien Groß-Friedrichsburg, Accada, Taccarary und Taccrama unterhielt1). Aber die nahe Vergangenheit hatte gelehrt, daß die Stadt einer neuen und besseren Befestigung bedurfte; so ließ Friedrich Wilhelm die alten Mauern ab-
Schlüter, Großer Kurfürst.
reißen und durch Johann Gregor Memhard eine neue, stattliche, auch den ver vollkommneten Waffen der Zeit trutzbietende Wehr erbauen. Bastionen mit vor!) Diese ersten deutschen Kolonien in Übersee wurden 1717 von Friedrich Wilhelm I. an Holland verkauft; der preußisch gesinnte Negerfürst Johann Cunny verteidigte sie aber noch acht Jahre lang erfolgreich gegen die neuen Herren.
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springenden Türmen entstanden, breite Gräben vervollständigten den Schutz, so am Ostrand das später Königsgraben genannte Gewässer; dabei erfuhr das umwehrte Stadtgebiet eine Ausweitung. Im Süden wurde Neukölln am Wasser mit einbezogen, viel wichtiger aber war die Dehnung Köllns nach Westen. Hier hatte auf dem Werder ein Gewirr zufälliger Anlagen geherrscht. Da stand, dem Schlosse gegenüber, das Falkonierhüuschen, die Wohnstätte der Falkoniere, denen die Abrichtung der Jagdfalken für den Hof oblag. Weiter südlich (an der Stelle der heutigen Reichsbank, dem Beginn der Jägerstraße) erhob sich der Jägerhof für die kurfürstliche Jagdbedienung und die Meute. Friedrich Wilhelm gründete hier den neuen Ort Friedrichswerder, dem er 1662 Stadtrecht verlieh; 1669 wurde Memhard sein Bürgermeister. Auf dem Werderschen Markt an der Ecke der Friedrichsgracht erstand das von dem Italiener Johannes Simonetti erbaute Rathaus, das gegen Ende des Jahrhunderts auch die 1681 begründete Schule, das spätere Friedrichswerdersche Gymnasium, unter sein Dach aufnahm. Der Friedrichswerder erhielt auch (an der heutigen Niederlagstraße) eigene Nieder lage und einen Packhof. Die neue Befestigung schloß nun das Gertraudten-Spital auf dem Spittel markte mit ein, sie verlief längs dem heutigen Straßenzuge Wallstraße, Niederwall straße, Oberwallstraße; hier war von der Bastion, deren dreieckige Form der Haus vogteiplatz geerbt hat, bis zu der neu angelegten breiten Promenade Unter den Linden die Westgrenze von Friedrichswerder. Nicht lange, so breitete sich nördlich dieser Straße eine vierte Stadt, 1674 mit Stadtrecht begabt, aus: dieDorotheenstadt, sie wie ihre Kirche nach des Kurfürsten zweiter Gemahlin Sophie Dorothea von Holstein-Glücksburg (1636—1689) benannt, deren flackerndes, der Volksphantasie Nahrung gebendes Wesen Willibald Alexis in dem Roman „Dorothee" darzustellen versucht hat. Des Kurfürsten erste Gattin, die fromme Liederdichterin Luise Henriette von Oranien (1627—1667), hatte in ihrer Baulust und Mild tätigkeit noch über die Stadtgrenzen hinausgegriffen; sie erbaute ein Schloß und ein Waisenhaus in Bötzow, das seitdem den Namen Oranienburg führt. Und Benjamin Raule baute sich in Rosenfelde, dem späteren Friedrichsfelde ein glänzendes Haus mit schönem Park. Die neue Befestigung veränderte auch zum Teil die Richtungen des Berliner Wege- und Straßennetzes. So durchschnitt der neue Kupfergraben das Gebiet zwischen dem Lustgarten und dem Gießhause hinter dem späteren Zeughause. Vom Lustgarten zur Umwallung am Eingang der jetzigen Neuen Friedrichstraße wurde über die Spree die Pomeranzenbrücke geschlagen. Nach den neuen Toren mußten Straßen durchgebrochen werden, und außerhalb der Befestigung wurden, von Westen nach Osten einander folgend, fünf neue Landstraßen abgesteckt, die Ora nienburger, die Hamburger, die Rosenthaler (nach dem gleichnamigen Dorf), die Schönhauser (nach Niederschönhausen) und die nordöstlich, vom Schützenhof quer durch die Weinberge führende Prenzlauer. Als Schluß und Prunkstück ließ der Kurfürst durch Johann Arnold Nering (t 1695) das Leipziger Tor errichten; es schloß, 21 m hoch, die Alte Leipziger Straße an der Niederwall straße prunkvoll ab, da wo heute das große Gebäude der Berufsschule steht, die vor dem die Gewerbeschule Karl Friedrichs von KIöden und dann die Friedrichs-Werdersche Oberrealschule beherbergte. Ein einziges Stück der kurfürstlichen Befestigung
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ist uns noch erhalten, der sogenannte Wusterhausensche Bär, ein klotziger Wassersperrturm. Er hatte seinen Platz einst am Grünen Graben südlich der Wall straße, wo jetzt das Haus Neue Jakobstraße 10 steht, auf dem Wege, der über die Neue Trift nach Wusterhausen führte. Jetzt steht er neben einem Stück des alten Festungswalls im Köllnischen Park hinter dem Märkischen Museum. Innerhalb der so umwehrten Stadt wurde mit neuer Lust an der Beseitigung der Kriegsschäden gearbeitet, die Straßen wurden mit Laternen beleuchtet, vom Unrat gesäubert, die Häuserabflüsse reguliert und das Gesundheitswesen so ver bessert, daß seit 1682 die Pest in Berlin keine Stätte mehr fand. Dem Bildungs wesen wandte Friedrich Wilhelm besondere Aufmerksamkeit zu. Unter anderen namhaften Gelehrten berief er den großen Geschichtsschreiber und Rechtsforscher Samuel Pufendorf (1632—1694)L) von Schweden nach Berlin; der glänzende Schriftsteller und Gelehrte ward Historiograph der Krone und Rat am Kammer gericht, er schrieb in Berlin unter anderem eine Geschichte des Kurfürsten und seiner Zeit. Sein Grab befindet sich in der Nikolaikirche. In diesem Kirchspiel errichtete die Stadt auf Geheiß des Kurfürsten die erste selbständige Mädchen schule, und an dieser Kirche wirkte zehn Jahre lang der erste große Dichter Berlins, der Diakonus Paul Gerhardt (1607—1676), der in der Stralauerstraße wohnte. Er ist der innigste und wortmächtigste Kirchenlieddichter seit Luther. Unvergänglich bleibt sein herrlicher Choral des tiefsten Gottvertrauens: Befiehl du deine Wege, Und was dein Herze kränkt, Der allertreusten Pflege Des, der den Himmel lenkt;
und nicht minder jenes innige Lied, das er schon als Jüngling in der bescheidenen Stellung eines Hauslehrers beim Advokaten Barthold gedichtet hatte: Nun ruhen alle Wälder, Vieh, Menschen, Stadt und Felder, Es schläft die ganze Welt; Ihr aber meine Sinnen, Auf, auf, ihr sollt beginnen, Was eurem Schöpfer wohlgefällt!
In verwandtem Tone hingegebener Gottinnigkeit geht die Weise der Kurfürstin Luise Henriette, wenn sie anstimmt: Ich will von meiner Missetat Zum Herren mich bekehren;
und, mag sie die Verfasserin sein oder nicht, bis heute hallt es weiter aus jener Zeit: Jesus, meine Zuversicht Und mein Heiland, ist im Leben. Dieses weiß ich, sollt ich nicht Darum mich zufrieden geben, Was die lange Todesnacht Mir auch für Gedanken macht.
Damals dichtete auch der Konrektor am Kloster Michael Schirmer das noch immer lebendige Pfingstlied: „O heil'ger Geist, kehr bei uns ein!" x) Über Pufendorf unterrichtet knapp und schlagend der Aussatz des ihm geistesverwandten Heinrich von Treitschke im 4. Bande der Historischen und politischen Aufsätze.
33 — Daß Paul Gerhardt sein Leben nicht in Berlin, sondern in Lübben abschloß, war eine Folge der religiösen Duldsamkeit des Kurfürsten, der 1666 ein Toleranz edikt herausgab, um den geistlichen Streit zwischen Lutheranern und Calvinisten zu beenden. Gerhardt war kein Eiferer, aber er glaubte sich im Gewissen gebunden, auch von der Kanzel her auf die Bekenntnisunterschiede Hinweisen zu müssen. So ward er vom Amte enthoben und ging, obwohl der Kurfürst ihn wieder einsetzte, aus der Hauptstadt. Friedrich Wilhelms weitherzige Duldung hat dem Lande und der Stadt reiche Früchte getragen. Über religiöse und nationale Scheidungen hinwegschreitend, berief er von allen Seiten neue Bürger nach Berlin. In Holland gebildet und Gatte einer niederländischen Prinzessin, entbot er alsbald zahlreiche Holländer nach Berlin. Wie Raule, war Memhard und wahrscheinlich auch Nering aus den Niederlanden, und vor allem waren es Künstler, die er von dort her heranzog, Baumeister, Maler und Stecher. Die Friedrichsgracht, in deren Nähe die Häuser gruppe von Benjamin Raules Hof liegt, bewahrt noch heute treu den holländischen Charakter des Berliner Stadtbaues jener Tage. Hervorragende Maler wie die Brüder Gerard und Willem van Honthorst wirkten am Hofe, ein dritter Landsmann, Joseph van der Ley, wurde Vorstand der kurfürstlichen Stein hauerwerkstätten. Als die Juden aus Wien vertrieben wurden, siedelte der Kur fürst fünfzig jüdische Familien in Berlin an, darunter die Familie Veit, aus der einer der größten Christusmaler des 19. Jahrhunderts, Philipp Veit, und einer der Vertreter Berlins in der Paulskirche, der Verleger Moritz Veit, stammen. Aus den Tälern von Piemont berief er die um ihres Glaubens willen bedrängten und zersprengten Waldenser. Von der größten Bedeutung für Berlin und Preußen aber war die durch Friedrich Wilhelm veranlaßte französische Einwanderung. Ms Ludwig XIV. 1685 durch die Aufhebung des Edikts von Nantes die Hugenotten ihrer freien Glaubensübung beraubte, erließ Friedrich Wilhelm, dessen Frau eine Urenkelin des Hugenottensührers Gaspard von ©olignt)1) war, das Edikt von Potsdam, das den Auswandernden die preußisch-brandenburgischen Lande öffnete. Durch diesen Zustrom stieg nicht nur die Bevölkerung Berlins außerordent lich — von nunmehr 17000 Berlinern waren etwa 4000Refugies — die neuen Bürger brachten der Stadt auch eine Reihe neuer Gewerbe zu2). Lederindustrie, Seifenfabrikation, Tapetenverfertigung, Spiegel- und Glasmacherei und manches andere haben erst die französischen Reformierten in Berlin heimisch gemacht: in allen Zweigen der Weberei, in der Goldschmiedekunst, in der Uhrmacherei zeich neten sie sich aus. Sie erhielten ihre eigenen Gerichte und ihr eigenes Konsistorium, wo sie in ihrer heimischen Sprache walteten und predigten. Zuerst räumte ihnen der Kurfürst die eigene Schloßkapelle ein, dann den Mitbesitz der Kirche in der Dorotheenstadt, in der wir bald den Franzosen Rambonnet als Bürgermeister finden. Später erhielten sie eigene Gotteshäuser, ihre Schule, das College de France, und schufen sich nahe dem Oranienburger Tore jene Fondation de *) Dem Admiral Coligny, mit dem er diese Verwandtschaft hatte feststellen lassen, setzte Kaiser Wilhelm II. ein Denkmal vor dem Schloß (von Graf Schlitz). 2) An der Front der Französischen Klosterkirche stellt ein Relief von Johannes Böse (1856—1917) den Empfang der Hugenotten durch Friedrich Wilhelm, ein zweites die Einweihung der Kirche durch Friedrich Wilhelm I. im Jahre 1726 dar. Berlin in Geschichte und Kunst.
— 34 — l'Eglise de rekuge für alleinstehende Frauen der Gemeinde, die Ernst Heilborn in seiner Legendensammlung „Die kupferne Stadt" so geheimnisvoll geschildert hat. Wie der älteste Friedhof Berlins, der jüdische Begräbnisplatz in der Großen Hamburger Straße, mit seinen bis in diese Zeit zurückreichenden Grab stätten, so bewahrt der alte Französische Kirchhof in der Chausseestraße das Gedächtnis dieser weiterwirkenden kurfürstlichen Taten. Und in ihrer Entfaltung hat die Französische Kolonie Berlin und Preußen neben bedeutenden Kaufmanns geschlechtern wie den Ravenes, den Motards und den Sys Dichter wie Fried rich de la Motte Fouque und Theodor Fontane, Gelehrte wie die auf den verschiedensten wissenschaftlichen Gebieten hervorragende Familie Erman, Meister der Kriegskunst wie Guillaume Rene de Courbiöre, Julius Berdy du Vernois, Hans und Walter von Bronsart geschenkt. Ein liebens würdiges Bild des hugenottischen Lebens in Berlin noch in späterer Zeit entwirft Julius Rodenbergs Roman „Die Grandidiers". Neben seiner Friedensarbeit hatte ja aber der Kurfürst auch nach dem West fälischen Frieden schwere Waffengänge zu bestehen. Franzmann, Däne, Pol und Schwede Hielt in deutschen Landen Haus, Aber du in grimmer Fehde Warfst sie kühn zum Reich hinaus —
singt Heinrich Treitschke. Und die Kämpfe gegen die wieder eingedrungenen Schweden, denen erst die Schlacht von Fehrbellin im Jahre 1675 ein Ziel setzte, gingen den Berlinern am nächsten und machten die Heeresgebietiger, vor allem den Freiherrn von Derfflinger (1606—1695) in Berlin volkstümlich. Der Alte baute sich nach Nerings Plan auf dem Köllnischen Fischmarkt, quer vor der Breiten Straße, mit dem Vollblick auf das Schloß einen, von Alexis in der „Dorothee" geschilderten Palast, der heute noch mit seiner stattlichen Front die Straße beherrscht (Kaufhaus Leineweber). Das Haus des andern Feldmarschalls, des Grafen Otto von Sparr, steht nicht mehr; aber im Chor der Marienkirche finden wir sein noch bei seinem Leben unter seinen Augen gefertigtes Grabmal, wahrscheinlich ein Werk des Niederländers Artus Quellinus, des Alteren. Unter einer figurenreichen Bekrönung zeigt es den Feldherrn, dem Betrachter seitlich zugewandt, im Gebet auf einem Kissen vor einem Altartische kniend; hinter ihm hält ein kleiner Page mit Mühe den schweren Helm mit geschlossenem Visier und Straußfederschmuck.
Durch Michael Hauff ließ der Kurfürst den Lustgarten ganz neu mit gradlinigen Hecken und Blumenbeeten anlegen, zwischen denen Sandsteinstatuen verteilt waren; ein Lusthaus und ein Pomeranzenhaus wurden dort errichtet. Vor allem aber beschäftigte der Kurfürst Nerings) Dieser, der kurfürstliche Ober ingenieur, riß die alten Krambuden auf dem Mühlendamm ab, ersetzte sie durch Kolonnadengänge und baute über ihnen die erste Börse der Berliner Kaufmann schaft, er umgab das Schloß mit ähnlichen Kolonnadenlauben und errichtete an Stelle des abgebrannten Mar st all es in der Breiten Straße einen neuen, in den das Ribbecksche Haus einbezogen ward. Vieles andere aus seiner weitausgreifenden x) Vieles von Nerings Meisterbauten ist auf den Tuschblättern des Berliner Malers Johan nes Stridbeck (aus Augsburg) festgehalten; sie liegen in der Staatsbibliothek. Zehn dieser Blätter findet man in dem schönen Buche von Max Osborn, Berlin. 2. Aufl. Leipzig, 1927.
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und auf lange hinaus vorbildhaften Tätigkeit, besonders das schöne Fürstenhaus in der Kurstraße, steht nicht mehr. Ms Friedrich Wilhelm, der Große Kurfürst, am 9. Mai 1688 die Augen für immer schloß, war sein Land, war zumal seine Hauptstadt im Vergleich mit dem Tage seines Regierungsantritts nicht wieder zu erkennen. Kein Gebiet staatlichen, geistigen, bürgerlichen Lebens, das nicht die Spuren tiefer Umpflügung, völliger Erneuerung, frischen Auftriebs trug. Und im Gedenken solcher Taten und solchen Segens mochte Heinrich von Kleist nach mehr als einem Jahrhundert seine Natalie im „Prinzen von Homburg" dem Herrscher zurufen lassen: Das Vaterland, das du uns gründetest, Steht eine feste Burg, mein edler Ohm; Das wird ganz andre Stürme noch ertragen ... Das wird sich ausbaun herrlich, in der Zukunft, Erweitern unter Enkels Hand, verschönern, Mit Zinnen, üppig, feenhaft, zur Wonne Der Freunde und zum Schrecken aller Feinde.
7. Königliche Reflüenz. Wie Friedrich Wilhelm von seinem Vater, so war sein Sohn und Nachfolger Friedrich III. (1688—1713) von ihm grundverschieden, ein im Hohenzollernhause häufiges Gesetz der Abfolge. In der Sorge um die Entwicklung Berlins aber trachtete der Sohn danach, das Werk des Vorgängers in gerader Linie fortzusetzen. Auch er tat alles, die Stadt zu dehnen, ihr tüchtige neue Bürger zuzuführen, und tat es in dem gleichen Sinne weitschauender Toleranz wie der Große Kurfürst. Im Jahre 1700 berief Friedrich mehr als 5000 reformierte Flüchtlinge aus dem südfranzösischen Fürstentum Orange nach Preußen und siedelte sie vor der Südmauer in der neuen Luisenvorstadt an; sie gaben der neuen Hauptstraße den Namen Orangenstraße — Oranienstraße. Westlich vom Friedrichswerder, zwischen dem Platz der Jerusalemskapelle und der Straße Unter den Linden, bis zur heutigen Mauerstraße, hin schuf Friedrich eine fünfte Berliner Stadt, die Friedrichsstadt. Nering war dabei zunächst beschäftigt, nach ihm Johann Heinrich Behr, von dem die nördlichste Straße des neuen Gemeinwesens die Bezeichnung Behrenstraße empfing. Am 18. Januar 1701 setzte sich Friedrich in seiner Geburtsstadt Königsberg die Königskrone aufs Haupt, am 6. Mai hielt er seinen prunkvollen Einzug in das auf 23000 Einwohner angewachsene Berlin. Acht Jahre später gab er dem väterlichen und dem eigenen berlinischen Werke einen gewissen Abschluß. Er berief die achtzehn Bürgermeister der fünf Städte und den französischen Oberrichter Ancillon vor seinen Geheimen Rat, und das Ende der Erwägungen war die Zusammenlegung der Städtd und ihrer Vorstädte zu einer einheitlich verwalteten Königlichen Hauptund Residenzstadt. Der Rat, an dessen Spitze vier Bürgermeister standen, sollte im ganzen aus neunzehn Personen bestehen, und zwar je zur Hälfte aus luthe rischen und reformierten, bei Angelegenheiten, die die Kolonie betrafen, war der französische Oberrichter hinzuzuziehen. Die ersten vier Bürgermeister der neu gebildeten Gesamtstadt waren Sebastian Friedrich Striepe, Joachim Friedrich Kornmesser, Ludwig Senning und Andreas Libertus
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Müller. Die Hauptstraße Berlins, die vom Georgentor zum Schlosse führende Georgenstraße, auf der der König in seiner neuen Würde eingefahren war, hieß nun Königstraße, das Georgentor Königstor. Mit aller Wucht und malerischen Pracht des jetzt von Italien her Europa er obernden Barockstils schmückte Friedrich Berlin. Zunächst stand ihm noch Nering zur Seite. Die Lange Brücke wurde abgebrochen und von ihm in Stein er neuert. Für das Zeughaus gegenüber dem Lustgarten am westlichen Spreeufer schuf Nering den Entwurf, den Bau nahm ihm der Tod aus den Händen; erst I o h a n n de Bodt vollendete das mit reichem kriegerischem Schmuck gezierte wuchtige Gebäude. Zwischen beiden aber war Andreas Schlüter aus Hamburg (1664—1714) am Zeughause tätig; insbesondere die ergreifenden Masken sterbender Krieger stam men von ihm. Und dieser geniale Künstler hat in seiner kurzen Schaffenszeit Berlin mit einer Fülle von Werken überschüttet, die der Stadt teilweise noch heute ihren Charakter geben. Am 11. Juli 1703 ward auf der Langen Brücke Schlüters Denkmal des Großen Kurfürsten, von Johann Jacobi in Erz gegossen, enthüllt, ein Reiterbild von so zwingendem Reiz und so sprech ender Macht wie wenige auf dem Erden runde. Unter der Gestalt des wie em römischer Triumphator emherreitenden Fürsten versinnbildlichen zwei Sockelreliefs Kurstaat und Königtum, und an den vier Ecken wachen die belebten Gestalten gefesselter Sklaven. In der Dorotheenstadt erbaute Schlüter das zierlich geschwungene Haus des Ministers von Kameke mit einem festlichen achteckigen Saale, dessen Wandreliefs die Erdteile darstellen. Der Marienkirche gab er die von einem ganzen musizie renden Engelchor gekrönte Marmorkanzel, der Nikolaikirche das köstliche Männlichsche Erbbegräbnis mit der grausam zupackenden Gestalt des Todes. Vor allem galt seine Kunst der Erneuerung des Schlosses. Sein Werk ist die große, von zwei Säulenstellungen unterbrochene vierstöckige Vorderfront nach dem Schloß platz. Ihr entspricht die elegantere Lustgartenfront nut ihren von Karyatiden ge-
— 37 — tragenen, zierlichen Balkons. Dennoch ist der größte Eindruck der des mittleren Schloßhofs an dem einst Kaspar Theyß seine Kunst bewährt hatte. „Das Wunder vollste aber", sagt Max Osborn, „schuf Schlüter in der Architektur des Hofes, wo er mit gleicher Meisterschaft den vorhandenen Grundstock des Hauses benutzte und alles doch zu einer unvergleichlichen Einheit zusammenschloß. Ringsum an drei Seiten ziehen sich offene zweigeschossige Bogenlauben mit gekuppelten Säulen und Pilastern, mit geradem Gebälk im Erdgeschoß, oben von Flachbogen abge schlossen, und über diesem Unterbau mit seiner Ab wechselung von Licht- und Schattenmassen ragen die ruhigen Wandflächen der oberen Stockflächen auf." Sein Schloßwerk ganz zu vollführen, war Schlüter nicht gegönnt. Er beschenkte das Innere, zumal im Schweizer Saal und im Rittersaal, mit einer Fülle genialer dekora tiver Ersindungen, aber als der von ihm entworfene Münzturm an der Stelle der alten Wasserkunst sich noch vor seiner Vollendung zu senken begann und abgetragen werden mußte, erfolgten so schwereAngriffe auf Schlüters Künstlerehre, daß er auf die Arbeit am Schlosse verzichtete; er blieb nur noch Hofbild hauer, bis der zweite König mit anderen auch seine Stelle strich. In St. Petersburg, im Elend, ist Schlüter gestorben. Die Vollendung des Schloß baus nach Westen hin, fiel dem SchwedenJo Hann Friedrich Eosander vonGöthe (um 1670—1729) zu. Erschloß den äußeren Westhof durch ein riesiges, dem Triumph bogen des Septimius Severus in Rom nachgebildetes Portal ab. Eosander brachte auch das Palais in Niederschönhausen an der hell strömenden Panke unter Dach. Er vollendete in dem Dorfe Lietzo w das Schloß, das Friedrich dort für seine Gattin Sophie Charlotte von Hannover (1668—1705) in einem großen Parke an der Spree errichten ließ und an dem schon Nering und nach ihm Schlüter gearbeitet haben; der Ort empfing vom Schlosse den Namen Charlottenburg. Die (Snt würfe für die Gestaltung des Gartens lieferte von Paris her der größte Garten künstler der Zeit Andre Le Notre. Schließlich baute Eosander auf dem Gebiete des fürstlichen Gartens vor dem Spandauer Tore für die Gräfin Wartenberg,
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die Geliebte des Königs, ein zierliches Schlößchen, das der König später als „Mon bijou" seiner Schwiegertochter schenkte. Das Gartengelände wurde durch eine Brücke mit dem weidenbepflanzten Damme der Dorotheenstadt verbunden — die Weidendammer Brücke. Ms gefeierter Gast des Herrscherhauses, insbesondere der „philosophischen" Königin Sophie Charlotte, kam der größte Weltweise und Gelehrte der Zeit, Gottfried Wilhelm Leibniz (1646—1716) immer wieder nach Berlin. Nach seinen weitausgreifenden Plänen wurde eine Sozietät der Wissenschaften
Schlotzhof mit Eosander-Portal.
begründet und diese Akademie im Jahre 1711 feierlich eröffnet; Leibniz war ihr erster Präsident, einer der Direktoren der vier Klassen der um die Pflege der Wissen schaft hochverdiente Hofprediger Daniel Ernst Jablonski. Auf Leibniz' An regung wurden auch in Berlin die ersten beiden Sternwarten — in der Wall straße und in der Dorotheenstraße — errichtet. Noch heute begeht die Akademie der Wissenschaften an jedem Donnerstag nach dem ersten Juli in feierlichen Formen ihren Leibniztag. Neben sie trat, von dem Minister Eberhard von Dankelmann, Schlüter und dem holländischen Maler Augustin Terwesten eingerichtet, eine Akademie der Künste. Beide Anstalten wurden in einem von Martin Grünberg ausgebauten Anwesen zwischen der Straße Unter den Linden und der Dorotheenstraße untergebracht, das wunderlicherweise unter fernem Dache zugleich einen königlichen Marstall beherbergte. Mulis et Musis (den Maul eseln und den Musen), spottete der Gymnasialwitz.
— 39 Aus den unregelmäßigen Blättchen für die lesekundigen Berliner Bürger wurden allgemach zu bestimmten Tagen wiederkehrende Zeitungen. Dem Buchdrucker Christoph Runge, der 1655 die „Berliner Einkommende Ordinari und Postzeitung" ins Leben rief, wurde die pünktliche Belieferung noch schwer. Aber im Jahre 1704 versuchte der aus Heidelberg stammende Buch händler Rüdiger es in seinem „Diarium von dem was im heiligen Römi schen Reich passiert" mit einem Wochenblatt, aus dem sein Sohn die dreimal
Zeughaus.
wöchentlich erscheinende „Berlinische Privilegierte Zeitung" machte. Durch des jüngern Rüdiger Schwiegersohn und Nachfolger Voß erhielt das Blatt später den Namen: Vossische Zeitung.
Die Berliner Poesie der Zeit, vor allem durch bte dem Hofe angehörigen Dichter Friedrich von Canitz und Johann von Besser vertreten, konnte den Wettbewerb mit den mächtig emporstrebenden bildenden Künsten nicht wohl bestehen, auch nicht, wenn sie die glänzenden Feste verherrlichte, die der prunk liebende König seinen Gästen gab; einer unter diesen, Zar Peter der Große, schuf durch die Manieren seines Gefolges und sein eigenes ungestümes Wesen an dem von prächtigem Zeremoniell erfüllten Hofe Friedrichs rote an dem seines Nachfolgers manche Verlegenheit. Die Markgräfin Wilhelmine von Bayreuth,
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Friedrichs des Großen Schwester, hat später in ihren Memoiren mit einiger Bos heit darüber berichtet. Der gerade Gegensatz zu dem die Mittel des Hauses und des Landes allgemach überspannenden Treiben in den königlichen Schlössern und Parks bot sich in der Entfaltung des Berliner evangelischen Kirchenlebens dar. Die Bewegung des Pietismus, allem Dogmenstreit abgewandt, dehnte sich auch auf Berlin aus. Sie war für eine innerliche Erfassung und Belebung des Christentums auf lange hinaus eben so fruchtbar wie für Liebesmüh an Armen und Kranken und für große Werke der Erziehung. Ms Direktor des Friedrichswerderschen Gymnasiums wirkte in diesem Sinne der Pietist Joachim Lange, der Verfasser des Kirchenliedes: O Jesu, süßes Licht, nun ist die Nacht vergangen, Nun hat dein Gnadenglanz aufs neue mich umfangen; Run ist, was an mir ist, vom Schlafe aufgeweckt Und hat nun in Begier zu dir sich ausgestreckt.
In gleichem Geiste ward am Kloster, an dem nun in Berlin untergebrachten Joachimstaler und dem seit 1672 bestehenden Köllnischen Gymnasium unterrichtet. Den nachhaltigsten Einfluß auf das geistlich-geistige Leben der Haupt stadt aber übte der eigentliche Gründer und Stifter des Pietismus, der Elsässer Philipp Jakob Spener (1635—1705). Im Jahre 1691 ward er von Dresden her als Propst an die Nikolaikirche berufen, und von seinem Pfarrhause strömte weit über seine Gemeinde hinaus der Segen einer erneuerten Frömmigkeit durch Ber lin. Seiner immer auf das Innerste gerichteten kirchlichen Arbeit ist die langsame Anbahnung eines besseren Verhältnisses der beiden evangelischen Konfessionen mit zu danken, wie sie besonders Jablonski in Berlin förderte. Aber für Speners fromm-bescheidenen Sinn bezeichnend ist seine Ablehnung der Teilnahme an einem zur Einigung bestimmten Berliner Religionsgespräch; wohl war ihm das Werk Herzenssache, aber: „es ist noch nicht die Zeit; wir alle müssen uns erst sitt lich reinigen." An der Nordwand seiner Kirche unter grünen Sträuchern liegt Philipp Jakob Spener bestattet. Unter dem Anhauch solch vertiefter Gläubigkeit schritten die Gemeinden und der Herrscher zu einer langen Reihe von kirchlichen Bauten. Friedrich errichtete in der Stralauer Straße auf Anregung Speners und anderer christlicher Männer und Frauen das Friedrichs-Hospital und ein Waisenhaus. Wie die Fran zösische Kolonie in der Friedrichsstadt ihr Hotel de Refuge, so eröffneten die Ein wanderer aus Orange für ihre Hilfsbedürftigen in der Dorotheenstadt die Maison d' Orange. Auf der Esplanade, dem Marktplatz der Friedrichsstadt, entstanden zwei schlichte Gotteshäuser, am Nordrand, an der Französischen Straße, die Fran zösische Kirche, am Südrand, an der Mohrenstraße, von Grünberg aufgeführt, die Neue Kirche. Die beiden Bauten, vom Volke der französische und der deutsche Dom genannt, gaben der späteren Entfaltung des Platzes, der von einem Regiment die Bezeichnung Gensdarmenmarkt empfing, die Richtungspunkte. Beide Kirchen waren in ihrer auf die Kanzel bezogenen Rundanlage von ausgesprochen protestantischem Charakter. Grünberg baute auch auf dem Friedrichswerder am Markte neben dem einstigen Falknerhaus ein schlichtes Gotteshaus. Aus einer Scheune in der Kommandantenstraße entstand die Französische Kirche der Luisenvorstadt, in der Neuen Friedrichsstraße die Garnison-
— 41 — kirche, in der Spandauer Vorstadt die Spandauer Kirche, die später den Namen Sophienkirche erhielt. In ihrer Nähe errichtete der Ratsverwandte Christian Koppe ein Armenhaus und einen Armenkirchhof, in dessen Mitte er selber bestattet ist. Auch die Luisenstädtische Kirche an der heutigen Sebastianstraße wurde damals unter Dach gebracht. Die Juden bauten sich in der Haidereutergasse, nahe dem Neuen Markt, die erste Synago'ge.
Glocken der Parochialkirche
Der großartigste, für das Berliner Stadtbild wichtigste Kirchenbau Friedrichs aber war die nach Nerings Entwurf von Grünberg beendete Parochialkirche in der Klosterstraße. Sie gibt der schönen Schwingung der Gasse den wirk samen Abschluß, ihr erst 1714 errichteter, 66 m hoher Turm ist weithin über die Spree sichtbar. Unter seinem Kupferdach trägt er das mit vier von Johann Ja cobi gegossenen Glocken und 853 Notenstiften ausgerüstete holländische Glocken spiel, das einst für Schlüters verunglückten Münzturm bestimmt war. Zu jeder vollen Stunde ertönt nun seit über zwei Jahrhunderten em Choral aus der Höhe über Berlin, und die „Smge-Uhr" erfreut sich einer nie abgeebbten Volkstümlich keit, die sich in einem ganzen Sagenkranze äußert.
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Die geschmackvolle höfische und kirchliche Baukunst regte weithin zur Nach ahmung an. Von den Privatbauten dieser reichen Jahre ist uns jedoch wenig erhalten geblieben. So baute de Bodt für den Hofrat Rademacher das später in den Besitz der Familie Podewils übergegangene schöne Barockpalais, Schlüters Schüler Martin Böhme auf der andern Seite der Klosterstraße, Nr. 36, das Kreutzsche Haus mit der liebenswürdigen Rundbogenpforte über dem Balkon und dem Festsaal von herrlichem Ebenmaß und reicher Malerei und Stukkatur an der Decke und den Türfüllungen. Das 1737 von dem Geheimen Rat Severin Schindler und seiner Frau begründete Schindlersche Waisenhaus an der Friedrichsgracht ist gleichfalls in einem charakteristischen Privatbau jener Zeit untergebracht, und ein reizendes, schon etwas jüngeres dreistöckiges Wohnhaus der Kleinen Kurstraße hat den Ausdruck unüberladener Barockform bis heute gewahrt; es fesselt besonders durch die eigenartige Führung des Kellergeschosses und den sparsamen plastischen Schmuck über den Fenstern. Die Reinlichkeit der schönen Stadt ward gefördert, indem man die Viehhaltung in die Vorstädte vor das Spandauer und das Königstor verlegte; damals entstanden die Weinmeister- und die Gipsstraße, nach Niederschönhausen hin wurde die Schön hauser Mlee angepflanzt. Der alte, die Tempelhofer Vorstadt durchquerende Landwehrgraben wurde zu einem Floßkanal verbreitert und vertieft. Als außer halb des Weichbildes wieder die Pest ihren Einzug hielt, ward 1710 vor den Toren am Spreeufer westlich der Friedrichsstadt ein Pesthaus angelegt; zum Glück fand es keine Verwendung im ursprünglichen Sinne, weil die Pest Berlin fernblieb. Die Anlage wurde zum Hospital und Lazarett, sie erhielt den Namen Charite. Das üppige und sittlich oft bedenkliche Leben am Hofe des ersten Königs folgte vielfach französischem Vorbild, und so drangen französische Moden auch in das Bürgertum, die welsche Sprache galt als vornehmer denn die deutsche. Die Kleidung wurde prunkvoll und verschwenderisch, Glücksspiele breiteten sich aus. Es galt als besonders gesuchtes Vergnügen, den Tierhetzen des Königs bei wohnen zu dürfen, der auch, gleich seinem Vater, südlich vom Tempelhofer Berge ein Hasengehege, die Hasenhaide, unterhielt*). Freilich bestanden daneben alte harmlose Volksfeste wie der Stralauer Fischzug, von dem Achim von Arnim in einem Lustspiel ein anschauliches Bild gibt, in alter Munterkeit fort. Man fuhr auf der königlichen Treckschuyte, einem vom Ufer her mit Tauen durch zwei Pferde weiterbewegten Fahrzeug, die Spree hinab nach dem neuen Park von Charlottenburg, während der Hof auf der „Galeere" Liburnica Wasserausflüge machte. Und für den Verkehr der allmählich auf 60000 Bewohner angewachsenen Residenz sorgten Porte-Chaisen; man mietete diese, vorn und hinten von je einem Träger zu Fuß fortbewegten Sänften auf dem Schloßplatz oder vor den Rathäusern und zahlte für die Stunde vier Groschen. In den Rathaussälen fanden, wie es Fon tane in „Grete Minde" vom Tangermünder Rathaus erzählt, Theater vorstellungen statt, in denen der Hanswurst eine große Rolle spielte. Aber Friedrich errichtete auch über dem Marstall in der Breiten Straße ein Hoftheater, darin italienische Opern gegeben wurden. In der Poststraße im Douilhacschen x) Drollig wirkt im Zusammenhang mit der Anlage der Hasenhaide eine hundert Jahre vor dem vom Kurfürsten Johann Georg erlassene Verordnung: „es ist den Burgern in beyden Städten ufferleget, Löcher in den Zeunen an den Gerten zu machen, damit die Hasen hineinlauffen können."
43 — Hause (Nr. 5) kehrte eine französische Truppe ein. Der Aberglaube der Zeit schrieb dem Apothekergehilfen in der Offizin am Molkenmarkte Johann Friedrich Böttger die Kunst des Goldmachens zu, und da er dieser Erwartung nicht ent sprechen konnte, mußte er Berlin heimlich verlassen und setzte die Versuche, die schließlich zur Erfindung des Meißner Porzellans führten, in Sachsen fort. Berlin mußte sich mit dem kostbaren Schatze an chinesischem und japanischem Porzellan begnügen, den die Königin Sophie Charlotte als englisches Geschenk der Porzellankammer des Charlottenburger Schlosses einverleibte. Mit dem Tode Friedrichs des Ersten schloß eine Epoche immer gesteigerten, aber auf die Dauer ungesunden Glanzes. Sein Nachfolger, der zweite König, Friedrich Wilhelm I. (1713—1740) schränkte die Ausgaben des Hofes sofort aufs äußerste ein. Wie in der höfischen, vom wohlhabenden Bürgertum nachge ahmten Tracht an Stelle der bis auf die Schultern fallenden Allonge-Perücke der straff in den Nacken gedrehte Zopf trat, so waren Sparsamkeit und Nüchternheit die Kennzeichen der neuen Regierung, auch für die Hauptstadt. Der Staatsschatz sollte auf gefüllt, eine der Größe Preußens entspre chende Heeresmacht aufgestellt werden. Nun begann allenthalben das Anwerben zum Soldatenhandwerk tauglicher junger Leute, oft mit allen Mitteln der List und Grau samkeit; der Schweizer Ulrich Bräker er zählt in seiner Lebensgeschichte „Der arme Mann im To ckenburg" von solchem Schick sal und seinem unverhofften Berliner Bildnis Friedrich Wilhelms I. auf einer Schaumünze. Soldatentum, und Gustav Frey tag hat im „Freikorporal bei Markgraf Albrecht" (im fünften Bande der „Ahnen") ein Werberstückchen berichtet und dazu wohl das klarste Bild des Königs gezeichnet. Die eigenen Untertanen waren der Kantonne ments-, d. h. Dienstpflicht unterworfen, die rote Halsbinde war das gefürchtete Kennzeichen der zu künftigem Heereseintritt Berufenen. Da aber die gewerbliche Entwicklung Berlins unter dieser Verpflichtung litt, so befreite der König 1733 die Hauptstädter von der Einstellung, und nur, wenn ein Hausvater mit einem Sohne gar nicht zurechtkommen konnte, steckte er ihn zur Strafe in die blaue Montur, wie es Willibald Alexis „Cabanis" mit der ganzen Schwere eines derartigen, in den Augen der Familie degradierenden Eingriffs gleich im Anfang des Romans darstellt. Zur Heranbildung von Offizieren errichtete der König in Berlin eine Kadettenanstalt, der sein Sohn in der Burgstraße ein Heim gab. Berlin sollte dem ganzen Staate oder, wie es noch lange hieß, den Königlich Preußischen Staaten, in Sparsamkeit und Bürgerfleiß vorangehen. Deshalb gab Friedrich Wilhelm der Stadt zum Ausgleich der Vielköpfigkeit des Rats einen Stadtpräsidenten, er nötigte die Stadtverwaltung vom Jahre 1726 ab, einen geordneten jährlichen Haushaltsplan (einen Etat) aufzustellen. Luxus, wie den des Kaffeetrinkens, verfolgte er mit aller Strenge. Derbe Lustbarkeiten, wie
44 Fischerstechen der aus Halle herübergekommenen Halloren erlaubte er, aber die Schützengilden mit ihrem Festprunk wurden verboten. Dagegen wendete der König einzelnen Industrien, insbesondere der Wollweberei, seine ganze Tat kraft gu1). Zu ihrer Förderung berief er den Finanzdirektor Johann Andreas von Kraut nach Berlin, von dessen weitausgreifender Tätigkeit das von Johann Georg Glume geschaffene prachtvolle Grabdenkmal in der Nikolaikirche Zeugnis gibt. Selbst ein leidenschaftlicher Raucher und Präses des von Karl Gutzkow in dem Lustspiel „Zopf und Schwert" vergnüglich dramatisierten Tabakskollegiums, förderte der König den Tabakbau und die Verarbeitung der aromatischen Pflanze. Für den Schiffsbau ließ er am Spreeufer der Dorotheenstadt Werften anlegen, so entstand der Schiffbauerdamm. Friedrich Wilhelm erstreckte seine wirtschaftliche Vorsorge ganz unbekümmert und mit aller Härte der Zeit bis auf den einzelnen Berliner Haushalt. Wer, zum Schaden der Wollmanufakturen, Baumwollkattun trug, ward bestraft; ja, wer acht Monate nach dem Erlaß des Verbotes an Morgenrock oder Sofabezug noch einen Streifen dieses englischen Zeuges bewahren würde, dem drohte eine Buße von hundert Talern und — schlimmer noch — drei Tage öffentlicher Ausstellung im Halseisen. Mit ähnlich schweren Strafen erzwang der König die ausschließliche Zucht weißer Schafe, der feineren und kostbareren Wolle wegen. Und er verordnete, daß die Dorfschulmeister, die zugleich Schneider waren, nichts als Bauernkleider an fertigen durften. In Hermann von Boettichers Schauspiel „Friedrich der Große" ist diese Seite von Friedrich Wilhelms Tätigkeit gleich im Eingang mit dramatischer Schlagkraft dargestellt. Die Hexenprozesse unterdrückte er, vom Hauche der sich ausbreitenden Aufklärung getroffen, aber die Folter ward noch in Berlin angewendet und Hinrichtungen erfolgten mit unverminderter Gräßlich keit, so daß einmal der Pfarrer von St. Marien mitleidsvoll seinen Mantel über zwei Frauen warf, die dem Zangenzwicken und Rädertode ihrer des Diebstahls über führten Männer beiwohnen mußten. Die Überlieferung des Vaters und des Großvaters in der Aufnahme und Einbürgerung ausländischer Gemeinden setzte der König mit Glück und Einsicht fort. Als Tausende evangelischer Salzburger um des Glaubens willen die Heimat verlassen mußten, empfing Friedrich Wilhelm sie in Berlin und sorgte für ihre Weiterbeförderung nach Ostpreußen. Die böhmischen Brüder aber, die Nachkommen der alten Hussiten, deren Gemeindeleben der Graf Zinzendorf er neuert hatte, nahm er in Berlin selbst auf. Sie wurden in der Mauerstraße an gesiedelt, wo ihnen von Friedrich Wilhelm Dietrichs (1702—1784) die zierliche Bethlehems-Kirche erbaut ward; sie bekamen Wohnsitze in der unteren Wilhelm straße, wo noch einige der schlichten Barockhäuser mit ihren Dachhauben stehn, und in Rixdorf erhielten sie einen eigenen Gemeindeanger, um den sich, das schlichte Gotteshaus in der Mitte, Böhmisch-Rixdorf erhob. Bei so fruchtbarer, weithin praktisch ausgreifender Tätigkeit, deren vollen Ertrag erst der Sohn ernten sollte, fehlte dem König jeder Sinn für eine nicht auf unmittelbar nützliche Zwecke zielende Wissenschaft. Er errichtete zur besseren Ausbildung der Arzte eine Anatomie und eine Schule für Heereschirurgen, aber Die Zahl der Tuchmacher stieg von 1720—1740 um rund 500, d. h. ein volles Drittels 1731 wurden allein nach Rußland für 230000 Thaler Tuche geliefert.
— 45 -— die Akademie der Wissenschaften ließ er verfallen, nannte sie wohl in einem Erlaß „die sämtlichen königlichen Narren" und gab ihr den im Tabakskollegium unflätig gehänselten Historiker Jakob Paul von Gundling zum Präsidenten, und als der schließlich zu Bornstedt in einem Weinfaß mit schimpflichen Versen begraben worden war, folgte ihm als Vizepräsident der Akademie ein richtiger Hofnarr, Graben zum Stein. Einmal hatte die Akademie der Wissenschaften in dieser Zeit ein Gutachten über die von einem serbischen Feldscher berichtete Verwandlung von Menschen in blutsaugende Vampyre abzugeben. Die Frankfurter Professoren zwang er einmal, mit seinem als Narr mit einem Fuchsschwänze gekleideten Vor-
Böhmisck-Rixdorf mit Reichels Denkmal Friedrich-Wilhelms I.
leser Morgenstern zu disputieren. Nur der große Staatsrechtslehrer Johann Jakob Moser protestierte gegen diese Entwürdigung und verließ bald die Mark. Auch die Akademie der Künste vernachlässigte Friedrich Wilhelm völlig, obwohl er selber, wenn die Gicht ihn plagte, den Pinsel führte. Aber auch er war ein freudiger Bauherr. Er ließ die Friedrichsstadt bis zur Tiergartengrenze erweitern. Die neue Mauer diente nicht mehr Wehr- sondern nur Zollzwecken. Zierliche Tordurchlässe durchbrachen sie, so am Karree, dem viereckigen Pariser Platze, das Brandenburger, am Oktogon, dem achteckigen Leipziger, das Pots damer und am kreisrunden Rondeel das Hallische. Der Lustgarten mußte freilich seine vom Großen Kurfürsten geschaffene gärtnerische Anlage hergeben und wurde Exerzierplatz für des Königs „lange Kerls", aber nach Westen zu schmückte der König den Zug der Linden mit neuen Bauten. Er ließ aus einem Privathause 1732 zu des Thronfolgers Hochzeit durch Philipp Gerlach das kronprinzliche Palais errichten, in der Oberwallstraße das Prinzessinnen-
— 46 — Palais mit der reizvollen, schlichten Mttelpforte. Charakteristisch für die Bauten dieser Zeit sind die schöngeschwungenen Rampen, am Kronprinzenhause wie an dem Kammergericht in der Lindenstraße, mit dem Philipp Gerlach(1679 —1748) diesem neuen Stadtteil ein Schmuckstück reizvoller Gliederung und stiller Würde bescherte. Gerlach baute auch für den größten Berliner Kaufmann der Zeit, David Splitgerber das spätere Schicklersche Haus Gertraudtenstraße 16 mit seiner einfachen, klargegliederten Fassade und der anmutigen Garten front nach den bis zur Friedrichsgracht gedehnten Anlagen. In der neuen Wilhelm-
Reichspräsidentenpalais.
straße schuf Konrad Wiesend das entzückende Schloß für den Grafen Schwerin, einen dreiflügeligen einstöckigen Bau mit reichem Genienschmuck über dem Ein gang, mit einem vasengekrönten zierlichen Gitter zum Vorhof — es ist das heutige Reichspräsidentenpalais. Schlichter wirkt weiter südlich das Haus des Grafen Schulenburg, das dann an den Fürsten Radziwill überging und schließlich Reichskanzlei wurde; auch hier atmet die Bergung hinter einem Ehrenhos vor nehme Zurückgezogenheit. In der Mohrenstraße entstand die kreisrunde, drei geschossige Dreifaltigkeitskirche. Wie er selbst die Stadt durch Anlagen und Bauten dehnte und verschönerte, verlangte Friedrich Wilhelm das auch von ihren Bürgern. Jeder Beamte und jedes Gewerk wurde gehalten, ein Haus zu bauen; manchmal gab der König den Bau grund dazu umsonst. So konnte ein ungenannter Chronist zu jener Zeit schreiben: „Caetera urbis palatia et praedia, quondam civium patrimonia, aulici habent“ (bie übrigen Paläste und Grundstücke der Stadt, einst der Bürger Erbgut, haben
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Hofbeamte inne). Die Markgrafenstraße wurde so zum ersten Geheimratsviertel Berlins. Als einer der reichsten Leute der Stadt, der Baron Vernizobre, um den Konsens für die Heirat seiner Tochter mit einem Gardeoffizier und die Lösung eines ihr vom Könige aufgedrungenen andern Verlöbnisses einkam, gewährte der König die Bitte nur unter dem Beding eines kostbaren Baus. So entstand das Palais der Wilhelmstraße, auf das die Kochstraße gerade zuführt, das heutige Palais Prinz Albrecht. Nachdem es in den Besitz der Krone übergegangen war, hat Adolph Menzel es von der schönen Gartenansicht her gemalt.
Chodowiecki, Wallfahrt nach Franzöfifch-Buchholz.
In der Verlängerung des Schiffbauerdamms breitete sich die Stadt ebensv allmählich aus wie nach Süden und Westen. An der Spree schlug der Kolonist Mourier das erste Zelt, zur goldenen Gans geheißen, auf, und die Berliner strömten hier zu unschuldigeren Vergnügungen zusammen als es ehedem vor den Toren die Hexenverbrennungen waren. Den Zelten gegenüber mühten sich auf dem andern Flußufer französische Gärtner und Landleute um Bearbeitung des zähen Bodens. Verzagt über den geringen Ertrag, nannten sie ihn wohl terre maudite oder, wie in der Bibel das Land der Ungläubigen: terre de Mo ab. So entstand die Vorstadt Moabit. In der engen Innenstadt, am Molkenmarkt, stellte Friedrich Wilhelm seines Vaters, schon bei dessen Lebzeiten von Schlüter gefertigtes, sprechend lebendiges Denkmal auf. Es kam aber in der Umgebung des Marktgewühls nicht zur Geltung, wurde verwahrt und fand einen würdigen Platz endlich in der Krönungsstadt Königsberg. Einen großen Maler begünstigte der König und zog ihn an seinen
— 48 — Hof: Antoine Pesne aus Paris (1683—1757); seiner liebenswürdigen, lebhaft schattierenden Kunst danken wir die über alle Schlösser verstreuten Bildnisse der Zeit, zumal die des jungen Kronprinzen. Auch die Deckengemälde des Char lottenburger Schlosses stammen zum Teil von ihm. Friedrich Wilhelm I. sprach auch die Sprache seiner Geburts- und Haupt stadt. Diese Mundart in ihrer Mittelstellung zwischen dem seit Luther geltenden Schriftdeutschen und dem Plattdeutschen gewann im 18. Jahrhundert, in dem die Bevölkerung mit den zahlreichen, seit zwei Menschenaltern Zugewanderten zu sammenwuchs, ihre im Grundton bis heute gültige Redeweise *). Die Erweichung des T zum D (bot) ist für sie ebenso bezeichnend, wie die Setzung von I für G (Jejend) und die Verschleifung des Zischlauts in Worten wie quasseln oder Dussel. Das R wird häufig dem G ganz ähnlich gesprochen, etwa in Fräulein, aber das Ch gewinnt, z. B. in Hochzeit, fast wieder die Aussprache des R. Die Volkssprache hatte früher manche aus dem Polnischen stammende Bestandteile wie Penunge (Geld); sie sind verschwunden, dagegen hat sich eine Anzahl halbhebräischer Worte aus dem Judendeutsch erhalten, wie Pleite, mies, Schaute. Am zahlreichsten ist naturgemäß die Übernahme von Ausdrücken aus dem französischen Sprachschatz; Kourage haben und — im Gegensatz dazu — Manchetten haben, etwas mit'm Aweck machen, etepetete sein, Moneten besitzen, Power sein, eins in die Visage oder auf den Lausepavillon (den Grützbeutel) bekommen, sind solche übernommenen Bestandteile der Koloniesprache. Immer wieder bildet der Dialekt rätselhafte Ausdrücke, die lange in aller Munde sind, um dann rasch wieder zu verschwinden; so im 19. Jahrhundert die Bezeichnung Polka für etwas besonders Hübsches (das Wort ist sogar in ein Berliner Gedicht Gottfried Kellers übergegangen), im 20. das gleichbedeutende Wort knorke. Der Charakter des Berliners, rauh, aber herz lich, mundfertig, aber gutmütig, fleißig, aber genügsam, hilfsbereit und duldsam, drückt sich auch in seiner bildhaften, derben, abgehackten Sprechweise aus, und ge rade der größte Hohenzoller, der am 31. März 1740 ans Regiment kam, war, so wenig er die deutsche Sprache meisterte, doch in mehr als einem Betracht das echte Kind seiner Vaterstadt, die er zu den Höhen seines Ruhms erhob.
8, Unter -em großen Könige. Großer Gaben und einer großen Zukunft gewiß, nach Ruhm begierig, gewillt, Umfang und Macht, Wohlstand und Geltung, Bildung und Gesittung seiner Staaten zu mehren, bestieg Friedrich der Zweite den Thron. Wie für ganz Preußen, so zerfällt auch für Berlin seine Regierungszeit in zwei gleich lange, in sich ganz ver schiedene Abschnitte: die 23 Jahre bis zum Hubertusburger Frieden, der an den Rand des Verderbens und auf die Gipfel des Erfolges führende Kämpfe siegreich abschloß und Preußens neue Großmachtstellung besiegelte — und die 23 Jahre friedlichen Ausbaus, in denen der von Soldaten und Bürgern besungene Fridericus Rex zum Einsiedler von Sanssouci wurde. !) Über die Berliner Sprache unterrichtet das reizende Buch des Professors am Kloster Hans Georg Meyer „Der Richtige Berliner in Wörtern und Redensarten", nach Meyers Tode von Siegfried Mauermann fortgeführt Über den Charakter des Berliners vgl Theodor Fontanes Aufsatz: „Die Märker und das Berlinertum" in dem von Josef Ettlinger heraus gegebenen Bande „Aus dem Nachlaß", Berlin 1908
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Noch während der schlesischen Kriegszeit erhielt die Stadt eine neue straffere Verfassung; das Reglement sah außer dem Stadtpräsidenten und zwei Bürger meistern noch sechzehn Ratsmitglieder vor; die Stadtverordneten aber besaßen kein Kontrollrecht, sie waren nur Gehilfen des Magistrats. Auch der Ausbau der Stadt, die 1840 90000 Einwohner in 4000 Häusern zählte, schritt fort. Aber alle Ansätze währender Blüte vernichtete'der Siebenjährige Krieg. Schon im ersten Feldzugsjahr 1757 erschienen die Österreicher vor der kaum mehr als Festung anzusehenden Stadt; sie zerschossen die Oberbaumbrücke und zogen erst ab, nachdem die besetzte Residenz ihnen eine Schatzung von 200000 Thalern eingehändigt hatte. Viel schlimmer erging es Berlin drei Jahre später, als zuerst die Russen, dann ihre österreichischen Verbündeten anrückten. Friedrich der Große berichtet über diesen Teil des Feldzuges folgender maßen: „Tschernyschew und Tottleben waren über Guben und Beeskow marschiert und am 3. Oktober vor den Toren Berlins erschienen. In Berlin hatte alles zu den Waffen gegriffen. Selbst die Invaliden und Kranken wur den zur Verteidigung herangezogen. Die Befestigungen der Stadt bestanden aus einigen vor den Toren errichteten Erdschanzen. Diese wichtigen Posten waren verwundeten oder kranken Generälen anvertraut, die sich gerade in Berlin befanden. Der Prinz von Württem berg (Friedrich Eugen, 1732—1797) machte mit seiner Kavallerie einen Ausfall aus dem Schlesischen Tor. Dabei stieß er auf den -Feind und wurde sechs Stunden lang von Tottleben angegriffen, der ihn mit 7000—8000 Kosaken und Dragonern umzingelte. Der Prinz warf sie aber nicht nur zurück, sondern jagte den Feind bis Köpenick. Am folgenden Tage wurde das Schlesische Tor von 2000 Mann russischer Infanterie angegriffen. Dort leitete Seydlitz (Friedrich Wilhelm von, 1721—1773) die Verteidigung, obgleich er von seiner bei Kunersdorf empfangenen Wunde noch nicht geheilt war, und schlug die Russen zurück. Wären nur die Russen zu vertreiben gewesen, so wäre das wohl geglückt. Als aber auch Lacy (der österreichische Feldherr) eintraf, konnte die Stadt sich nicht länger halten. Schon hatte er Potsdam und Charlottenburg besetzt und näherte sich Berlin von Süden. Der Um kreis der Stadt beträgt drei Meilen. Unmöglich konnten also 16000 Mann eine so ausgedehnte Linie, die nicht einmal Wälle und Festungswerke besaß, gegen 20000 Russen und 18000 Öster reicher verteidigen, die von anderer Seite nichts zu befürchten hatten und daher alles wagen konnten. Schon ließ der Feind die Stadt bombardieren. Ließ man es aufs äußerste ankommen, so liefen die Truppen Gefahr, in Gefangenschaft zu fallen, und Berlin wurde von Grund aus zerstört. Aus diesen wesentlichen und triftigen Gründen faßten die Generäle den Ent schluß zum Rückzüge und empfahlen dem Magistrat die Absendung einer Deputation an die feindlichen Generäle zum Abschluß einer Art von Kapitulation. In der Nacht zum 9 Oktober rückte der Prinz von Württemberg ab und zog sich nach Spandau zurück Noch am selben Tage marschierten die Russen in Berlin ein."
Friedrich war im Anmarsch, und so währte die Besetzung nur vier Tage. Aber sie waren voller Schrecken und wären ohne das Eingreifen zweier beherzter Männer noch viel schlimmer verlaufen. Denn Lach und Tschernyschew wollten einen Teil Berlins in Brand stecken und ließen den Plan nur fallen, weil der holländische Gesandte, der, wie Friedrich sagt, „edle Republikaner" Vereist ihnen die nach drücklichsten Gegenvorstellungen machte. Man begnügte sich mit der Plünderung der Schlösser von Schönhausen und Charlottenburg. Jedenfalls aber sollten die königlichen Fabriken völlig zerstört werden, die zahlreiche Städter m Nahrung hielten. Da gelang es dem hochgesinnten Kaufmann Johann Ernst Gotzkowsky (1710—1775, aus Konitz), den Feind auch von diesem Vorhaben abzu bringen. Er machte sich gewissermaßen zum freiwilligen Parlamentär für die Berlin in Geschichte und Kunst.
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— 50 — Stadt und erreichte die Schonung der Manufakturen. Er bewahrte die Redakteure der Vossischen und der 1840 gegründeten Spenerschen Zeitung, die Unehrerbietiges über Tottleben geschrieben hatten, vor der Strafe des Spießrutenlaufens und wußte die Feinde auch von der Verschleppung der angesehensten Berliner Kaufleute Wegely, Schicklerund Schütze und der jüdischen Ältesten Ephraim und Daniel Jtzig abzuhalten. Selbst die Herabdrückung der Kontribution gelang seinem zähen Verhandeln; immerhin war auch noch die Summe von anderthalb Millionen Thalern und 200000 Thalern Ver pflegungsgelder eine über schwere Leistung für die durch die vorangegangenen Kriegsjahre verarmte Stadt. Ms Friedrich am 30. März 1763 nach sechs Jahren, Bringer des endlichen Frie dens, wieder in Berlin ein fuhr, bestieg er nach der Be grüßung durch Magistrat und Gewerke nicht die ihm dargebotene Prunkkarosse, im einfachen Reisewagen lenkte er auf Nebenstraßen zum Schloß. Das war sym bolisch. Denn nun mußte prunk- und scheinlose Arbeit beginnen, wenn die in den sieben Kriegsjahren von 126000 auf noch nicht 100000 Bewohner zusam mengeschmolzene Stadt wie der emporblühen sollte. Große Bankbrüche in ange sehenen Handlungshäusern, Menzel, Friedrich der Große. schwere Erschütterungen von Arbeit und Kredit, unsolider Schwindel, wie er jeden Krieg begleitet, zehrten noch auf lange hin am Marke des Gemeinwesens. Aber in neu einsetzender, von Feldzügen nicht mehr unter brochener Tätigkeit innerhalb des vergrößerten und befestigten. Staates, gelang der Wiederaufbau. Zu den Tuchindustrien des Vaters förderte Friedrich die Strumpswirkerei und die Seidenverarbeitung, in der das Berliner Gewerbe bald zu weithin anerkannten Leistungen vorschritt Z. Auch Preußen begann mit der Porzellanfabrikation. Nachdem Wegely nach guten Anfängen nicht vorange kommen war, übernahm Gotzkowsky die Manufaktur und konnte auf dem Grund stück Leipziger Straße 4 binnen kurzem die ersten schönen Stücke zum Verkaufe J) 1766 waren schon 500 Seiden- und Sammetwebstühle im Gange, 1785 in Berlin und Potsdam 2935 mit rund 2 Millionen Thalern Jahresertrag.
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stellen. Später ging das Unternehmen an den Staat über, und seine Erzeug nisse tragen seither auf der Rückseite das Fabrikzeichen des blauen adlergekrönten Speers. Gotzkowsky starb, mit Undank belohnt, im Elendes. Im Jahre 1764 errichtete der König die Königliche Bank als Wechselund Kreditanstalt, und noch wertvoller für den preußischen und zumal den Berliner Handel war die neue Seehandlung,'die, mit einem Kapital von ein und einer fünftel Million Thalern ausgestattet, den neu erblühenden Außenhandel förderte. Splitgerber und D a u m erhielten d as Privileg zum Bau einerd en Zuckerhandel in neue Bahnen lenkenden Zuckersiederei am Stralauer Tor, der alsbald zwei weitere folgten. Die große Kulturtat der Besiedelung des Oderbruches kam auch
Chodowiecki, Der Liebesantrag des Schneiders.
Chodow iecti, Der Liebesantrag des Fleischers.
der Spreestadt zugute, noch mehr die beiden, von Friedrich angelegten Kanäle, der Plauesche, der im Bette der Ihle die Havel bei Plaue mit der Elbe bei Parey verbindet, und der Finowkanal zwischen Liebenwalde an der Havel und Hohensathen an der Oder; dieser war für den Verkehr zwischen Berlin und Stettin noch bedeutungsvoller als einst der Friedrich-Wilhelms-Kanal des Großen Kurfürsten. Die Einrichtung einer staatlichen Kaffeeverwaltung brachte wenig Gewinn und trug den zur Verhinderung des Schmuggels angestellten französischen „Kaffee riechern" oder „Kaffeekiekern" viel Spott ein; dagegen bewährte sich das staatliche Tabakmonopol. Der Hauptnachdruck der unmittelbar und mittelbar eingreifen den Tätigkeit Friedrichs blieb aber immer auf die Belebung der berlinischen In dustrie gerichtet, und hier vor allem auf Tuch-, Leinen-, Seidenerzeugung und Verarbeitung. Die Schafzucht, der Flachsbau, die Maulbeerpflege des Bauern und des Kolonisten auf Bruchland gaben mit ihrer Ausdehnung und Verfeinerung T) Gotzkowskys (nach anderer Schreibung Gotskowskis) Selbstbiographie ist 1873 im Heft 7 der Schriften des Vereins für die Geschichte Berlins im neuen Abdruck erschienen Vergl auch Hintze, Gesammelte Aufsätze
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immer neu Antrieb und Rohstoff für die sich mehrenden Fabrikanlagen der Haupt stadt. 1765 zählte Berlin 18400 Gewerbetreibende, gegen Ende des Jahrhunderts war jeder vierte Berliner in einem Gewerbe beschäftigt, die Stadt ward unter dem großen König aus einer Ackerstadt mit eingesprengten Industrien eine Ge werbe- und Handelsstadt; 1786 erzeugte sie ein volles Drittel aller in dem jetzt großen Preußen hergestellten Waren. Die Zuckersiedereien beschäftigten über 1000 Arbeiter, in der Seidenindustrie fanden mehr als 5000 Personen Beschäfti gung, die gesamte Bewohnerschaft Berlins stieg in den Friedensjahren wieder über das erste Hunderttausend auf 147000, die Berliner Feuersozietät, die Ver sicherungsanstalt der städtischen Hausbesitzer, veranschlagte den Wert der ver sicherten Gebäude 1730 erst auf eine halbe Million, 1774 schon auf 14 Millionen Thaler. Wieder wurde der Hauptstadt das Kleid zu eng. Vor dem Stralauer Tore dehnte sie sich nach Osten, vor dem Spandauer nahe Monbijou entstanden die Straßen um den, nach dem Erbauer des neuen Viertels, General Haake benann ten Haaksch en Markt. In der Rosenthaler Vorstadt siedelten sich Arbeiter aus dem sächsischen Vogtlande auf dem nach ihnen benannten neuen Vogtlande an; hier erhob sich ein Viertel, in dem hundert Jahre lang viel Elend und viel ausgelassenes Volksleben nebeneinander ihre Stätte hatten — von dem ersten hat uns Bettina von Arnim in ihrem Königsbuch, von dem zweiten Louis Angely im „Fest der Handwerker" ein späteres Bild bewahrt. Der 1811 geborene Karl Gutzkow nennt in seinen Knabenerinnerungen das Vogt land „unheimlich". Hoch im Norden der Stadt ward eine heilkräftige Quelle entdeckt und nach dem Monarchen Friedrichs-Gesundbrunnen benannt; der König machte den Zugang zu dem eisenhaltigen Sprudel durch Anpflanzung einer Lindenallee im Zuge der heutigen Brunnen- und Badstraße leichter. Über der Quelle erhob sich
ein Tempelchen zwischen Badhäusern, einem Vergnügungssaal für die Kurgäste und Gartenanlagen. Noch im Jahre 1784 war Friedrich einmal hier draußen, und ein Gespräch mit einem der Brunnenpächter ist uns übermittelt: „Habt Ihr viel Brunnengäste gehabt?" „Nein, Euer Majestät, kaum ein Drittel gegen sonst." „Warum das?" „Es war anfangs des Sommers immer kühle Witterung." „Wann baden die Leute? im Juli, August und September?" „Nein, Euer Majestät, im Juni, Juli und August." „Warum nicht im September?" „Es Pflegt dann schon kühle Abende zu geben, wo man sich leicht erkälten kann." „Warum nicht gar! Es ist ja das schönste Wetter... Sind Merian und Sack (der Hof- und Dompredigers hier gewesen?" „Nein, Euer Majestät Merian hat sich ab und zu tn Pankow ausgehalten. Sack aber ist schon zu alt, und die Füße wollen nicht mehr fort; seine Seelenkräfte sind aber noch die nämlichen " „Wie alt ist er?" „Einundachtzig Jahre " „Nun, man kann auch nicht ewig leben Wer besorgt Euch das hier?" „Ein Meier muß das Bieh füttern und den Acker bestellen, em Inspektor aber das übrige besorgen." „Kann der davon leben?" „Er ist Traiteur mit dabei, kann auch barbieren und zur Ader lassen "
53 „So, so (lachend) ... Was sind das für Häuser hier herum?" „Die gehören alle zum Brunnen, nur die Papiermühle nicht" „Aber die in der Entfernung?" „Das sind Kolonistenhäuser, welche Ew. Majestät vor zwei Jahren haben bauen lassen, und es sind Gärtner darin angesetzt." „Ja, ja, das weiß ich Da (auf den Flügel weisend) wohnen wohl die Brunngäste?" „Ja, Euer Majestät." „Und hier ist vermntlich die Küche?" „Ja, Euer Majestät." „Gott behüt Euch!" -
Ms Schützer und Mehrer von Gewerbe und Handel setzte Friedrich das Werk seines Vaters gradlinig und mit weiterem Blicke fort — ans andern Gebieten war er sein ausgesprochener Gegensatz. Er erneuerte im Jahre 1744 die von Friedrich Wilhelm vernachlässigte Akademie der Wissenschaften und berief den hervor ragenden Mathematiker Pierre de Maupertuis zu ihrem Präsidenten; aber, wie dieser ein Franzose war, machte Friedrich, der seiner Muttersprache nur un vollkommen mächtige Freund und Bewunderer Voltaires, der große deutsche Schrift steller in welscher Sprache, das Französische zur Schriftsprache des Instituts; die Verhandlungen durften auch deutsch oder lateinisch verlaufen, die Veröffentlichungen nur französisch erfolgen. Aber Friedrich ist derjenige gewesen, der der Akademie wieder würdige Aufgaben wissenschaftlicher Art zuwies und ihren gleichberechtigten Zusammenhang mit der Wissenschaft der andern Länder herstellte. Die Mathe matiker Leonhard Euler und Joseph Louis Lagrange, der Astronom Johann Heinrich Lambert, der Ästhetiker Johann Georg Sulzer, der Chemiker Andreas Sigismund Marggraf (dieser ein gebürtiger Berliner, 1709—1782) waren die bedeutendsten Akademiker. Marggraf entdeckte den Zucker gehalt in den Runkelrüben; auf Grund dieses Nachweises unternahm der Direktor der physikalischen Klasse der Akademie, der Berliner Hugenott Franz Carl Achard (1753—1821) in Kaulsdorf die ersten Anbau- und Herstellungsversuche und schuf mit Unterstützung des Monarchen die preußische Rübenzuckerindustrie. Die Büsten beider Forscher befinden sich an dem Hause Dorotheenstraße 10.
Friedrich ließ sich die Förderung der Berliner Gymnasien angelegen sein, und der neue Rektor von Joachimsthal, der klassische Philolog Meierotto, gab den Unterricht nach den königlichen Richtlinien, die eine erleichterte, aber gründ lichere Kenntnis der alten Sprachen, zumal des Griechischen, vorschrieben. Einer der besten Berliner Schulmänner der Zeit, Friedrich Gedike (1754—1803) stattete als Direktor am Friedrichswerder dem Herrscher den Dank für seine nach haltige Förderung des griechischen Schulbetriebs ab, in der ihn der Minister Karl Abraham von Zedlitz unterstützte.
Aber unter der neuen Blüte klassischer Studien schlug das Berliner Schul wesen zugleich andere fruchtbare Pfade ein. Die Zahl der Volksschulen wurde vermehrt; es gab außer mehreren „Nebenschulen" vier lutherische und zwölf re formierte Freischulen, fünf französische, eine katholische und die Garnisonschule für die Soldatenkinder. Der bedeutende Geograph Anton Friedrich Büsching (1724—1793) belebte als Rektor am Kloster den Unterricht in dem geschichtlichen und dem erdkundlichen Fache. Eine großartige letztwillige Schenkung eines ehe maligen Klosteraners, des venetischen Kaufmanns Sigismund Streit, mehrte
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das Vermögen der Anstalt nicht nur beträchtlich, sie gab ihr auch mit den hinter lassenen Gemälden Canalettos, Amiconis und anderer Meister ein reiches Anschauungsmaterial. Johann Julius Hecker (1707—1768), Prediger an der Dreifaltigkeitskirche, begründete in der Kochstraße die erste preußische Realschule. Berlin wurde eine Musikstadt. Zwei der reichbeanlagten Söhne Johann Sebastian Bachs kamen in die preußische Hauptstadt. Der eine, der unglückliche
Hof Petristratze 15.
Friedemann, fand hier, wie es Albert Emil Brachvogel in seinem Roman „Friedemann Bach" dargestellt hat, ein trübes Ende im Elend; der andere aber, Philipp Emanuel Bach (1714—1788) wirkte 27 Jahre lang mit großem Erfolge als Komponist und Kammerzembalist des Königs in Berlin, verfaßte auch hier sem großes Unterrichtswerk für das Klavierspiel. Ganz in Berlin heimisch wurden die Brüder Karl Heinrich und Johann Gottlieb Graun. Der erste (1701—1759) verherrlichte den Sieg von Prag durch ein Tedeum, vor allem aber wurde sein Oratorium „Der Tod Jesu" em Lieblingswerk der Berliner; in jeder Karwoche ward es unter großem Zudrange aufgeführt. Nicht der bedeutendste,
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aber der eigenartigste Berliner Komponist war der Maurermeister Karl Fried rich Zelter (1758—1832). Er war der von Goethe bevorzugte Vertoner, seine Kompositionen fühlte der Dichter „sogleich mit meinen Liedern identisch, die Musik nimmt nur wie ein einströmendes Gas den Luftballon mit in die Höhe." Zelter übernahm nach dem Tode von Karl Fasch (1736—1800) die Leitung der von diesem gegründeten Singakademie, er rief, die nach ihm benannte Liedertafel ins Leben, für die Goethe sein „Hier sind wir versammelt zu löblichem Tun" dichtete, er schuf das Institut für Kirchenmusik. Er war zugleich Goethes Berliner Hauptfreund und Briefsteller, ein echter, urwüchsiger Spreeathener, wie die all-
Menzel, Friedrich überall.
mählich in Schwang kommende Bezeichnung für die gelehrt gewordenen Haupt städter lautete. Dabei blieb Zelter dem väterlichen Handwerk treu und gestaltete dem Buchhändler Friedrich Nicolai (1733—1811) das schöne Haus Brüder straße 13 mit der breit einladenden Treppenflur und den in der Höhe des Ober stocks einen stillen Hof umlaufenden zierlichen Galerien — heute die Stätte des Lessing-Museums.
Von diesem Hause her nahm zum guten Teil die nun von Berlin aus Deutsch land erobernde Literatur ihren Ausgang, von der, wie von der ganzen neuen deutschen Dichtung der Zeit Schillers Wort gilt: Bon dem größten deutschen Sohne, Von des großen Friedrichs Throne Ging sie schutzlos, ungeehrt.
— 56 — Und dennoch empfing die neue Poesie zunächst von seinen Taten ihren Gehalt. Die Kriegslieder eines preußischen Grenadiers von Johann Wilhelm Ludwig Gleim sind zum Teil im friderizianischen Lager entstanden, sie sind eine noch oft schwerfällige Huldigung für Friedrich und seine Feldherrn. Bei Voß in
Schadow, Friedrich der Große.
Berlin verlegt, von dem Berliner Kupferstecher Meil mit Bildern geschmückt, von dem Berlmer Advokaten Krause vertont, sind sie em Berliner Werk. Auch die stadtbekannte Karschin, die Dichterin Anna Louise Karsch, huldigt in schlichtem Vers dem Könige und klagt, wenn er sich karg bezeigt. Der unmittelbaren Verherr lichung der Hauptstadt dient zuweilen die Dichtung Carl Wilhelm Ramlers
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(1725—1798), des Professors am Kadettenkorps; im Odenversmaß des Horaz preist er Berlin, die „Augusta", die „Krone", vor der sich „die Städte Deutschlands bücken", und bevölkert freilich das Bett der Spree mit allen Nymphen der Antike. Die erste Berlinische Dichtung von dauerndem Wert und großem Stil entstand im Schleuenschen Hause Am Königsgraben 10, ihr Verfasser war ein Freund Ramlers und des bei Kunersdorf gefallenen preußischen Dichters Ewald Christian von Kleist, er hieß Gotthold Ephraim Lessing (1729—1781) und sein Stück „Minna von Barnhelm". Schon der Untertitel „Das Soldaten glück" weist auf das Geschick der Zeit, kaum zwei Jahre nach dem Hubertusburger Frieden, und, sparsam ausgedeutet, geht Friedrichs Gestalt durch den Hintergrund des Lustspiels, das Schicksal seines männlichen Helden, des preußischen Majors von Tellheim entscheidend. Ein leiser Hauch lokalen Lebens der Großstadt liegt über dem Ganzen. Und schon findet sich hier das rechte Berlinertum zusammen, rauh, verschlagen, mit derbem Humor, eine Gesellschaft, die, berlinisch gesprochen, Haare auf den Zähnen hat, und der das Idealbild des preußischen Offiziers, wie er sein soll, gegenübergestellt wird: „Man muß Soldat sein für sein Land; oder aus Liebe zu der Sache, für die gefochten wird. Ohne Absichten heute hier, morgen da dienen: heißt wie ein Fleischerknecht reisen, weiter nichts." „Minna von Barnhelm" war der große ausgesprochen berlinische Beitrag zum Kronschatz der deutschen Klassik; aber ihr Dichter erlangte nicht einmal die beschei dene Versorgung eines preußischen Bibliothekars — Friedrich zog ihm einen Fran zosen vor. Mit Nicolai und seinem Freunde Moses Mendelssohn (1729—1786), dem ersten der deutschen Literatur zugehörigen jüdischen Schriftsteller und Philo sophen, saß Lessing in der Brüderstraße über den das Schrifttum der Zeit von großen Gesichtspunkten her musternden „Briefen, die neueste Literatur betreffend", und lange Jahre war er, wie sein Vetter Christlob Mylius, kritisch für die in der Breiten Straße beheimatete Vossische Zeitung tätig. Ni colais große literarisches Magazin, die „Allgemeine Deutsche Bibliothek" war von bedeutendem Einfluß auf die Verbreitung der Gedankenwelt der Auf klärung, huldigte in späteren Jahren allerdings einer flachen Nüchternheit, die den Namen des verdienten Mannes zum Spottzeichen machte; Berlin insbesondere dankt ihm eine vortreffliche, umfangreiche Darstellung seiner Geschichte und topo graphischen Entwicklung. Mendelssohn, der Dritte im Bunde, führte seine Glau bensgenossen deutscher Bildung zu und erhöhte durch seinen reinen Chyrakter und sein scheinloses Wirken ihr Ansehn*). Von der ihnen immer noch zugewiesenen Ausnahmestellung gibt Wilhelm Raabe, gerade mit Bezug auf Mendelssohn, im „Hungerpastor" ein ironisches Bild mit diesem Steuerzettel: „Heute am ... Januar 178. verzollt und versteuert am Kreuztor: 1. Drei Rinder, 2. Vierzehn Schweine,
3. Zehn Kälber, 4. Ein Jüd, nennt sich Moses Mendelssohn aus Berlin.
Die Schlacht bei Jena ... machte auch diesem Skandal ein Ende." 9 Als Mendelssohn, der aus dem „Auslande", aus Anhalt, gebürtig war, um nicht eines Tages ausgewiesen zu werden, durch den Marquis d'Argens beim Könige um ein preußisches Privileg als Schutzjude einkam, schrieb d'Argens dazu an Friedrich: „Ein nicht sehr katholischer Philosoph bittet einen nicht sehr protestantischen Philosophen, einem nicht sehr jüdischen Philosopben das Schutzprivilegium zu geben. Es ist soviel Philosophie dabei, daß es die Vernunft ge wißlich billigt."
— 58 — Als Stätten geistig-geselligen Austausches entstanden der Montagsklub und die Mittwochsgesellschaft. Neben dem Lessing-Nicolaischen Kreise waren Sulzer, die Pfarrer Spalding von Nicolai, Süßmilch von St. Petri, und Wilmsen von der Parochialkirche, die Schulmänner der neuen vertieften Päda gogik von starkem Einfluß auf das geistige Leben Berlins. In der stattlichen Reihe der Meister des Unterrichts steht Karl Philipp Moritz (1756—1793), der von Goethe geschätzte Mytholog und Kloster-Professor, mit obenan. Er schrieb in Berlin seinen geistreichen und anschaulichen Lebensroman „Anton Reiser", eines der schönsten Werke der Zeit. Der König und Lessing, so sehr ihr literarisches Streben
Graff, Chodowiecki.
auseinanderging, trafen sich in Einem: beide waren Freimaurer, und Friedrich duldete und ermunterte die Niederlassung der Logen in Berlin. Im Jahre 1779 ging Schlüters prächtiges Kameke-Haus in der Dorotheenstraße an die Loge Royal Pork über. Später entstand auf dem Gelände des Bankiers Splitgerber, in der nach ihm benannten Gasse nahe dem Spittelmarkt, der weitläufige Bau der Loge zu den drei Weltkugeln mit seinem schönen, von Denksteinen ge schmückten Garten. Einer unbefangenen Geselligkeit sollten die nun allmählich auftretenden Ressourcen dienen, geschlossene Gesellschaften der Bürgerschaft in eigenen Häusern mit Bewirtung und „Tabagie", jedoch mit gastlicher Zulassung empfohle ner Fremder, Berliner Seitenstücke der Londoner Klubs. Eine dieser Ressourcen wurde nach ihrem Ökonomen die Therbuschsche benannt, und der berühmten Berliner Wirtsfamilie der Therbuschs gehört auch die erste berlinische Malerin
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von Ruf, Anna Dorothea Therbusch, geb. Lißewska (1722—1782) an; sie hat auch den König und Männer seines Freundeskreises gemalt, das Schloß Monbijou bewahrt Proben ihrer Kunst. Mit der neuen Literatur zog auch eine neue Bühnenkunst in die Hauptstadt ein. Der „Prinzipal" Karl Theophilus Döbbelin aus Königsberg (1727— 1793) führte mit seiner Truppe zuerst.die „Minna" auf und mußte sie binnen drei Wochen achtzehnmal wiederholen. Die Darstellung erfolgte in einem Saale in der Behrenstraße, während der König in dem neu erbauten Komödienhause auf dem Gensdarmenmarkte nur französisch spielen ließ. Und an der gleichen
Chodowiecki, Die Familie des Künstlers.
Stätte wurden durch Döbbelin der „Götz", die „Räuber", der „Clavigo", wurden Shakespeares Dramen und, zu Lessings Totenfeier, seine „Emilia Galotti" gegeben. Die hervorragendsten Darsteller waren Wilhelm Unzelmann und Johann Friedrich Fleck (1757—1801), über den Ludwig Tieck schreibt: „Sah man ihn in einer dieser großen Dichtungen auftreten, so umleuchtete ihn etwas Überirdisches, ein unsichtbares Grauen ging mit ihm, und jeder Ton, jeder Blick ging durch unser Herz." Neben solchen Festen der von großer Kunst geweihten Szene starben die Schulkomödien ab, und die rohe Lustbarkeit des „starken Mannes" Eckenberg und ähnliche Hanswurstiaden fanden bald kein Publikum mehr. Das Schauspielhaus gehört in das große Bauprogramm Friedrichs, mit dem er der Residenz den Charakter seines Wesens und seiner Zeit aufdrückte. Zwi schen Zeughaus und Akademie entstand jene Baugruppe, die sich zu einem Forum Fridericianum zusammenschließt. Georg Wenzeslaus von Knobelsdorfs (1699—1753), der Meister von Sanssouci, hatte sich in Berlin zuerst an dem weit-
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räumigen Opernhausbau zu bewähren, den der König in seiner Musikfreude rasch unter Dach haben wollte. Hinter einer korinthischen Tempelfront erhob sich in strenger Einfachheit mit sparsamem Schmuck der erste große Bühnenbau Berlins, außen seit der unablässigen Verschandelung des letzten Menschenalters in seiner stolzen Würde kaum mehr erkennbar, innen in der Heiterkeit des farbig ansteigenden vierrangigen Zuschauerraums und der Pracht des Nebensaals allen Zauber, alle Grazie des aus dem Barock sprießenden Rokoko darbietend, ein größerer und an spruchsvollerer Verwandter des Theaterkleinods, das Friedrichs Schwester Wil helmine sich im fränkischen Bayreuth errichten ließ. Schräg hinter das Opern haus ward nach Friedrichs eigenem Grundriß der an das römische Pantheon er innernde Rundbau der katholischen Hedwigskirche gestellt. Die Gegenseite des Opernplatzes schloß die von Georg Friedrich Boumann (geb. 1737) und Georg Christian Unger (1743—1812) gebaute Bibliothek, deren geschweifte Form der schlagfertige Volkswitz sofort ganz richtig als Kommode bezeichnete; sie erhielt die spätlateinische Inschrift: nutrimentum Spiritus (Nahrung des Geistes). Diesem Dreibild gegenüber erhob sich auf der andem Seite der Linden das durch Johann Boumann den Älteren (aus Amsterdam, 1706—1776) errichtete Palais des Prinzen Heinrich, des Bruders des Königs, von der Straße durch einen zwischen Seitenflügel gebetteten Ehrenhof getrennt, mit schlichter, großliniger Fassade. Den schönen Festsaal mit seinen lichten Marmorwänden zierte der Italiener Gregorio Guglielmi mit einem wie leicht einherschwebenden Deckengemälde. Jetzt erst gewann die Straße Unter den Linden ihr eigent liches Gesicht als Fest- und Prunkallee. Friedrich ließ eine große Anzahl niedriger Häuser abreißen und 33 einheitliche Gebäude mit stattlichen Fronten, zum Teil mit Rampen und Freitreppen, mit Pilastern und Säulen, erbauen. Die Meister dieser fast restlos verschwundenen Bauten waren Unger und der ältere Boumann. Dieser erbaute auch im Lustgarten einen neuen, einfachen Dom mit einem gekuppel ten Mittelturm. Knobelsdorfs schuf in dem von Friedrich angelegten Park am Spreeknie hinter den Zelten ein Schlößchen von bescheidenem Umfang, das Friedrichs Bruder Ferdinand 1785 zu dem einstöckigen Schloß Belle Vue mit der breiten, von einem griechischen Mittelgiebel überragten Tiergartenfront erweitern ließ. Im echten Rokokogeschmack besang Karoline Luise von Klenke den Neubau, in dem Prinz Louis Ferdinand erwuchs: Ihr jugendlichen Bäume! O wachset bald empor! Und hüllet goldne Träume In euren Schattenflor. Denn daß in süßer Fülle Ein jedes Herz hier tanzt, Das ist der Fürstin Wille, Die euch bierher gepflanzt
Auf dem andern Spreeufer, auf der „Sandscholle" baute Friedrich „laeso et invicto militi, dem verwundeten und unbesiegten Soldaten", das weiträumige Jnvalidenhaus. Das Charlottenburger Schloß erweiterte Knobelsdorfs durch einen Anbau mit der Goldenen Galerie.
— 61 — Von größtem und bis heute unerloschenem Einfluß auf das Stadtbild war Carl von Gontard (1738—1802). Er baute neben die Neue und die Französische Kirche auf dem Gensdarmenmarkt die beiden sich zu kanellierten Kuppeln verjüngenden Türme, die mit ihren um den Kuppelfuß führenden Galerien und den diese tragenden schlanken Säulen, mit ihren Standbildern nicht nur die beiden Gotteshäuser hervorheben, sondern das ganze Rechteck des Platzes beherr-
Ephraimsches Haus.
schen. Auch die Randbebauung des Gensdarmenmarktes wurde dem Gesamtbilde würdig eingepaßt; von den damals errichteten stattlichen Privathäusern steht nur noch das Eckgebäude der Französischen und Charlottenstraße. Gontard überwölbte, als nun die nutzlos gewordenen Befestigungswerke verschwanden, die Gräben mit reizvollen Kolonnaden, halbkreisförmig mit Eckaufsätzen und Pfeilern gegen den Damm hin auf der Spittelbrücke, noch prächtiger, mit reichen plastischen Zu taten, am Königsgraben vor dem Alexanderplatz, von wo sie tnt 20. Jahrhundert in den Kleistpark vor Schöneberg versetzt wurden. Zwei Bürgerhäuser aus jener
— 62 — Zeit zeigen noch die Höhe des Rokoko: das Haus des Münzmeisters Veite! Heine Ephraim an der Ecke des Mühlendamms und der Poststraße, vielleicht ein Werk von Friedrich Wilhelm Dietrichs, und das ursprünglich für den Armee lieferanten Damm gebaute Haus des Tabakhändlers Ermeler in der Breiten Straße 11. An jenem ist die runde Eckfront mit den reichen Balkons, die acht Säulen, Geschenke des Königs, tragen, besonders reizvoll; das Ermelerhaus be wahrt in seinem Innern noch die Dekoration des Treppenhauses mit der genien getragenen Laterne, oben Fest- und Wohnräume mit Wandmalereien Pesnes
Magnussches Haus.
und Fechhelms, ein liebenswürdiges Spiegelzimmer und den Galerieumgang des schmalen Hofes. Das einstöckige Haus mit den vier korinthischen Pilastern und dem Beischlag am Kupfergraben 7, von Friedrich dem Großen einem Minister ge schenkt, dann als Magnussches Haus bekannt, wird gegenüber den beiden andern durch eine große Schlichtheit gekennzeichnet.
Antoine Tassaert aus Antwerpen (1729—1788) modellierte für den Wil helmplatz mit sicherer Sachlichkeit die Heerführer Keith und Seydlitz, nicht in römischer, sondern in zeitlicher Tracht. Die marmornen Urstücke stehen jetzt tm Kaiser-Friedrich-Museum, auf dem Wilhelmplatz Bronzeabgüsse. Der Maler Anton Graff (1736—1813) porträtierte während seines Berliner Aufenthalts mit gleich eindringlicher Tüchtigkeit Lessing und manch andern Berliner. Aber erst in Daniel Chodo wieckis (1726—1801) Kunst spiegelt sich das Berlin dieser großen Epoche ganz. Graffs Bildnis in der Akademie der Künste zeigt den Meister mit dem
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zugreifenden Blick, mit dem seine Lebenstreue Großes und Kleines festhielt. Seine oft nur handgroßen Kupferstiche — Kennt ihr die kleinen Stiche — Vorahnung von Fliegerbildern? Wie da feinen Strichs die Giebel und Wipfel abweckseln, Zierlicher Baumschlag und Menschen gar groß mit gewichtigen Hüten? Der Chodowiecki aus Danzig, der hat euch das alles gestichelt (Siegfried von der Trenck) —
bewahren uns so gut das Leben der Hauptstadt auf dem Markte und am Spiel tisch, auf dem Gesundbrunnen, wie die Gestalten der „Minna von Barnhelm" und die bedeutenden Menschen der Zeit. Die reich erblühende Medailleurkunst, deren beste Meister Daniel Friedrich Loos, Jakob Abraham und Abraham Abramson waren, hielt die Köpfe der Zeitgenossen auch im plastischen Erzguß fest. Berlin, gedehnt, volkreich, verschönert, war in fast einem halben Jahrhundert Friedrichs des Einzigen Stadt geworden; wie sehr, das empfand ihr größter Gast, Goethe, als er im Mai 1778 hier einkehrte. Da pries er die Pracht der Königstadt und schrieb an Charlotte von Stein: „Wenn ich nur gut erzählen kann von dem großen Uhrwerk, das sich vor einem treibt, von der Bewegung der Puppen kann man auf die verborgnen Räder, besonders auf die große alte Walze, F. R. gezeichnet mit tausend Stiften, schließen, die diese Melodien eine nach der andern hervor bringt." Nur noch selten zeigte sich der alte Held in Berlin. Dann kam er vom Tempel hofer Felde her, das seit 1717 Paradeplatz war, über das Rondeel auf seinem Schimmel Conde in die Wilhelmstraße geritten, und ehrfürchtig sah das Volk auf die klein gewordene, gekrümmte Gestalt im unansehnlichen, bestaubten Rock, in verschossenen Samthosen, die zerrissene Generalsfeder auf dem Hut. „Alle Häupter entblößt, überall das tiefste Schweigen. Er grüßte fortwährend, vom Tor bis zur Kochstraße wohl zweihundertmal." Dann war Friedrich gleich einer Er scheinung im Vernezobrischen Palais bei seiner alten Schwester Amalie verschwunden. So läßt Fontane in „Bor dem Sturm" einen Augenzeugen beweglich erzählen. Und Fontanes Freund Hugo von Blomberg hat den berlinischen König in aller Knappheit getroffen, da er sein Friedrich-Gedicht mit der echt berlinischen Antwort auf eine Huldigung dankbarer Bürger schließen läßt: Er sprach — es klang wie Zanken das kurze Wort beinah — Ihr habt mir nicht zu danken, denn davor bin ich da.
9. Niedergang und §reiheitskampf. Am 17. August 1786 war Friedrich der Große in Sanssouci zum ewigen Schlummer eingekehrt. Schon in seinen letzten Lebensjahren war es wie eine leise Müdigkeit durch das Land gegangen. Und das noch zu seinen Lebzeiten mit der Erhebung Nordamerikas anhebende revolutionäre Zeitalter warf alsbald mit dem französischen Aufstande seine Flackerglut auch nach Osten hinüber. Durch die herr schenden Schichten der Berliner Gesellschaft wehte ein Hauch von Frivolität, durch ein verdienstloses Pochen auf die große frideriziamsche Vergangenheit nicht ver schönert. Der französische Staatsmann Mirabeau sprach nach seinem Berliner
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Aufenthalt in herben Worten aus, wie innerlich faul er vieles im Volke gefunden habe. Der große Geburtenrückgang wies deutlich daraufhin. Übermütig war das Offizierkorps der glänzenden Vorzugsregimenter, insbesondere des Regiments Gensdarmes, und Theodor Fontane hat in seinem Roman „Schach von Wuthenow" an dem Beispiel dieser Truppe die zur Katastrophe eilenden Zustände ebenso sicher gezeichnet, wie Willibald Alexisin „Ruhe ist die erste Bürger pflicht" die allgemeine Zersetzung der Gesellschaft. König Friedrich Wilhelm II. (1786—1797), in dem die Kraft des hohenzollernschen Stammes abebbte, ging seinen Berliner Mitbürgern mit schlechtem Beispiel voran. Die Geschichte seiner angeblichen Nebenehe mit der Gräfin Voß und seiner Beziehungen zu Wilhelmine Enke, die der König seinem Kammerdiener Rietz vermählte, dann zur Gräfin Lichtenau erhob und in einer Charlottenburger Villa, der späteren Flora, einquartierte, bildeten das Tagesgespräch bei den rauschen den und vielfältigen Vergnügungen einer Zeit, in die der Donner des Umsturzes hineinhallte. Dabei befand sich der König gleichzeitig in den Händen einer mystischen Gesellschaft, zu der seine Vertrauten, der General Bischoffwerder und der Minister Wöllner gehörten. Die Rosenkreuzer, wie sie sich nannten, knüpften an eine aus lauteren Quellen gespeiste religiöse Bewegung des 17. Jahrhunderts an1), aber sie fielen Schwindlern in die Hände und vermischten ihren Kampf gegen die Nüchternheit der Aufklärung mit der Wundermacherei von angeblichen Geister erscheinungen. Das zierliche Belvedere im Charlottenburger Park ward der Schauplatz solcher trügerischer Spielereien um das Geisterreich; hier ließ Bi schoffwerder, um sich den König gefügig zu machen, die angeblichen Geister Mark Aurels, des Großen Kurfürsten und Leibnizens erscheinen und reden. In einem Punkte folgte Friedrich Wilhelm II. seinem Vorgänger: er pflegte Wissenschaften und Künste, und zwar aus deutschere Weise. Das französische Ko mödienhaus auf dem Gensdarmenmarkt ließ er abreißen und durch einen Neubau von Karl Gotthard Langhans (1733—1808) ersetzen; dieses Deutsche Natio naltheater unterstellte er August Wilhelm Jffland (1749—1814). Der Akademie gab er die deutsche Sprache zurück. Die sechste Lateinschule, das Friedrich-Wilhelms-Gymnasium, ward in der Friedrichstraße an der Kochstraße begründet, eine Mädchenschule, die spätere Elisabethschule damit verbunden. Aus der alten Kriegschirurgen-Schule ward eine Akademie, die Pepiniere?). Ihr erster Direktor, der aus Ostpreußen stammende Generalchirurg Johann Goercke, lebt in zwei Kunstdenkmälern fort: in dem schönen Hause Dorotheenstraße 5 mit den Reliefdarstellungen seines Berufs und in dem ihm von den Ärzten des Heeres gesetzten Denkmal im Hofe des Reichsarbeitsministeriums, einem der letzten vollendeten Werke der Berliner Eisengußkunst; es ist ein Erzeug nis der 1804 vor dem Oranienburger Tor errichteten königlichen Eisengießerei, von besonderer Schönheit sind die antiken Friese des schmalen Sarkophags. Auch als Bauherr bewährte sich der König. Er ließ durch den jungem Boumann nach einer Zeichnung von Langhans dem Marienkirchturm die alsbald grünen Edelrost ansetzende zierliche offene Haube aufsetzen. Der neuen x) Vgl. über die echten Rosenkreutzer: Will-Ekich Peuckert, Die Rosenkreutzer. Jena 1928, über die des 18. Jahrhunderts: Fontane, Wanderungen III, S 312f. 2) Vom französischen pepiniere: Pflanzschule.
65 Tierarzneischule baute Langhans nahe dem Schiffbauerdamm ein Theatrum anatomicum in Form eines griechischen Kreuzes mit flacher Kuppel. Die alten kurfürstlichen Tore, auch das Leipziger, waren zum Teil schon abgerissen, jetzt ließ
Brandenburger Tor.
der König durch Gontard am Nordende der Friedrichstraße das durch einen Obe lisken gekrönte Oiamenburgei*1), durch Unger das Rosenthaler und das Hamburger Tor errichten. Langhans aber, der auch die schönen Kolonnaden in der Mohren-
Schadow, Siegeswagen.
straße baute, gab nach vierjähriger Bauzeit 1791 der Straße Unter den Linden den Blickpunkt und den Abschluß gegen den Tiergarten hin: das Brandenburger Tor. Der schlesische Meister schuf hier das erste große Werk eines rein klassizistischen, 9 Nach seinem Abbruch 1867 wurde dies Tor auf dem Borsigschen Rittergut Groß-Behnitz l Westhavelland) wieder aufgebaut. Berlin in Geschichte und Kunst.
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von der durch die deutsche Klassik wiederbelebten Antike beeinflußten Stils. Aus sechs dorischen Säulen ruht der schmale Aufbau einer römischen Attika. Links und rechts schieben sich gegen das Karree säulengetragene Torhäuschen mit drei eckigem Giebelfeld vor. Das Ganze wirkt festlich und doch knapp, unüberladen, wirklich ein Tor, durch dessen fünf Pforten das Grün des Parkes schimmert. Wäh rend Unger die anmutigen vorderen Abschlußbauten des Schlosses Monbijou anlegte, schlug Langhans über den Königsgraben nahe dem Schlößchen die Mon bijoubrücke, die von den beiden auf ihren Geländern stehenden Gruppen den Namen Herkulesbrücke empfing und ihn nach der Zuschüttung des Grabens auf die mit den alten Figuren geschmückte Brücke über den Landwehrkanal übertrug. Die beiden Sandsteingruppen, Herakles mit dem nemelschen Löwen und der Heros im Kentaurenkampf, sind das Werk des ersten großen Berliner Bildhauers, der der Hauptstadt selbst entstammte, des Schnei dersohnes Johann Gottfried Schadow (1764 —1850). Die Handschrift dieses Schülers von Tassaert, der den Meister bald überflügelte, finden wir überall im älteren Berlin, an seinem flach bildgeschmückten Hause in der Schadowstraße, in den Schlössern und Kirchen wie im Freien. Sein erstes großes Werk ist dasGrabmal für den Grafen von der Mark, einen früh gestorbenen Sohn des Königs und der Gräfin Lichtenau, in der Dorotheenstädtischen Kirche rechts vom Altar. Unter einer von den drei fadenspinnenden Parzen ausgefüllten Msche ruht der Knabe, im letzten Schlaf gelöst, Schwert und Helm neben Der „alle" Schadow. sich, auf einem Sarkophag, dessen Vorderseite den (1764—1850.) (Ausschnitt aus einem Gemälde von das widerstrebende Kind zum Hades entführenden Julius Hübner.) Zeitgott Chronos zeigt. Das Ganze atmet in der Weihe des Todes eine hinreißende Natürlichkeit, wie sie nicht minder von einem lichten Gegenbilde ausgeht: der überaus anmutigen Gruppe der jungen königlichen Schwiegertochter Luise und ihrer Schwester im Schloßt). Aber Schadow schuf auch den von vier Rossen gezogenen Siegeswagen für das Brandenburger Tor mit der den Adlerstab haltenden Göttin. Er ergänzte Tassaerts Feldherrnbilder auf dem Wilhelmplatz durch den Alten Dessauer und einen Zielen, der das schlicht-bärbeißige Wesen dieses volkstümlichen, einst in der Kochstraße wohnhaften Helden unübertrefflich herausbringt, von lebhaften Sockelreliefs unterstützt. Für die neue Münze an der Friedrichsgracht arbeitete Schadow einen 33 m langen Fries; er vollzog damit das Vermächtnis des genialen, jung verstorbenen Friedrich Gilly (1771—1800), denn von diesem rühren die Entwürfe für diese unerschöpflich reiche Darstellung von Erzschürfung, Guß, Schmie dung und Prägung her. Schadow, auch in Sprache und Wesen ein rechter Ber liner, hat in seiner Stadt bei seinem langen Leben Schule gemacht und auf die künftigen Generationen weitergewirkt. Er war die Zierde der 1790 neu organisierten ) Das Originalmodell ist in der National-Galerie
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Akademie der Künste. Als Maler des Hofes wie des Bürgertums zeichnete sich der Akademiker Bernhard Rode aus. Schadow gehörte auch einem Kreise an, der sich regelmäßig bei dem Kastellan des königlichen Schlosses, dem Hofrat Bauer, zu literarischem Gespräch und ge meinsamer Lektüre versammelte, im Sommer im Bauerschen Garten vor dem Königstore auch wohl tanzte und gesellige Spiele trieb. Auch Ramler und Moritz
Schaoow, Grabmal ves Grasen von oer Mark in der Dorotheenstädtischen Kirche
zählten dazu, dann der Schriftsteller Johann Jakob Engel (1741—1802), Professor am Joachimsthal und Lehrer des Prinzen Friedrich Wilhelm, des Thron folgers, auch eine Zeitlang mit Ramler Direktor des Nationaltheaters. Die Jüng sten der Runde waren die beiden Studenten Wilhelm und Alexander von Humboldt, „lebendig, geistreich, kurz durchaus liebenswürdig und von umfassen dem Wissen." Unter den Frauen der Gesellschaft ragte durch Schönheit und Güte Henriette Herz, geborene de Lemos (1764—1847), die Gattin des Arztes und Philosophen Marcus Herz, hervor; sie vor allem fesselte auch den jungen Charite prediger Friedrich Daniel Ernst Schleiermacher (1768—1834) an diesen, bei äußerster materieller Schlichtheit geistig reichen Verkehr. Als Friedrich 5*
68 — Schlegel in Berlin einkehrte, bewegte er sich bald unter den neu gewonnenen Freunden. Dorothea Mendelssohn, des Philosophen älteste Tochter, mit einem Kaufmann Veit vermählt und aus dieser Ehe die Mutter des Malers Philipp Veit, lernte hier Schlegel kennen und lieben und folgte dem Theoretiker der Romantik m eine neue Ehe. Aber die Romantik hatte auch aus dem Berliner Boden selbst frische Schößlinge getrieben. Ludwig Treck (1773—1853), der Sohn eines Seiler meisters aus der Roßstraße, und Wil helm Heinrich Wackenroder (1773 — 1798), der Sohn eines Berliner Bürgermeisters, führten für die Stadt die neue Bewegung herauf und setzten an die Stelle der Aufklärung die Ver senkung in die farbige Vorzeit, den Glanz und die Fülle der deutschen Ver gangenheit und eine Erneuerung aus dem Geiste des Christentums. Von Berlin aus entdeckte Wackenroder die dem Deutschen bisher verborgene Schönheit Nürnbergs. Trecks Schwe ster Sophie, dem Sprachforscher und Direktor des Friedrich-WilhelmsGymnasiums August Ferdinand Bernhardi vermählt, gewinnt als romantische Schriftstellerin Geltung. Henriette Herz war die erste jüdische Berlinerin, die durch ihre geistige Empfänglichkeit und den Reiz ihres Gesprächs Männer und Frauen von künstlerischer Bedeutung zu einer höchst bescheidenen, nur auf geistigen Austausch gestellten Geselligkeit um sich vereinigte. Hierher gehört Marianne Saaling, die Tochter des Hoftuden Salomon Jacob Salomon; sie stand Schadow, Zielen. dem im Nicolmschen Hause gastlich aufgenommenen Theodor Körner und dem Staatsmann und vaterländischen Dichter Friedrich August von Stägemann besonders nahe; auch Schadows Frau war aus jüdischem Hause. Man nannte diese Zirkel wohl Salons, obwohl dieser berlinischen Lebensform der mit dem Fremdwort verbundene äußere Glanz durchaus fehlte. Den dauerndsten Einfluß auf das geistige Leben der Stadt hat Rahel Levin (nach der Taufe Friederike Robert), kurz Rahel genannt (1771—1833) ausgeübt, die spätere Gattin
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des vielgewandten Schriftstellers Varnhagen von Ense; bei ihr Prinz Louis Ferdinand (geb. 1772) aus und ein
ging auch
Sechs Fuß hoch ausgeschossen, Ein Kriegsgott anzuschau'n, Der Liebling der Genossen, Der Abgott schöner Frauen, Blauäugig, blond, verwegen Und in der jungen Hand Den alten Preußen-Degen —
(Fontane)
der volkstümlichste Prinz des Königshauses, in viel höherem Maße die Hoffnung der Patrioten als der 1797 ans Regiment gelangte junge König Friedrich Wil helm III., dessen von Natur schüchternes Wesen unter dem doppelten Druck der großen Überlieferung des Großoheims und der schiefen Stellung am liederlichen Hofe des Vaters nicht zu freier Entfaltung kam. Viel rascher gewann seine Gattin Luise von Mecklenburg-Strelitz (geb. 1776) die Herzen. Ihr huldigte auch Jean Paul (Friedrich Richter), als er um die Jahr hundertwende zu Berlin einkehrte, der erklärte Lieblingsdichter der Gesellschaft, die ihn auch bei Rahel liebenswürdig aufnahm. Aber selbst die Verwendung der Königin konnte ihm die erwünschte Domstiftsstelle zu Magdeburg nicht verschaffen; der König gab sie dem sentimentalen Romanschreiber August Lafontaine. Wie ein Abschiedsgruß der großen klassischen Zeit von Weimar her war es, als am 1. Mai 1804 Schiller Berlin besuchte. Er stieg unter den Linden 23 im Hotel Russischer Hof ab, darin auch Goethe, als der Gasthof noch „Zur Sonne" hieß, untergekommen war. Schillers Kalender verzeichnet genau die Erlebnisse des halben Monats, den er in der Hauptstadt zubrachte. Er wohnte einem Konzert in der Singakademie bei, wurde von der Königin empfangen und speiste einmal beim Prinzen Louis Ferdinand in der Friedrichsstraße, am andern Tage in der kleinen Villa, die sich Jffland, einst in Mannheim der erste Franz Moor der deutschen Bühne, am Südrande des Tiergartens gebaut hatte. Schiller begrüßte alte Be kannte von Weimar und Jena her: Zelter, den großen Arzt Wilhelm Hufeland, den Philosophen Johann Gottlieb Fichte. Jffland aber lud ihn ins National theater und führte ihm zuerst die „Braut von Messina" vor; als der Dichter in die Loge trat, scholl ihm begeisterter Zuruf der dichtgescharten Zuschauer entgegen. Der „Wallenstein" folgte, und als zu Ehren des erlauchten Gastes zweimal die „Jungfrau von Orleans" dargestellt wurde, werden die Berliner den Aufführungen mit merkwürdigen Empfindungen gefolgt sem; denn von dem-Schauplatz des Stückes her kam die Nachricht von der bevorstehenden Erklärung Napoleons zum Kaiser der Franzosen. Dem Anprall der nun von Westen hereinbrechenden Woge vermochte Preußen nicht standzuhalten. Der in überalterte Formen gebannte Staat, das von über alterten Generälen geführte Heer, eine zwischen ästhetischer Verfeinerung und haltlosem Genuß pendelnde Gesellschaft — das alles sank unter einer an Georg Wilhelms entschlußlose Schwäche gemahnenden königlichen Führung vor dem Erobererschritt der durch die Revolution mit forteißendem Schwung erfüllten jungen Heere Napoleons, des aus dem Nichts emporgestiegenen Herrn einer neuen europäischen Staatenbildung, haltlos zusammen.
70 — Am 10. Oktober 1806 wurde die preußische Vorhut bei Saatfeld zurückge worfen, und an ihrer Spitze fiel Prinz Louis. Die unglückliche Schlacht bei Jena und Auerstädt aber öffnete vier Tage später dem Feinde, auf den Fersen einer sich auf lösenden Armee, den Weg in das Herz der preußischen Lande. Wie zahlreiche
Schadow, Königin Luise und ihre Schwester.
andere Festungen ward auch Spandau ohne Schwertstreich übergeben, und am 18. Oktober lasen die Berliner an den Straßenecken den roten Anschlag des Gouver neurs Friedrich Wilhelm Grafen von der Schulenburg-Kehnert: „Der König hat eine Bataille verloren; jetzt ist Ruhe die erste Bürgerpflicht. Ich bitte darum." Am 27. Oktober zog Napoleon in Berlin ein. Am Brandenburger Tore
— 71 — empfing er die Schlüssel der Stadt; als ihm aber die Behörden vorgestellt wurden, war es der Prediger der Französischen Kolonie und Direktor des Französischen Gymnasiums, der greise Jean-Pierre Erman, der zu dem scheinbar Unüber windlichen die Worte sprach: „Sire, ich wäre nicht des Kleides wert, welches ich trage, nicht des Wortes, das ich verkünde, noch des Königs, dem ich diene, wenn ich nicht den tiefsten Schmerz empfände, Euer Majestät an dieser Stelle sehen zu müssen." Und als der Kaiser über die am 18. nach Königsberg geflohene Königin Luise schmähende Worte gebrauchte, fiel ihm der gleiche Erman bei jeder Lüge ins Wort: „Das ist nicht wahr, Sire, ich bitte Sie flehentlich, seien Sie gerecht!" Berlin hatte schwer an der dem Lande auferlegten Kontributton mitzutragen, dazu kam der Druck der mehr als zweijährigen Besetzung durch die französischen Truppen, die auch vor Plünderung der Kunstschätze nicht halt machten und die Viktoria vom Brandenburger Tore nach Paris schleppten. Das Sinken aller Staatspapiere, die Abschnürung des Handels durch die Kontinentalsperre, die, am 21. November von Berlin aus erlassen, jeden Handel und Verkehr mit England unter schwere Strafe stellte, die allgemeine Erschütterung des Kredits führten eine weitgehende Verarmung und eine gefährliche Arbeitslosigkeit herbei. Die städtische Verwaltung konnte dagegen um so weniger tun, als die eigentliche Leitung der städtischen Angelegenheiten an einen auf französischen Befehl gewählten und von den Fremden scharf überwachten Ausschuß übergegangen war, dem unter andern Zelter angehörte. So versuchten denn beherzte und hochsinnige Privatleute dem allgemeinen, nur von ein paar reich werdenden Armeelieferanten nicht mitempfun denen Unheil zu steuern. Der Verleger Georg Reimer gehörte zu diesen Mutigen, die den Kopf nicht sinken ließen, der Freiherr Hans von Kottwitz gründete in der Frankfurter Straße eine Wollverarbeitungsanstalt für Arbeitslose, der Haupt mann Karl von Neander rief ein Stift für arme Kinder ins Leben, und der Bau meister Louis Catel errichtete eine Erziehungs- und Arbeitsanstalt für verwaiste und verlassene Kinder. Mitten unter den feindlichen Waffen aber klang das Wort des Trostes, der Hoffnung, vor allem der Mahnung in die Verzweiflung der Zeit. Vom 13. Dezem ber 1807 bis zum 20. März 1808 hielt Johann Gottlieb Fichte (1762—1814) in einem Saale der Akademie nach der Charlottenstraße hin seine vierzehn sonntäg lichen „Reden an die deutsche Nation", die französische Revolution als notwendig und berechtigt annehmend und in deutschem Sinne weiterbildend, Volk und Vater land als Träger und Unterpfand irdischer Ewigkeit preisend, ein weites und hartes Zukunftsbild nationaler Pädagogik entrollend, zu unbeugsamem Entschluß drängend. „Ermannt euch aus der Dumpfheit gegen den Überwinder im Hinblick auf das erblühende Geschlecht, das die Nation zur Wiedergebärerin der Welt adeln soll!" Unten ziehen Franzosen mit Marschtritt, und Paukenprall, Die Bänke schüttern im Auditorium, Doch rufender dröhnt der redenden Stimme Schall. Aus dem mächtigen Haupt, in eherner Schwere, Zieht Mahnung und Lehre, Worte in Waffen, gesprochene Heere, Unsichtbare Trommeln gehen um. (Ernst Liss au er)
— 72 — Die von Fichte geforderte Erneuerung des Staates vollzog von Königsberg her der Freiherr vom Stein, von hervorragenden Mitarbeitern unterstützt. Schlag auf Schlag folgten einander die Aufhebung der Kabinettsregierung zu gunsten eines Ministeriums, die Abschaffung der bäuerlichen Erbuntertänigkeit, die Verleihung der Arbeitergrundstücke auf den Domänen als freies Eigentum, und — für Berlin neben der Gewerbefreiheit das Größte und Segensreichste: die Städteordnung vom 19. November 18081). Sie erleichterte den Erwerb des Bürgerrechts, hob die Klassen und Zünfte auf und übertrug der Bürgerschaft die freie Wahl der Stadtverordneten und diesen die jenige des aus besoldeten und ehrenamtlichen Mitgliedern bestehenden Magistrats. Dieser war den Stadtverordneten verantwortlich, die in gemischten Deputationen auch unmittelbar an der Verwaltung Anteil hatten, und über den städtischen Be hörden waltete ein auf gewisse wichtige Punkte eingeschränktes Aufsichtsrecht des Staates. Am 16. April 1809 schritt die Berliner Bürgerschaft zur ersten Wahl von 102 Stadtverordneten in die Kirchen, und es war bezeichnend, daß unter den Män nern ihres Vertrauens nicht weniger als vierzehn Angehörige der Hugenottischen Kolonie waren. Am 28. April wurde der Stadtverordnete des Bezirks Gensdarmenmarkt, der frühere kurmärkische Kammerpräsident Leopold von Gerlach (1757—1813), der sich den Franzosen gegenüber mannhaft bewährt hatte, zum ersten Oberbürgermeister von Berlin gewählt; Bürgermeister wurde der bisherige Stadtpräsident Büsching, Stadtbaurat der Architekt Langerhans, dessen Familie dann durch mehr als ein Jahrhundert im städtischen Dienste stand, zu den unbesoldeten Stadträten gehörte Mendelssohns vertrauter Freund David Friedländer. Am 1. Dezember 1808 waren die französischen Truppen endlich abgerückt, am 10. zogen, jubelnd begrüßt, preußische wieder durch das Königstor ein, unter ihnen das durch seine tapfere Verteidigung Kolbergs — der Berliner Paul Heyse hat sie in einem Drama geschildert — berühmte Regiment Kolberg; Unzählige umdrängten den Major von Schill, als er an der Spitze einer Schwadron zum Ordonnanzhause, Neue Königstraße 13, ritt. Am 28. April 1809 verließ der tapfere Mann durch das Hallische Tor wieder die Stadt; auf sich ge stellt, ging er gegen den Feind und in den Tod. Am Tage vor Weihnachten des gleichen Jahres kehrten der König und Königin Luise aus Königsberg nach Berlin zurück. In Weißensee (die Stelle ist durch eine Tafel festgehalten) wurden sie von den städtischen Behörden empfangen. Der Schöpfer der Städteordnung war nicht mit ihnen, auf Napoleons Geheiß war er entlassen worden, aber in Berlin wirkten nun in unablässiger Reformarbeit für Staat und Heer die Staatsmänner und Soldaten der neuen Zeit; der 1810 ernannte Staatskanzler Fürst Hardenberg, der Kriegsminister Scharnhorst, der Oberst leutnant Gneisenau, der Departementsdirektor Boyen, der Staatsrat Stägemann, der Polizeipräsident Justus Gruner, eine lange Reihe glänzender Männer, in engster Verbindung mit Blücher, der von Pommern her, mit Clausewitz, der von Rußland her trieb. Da der Gedanke der allgemeinen Wehrpflicht nach den 0 Das Schönste über ihre Bedeutung für Deutschland und Berlin hat der Berliner Bürger meister Georg Reicke bei der Jahrhundertfeier 1908 im Berliner Rathause gesagt Vgl. Georg Reicke, ein Bürger zwischen Welt und Stadt, hsg. v. H. Spiero, Berlin 1923
— 73 — Bestimmungen des Preußen entmachtenden und halbierenden Tilsiter Friedens vom 7. Juli 1807 nicht durchgeführt werden konnte, schuf Scharnhorst das Krümper system, das mit seiner kurzen Ausbildung und baldigen Entlassung der Ein gezogenen den Feind über die wirkliche Wehrkraft des auf 42000 Mann beschränkten Heeres täuschte. Auf einem sandigen Platze in der Hasenhaide stählte Friedrich Ludwig Jahn (1778—1852), von Friedrich Friesen unterstützt, die männliche Jugend in der neuen Kunst des „Turnens". Die gleiche Glut vaterländischer, die Schlacken der dumpfen letzten Jahrzehnte und der rühmlosen Niederlage im Läuterfeuer verzehrender Empfindung wie aus Fichtes Reden brach aus Heinrich von Kleists (geb. 1777) „Hermanns schlacht" lodernd hervor. Wir litten menschlich seit dem Tage, Da jener Fremdling eingerückt; Wir rächten nicht die erste Plage, Mit Hohn aus uns herabgeschickt; Wir übten, nach der Götter Lehre, Uns durch viel Jahre im Verzechn: Jetzt aber drückt des Joches Schwere, Und abgeschüttelt muß es sein.
Das war aus der Zeit Armins deutlich in die Gegenwart gesprochen, aber es ward nur im Kreise der Christlich-Deutschen Tischgesellschaft gehört, zu der mit Kleist Reimer und Fichte, Stägemann, Zelter, der Jurist Carl Fried rich von Savigny, die Herausgeber von „Des Knaben Wunderhorn" Achim von Arnim aus Berlin (1781—1831) und Clemens Brentano, der Bruder von Arnims Gattin Bettina, zählten. Das größte aller preußischen Dramen, Kleists „Prinz Friedrich von Homburg", gelangte gar erst 1821 zum Druck, 1828 zu einer arg verstümmelten Aufführung. Als aber Königin Luise, in den Unglücksjahren zum Symbol das Vaterlandes geworden, in blühender Jugend 1810 starb, da nahm Kleist den Trauernden das Wort von den Lippen, als er pries. Wie du das Unglück mit der Grazie Tritt Auf jungen Schultern herrlich hast getragen,
und ihr nachrief: Wir sahn dich Anmut endlos niederregnen. Wie groß du warst, das ahndeten wir nicht Dein Haupt scheint wie von Strahlen mir umschnnmert; Du bist der Stern, der voller Pracht erst flimmert, Wenn er durch finstre Wetterwolken bricht
Rauch, Königin Luise.
— 74 — Ihm selber leuchtete kein Gestirn mehr in das Düster des letzten Jahres. Seine Zeitung, die von einem altständischen Standpunkt her den liberalen Reformen Hardenbergs Opposition machenden „Abendblätter" konnte er nicht halten; er hat in ihnen neben unablässig Freiheit heischenden heißen Sätzen auch die knappe berlinische Anekdote geschaffen. Seine Dramen fanden weder Bühne noch Verlag. Und kaum war ihm durch Gneisenaus Vermittlung vom Könige der Wiedereintritt ins Heer in Aussicht gestellt worden, da schien statt des ersehnten Befreiungskampfes ein Bündnis mit dem verhaßten Napoleon zu drohen. Aussichtslos, hoffnungsbar, ganz und gar mit dem Leben fertig, ging Heinrich Kleist am 21. November 1811 in den Tod, am Wannsee knallte dumpf der Schuß durch den Nebel. Am 15. Oktober 1810 wurde im Palais des Prinzen Heinrich Unter den Linden die Friedrich-Wilhelms-Universität eröffnet, und mitten im wäh renden Drucke der Notzeit zog eine ganze Schar bedeutender Lehrer, darunter Fichte, Savigny, Schleiermacher, Hufeland^), der Philolog August Böckh, der Theolog Philipp Marheineke, der Reformator der Landwirtschaft Albrecht Thaer, den Studenten voran in den schönen Bau. Der größte klassische Philolog der Zeit, Friedrich August Wolf, seit 1807 der Akademie zugehörig, las auch an der neuen Hochschule, deren erster Rektor der Jurist Theodor Schmalz, Scharnhorsts Schwager, war. Ihr eigentlicher Begründer war der Mann, unter dessen Hand jetzt das preußische Unterrichts- und Bildungswesen neu erblühte, Wilhelm Humboldt (1767—1835). Und in feierlichen Gedichten begrüßten Arnim und Brentano die Stätte erneuter Wissenschaft, Arnim mit seine Ge burtsstadt preisenden Versen, Brentano mit weiter Ausdeutung in einer von dem Goethekomponisten Johann Friedrich Reichardt, Grauns einstigem Nach folger, vertonten Kantate; sie läßt nach einem Wechselgesang zwischen Vorstehern, Lehrern und Bürgern den „ernsten Chor" der Fakultäten unter dem Zeichen des Kreuzes einschreiten und weiht das Haus Der Ganzheit, Wahrheit, Einheit, Der Allgemeinheit, Gelehrter Weisheit, Des Wissens Freiheit.
Kleists Befürchtung bewahrheitete sich. Preußen verband sich Napoleon, es stellte für den Feldzug nach Rußland ein Korps unter Iorck, und wieder sah die Hauptstadt französische Einquartierung. Aber der Winter von 1812 auf 1813 brachte mit dem Untergang der Großen Armee in Rußland den Schicksalsumschwung auch in Berlin, dessen Wesen während dieser Monate Fontane in dem Roman „Vor dem Sturm" einläßlich geschildert hat. Der König ging in das unbesetzte Breslau, und nachdem Porck auf eigene Verantwortung den ersten entscheidenden Schritt von den Franzosen zu den Russen getan hatte, kam endlich der Stein ins Rollen. Die Jugend aller Stände wie das gereifte Alter folgte den von Schlesien her ergehenden königlichen Aufrufen, und unter den Augen des französischen Mar0 Hufeland las auch an der Pepiniere über Makrobiotik (die Kunst, das Leben möglichst zu verlängern); eines Sommertages sanden die Studenten an der Hörsaaltür folgenden Anschlag: „Bei dem schönen Wetter glaube ich mehr für die Lebensverlängerung meiner geehrten Zuhörer zu sorgen, wenn ich sie die Stunde im Freyen als im emgeschlossenen Zimmer zubringen lasse. D. Hufeland "
— 75 — schalls Augereau zogen die Freiwilligen, Hörsaal, Schulklasse, Werkstatt, Schreib stube verlassend, dem Hauptquartier zu, die Lieder Friedrich Fouquös, Ernst Moritz Arndts, Theodor Körners auf den Lippen, Fichtes Lehre im Herzen. Von 10000 preußischen Freiwilligen waren fast 6400 Berliner. Das erste Opfer des Befreiungskrieges fiel in Berlin. Eine kleine russische Schar wollte mit ein paar
Menzel, Blücher.
preußischen Freiwilligen durch einen Handstreich Berlin befreien, sie drang bis zum Schlosse vor, mußte aber der Übermacht weichen. Dabei fiel der junge, tapfere Alexander von Blomberg; die Stätte am Königstor ist durch ein schlichtes Denkmal, einen antiken Helm auf einer Säule, vor der Bartholomäuskirche bezeichnet. Was die nationale Romantik, zum guten Teil von Berlin aus, heischend, mahnend, mit dem Erbe deutscher Vergangenheit im Bunde, gepredigt, gedichtet, geweckt hatte — nun kam es in der Opfertat der Freiheitskriege zum Leben. Wie
— 76 — sich die Kämpfer ins Heer und die Landwehr drängten, so trat daheim die vater ländische Hilfsbereitschaft an die Sammelstellen, Gold und Silber, Vermögen und Kraft spendend für den heiligen Kampf. Am 4. März zogen die Franzosen ab, die Russen drängten nach, und auf dem Rondeel gab es ein Feuergefecht. Aber das war nur das Vorspiel schwererer und blutigerer Entscheidungskämpfe, an denen Berliner Truppen beteiligt waren. Am 17. März zog Yorck, seit der Konvention von Tauroggen der volkstümlichste Heerführer, in Berlin ein, am 27. verließ er es wieder nach einem feierlichen Feldgottesdienst im Lustgarten. Und jetzt mochten
Schauspielhaus.
die eisernen Würfel rollen. Immer noch war der Krieg der Stadt ganz nahe, am bedrohlichsten im August. Da bewahrte der kühne Entschluß des Generals Fried rich Wilhelm von Bülow (1755—1816) Berlin vor dem Schlimmsten. Ent gegen dem Befehl seines Armeeführers, des Kronprinzen Bernadotte von Schweden, ging er nicht nach Norden hinter die Hauptstadt zurück; „unsere Knochen sollen vor Berlin bleichen, nicht rückwärts", sagte er kurzab und lieferte den Franzosen am 23. August die Schlacht von Großbeeren, deren Geschützdonner in Berlin wohl zu hören war; Louise von Francois schildert sie am Schlüsse ihres Romans „Frau Erdmuthens Zwillingssöhne". Dieser Sieg machte Berlin frei, aber mehr als 9000 Verwundete starben in Berliner Pflege; über 2000 wurden in der Hasenheide bestattet. Am 21. Oktober brachten 32 Postillione die Sieges kunde von Leipzig, am 7. August 1814 zogen die endlich aus Frankreich heimkehren den Sieger unter der in der Nacht zuvor wieder aufgestellten, heimgeholten Viktoria
— 77 — durch das Brandenburger Tor, mit dem Könige Blücher, Gneisenau, Iorck, Bülow — aber der das Schwert geschmiedet, Scharnhorst, fehlte, er hatte bei Großgörschen die tödliche Wunde empfangen. Am 18. Oktober 1814 waren südlich vor der Stadt vom Rixdorfer Rollberg bis nach Steglitz hinüber 60 Freudenfeuer entzündet. Aber noch einmal mußten die Krieger ins Feld, erst als Belle-Alliance geschlagen war, kam der endgültige Friede, durch ein Volksfest im Tiergarten begangen. Die große Opferzeit war vorüber, Preußen wieder hergestellt, auch dem Berliner lag die Welt wieder offen, er kehrte zu seiner Arbeit daheim zurück, die Erinnerung an die Franzosenzeit so im Herzen, wie Wilhelm Raabe es die berlinische Hand werkerswitwe, die Mutter zweier für das Vaterland gefallener Söhne, in der „Chronik der Sperlingsgasse" unvergeßlich erzählen läßt — Gedächtnis großer Zeiten den Nachwachsenden aufbewahrend. Und als von den Brettern des Nationaltheaters Goethes Epimenides-Festspiel mit der Musik des Berliner Kapell meisters B. A. Weber zu den Berlinern sprach, da durften auch sie sich, trotz ihres leicht bereiten Spottes über die mythologische Verkleidung eben gelebten Lebens, „in der Taten Recht" fühlen und ihres Anteils an dem gewiß sein, was der Chor kündete: So rissen wir Von fremden Nun sind wir Nun sind wir
uns rings herum Banden los. Deutsche wiederum, wieder groß.
Gedenkt unendlicher Gefahr, Des wohlvergoss'nen Bluts, Und freuet euch von Jahr zu Jahr Des unschätzbaren Guts.
Nun töne laut: Der Herr ist da! Von Sternen glänzt die Nacht. Er hat, damit uns Heil geschah, Gestritten und gewacht.
Für alle, die ihm angestammt, Für uns war es getan. Und wie's von Berg zu Bergen flammt, Entzücken, flamm hinan!
10. Das bürgerliche Zeitalter. Die Glocken der Siegesfeier läuteten für Preußen und Berlin ein halbes Jahr hundert friedlicher Entwickelung ein; als währendes Denkmal dieser Epoche er hebt sich auf dem ehemaligen Rondeel, das nun den Namen Belle-Allianceplatz erhielt, die Friedenssäule mit einer Viktoria aus der Werkstatt Christian Daniel Rauchs. Der hohe Schwung freilich, der die Woge der großen Kämpfe unwiderstehlich gemacht hatte, kam alsbald unter dem Druck einer harten und klein lichen Reaktion zum Erliegen. Wenn sich Friedrich Ludwig Jahn und seine jungen Freunde in dem Schluchteinschnitt des Düstern Kellers am Tempelhofer Berge heimlich vor der französischen Besatzung getroffen hatten, so galten ihre leidenschaftlichen Erörterungen nicht nur der Abschüttelung des fremden Joches,
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sie wollten das eine und einige Deutsche Reich in innerer Freiheit erneuert sehen. Von diesen Idealen aber hatte der Wiener Kongreß nichts erfüllt. Der Deutsche Bund mit seiner Diplomatenversammlung in Frankfurt am Main war die Karrikatur eines nationalen Reichs, und Friedrich Wilhelms III. Versprechen Hom 22. Mai 1815 über die Begründung „einer Repräsentation des Volkes" wurde nicht eingelöst, das große Reformwerk Steins blieb ein Torso und bald durfte an die zu begründende wirkliche Einheit und die zu gewinnende innere Freiheit nicht einmal öffentlich erinnert werden. Von dem österreichischen Staatskanzler Metternich gegängelt, setzte auch in Preußen eine bösartige Verfolgung ein, die selbst vor Männern wie Arndt und Schleiermacher nicht halt machte, Jahn aus Berlin und allen Universitäts- und Gymnasialstädten verbannte und sich mit der Spürsamkeit von Schweißhunden — wie Treitschke sagt — an die studierende Jugend hing. Der aus Mecklenburg stammende Burschenschafter Fritz Reuter hat diese Metho den mit aller Härte zu spüren bekommen, als er 1833 und 1834 zuerst in der Berliner Stadtvogtei am Molkenmarkt, dann in der Hausvogtei saß — ganz unschuldig und doch zum Tode verurteilt und, nach seiner Begnadigung zu 30 Jahren Festung, erst 1840 entlassen. Unzählige sind damals geistig und körperlich geknickt worden. Wilhelm Raabe hat es in einem seiner berlinischen Werke, dem „Hunger pastor", erzählt, mit welcher Mtterkeit die alten Kämpfer von Leipzig es empfan den, als jene Freudenfeuer vom 18. Oktober schon seit 1819 nicht mehr erneuert werden dursten; und in seiner zu Berlin (in der altertümlichen Spreestraße) ge schriebenen „Chronik der Sperlingsgasse" hat er an dem Beispiel einer haupt städtischen Handwerkerfamilie die Stimmung jener politisch dumpfen Jahre un vergeßlich gezeichnet: der Vater, der beide Söhne dem Freiheitskriege dargebracht hat, mag die Tafeln mit ihren Namen in der Kirche nicht mehr sehen und freut sich des Brandes, der sie vernichtet. Aber unter diesem politischen Druck entfaltete sich trotzdem Berlin zu einer bürgerlichen Stadt von geschlossenem Reiz und immer steigendem Gewerbefleiß. Das Bürgertum, durch die Stein-Hardenbergschen Reformen in seinem Werte für den Staat bestätigt, von alten Schranken gelöst, nahm die Stadt gewissermaßen neu in Besitz. Bei zunächst sehr bescheidenem äußeren Lebenszuschnitt begann eine Zeit geistig belebter, geschmackvoller Geselligkeit, regen wissenschaftlichen und künstlerischen Strebens, gegenseitiger Duldung, harmonischer Lebensführung. Eine dauernde Frucht solcher, einstige Schranken überwindender Einigkeit war die Union der Lutherischen und der Reformierten altpreußischen Kirchen. Es war ein guter und großer Tag für Berlin, als am Reformationsfeste des Jahres 1817 in der Nikolaikirche Angehörige beider Bekenntnisse das Abend mahl gemeinsam nahmen und der Reformierte Schleiermacher, dessen religiöse Wirksamkeit für Berlin von unauslöschlicher Bedeutung geworden war, und der Lutheraner Marheineke sich vor dem Altar die Hand reichten. Am nächsten Tage legte Friedrich Wilhelm III. in Wittenberg den Grundstein zu Schadows Luther denkmal; die Union war ihm wie dem Bischof Sack, dem Sohn des friderizianischen Predigers, eigenste Herzenssache gewesen. Das Unterrichtswesen der Stadt erweiterte und vertiefte sich nach verschie denen Richtungen hin mit nachwirkender Kraft. Am Kloster kamen nacheinander die klassischen Philologen Johann Joachim und Friedrich Bellermann,
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Vater und Sohn, zu ebenso segensreicher leitender Tätigkeit wie am FriedrichWilhelms-Gymnasium Ferdinand Ranke (1802—1876); eine Schülerschar, zu der Paul de Lagarde, Herman Grimm, Paul Heyse, Wilhelm von Kardorff gehören, zeugt für Rankes Wesen. Schon vor den Freiheitskriegen war in der Hirschelgasse (der jetzigen Königgrätzerstraße) die Plamannsche Erziehungsanstalt entstanden, zu deren Lehrern auch Jahn gehörte. Ihr, die am Rande der Stadt lag, wurde der junge Otto von Bismarck anvertraut, bevor er auf das Friedrich-Wilhelms-Gymnasium und dann auf das Kloster überging. Begeisterte Schüler Fichtes, LudwigCauer und Jtzig, be gründeten 1817 in der Münz straße die später nach Charlottenburg verlegte Cauersche Schule, in der der Unterricht nicht vom Fach, sondern vom Schüler her er teilt, auf Zeichnen und Musik besonderer Wert gelegt wurde; sie erfreute sich noch des Wohl wollens von Pestalozzi. Felix Eberty, dem wir reizvolle berlinische Jugenderinnerun gen danken, und der Physiker Gustav Magnus zählen zu. Cauers Zöglingen. 1832 wurde ein Seminar für städtische Volksschullehrer errichtet und einem der ersten Päda gogen der Zeit, Adolf Die sterweg unterstellt. 1824 hatte Karl Friedrich von KlödeninderNiederwallstraßedieersteGewerbeschule Alexander von Humboldt. geschaffen. Das Turnen frei lich war überall verboten, und erst nach 1840 richtete Jahns Schüler Philipp Feddern wieder einen Turnplatz in der Hasenhaide ein. An der Universität herrschte, seine Wirkung weit über das wissenschaftliche Gebiet dehnend, Wilhelm Friedrich Hegel (1770—1831). Und noch über seinen Tod hinaus blieb seine Persönlichkeit so mächtig, daß Joseph Schelling hier nicht zu nachhaltigem Eindruck gelangen konnte. Drei der bedeutendsten deutschen Philosophen hegelfremder Art haben es in Berlin nicht einmal über die Privatdozentur hinausbringen können: Artur Schopenhauer, Karl Christian Friedrich Krause und Eugen Dühring. Durch Karl Ritter wurde Berlin der Mittelpunkt der geographischen, durch Leopold von Buch der geologischen Forschung, Carl Lachmann führte eine neue Zeit für die ger manische Philologie herauf, Heinrich Wilhelm Dove begründete die wissen-
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schaftliche Meteorologie, und der General Joseph Jakob Baeyer gab die Normen für eine neue europäische Gradmessung. Im Jahre 1825 ward der Gym nasiallehrer Leopold Ranke (1795—1886) von Frankfurt an der Oder an die Berliner Universität berufen und seither ward diS Hauptstadt auch der Vorort der deutschen Geschichtsforschung, wie durch Richard Lepsius der deutschen Ägyp tologie. Mit der Versetzung von Georg Heinrich Pertz an die Berliner Biblio thek kam das große, vom Freiherrn vom Stein ins Leben gerufene Unterneh men der Monumenta Germaniae Historica Berliner Weichbild, und fast gleichzeitig konnten auch infolge königlicher Entbietung die Brüder Jacob und Wilhelm Grimm ihre Arbeitsstätten in die Akademie der Wissenschaften und in ihre stillen Räume in der Linkstraße 7 verlegen. Was Wilhelm von Humboldt, der schon 1835 in seinem stillen Tegel abberufen ward, für die Universität und das höhere Schulwesen gewesen war, das wurde sein Bruder Alexander (1769—1859) für die Berliner und die deutsche Naturwissenschaft schlechthin, er bildete, seitdem er 1827 endgültig nach Berlin zurückgekehrt war, den Mittelpunkt des wissenschaft lichen Lebens überhaupt und stellte als Kammerherr zugleich seine Verbindung mit dem Königshofe, als Weltreisender den Zusammenhang mit der europäischen und amerikanischen Bildung her. Das heroische Zeitalter der Romantik war vorüber. Aber zwei ihrer Groß meister kamen erst nach den Freiheitskriegen in Berlin recht zur Geltung, sie wurden die ersten ganz als berlinisch empfundenen Dichter: der Kammergerichtsrat Ernst Theodor Amadeus Hoffmann (1776—1822) und der Kustos am Botanischen Garten Adelbert von Chamisso (1781—1838), jener ein Ostpreuße, dieser ein Franzose, der den Gebrauch der deutschen Sprache erst spät lernte. Beide waren stadtbekannte Erscheinungen, Hoffmann schon als Kneipgenosse des großen Schau spielers Ludwig Devrient (1784—1832) bei Lutter und Wegner am Gensdarmenmarkt; Chamisso vollends im Schmucke der langen Locken war jedem Kinde vertraut. Hoffmann hat in der langen Reihe seiner Berliner Novellen von des „Vetters Eckfenster" her den Gensdarmenmarkt, hat Mühlendamm und Königstraße, den Tiergarten mit den Zeltens, das Berliner Volk realistisch in mitten der phantastischen Welt seiner Serapions-Erzählungen gemalt; Chamisso ist der erste realistische Lyriker Berlins; sein „Mutter, Mutter! unsre Schwalben — Sieh doch selber, Mutter! sieh!" ist berlinischem Kinderleben am Fenster ebenso abgelauscht wie sein Gedicht von der alten Waschfrau dem Dasein des armen Volkes. Und wenn er die Frau Base der Nichte zureden läßt: Kratze, kratze, kratze, Trulle, Dir den ersten besten an!
so schlägt durch seine Verse die Berliner Mundart. Noch in Chamissos Spätjahren kam Willibald Alexis (Häring, 1798—1871) zu sich selbst. Der Redakteur der Vossischen Zeitung veröffentlichte 1832 seinen „Cabanis" und stellte mit diesem Roman aus der Zeit des großen Friedrich eine Wegmarke für den deutschen ge schichtlichen Roman überhaupt auf: in den sieben Nachfolgern dieser ganz preußisch realistischen Dichtung schritt Alexis die brandenburgisch-preußische Geschichte von der Zeit des falschen Waldemar bis ins 19. Jahrhundert aus, und immer stand Berlin *) Wilbelm Hauss schildert im 11. Kapitel seiner „Memoiren des Satan" eine Begegnung Hoffmanns mit dem Ewigen Juden in den Zelten.
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im Mittelgrunde. Ludwig Rellstab, neben Heinrich Theodor Rötscher der einflußreichste Kritiker der Stadt, folgte Mexis auch auf dem Gebiete des geschichtlichen Romans mit Glück. Der innge Philosoph Karl Werder (1806—1893) konnte zwar mit seinen Dramen die Bühne nicht erobern, die lange Zeit der Massen dichter historischer Dramen Ernst Raupach beherrschte — Werders anziehende Persönlichkeit wirkte jedoch durch ihre -ästhetischen Vorlesungen über das klassische Drama auf begeisterte Schüler.
Menzel, Sommerfrische.
Mit und nach Ludwig Devrientch zog eine Schar hervorragender Darsteller ins Königliche Schauspielhaus, darunter Carl Seydelmann, Auguste Crelinger, nach ihnen Ludwig Dessoir, Theodor Döring und Minona Frieb-Blumauer. Die größte Volkstümlichkeit aber errang auf lange hinaus Friedrich Beckmann (1803—1866). Er trat m dem 1824 nahe dem Alexander platze eröffneten Königstädtischen Theater auf, dem Carl von göltet*2) damals eine lange Reihe von Liederspielen und Volksstücken lieferte. Aus einer Holteischen Rolle, dem Eckensteher, schuf sich Beckmann den von Berliner Witz x) L Devrient wird in seinem menschlichen und künstlerischen Wesen (auch bei Lutter u. Wegner) im 33 —35 Kapitel von Holteis „Bagabunden" reizvoll geschildert; vgl auch die Devrient-Novellen des Tunnel-Bruders Heinr Smidt 2) Holtei setzte 1824 die erste Berliner Aufführung des „Käthchens von Heilbronn" mit seiner Frau Louise Rogee als Käthchen durch Berlin in Geschichte und Kunst.
— 82 sprudelnden Eckensteher Nante, und selbst der anspruchsvolle junge Paul Heyse fühlte sich durch Beckmanns komisches Talent bezaubert. Karl Gutzkow, der Sohn eines Bereiters im königlichen Marstall, Paul de Lagarde (Boetticher), der eines Lehrers am Friedrich-Wilhelms-Gymnasium, Paul Heyse, dessen Vater ein hervorragender Sprachforscher war, Felix Eberty, Theodor Fontane, ein Zögling der Klödenschen Schule, Karl Frenzel (1827—1914), lange Berlins einflußreichster Theaterkritiker — sie alle haben aus dem Berlin vor 1850 berichtet, und ihre Schilderungen zeigen übereinstimmend den Reiz der immer noch an Gärten und Freiflächen reichen Stadt und die Be scheidenheit und geistige Grazie ihres Lebens. Der Salon der Rahel endete 1833 mit ihrem frühen Tode, aber das Varnhagensche Haus blieb ein Mittelpunkt geistiger Anregung. Bettina von Arnim hielt seit ihrer frühen Verwitwung in Berlin Haus, eine ihrer Töchter, die quecksilberige Gisela, heiratete Wilhelm Grimms Sohn Herman; vor dem Modell von Bettinas Goethedenkmal ließ der blutjunge Joseph Joachim sein Geigenspiel ertönen, und alle jungen Dichter und Künstler suchten und fanden hier Zutritt, wie seit den dreißiger Jahren Fried rich August Stägemanns Tochter Hedwig von Olfers ihren „gelben Saal" für alle Mnstler und Kunstfreunde offen hielt. Lange Jahre aber war das Mendelssohnsche Haus Leipziger Straße 3 der Mittelpunkt berlinischer Kunstfreude; hier, bei Moses' Sohn Abraham Mendelssohn Bartholdy, trafen sich alle Kreise der Gesellschaft, gelockt vor allem durch das musikalische Talent der Kinder Felix (1809—1847) und Fanny. Felix belebte zuerst in Berlin wieder die Musik Johann Sebastian Bachs, als er, kaum zwanzigjährig, endlich eine Aufführung der Matthäus-Passion in der von Karl Ottmer erbauten Singakademie durchsetzte und selbst leitete. Ein Sohn Fannys und des getreuen Porträtisten der Zeit, des Malers Wilhelm Hensel, Sebastian Hensel, hat uns in seinem weitverbreiteten Buch „Die Familie Mendels sohn" ein reich belebtes Bild dieser Welt bewahrt. Die Dichterkreise der Romantik, der Nordsternbund, der Seraphinenklub, die Christlich-Deutsche Tischgesellschaft, hatten sich allgemach auf gelöst; aber die Mittwochs-Gesellschaft bestand weiter und begrüßte als hoch verehrten Nachfolger Chamissos, der an Goethes Geburtstag ihr Versredner war, den Freiherrn Joseph von Eichendorfs, als dieser zum Berliner Ministerial rat ernannt wurde; hier fand er in Mendelssohn einen seiner vornehmsten Kom ponisten und kehrte auch im Hause seines Amtsgenossen beim Kultusministerium, des Kunsthistorikers und Dichters Franz Kugler (1808—1858) ein, der mit einer der schönen Töchter von Julius Eduard Hitzig, dem Freunde und Biographen Chamissos und Hoffmanns, verheiratet war; ihr, Frau Clara, sind Emanuel Geibels erste Gedichte gewidmet. Kuglers schlichtes Heim war von allen guten Geistern durchklungen, er war ein warmer Förderer aller jungen Begabungen und führte Geibel wie Theodor Storm und den jungen Paul Heyse (1830—1914), seinen künftigen Schwiegersohn, in den 1827 begründeten Dichterverein „Der Tunnel über der Spree" ein. Diese Runde, die sich Sonntags zu nachmittäg lichem Kaffee versammelte, setzte die berlinisch-realistische Überlieferung Chamissos fort. Die Balladen des früh verstorbenen Grafen Moritz Strachwitz erklangen hier zuerst in einem immer anwachsenden Kreise von Künstlern und Kunstfreunden,
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Beamten und Offizieren, Lehrern und Ärzten; scharfes Urteil und unbedingte Offenheit, durch den Gebrauch von Übernamen erleichtert, herrschten unter dem Eulenzepter eines „angebeteten Hauptes" sowohl bei den „Makulaturen" (den Dichtern) wie bei den „Klassikern" (den nicht selbst Schaffenden). Und der knappe, spröde preußische Ton schlug je mehr und mehr am stärksten durch. In den Balladen von Bernhard von Lepel kam er noch nicht recht zum Ausdruck, die historischen Romane GeorgeHesekiels,des Redakteursder 1848 begründeten Kreuzzeitung, blieben an sachlicher Anschaulichkeit hinter dem Vorbilde von Alexis weit zurück; aber in den preußischen Liedern Hugos von Blomberg und vor allem in den manchmal wie Feuergefecht einherprasselnden, Bild kühn auf Bild häufenden
Theodor Fontane.
Schlachten-Epen Christian Friedrich Scherenbergs (1798—1881) „Ligny", „Waterloo", „Abukir", „Leuthen", in seinen knappsprachig zum Ziele eilenden Balladen, wie dem ganz dramatisch geschürzten „Verlorenen Sohn", erklomm dieser preußische Realismus die erste Höhe. Die zweite erreichte er in der Kunst des Tunnelhistorikers und häufigen Tunnel-Preisträgers Theodor Fontane (1819—1898); wie der es in „Vor dem Sturm" unter dem Bilde eines früheren Dichterkreises darstellt, so schlugen seine Balladen vom alten Derfflinger, vom alten Dessauer, von Zielen und Seydlitz, seine Friedrich-Gedichte hier ein. Und er allein vollendete dann auch in Prosa das preußische und berlinische Werk des Alexis: Fontanes Roman aus dem Winter von 1812 auf 13 „Vor dem Sturm" ist ein klassisches Zeugnis selbständiger, lyrisch aufgelockerter, im Genrehaften liebens würdiger gefärbter realistischer Epik in der Nachfolge des großen Vorgängers, dem er in der Berliner Monatsschrift „Der Salon" auf Bitten ihres Herausgebers Julius Rodenberg ein Denkmal dankbarer Verehrung setzte. Noch in Paul
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Heyses späterer Prosa, in den Berliner Vorgängen seines Romans „Kinder der Welt", im „Roman der Stiftsdame", in Berliner Novellen wie „Lottka" oder „Lottchen Täppe" erweist sich hinter dem schönen Kontur die einstige ber linisch-realistische Tunnel-Schulung mächtig. Den Rahmen um dies Berlin aber zog die Kunst Karl Friedrich Schinkels (1781—1841). In ihm, dem Neuruppiner Landsmann Fontanes, tritt eine Künstler persönlichkeit von so stolzem Willen und so umfassender Begabung in die zu bau licher Erneuerung schreitende Stadt, daß man sich immer wieder an die großen Gestalten der Renaissance gemahnt fühlt. Er war Baumeister, Maler, Muster-
Neue Wache.
zeichner für Möbel, Gerät und Stoffe, er schuf für die königlichen Theater Bühnen bilder, die einen Kritiker wie E. T. A. Hoffmann begeisterten. Sein erstes für die Stadt und die Zeit repräsentatives Werk war das Denkmal zum Gedächtnis der Freiheitskriege auf der Kreuzberg genannten höchsten Erhebung des Tempelhofer Berges. Es ist eine gotische Eisenpyramide, in deren zwölf Nischen Statuen von Rauch und seinen Schülern die einzelnen Schlachten der großen Kämpfe verkörpern; diese Sinnbilder sind jedoch zugleich jugendliche Porträts bedeutender Zeitgenossen. So gibt Rauch unter Paris ein liebliches Bild der Königin Luise, Wichmann bei Wartenburg einen im Sturm gebändigten jungen Porck. Auch die neue Kirche auf dem Friedrichswerder baute Schinkel in gotischen Formen, ihr Inneres wirkt wie ein Rahmen für die neue nazarenische Malerei der deutschen Romantiker in Rom, zu denen der Berliner Philipp Veit
— 85 — gehörte. Schinkels Gemälde „Die Blüte Griechenlands" zeigt jedoch deut lich, wohin zuerst und zumeist der Sinn des Meisters stand: nach einer Neubelebung der klassischen Formenwelt auf deutschem Boden. Er setzte die durch Langhans mit dem Brandenburger Tor begonnene Entwicklung in großartiger Vollendung fort und gab diesem hauptstädtischen Klassizismus durch sparsame Verwendung
Altes Museum.
von Form und Schmuck ein durchaus preußisches Gesicht, aus der Not des langsam aus der Verarmung emporsteigenden Staates eine Tugend machend. Die Neue Wache gegenüber dem Opernhaus ist ein sprechendes Zeugnis für diese klassische Schlichtheit, wie es in kleinerem Maßstab die Torgebäude am Leipziger Platze sind. Aber auch die große und festliche Aufgabe eines Neubaues für das abgebrannte Schauspielhaus löste Schinkel ohne Verhüllung des sachlichen Zwecks und gab Berlin mit dem am 26. Mai 1821 durch einen Prolog Goethes eröffneten Hause den schönsten Theaterbau weithin, mit der stolzen Tempelsront und der
— 86 — einladenden Freitreppe unter dem erhöhten Bühnenbau, den ein von Friedrich Tieck (1776—1851, Bruder des Dichters) geschaffener Apoll auf dem Musen wagen krönt. Seine größte Aufgabe fiel Schinkel zu, als Friedrich Wilhelm III. für etwa 1200 Bilder und 160 antike Skulpuren aus seinen Schlössern und der von ihm erworbenen Sammlung des Engländers Solly einen Museumsbau am Lust garten unternahm. Seit 1828 steht dem Schlosse gegenüber dieser herrlichste Bau Berlins, die von achtzehn schlanken Säulen getragene Kunsthalle hoch über dem Schmuckplatz, der würdigste Vorhof zu der im Lause von hundert Jahren zu einem Forum Berliner Kunstschätze angewachsenen Museumsinsel. Wie oft pries Treitschke die Kraft und Anmut dieses Werkes, das auch durch die ragende Wucht des gegen überliegenden Schlosses nicht erdrückt werde; wie oft rühmte Herman Grimm den erhebenden Eindruck eines Wandelns unter dem Dach dieser Halle, die am Fuße von Schinkels leider durch das Wetter zerstörten Fresken eine Standbild galerie berlinischer Künstler von Schlüter (von Wiese) über Schinkel (von Tieck) bis zu Menzel (von Breuer) herbergt. Auch die Paulskirche auf dem Gesundbrunnen, der klassische Saal der Elisabethkirche in der Invaliden straße und der liebliche Bau der Johanniskirche in Alt-Moabit sind Schinkels Werk, sein Schüler August Stüler (1800—1865) fügte bei St. Johannis den einzeln stehenden Glockenturm und den Säulengang hinzu, er erbaute hinter dem Alten das Neue Museum mit den die Vorhalle dekorierenden Kaulbaschen Fresken und schuf sein Meisterwerk, als er über dem Eosanderschen Portal die Schloßkäpelle mit der ragenden Kuppel errichtete. Der jüngere Langhans (1781—1869) erneute nach einem Brande das Innere des Opern hauses im klassizistischen Stil und schuf das neben der Bibliothek gelegene einstöckige Palais für den Prinzen Wilhelm, den späteren Kaiser, mit seiner vornehmen Front, und der sich dem Straßenzug unauffällig eingliedernden Rampe. Diese von Schinkel tief beeinflußte Baukunst ward auch für den Berliner Privatmann vorbildlich. Das Haus Unterwasserstraße 5 ist dafür das schönste Zeugnis. Schinkels Schüler, der Stadtbaurat Langerhans schuf hier den eirunden Festsaal und das Juwel eines heiter geschlossenen Treppenhauses, das Karl Wilhelm Wach ausmalte. Aber auch sonst begegnen wir noch heute in Berlin den schlichten griechischen Giebelfeldern jener Zeit unter graden Simsen an zahl reichen Privathäusern von erfreulicher Geschlossenheit, besonders im Südwesten und Süden der Stadt zwischen dem Moritzplatz und dem Hafenplatz. Denn dies war bis über die Mitte des Jahrhunderts das nunmehrige Geheimratsviertel der Stadt, und noch der'einfache Tordurchbruch von der Alten Jakob- zur Simeons straße bezeugt den Stil der Zeit. In der südlichen Markgrafenstraße wohnte der volkstümlichste Arzt Berlins, der alte Heim, wie der Dichter Franz von Gaudy, in der südlichen Friedrichstraße hausten Chamisso, Hitzig, Kugler, Baeyer, dort starb im Hause Nr. 208 Ludwig Tieck. Am Enckeplatz wohnten Geibel und Prutz im selben Hause, in der Kochstraße die Eltern Lagardes und der Historiker Friedrich von Raumer, in der unteren Wilhelmstraße der Philosoph und Freiheitskämpfer Henrich Steffens, am Hafenplatz Diesterweg. Freilich begann in der Stadt, die 1820 das zweite, vor 1840 das dritte, bis 1850 das vierte Hunderttausend, 1861 die halbe Million Einwohner erreichte, nun auch jene Be bauung der Höfe mit Hinterhäusern ohne Luft und Licht, die Anlage jener Berliner
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Zimmer, deren klaglose Benutzung auch ein Zeichen der besonders in Rellstabs, Fontanes und Heyses Erinnerungen mit Recht gerühmten Anspruchslosigkeit der Berliner ist. Diese, den Raum kleinlich ausnützende Art der Bebauung erklärt es, daß sich die Zahl der Vorderhäuser von 1797 bis 1840 nur um rund tausend ver mehrte — dafür gab es nun bereits über 7000 bewohnte Hinterhäuser.
Rauch, Friedrich der Große.
Das Freiheitsmal hatte Schinkel gebaut, das Grabdenkmal der Königin Luise schuf Schadows Schüler Christian Daniel Rauch (1777—1857). In einen von Heinrich Gentz (1766—1811) errichteten Tempel ttn Charlotten burger Schloßpark stellte er den Sarkophag mit der im letzten Schlummer vollendeten Gestalt der Fürstin, ein Bild von so unsäglichem Reiz, daß jenes Kleistsche Wir sahn dich Anmut endlos niederregnen
noch einmal Wirklichkeit geworden schien. Später gesellte Ranch der Königin den Gemahl, er schmückte den Platz zwischen Oper und Wache Mit den Standbildern
— 88 — Blüchers, Gneisenaus, Yorcks, Scharnhorsts und Bülows, und nach einer Periode langer Erwartung konnte 1851 endlich sein Denkmal Friedrichs des Großen am Beginn der Linden enthüllt werden, eine stolze Verkörperung des preußischen Helden und seiner Zeit in sprechenden Gestalten, alles von dem reitenden König in Dreispitz und Krückstock überhöht, wie er in die Volksphantasie
Drake, Nike (Schlotzbrücke).
eingegangen war. Wie Schinkel, so machte auch Rauch in Berlin Schule. Fried rich Tieck schuf für den bezaubernden Konzertsaal des Schauspielhauses, den letzten Rest des nach 1900 durch Umbauten verschandelten Inneren, die Statue Jfflands, acht Schüler*) Rauchs zierten Schinkels Schloßbrücke mit antikischen Darstellungen des Kriegerlebens, und einer von ihnen, Friedrich Drake (1805— 1885), setzte in den Tiergarten das Denkmal Friedrich Wilhelms III., dem x) Drake, Herrn. Schrevelbern (1817-1867), Karl Möller (1803—1882), Gustav Bläser (1813-1874), Ludwig Wichmann (1784—1859), August Wredow (1804-1891), Albert Wolfs (1814—1892), Emil Wolff (1802-1879).
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später an der Luiseninsel Erdmann Enckes (1843—1896) Luisenmal gegenüber» trat; beide Bildwerke haben lebendig redende Sockelfriese. Auch die volkstümliche Löwengruppe am Eingang des Tiergartens ist das Werk eines Rauchschülers, Wilhelm Wolffs (1816—1887). Schinkels Denkmal von Drake steht auf dem Schinkelplatz vor der schlichten quadratischen Bauakademie des Meisters zwischen demjenigen Al brecht Thaers, Rauchs letztem, von Hugo Hagen vollendetem Werk, und dem von Peter Beuth (1781—1853). Auf diesem Monument von August Kiß (1802—1865) zeigen die Drakischen Sockelflachbilder die ganze Bedeutung des Mannes, der als Ministerialdirektor auf das Berlin vor 1850 kaum minderen Einfluß geübt hat als Schinkel. Da sieht man Beuth und Schinkel bei der Be sichtigung eines Teppichmusters (im Hintergründe erscheint Goethe), eine Mutter sitzt mit ihren Kindern vor dem neuen Lichtbildapparat von Daguerre, Alexan der von Humboldt betritt eine Druckerei, um die Korrekturen seines „Kosmos" zu lesen, eine Dame legt einen eben gewebten Stoff probierend um die Hüften, Arbeiter sind beim Eisenguß und am Zahnrad beschäftigt — sie tragen die Züge der Fabrikanten August Borsig, Friedrich Egells und Louis Schwartzkopff. All diese gewerbliche und kunstgewerbliche Tätigkeit versinnbildlicht die Arbeit von Beuth in ihrer unablässigen spornenden Förderung und mit ihr das aufsteigende Gewerbeleben Berlins. In der Königlichen Eisengießerei hatte Hein rich Krigar schon 1816 die Konstruktion des ersten Dampfwagens versucht — er hatte sich jedoch als unbrauchbar erwiesen. Nun kam der Zimmergeselle August Borsig (1804—1854) auf das von Beuth 1824 errichtete Gewerbeinstitut, trat dann in die Maschinenbauanstalt von Egells vor dem Oranienburger Tore und gründete 1837 in der Chausseestraße eine eigene Maschinenbauanstalt, die schon 1847 die größte Lokomotivfabrik Europas war. Der Norden Berlins bis zum Borsigschen Eisenwerk in Moabit hinüber begann eine Industriestadt zu werden. Er erhielt eine „Lunge" in dem 1840 zum Gedächtnis des großen Königs angelegten Friedrichshain. 1847 errichtete Werner Siemens (1816—1892) mit dem Mechaniker Johann Halske zusammen eine Telegraphenbauanstalt, die im folgenden Jahr zehnt das erste, von Siemens erfundene Tiefseekabel herstellte und 1867 die erste Dynamomaschine fabrizierte. Sie baute das norddeutsche Telegraphennetz aus und brachte die alten Winker-Telegraphen zum Verschwinden. 1839 wurde die Eisenbahnlinie von Berlin nach Potsdam eröffnet, 1840 die erste Fernbahn, die Anhalter, und rasch ging der Ausbau von anderen Linien, nach Stettin (1843) Hamburg, Magdeburg, Breslau (1846), Köln, Dresden (1848), München (1851), Frankfurt am Main und Danzig (1852) vor sich; 1857 wurde das Schlußstück der Berlin mit Königsberg verbindenden Ostbahn gelegt. Der erste allen technischen und künstlerischen Ansprüchen genügende Bahnhof, der Anhalter, entstand frei lich erst in den siebziger Jahren; das Empfangsgebäude war ein Werk Franz Schwechtens (1841—1924), die Glashalle konstruierte der als Dichter weitbe kannte Heinrich Seidel. Die französische Julirevolution von 1830 warf ihre Wellen auch nach Westen hinüber, aber die wachsende politische Erregung kam nur in der Literatur des jungen Deutschlands, in Berlin vor allem durch Gutzkow und Theodor
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Mundt, zum Ausdruck; sie äußerte sich innerhalb des immer noch behaglich bürgerlichen Lebens vor allem in den lebhaften Unterhaltungen bei Lutter und Wegner und in den zugleich als LesehallendienendenKonditoreien von Stehely, Spargnapani und Heureuse, von deren Leben der Maler und Tunnel bruder Theodor Hosemann (1807—1875) vergnügliche Bilder gegeben hat. Erst 1840, mit dem Regierungsantritt Friedrich Wilhelms IV., nach dem Tode des int Alter immer volkstümlicher gewordenen Vaters, begann die politische Erregung das Land und die Hauptstadt lebhafter zu durchdringen. Der neue König, mit frohen Erwartungen be grüßt, liebte Berlin, wollte sein gei stiges Leben und seinen künstlerischen Schmuck bereichern, er berief Ludwig Tieck, Felix Mendelssohn, den Komponisten Giacomo Meyerbeer in die Heimat, entbot den Maler Peter Cornelius, den in märkischen Reimen schalkhaften Meister August Kopisch, Schelling, Rückert, der Lagardes Lehrer wurde, in seine Hauptstadt — aber wie sein unruhiger Sinn an diesen Berufungen nicht viel Freude erlebte, so kam er auch mit seinem Volke und den Berlinern nach den ersten Jahren nicht zurecht. Dabei war er in seiner Ausdrucksweise ein richtiger Spreeathener, konnte mit Worten aus Louis Angelys „Fest der Handwerker" scherzen und hatte als Kronprinz mit dem stadtbekannten Original, der Madame Dutitre, ebenso seinen Spaß gehabt wie der alte König. Jetzt aber wehte schärfere Werner Siemens.
Luft, und das Bürgertum, hinter dem schon die ans ch wellenden Arbeitermass en drängten, heischte den von Friedrich Wilhelm III. verheißenen Anteil am Regiment, es wiederholte den alten Ruf der Freiheitskämpfer und Burschenschafter nach wirklicher deutscher Einheit. Wohl hatte der König Männern wie Arndt und Jahn die Acht vom Haupte genommen, aber sein romantisch-ständischer Sinn mochte die immer ungestümer verlangte Verfassung nicht gewähren, und der Vereinigte Landtag der Provinzen, der 1847 in Berlin zusammentrat, erschien schlechterdings nicht als eine Erfüllung des alten Versprechens für ein gereiftes Volk. Die Pariser Februar revolution und der Wiener Ausstand von 1848 brachten den Damm zum Reißen. Die Stadt war seit Tagen in höchster Unruhe, und schließlich vollzog der König, nachdem auch der Magistrat unter Führung des Oberbürgermeisters Krausnick dringend um Verfassung, Geschworenengerichte, Gleichstellung der religiösen
91 Bekenntnisse, Reform des Deutschen Bundes gebeten hatte, am 18. März einen Erlaß, der die Umwandlung Deutschlands in einen Bundesstaat, die Preßfreiheit und die Wiederberufung des Vereinigten Landtags zur Schöpfung einer Verfassung verhieß. Es war zu spät. Man hatte das Vertrauen in den König verloren und haßte das Mlitär, das Machtinstrument der absoluten Könige. Bei der Räumung des von begeisterten Massen erfüllten Schloßplatzes durch die Garde entluden sich zwei Gewehre, und es kam zu einem blutigen Bürgerkriege mit Barrikadenbau in der ganzen Innenstadt. Nach hartem Kampf hatten die Truppen in der Nacht ge siegt, aber der Oberbefehlshaber General von Prittwitz glaubte für nicht länger als drei Tage Sicherheit geben zu können. Tieferschüttert durch das Blutver gießen und in der Sorge, die deutsche Einheit, die er im Bunde mit den Fürsten heraufführen wollte, in nichts zerrinnen zu sehen, befahl der König den Abzug der Regimenter aus der Stadt und berief ein neues Ministerium; darin war auch als Unterrichtsminister der Schwiegersohn Schleiermachers, Graf Maximilian von Schwerin-Putzar, den Theodor Fontane, der damals in der Jungschen Apotheke am Mexanderplatz. angestellt war, mit hoffnungsvoll ausklingenden Versen begrüßte: Auch du, für heil'ge Rechte Ficht weiter, sonder Scheu: Treulos sind alle Knechte, Der Freie nur ist treu.
Am 21. März ritt der König unter einer schwarz-rot-goldenen deutschen Fahne die Linden entlang. Am 22. März wurden die 183 Gefallenen aller Stände, darunter mehrere Unbekannte, auf dem Gensdarmenmarkte aufgebahrt (Menzel hat den Vorgang gemalt) und alsdann feierlich zu Grabe gebracht. Die Minister, die städtischen Behörden, die Lehrer und Studenten der Universität unter dem Vor tritt des Rektors und Alexander von Humboldts, die Gewerke, die Schützengilde, folgten dem Evangelischen Bischof Neander, dem katholischen Propst und dem Rabbiner hinter den Särgen. Am Opernhause, wo der Domchor „Jesus meine Zuversicht" sang, und dem Schlosse vorüber ging es zum Friedrichshain, und hier wurden die Toten nach einer ergreifenden Grabrede des Pfarrers Adolf Sydow, eines Schleiermacher-Schülers, beerdigt. Zwei Tage später wurden, von der neugebildeten Bürgergarde, der Generalität, Invaliden und Maschinen arbeitern geleitet, die fünfzehn gefallenen Soldaten zum Jnvalidenpark ge führt und dort bestattet. Über ihren Gräbern erhebt sich eine Adlersäule, der Friedhof der Märzgefallenen erhielt erst nach siebzig Jahren ein schlichtes Portal. In die Deutsche Nationalversammlung in der Paulskirche zu Frankfurt am Main entsandten Berlin und seine Nachbarorte den neuen Minister Ludolf Camp hausen, für den alsbald der Professor Adolf Schmidt eintrat, den Ältesten der Kaufmannschaft Heinrich Carl, den Historiker Friedrich von Raumer, den Oberst Friedrich von Stavenhagen, den Verlagsbuchhändler Moritz Veit, den Dichter Wilhelm Jordan, den Privatgelehrten Carl Nauwerck, den Major Teichert und als Ersatzmann von Raumer den Führer der ostpreußischen Demokratie Johann Jacoby, der auch der in Berlin zusammentretenden Preußi schen Nationalversammlung angehörte.
— 92 — Diese geriet in der immer noch unruhigen, am 14. Juni durch einen Sturm auf das Zeughaus tief erregten Stadt alsbald in Konflikt mit der Regierung, und nach dem Rücktritt der Ministerpräsidenten David Hansemann und Ernst von Pfuel (des letzten lebenden Freundes Heinrich Kleists) beauftragte der König seinen Vetter, den Grafen von Brandenburg, einen Sohn Friedrich Wilhelms II., mit der Bildung einer neuen Regierung. Der später in Berlin sehr volkstümliche General Wrangel besetzte die Stadt, die Nationalversammlung wurde nach Brandenburg verlegt und dann aufgelöst, und am 5. Dezember eine Verfassung gegeben, die trotz mangelnder Vereinbarung mit dem Parlament un gefähr alle liberalen Wünsche erfüllte. Am 28. März 1849 hatte die Reichsversammlung in der Paulskirche, das an geistiger Wucht bedeutendste aller deutschen Parlamente, Friedrich Wilhelm zum Deutschen Kaiser gewählt. Selbst die hoch konservativen Mitglieder der neuen Zweiten Kammer, darunter Otto von Bismarck-Schön hausen und Hans von Kleist-Retzow, baten den König um Annahme der Würde; aber als am 3. April die Kaiserdeputation, Arndt in ihrer Mitte, unter Eduard Simson, zum Könige kam, lehnte er ab, er wollte keine Krone, die von der Volkssouveränität stammte, war sich zudem der eigenen, durch das furchtbare Jahr 1848 noch geschwächten Persönlichkeit bewußt und wurde durch den sich selbst als Kamarilla bezeichnenden Kreis um die Brüder von Gerlach, die Söhne des ersten Berliner Oberbürgermeisters, nach Adolf Menzel im Mter von 80 Jahren. dieser Richtung gedrängt. Der Einheitstraum war zerronnen. — Das schönste Bild des vormärzlichen Berlin, seiner Straßen und Bauten, hatte auf vielen Blättern Eduard Gärtner (1801—1877) gemalt, Franz Krüger (1797—1857) stellte die Stadt und ihre Menschen mit sicherem Griff und reicher Farbengebung dar, den König und den Prinzen von Preußen, die Gelehrten und Künstler, am lebhaftesten, wenn er alle Kreise Berlins auf den Paradebildern vom Forum Fridericianum vereinigte. Die härtere neue Zeit aber drückte sich bereits in der herberen Zeichnung Adolph Menzels (1815—1905) aus. Seine Illustrationen zu den Werken Friedrichs des Großen, seine Zeichnungen zu Franz Kuglers weitverbreiteter Lebensgeschichte des Königs, seine Bilder der Tafel runde von Sanssouci atmen einen körnigen, unverblendbaren Realismus, wie er ihn im Tunnel unter Gleichgestimmten lebendig empfand; und sein Genius suchte und fand auch schon die neu heranrückende Epoche, als er im Borsigschen Gießereisaal sein Eisenwalzwerk malte. Wohl waren die Maschinenbauer von Berlin gern gesehene Lustspielgestalten auf dem König städtischen und dem von dessen Leiter Franz Wallner gegründeten Wallner-Theater — aber der drohende Ernst der sozialen Frage hatte schon Bettina von Arnims „Dies Buch gehört dem König" durchklungen, er kam auch in der Zeit der nun herein brechenden, wiederum in Raabes Berliner „Chronik der Sperlingsgasse"
— 93 — sicher dargestellten zweiten Reaktion dem Bürgertum zum Bewußtsein. Der auf einem Bubenstück aufgebaute Prozeß gegen den vorbildlichen Volksführer, den Tribunalsrat Waldeck, war ein Fanal dieser verderblichen Politik. Und als Wilhelm I. mit der Übernahme der Regentschaft 1858 das Joch vom Nacken seines Volkes löste, fand sich alsbald in dem seit 1857 in Berlin ansässigen Jünger Hegels und Schüler Boeckhs Ferdinand Lassalle der Mann, der mit der Be gründung einer nationalen Arbeiterbewegung auf sozialistischer Grundlage die Wetterzeichen einer neuen Zeit ausdeutete. Wie der alte Berliner Witz auch in ernsten Zeiten seine Kunst „ridendo dicere verum“ flachend die Wahrheit zu sagen) bewahrte, lehrt die von Boeckh gepriesene, im Revolutionsjahr von dem Ver leger Albert Hofmann gegründete Wochen schrift Kladderadatsch. Die aristophanische Komödie hatte weder der dichtende Philosoph Otto Friedrich Gruppe mit seinem gegen die Hegelschüler gerichteten Stück „Die Winde", noch Robert Prutz mit der „Poli tischen Wochenstube" zum Erfolge führen können — im Kladderadatsch aber fanden sich Berliner Politik und Berliner Leben mit geist reicher Satire gespiegelt. Die Redakteure Dqvid Kalisch, Ernst Dohm und Rudolf Löwenstein, alle aus Breslau, und der Zeichner Wilhelm Scholz bürgerten eine Reihe von Typen wie Müller und Schulze in den Sprachgebrauch Berlins ein, und DavidKalisch (1820—1872) schuf für Wallner und seine Darsteller Carl Helmerding, Theodor Reusche, Ernestine Wegner eine lange Reihe handfester, derber, anstän diger und witziger Gesangspossen, deren Ge LaNalle. stalten inAdolfGlasbrenners gleichzeitigen dialogischen Flugblättern ihre Seitenstücke hatten. „Ganz naturwüchsig aus dem märkischen Sande aufgestiegen" nennt Treitschke diese Possendichtung — trotz immer vermehrten Zuzugs aus allen Teilen Deutschlands war die preußische Hauptstadt auch in diesem halben Jahr hundert der Dehnung, in dem sie 1861 ihre Grenzen bis zum Gesundbrunnen, zur Moabiter Nordgrenze, zum Tempelhofer Felde, zum Botanischen Garten bei Schöneberg wie zu dem 1841 gegründeten Zoologischen Garten bei Charlottenburg vorgeschoben hatte, sie selbst geblieben.
11. Neichshauptstaüt. Der Berliner Oberbürgermeister Sey del sagte in einer Rede bei feierlichem Anlaß einmal folgendes: „In dieser Hauptstadt des Landes nimmt der Staat mit seinen den Zwecken der Macht und der Herrschaft wie den großen Kulturzwecken
— 94 — gewidmeten Monumenten und Bauwerken einen immer breiteren Raum ein, oft genug das Wirken der Gemeinde durchkreuzend oder verdeckend, und zieht hier, wo sein Leben am kräftigsten pulsiert, immer gewaltiger auch die Geister von der Gemeinde ab in seine bewegteren Kreise." Dies Wort gilt im Grunde seit dem Aufstieg des Vaterlandes zu neuer Einheit und Macht für alle seine geschichtlich bedeutsamen Städte, selbst für die Hanse-
Blick von der Marienkirche auf Rathaus und Stadthaus.
städte, ja auch für die mittleren und kleineren Bundesstaaten: der große geschichtliche Prozeß vollzog sich je länger je mehr im preußischen und deutschen Gesamtrahmen, und die Geschichte der einzelnen Landesteile ward Verwaltungsgeschichte. Dazu kam die durch Freizügigkeit und ungeahnte Verkehrserleichterung, durch Presse und Vervielfältigungstechnik geförderte Angleichung der bis dahin schärfer ge schiedenen Kulturen der Landesteile und Provinzen. Auch die Kulturgeschichte Berlins wird immer stärker deutsche Kulturgeschichte schlechthin. Dreimal in acht Jahren sah Berlin seine jüngeren Söhne unter Moltkes Füh rung ins Feld ziehen, dreimal begrüßte die Stadt nach schweren Blutopfern die
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Heimkehrenden am festlich geschmückten Brandenburger Tor, auf dem alten Karree, das nun seit den Freiheitskriegen Pariser Platz hieß. Am Fuße.von Stracks Siegessäule*) zeigt ein Relief von Albert Wolff die am 16. Juni 1871 ein ziehenden Feldherrn und Führer inmitten der Truppen. Voran Bismarck, Moltke und Roon, hinter ihnen König Wilhelm, seit dem 18. Januar Deutscher Kaiser, Kronprinz Friedrich Wilhelm und Prinz' Friedrich Karl; ihnen gegenüber die Be grüßenden: Oberbürgermeister Seydel, Bürgermeister Duncker, Stadtverordneten vorsteher Kochhann und das schönste Mädchen Berlins, Jane Bläser, des Bildhauers Tochter, dem Kaiser den Kranz reichend. Der Verleger Franz Lipperheide hatte von Berlin aus deutsche Dichterstimmen als „Lieder zu Schutz und Trutz" hinaus gehen lassen; das treffende Wort des Willkommens traf jedesmal der Dichter, der auch in seiner Art alle drei Feldzüge und seine eigene französische Kriegsge fangenschaft beschrieb: Theodor Fontane. Und siehe da, zum dritten Mal Ziehen sie ein durch das große Portal; Der Kaiser vorauf, die Sonne scheint, Alles lacht und alles weint. Bunt gewürfelt, Preußen, Hessen, Bayern und Baden nicht zu vergessen, Sachsen, Schwaben, Jäger, Schützen, Pickelhauben und Helme und Mützen, Das Eiserne Kreuz ihre einzige Zier; Alles zerschossen, ihr ganzes Prahlen Nur ein Wettstreit in den Zahlen, In den Zahlen derer, die nicht hier.
Zum dritten Mal Ziehen sie ein durch das große Portal; Die Linden hinauf erdröhnt ihr Schritt, Preußen-Deutschland fühlt ihn mit.
Hunderttausende auf den Zehenspitzen! Vorüber wo Einarm und Stelzfuß sitzen, Jedem Stelzfuß bis in sein Bein von Holz, Fährt der alte Schlachtenstolz. Halt, Vor des großen Königs ernster Gestalt.
Bei dem Fritzen-Denkmal stehen sie wieder, Sie blicken hinauf, der Alte blickt nieder; Er neigt sich leise über den Bug: „Bon soir, messieurs, nun ist es genug."
Nach einem unaufhaltsamen Siegesläufe war der alte Einheitstraum der Väter durch Bismarcks Genius erfüllt und Berlin kaiserliche Hauptstadt geworden. Im Siegesjahre bezog die Städtische Verwaltung das neue, von Hermann Friedrich Waesemann (1813—1879) errichtete Rathaus. Es steht in der Königstraße an geschichtlicher Stelle, und der Name „Das rote Haus", den es alsbald durch den Volksmund empfing, bezeichnete seinen besonderen Charakter: der wuchtige, von einem Vierkant-Turme gekrönte, unverputzte Bau knüpfte an die märkische Über!) Vgl. Gustav Freytag, Der Preuße von 1813 vor der Siegessäule (Werke 15).
— 96 — lieferung der Backsteinverwendung an, wie sie in der nächsten Nachbarschaft Marienund Nikolaikirche zeigen. Vor jener erhebt sich seit 1895 ein Denkmal Luthers und der Reformation von Paul Otto (1846—1893), der auch Wilhelm Humboldts Monument vor der Universität schuf, und Robert Toberentz (1849-1895). Unter zwei hervorragenden Oberbürgermeistern, Karl Seydel (1812—1873) und Artur Hobrecht (1824—1912), hat die Stadt, deren Volkszahl 1877 die erste Million überschritt, eine lange Reihe technischer Aufgaben begonnen und bemeistert, die der Gesundheit, der Bildung, dem Verkehr einer sich mit immer steigender Raschheit mehrenden Bürgerschaft Genüge tun mochten. Durch die Ingenieure
Katakomben des Wasserwerks Müggelsee (Filteranlagen mit Sandschicht).
Gill und Beer wurden die von einer englischen Gesellschaft betriebenen kleinen Wasserwerke zu großen Anlagen umgebaut und erweitert, von der Müggel und dem Tegeler See das Wasser in die Berliner Haushaltungen, Betriebe, Grün flächen und Brunnen geleitet, deren Verbrauch allmählich von 67 auf 120 Liter täglich für den Kopf der Bevölkerung anstieg. Der Wasserleitung folgte die Ka nalisation, deren mit der Anlage großer Rieselfelder verbundener Bau durch den Stadtbaurat James Hobrecht (1825—1902) erfolgte. Im Friedrichshain ward das erste Städtische Krankenhaus errichtet, ein weitausladender Roh ziegelbau mit Terrakottenreliefs, dessen Schönheit der 1874 nach Berlin berufene Heinrich von Treitschke pries. Auf dem Gute Dalldorf erbaute die Stadt die erste Irrenanstalt. In allen diesen Angelegenheiten der Hygiene und Kranken versorgung war besonders der Stadtverordnete und spätere Ehrenbürger Rudolf Virchow (1821—1902), einer der größten Mediziner der nach 1870 eine Hochblüte
— 97 — erlebenden Universität, das treibende und fördernde Element. Im Nordosten der Stadt entstanden gedehnte Schlachthofanlagen, in allen Vierteln Markthallen. Die erste Pferdebahn durchquerte auf dem Wege nach Charlottenburg den Tiergarten, und im Jahre 1881 baute Werner Siemens in dem Vorort Lichter felde zwischen dem Bahnhof und der Kadettenanstalt die erste elektrische Bahn der Welt, der erst seit 1896 die Elektrisierung des Pferdebahnnetzes folgte.
Lietzensee-Park (Bogenschütze von Hugo Lederer).
Im höheren Schulwesen mußte Berlin vor allem der bis dahin arg vernach lässigten Mädchenbildung durch Errichtung neuer Anstalten sein Augenmerk zuwenden, für das Turnwesen ward in der Prinzenstraße die erste große Halle geschaffen und Eduard Angerstein unterstellt. Mit der Regulierung der Flüsse und der Erweiterung des Kanalnetzes wurde Berlin allmählich ein Hauptplatz der Binnenschiffahrt, schließlich neben Duisburg-Ruhrort und Hamburg der größte deutsche Binnenhafen — nach dem Humboldthafen am Hamburger Bahn hof, dem Urbanhafen im Südwesten, dem Nordhafen entstanden die von dem Stadtbaurat Krause geschaffenen, erst im 20. Jahrhundert in Betrieb genommeBerlin in Geschichte und Kunst. 7
— 98 — nett Anlagen des Osthafens bei Stralau, des Westhafens bei Plötzensee. Gas beleuchtung war zuerst 1826 durch eine englische Gesellschaft eingeführt worden, nun entstanden städtische Gaswerke, und 1883 rief der Ingenieur Emil Rathenau die Berliner Elektrizitätswerke ins Leben. Die alte Stadtmauer fiel, die in ihrem Zuge die Stadt querende Verbindungs eisenbahn stellte endlich ihre Fahrten ein, und im Jahre 1882 ward die von Ernst
Franz Lenbach, Bismarck.
Dircksen (seme Büste steht vor dem Bahnhof Friedrichstraße) erbaute Stadt bahn eröffnet, die das Weichbild von Osten nach Westen durchläuft und einen unmittelbaren Zugverkehr zwischen Ost- und Westeuropa ermöglicht; eine erste berlinische Fahrt auf ihr schildert humorvoll Julius Stinde in seiner „Familie Buchholz". Dem Friedrichshain folgte seit 1864 die Anlage des Treptower Parks und des Plänterwalds, 1869 zum Gedächtnis des 100. Geburtstages Alexander von Humboldts der erste Spatenstich zum Humboldthain beim Ge sundbrunnen; beide Gärten, der Treptower mit seinen weiten Rasenflächen und dem See, der nördliche nut fernem Rosenparterre und den schönen Gruppen seltener
— 99 — Bäume wurden von dem genialen Gartenkünstler Gustav Meyer angelegt — auch sein Gedächtnis hält ein Denkmal (von Manthe) in Treptow fest. Sein Nach folger Mächtig schuf aus dem sandlgen Kreuzberggelände unter Einbeziehung einer bisher in Privatbefitz befindlichen Schlucht den Viktoriapark. Während der Bürgermeister Georg Reicke die Parkdeputation leitete, ward diesem Park das mit alpinen Pflanzen besetzte Aufmarschgelände hinzugefügt und aus einer
U
St.-Michaelskirche.
Sandwüste des Nordens zu Schillers 100. Todestage der Schillerpark nut der ihn krönenden Aussichtsterrasse geschaffen. Durch Arend Buchholtz wurde eine besonders für berlinische Geschichte reich bedachte Stadtbibliothek eingerichtet, die Stadtarchivare Fidicin und Clauswitz machten die städtische Urkundensamm lung zu einer Fundgrube wichtiger Studien^), das Märkische Museum wuchs x) Neben ihnen haben sich um tue Geschichtsschreibung Berlins vor allem Friedrich Holtze, Eduard Beringuier und Paul Goldschmidt, um die Volkskunde Johannes Bolte und Hermann Kügler, um die Kunstgeschichte Hans Mackowsky, Max Esborn und Richard Borrmann verdient gemacht
— 100 unter der Oberleitung des Stadtrats Ernst Friedel und Reickes durch Otto Pniowers Forschertätigkeit zu einer reichen, wohlgeordneten kunstgeschichtlichen Sammlung heran, der Ludwig Hoffmann am Köllnischen Park ein in den Formen alter märkischer Bauten gehaltenes Heim schuf. Ein Pfandbriefinstitut diente der Erleichterung der Bautätigkeit — sein erster Syndikus war der Begründer der nationalliberalen Partei Eduard Lasker. Minder glücklich als auf den Gebieten der Technik, des Verkehrs und der Ge sundheitspflege waren Reich, Staat und Stadt auf dem der Baukunst und des Wohnungswesens. Wie eine unaufhaltsame Flut brach nach den glücklichen Kriegen die sog. Gründerzeit über Deutschland und Berlin herein. Die für damalige Begriffe riesige Kriegsentschädigung von vier Milliarden Goldmark befreite den Staat von der Aufnahme von Anleihen, und das wachsende Kapital suchte seine An lage nun zum Teil in schwindelhaften Unternehmungen, die mit verheerenden Zusammenbrüchen endeten. Der aus der Kolonie stammende Jurist Heinrich Erman hat in seinen Erinnerungen ein Bild dieser Berliner Gründertage gezeichnet und Friedrich Spielhagen (1829—1911) in seinem Roman „Sturm flut" die damalige Gefühlsverwirrung aller Stände mit fortreißender Kraft geschildert. Auch Julius Rodenberg (1831—1914), der in den siebziger Jahren die erste große berlinische Monatsschrift von deutschem Rang, die „Deutsche Rundschau", schuf, hat sowohl in seinen Alt- und Neu-Berlin liebenswürdig zeichnenden „Bildern aus dem Berliner Leben", wie in seiner Novelle „Klostermanns Grundstück" mit deutlicher Abneigung und Enttäuschung Gemälde dieser Epoche gegeben. Me Stadtviertel wie das Gelände zwischen der Spree und der alten Stadtmauer mußten niedergelegt, neue Straßen gezogen werden — aber das geschah ohne jede Schonung geschichtlich wertvollen Besitzes und ohne die Baugesinnung der Schinkelzeit. Die Passage zwischen der Behren straße und den Linden, die den Durchbruch der Kaiser-Wilhelm-Straße flankieren den Eckhäuser hinter der Kaiser-Wilhelm-Brücke sind Zeugnisse dieses auf prunkende Außenwirkung gerichteten Bauens. Die überladene Pracht der Ruhmeshalle im Zeughause unter Friedrich Geselschaps (1835—1898) schönen Fresken und Anton von Werners (1843—1915) Bilde der Kaiserproklamation sticht gegen Schinkels und Rauchs Denkmäler der Freiheitskriege unvorteilhaft ab. Dieses Bauen auf den Schein erstreckte sich bis weit in die nächsten Jahrzehnte. Der breite, Berlin mit dem Grünewald verbindende Kurfürstendamm, eine Anlage von John Booth, wurde mit protzig auf Scheinglanz hergerichteten Häusern mit unorganischer Fassade besetzt. Im öffentlichen Bauwesen ging man an eine Nach ahmung aller alten Stile, vor allem des romanischen und des gotischen, und zumal die neuen Kirchen wirken wie kunstgeschichtliche Belege ohne Eigenleben. August Sollers (1805—1853) kuppelgekrönte Michaelskirche am früheren Engelbecken und Friedrich Adlers (1827—1908) schöngerundete Thomas kirche am Mariannenplatz sind auf lange die letzten in sich vollendeten Berliner Gotteshäuser; neben ihnen tritt die unter Stülers Leitung nach Eduard Knob lauchs (1805—1865) Entwurf vollendete Synagoge in der Oranienburger Straße hervor. Julius Raschdorffs (1823—1914) nach vielen, immer wieder verworfe nen Plänen endlich an der Stelle von Boumanns Bau errichteter Dom stört mit der Unruhe seines Schmucks und der auf das Museum drückenden Höhe der Kuppel
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die Harmonie des Lustgartens. Am liebenswürdigsten und geschlossensten entfaltete sich die Bauweise der ersten Kaiserzelt im „Alten Westen", der stillen Gegend zwischen dem Westrande des Tiergartens und dem Kanal. Hier, wo in grünem Baumrund Fritz Schapers (1841—1919) edles Goethedenkmal mit dem von Fontane gepriesenen schönen Kopf steht, entstanden durch Baumeister wie Martin Gropius und Hermann Ende nebeü den älteren Landhäusern hübsche Villen und vornehme Straßenzüge. Hier, um die schlichte Matthäikirche herum, wohnten, zum Teil durch Jahrzehnte, Menzel und Virchow, Rodenberg und Her-
R. Begas, Der Krieg (Flachbild vom Nationaldenkmal Wilhelms I.).
man Grimm, Ernst Curtius, Heinrich von Treitschke, der Mathematiker Carl Weierstraß und der Maler Paul Meyerheim, die Literaturhistoriker Wilhelm Scherer und Erich Schmidt, Berthold Auerbach und Ernst von Wildenbruch, Georg Reicke, der Schauspieler Friedrich Haase, Reinhold Begas. Reinhold Begas (1831—1911), der Sohn des trefflichen Berliner Bildnis malers Karl Begas (1794—1854), war der repräsentative Bildhauer des kaiser lichen Berlins. Ein Patenkind Schadows und Rauchs, ein Schüler Rauchs und Wichmanns, schuf er für die Berliner Öffentlichkeit zuerst die bewegte Gruppe int Giebelfelde der von Friedrich Hitzig (1811—1881), dem Sohne des Schrift stellers, gebauten Börse. Das Schillerdenkmal vor dem Schauspielhause zeigt in seinem, zuerst als schroff empfundenen Realismus der Nebenfiguren die
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modernere Weiterbildung des Berliner Stils. SeineBorussia ist die schönste Zierde des Zeughauses, sein Alexander Humboldt vor der Universität eine würdige Verkörperung des größten Berliner Gelehrten. Begas volkstümlichstes Gebilde wurde der mit schalkhaften Meerungeheuern ausgestaltete Neptunbrunnen auf dem Schloßplatz, der sich in seiner Heiterkeit und Formrundung dem Raume vorzüglich eingliedert. Sein Altersgenosse Rudolf Siemering (1835—1905) schuf nut gleich liebenswürdigem Humor die Heilige Gertraudt, die Schutzheilige Köllns, auf der nach chr benannten Brücke, wie sie dem eine „geklemmte" Gans zwischen den Knien bergenden Stromer den erfrischenden Trunk reicht. Aber Siemering
Siemering, Graefedenkmal.
gab auch dem Krankenhausviertel in der Luisenstraße das ergreifende Denkmal des großen Augenarztes Albrecht von Graefe (1828—1870), tue männlich schöne Gestalt des Arztes in einer Rundnische zwischen zwei farbigen Terrakottareliefs: Blinde, Heilung suchend und geheckt. Siemerings ostpreußischer Landsmann Emil Hundrieser (1846—1911) stellte auf den Alexanderplatz die Berolina, ein kolossales derbes Weib mit der Mauerkrone, wie sie mit emem Lächeln ihre Mit bürger grüßt. Ihre ausgestreckte Hand weist m kein so weiträumig bebautes Gebiet wie den alten und den neuen Westen. Wohl wurden nach allen Richtungen die alten Chausseen zu breiten, bepflanzten Ausfallstraßen, aber durch die auf hochge schossige Häuser berechnete Bauordnung, die leider auch auf die näheren Vororte ausgedehnt wurde, entstand ein Wohnschachtelsystem von immer spürbarer wer dender Enge. Im Beginne des 20. Jahrhunderts gab es tn Berlin fast 42000, von 5 bis 13 Menschen bewohnte Wohnungen nut je einem einzigen heizbaren
— 103 Zimmer. Daß auch in einer Zeit industrieller Blüte, längst nach der Überwindung der ersten Rückschläge, so eine Quelle sozialer Gärung in Fluß gehalten wurde, liegt klar am Tage. Berlin wurde eine Stätte scharfer Gegensätze. Sie entluden sich im Jahre 1878 durch zwei Mordanschläge auf den alten Kaiser, so fest dieser auch allmählich in die Volksgunst hineingewachsen war, sie schwälten weiter unter der Decke des Sozialistengesetzes, das nicht geeignet war, eine große geistige Be wegung dauernd zu hemmen. Aus dem Bestreben zu ihrer Heilung erwuchsen die christlich-soziale Bewegung und die segensreiche Stadtmission des Pfarrers Adolf Stoecker, der von dem großen Nationalökonomen Adolph Wagner gegründete Evangelisch-soziale Kongreß, Friedrich Naumanns national-soziale Bewegung und Adolf Damaschkes, eines Berliner Volksschullehrers, Boden reformbewegung. Wie sehr der Berliner Arbeiter nach Licht und Luft verlangt, zeigen die mit rührendem Fleiß gehegten Laubenkolonien und Kleingärten auf jedem freien Flecke des Weichbildes. Die Wahlen zum Reichstage, der 1894 durch Paul Wallot (1841—1912) vor dem Brandenburger Tore ein neues, von goldener Kuppel gekröntes Haus erhielt, erwiesen den durch das Volk gehenden Zwiespalt immer wieder, die Führer der sozialdemokratischen Partei Wilhelm Liebknecht und Paul Singer erhielten im Norden und Osten der Stadt gewaltige Stimmen zahlen. Hobrechts Nachfolger wurde der Präsident des Reichstages, der liberale Führer Max von Forckenbeck (1821—1892). Unter ihm wie unter seinen Nachfolgern Robert Zelle und Martin Kirschner dehnten sich mit der anwachsenden Be völkerung — sie erreichte im Jahre 1905 die zweite Million — die Verwaltungs ausgaben des Gemeinwesens gewaltig. Und das Wachstum der Stadt gibt noch kein Bild der immer steigenden Menschenflut. Denn jetzt begannen die Nachbarund Vororte gleichfalls den Umwandlungsprozeß. Die Bewohnerschaft von Charlottenburg verdreißigfachte sich binnen 60 Jahren, das Dorf Schöneberg wuchs in der gleichen Zeit von 2000 Einwohnern zu einer Stadt von einer fünftel Million Menschen, überall verwischten sich die Grenzen, und wo eben noch Getreide- und Kartoffelfelder gewesen waren, erhoben sich Mieterkasernen. Ganze Dörfer, wie Martinikenfelde bei Charlottenburg, verschwanden bis auf den Namen, neue Orte, wie Halensee oder die Villenkolonien Westend und Grünewald, Nord end, Nieolassee, Südende, wuchsen aus dem Nichts. Vielbesuchte Sommer frischen wie Pankow, Schönholz und Reinickendorf rückten durch die Vorort bahnen an die Stadt heran, wurden mit Fabriken durchsetzt und wahrten mühsam kostbaren Park- und Waldbesitz. Das Leben in solch halbländlichem Vorort in den achtziger Jahren hat Heinrich Seidel (1842—1906) in seinen Vorstadtgeschich ten, vor allem in seinem „Leberecht Hühnchen", reizend geschildert. Er und seine Freunde, Julius Stinde, der Kladderadatsch-Redakteur Johannes Trojan, der liebenswürdige und wirkungsvolle Jugendschriftsteller Julius Lohmeyer, bemühten sich im Allgemeinen Deutschen Reimverein, einem letzten Ausläufer des Tunnels, alten Berliner Humor in das neue Berlin hinüber zuretten. Sogar der letzte Berliner Hegelianer, Adolf Lasson, und der um das Mädchenschulwesen hochverdiente Pädagog Stefan Waetzoldt saßen mit in der fröhlichen Runde. Die soziale Dünung der Zeit gab freilich das Motiv zu anderer Kunst. In dem 1883 von Adolph L'Arronge und August Förster begründeten
— 104 — Deutschen Theater in der Schumannstraße und auf der von Paul Schlenther und Otto Brahm ins Leben gerufenen Freien Bühne schritt das zum Teil in Berlin und seinen Vororten spielende soziale Drama Gerhart Hauptmanns (geb. 1862) zum Siege, und eine neue Darstellergeneration, Joseph Kainz, Else Lehmann, Emanuel Reicher, Rudolf Rittner, Albert Wasser mann voran, fand sich in den neuen naturalistischen Stil. Die genialen Radierungen von Käthe Kollwitz (geb. 1867), die Gemälde Hans Baluscheks (geb. 1870), die Zeichnungen Heinrich Zilles (geb. 1858), auch die Gedichte Georg Heyms (1887—1912), spiegelten das neue Volksleben mit seinen sozialen Spannungen; auch in Fontanes Altersromanen klangen die neuen'Motive schon vor. Das Haupt der neuen impressionistischen Malerei Max Liebermann (geb. 1847), daneben Max Slevogt (geb. 1868), Reinhold Lepsins (1857—1922), Rudolf Schulte im Hofe (1865—1928), Leo von König, Konrad von Kardorff malten die Männer der Zeit, Julius Jacob (geb. 1842), Franz Skarbina (1849—1910), Ulrich Hübner, Max Fabian Berlin. Am 9. März ging mit Kaiser Wilhelm dem Sitten das alte Preußen zu Rüste, und kaum drei Monate später war auch Kaiser Friedrich, der als Herrscher Berlin nur einmal betreten durfte, von heldenhaft getragenem Leiden erlöst. Das Leichenbegängnis Kaiser Wilhelms am 16. März hat Detlev von Liliencron in einer Ballade hinreißend verbildlicht, und Rudolf G. Binding aus eigener jugendlicher Anschauung dargestellt. „Das Trompeterkorps der Leibgardehusaren bog in der Ferne in die Trauerstraße ein. Ihre Trompeten erklangen in einer langgezogenen Fanfare. Es war von einer fürchterlichen Gewalt was da langsam auf der breiten Mittelallee der Linden durch die weitab gebannten schwarzen, schweigenden Mauern der Menschen dahinzog. Ich zitterte. Als der Wagen mit dem Sarg in die Höhe des Westflügels der Universität kam und vor den Fenstern vorüberfuhr, hinter denen auch ich saß, konnte sich keiner der Tränen erwehren. Ich sah hinüber, dem Wagen mit dem Blicke folgend. Da verfing sich dieser Blick in eine für niemanden merkliche Bewegung eines Vorhangs und in die Finger einer greisen Hand, die ihn bewegten. Einen langen lautlosen Augenblick, ausgespannt wie eine Ewigkeit, wurde dort hinter Blumen in der Tiefe des dicht verhangenen Eckfensters im Kaiserlichen Palais, an dem der Kaiser viele tausend Mal gestanden, das bleiche Angesicht der greisen Kaiserswitwe sichtbar — vielleicht für mich allein — das sich noch einmal an das Letzte mit den heißen alten Augen klammerte, ehe es ihnen entschwand . Hinter dem Kronprinzen ein Trauergefolge, so mächtig, wie es keinem Herrscher der Welt in diesem historischen Augenblicke hätte beschieden sein können. Es war die Welt, die ihn zu Grabe trug, nicht nur sem Volk Die Welt hatte ihren Friedens fürsten verloren."
Zwei Jahre später verließ Bismarck Berlin, um es nur noch einmal für kurze Stunden zu betreten, Moltke schied aus dem durch ihn geschichtlich gewordenen Generalstabsgebäude am Königsplatz — neue Zeit war gekommen. Langsam suchte und fand sie auch im Stadtbild ihren Ausdruck. Fabrikbauten von Peter Behrens (geb. 1868), Bürohäuser von Bruno Schmitz (1858—1916), Landhaus anlagen von Hermann Muthesius (1861- 1927), Mietsbauten von Albert Geßner (geb. 1868), besonders aber das Warenhaus Wertheim am Leipziger Platz von Alfred Messel (1853—1909), seme Landesversicherungsanstalt am Köllnischen Park wurden vorbildlich. Man gab die Nachahmung alter Stile auf, und mit einer leisen Wendung zu den reinen Formen der Schinkelzeit suchte man die Bauten aus ihrem Zwecke heraus zu entwickeln und ohne überladende
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Ornamentik mit großen Flächen und unverkleideter Gliederung zu gestalten. Alfred Grenander (geb. 1863) versuchte solches mit Glück an einigen Bahnhöfen der 1901 eröffneten und ihr Netz rasch dehnenden Hoch- und Untergrundbahn. Auch die Volksbühne von Oskar Kaufmann und das Schillertheater von Heilmann und Littmann zeigten die neue sachliche Baugesinnung. In der von Kaiser Wilhelm II. der Stadt geschenkten Siegesallee kam der neue Formwille noch nicht zum Ausdruck; unorganisch, ohne Verbindung und Gliederung steht die lange Reihe von 32 Denkmälern mit ihren 64 Nebenfiguren nebeneinander, und nur wenige, Brütts Otto der Faule, Ludwig Cauers (geb. 1866) Karl IV., Schapers
Warenhaus Wertheim.
Großer Kurfürst, Brütts Friedrich Wilhelm II., vor allem Begas' schlichter Alter Kaiser, treten einprägsam hervor. Adolf Brütt (geb. 1855) schuf eine bezwingende Statue Theodor Mommsens für den Vorgarten der Universität, und Louis Tuaillons (1862—1919) Amazone fand auf dem Floraplatze des Tiergartens in dem Raume entsprechender Vergrößerung einen schönen Standort. Der neue Baumeister der Stadt, Ludwig Hoffmann (geb. 1852), schmückte sie mit großen Zweckbauten wie dem um einen Park gruppierten Rudolf-Virchow-Krankenhaus im Norden, dem Stadthause mit seiner schönen Halle, dessen schlanker, ab gerundeter Turm der Innenstadt ein neües Wahrzeichen gab, dem Kinderheim in der Kürassierstraße neben dem Waldecks Denkmal (von Walger) bergenden kleinen Park. HosZwann schuf auch mit dem Bildhauer Ignatius Taschner (1871—1913) am Westausgang des Friedrichshains den Grimmsche Motive mit Anmut darstellenden Märchenbrunnen, eine stufenförmige Anlage, in der das Wasser breiten Schwalles zwischen den immer von spielenden Kindern umgebenen
— 106 — Gruppen niederrauscht. Der Humboldthain empfing einen dauernden Schmuck in einem Erzstier von Ernst Moritz Geyger (geb. 1861), im Treptower Park errichtete der Astronom Friedrich Archenhold eine jedermann zugängliche Sternwarte. Das an reizvollen Einzelheiten überreiche Nationaldenkmal Kaiser Wilhelms auf der ehemaligen Schloßfreiheit formte Reinhold Begas, die
Hoffmann und Taschner, Märchenbrunnen.
wachenden Löwen davor August Gaul (1869—1921). Das Monument kommt freilich auf dem für seinen Umfang immer noch zu schmalen Raume nicht voll zur Geltung. Auch Bismarcks Denkmal vor dem Reichstage ist Begas Werk. Neue Straßenzüge zum Grünewald, zur Havel hm wurden angelegt, Otto March (1845—1913) baute em gewaltiges, schöngestuftes Stadion für Leibesübungen auf die Höhe jenseits Westends, und als den Toten der Millionenstadt der Platz binnen der Grenzen zu eng ward, legte die Evangelische Stadtsynode den märchenhaft stillen Waldfriedhof bei Stahnsdorf südlich des Wannsees an. Kein Friedhof hätte Raum geboten die Totenopfer zu bergen, die Berlin in dem am 1. August 1914 ausgebrochenen Weltkrieg dem Vaterlande darzubrmgen
— 107 — hatte. Die steile Flamme begeisterter und gefaßter Hingebung loderte hier ebenso empor, allen Zwist verbrennend, wie überall im deutschen Bereiche. Mehr aber als irgendeine Siedelung Deutschlands hatte diese größte Stadt unter der Not und Ent behrung der Kriegsjahre zu leiden — auch davon zeugen die erschütternden Blätter der Käthe Kollwitz. Mit weitem Blick und unbeugsamer Energie ver suchte die städtische Verwaltung, der Oberbürgermeister Adolf Wermuth (1855— 1927) und Georg Reicke (1863—1923) an der Spitze, der sich immer höher türmenden Woge des Elends zu steuernr) — es war em herzzerreißendes Bild, am frühen Morgen ausgemergelte alte Frauen und noch nicht schulpflichtige Kinder
Stadion.
aus ungeheizten Zimmern, die Kartenabschnitte tn der frostroten Hand, zur Ein holung der dürftigen, auf jeden Kopf entfallenden Kohlen oder Nahrungsmittel schreiten zu sehen. Und so sank, neben den Hunderttausenden von Stadtsöhnen an den Fronten und auf den Meeren, daheim eine ungezählte Schar stiller Lebens kämpfer ins Grab. Aus einer Schulaula drang damals das Gedicht eines Ober tertianers, Reinhold Samuelsohn durch Deutschland; es schloß: Denn es gibt kein Wort für das Opfer zu danken, Und es gibt keinen Dank für die, die da sanken Für uns'
Aber selbst in dieser Zeit sandte der Berliner Humor nut alter Schlagkraft seine Gaben hinaus, und zwei Berliner Lieder wurden bis m die Schützengräben hinein 0 $gl Ernst Kaeber fStadtarchivdirektor), Berlin im Weltkrieg Berlin 192t, und die Uriegschronik der „Hilfe" von Friedrich Naumann und Gertrud Bäumer
— 108 — immer wieder gesungen: die Annemarie von Julius Freund und der „Ber liner Landsturm" von Hanns Brennert. Unter den zahlreichen Krieger denkmälern der Stadt ragen zwei durch schlichte Schönheit hervor: German Bestelmeyers Pfeilerbau im Kastanienwäldchen hinter der Universität und Eberhard Enckes trauernd wachender Krieger auf dem Denkstein der FranzGarde-Grenadiere in der Bärwaldstraße. Wie vom Kriege, so wurde Berlin auch von dem Zusammenbruch des Jahres 1918 zuerst am stärksten aufgewühlt. Hier, in der fünfhundertjährigen Hauptstadt der Hohenzollern, ward der zunächst kaum glaubhafte Umschwung, der
Onkel-Herse-Straße in Britz.
kampflose Verzicht der alten Gewalten, die das Schicksal nicht hatten meistern können, am hellsten sichtbar, am tiefsten fühlbar. Wie ganz Deutschland, so dankt auch Berlin der sicheren Klugheit und ruhigen Würde des ersten Volksbeauftragten und ersten Reichspräsidenten der durch die Verfassung vom 11. August 1919 konstituierten Republik, Friedrich Ebert (1871—1925), die Hinausführung aus schweren Bürgerkämpfen, von den Aufständen der durch Karl Liebknecht geführten Spartakus gruppe bis zu dem Putsch Wolfgang Kapps im März 1920. Existenzen und Werte vernichtend, ging nach dem brutalen Friedensschluß von Versailles, einer Bibel der Vergewaltigung und Lüge, die Inflation über die Hauptstadt und, schwere Wunden am Körper, arbeitete sie sich mit alter Zähigkeit langsam wieder empor. Ammer noch liegt der Fluch erzwungener Arbeitslosigkeit auf Tausenden von Arbeitswilligen, und fressende Wohnungsnot zehrt am Körper Berlins. Am 1. Oktober 1920 wurden auf Grund eines vom Preußischen Landtage beschlossenen Gesetzes Berlin und seine sieben Nachbarstädte mit 59 Landgemeinden
— 109 -■ und 27 Gutsbezirken zu der neuen Stadtgemeinde Berlin zusammengeschlossen. Der Oberbürgermeister Wermuth konnte das Werk noch durchführen, dann trat er zurück und der bisherige Kämmerer Paul Böß (geb. 1873) an seine Stelle. Die Einwohnerzahl der neuen, in 20 Bezirke geteilten Stadt beträgt mehr als vier Millionen, ihr Gebiet umfaßt 880 qkm, das heißt etwa die Größe der Insel Rügen, und Berlin ist damit die umfangreichste Stadt der Welt geworden. Von der Müggel bis zur Havel gedehnt, umfaßt sie neben den städtischen Bezirken noch stille Dorfteile mit Anger und Teich wie Buckow, neuer Baugesinnung entsprossene weiträumige Nachkriegssiedelungen wie das von Wagner und Bruno Taut errichtete farbig heitere Britz, sie umschließt mehr als dreißig größere Seeflächen und gegen fünfzig Parkanlagen, dazu große Forstgebiete des Grünewalds, der Jungfernhaide, der Potsdamer und Spandauer Forst und der Wuhlhaide. Und dennoch ist mit diesem neugezogenen Umkreise die unmit telbare Auswirkung des Gemein wesens noch nicht erschöpft. Städte wie Oranienburg, Bernau und Bie sental im Norden, Alt-Landsberg, Strausberg und Fürstenwalde im Osten, Königswusterhausen, Mitten walde, Zossen und Teltow im Süden sind Vororte des neuen Berlins und gehören wirtschaftlich und kulturell in sein Gebiet, selbst Potsdam liegt jetzt nur wenige Schritte von der Berliner Stadtgrenze. Diese binnen kaum einem hal ben Jahrtausend aus dem Kern Reichspräsident Ebert. von Berlin-Kölln hervorgewachsene Riesengemeinde ist nur dem ober flächlichen Blick ein unorganisches Gebilde. „Was uns den Namen gibt", hat einer ihrer besten Bürger, Walther Rathenau(1867—1922), dessen Ermordung die furchtbare Kriegsverstörung durch Haß und Lüge erwies, gesagt, „ist die Fabrikstadt, die im Westen niemand kennt, und die vielleicht die größte der Welt ist. Nach Norden, Süden und Osten streckt die Arbeiterstadt ihre schwarzen Polypenarme, sie umklammert den schmächtigen Westen mit Eisensehnen." Innerhalb dieser stählernen Bänder läßt sich jedoch der Zug der Berliner Geschichte und seine gewordene Gliederung noch wohl erkennen und äußert sich im Leben des Berliners. Den äußersten Rand kränzen, weit ausholend, Waldflächen und halbländliche Siedelungen. Näher der Mitte zu verengt sich die Freifläche, und mü Schloten und Hochbauten, wie dem gewaltigen Tegeler Gaswerk, tritt das Berliner Großgewerbe ms Bild, alsbald von hochgeschosslgen Wohnhäusern durchsetzt. Jeder der neuen Stadtteile hat seine belebte Hauptstraße, einzelne, wie Schöneberg, Fnedenau, Lichtenberg, ihre den Mittel-
— 110 punkt des einst selbständigen Gemeinwesens bezeichnenden Rathäuser. Das Leben und Treiben vervielfältigt sich in dem Hauptstraßenzuge, der heute wie vor Jahr hunderten der ost-westlichen Richtung folgt; nur hat er die Achse über das Pots damer Tor bis zum Kurfürstendamm verlängert.
Reichspräsident v. Hindenburq.
Um die Wilhelmstraße liegt das Regierungsviertel. Hier wohnt inmitten der Ministerien der Reichspräsident, seit 1925 Paul von Hindenburg (geb. 1847), der Führer m hundert siegreichen Schlachten, der Heimgeleiter der Armee in den neuen Staat. Em zweites Verwaltungsviertel hat, wie einst, zwischen der Langen Brücke und dem Alexanderplatze seine Statt: hier liegen Rathaus und Stadthaus, das größte Gerichtsgebäude und das Polizeipräsidium beieinander, auch das Podewüssche Palais birgt städtische Verwaltungsräume. Vom Schlosse her zieht sich nach Nordwesten eine ununterbrochene Straße der Wissenschaften und Künste. Das Schloß selbst beherbergt das von Julius Lessing aufgebaute
— 111 — Kunstgewerbemuseum, hinter Schinkels großem Bau dehnt sich die Museums insel mit der von Strack erbauten, von Hugo von Tschudi und Ludwig Justi reich vermehrten Nationalgalerie für die neuere Kunst, dem die kleinasiati schen Ausgrabungen Karl Humanns enthaltenden Pergamonmuseum und dem von Ernst Ihne (1848—1917) errichteten Kaiser-Friedrich-Museum, das die Sammlung seiner Gemälde und Skulpturen vom Mittelalter bis zum
Klinisch, Virchowdenkmal.
18. Jahrhundert in erster Reihe Wilhelm von Bode dankt. Das nach Alfred Messels Plänen von Ludwig Hoffmann vollendete Deutsche Museum wird die Bebauung der Insel beschließen. Auf dem nördlichen Spree-Ufer rechen sich Universitäts-Krankenhäuser und Institute an und setzen sich jenseits der Friedrichstraße bis zur Charite hin fort. In ihrer Mitte liegt die aus der Tier arzneischule hervorgegangene Hochschule, am Nordende der Luisenstraße runden die von Albrecht Thaer gegründete Landwirtschaftliche Hochschule, die Geo logische Landesanstalt und die naturwissenschaftlichen Museen den Kreis. Am Neuen Tor stehen die Denkmäler des großen Bakteriologen Robert
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Koch von Tuaillon und des großen Chemikers Emil Fischer von Fritz Klimsch (geb. 1870), der auch nahebei das Virchowdenkmal schuf. In gleich unmittelbarer Folge schließen sich in Charlottenburg jenseits des Zoologischen Gartens gelehrte, künstlerische und technische Anstalten aneinander: die Staatsschulen für freie und angewandte Kunst, die Hochschule für Musik, das Institut für Kirchen- und Schulmusik, das kostbare Ent würfe und Modelle bewahrende Rauch-Schinkel-Museum*), die von Richard Lucae (1829—1877), Hitzig und Raschdorffin Renaissance-Formen aufgeführte Technische Hochschule, die ihre Entstehung dem Zusammenschluß von Gewerbe-
Graf, Werkschluß bei Siemens.
Institut und Bauakademie im Jahre 1879 verdankt. Jenseits der Charlottenburger Hauptader, der Berliner Straße, folgt die durch eine Schenkung von Werner Siemens nach seinen Anregungen begründete Physikalisch-technische Reichs anstalt, deren erster Präsident der größte Physiker der Zeit Hermann Helm holtz (1821—1894) war. Das Arbeiter-Wohlfahrts-Museum, eine sachliche Darstellung der durch den Arbeiterschutz allmählich geschaffenen Unfallverhütungs mittel, liegt in unmittelbarer Nähe. Ein drittes Forum der Wissenschaft wurde nach Plänen des wissenschaftlichen Organisators Friedrich Althoff auf dem Gebiete des ehemaligen Staatsguts Dahlem geschaffen. Hier, in der Nähe der gotischen Dorfkirche, liegen die Pflan zungen und Gewächshäuser des neuen Botanischen Gartens und die zahlreichen Forschungsanstalten der von Wilhelm II. 1910 nach Entwürfen Adolf Harx) Es wird in das Prmzessmnenpalcns übergeführt werden
— 113 — nacks und Walther Rathenaus begründeten Kaiser-Wilhelm-Gesellschaft. Andere Vororte erhalten ihr Gepräge durch eine bestimmte Industrie, so Tegel durch die Borsigschen Werke, die ein Turmhaus von Eugen Schmohl überhöht, Siemensstadt durch bte Anlagen der Siemensfirmen, Oberschöneweide durch die Allgemeine Elektricitätsgesellschaft, deren Stadthaus am Friedrich-Karl-Ufer Messel gebaut hat. In Rummelsburg errichtete der große Ingenieur Georg Klingenberg das nach ihm benannte riesenhafte Kraftwerk. Spindlersfeld bei Köpenick verdankt Entstehung und Name der größten Berliner Färberei, Baumschulenweg bei Treptow den 200jährigen Spaethschen Baumschulen.
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Potsdamer Platz.
Auch im Innern der Stadt herrscht heute noch eine gewisse Gliederung der Gewerbe. Im Zuge der Behren- und Jägerstraße erstreckt sich das Bankenviertel; hier stehen Reichsbank, Seehandlung, Reichskreditanstalt und die sechs größten deutschen Privatbanken nebeneinander. Zwischen dem Hausvogteiplatz und dem Neuen Markt haben sich die Textilindustrie und der Stoff- und Pelzhandel ausgebreitet. Die Ritterstraße und ihre Quergassen sind Haus für Haus bis unters Dach mit Exportmusterlägern besetzt. Die Zimmer- und Kochstraße enthalten die größten Zeitungsbetriebe, und in der südlichen Friedrichstraße ist neuerdings die Film industrie ebenso daheim, wie von altersher das Speditionsgewerbe in der Prenzlauer Straße. Ein ganz neues, moderne Bauformen aufweisendes Industrie viertel ist jüngst südlich des auf dem Tempelhofer Felde liegenden Flughafens entstanden; es breitet sich bis über den Dahme und Havel verbindenden Teltowkanal. Trotz der Todesernte von Krieg und Inflation und trotz ununterbrochenem Geburtenrückgang ist Berlin gewachsen und wächst weiter. Nach Versailles fiel Berlin in Geschichte und Kunst. 8
114 — ihm die schwere Aufgabe zu, viele Zehntausende aus den uns abgezwungenen ostdeutschen Gebieten verdrängter und abgewanderter Volksgenossen einzubürgern. Auch das wird mitten im Druck der Zeit einer Bürgerschaft gelingen, die im ge schichtlichen Ablauf immer wieder die Zugezogenen mit den Einheimischen zu Berlinern verschmolz. Der Berliner Dichter Ernst Lissauer nennt einmal die blumengeschmückten Balkons der vaterstädtischen Arbeiterhäuser „Land der land losen Leute." Dieser bildhafte Ausdruck gilt von der großen Mehrzahl unter den hier versammelten Millionen. Aber immer wieder haben die einander ablösenden
Freibad Wannsee.
Geschlechter die Landlosigkeit überwunden, indem sie dies Berlin zu ihrer Stadt machten. Und was der frühverstorbene Dichter Ernst Schur (1876—1912) der Heimatstadt nachrühmte, gilt weithin für alle ihre Bürger: Die kennen dich nicht, Die der Zufall hierherführt, Wie der achtlose Wind ein Blatt verweht. Denen du Wunden schlugst Tief in ihre Seele — Die erkennen dich: Werkmeister ihrer Seele
Und tausend und mehr als tausend Herzen Nennen dich, Auch dich Mit bebender Lippe: Heimat.
Beilagen. 1. Die Bevölkerung Berlins. . 1450 1550 1640 1688 1701 1713 1740 1756 1763 1786 1800 1815 1840 1850 1861 1870 1877 1880 1884 1890 1900 1905 1910 1925
.........................
7000 14000 7000 17000 23000 61000 90000 126000 98000
Waldemar Heinrich Ludwig 1 Ludwig II Otto der Faule Karl IV Sigismund (Jobst von Mähren Friedrich 1 Friedrich II Albrecht Achilles 147000 Johann Cicero 173000 Joachim 1 191000 Joachim II 328000 Johann Georg 454000 Joachim Friedrich 500000 Johann Sigismund 826000 Georg Wilhelm 1000000 Friedrich Wilhelm 1123000 Friedrich III 1263000
1308—1319 1319—1320 1324—1351 1351—1365 1365—1373 1373—1378 1378—1415 1388—1411) 1411—1440 1440—1470 1470—1486 1486—1499 1499—1535 1535—1571 1571—1598 1598—1608 1608—1619 1619—1640 1640—1688 1688—1701
1578000 4. Könige von Preußen und Deutsche Kaiser. 1889000 20400001) Friedrich I. (vormals Fried 1701—1713 2071000 rich III.) 4024000 Friedrich Wilhelm 1 1713-1740 Friedrich II 1740—1786 2. Die größten früheren Nachbarstädte. Friedrich Wilhelm II 1786-1797 Friedrich Wilhelm III 1797—1840 1860 1925 Friedrich Wilhelm IV 1840—1861 346000 Charlottenburg. . . . . . 12000 Wilhelm 1 1861—1888 185000 Schöneberg .... . . . 2000 Friedrich III 9. 3.—15. 6.1888 271000 Neukölln................. . . . 4450 Wilhelm II 1888—1918 152000 Wilmersdorf.... . . . 1150 152000 Lichtenberg .... . . . 2600
5. Reichspräsidenten der Deutschen Republik. 3. Markgrafen und Kurfürsten von Branden Friedrich Ebert 1919—1925 burg. Paul von Hindenburg .... seit 1925
Albrecht 1 Otto 1 Otto II Albrecht II Johann I. und Otto III. Johann II Otto IV
. . .
1134—1170 1170—1184 1184—1205 1205—1220 1220—1267 1267—1281 1267—1308
3) Von dieser Einwohnerzahl waren 40% in Berlin geboren, 18% in der Mark, 32% in den preußischen Ostprovinzen, 2,5% in den preußischen Westprovinzen, 4% in den nord deutschen, 1,2% in den süddeutschen Bundes staaten, 1,2% in Österreich-Ungarn, 1,1% im übrigen Auslande.
6 Die Oberbürgermeister von Berlin seit 1809. Leopold von Gerlach Johann Stephan Gottfried Büsching Friedrich von Bärensprung . . Wilhelm Krausnick Karl Theodor Seydel .... Artur Hobrecht Max von Forckenbeck Robert Zelle Martin Kirschner Adolf Wermuth Paul Böß
1809—1813
1814—1832 1832—1834 1834—1862 1862—1872 1872—1878 1878—1892 1892—1898 1899—1912 1912—1920 seit 1921 8*
— 116 — 7. Die durch daS Gesetz vom 27. April 1920 zur Stadt Berlin vereinigten Städte, Landgemeinden, Guts- und Forstbezirke. Berlin, Spandau, Köpenick, Charlottenburg, Schöneberg, Neukölln, Wilmersdorf, Lichten berg, Plötzensee, Staaken, Tiefwerder, Pichelsdorf, Heerstraße, Gatow, Cladow, Pichelswerder, Grünewald, Schmargendorf, Zehlendorf, Nicolassee, Wannsee, Dahlem, Klein-Glienicke, Pfauen insel, Friedenau, Steglitz, Lichterfelde, Südende, Lankwitz, Tempelhof, Mariendorf, Marienfelde, Lichtenrade, Buckow, Britz, Rudow, Treptow, Oberschöneweide, Niederschöneweide, Johannis thal, Adlershof, Alt-Glienicke, Friedrichshagen, Rahnsdorf, Müggelheim, Bohnsdorf,. Schmöck witz, Grünau, Friedrichsfelde, Biesdorf, Kaulsdorf, Mahlsdorf, Marzahn, Hellersdorf, Weißensee, Malchow, Wartenberg, Falkenberg, Hohenschönhausen, Pankow, Niederschönhausen, Rosenthal, Blankenfelde, Buchholz, Buch, Karow, Blankenburg, Heinersdorf, Reinickendorf, Tegel, Lübars, Hermsdorf, Heiligensee, Tegel-Schloß, Wittenau, Frohnau, Jungfernheide, Grünewald-Forst, Potsdamer Forst, Wuhlheide, Köpenicker Forst, Grünau-Dahmer Forst, Tegel-Forst, SpandauZitadelle. 8. Berliner Grabstätten.
(Die Ziffern bedeuten die Todesjahre, eingeklammerte Namen die Schöpfer der Grabdenkmäler.) Nikolaikirche: Lamb. Distelmeyer, Kanzler 1588, Samuel Pufendorf 1694. Außenwand der Nikolaikirche: Phil. Jak. Spener 1705, Joh. Joach. Spalding, Propst 1804. Marienkirche: Otto Graf Sparr, Feldmarschall 1668. Klosterkirche: Samuel Rodegast, Klosterrektor und Dichter 1708. Dom: Kurfürst Johann Cicero (Vischer) 1499, Kurfürst Friedr. Wilhelm 1688, Kurfürstin Dorothea 1689, Königin Sophie Charlotte (Schlüter) 1705, König Friedrich I. (Schlüter) 1713. Bismarck denkmal (R. Begas), Sarkophag für Kaiser Friedrich (R. ^egciS)1). An der Dorotheenstädt. Kirche: Anna Dorothea Therbusch, Malerin 1782. Basilika der Hedwigskirche: Wilhelmine Gräfin Lichtenau 1820, Friedr. Karl v Savigny, Rechtsforscher und Minister 1861, Kunigunde v. Savigny geb. Brentano. Dorotheenstädt. Friedhof, Chausseestr.: Fichte 1814, Karl Solger, Ästhetiker 1819, Karl Buttmann, Philolog 1829, Amalie v. Helvig-Jmhoff, Dichterin, Hegel 1831, Carl Maaßen, Minister 1834, Chr. Wilh. Hufeland, Arzt 1836, Ed. Gans, Rechtsphilosoph 1839, Schinkel (Schinkel) 1841, Jul. Ed. Hitzig, Schriftsteller 1849, Schadow (Kähler) 1850, Beuth 1853, Aug. Borsig, Fabrikant (Schadow) 1854, Chr. Dan. Rauch, Franz Krüger, Maler 1857, Aug. Stüler, Baumeister (Strack) 1865, Herm. Schievelbein, Bildhauer, Aug. Boeckh, Philolog 1867, Gust. Magnus, Physiker 1870, Ed. Magnus, Maler, Heinr. Abeken, Mitarbeiter Bis marcks 1872, Gust. Blaeser, Bildhauer 1874, Heinr. Strack, Baumeister 1880, Friedr. Hitzig, Baumeister 1881, Wilh. Meyerheim, Maler 1882, Carl Bitter, Minister 1885, Aug. Wilh. v. Hofmann, Chemiker 1892, Rud. v. Delbrück, Minister 1903, Bernh. Fränkel, Arzt 1911, Louis Schwartzkopff, Fabrikant. Dorotheenstädtischer Kirchhof, Liesenstr : Ernst Renz, Zirkusdirektor 1892, Walter RobertTornow, Schriftsteller 1895, Jul Raschdorff, Baumeister 1914. Sophienkirchhos, Sophienstr.: Anna Louise Karsch, Dichterin 1791, Karl Wilh. Ramler, Dichter 1798, Zelter 1832, Leop. v. Ranke 1886. Sophienkirchhos Bergstr. (vgl. I. Rodenberg, Bilder II.): Wilh. Bach, Hofmusikus, letzter Enkel I. S. Bachs 1845, Johanna Hindersin geb. Stegen, das Heldenmädchen von Lüneburg 1842, Alb. Lortzing, Komponist (Grabschrift vgl. Raabe, Chronik, S. 25) 1851, Herm. Friedr. Waesemann, Baumeister 1879, Carl Bechstein, Klavierfabrikant 1900. Petrikirchhof, Friedensstr.: Dan. Amadeus Neander, Evang. Bischof 1869, Otto Göritz, Schulmann und Stifter der Lübeck-Göritz-Bibliothek 1921 Nicolai- und Marienkirchhof, Prenzlauer Tor: Bernh. Rode, Maler 1797, Joachim Bellermann, Schulmann 1842, Friedr v Hinckeldey, Polizeipräsident 1856, Ludwig Jonas, Theolog, Karl Ritter, Geograph 1859, Friedr. Bellermann, Schulmann 1874, Max v Forckenbeck, Oberbürgermeister und Reichstagspräsident 1892, Robert Toberentz, Bildhauer 1895. Domfriedhof Müllerstr.: Rich. Lepsius, Ägyptolog 1884, Rud. Kögel, Theolog 1896, Alb. Becker, Komponist 1899, Wilh. Faber, Theolog 1916, Ernst v Dryander, Theolog 1922. x) Die zweite Ausführung dieses Sarkophags befindet sich in der Potsdamer Friedenskirche, über der Gruft des Kaisers.
— 117 — Domsriedhos Liesenstr.: Wilh. Stolze, Stenograph 1867, Bernh. Jrrgang, Musiker 1916. Friedhöfe der Jerusalems-, Neuen, Dreisaltigkeits-, Böhmischen, Herrnhuter Kirchen, Belle Alliancestr (vgl. H. Seidel, Daniel Siebenstern): Dichter und Schrift steller: Karl Friedr. Becker (Historiker) 1806, E. T. A. (W.) Hoffmann 1822, Chamisso 1838, Fr. Aug. v. Stägemann 1840, Ernst Raup ach 1852, Karl Aug. Barnhagen v. Ense 1858, Theod. Mügge 1861, Ad. Glasbrenner 1876, Rud. Löwenstein 1891, Seb. Hensel 1898, Rich. Schmidt-Cabanis 1903. — I. C. W.'Moehsen, Leibarzt Friedr. d. Gr. und Historiker; Rahel 1833, Ernst Ludw. Heim, Arzt 1834, Abraham Mendelssohn Bartholdy, Stadtrat 1835, Henriette Herz, Felix Mendelssohn Bartholdy, Fanny Hensel geb Mendelssohn Bar tholdy 1847, Aug. Neander, Theolog 1850, Joh. Evangelista Goßner, Theolog 1858, Wilh. Hensel, Maler 1861, Heinr. Barth, Afrikaforscher 1865, Ad. Lette, Staatsmann 1868, Albr. v. Graefe, Augenarzt, Carl Twesten, Politiker 1870, Aug. Twesten, Theolog 1876, Rob. Wilms, Chirurg, Alb. Hofmann, Verleger 1880, Ad. Sydow, Theolog 1882, Franz Duncker, Ver leger und Politiker 1888, Adalbert Delbrück, Bankier 1890, Wilh. Taubert, Tondichter 1891, Paulus Cassel, Theolog 1892, Heinr. v. Stephan, Organis. d. Reichspost (Uphues) 1897, Ed. v. Simson, Staatsmann 1899, Max Koner, Maler 1900, Ad. Gussexow, Arzt 1906, Herrn, v. Soden, Theolog 1914, Arth. v. Auwers, Astronom 1915, Ad. Wagner, National ökonom (Paczka-Wagner) 1917, Herm. Lisco, Staatssekretär 1923. Bühnenkünstler: Joh. Friedr. Fleck 1801, Aug. Wilh. Jffland 1814, Friederike Bethmann-Unzelmann 1815, Auguste Crelinger 1865, Theod. Döring 1878, Gust. Berndal 1885, Minona Frieb-Blumauer 1886, Bilma Boggenhuber-Krolop 1888, Franz Krolop 1897, Carl Helmerding 1899, Theod. Liedtke 1902, Theod. Reichmann 1903, Georg Engels 1907, Friedr Haase 1911, Aug. Junker mann 1915, Anna Schramm 1916, Paul Knüpfer 1920, Bernh. Naunyn, Arzt 1927. Dreifaltigkeitskirchhof, Bergmannstr.r Friedr. Schleiermacher (Rauch) 1834, Karl Frh. Stein zum Altenstein, Minister, Carl Blechen, Maler 1840, Georg Reimer, Verleger und Stadtrat 1842, Charlotte v. Kalb, Schillers Freundin 1843, Henrich Steffens, Philosoph 1845, Phil. Marheineke, Theolog 1846, Karl Lachmann, Philolog 1851, Ludw. Tieck, Dichter 1853, Karl Wilh. Ludw. Heyse, Sprachforscher 1855, Carl Friccius, Landwehrführer, Aug. Kopisch, Dichter, Joh. Albr. Friedr. Eichhorn, Minister 1856, Franz Bopp, Sprachforscher 1867, Friedr. v Raumer, Historiker 1873, Moriz Haupt, Germanist 1874, Ferd. Ranke, Schul mann, Georg Heinr. Pertz, Historiker 1876, Martin Gropius, Architekt (Siemering) 1880, Alb. Lindner, Dichter 1888, Karl Boetticher, Architekt (Boetticher) 1889, Joh. Georg Halske, Fabrikant und Stadtrat 1895, Waldemar Bargiel, Komponist, Marie Seebach, Schauspielerin (Bernewitz) 1897, Wilh. Hauchecorne, Geolog (Heinemann) 1900, Theod. Mommsen, Histo riker 1903, Ad. v. Menzel (R. Begas) 1905, Ad. Stoecker, Theolog (Pfannschmidt) 1909, Albert Traeger, Politiker und Dichter (Schott) 1912, Alb. Orth, Agronom 1915.
Friedhof der Jerusalems- und Neuen Kirche, Bergmannstr: Charl. Birch-Pfeiffer, Schriftstellerin 1868, Kurd von Schlözer, Diplomat 1894, Erich Schmidt, Literarhistoriker 1914. Luisenstädtischer Friedhof, Sebastianstr : Chr Friedr. Nicolai 1811. Luisenstädtischer, Bergmannstr.: Karl Friedr. v. Klöden, Schulmann und Historiker 1856, Heinr. Kochhann, Stadtverordnetenvorsteher 1890, Ed. Angerstein, Turner 1896, Hans Brendicke, Turner und Stadthistoriker 1925. Friedrichswerderscher Friedhof, Bergmannstr : Joh. Friedr Dieffenbach, Chirurg 1847, Mor Romberg, Arzt 1873, Marc Anton Niendorf, Dichter 1878, Ed. Grell, Komponist 1886. St Georgen, Landsberger Allee: Friedr. Büsching, Geograph 1793. St Georgen, Greifswalder Str : Franz Wallner, Theaterdir 1876, Adolf Lasson, Philosoph 1917 St Matthäi, Großgörschenstr : Staatsmirnster: David Hansemann 1864, Alfr v. Auers wald 1870, Aug. v Bernuth 1889, Heinr v Friedberg 1895, Otto v Camphausen 1896, Alb v. Maybach 1904, Herm. v. Schelling 1908. Gelehrte: Wilh. Grimm 1859, Frd Jul. Stahl 1861, Jac Grimm 1863, Karl Müllenhoff 1883, Frdr v Frerichs 1885, Georg Waitz, Wilh Scherer 1886, Bernh. v Langenbeck 1887, Georg Beseler 1888, Paul du Bois-Reymond 1889, Viktor Hehn 1890, Ludw v. Roenne, Leop. Kronecker 1891, Aug. Dillmann 1894, Heinr v Sybel, Rud. Gneist 1895, Ernst Curtius, Heinr. v Treitschke 1896, Carl Wein-
— 118 hold, Herman Grimm 1901, Rud Buchow 1902, Ferdinand v Richthosen, Ad Bastian 1905, Fnedr Paulsen, Ad Kirchhoff 1908, Aug. Meißen 1910, Rob v Olshausen, Heinr. Brunner 1915, Alb Eulenburg 1917, Paul Kleinert 1920 Schulmänner- Ad. Diesterweg 1866, Ed. Cauer 1881, Herm. Bomtz 1888. Verleger Paul Parey 1900, Wilh. Hertz 1901, Frz. v Lipperheide 1906 Bildhauer Aug. Ki'ß 1865, Frz Drake 1882, Wilh. Wolff 1887 Maler Gustav Richter 1884, Carl Psannschmidt 1887, Carl Becker 1900, Ismael Gentz 1914. Schriftsteller Franz Kugler 1858, David Kalisch 1872, Ernst Dohm 1883, Alex v Roberts 1896 — Karl Seydel, Oberbürgermeister 1873, Rich Lucae, Baumeister 1877, Wilh. Loewe-Calbe, letzter Präs d Franks Parlam. 1886, Karl Büchse!, Theolog 1889, Const. Rößler, Publizist 1896, Martin Plüddemann, Komponist 1897, Wilh. Wehrenpfenmg, Politiker 1900, Ad v Hansemann, Bankier 1903, Frd. v Hefner-Alteneck, Erf d. elektr Bogenlampe 1904, Rob Hausmann, Musiker, Alfred Messel (Schmohl), Baumeister 1909, Fel. v Bendemann, Admiral 1915, Johs Kämpf, Reichstagspräsident 1918, Mmna Cauer, Führerin d Frauenbewegung (Kroner) 1922, Xaver Scharwenka, Musiker 1924. Zwölf-Apostel-Kirchhof, Kolonnenstr ' Bernhard Ernst v Bülow, Staatsminister 1879, Karl Wilh Nitzsch, Historiker 1880, Joh Gust Droysen, Historiker 1884, Frdr. Kiel, Komponist 1885, Max Duncker, Historiker (Wohlgeboren) 1886, Ernst Beynch, Geolog 1896, Carl Scheibler, Chemiker 1899, Ernst Ludw Herrfurth, Staatsminister 1900, Alfr Pernice, Rechtsforscher 1901, Ernst Wichert, Dichter 1902, Karl Hemr v Boetticher, Staatsminister 1907, Rud Genee, Schriftsteller, Carl Michaelis, Stadtschulrat 1914, Friedr Naumann, Theolog und Staatsmann 1919 Französischer Friedhof, Chausseestr (vgl I Rodenberg, Die Grandidiers) - Marie Anne Dutitre nee George, Berl Original 1827, Frdr Ancülon, Minister (Inschrift v Felix du BoisReymond) 1837, Ludw. Devrient, Schauspieler 1832, Pierre Loms Ravene, Kaufmann (Blaeser) 1861, Karl Bonnell, Schulmann 1877, Karl Stefseck, Maler (Reusch) 1890, Charles L Michelet, Philosoph 1893, Enul du Bois-Reymond, Physiolog 1896. Französischer, Liesenstr Leop Arends, Stenograph 1882, Theodor Fontane 1898, Paul Michelet, Stadtverordnetenvorsteher 1926 Katholischer Friedhof, Liesenstr Anna Milder-Hauptmann, Sängerm, Beethovens 1 Fi delio 1838, Carl Seydelmann, Schauspieler 1843, Karl Begas, Maler 1854, Johs Mueller, Physiolog 1858, Peter v Cornelius, Maler 1867, Benedikt Leo Waldeck, Politiker 1870, Ignaz v Olfers, Museumsdirektor 1872, Peter Reichensperger, Politiker 1892, Karl Weier straß, Mathematiker 1897, Paul Scheffer-Boichorst, Historiker 1902, Josef Sucher, Kapell meister 1908, Rud v Renvers, Arzt 1910, Joseph Rotter, Arzt 1924 Garnisonfriedhof, Kl Rosenthaler Str Heerführer- Kleist v Nollendors 1823, Ludw Ad v Lützow 1834, Ad Frd v dem Knesebeck 1848, Wilh v Krauseneck 1850, Pet v Colomb 1854 — Frdr de la Motte-Fouque, Dichter 1843, Karl Werder, Dichter und Ästhetiker (Inschrift Wilhelms II Amico Imperator) 1893, Enul Frommel, Theolog und Schriftsteller 1896, Hemr Steinhaufen, Dichter und Theolog 1917, Georg Goens, Theolog 1918, Theod Schiemann, Historiker 1921 ^nvalidenkirchhof, Scharnhorststr Heerführer Hans Carl v Wmterfeldt (Inschrift Frds d Gr Er war ent Seelenmensch, er war mein Freund) 1757, Scharnhorst (SchmkelTieck) 1813, Tauentzien 1824, Boyen 1848, Alfred Gras Schliessen 1913, Helmuth v Moltke 1916, Mor v Bissing 1917, Herm v Eichhorn 1918, Hans v Beseler 1921 Kampfflieger Manfred v Richthofen, Herm. Buddecke 1918, Rud Berthold 1920 — Fnedr Friesen, Lützows Adjutant 1814, Botho v Hülsen, Generalintendant 1886, Karl Frenzel, Schriftsteller 1914, Ernst Troeltsch, Philosoph 1923. jüdischer Friedhof, Gr Hamburger Str Moses Mendelssohn 1786 Jüdischer, Schönhauser Allee David Friedländer, Stadtrat 1834, Jos Mendelssohn, Bankier und Schriftsteller 1848, Giacomo Meyerbeer, Komponist 1864, Lotus Traube, Arzt 1876, Aaron Bernstem, Schriftsteller, Ed Lasker, Staatsmann 1884, Wolfg. Straßmann, Stadtverordn.-Borst 1885, Leopold Zunz, Theolog 1886, Natanael Prmgsheim, Botaniker 1894, Ludw Bamberger, Politiker und Schriftsteller 1899, Max Rmg, Schriftsteller 1901, Herm Senator, Arzt 1911, Rich M Meyer, Literarhistoriker 1914, James Israel, Chirurg 1926. jüdischer, Weißensee Heymann Steinthal, Sprachforscher 1899, Max Hirsch, Gewerkschaftsführer 1905.
— 119 — Mohammedanischer Friedhof, Hasenheide: Ali Azig Effendi, Diplomat 1798. Urnensrredhof, Gerichtsstraße Huao Preuß, Reichsminister 1925. Stadt Zentralfriedhof, Friedrichsfelde (vgl I Rodenberg, Klostermanns Grundstück): Wilh. Liebknecht, Politiker 1900, Ignaz Auer, Politiker 1907, Raphael Löwenseld, Bühnen leiter und Übersetzer 1910, Paul Singer, Politiker 1911, Bernhard Hübler, Rechtsforscher, Martin Kirschner, Oberbürgermeister 1912, Jul. Rodenberg, Schriftsteller (Lederer) 1914, Paul Meyerheim, Maler, Hans Pagay' Schauspieler, Gustav Hollaender, Komponist 1915, Ernst Friedel, Stadtrat und Stadthistoriker 1918 Turnplatz, Hasenheide Phil Feddern, Turner 1849.
Scharnhorsts Grabdenkmal auf dem Invalidenkirchhof von Schinkel und F. Tieck.
Eharlottenburg Mausoleum im Schloßpark- Königin Luise (Rauch) 1810, König Friedr. Wilh 111 (Rauch) 1840, Prmz Albrecht, Heerführer 1872, Kaiser Wilhelm I. (Erdm. Encke) 1888, Kaiserin Augusta (Erdm Encke) 1890 (Kandelaber Rauch und Tieck, Altarbilder v. (£. Pfannschnudt). Luisenkirchhof, Rogrntzer Str Alb Wolff, Bildhauer 1892, Rud Siemering, Bildhauer 1905, Fritz Schaudmn, Entdecker des Syphiliserregers 1906, Rich Boeckh, Statistiker 1907, Jul Wolff, Schriftsteller 1910, Otto March, Baumeister 1913, Ad Franck, Chemiker, Begr. d deutsch Kaliindustrie 1916, Gust Roethe, Germanist (Bezner) 1926. Luisenkirchhof, Fürstenbrunner Weg Georg Bleibtreu, Maler 1892, Hemr Brugsch, Ägyptolog 1894, Jul Lohmeyer, Schriftsteller 1904, Konr. v Studt, Minister 1921 Kaiser-Wilhelm-Gedächtnis-Friedhof, Fürstenbrunner Weg Elise v Hohenhauseii, Schriftstellerin, 1899, Alb Bielschowsky, Literarhistoriker 1902, Amalie Joachim, Sängerin 1899, Emil Thomas, Schauspieler 1904, Joseph Joachim, Musiker, Alb Hoffa, Arzt, Chr v Tiedemann, Mitarb Bismarcks 1907, Friedr Spielhagen, Schriftsteller 1911, Otto v Gierke, Rechtsforscher 1921, Otto Hirschfeld, Historiker 1922 Schöneberg bei der alten Kirche: Paul v Winterfeld, Philolog 1905, Elwin Paetel, Ber leger 1907, Frz. Schmechten, Baumeister 1924
— 120 — Lichterfelde, Friedhof a. d. Moltkestr.: Heinr. Seidel, Dichter 1906, Artur Hobrecht, Ober bürgermeister und Minister, Ernst Schur, Dichter 1912. Dahlem: Ludw. Knaus, Maler 1910. Friedenau, Friedhof am Hamburger Platz: Ferrucio Busoni, Pianist (Kolbe) 1924. Zehlendorf, Neuer Friedhof: Carl Busse, Dichter 1918, Rich. Sternfeld, Historiker (SchmidtKestner) 1926. Zehlendorf, Garten am Erlenweg: Lily Braun, Schriftstellerin 1916 und Otto Braun 1918 (Lederer). Wannsee, Friedhof: Herm. v. Helmholtz, Naturforscher 1894, Anton v. Werner, Maler 1915. Am Kl. Wannsee: Heinr. v. Kleist 1811 (Grabschrift v. M. Ring). Botan. Garten: Friedr. Althoff, Ministerialdirektor (Krückeberg) 1911, Georg Schweinfurth, Afrikaforscher 1925. Südwestfriedhos, Stahnsdorf: (Relief v. L. Manzel) Werner v. Siemens 1892, Arn. v. Siemens, Ingenieur 1918, Wilh. v. Siemens, Ingenieur 1919, Emil Milan, Vortragsmeister 1916 und Adele Milan-Dore, Schauspielerin 1917 (Verse v. Herb. Eulenberg), Lovis Corinth, Maler 1925. Wilmersd. Waldfriedhof, Stahnsdorf: Carl Heine, Regisseur 1927. Schloßpark Tegel: Wilh. (1835) und Alex. (1859) v. Humboldt, Gabriele v. Bülow, geb. v. Humboldt 1887 (Thorwaldsen). Parkfriedhof Oberschöneweide: Emil Rathenau, Ingenieur 1915, Walther Rathenau 1922. Kirche in Buch (Bau von Dietrichs): Gerh. v. Pöllnitz, Heerführer 1679. Grünewald-Friedhof, Bor.nstedter Str.: Max Klein, Harro Magnussen, Bildhauer 1908, Ernst v. Halle, Nationalökonom 1909, Frdr. Dernburg, Schriftsteller 1911, Otto Lessing, Bildhauer (Lessing) 1912, Herm. Rietschel, Ingenieur 1914, Ludw. Warnekros, Arzt 1920, Herm. Amandus Schwarz, Mathematiker 1921, Oscar Hertwig, Anatom, Alfr. Blaschko, Arzt, Karl Röhling, Maler, Rich. Schöne, Museumsdirektor 1922, Clara Sudermann, Schrift stellerin 1924. St. Michaelskirche: Aug. Söller, Baumeister 1853. Neukölln: St. Jakobikirchhof am Rollkrug (vgl. Fontane, Irrungen Wirrungen, Kap. 21/22): Heinr Kiepert, Geograph 1899, Albr. Weber, Sanskritist 1901, Franz Skarbina, Maler 1910. St. Michaelskirchhof, Herrmannstr.: Mor. Schulz, Bildhauer 1904. St. Thomaskirchhof, Herrmannstr.: Rob. Zelle, Oberbürgermeister 1901. Spandau, St. Nikolaikirche: Adam Graf Schwarzenberg, Minister 1641. Falkenberg, Kirche: Kammerherr George v..Humboldt, 1779, und Marie Elisabeth v. Hum boldt geb. v. Colomb, 1796, Eltern Wilh. u. Alex. v. H. Britz, Zwölf-Apostelkirchhof, Tempelhofer Weg: Ferd. Hummel, Komponist 1928. Wilmersdorf, Gemeindefriedhof, Berliner Str.: Carl Bohm, Komponist 1920.
9. Erinnerungs- und Briefbücher aus dem Berlin des 19. Jahrhunderts. (Vollständigkeit ist nicht angestrebt. Die Herausgeber in Klammern. nichts anderes angegeben, Berlin.)
Erscheinungsort, wenn
Willibald. Alexis, Erinnerungen (M. Ewert.) 1905. Felix du Bois-Reymond 1782—1865 (Eugenie Rosenberger). 1912. Georg Hirschfeld, Otto Br ahm. Briefe und Erinnerungen. 1925. Lily Braun, Memoiren einer Sozialistin. Ernst Curtius, Ein Lebensbild in Briefen (F. Curtius). 1903. Adolf Damaschke, Aus meinem Leben. — Zeitenwende. 2 Bde. Leipzig 1924/25. Therese Devrient, Jugenderinnerungen (H. Devrient). Stuttgart. Georg Ebers, Die Geschichte meines Lebens. Felix Eberty, Jugenderinnerungen eines alten Berliners. Neudruck. 1925. Arthur Eloesser, Die Straße meiner Jugend. 1919. Hanns Fechner, Spreehans. 2 Bde. 1911/12. Theodor Fontane, Chr. Friedr. Scherenberg und das literarische Berlin. — Von Zwanzig bis Dreißig. — Briefe an seine Familie. — Briefe an Freunde.
— 121 Karl Frenzel, Erinnerungen und Strömungen. Leipzig — Die Berliner Märztage (Reclam). Emanuel Geibel, Jugendbriefe. 1909. Friedrich Wilhelm Gubitz, Erlebnisse. 1869. Karl Gutzkow, Aus der Knabenzeit. — Rückblicke auf mein Leben. Ernst Heilborn, Die gute Stube. Wien 1922. Heinrich Heine, Briefe aus Berlin. Sebastian Hensel, Die Familie Mendelssohn. 2 Bde. Sebastian Hensel. Ein Lebensbild aus Deutschlands Lehrjahren (P. Hensel). 1903. Paul Heyse, Jugenderinnerungen und Bekenntnisse. E. T. A. Hoffmanns Briefwechsel (H. v. Müller). 2. Heft. 1912.
§
Reichstag.
Prinz Kraft zu Hohenlohe-Ingelfingen, Aus meinem Leben. 4 Bde. 1897/1906. Carl von Holtei, Vierzig Jahre. I. Käst an, Berlin wie es war. 1919. Der Kladderadatsch und seine Leute. Ein Kulturbild. 1898. Karl Friedrich von Klöden, Jugenderinnerungen (M. Jähns). 1874. David Ferdinand Koresf (F. v. Oppeln-Bronikowski). 1927. Paul de Lagarde, Erinnerungen an Friedrich Rückert. Göttingen 1897. Fanny Lewald, Meine Lebensgeschichte. 1861/66. — Zwölf Bilder nach dem Leben. 1888. Anna Malberg, Aus dem Bilderbuch einer reichen Kindheit. Dresden 1906. Alexander Meyer, Aus guter alter Zeit. Stuttgart 1909. Agathe Nalli-Rutenberg, Das alte Berlin. Hedwig von Olfers geb. von Stägemann. 2 Bde. 1908/14. Gustav Parthey, Jugenderinnerungen (E. F. Friedel). Privatdruck. 1907. Felix Philippi, Alt-Berlin. 1913.
— 122 — Ludwig Pietsch, Wie ich Schriftsteller geworden bin. 2 Bde. 1898 — Aus jungen und alten Tagen. 1904. Nahel, Ein Buch des Andenkens für ihre Freunde. Rahel und Alexander von der Marwitz in ihren Briefen (H. Meisner). Gotha 1925. Georg Reicke, Ein Bürger zwischen Welt und Stadt (H. Spiero). 1923. Ludwig Rellstab, Aus meinem Leben. 2 Bde. 1863. Max Ring, Erinnerungen. 1898. Julius Rodenberg, Bilder aus dem Berliner Leben. 3. Ausg. 1891. — Erinnerungen aus der Jugendzeit 1899. Otto Roquette, Siebzig Jahre. Darmstadt 1894. Friedrich Schleiermacher, Ausgewählte Briefe (M. Rade). Leipzig 1906. Kurd von Schlözer, Jugendbriefe (L. v. Schlözer). Stuttgart 1920. Sophie Schwerin. Ein Lebensbild (E. König). 2 Bde. Leipzig 1909/12. Aus Schinkels Nachlaß (A. v. Wolzogen). 4 Bde. 1862/64. Heinrich Seidel, Bon Perlin nach Berlin. H. Wolfgang Seidel, Erinnerungen an Heinrich Seidel. Stuttgart 1912. Frie-drich Seydel, Unsere Familie. Manuskriptdruck.' Halle. Alexander von Sternberg, Erinnerungsblätter aus der Biedermeierzeit (I. Kühn). 1919. Julius Stettenheim, Heitere Erinnerungen. 1895. Hermann Sudermann, Das Bilderbuch meiner Jugend. Karl August Barnhagen von Ense, Denkwürdigkeiten und Vermischte Schriften. 9 Bde Leipzig 1843/59. Adolf Wermuth, Ein Beamtenleben. Berlin 1924. Eugen Zabel, Rr. Geschichte eines Konsonanten und anderes. 1912. Goethes Briefwechsel mit Zelter
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Nachfchlageverzeichnis öer wichtigsten Sauwerke. Seite
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Akademie .... 38, 60, 71 Allgemeine Elektricitäts Gesellschaft ................... 113 Anatomie .... ... 65 Anhalter Bahnhof ... 89 Bauakademie . . ... 89 Bibliothek .... ... 60 Böhmisch-Rixdorf . . 44, 46 Borsig-Haus. . . . . . 113 Charite................ . 42, 111 Ephraimsches Haus ... 62 Ermeler-Haus . . ... 62 Gaswerk Tegel . . . . 109 Goerckisches Haus. ... 64 Graues Kloster . 8, 23, 24, 25, 26, 32, 40, 53, 54, 78 9 Handelshochschule. . . . Jnvalidenhaus . . . . . 61 Kammergericht. . ... 46 Kinderheim . . . . . . 105
Luisenstadt.........................40 Marien 8, 9, 12,13, 14, 16, 20, 21, 23, 24, 27, 34, 36, 64, 96, 116 Michael ... 99, 100, 120 Neue.......................... 40, 61 Nikolai . 7, 8, 9, 14, 21, 23, 24, 27, 32, 36, 40, 44, 58, 78, 96, 116 Parochial.....................40, 58 Paul................................ 86 Petri .... 7, 21, 23, 58 Sophien.............................40 Synagoge, Alte. ... 40 —, Neue....................... 100 Thomas........................... 100 Zions. ........................ 3 Kraftwerk Klingenberg. . 113 Krankenhaus Friedrichs hain ................................. 96 Landesversicherungsanstalt 104 Loge Royal Fork . . 36, 58 — zu den drei Weltkugeln 58 Märkisches Museum . . 3, 9, 23, 32, 99, 100 Magnussches Haus ... 62 Marställe. . . 24,34,38, 82 Mausoleum .... 87,119 Münze.................................66 Museumsinsel . . 62, 86,111 Neue Wache......................... 85 Nikolai-Haus .... 55, 57 Opernhaus ... 60, 86, 91 Osthafen.............................. 98 Rathaus . 9, 14, 94, 95, 110 Raules Hof.........................33 Reichskanzlei..................... 46 Reichstag . . 103,106,121 Rudolf-Virchow-Kranken haus ...............................105
Schauspielhaus 59, 64, 69, 77, 81, 85, 86, 88 Schillertheater................... 105 Schindlersches Waisenhaus 42 Schlösser und Palais: Bellevue .... . . 60 Charlottenburg . . - • 37, 43, 48, 49, 64, 67 Derfflinger . . . . . 34 Friedrichsfelde . . . . 31 Grünewald . . . . . 23 Hohes Haus. . . . . 18 Kreutz ..... . . 42 Kronprinz.... . . 45 Monbijou .... . 38, 66 Niederschönhausen . 37, 49 Oranienburg . . . . 31 Podewils .... 42, 110 Prinzessinnen . . . 45, 46 Prinz Heinrich. . . 50, 74 Reichspräsident . 46, 110 Schloß 18,19, 20,23,24,26, 34, 36, 37, 50, 66,, 86, 110 Vernezobre . . . . 47, 62 Wilhelm I. . . . 86, 104 Singakademie . . . . . 82 Stadion................ . . 106 Stadthaus... 94, 105, 110 Technische Hochschule . . 112 Tore: Brandenburger. . . . 45, 65, 66, 70, 77, 95 Leipziger .... . 31, 65 Oranienburger. . . . 65 Universität . 60, 74, 105, 108 Unterwasserstr. 5 . . . . 86 Volksbühne .... . . 105 Warenhaus Wertheim . . 104 Westhafen................ . . 98 Zeughaus .... 36, 60, 100
Kirchen: Bartholomäus . ... 75 Bethlehem . . ... 44 Buckow .... . . . 8 Dahlem.... . . . 112 Dom................ 21, 23, 26, 60, 100, 101, 116 Dorotheenstädtische. . 31, 32, 66, 116 Dreifaltigkeits .... 46 Französische .... 40, 61 Französische Kloster . 33 Französische Luisenstadt 40 Friedrichswerder. . 40,84 Garnison................ 40, 41 Hedwig.................... 60, 116 Heiliggeist.................... 9 Johannis......................... 86 Kloster 8,9,16,21,22,24,116
— 124 — Inhaltsverzeichnis. 1. 2. 3. 4. 5. 6. 7. 8. 9. 10. 11
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Lage und geopolitische Bedeutung . 3 Anfänge................................................. 5 Macht und Sturz......................................10 Vom Mittelalter zur Neuzeit ... 20 Im Blutschein des Deutschen Krieges 26 Aufschwung............................................. 29 Königliche Residenz................................. 35 Unter dem großen Könige..................... 48 Niedergang und Freiheitskampf . . 63 Das bürgerliche Zeitalter....................77 Reichshauptstadt..................................... 93 Beilagen: 1. Die Bevölkerung Berlins . . 115 2. Die größten früheren Nachbar städte ............................................115 3. Markgrafen und Kurfürsten von Brandenburg................................ 115
4. Könige von Preußen und Deut sche Kaiser.................................... 115 5. Reichspräsidenten der Deutschen Republik.........................................115 6. Die Oberbürgermeister von Ber lin seit 1809 ............................ 115 7. Die durch das Gesetz vom 27. 4.1920 zur Stadt Berlin ver einigten Orte............................116 8. Berliner Grabstätten .... 117 9. Erinnerungs- und Briefbücher aus dem Berlin des 19. Jahr hunderts ....................................120 Nachschlageverzeichnis der wichtigsten Bau werke..........................................................123
Verzeichnis der Abbildungen....................124
Verzeichnis -er Abbildungen. Seite
Nikolaikirche. Südportal D............................ 7 Wasserfront des Schlosses mit Grünem Hut D.....................................................19 Schlüter, Großer Kurfürst L .... 30 Schlüter, Kriegermasken vom Zeughaus 1^ 36,37 Schloßhof mit Eosanderportal D ... 38 Zeughaus L.................................................... 39 Glocken der Parochialkirche M .... 41 Friedrich Wilhelm I. (Schaumünze) . 43 Böhmisch-Rixdorf M.................................... 45 Reichspräsidentenpalais St..........................46 Chodowiecki, Wallfahrt nach FranzösischBuchholz L...............................................47 Menzel, Friedrich der Große L ... 50 Chodowiecki, Liebesanträge L .... 51 Hof Petristraße 15 M.................................... 54 Menzel, Friedrich überall L..........................55 Schadow, Friedrich der Große L ... 56 Graff, Chodowiecki L.................................... 58 Chodowiecki, Die Familie des Künstlers L 59 Ephraimsches Haus D.................................... 61 Magnussches Haus D.................................... 62 Brandenburger Tor L.................................... 65 Schadow, Siegeswagen L..........................65 Hübner, Der alte Schadow L .... 66 Schadow, Grabmal des Grafen von der Mark M....................................................67 Schadow, Zielen L......................................... 68 Schadow, Königin Luise und ihre Schwester Friderike L...............................................70 Rauch, Königin Luise L............................... 73 Menzel, Blücher...............................................75
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Schauspielhaus L.......................................... 76 Alexander von Humboldt............................... 79 Menzel, Sommerfrische L..........................81 Theodor Fontane..........................................83 Neue Wache L...............................................84 Altes Museum St......................................... 85 Rauch, Friedrich der Große L. . . 87 Drake, Nike L............................................... 88 Werner Siemens......................................... 90 Adolf Menzel, Ausschnitt aus einem Ge mälde von Max Koner L. . . . 92 Ferdinand Lassalle I.................................... 93 Blick von der Marienkirche V . .94 Katakomben des Wasserwerks Müggelsee M 96 Lietzensee-Park V..........................................97 Lenbach, Bismarck I.................................... 98 St.-Michaelskirche D.................................... 99 R. Begas, Der Krieg L............................. 101 Siemering, Graefedenkmal M . . . . 102 Warenhaus Wertheim L............................. 105 Hoffmann und Taschner, Märchenbrun nen V ....................................................... 106 Stadion V.................................................. 107 Onkel-Herse-Straße in Britz M. . . 108 Reichspräsident Ebert I............................. 109 Reichspräsident von Hindenburg HO Klinisch, Birchowdenkmal M. . . 111 Graf, Werkschluß bei Siemens A . . .112 Potsdamer Platz V.................................. 113 Freibad Wannsee V....................................... 114 Scharnhorsts Grabdenkmal M . . . 119 Reichstag L.................................................. 121
Erklärung der Abkürzungen hinter den Titeln: D = Aufnahme der Werkstatt Rudolf Dührkoop, Hamburg-Berlins 50; M = Aufnahme der WerkstattHermann Meier, Berlin SW 61; V = Aufnahme der Werkstatt Albert Bennemann, Berlm W 9; I -- Aus dem Korpus Jmaginum der Photographischen Gesellschaft in Berlin; St = Staatliche Bildstelle, Arthur W 8; L = $. und O. Luckenbach, Geschichte der Deutschen Kunst. München und Berlm, R. Aldenbourg1926. Das Lichtbild Theodor Fontanes hat uns der Verlag F. Fontane LCo., Berlin, freundlichst überlassen.