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German Pages 191 Year 1875
Berühmte Männer Berlins
und
ihre Wohnstätten.
II .
Friedrichs des Großen Zeitalter.
Nach urkundlichen Quellen bearbeitet von
Ferdinand Meyer, Sekretair des Vereins für die Geschichte Berlins 2c.
IAM
MEMOR
Berlin 1876.
Verlag von Alfred Weile.
Berühmte Männer Berlins
und
ihre Wohnstätten.
II .
Friedrichs des
Großen Zeitalter.
Nach urkundlichen Quellen bearbeitet von
Ferdinand Meyer, Sekretair des Vereins für die Geschichte Berlins 2c.
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MEMOR
Berlin 1876. Verlag von Alfred Weile.
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19330
0906
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Inhalt. Seite 1 Einleitung · 2 Freiherr von Heinig Sack. Spalding 5 Teller Büsching 6 7 Gedike. Biester Sulzer . 9 Maimon. Engel. Moriz Merian. (Gercken. Beckmann. v. Borgstede. Brüggemann. 11 Buchholz. Fischbach.) Küster. König. Möhsen . 12 Cothenius . Herz 13 (Liebenkühn. Meckel. Walter.) Klaproth. Süßmilch 14 (Frisch. Darbes. Hackert.) Pesne 15 Rode. Georg Friedrich Schmidt Johann Heinrich und Johann Wilhelm Meil. Daniel Berger • (Georgi. Abramson. Loos.) Taffaert Agricola. Fasch Reichardt . Emanuel Bach Diterichs . Johann und Georg Friedrich Boumann. v. Gontard 1. Jordan II. Duhan de Jandun III. Samuel von Cocceji IV. Graf von Herzberg . V. Quanz VI. Graun VII. Freiherr von Knobelsdorff VIII. Maupertuis . IX. Moses Mendelssohn X. Ephraim . XI. Goßkowsky . XII. Ramler . XIII. Daniel Chodowiecki XIV. Nicolai
16 17 18 20 21 22 23 25 31 36 43 49 61 68 75 82 109 132 155 165 171
„Es wird fein Sohn sich nach Dir nennen, Doch Dein Jahrhundert heißt wie Du !" v. Maltiz. ünste und Wissenschaft waren unter der Regierung König Friedrich Wilhelms I. zu Grabe getragen. Dieser wunderbare Natursohn, deſſen Bestreben darauf gerichtet war, aus seinen Unterthanen gute Hauswirthe und Soldaten zu machen, betrachtete die Wissenschaften und Künste als eine entbehrliche Zierde des Staates , dem ein wohleingerichtetes und in den Waffen geübtes Kriegsheer eine fester begründete Achtung verschaffe. Durch den Tod seines Vaters auf denjenigen Thron berufen, für den Friedrich der Große mit all' der herrlichen Kraft des Geistes im eigentlichsten Sinne des Wortes geboren war, begann jene eigenthümliche Zeitepoche , die , reich an gewaltigen Ereignissen , an Thätigkeit und Fortschritten in geistiger wie materieller Beziehung, noch die späteste Nachwelt mit staunender Bewunderung erfüllen wird. Zunächst darauf bedacht, die Institute der Kunst und Wiſſenschaft wieder herzustellen und zu verbessern , berief der junge Monarch Künstler und Gelehrte an seinen Hof, um sie mit Gunstbezeugungen zu überhäufen und nicht selten seiner königlichen Freundschaft zu würdigen. „Die unendliche Arbeit , welche auf mir lastet ", schreibt Friedrich schon unterm 2. Juni 1740 , von Charlottenburg aus , an Voltaire, übrig gelaſſen.
hat mir kaum für meinen gerechten Schmerz Zeit Ich glaubte, daß ich mich nach dem Verluſte 1
2 meines Vaters gänzlich meinem Vaterlande widmen müßte ; und so viel, als mir möglich, habe ich in dieser Ueberzeugung daran gearbeitet, die möglichsten und schnellsten Vorkehrungen für das allgemeine Beste zu treffen... Ich habe den Grund zu einer neuen Akademie gelegt, ich habe Wolf, Maupertuis , Vaucanſon und Algarotti gewonnen, und von Gravesande und Euler erwarte ich Bescheid . Ich habe ein neues Collegium für Handel und Manufacturen gegründet, und nehme Maler und Bildhauer in meine Dienste xc . “ Und dieser schönste Stern in Friedrichs Diadem wurde nicht umdunkelt , als ſelbſt die Donnerschläge einer gewitterschweren Zeit am politischen Himmel dumpf zu rollen begannen, als der gewaltige Kriegsorkan brauſend dahinfuhr über den Ocean der Zeit. Von der großen Anzahl jener Männer, welche sowohl durch ihre Talente , wie durch die Freundschaft und den Umgang des Königs denkwürdig geworden sind, nennen wir zunächst diejenigen, bei denen ausführlicher zu verweilen der nur bescheidene Umfang dieses Werkes nicht gestattet. Gleichwohl soll ihnen die Anerkennung ungeschmälert bleiben , daß die Spuren der Furchen, welche auch sie auf dem Gebiete ihres Wirkens und Schaffens gezogen, keine Zeit verwehen wird . Von den Staatsministern der Fredericianischen Zeit treten uns nur wenige berühmte Namen entgegen . Friedrich verhandelte meist persönlich oder correspondirte selbst mit den auswärtigen Gesandten , während die landesherrlichen Beſchlüſſe , nach gegenseitig schriftlicher Erörterung, schließlich zur Ausführung an die Minister gelangten. Neben v . Herzberg und v . Borck , Mardefeld , Podewils und Finkenstein war es der Freiherr v . Heiniß , deſſen Name in der vaterländischen Industrie fortleben wird. Als sächsischer General-Berg-Commiſſar hatte er 1765 die BergAkademie in Freiberg gestiftet, und wurde unterm 7. September 1777 von Friedrich dem Großen als wirklicher Staatsminister
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dem preußischen Berg- und Hüttenwesen vorgeſetzt. Ihm namentlich verdanken unser Steinkohlen- Bergbau und das Eisenhüttenwesen ihre heutige Bedeutung , während schon der Staatsschat Friedrichs des Großen durch sie um fünf Millionen vermehrt wurde . So wirkte v . Heinig segensreich bis zu seinem Tode, der am 18. Mai 1802 erfolgte. Das Gebiet der Theologie mit ihren hervorragendſten Männern betretend, müſſen wir die berühmte Aeußerung voraufschicken , mit welcher der König den Antrag des Miniſters des geistlichen Departements , vom 22. Juni 1740 , auf Beschränkung der katholischen Soldatenſchulen in Berlin abfertigte : „Die Religionen Müsen alle Tolleriret werden und Mus der Fiscal nuhr das Auge darauf haben, daß keine der andern abrug Tuhe, den hier mus ein jeder nach Seiner Fasson Selich werden “ . Und dann die Kabinetsordre an den Freiherrn v. Zedlig, vom 5. September 1779 : „ Daß die Schuhlmeiſter aufm Lande die religion und die moral den jungen Leuten lernen, iſt recht gut, und müssen sie davon nicht abgehen, damit die Leute bei ihrer religion hübsch bleiben , und nicht zur katholischen übergehen, denn die Evangelische religion ist die beste , und weit besser wie die katholische ; darum müſſen die Schuhlmeiſter ſich Mühe geben, daß die Leute attachement zur religion behalten“. Dem entsprechend wurde 1774 auch der Rektor der evangelischen Schule zu Oderberg wegen der Aeußerung entlaſſen, daß er die katholische Religion für wahr und , nach den Zeitumständen der Kirche, für beffer, namentlich aber die Anbetung der Maria für höchſt nüßlich halte. Alle diese Facta sind in der That nicht dazu geeignet, den großen König des Indifferentismus gegen die evangelische Religion zu zeihen! Nicht wenige der aufgeklärten Gottesgelehrten haben damals durch ihr Leben , wie durch Wort und Schrift , ihr Gedächtniß auf die Nachwelt verpflanzt. Zunächst war es der Hofprediger 1*
4 Sack, welchen der König in die Akademie aufnahm , obgleich dieselbe keine theologische Section besaß. Nicht gewohnt , seine Meinungen zu verhehlen, äußerte er seine Gedanken höchst freisagt sein Biograph. Menschliche Autoritäten, ſymmüthig bolische Bücher, Concilienbeschlüsse und kirchliche Verdammungsurtheile galten ihm wenig ; denn die Kirchengeschichte hatte ihn gelehrt, was es damit auf sich habe, und daß das Gebiet der Daher Wahrheit sich nicht von Menschen umzäunen laffe. schreckte ihn auch kein Keßername, und ſelbſt freigeiſteriſche Bücher las er mit dem aufrichtigen Sinne , Alles zu prüfen und das Gute zu behalten. Ein geschworener Feind alles intoleranten Sektengeistes, blieb er gleichwohl weit entfernt von jedem Indifferentismus ; und der Eifer , womit er nach Wahrheit forschte, bewies , wie sehr es ihm am Herzen lag , sie zu finden. Bei dieser Denkart ist es nicht zu verwundern, daß er den ungemeinen Fortschritt , den Kritik, Eregese und Philosophie in seiner Zeit machten, bis in sein hohes Alter mit Vergnügen nußte, und jedem Strahl der Wahrheit, der in das Gebiet ſeiner theoSeine im Jahre logischen Meinung fiel, freies Spiel ließ. 1748 erschienene Schrift : „ Der vertheidigte Glauben des Chriſten“ , fand allgemeine Aufnahme . Sack, am 4. Februar 1703 geboren, Der Probst bei der Nikolai-Kirche, starb den 23. April 1786. Johann Joachim Spalding , der ebenbürtige Freund des Vorgenannten, deffen Schrift über die „ Bestimmung des Menſchen “ nicht weniger als dreizehn Auflagen erlebte, schrieb 1772 ein mit nicht minderem Beifall aufgenommenes Werk „ Ueber die Nuzbarkeit des Predigtamtes ", worin er den Geistlichen den unmittelbar göttlichen Beruf als Priester Gottes abspricht. Dieser ihr Beruf, als rein praktisch betrachtet, sei edel genug, das Volk über alle Pflichten zu unterrichten und zur Befolgung derselben anzuhalten. „ Cela est très bien , et je suis le premier de respecter cela! " äußerte sich Friedrich der Große darüber, und jezte hinzu : „Die Einbildung der Geistlichen von einem unmittel
5 baren göttlichen Beruf ist eben so ungereimt, als das Vorgeben, womit man den Souverainen schmeichelt, daß sie das Ebenbild Spalding war am 1. November Gottes auf Erden seien". 1714 zu Triebsens (in dem damaligen Schwedisch-Pommern) geboren, hatte in Rostock und Greifswald Theologie ſtudirt, und erhielt während seiner ersten Anwesenheit in Berlin eine Stelle als Sekretair bei dem schwedischen Gesandten.
Seit
1740
Prediger in pommerschen Städten , wurde er 1757 als Probst nach Berlin berufen. Unter dem Wöllner'schen Regiment bestimmte ihn das Religions - Edikt von 1788 , von seiner Stellung zurückzutreten. Er verstarb am 22. Mai 1804 , hochgeachtet wegen seines sittlich-reinen Charakters und seiner großen Gelehrsamkeit . Seine irdischen Ueberreste umschließt die Nikolai-Kirche. Wilhelm Abraham Teller , der dritte jener freifinnigen Theologen, war 1734 zu Leipzig geboren , und hatte sich , als General- Superintendent und Profeffor in Helmstädt , durch sein berühmtes, 1764 erschienenes Lehrbuch des christlichen Glaubens " vielfache Verfolgungen zugezogen.
Sein eigener Bruder, Prediger
in Zeit, gehörte zu seinen eifrigſten Widersachern, und nachdem der Ober-Consistorialrath Ditrich und der Minister v. Münchhausen ihn als Probst bei der Petri-Kirche nach Berlin berufen, dankte der Braunschweigische landwirthschaftliche Sekretair seinem Herzog öffentlich auf dem Landtage , daß er einen so bösen Mann, wie Teller, aus dem Lande gebracht habe. Später zum Ober-Consistorialrath ernannt, war Teller's Bestreben auch auf die Beseitigung des im Jahre 1708 eingeführten , aber nicht mehr zeitgemäßen Porſten'schen Gesangbuches aus den lutherischen Kirchen gerichtet. Freilich nicht ohne Widerstand. Erst nachdem Teller durch drei, im Druck erschienene Predigten die Bedenklichkeiten gegen das von ihm und Dietrich 1780 herausgegebene „ Gesangbuch zuni gottesdienstlichen Gebrauche in den Königlich Preußischen Landen " gehoben hatte , nahm die Petrigemeinde dasselbe an. Später folgten dann die übrigen Gemeinden der
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Dreifaltigkeits- , Gertrauden- , Sebaſtian- (jezt Louiſenſtädtischen) und der Neuen- sowie der Jerusalemer-Kirche, nachdem Friedrich auf eine Gegenbittschrift
derselben ,
in dem Bescheide
vom
18. Januar 1771 , eigenhändig hinzugefügt hatte : „ Ein Jeder kann bei mir glauben , was er will , wenn er nur ehrlich ist. Was die Gesangbücher angehet , so stehet einem Jeden frei zu fingen: #1 Nun ruhen alle Wälder" oder dergleichen dummes und thörichtes Zeug mehr 2c. " *) Auch Teller sollte unter der folgenden Regierung dem Machtspruche Wöllner's verfallen : wegen eines Gutachtens in dem Prozesse gegen den Gielsdorfer „ Zopf- Schulze “ wurde er zu dreimonatlicher Entfernung vom Amte verurtheilt , und ſein Gehalt für diese Zeit dem Irrenhause überwiesen . Beim Erscheinen des preußischen Religions -Edikts , vom 9. Juli 1788 , gab Teller eine Schrift heraus unter dem Titel Wohlgemeinte Erinnerungen an ausgemachte , aber doch leicht zu vergeffende Wahrheiten ", worin schöne Gedanken über Gewissensfreiheit und den wahren Geiſt des Chriſtenthums enthalten find. Ferner erschien 1791 von ihm " Valentinian der Erste , oder Gespräch eines Monarchen mit seinem Thronfolger über die Religionsfreiheit der Unterthanen " . Teller verstarb im Jahre 1804. Im Gebiete der Pädagogik zeichnete sich zunächst Dr. Anton Am 27. September 1724 zu Friedrich Büsching aus. Stadthagen (im Lippe- Schaumburgischen) geboren , wählte ihn der Berliner Magistrat 1766 , nachdem er in Petersburg einer Schulanstalt vorgestanden, zum Direktor des Gymnasiums zum grauen Kloster. Unter ihm beging daffelbe, am 22. November 1774, die zweihundertjährige Stiftungsfeier ; seinen Bemühungen verdankt die Anstalt auch die Erbauung der beiden Gymnasialhäuser. Für die Geographie wurde Büsching durch seine „ Erd-
*) S. Paul Gerhard im 1. Bd .
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beschreibung" ein ausgezeichneter Name.
Er schrieb ferner eine
„ Vorbereitung zur gründlichen Kenntniß der geographischen Beschaffenheit der europäischen Reiche" ; das „ Magazin für die neue Historie und Geographie" (1767 bis 1789), und „ Zuverlässige Beiträge zu der Regierungsgeschichte König Friedrichs II . von Preußen" (1790). Am 28. Mai 1793 verstorben, wurde er in seinem Garten, Gollnowstraße Nr. 30, beigesetzt, und ihm ein Leichenstein mit der Inschrift errichtet : „Hier im Schooß der Erde schlummert ihr Beschreiber ". Dr. Friedrich Gedike , am 15. Januar 1754 zu Boberow (Priegniß) geboren, besuchte 1771 die Universität zu Frankfurt a. d. Oder, um Theologie zu studiren , kam 1775 als Hauslehrer mit Spalding's beiden Söhnen nach Berlin , und wurde. Seit 1779 Direktor des Friedrich-Werderfchen Gymnaſiums . 1784 Mitglied des Conſiſtoriums , wurde er 1787 zum Rath des Ober- Schul-Collegiums , 1790 zum Mitglied der Akademie der Wissenschaften, und 1793 zum Direktor des Kölnischen Gymnasiums ernannt. Gedike verstarb am 2. Mai 1805. Ihm verdankt Berlin die Gründung eines Seminars und zahlreiche Schulbücher in verschiedenen Sprachen , wie denn auch seine Uebersetzung der Pindar'schen Oden unübertroffen blieb . Von 1783 bis 1791 gab er mit Biester die „ Berlinische Monatsschrift" heraus, die dann (in 28 Bänden) fortgeführt wurde von Johann Erich Biester. In Lübeck 1749 geboren, war er Bürger's Freund in Göttingen , woselbst er die Rechte, Geſchichte und die neueren Sprachen studirte. Seit 1773 Lehrer am Pädagogium und Privat-Docent an der Univerſität zu Büßow, wurde er 1777 als Dr. juris Privat- Sekretair des preußischen Miniſters v. Herzberg, und am 10. Januar 1784 als Bibliothekar von Friedrich dem Großen an die königliche Bibliothek berufen. Immanuel Kant und Moses Mendelssohn lieferten Beiträge für jenes Blatt, zur Beantwortung der Frage: "/ Was ist Aufklärung ? " War die Förderung der allgemeinen Bildung wie der Denkfreiheit
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das Ziel dieser Monatsſchrift, so mußte dieselbe ſeit 1791 , nachdem Gedike als Mitherausgeber zurückgetreten war , unter der strengen Censur des Geheimeraths Hillmer , erst in Jena und dann in Dessau gedruckt werden.
Biester verstarb im Jahre
1816 , als Verfasser einer großen Anzahl von geschichtlichen Abhandlungen und gelehrten Auffäßen. Endlich, wie ein Zeitgenosse ihn nannte : der " Weltweiſe“ Sulzer, welcher im Mai 1757 an Ewald v . Kleist schrieb : „Ich schäße Lessing so hoch , daß ich mir's für ein wichtiges Verdienst anrechnen würde, etwas dazu beizutragen, ihn unserm Lande wieder zu verschaffen ; denn es ist billig , daß wir jezt suchen so groß in Wissenschaften und Künsten zu werden , als wir in Waffen sind " . Johann Georg Sulzer, am 5. Oktober 1720 zu Winterthur (Kanton Zürich) als der jüngste seiner 25 Geschwister geboren, war für den geistlichen Stand beſtimmt, und besuchte das Gymnaſium in Zürich. Drei Jahre später schon als Prediger auftretend , kam er 1743 nach Berlin , trat mit Euler und Maupertuis in nähere Verbindung , und wurde auf des Letteren Empfehlung von Friedrich dem Großen 1747 als Profeffor der Mathematik an das Joachimsthal'sche Gymnasium berufen. Mit Ramler gab er seit 1750 gemeinschaftlich die „Kritischen Nachrichten aus dem Reiche der Gelehrsamkeit“ heraus. Seine hervorragenden Leistungen im Schulfache bestimmten den König, nachdem Sulzer schon 1750 zum Mitglied der Akademie der Wissenschaften ernannt worden war , ihn zum Viſitator des Gymnasiums einzuſeßen , nachdem Sack dieses Amt niedergelegt hatte. Nach dem Tode der Gattin ( 1763) im Begriff, sich von seiner Stellung zurückzuziehen, berief Friedrich ihn als Professor an die neu gestiftete Ritter-Akademie , und machte ihm gleichzeitig ein Stück Land an der Spree zum Geschenk. Doch schon am 27. Februar 1772 schied dieſer ausgezeichnetste Aeſthetiker des 18. Jahrhunderts , als Verfasser des bedeutsamen Werkes Allgemeine Theorie der schönen Künste" , aus dem Leben.
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In der Philosophie zeichneten sich aus : der jüdische Gelehrte Salomon Maimon , welcher, 1753 zu Neschwiß (in Litthauen) geboren, im Jahre 1780 nach Berlin kam, um „ den Rest des ihm noch anklebenden Aberglaubens durch Aufklärung zu vernichten". Dann Johann Jakob Engel , am 11. September 1741 zu Parchim geboren. Er studirte in Rostock und Bützow Theologie , Philoſophie , Mathematik und Physik , begab sich 1765 als Dr. phil. nach Leipzig , und folgte dann dem Rufe als Professor der Philosophie und schönen Wissenschaften am Joachimsthal'schen Gymnasium . Dann zum Mitglied der Akademie ernannt ,
wurde er Lehrer des nachmaligen Königs Friedrich
Wilhelm III. Ein heller und scharfsinniger Kopf , ein feiner Beobachter und Charakterzeichner, dokumentirt ihn namentlich sein treffliches Zeit- und Sittengemälde "! Lorenz Stark" zugleich als eleganten Stylisten. Später mit Ramler zum Direktor des „ National-Theaters " ernannt, legte Engel 1794 diese Stellung nieder. Er verstarb am 28. Juni 1802 in Parchim, auf einer Besuchsreise bei seiner Mutter. Ferner der Professor Karl Philipp Moris.
Im Jahre
1757 zu Hameln von nur unbemittelten Eltern geboren, wurde er zur Erlernung der Hutmacher-Profeffion in die Lehre gegeben, von seinem Meiſter aber bald , als unfähig , wieder entlassen. Schon damals hatte sich seiner eine melancholische Stimmung und der Hang zum Absonderlichen bemeistert. So ging er denn nach Erfurt, ließ sich als Theologe inscribiren, lenkte aber bald darauf seine Schritte nach Leipzig, wo das Theater ihn fesselte. Doch nur auf kurze Zeit ; dann trieb es ihn unſtät umher, bis ein reicher Herrenhuter zu Barby sich seiner annahm und zur Fortsetzung seiner Studien nach Wittenberg schickte.
Von hier
begab Moriß sich nach Dessau und Potsdam, erhielt am Waisenhause daselbst eine Stellung als Lehrer, und später eine solche in Berlin. Doch auch hier war seines Bleibens nicht lange ;
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wir finden ihn 1782 in England, von wo er zwei Jahre später in die preußische Hauptstadt zurückkehrte, um eine Zeit lang die „Voffische Zeitung " zu redigiren.
Dann hielt er, als Profeſſor
am Gymnaſium zum grauen Kloſter, Vorlesungen über deutsche Sprache und schöne Wissenschaften. Schon als Lehrer hatte er dem König " Sechs deutsche Gedichte : Gemälde von Sans - Souci , 1779 ; An den Mai 1779 ; Das Manöver ; Sonnenaufgang über Berlin ; Auf dem Tempelhof'schen Berge , am 10. Auguſt 1780 ; Die Sprache und Friedrich" (Berlin bei Wever, 1781 ) gewidmet . „Malten alle deutschen Dichter, wie Ihr in Euren Mir zugesandten Gedichten" schrieb ihm Friedrich unterm 21. Januar 1781 mit so vielem Geschmack, und herrschte in ihren Schriften eben der Verſtand und Geiſt, welcher aus den beigelegten zwei kleinen Briefsammlungen *) hervorblickt, so würde Ich bald Meine landesväterlichen Wünsche erfüllt , und die deutschen Schriftsteller an Würde und Glanz den auswärtigen den Rang streitig machen sehen. Eure drei Schriften eröffnen Mir dazu eine angenehme Aussicht. Sie haben Meinen völligen Beifall und Ich ermuntere Euch zur ferneren Vervollkommnung der vaterländischen Sprache, als Euer gnädiger König ". w w . Eine schwärmerische Verehrung für eine schöne Frau drohte ihm das Schicksal „ Werthers " zu bereiten ; er ging nach Italien , wo er Goethe kennen lernte, welcher unterm 10. Januar 1787 , von Rom aus , schreibt : „Iphigenia in Jamben zu überſeßen , hätte ich nie gewagt, wäre mir in Morizens Prosodie nicht ein Leitſtern erschienen ". Dieses Werk, das erste seiner Art, widmete Morig 1786 dem großen König.
Im Jahre 1789 zum Mitglied der Akademie ernannt,
zeugen seine zahlreichen Werke mythologiſchen , psychologischen und grammatischen Inhalts von einer gründlichen Kenntniß des Alterthums.
Eine inzwischen geschlossene unglückliche Ehe trieb
*) „Von Unterscheidung des Dativ und Accuſativ, oder des Mich und Mir, Sie und Ihnen ". Berlin 1780.
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ihn 1793 von Neuem aus Berlin , bis der Tod ihn noch in demselben Jahre in Dresden ereilte. Der Philosoph Johann Bernard Merian , am 28. September 1723 zu Liechstall (Kanton Basel) geboren , erlangte, nach Berlin übergesiedelt , einen berühmten Namen durch seine literarischen Kämpfe gegen die Anhänger des Philoſophen Wolf. Als ein oft und gern gesehener Gesellschafter des Königs , wurde Merian 1767 Inspektor des französischen Collegiums , und 1770 Direktor der Abtheilung der schönen Wissenschaften bei der Akademie. Sein Tod erfolgte im Jahre 1807 . An Historiographen , welche besonders das Studium der vaterländischen Geſchichte gewählt, finden wir, neben Nikolai, den großen Diplomaten Gercken. Ferner Beckmann („ Beſchreibung der Kurmark ") ; v . Borgstede („ Topographie derselben ") ; Brüggemann ( Topographie von Pommern ") ; Buchholz ; Fischbach ( Städtebeschreibung der Mark Brandenburg "), und Georg Gottfried Küster. Im Jahre 1695 zu Halle geboren, wurde er, als Rektor von Tangermünde, zum Conrektor des Kölnischen Gymnasiums nach Berlin berufen . Von seinen vielen geschichtlichen Werken ist das mit Johann Chriſtian Müller von ihm 1737 bis 1769 herausgegebene „ Alte und Neue Berlin " das bedeutendste, und noch jezt für die Geschichtsforschung von hohem Werth. Küster verstarb 1776 , als Rektor des FriedrichWerderschen Gymnasiums . Von dem Ordensrath bei der Regierung des JohanniterOrdens, König (geb. 13. Dezember 1753. † 14. Januar 1814), besigen wir die „ Historische Schilderung der Residenzstadt Berlin ſeit den ältesten Zeiten bis zum Jahre 1786 ", und die mit dem Geheimerath Fischbach seit 1781 gemeinschaftlich herausgegebenen "Historisch - geographisch - ſtatiſtiſch- und militairiſchen Beiträge der Preußischen und benachbarten Staaten " . Dr. Möhsen endlich , einer der Leibärzte Friedrichs des Großen, schrieb die
Geschichte der Wissenschaften in der Mark
Deutsches Museum Bibliothek
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Brandenburg " , und eine Biographie von Thurneiffer zum Thurm . Möhsen war es , welchem der König (am Magenkrampf und an der Kolik leidend) einst die zornigen Worte zurief, als jener ihm den zeitweisen Genuß von Parmesankäse widerrieth : „ Aller Teufel, will Mich reprimandiren ! weiter !"
Gehe Er fort, Ich brauche seiner nicht
Friedrich der Großze hielt bekanntlich die gesammte
Arzneikunde für Quackſalberei. Gleichwohl hat dieselbe damals bedeutende Männer aufzuweisen. Der Leibarzt, Geheimerath und (bis 1788) General-
stabs -Medikus Christian Andreas Cothenius , erwarb sich im siebenjährigen Kriege große Verdienste um die Lazarethe. Am 14. Februar 1708 zu Anklam geboren, und den 5. Januar 1789 zu Berlin verstorben , ist uns das Bildniß desselben noch auf der Urne erhalten, die seine Grabstätte auf dem alten Dreifaltigkeits-Kirchhofe bezeichnet. Professor Markus Herz , deſſen Gattin Henriette , geb. de Lemos , zu Berlin's berühmten Frauen zählt. Von unbemittelten jüdischen Eltern am 17. Juni 1747 zu Berlin geboren, mußte er sich dem Handelsstande widmen ; aber überdrüssig dieser ihm nicht zusagenden Berufsthätigkeit, wendete er sich 1762 nach Königsberg, wo er auf Anrathen Kant's sich dem Studium der Philoſophie und Medizin widmete.
Dann behufs Fortsetzung
seiner Studien nach Berlin zurückgekehrt, begab er sich, zur Verbefferung seiner Vermögensverhältnisse, im Auftrage Ephraim's nach Polen , um dort unter der Hand die enormen Getreidevorräthe aufzukaufen , welche der König für seine Unterthanen ausgekundschaftet hatte. Nach beendeten Studien in Halle, ließ Herz in seiner Vaterstadt als Arzt sich nieder , und widmete in den Mußestunden sich fortgesezt der Philosophie, über welche er unter Allen der Erste vor einem Publikum beiderlei Ge-
schlechts Vorlesungen hielt.
Von dem Fürſten von Waldeck zum Hofrath und Leibarzt ernannt, wurde er 1791 Profeffor der Philosophie an hiesiger Universität. Herz verstarb am 19. Januar 1803 .
13 Zeichneten in der Anatomie sich Liebenkühn , Meckel und Walter aus , so ragt Klaproth in der Chemie namentlich hervor.
Am 1. De-
zember 1743 zu Wernigerode geboren, lebte er zuerst als Apotheker in Berlin, bis er 1787 zum Chemiker bei der Akademie, später zum Profeffor der Chemie bei dem Königlichen Feld- ArtillerieKorps, und demnächst zum Ober-Medizinal- und Sanitäts - Rath ernannt wurde .
Klaproth ist der Entdecker der Cirkon-Erde, des
Tellurs und der von ihm so benannten Metallart „ Titan “ ; er unterwarf die Meteorsteine sehr genauen Untersuchungen und machte auf die Uebereinstimmung ihres Mischungsverhältnisses aufmerksam ; durch ihn auch jah Berlin den ersten Luftballon aufsteigen. Sein in Gemeinschaft mit Wolf herausgegebenes „ Chemisches Wörterbuch " ist das ausgezeichnetſte und, in alphabetiſcher Ordnung, vollständigste deutsche Werk. Klaproth verstarb am 1. Januar 1817. Gleichen Schritt mit den übrigen Wiſſenſchaften hielt auch die Statistik, welche der Große Kurfürst in Brandenburg, zuerst von allen übrigen Ländern des deutschen Reiches , eingeführt hatte, die dann aber von König Friedrich Wilhelm I. unterdrückt wurde.
Auf diesem Gebiete erwarb sich , nachdem Friedrich der
Große das statistische Tabellenwerk eingeführt hatte, als Begründer der politischen Arithmetik einen ehrenvollen Namen : Johann Peter Süßmilch. Im Jahre 1707 zu Berlin
geboren , studirte er in Halle und Jena anfänglich die Jurisprudenz, dann Medizin und endlich Theologie. Seine „ Göttliche Ordnung in der Veränderung des menschlichen Geschlechts, aus der Geburt, dem Tode und der Fortpflanzung erwiesen “, wurde 1775 von Baumann in vierter Auflage herausgegeben. Süßmilch verstarb 1767, als Probst und Ober- Consistorial-Rath zu Berlin. Hatte der König die Akademie der Wissenschaften wieder hergestellt, so richtete er auch sein besonderes Augenmerk auf die
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von König Friedrich I. am 20. März 1699 gestiftete Akademie der Künste , deren ursprüngliche Einrichtung zwar erſt unterm 5. Februar 1786 wieder erfolgte. Schon am 20. Mai deſſelben Jahres fand in den Sälen des oberen Stockwerks die erſte Kunſtausstellung in Berlin statt, welche, 335 Nummern zählend, an neueren Werken zwar weniger reichhaltig war , aber doch eine große Anzahl von Werken früherer Meister enthielt , welche sich um die Kunst verdient gemacht hatten. Unter den Malern jener Periode zeichneten sich aus : Johann Christoph Frisch , Historienmaler und Rektor der Akademie ; der Portraitist Darbes ; der Landschaftsmaler Jakob Philipp Hackert. Letterer hatte sich in Berlin ausgebildet , begab sich dann 1765 nach Paris , Rom und Neapel , woselbst er zum Hof- und Kammermaler ernannt wurde. Hackert verſtarb 1807 in Florenz, als einer der ausgezeichnetsten Landschaftsmaler. Antoine Pesne , dessen wir bereits im ersten Bande erwähnt, war 1683 zu Paris geboren. Nach Beendigung seiner Studien in Italien in seine Vaterstadt zurückgekehrt, erfreute er sich als Maler bald eines großen Rufes . Dies beſtimmte ſchon König Friedrich Wilhelm I., ihn als Hof- und Kabinetsmaler 1711 mit einem Gehalt von 11,000 Thlrn . nach Berlin zu berufen. Als Direktor der Akademie führte er die Malereien im Rheinsberger Schlosse aus ; von seinem Pinsel besißen die Schlöffer zu Berlin, Potsdam und Charlottenburg die vorzüglichſten Gemälde. Namentlich in dem Leßteren jenes berühmte Bild , auf dem der dreijährige Kronprinz die Trommel schlägt , während seine Schwester darnach marschirt, und der Kammermohr hinter beiden den Schirm trägt.
Ein anderes Bildniß daselbst, ebenfalls
von großer Schönheit, iſt das des Kronprinzen im reiferen Alter, wie ihn bei äußerer Fülle eine ungemeine Zartheit und das leuchtende Auge charakterisiren. Derselbe Künstler hat auch später die schönsten Bildnisse des Königs gemalt , welcher als solcher übrigens niemals einem Maler gefeffen, obwohl er ſeine Portraits
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oft an Freunde verschenkte.
Pesne, welcher in dem Hause Ober-
wallstraße Nr. 3 wohnte, verstarb 1757 . Sein Schüler, Christian Bernhard Rode , wurde am 25. Juli 1725 als der Sohn eines unbemittelten Goldarbeiters geboren. Schon frühzeitig trat seine Neigung zur Kunſt hervor, bis er , unter Pesne's Leitung weiter ausgebildet , 1748 nach Paris und Rom ging , von wo er 1752 nach Berlin zurückkehrte. Rode schmückte durch seine Kunst die meiſten Kirchen Berlins mit Altarbildern ; auch radirte er gegen 250 seiner eigenen Gemälde in Kupfer. Am 21. Januar 1783 zum Direktor der Akademie ernannt , leitete er dieſelbe bis zu ſeinem am 14. Juni 1797 erfolgten Tode. Ein mächtiges SandsteinMonument zwischen halb versunkenen Gräbern auf dem Nikolaiund Marien-Kirchhof steht ernst und schweigsam mit seiner Urne und dem marmornen Reliefbilde vor dem verschwundenen Grabhügel des Mannes, welcher zur Zeit des Erwachens eines neuen. Geistes in der Malerei mit an der Spite unserer ersten Kunstschule stand. Die Akademie errichtete ihm zu Ehren jenes Denkmal im Jahre 1852. An ausgezeichneten Kupferstechern finden wir, neben dem in seiner Manier unerreichbaren Daniel Chodowiecki, einen Meister im großen Styl : Am 24. Januar 1712 Georg Friedrich Schmidt.
als der Sohn eines hiesigen Tuchmachers in derselben Stunde mit Friedrich dem Großen geboren , rief seine Mutter , als sie den Kanonendonner hörte : „ Ich habe ein großes Glück geboren ; mein Sohn wird die Freude und Ehre seines Stammes ſein !" Während seiner Militair-Dienstzeit hatte man ihn , als einen guten Zeichner, bald zum Bombardier befördert.
Nachdem ihm
der vielfach nachgesuchte Abschied stets verweigert worden, äußerte er zu seinen Kameraden : da man ihm denselben nicht geben. wolle, so würde er ihn nehmen , daß sie Alle es hören sollten. Als er dann einst den Nachtdienst bei der „ Lärmkanone " hatte,
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die beim Deſertiren eines Soldaten das Signal zur Festnahme desselben gab, feuerte er das Geschüß ab und entwich dann ſelbſt. Sein Ziel war Paris . Dort wurde er Carmafin's Schüler, und 1742, wegen seinen eminenten Leiſtungen, als Proteſtant ausnahmsweise zum Mitglied der Akademie ernannt. Zwei Jahre später verweilte sein Jugendfreund, der Baumeister Knobelsdorf, in Paris , auf dessen Veranlassung Friedrich der Große den Künstler in der schmeichelhaftesten Weise als Landeskind zurückrief und mit einem ansehnlichen Gehalt zum Hofkupferſtecher ernannte. Von seinem Grabstichel sind unter Anderm auch die Bildwerke und Vignetten zu des Königs historischen und poetiſchen Werken. Von den beiden Brüdern Meil war Johann Heinrich, der Maler, Bildhauer , Medailleur und Kupferstecher, 1729 in Gotha geboren. Von Leipzig 1757 nach Berlin berufen, wurde er Mitglied der Akademie der Künste und gleichzeitig deren Rektor. Er lieferte nicht weniger als 113 Blätter zu Gellert's Fabeln ; ferner zu denen Lafontaine's, zu Bürger's Gedichten und dem Seiler'schen Bibelwerk. 1803 . Johann Wilhelm Meil , 1733 zu Altenburg geboren, besuchte die Universität zu Berlin , um sich den Wiſſenſchaften zu widmen. Angeregt aber von den Werken der Kunst, gab er seinen Entschluß auf, um später unter den Kupferstechern den ersten Rang einzunehmen. Namentlich Meiſter in der Vignette, mit der er viele Werke der besten deutschen Schriftsteller schmückte, belaufen ſeine radirten Blätter zu Engel's Mimik “ , Gellert's Fabeln 2. sich auf über 500. Er starb, als Vice-Direktor der Akademie, am 2. Februar 1805. Daniel Berger endlich , 1744 zu Berlin geboren , hat als Profeffor der Kupferstichkunſt an der Akademie seinen Grabstichel durch die bekannten Blätter „ Schwerin's Tod “, „ Seidliß. in der Schlacht bei Roßbach",,,Friedrich II. mit dem Stern auf dem Haupte", so wie durch die Darstellungen deffelben und
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des Prinzen Heinrich, beide zu Pferde, berühmt gemacht. Außer dem eristiren von ihm viele vortreffliche Blätter in Romanen, Taschenbüchern und namentlich in den "/ Berlinischen Taschenkalendern" . Seine Sammlung deutscher Gelehrten und Künſtler ist gleichfalls bemerkenswerth. Er starb 1824 als Vice-Direktor der Akademie. Wenig Anerkennung zollte der König dagegen der MedailleurKunst, und dennoch sind viele Denkmünzen auf jene an Begebenheiten so reiche Zeit von Berliner Künstlern geprägt worden, wenngleich ihre Arbeiten bezüglich der Erfindung und Compoſition, des feinen und dabei doch kraftvollen Gepräges, sich nicht mit denen der holländischen Künstler messen können . Hervorzuheben sind namentlich die Denkmünzen des Berliner Hof- Medailleurs Jakob Georgi ; die Medaillen auf die Siege Friedrichs II., von Jakob Abramson , und diejenigen des Hof-Medailleurs Daniel Friedrich Loos . Von den Bildhauern der damaligen Periode ist allein zu nennen: Johann Peter Anton Tassaert.
Im Jahre 1729
zu Antwerpen geboren, begab er sich zu seiner größeren Ausbildung nach England, und demnächst nach Paris, wo seine Statue Ludwigs XV. allgemeine Bewunderung erregte. In Berlin wurde. Tassaert durch seine für den Prinzen Heinrich (Bruder Friedrichs des Großen) gefertigten Arbeiten bekannt , und so berief ihn Friedrich 1744 an seinen Hof, ernannte ihn zum Rektor der Akademie der Künste und zum Oberaufseher über sämmtliche Sculpturwerke in der Residenz . Außer vielen Büsten fertigte er vier Statuen für Sanssouci, das Monument der Frau v. Blumenthal in der hiesigen katholischen Kirche, und namentlich die Standbilder von Seidlig (1778) und von Keith (1786 ) auf dem Wilhelms -Plaz . Bekanntlich wurden die dort aufgestellten ſechs Statuen 1835 in Gyps abgeformt , um als Erzgebilde von Neuem ihre Ehrenwacht auf dem Plaße zu beziehen, während die 2
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Originale im Kadettenhauſe ihre Aufstellung gefunden. Taffaert verstarb 1788 zu Berlin, und bewohnte zuleßt das Haus Nr. 69 in der Aleranderſtraße, das der König 1780 für ihn erbauen ließ. Eine größere Vervollkommnung hatte sich auch die Muſik, bei der Vorliebe Friedrichs des Großen für dieselbe , in Berlin zu erfreuen ; Friedrich selbst unterhielt zur Aufführung seiner Konzerte eine vortreffliche Kapelle . Auch die Vorliebe der Berliner für musikalische Unterhaltungen veranlaßte Benda und Bachmann (1770), ein wöchentliches , sogenanntes " Konzert der Liebhaber" zu arrangiren, während Reichardt seine „ Concertes spirituelles " aufführte.
Unter den Musikern jener Zeitperiode muß , neben
Graun als Kapellmeiſter, zunächst genannt werden : Johann Friedrich Agricola , welcher, im Jahre 1718 zu Dobitschen (im Altenburgiſchen) geboren, in Leipzig die Rechte ſtudiren sollte. Durch den ihm von Sebastian Bach ertheilten Musikunterricht mächtig von der Tonkunst angezogen, widmete er sich nunmehr gänzlich derselben und kam, nachdem er sich mit der berühmten Sängerin Molteni verheirathet, 1759 nach Berlin, wo Friedrich der Große ihn noch in demselben Jahre an Graun's Stelle zum Kapellmeister ernannte. Von den zahlreichen Compositionen des Meisters ist seine Oper Iphigenia in Tauris " die namhafteste.
Nach seinem, am 12. November 1774 erfolgten
Tode erhielt die Leitung der Kapelle, bis 1776 : Karl Friedrich Chriſtian Fasch, der Sohn eines namhaften Kapellmeisters in Zerbst. Am 18. November 1736 daselbst geboren , komponirte er schon als Knabe und erhielt zuerst Unterricht im Violinspiel. Nachdem er mehrere Kirchenmusiken und Instrumentalsachen geschrieben, erregte er die Theilnahme des Konzertmeisters Benda , auf deffen Empfehlung er, 20 Jahre alt, als Kammermusikus und Cembaliſt in des Königs Kapelle berufen wurde. Als zarter Klavierspieler hatte er, abwechselnd mit Emanuel Bach, die täglichen Konzerte und Flötensolo's des Königs auf dem Klavier zu begleiten . Außer
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Quant war es bisher keinem der Musiker gestattet, dem königlichen . Künstler nach beendetem Spiel ein Bravo zuzurufen, bis Friedrich der Große einst gegen Fasch äußerte , daß er es ihm zuweilen auch kundgeben könne , wenn er (der König) ſein Spiel gut gemacht habe. Dies geschah denn auch. So sehr Friedrich allen Denen , die in seiner Nähe lebten , sein Wohlwollen bewies , jo karg war er dagegen mit den pekuniären Entschädigungen, die Jene zu beanspruchen hatten.
Auch Fasch erhielt für seine
Dienſtreiſe in das Winterquartier nach Leipzig, wohin der König ihn 1761 berufen , keine Vergütigung . Er fand dort „ einen gealterten, in sich gekehrten Herrn wieder , dem fünf Jahre des Kriegsgetümmels und Kummers , der Sorge und harten Arbeit einen Anstrich von Melancholie und trüben Ernst verliehen hatten, der gegen sein früheres Wesen merklich abſtach und ſeinen Jahren noch nicht entsprach. Dabei fiel ihm das Blasen der Flöte schwer". Einen bleibenden Namen hat Fasch durch die Stiftung der hiesigen Sing - Akademie sich gemacht , deren Anfänge wir in einer kleinen Anzahl kunstliebender Dilettanten zu suchen haben , welche unter seiner Leitung in den Jahren 1791 bis 1792 bei einer Dem . Dietrich , später in dem Hauſe der verwittweten General = Chirurgus Voitus , religiöse Compofitionen älterer und neuerer Meister a capella (ohne Inſtrumente) ausführten. Die Zahl der Theilnehmer wuchs in Kurzem so bedeutend, daß Fasch, dem von allen Seiten uud Ständen Ermunterung zu Theil wurde, ein eigenes Institut unter dem Namen SingAkademie begründen konnte. Ihm zur Seite ſtand, als Gehülfe bei der Leitung, sein Schüler Zelter. Von 1793 an fanden die Versammlungen und Aufführungen in dem runden Saale der Akademie der Wissenschaften , Unter den Linden , statt , bis König Friedrich Wilhelm II. den Plaz zur Erbauung des heutigen Sing-Akademiegebäudes bewilligte. Doch erst 25 Jahre nach des Stifters Tode, 1825, begann der Bau des neuen Gebäudes durch den
Herzoglich Braunschweigischen Baurath Ottmer, 2*
20 welchem auch das ehemalige Königstädtische Theater seine Entstehung verdankt. Die Eröffnung der Sing- Akademie fand dann am 8. April 1827 mit einer großen Muſikaufführung ſtatt. Fasch, welcher seine ganze Zeit und Kraft dem Inſtitute gewidmet, und ſelbſt mehrere vortreffliche Tonſtücke geschrieben hat, starb unverheirathet, am 3. Auguſt 1800. Die weiße Marmortafel ſeiner Grabſtätte auf dem alten Dreifaltigkeitskirchhofe trägt die Inschrift : „ Ich harrte des Herrn, und er neigte sich zu mir und hat mir ein neu Lied in meinen Mund gegeben , zu loben unsern Gott!" Johann Friedrich Reichardt , am 25. November 1751 zu Königsberg geboren, bekundete schon frühzeitig ein eminentes Talent als Geigenspieler, und unternahm als solcher in seinen zwanziger Jahren eine Kunstreiſe. In Berlin, wo ihn Friedrich der Große 1775 spielen hörte , gewann er die Zuneigung des Königs , welcher ihn an Faſch's Stelle zum Kapellmeiſter ernannte. „Folge Er Haffe und Graun", sagte Friedrich bei dieser Gelegenheit zu ihm ; " denn wo ich keine Melodie finde , da bin ich Nach dem Tode des Königs , auf den Reichardt die Trauer-Cantate geschrieben, wurde die alte Kapelle mit derjenigen des neuen Regenten vereinigt und Reichardt als Kapellmeister beibehalten. Seine Wirksamkeit dauerte indeffen nur bis Sein Diener".
zum Jahre 1794, in welchem er sich die Ungnade des Königs zuzog und seinen Abschied erhielt. Nach dem Regierungsantritt Friedrich Wilhelms III. kehrte Reichardt von Giebichenſtein bei Halle , woselbst sein Sohn studirte , und er selbst als SalzInspektor eine Anstellung gefunden hatte , nach Berlin zurück, führte seine Oper „ Brennus " auf, und componirte die „ Geisterinsel" so wie die Oper Rosamunde" . Von hier begab er sich dann nach Paris , Danzig , Königsberg , Memel und Kaffel, woselbst er zum Hof-Kapellmeister ernannt wurde. Doch auch dort hielt es den Unſtäten nicht lange ; er begab sich nach Wien Außer mehreren und verstarb daselbst am 27. Juni 1814.
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Opern , die von ihm in Berlin entstanden , setzte er auch die Lieder Goethe's in Musik , redigirte eine musikalische Zeitung, und schrieb zwei Theile seines "I Musikalischen Kunst-Magazins " - ein bedeutendes, aber leider unvollendet gebliebenes Werk, das ihn als einen der ersten Tongelehrten hinstellt. Karl Philipp Emanuel Bach endlich, ein Sohn des berühmten Sebastian Bach, am 14. März 1714 zu Weimar geboren, studirte daselbst die Rechte und dirigirte eine muſikaliſche Akademie. Als der vollkommenſte Virtuose auf dem Klavier ging er 1738 nach Berlin und wurde mit dem Kronprinzen bekannt.
Nach dem Regierungsantritt desselben als Kammer-
muſikus angestellt , hatte er von vier zu vier Wochen, abwechselnd mit Fasch , die Konzerte und Flötenſolo's des Königs auf dem Klavier zu begleiten. Ueber seine eminente Begabung äußerte Hasse sich wiederholt , und namentlich versicherte er von Bach's Symfonie aus E-moll, nie ein so erhabenes und geistvolles Stück gehört zu haben. Im Jahre 1759 schrieb Bach sein berühmtes Werk
Versuch, das Klavier zu spielen " .
Bei seinem heiteren
Wesen gefiel der geistreiche Mann sich darin ,
mit dem wegen
der allgemeinen Anerkennung seines Talents gegen ihn eifersüchtig gewordenen Quant auf gespanntem Fuße zu leben , und dabei äußerlich doch in gutem Vernehmen mit demselben zu stehen. Eine kleine Episode möge dies darthun. Madame Quang, die ihren Mann beherrschte, hatte einen bissigen Schooßhund. Dieſem ließ Bach, bei öfteren Besuchen im Hauſe ſeines Rivalen, ſtets einige Leckerbissen zu Theil werden , und durfte dafür unangefochten die Hand der Gebieterin küssen . Als einst in heiterer Gesellschaft über die Gravität des „Flötenbläsers " gesprochen wurde, deffen Stolz über Andere sich so maßlos erhebe, und der ſelbſt dem König gegenüber sich nicht verleugne, warf Bach die Frage auf: Welches wohl das fürchterlichste Thier in der preußiſchen Monarchie sei ? Alles schwieg , um von dem Fragenden die Antwort zu vernehmen , daß dies ― der Schooßhund der
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Madame Quant ſei. Denn dieſe ſelbſt fürchte ihn, vor Madame aber fürchte sich Herr Quant, und vor Herrn Quang wieder der größte Monarch der Welt.
Friedrich , welcher den Scherz
erfuhr , äußerte lächelnd gegen d'Argens : „ Daß Quang dieſe Geschichte nnr nicht erfährt , sonst jagt er uns noch Alle aus dem Dienst".
Bach, welcher den König zwar verehrte, gleich-
wohl aber sein Machtgebot auch
im Reiche der Kunst, wo
Götter walten, von denen alles Talent ausgehe und wieder dahin. zurückführe“ , nicht anerkennen wollte, wurde schließlich der ſteten Wiederholung jener Konzerte und Flötensolo's überdrüffig , die Quanß für den Monarchen componirt hatte. So nahm er denn 1767 seinen Abschied und ging als Musikdirektor nach Hamburg . Friedrich sah den Künstler ungern scheiden , von dem Haydn sagte : „ Alles , was ich weiß , habe ich Bach zu verdanken “ . Außer den Symfonien find namentlich das doppelchörige „ Heilig “ und der Chor „ Alle Lande find seiner Ehre voll " , so wie das Oratorium „Die Israeliten in der Wüste " hervorzuheben. Emanuel Bach verstarb am 14. September 1788.
Wenn wir uns nun den Handlungen des großen Königs zuwenden, welche die Hauptstadt besonders betrafen und hauptfächlich deren Verschönerung bezweckten, so haben wir unter den Baumeistern und ihren Werken, nächst Knobelsdorf, zu nennen : Oberbau- Direktor Diterichs , im Jahre 1702 zu Uelzen im Lüneburgiſchen geboren. Schon unter König FriedrichWilhelm I. erbaute er von 1735 bis 1737 die böhmische Kirche (früher auch Bethlehems-Kirche genannt) für die hier eingewanderten lutherischen Böhmen , welche sich in dortiger Gegend wohnhaft gemacht hatten. Dann die sechs Terraffen von Sanssouci, und von Privatgebäuden das stattliche Ephraim'sche Haus, Poststraße Nr. 16, jezt zum Königlichen Polizei-Präsidium gehörig . Wie sämmtliche Baumeister Friedrichs des Großen in Ungnade fielen, so auch Diterichs im Jahre 1752. Sein Tod erfolgte 1784 zu Berlin.
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Johann Boumann , im Jahre 1706
zu Amsterdam
geboren , wurde ebenfalls schon von König Friedrich Wilhelm I. 1732 nach Potsdam berufen. Dieser holländische Baumeister errichtete die dortigen holländischen Häuser , das Rathhaus und die katholische Kirche. In Berlin entstanden unter seiner Leitung das Prinz Heinrich'sche Palais (jezige Universität) , von 1754 bis 1764, und der Dom im Lustgarten, dessen Einweihung am 6. September 1750 erfolgte. Im Jahre 1773 legte er dann die lette Hand an den Bau der St. Hedwigskirche, deren mächtige Kuppel er vollendete. Boumann starb 1776 als Ober-BauDirektor. Georg Friedrich Boumann , der Sohn des Vorgenannten , erblickte 1737 in Potsdam das Licht der Welt. Als Oberst und Commandeur eines Artillerie-Regiments übernahm er 1775 die Leitung des Baues der Königlichen Bibliothek, deren äußere Gestalt der König ſelbſt, nach einer Zeichnung des Baumeisters Fischer von Ehrenbach zu Wien, beſtimmte, nachdem Unger einige Aenderungen in dem Plan vorgenommen hatte. Ferner entstand unter seiner Leitung, nach Gontard's Zeichnung, 1778 die Königsbrücke mit ihren Kolonnaden.
Er bewohnte,
als Ober- Baurath, seit 1781 das von ihm erbaute Haus, Grenadierstraße Nr. 10 . Karl v. Gontard , 1738 in Mannheim geboren, war ein Schüler des berühmten Blondel zu Paris . Nachdem er den Markgrafen von Baireuth nach Italien und Griechenland begleitet, trat er 1765 in preußische Dienste. Unter seiner Leitung entſtand von 1763 bis 1769 das Neue Palais in Potsdam , zu dessen Prachtbau Friedrich der Große die Idee selbst angegeben, und Büring und Le Gai hiernach die Pläne entworfen hatten. In Berlin wurden nach seinen Zeichnungen und unter seiner Aufsicht derfranzösische und der deutsche Dom auf dem Gensd'armenMarkt 1780 begonnen, wenngleich die Hauptidee von Friedrich dem Großen , nach dem Vorbild der Kirchen auf dem Plate
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del Popolo zu Rom, angegeben ist. Nachdem der deutsche Dom in Folge der Eile, mit welcher der König den Bau betrieb, in der Nacht des 28. Juli 1785 zusammengestürzt war in Folge dessen Gontard's Verhaftung erfolgte,
auch der französische
Dom Riſſe zeigte , wurde das Gemäuer von beiden runden Thürmen, jedoch nicht von dem viereckigen, äußeren Bau abgetragen, und unter Unger's *) Aufsicht von neuem begonnen, um 1785 vollendet zu werden. Vereint mit Langhans und Krüger, führte Gontard dann im Jahre 1787 den Bau des MarmorPalais bei Potsdam aus , und starb am 23. September 1791 auf einer Reise in Breslau. *) Georg Christian Unger, 1743 in Baireuth geboren, kam 1763 nach Berlin.
Nachdem wir so im Allgemeinen jener Männer gedacht, beginnen wir mit der ausführlicheren Schilderung derjenigen, die ein größeres Interesse zu beanspruchen haben. Ueber die Kriegshelden des großen Königs wird der dritte Band dieses Werkes sich verbreiten. Der Verfasser.
I.
Jordan.
Cu dem Kreise hervorragender Geister , mit denen schon der Z Kronprinz während der heiteren Tage von Rheinsberg " sich umgab, gehörte zunächst Karl Stephan Jordan. Als ein Abkömmling der französchen Refugié's im Jahre 1700 zu Berlin geboren, studirte er Theologie, und wurde demnächst als franzöſiſch-reformirter Prediger in Prenzlau angeſtellt . Doch seinem thätigen Geiſte ſagte der beschränkte Wirkungskreis nicht zu, und so gab er denn nach dem Tode seiner innigſt geliebten Gattin, im März 1732 , diese Stellung auf , um den Freiherrn von Knyphausen auf seinen Reisen durch Frankreich, England und Holland zu begleiten. Dem Kronprinzen empfohlen, berief ihn dieser zur Unterhaltung „et pour les Commissions litéraires ", als Lecteur und Bibliothekar, im September 1736 an den Hof nach Rheinsberg . Dort nannte er Jordan wie er dies mit anderen Namen auch bei den übrigen Freunden zu thun pflegte — bald seinen „ Hephästion“ , bald „Tindal".
Unmittelbar nach der Thronbesteigung seines königlichen Gönners wurde Jordan zum Geheimen Rath und Curator sämmtlicher Universitäten des Landes, 1744 aber von der Akademie der Wissenschaften zu ihrem Vice-Präsidenten ernannt. Er verwendete nun , wie Friedrich der Große wörtlich von ihm ſagt, „ alle ſeine Talente zum Nußen des Staates .
Ihm
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hat Berlin die neuen Polizeieinrichtungen zu danken, wodurch die jezt darin herrschende schöne Ordnung bewirkt worden ist. Alle Straßen wurden von jenen nichtswürdigen nnd verworfenen Müßiggängern gereinigt, deren Aeußeres die Mildthätigkeit der Bürger irre führt. Auf seine Veranstaltung ward ein Arbeitshaus erbauet, worin tauſend Personen , die vorher dem Publikum zur Last fielen, sich jezt von ihrem Fleiße nähren und ihre Kräfte Berlin ward in Viertel zum allgemeinen Besten verwenden. eingetheilt und jedem Männer vorgeseßt, welche auf die Befolgung der Polizeigefeße halten müffen. " Die lettere Einrichtung der sogenannten „ Viertels - Commiffarien “ hat sich bis zur Einführung des Inſtituts der Schußmannschaft bei uns erhalten. Anfänglich (1742), war Berlin mit seinen Vorstädten in 18 Quartiere oder Reviere eingetheilt, denen eben so viele RevierCommissarien vorstanden . Die eingetroffenen Fremden mußten noch an demselben Tage angemeldet werden, zu ihrer Sicherheit dienten zwölf vereidigte Lohnbediente. Die numerirten Fiaker, deren Anzahl unter Friedrich Wilhelm I. sich auf fünfzehn belief, und die ihren Halteplaß bei der Stechbahn hatten, wurden bedeutend vermehrt und unter die Aufsicht eines Polizei- Commiffarius gestellt. Zur Reinigung der Straßen dienten 36 zweispännige Karren, welche den vor den Häusern zusammengehäuften Kehricht wegschaffen mußten. Die Erwähnung noch anderer Edikte und Polizei-Verordnungen dürfte hier zu weit führen.
Nur in Betreff des Arbeitshauses verlohnt es sich noch, einen Rückblick auf das Bettelwesen zu werfen, das der König in wenigen Worten so scharf scizzirt. Philipp Hainhofer aus Augsburg, einer der größten HandelsHerren seiner Zeit , schreibt auf seiner Durchreise (1617) über Berlin: „Zwischen obengedachtem Haus (dem Lagerhaus in der Kloſterstraße) und dem Kloster sain viel Losamenter, darinnen jeßt nur
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Bier, so zu Hofe verbraucht, gebrawen würdt .
Vor diesem hat
es Churfürst Joachim Friedrich, Chriſtmilteſter Gesinnung , zu einem Zuchthaus geordnet, da etwan muthwillige Leute oder Kinder, die auf der Straßen das Volk mit Betteln moleſtiren und doch gesund waren, oder die etwan anderswo das landläufig Fersengeld gegeben , daß sie dahin zur Arbeit geordnet werden sollen und St. Raspino opfern (jedenfalls eine Umschreibung für Zwangsarbeit), zu welchem Ende auch allberait von Hamburg und aus Holland allerley Handwerker verschrieben waren ; als aber Sr. Churf. Durchlaucht unverhofften Tods verblichen , ist es unterblieben. "
So finden wir denn unter der nur kurzen Regierung dieses vortrefflichen, für das Wohl seiner Unterthanen so besorgten Kurfürsten, deffen Hofhaltung eine fast bürgerliche war , schon den Plan zu einem Arbeitshause vor, dessen Verwirklichung nur durch das am 18. Juli 1608 plößlich erfolgte Hinscheiden Joachim Friedrichs vereitelt wurde. Erst später, unter dem Großen Kurfürſten, entstand dann auf der sogenannten „ Insel “ in der heutigen Straße an der Fischerbrücke ein Zucht- und Spinnhaus , das aber bald wieder einging, um in seinen erweiterten Baulichkeiten den heutigen " Actien- Speicher" zu bilden . Vor Einführung der Reformation wurden die „ unwürdigen“ Bettler von den Bettelvögten ergriffen, bestraft und dann einfach aus dem Weichbilde der Stadt vertrieben ; die wahrhaft Bedürftigen erhielten dagegen ein Abzeichen, das sie zum Gegenstande des allgemeinen Mitleids machte. So bestimmt eine Verordnung vom Jahre 1486 , daß man der Bettler halber ein Statut folle ausgehen lassen und darauf achten, daß Diejenigen, welche arbeitsfähig, nicht mehr betteln sollen. Geſchähe dies dennoch, so sollen fie aus der Stadt vertrieben werden. Den Bedürftigen dagegen sei das Zeichen der Städte (Berlin und Cölln) zu ertheilen. Und der Visitations - Receß von 1540 sagt :
„ Da jezt viele
Bettler in den Gaſſen umherlaufen , welche arbeitsfähig und
28 unbekannt sind, so soll der Rath auf sie achten, und, insofern ſie zu arbeiten sich weigern , sollen sie verwiesen werden. Die Gebrechlichen aber sollen ein Zeichen erhalten, das sie am Hute oder Schleier zu tragen haben , damit sie von den anderen Bettlern, welche dieses Zeichen nicht haben, leicht zu unterscheiden. sind 2c." Ein solches Zeichen, aus dem Jahre 1550, etwa dreiviertel Zoll groß, war ziemlich roh aus Blei geprägt und trug, in der Form eines Wappenschildes, den nach links aufsteigenden Bären ohne Halsband . Ueber demselben standen die Jahreszahlen. 15 B (Berlin) 54. und 15 B 50. Das Zeichen wurde also in dem letteren Jahre ausgegeben und behielt bis 1554 ſeine Gültigkeit, um dann durch ein neues ersetzt zu werden . Es wurde am Hut oder, bei den Frauen, am Schleier getragen , welcher aus grober Leinwand bestand. Die späteren Zeichen waren schon aus Messingblech gefertigt, hatten die Größe eines Doppelthalers und trugen, um den nach rechts gewendeten Bären mit dem Halsbande, die Inſchrift : Gebet den Armen zu Berlin. Auch Cölln hatte seine Bettelzeichen, die wahrscheinlich mit einem Adler versehen waren. Aber auch auswärtige Personen erhielten für Berlin solche Erlaubnißzeichen zum Betteln, sobald der Rath ihre Würdigkeit geprüft hatte.
Darauf bezieht sich die Anspielung Hainhofer's
auf Diejenigen, die etwan anderswo das landläufig Fersengeld gegeben". Es erfolgte die Ertheilung bei besonderen Unglücksfällen : Brand, Wassersnoth und dergleichen. Als das Unwesen der Bettelei unter Friedrich dem Großen
überhand genommen hatte, wurde das von dem Schlächtergewerk aufgegebene Gildehaus am " Rondeel" (jezt Bellealliance- Plat Nr. 11) zur Errichtung des vorerwähnten Arbeitshauses , vom 30. April 1742 ab, für einen jährlichen Betrag von 180 Thalern gemiethet, um leichtsinnige Bettler in demselben zur Arbeit und Ordnung anzuhalten. Zur Beſtreitung der Kosten wurde der
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Fonds von 107,220 Thalern genommen, den Friedrich Wilhelm I. zur Errichtung und Unterhaltung eines Findelhauses bestimmt und dem Königlichen Armen-Directorium, unter Androhung des zeitlichen und ewigen göttlichen Fluches , dies Kapital nicht anders zu verwenden , auch die Stiftung stets heilig zu halten , überwiesen hatte.
Das Bedürfniß und die Nothwendigkeit eines
Findelhauses war indeffen für Berlin damals weniger fühlbar, weil das Große Friedrichs -Waisenhaus bereits Abhülfe gewährte. So konnte denn schon im Mai 1742 der „Ochsenkopf“ , welchen Namen das Institut nach dem Schilde des Schlächtergewerks führte , von einhundert, als muthwillige Bettler auf-
gegriffenen Personen bezogen werden.
Bald aber mußte man die daneben gelegenen Gewerkshäuser der Schuhmacher, Schloffer und Bäcker behufs Vergrößerung der Anstalt dazu miethen . In den so vereinigten Lokalitäten befanden sich 1747 bereits gegen 400 Individuen, bis die stetige Zunahme derselben im Jahre 1757 die Erbauung des jeßigen Arbeitshauses erforderlich machte, das nach jener früheren Bezeichnnug noch heutigen Tages im Volksmunde der Ochsenkopf" genannt wird. Leider überraschte der Tod den talent- und verdienstvollen Mann schon in der Blüthe seiner Jahre ; er verstarb nach lang-
wieriger Krankheit am 24. Mai 1745, innigst betrauert von dem König, welcher oft an seinem Schmerzenslager verweilte. Wie schwer der Verlust Jordans , dem kurz zuvor auch Suhm im Tode voraufgegangen war , den Monarchen traf, das klagt er seiner alten Freundin, der Frau von Camas , in einem vom 30. August 1745 datirten Briefe:
aus dem Feldlager Smoniz
„ Das lezte Mal, als ich Ihnen schrieb, war meine Seele recht ruhig , und ich sahe das Unglück nicht voraus , das mich niederbeugen sollte. Ich habe in weniger als drei Monaten meine beiden treuesten Freunde verloren , mit denen ich immer gelebt habe und deren angenehmer Umgang und tugendhaftes
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Leben, wie die wahre Freundschaft, welche ich für sie hegte, mir oft den Kummer haben besiegen und Krankheiten haben ertragen helfen. Sie können sich wohl denken , wie schwer es für ein Herz , so gefühlvoll als das meinige geschaffen, ist , den tiefen Schmerz zu ersticken, den dieſer Verlust mir erregt. Ich werde mich nach meiner Rückkehr nach Berlin fast einſam in dem eigenen Vaterlande finden, und gleichsam vereinzelt unter meinen Penaten. Ich spreche zu einer Frau, welche Beweise von Festigkeit gegeben hat, indem sie auch faſt auf Einmal so viele Personen verloren hat , die ihr theuer waren ; aber, Madame, ich gestehe Ihnen, daß ich Ihren Muth bewundere, ohne ihn nachahmen zu können. “ Und seinem treuen Duhan schreibt er unterm 24. September, nachdem Keyserling inzwischen ebenfalls verstorben : „Das war meine Familie, und ich glaubte nun verwittwet, verwaiſet und in einer Herzenstrauer zu sein, welche finſterer und ernſter iſt, als die schwarzen Kleider. Erhalten Sie mir Ihre Gesundheit und bedenken Sie, daß Sie mir beinahe allein noch von meinen alten Freunden übrig sind . " So ehrte und bewahrte Friedrich der Große das Andenken der Dahingeschiedenen , in deren treue Herzen er Freud' und Kummer rückhaltlos ergoffen.
II. Duhan de Jandun .
iner pietätvollen Zuneigung bis an sein spätes Lebensende Finer erfreute sich der Lehrer des Königs – Duhan de Jandun. Am 14. März 1686 zu Jandun in der Champagne geboren, kam er als vierzehnjähriger Knabe mit seiner Mutter nach Berlin, woselbst sein Vater , welcher als Protestant bereits früher eingewandert war, eine Secretairstelle bei Hofe bekleidete. Duhan ließ seinem Sohne durch den gediegenen le Croze eine sorgfältige Erziehung angedeihen, bis derselbe, gezwungen durch die Ungunſt der Verhältnisse, eine Stellung als Erzieher bei dem Sohne des Feldmarschalls Grafen von Dohna anzutreten sich genöthigt sah. Als Letterer 1715 in's Feld zog, begleitete ihn der kriegsbegeisterte Duhan, und erwarb sich bei der Belagerung von Stralsund die Zuneigung des Königs (Friedrich Wilhelms I.) in so hohem Grade, daß dieser ihn zum Gouverneur und Informator des Kronpriuzen ernannte. Bis zum Jahre 1727 leitete Duhan die Erziehung des jugendlichen Fürsten, welche, damals auch in bürgerlichen Kreisen eine wesentlich französische , doch jene Harmonie der klassischen Bildung nicht erreichte , zu welcher den großen König eine unüberwindliche Sehnsucht hinzog. Duhan erweiterte die franzöſiſche Sprachfertigkeit seines fürstlichen Zöglings , und selbstverständlich lag diesem die völlige Hingabe an die französische Literatur sehr nahe, zumal auch sein Vater, zwar deutsch, aber in Bezug auf
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Literatur wenig nationale Intereffen hegte. Namentlich war es die Liebe zur Geschichte und Philosophie, welche Duhan auf den Kronprinzen übertrug und ihn schon früh zum selbständigen Denken leitete. Unterm 20. Juni 1727 , nachdem Jener seines Erzieheramts enthoben und zum Gerichtsrath ernannt worden war, ſchrieb ihm der Kronprinz : „Mein lieber Duhan ! Ich verspreche Ihnen, wenn ich eignes Geld in Händen habe , jährlich 2400 Thaler, und werde Sie immer noch ein wenig mehr lieben , als dies bisher möglich. " Als dann der Zwiespalt zwischen Vater und Sohn ausgebrochen und letzterem , nach dem mißglückten Fluchtversuche, der Prozeß gemacht war , fielen auch Duhan und dessen Vater in Ungnade. Jener mußte sich in die Verbannung nach Memel begeben, während der Lettere seiner Stellung und des Gehaltes als Legationsrath verlustig ging . Friedrich unterſtüßte Beide, soweit seine eigenen Verhältniffe es gestatteten ; er erfreute ſeinen ehemaligen Lehrer durch mancherlei Aufmerksamkeiten und erinnerte sich dabei, wie er an Duhan schrieb, unaufhörlich des schönen Zeugniſſes , das Alerander der Große ſeinem Lehrer durch die Erklärung gab, wie er in gewissem Sinne gegen ihn mehr Verbindlichkeiten als gegen den eigenen Vater hätte. „ Wem ich Freund bin, dem bin ich es in voller Wirklichkeit" , schrieb der Kronprinz dann unterm 15. Juli 1733 an Duhan,
als dieser auf seine Verwendung in Blankenburg bei
dem Herzog von Braunschweig-Wolffenbüttel in Dienſte getreten war. In allen späteren Briefen Friedrichs ſpricht sich die Sehnsucht nach einer Wiedervereinigung mit dem hochverehrten Lehrer aus , die endlich in Erfüllung gehen sollte. Am dritten Tage nach der Thronbesteigung Friedrichs II . erhielt Duhan ein königliches Handschreiben des Inhalts : „ Mein Geschick hat sich anders gestaltet, mein Lieber. Ich erwarte Sie mit Ungeduld. Sie mich nicht schmachten. "
Laffen
33 Zum Geheimen Rath im Departement der auswärtigen Angelegenheiten , und an seinem sechzigsten Geburtstage zum Direktor der Liegnißer Ritterschaft ernannt, sprechen sich die hochherzigen Gesinnungen Friedrichs des Großen in einem Begleitschreiben an Duhan aus : „Lieben Sie mich und seien Sie fröhlich; dies sind Ihre Verpflichtungen. Leben Sie zufrieden in Berlin , lieber Duhan , und erfreuen Sich in Ihrem Alter der Ihrem Verdienste gebührenden Annehmlichkeiten , die das Schicksal Ihnen in der Jugend versagte." Nachder Plünderung des Hauptquartiers, während der Schlacht bei Soor, wurde Duhan vom König beauftragt, für den Ersatz der verlorenen Feldbibliothek zu sorgen . " Denn nicht unaufhörlich habe ich alle Hände voll zu thun “, fügte Friedrich seinem Auftrage hinzu ; „ es findet sich schon der Moment, ein gutes Buch zu lesen. “ Und aus Trautenau datiren sich vom 15. Oktober deffelben Jahres (1745) die herzlichen Zeilen : „ Sie werden mich immer bei dem beharrlichen Entschluß finden, meinem alten Lehrer Ehre zu machen .... . . . Adieu , mein lieber und alter Freund ! Wenn ich nach Berlin zurückkomme , hoffe ich Sie in meinem Zimmer zu treffen und einen Freund wiederzusehen , welchen der Tod in diesem Jahre nicht hinweggenommen. " Es war Jordan mit diesen Worten gemeint. Von Baußen aus äußerte dann Friedrich, unterm 7. Dezember, gegen Duhan die Hoffnung : bald, wenn es der Himmel erlaubt, daß er den Schreckniffen des Krieges hier ein Ende mache, in's Vaterland zu den Anverwandten und in den Verkehr mit den Freunden zurückzukehren , sowie den Wissenschaften diejenigen Momente schenken zu können , welche der Staat nicht von ihm fordere. Des Königs Hoffnung sollte bald in Erfüllung gehen. Acht Tage später, nach dem Siege bei Keffelsdorf , erfolgte am 25 . Dezember der Friedensabschluß zu Dresden. Am 28. hielt Friedrich 3
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der Große seinen ersten und einzigen Triumph- Einzug in Berlin. Unter den Glückwünſchenden , die ihn im Schloffe empfingen, vermißte er seinen alten, lieben Duhan ... Er lag auf dem Sterbebette. Duhan hatte den König 1741 in den Feldzug begleitet und war nach seiner Rückkehr leicht erkrankt. Ohne dem Keim des Uebels zu begegnen , verschlimmerte sich dasselbe mehr und mehr, um endlich sein leßtes Stündlein herbeizuführen. Standhaft ertrug Duhan seine Leiden und bereitete sich auf das herannahende Lebensende vor. In lichter Pracht strahlten die Häuser der Residenz am Abend des 28. Dezember 1745. Auch in der ſtillen, vom Geräuſch abgeschlossenen Adlerstraße erglänzten die Fenster , und selbst Duhan's waren hier nicht ausgeschlossen von dem allgemeinen Glanze der Illumination. Während er im Hinterſtübchen die Schwelle der stillen Ewigkeit im Geiste schon betrat , hatte die Schwester, auf seinen Wunsch, dies lezte Zeichen der Dankbarkeit und Verehrung dem Ruhmestage seines theuren Königs gewidmet. Um 6 Uhr seßte Friedrich der Große sich zu Wagen ; doch seitwärts, nach der Adlerstraße, führte die Karosse den königlichen Sieger. Hier, vor dem Hause des Fabrikanten Espagne, No. 7, stieg er aus und eilte bewegt an seines Lehrers Sterbelager. Es war ein überwältigender Anblick : ein Sterbender inmitten einer glänzenden Illumination, vor ihm der siegreiche Held des Jahrhunderts, welcher unter dem freudigen Zurufe feines Volkes den vom Leben Scheidenden tröstete, seine Leiden mitfühlte, und in diesem Augenblicke wohl der Nichtigkeit aller menschlichen Es war auch der letzte Abendglanz in er verstarb am 3. Duhan's Leben. Wenige Tage später Januar - trug man ihn hinaus zur ewigen Ruhestätte. . . Ein bleibendes Denkmal aber hat Friedrich der Große seinem Größe sich erinnerte.
Lehrer in einer Lobschrift gefeßt , die in der Berliner Akademie niedergelegt wurde , deren Mitglied der Verstorbene war.
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heißt darin : „Der König entzog sich dem Geräuſch ſeines Triumphes, um ihn noch am Ankunftstage zu besuchen und den lezten Augenblicken des Herrn Duhan den Tribut der Dankbarkeit und Ehrfurcht zu zollen . . .
Niemals hatte der König
einen eifrigeren und treueren Unterthanen. Trauer ist Duhan's höchstes Lob . “
Des Königs tiefe
3*
III. Samuel von
Cocceji.
ochverdient um die Verbesserung der damals noch, von alten B Zeiten her, im Argen liegenden Juſtiz, wird der Name dieſes Mannes in der Geschichte des großen Königs fortleben, welcher auch den Gerichtshöfen während seiner ganzen Regierung das wachsamste Auge zuwendete. Samuel von Cocceji , der Sohn des im Jahre 1702 in den Adel- und Reichsfreiherrnstand erhobenen Professors der Rechte zu Frankfurt a. d. Oder, war 1679 in Heidelberg geboren. Nach vollendeten Studien zum ordentlichen Professor in Frankfurt a. D. ernannt , wurde er 1704 als Regierungsrath nach Halberstadt berufen , um sechs Jahre später die Stellung eines Direktors der dortigen Regierung einzunehmen. Im Jahre 1711 erhielt Cocceji den Auftrag zur Visitation des Reichskammergerichts in Weglar , wurde dann als geheimer Justiz- und Ober-Appellations -Rath nach Berlin versezt, um im Jahre 1723 zum Hofund Kammergerichts -Präsidenten, und 1731 , nach dem Tode des Justizministers v. Plotho , zu deffem werden.
Nachfolger ernannt zu
Wenige Jahre später gab dann Cocceji die Veranlassung zur Aufhebung der Tortur, nachdem keine Erfahrung, kein noch so offenkundiger Beweis von falschen , durch dieselbe erpreßten Geständnissen bisher Beachtung gefunden hatte. In dem sogenannten " Stelzenkrug" (Invalidenhaus) , an
37 der Ecke der Alerander- und Neuen Königstraße, wohnten 1737 eine Hochbetagte Wittwe und ein Lehrer. An einem Winternachmittage jenes Jahres unternahm Leßterer einen Spaziergang nach dem Dorfe Weißensee, wohin damals noch kein chaussirter Weg führte. In später Abendstunde trat der Lehrer ſeinen Heimweg quer über die Felder an , doch ein Schneegestöber ließ ihn den richtigen Pfad verfehlen, erst nach vielem Umherirren erreichte er gegen Morgen seine Wohnung . Inzwischen hatte man die Wittwe erdrosselt und unter Umständen vorgefunden , die deutlich einen. Der Verdacht lenkte stattgehabten Widerstand bekundeten. sich sofort auf den Lehrer , dessen Verirrungsgeschichte in der That verdächtig erscheinen mußte. Er wurde gefänglich eingezogen, und weil er hartnäckig leugnete, sollte die Folter gegen ihn zur Anwendung gebracht werden. Da hatte im leßten Augenblick v. Cocceji bei Durchsicht der Akten ersehen , daß der Knoten des Strickes, womit die Wittwe erdrosselt worden, ein sogenannter „ Henkersknoten “
gewesen.
Die Tortur wurde eingestellt , der
Leichnam ausgegraben, und von dem Meister Brand der Kunſtknoten eines Henkers rekognoscirt, auch die Behauptung aufgeſtellt, daß nur ein solcher der Mörder gewesen sein könnte. Alsbald ergaben denn auch die weiteren Nachforschungen , daß die Wittwe zwei Neffen hatte , welche als Scharfrichtergehülfen in Brandenburg funktionirten. Ihre Verhaftung erfolgte, und Beide räumten das Verbrechen ein. Diese Thatsache erregte nicht nur allgemeines Aufsehen , sondern reiste auch in dem damaligen Kronprinzen den Entschluß zur Aufhebung der Tortur , die demnächst durch Kabinetsbefehl vom 3. Juni 1740 erfolgte. „Man verzeihe es mir" , schreibt Friedrich der Große in seiner Abhandlung : Ueber die Gründe, Geſeße einzuführen und abzuſtellen — „ wenn ich mich gegen die Tortur ereifere .
Ich
wage es , die Partie der Humanität gegen einen Gebrauch zu nehmen, welcher den Chriſten und den gebildeten Völkern Schande
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macht, und ich wage hinzuzufügen : gegen einen Gebrauch, der eben so grausam als unnüß iſt. “ Hatte Cocceji schon unter der vorigen Regierung ſein Bestreben, wenn auch vergeblich darauf gerichtet, den Juſtizbeamten größere Achtung und befferes Gehalt, sowie ein deutsches Gefeßbuch zu verschaffen, so sollte er doch im hohen Alter die Durchführung seiner reformatoriſchen Pläne noch verwirklicht sehen. Zunächst wurden mit dem Stadtgericht einige Veränderungen vorgenommen , indem dasselbe aus einem Direktor , fünf Civilund einer gleichen Anzahl von Criminalrichtern, fünf Assessoren nebst den erforderlichen Unterbeamten bestehen sollte . Außerdem entstand im Jahre 1742 ein eigenes Baugericht mit einem Direktor und mehreren Bauräthen, welche alle Streitigkeiten in Bauangelegenheiten zu entscheiden hatten.
Später
erhielt dann auch die königliche Porzellan-Manufaktur ihr besonderes, aus einem Direktor und einem Juſtitiar zusammengefeßtes Gericht, zu dem sämmtliche dort beschäftigte Arbeiter und deren Frauen gehörten. Unterm 14. Januar 1775 schrieb der König, nachdem er schon
mit Beginn des voraufgegangenen Jahres bekannt gemacht hatte, daß Jedermann seine Bitten, Gesuche und Beschwerden eigenhändig zur genauesten Erwägung bei ihm anbringen dürfe, an Cocceji : " Es wird Euch in gutem Andenken schweben, was für viele ernstliche Verordnungen und Einrichtungen wegen Verkürzungen derer landverderblichen Prozesse in denen vorigen Zeiten ergangen und gemacht worden .
Wann Ich aber noch zur Zeit keine
Frucht davon verspüre, wohl aber mehr als zuviel erfahre, daß dem ungeachtet fast keine wahre Justiz im Lande mehr zu finden, ſondern dasselbe über die Protaction derselben zu seufzen Ursache habe ; so befehle ich Euch nochmals allergnädigst, diese so angelegene, als dem Lande so ersprießliche Sache, bei Eurer Obliegenheit, zu dem ersten und genauesten Augenmerk zu machen und dahin zu sehen , daß bei denen Justizcollegiis solche feste und
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unveränderliche Einrichtung gemacht werde, damit alle vorkommende Prozesse, nach Beschaffenheit derer Sachen, fonder alle Weitläuftigkeiten und Verzögerungen nach wahrem Rechte kurz und gut in jeder Jahresfrist abgethan und entschieden werden mögen. Ich verlasse mich auf Euch. Ihr werdet schon nach reiflicher Ueberlegung solche Mittel ausfindig machen , welche zur Erreichung dieses Zweckes erforderlich sind " . Von erhöhtem Eifer für die Rechtspflege getrieben , richtet Friedrich dann das denkwürdige Schreiben vom 12. Januar 1746 an Cocceji : „Da aus unzähligen mir bekannten Erempeln erhellet, daß nicht ohne Ursache überall über eine ganz verdorbene Juſtizadministrazion in meinen Landen geklaget worden ; ich aber, bei nunmehro geschlossenen Frieden, darzu nicht stille schweigen, sondern mich selbst darein meliren werde : so solltet Ihr nun an alle Meine Justizkollegien eine nachdrückliche Circularordre desfalls ergehen lassen, worinnen dieselben von denen bisherigen , leider ! eingeriffenen und oft himmelschreienden Mißbräuchen , durch Chikanen, Touren und Aufhaltungen der Justiz, nach der alten Leier, der wohlhergebrachten Observanz, und dergleichen öffentlich tolerirten Mitteln der Ungerechtigkeit abgemahnet , hingegen angewiesen werden , künftig bei Vermeidung Meiner höchsten Ungnade und unausbleiblicher Bestrafung, allein darauf zu arbeiten, daß jedermann ohne Anjehn der Person eine kurze und solide Justiz, sonder großes Sportuliren und Kosten , auch mit Aufhebung derer gewöhnlichen Dilationen und oft unnöthigen Inſtanzien adminiſtriret und alles dabei bloß nach Vernunft, Recht, Billigkeit, auch wie es das Beſte des Landes und deren Unterthanen erfordert, eingerichtet werden möge".
Im Januar 1747 begab Cocceji, wegen der ihm aufgetragenen Justizverbesserung, sich nach Stettin ; denn in Pommern schwebten damals die meisten Prozesse - herrschte die " größte Confusion " .
Diesen Argusstall zu reinigen, erledigte er in acht
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Monaten 2400 , alſo täglich zehn der älteren Prozeſſe , denen dann die bis zum Jahre 1746 eingeleiteten folgten . Durch ihn erhielt, auf Friedrichs Befehl , Pommern in dem „ Project des Codicis Fridericiani Pomeranici " eine neue Prozeß-Ordnung, nach welchem die Justiz auch in den übrigen Provinzen eingerichtet werden sollte. " Es kann nicht anders als glorieux für Eure Collegen ſein “, schrieb Friedrich unterm 30. Januar 1748 an die pommerſche Regierung, „ daß Ihr die Bahn gebrochen, die Chicane von der Justiz zu verbannen , und daß Ihr nunmehro unſeren übrigen Provinzen zu einem Erempel dienet, dasjenige, was ihr so glücklich zu Werke gerichtet, nicht allein als möglich anzusehen , sondern auch Euren Fußstapfen nachzufolgen ". Schon unterm 8. März 1747 wurde Cocceji , an Stelle des scheidenden Juſtizminiſters v . Arnim, zum Großkanzler ernannt und ihm der Schwarze Adlerorden verliehen.
Es galt diese Ver-
leihung als eine „ distinguirte Marque gnädigster Zufriedenheit“ des Königs , denn nach dem Paragraph 6 der Statuten dieſes Ordens soll derselbe nur Demjenigen verliehen werden , welcher aus " rechtem, aufrichtigem, altem adligen, rittermäßigem Geschlecht entsproffen und acht Ahnen beibringen kann " . Nun erfolgte , nachdem die untauglichen Sachwalter und Richter von ihren Stellen entfernt waren , die neue Kammergerichts - Ordnung des Codex Fridericiani Marchici " , nach welcher sämmtliche Prozesse in einem Jahre durch drei Instanzen zu Ende geführt werden müffen.
Auch das Project einer „ Sportul-
Ordnung“ und eines Pupillen-Collegii konnte schon unterm 3 . April 1748 bekannt gemacht werden. Eine fernere , wenn auch nicht allgemein durchgeführte
Schöpfung des hochbetagten, patriotischen Großkanzlers war sein "Corpus juris Fridericianum “ der Entwurf eines neuen preußischen Gesetzbuches , oder das von „ Sr. K. M. in Preußen in der Vernunft und den Landesverfassungen gegründete Landrecht,
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worin das römiſche Recht in eine natürliche Ordnung und richtiges System gebracht und die Generalprinzipien, welche in der Vernunft gegründet, bei einem jedem Object festgesezt sind 2c. “ Unterm 28. Dezember 1749 wurde dann der Geheime Juſtizrath, welcher die Streitigkeiten zwischen dem Landesherrn und den Ständen zu entscheiden hatte, aufgehoben, und in erster und zweiter Instanz von dem Kammergericht , in der Reviſion aber von dem Tribunal behandelt zu werden . Die segensreiche Wirksamkeit dieser Reformen trat bald zu Tage.
Und so schreibt denn der König mit Rücksicht darauf,
daß im Jahre 1750 von dem Ober- Appellationsgericht 560 Prozesse geschlichtet worden waren, unterm 3. Januar 1751 an seinen Großkanzler : „Es hat mir eine wahre Freude gemacht, aus eurem unterm 1. dieses Monats an Mich erstatteten Bericht zu ersehen , daß durch die mit dem hiesigen Tribunal anderweitig gemachte Einrichtung und den bei solchem eingeführten Juſtizplan der gute Success erhalten worden , daß bei solchen Collegio gar keine Prozesse, auch selbst von dem leztverwichenen Jahre, mehr übrig sind, sondern solche insgesammt auf eine rechtliche und solide Art abgethan worden.
Ich erinnere mich der Erkenntlichkeit, welche
Ich euch deshalben schuldig bin ; den sämmtlichen Membris erwähnten Tribunals aber sollt ihr Meine vollkommene Zufriedenheit über ihren bezeugten Fleiß und Geschicklichkeit durch ein convenables Compliment von mir zu erkennen geben, auch sie Meiner Gnade und Protection versichern. " Cocceji, unterm 8. November 1749 zum Freiherrn erhoben, erhielt in weiterer Anerkennung seiner Verdienſte die Wussenken'schen Güter im Kreise Camin verliehen. Ihm auch übersandte Friedrich mit einem gnädigen Handschreiben jene , auf die durchgeführte Prozeß -Ordnung geprägte Münze in Gold , deren Avers das Bildniß des Königs mit der Umschrift „Fridericus Borussorum Rex" trägt, während der Revers die Gerechtigkeit zeigt, eine un-
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gleiche Wageschale in der Hand haltend, die der König, um das Recht in's Gleichgewicht zu bringen , mit dem Scepter niederdrückt. „Emendato Jure. 1748. " lautet hier die Umschrift. Cocceji bewohnte das heutige „ Prinzeffinnen-Palais “ , Oberwallstraße No. 1 und 2, deffen Terrain er und sein Schwiegervater, der Generalmajor v . Becheffer, im Jahre 1719 von Friedrich Wilhelm I. zum Geschenk erhielten . Beide Häuser wurden dann von dem Großkanzler vereinigt und ausgebaut, bis der Markgraf Heinrich sie von demselben erwarb und zum Palais einrichten ließ .
Im Jahre 1790 ließ König Friedrich Wilhelm II . das
Palais von den beiden Töchtern des Markgrafen , der Aebtissin von Herfort und der Fürſtin zu Deſſau, ankaufen. Cocceji verstarb am 22. Oktober 1755 im 53. Lebensjahre. Von Friedrich dem Großen ein zweiter Tribonian genannt, verherrlichte derselbe die Weisheit , Redlichkeit , Einsicht und unermüdliche Thätigkeit seines Großkanzlers in der berühmten Abhandlung „ Gründe, Geſeße einzuführen und abzuschaffen“ . Dann ließ der König, elf Jahre nach Cocceji's Tode, in dem Saale des Kammergerichts die von dem Bildhauer Adam gefertigte Marmorbüste des um die preußische Justiz so hochverdienten Mannes aufstellen, welche die Inschrift trägt :
„ Vindex legum et justitiae ".
VI.
Graf von Herzberg.
it diesem Namen tritt uns einer der größten Staatsmänner entgegen, die Preußen jemals beseffen, und den man nicht mit Unrecht den " ersten Friedensgeneral" Friedrichs des Großen nannte. Dieser Ruhm strahlt um so höher , als unter der Kabinetsherrschaft des Alles leitenden Königs
auch die Selb-
ſtändigkeit seiner Miniſter eine durchaus beschränkte war. Ewald Friedrich von Herzberg, am 2. September 1725 zu Lottin in Hinterpommern geboren , wurde von seinem , alten pommerschen Adelsgeschlecht Staatsdienst bestimmt.
einem
angehörigen Vater für den
Demzufolge bezog er, nachdem er seinen
erſten Unterricht von dem wiſſenſchaftlich gebildeten Prediger seines Geburtsortes erhalten hatte, das Gymnaſium zu Stettin , und schon 1742 die Universität zu Halle.
Mit Eifer widmete der
Jüngling sich hier dem Studium der Jurisprudenz und der neueren Sprachen , so daß er zu Ostern 1745 die Universität verlassen konnte, bei welcher er bald darauf zum Doctor juris promovirt wurde.
Durch eine Abhandlung über das Brandenburgische Staatsrecht hatte Herzberg sich dem damaligen Minister der auswärtigen Angelegenheiten, und dieser ihn wiederum dem König empfohlen, welcher den erst zwanzigjährigen Autor als Legations- Sekretair, mit einem Gehalt von 900 Thalern , in das auswärtige Miniſterium berief.
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Als dann Friedrich II. ,
nach Beendigung des
zweiten
schlesischen Krieges , an die Bearbeitung seiner „ Denkwürdigkeiten der Mark Brandenburg " ging, mußte Herzberg die dazu benöthigten Dokumente aus dem Staats -Archiv zusammenbringen und übersichtlich ordnen. Dieses Auftrages entledigte er sich mit einer solchen Umsicht, daß Friedrich ihn 1750 zum Geheimen Archivar mit 1200 Thalern Gehalt ernannte, und ihm die Neuordnung des Geheimen Staats- und Kabinets -Archivs übertrug . Hier-. durch erlangte Herzberg die gründlichsten Kenntnisse von der politischen Geschichte und den Geheimnissen der preußischen Diplomatie. Seine im Jahre 1752 verfaßte Abhandlung „ Ueber die erste Bevölkerung der Mark Brandenburg " wurde nicht nur mit der Preismedaille gekrönt, sondern veranlaßte auch die Aufnahme des Verfassers in die Akademie der Wissenschaften.
Nach einem
mehrmonatlichen Aufenthalt in Paris behufs Vervollkommnung in der französischen Sprache, trat Herzberg in die diplomatiſche Laufbahn zurück, und wurde zum Geheimen Legations- und vortragenden Rath im auswärtigen Ministerium ernannt. So war das Jahr 1756 herangenaht. Friedrich, im Beſize der geheimen Correspondenz des Dresdener Kabinets mit dem Oesterreichischen Hofe, war entschlossen, ſeinen Feinden zuvorzukommen. Am 20. August beschied er Herzberg in der Stille nach Sanssouci und übertrug ihm, auf Grund jener Correspondenz, die Ausarbeitung des berühmten „ Memoire raisonné“, oder „ Die Ursachen, welche S. K. Maj. in Preußen bewogen haben, sich wider die Absichten des Wieneriſchen Hofes zu ſeßen und deren Ausführung zuvorzukommen “. Das Manifest, zur Mittheilung an die europäischen Höfe bestimmt, wurde zugleich in zahllosen Druckeremplaren verbreitet, und einer „Kaiserlich-Königlichen Beantwortung " deffelben, von Berlin aus, eine „ Kurze Abfertigung “ entgegengeseßt.
H Es ist ausgemacht, daß dieſe Plane, den König zu bekriegen und seine Länder zu theilen , wirklich eriſtirten " , sagt Herzberg später ;
aber, da sie nur eventuell waren und die Bedingung
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vorausseßten , wofern der König in Preußen Gelegenheit zum Kriege geben würde, so wird es immer unentschieden bleiben, ob dieſe Plane jemals würden zur Ausführung gekommen sein, und ob es gefährlicher gewesen sein würde, sie zu erwarten, als ihnen zuvorzukommen" . Des Königs Zufriedenheit mit jener Denkschrift dokumentirte sich in der Ernennung Herzberg's zum ersten Geheimen Rath im auswärtigen Miniſterium, mit einem Gehalt von 4000 Thlrn. Bald auch sollte Herzberg Gelegenheit haben, sich um das Vaterland verdient zu machen. Friedrich wollte seine ganze Macht gegen Oesterreich führen, und zu dieſem Zweck Westphalen und Preußen von sämmtlichen Truppen entblößen. Da beschwor Herzberg , ohne sich zu nennen , in einem Briefe vom Januar 1757 den König , die dem Vaterlande drohende Gefahr abzuwenden. Durch eine, wenn auch mit übermäßiger Anstrengung zu bewirkende Verstärkung des Heeres um 40,000 Mann, würde er sowohl am Rhein die Franzosen, als in Preußen die Ruſſen in Schach halten können. Friedrich gab diesem Rathſchlage insofern Gehör , als er seine Armee um 20,000 Rekruten vermehrte und eine Anleihe von mehreren Millionen Thalern machte. Als dann nach der Schlacht von Kollin die Schweden auf das schwach beseßte Stettin mit 20,000 Mann losgingen , da war es wiederum Herzberg , welcher seine Landsleute , die Pommern, in wenigen Wochen zur Errichtung von Landmilizen vermochte. Diesem Beispiel folgten die magdeburgischen und märkischen Stände, und so konnten nicht nur Stettin , Koblenz , Küstrin und Magdeburg , ja selbst Berlin vertheidigt , sondern auch in Pommern und in der Neumark der kleine Krieg gegen Schweden und Ruffen geführt werden . Herzberg sagt, daß der König über diesen Beweis thätiger Vaterlandsliebe in einem „politischen Testament " , welches das Berlinische Archiv aufbewahre , seinen Nachfolgern erklärt und angerathen habe : fich vorzüglich auf die pommerſche Nation zu
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verlassen, welche sie als die erste Stüße des preußischen Staates ansehen könnten und müßten . Als dann der glorreiche Krieg beendet war, mußte Herzberg den Friedens-Tractat mit Rußland und Schweden entwerfen, und am 15. Februar 1763 auch den Hubertsburger Frieden abschließen. Ich bin Euch sehr obligirt ,
mein lieber Herzberg ! " redete
Friedrich ihn bei Ueberreichung des Friedens -Dokumentes an " Ihr habt einen guten Frieden gemacht , fast so , wie ich den Krieg geführt : Einer gegen Drei“ . Noch unterm 5. April desselben Jahres zum zweiten Staatsand Kabinets-Minister mit 7000 Thalern Gehalt ernannt, fügte der dankbare Monarch dieser Rangerhöhung ein ansehnliches Geldgeschenk hinzu , so daß Herzberg sich in der Lage befand , das Rittergut Briz bei Berlin anzukaufen , und sich daselbst ein neues Schloß zum Sommerwohnsiz erbauen zu laſſen. Bei der ersten Theilung Polens (1772) kam durch Herzberg's Thätigkeit in Petersburg zwar nicht Alles , was Friedrich beanspruchte, aber doch Westpreußen in den Besitz von Preußen. Zum Dank dafür wurde Herzberg Geheimer Kabinets -Miniſter mit 10,000 Thalern Gehalt. Wesentlich trug derselbe dann zum Abschluß des Teschener Friedens (am 13. Mai 1779) bei, durch den das schwere Verhängniß eines neuen Krieges abgewendet wurde. Friedrich II. verlieh seinem Miniſter dafür den Schwarzen Adlerorden und erhob ihn in den Freiherrnſtand.
Auf jenen Frieden hatte der
Bildhauer Trippel aus Schaffhausen ein allegorisches Basrelief gefertigt, das den Kaiser Joseph II . und Friedrich den Großen im römischen Kostüm darstellte , wie sie über einem Altar sich einander die Hände reichen, während im Hintergrunde die Göttin des Ruhmes den beiden Monarchen einen Lorbeerkranz auf das Haupt seßt. Friedrich, welchem der Künstler das Basrelief überschickt hatte, ließ dasselbe seinem Miniſter v. Herzberg zustellen -- „denn der", äußerte der König, hat den Frieden gemacht. "
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Groß auch sind die Verdienste dieses Mannes, welcher selbst mehrere Staatsschriften verfaßt und das „Landbuch Karls IV. " herausgegeben hat, um die Förderung der deutschen Literatur und Sprache ; eben so verdankt das Schulwesen ihm mancherlei Verbefferungen. Den Lehrern des Gymnasiums zu Neu- Stettin gab er zwanzig Jahre hindurch eine Gehaltszulage von 50 Thalern. Seit 1780 unternahm es dieser erste Diener seines Königs , an den Geburtstagen desselben historisch-politische Abhandlungen über seine Regierung, namentlich während der lezten Lebensjahre zu halten. Friedrichs hohes Alter erregte oft eine üble Laune und Mißtrauen, die dann selbst Männer empfinden mußten, welche sonst sein Wohlwollen und Vertrauen besaßen.
"/ Ew. Excellenz würden getröstet sein “ , schreibt Herzberg in dieser Beziehung dem Grafen v. Görg in Petersburg , „ wenn Sie die Antworten lesen könnten, die ich auf Alles erhalte, was ich in der besten Absicht vorschlage , und was denn doch öfters einige Tage später befolgt wird. " Als dann Herzberg, 1785, Joseph's II. erneute Absichten auf Bayern durch den Deutschen Fürstenbund vereitelt hatte , wurde er zum Premier-Miniſter ernannt. Friedrichs Lebenstage neigten sich zu Ende.
Zu der kleinen
Zahl seiner erprobtesten Freunde, die ihn umgaben, gehörte auch Herzberg , welcher fünf Wochen vor dem Tode des Monarchen nach Sanssouci gerufen wurde, und bis zum leßten Athemzuge desselben bei ihm verweilte. Dann überbrachte er selbst dem Thronfolger die Todeskunde , welcher ihn bei seiner Huldigung in den Grafenstand erhob. Die Wohnstätte dieses Staatsmannes war das Haus No. 20 in der Niederwall - Straße.
Ursprünglich stand hier das alte
Leipziger Thor, nach dessen Abbruch, im Jahre 1738 , der General von Bauvray den Platz geschenkt erhielt und das ſtattliche Gebäude errichten ließ , worin jezt die städtische Gewerbeschule sich befindet.
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Fünf Jahre noch widmete Herzberg dem neuen Monarchen ſeine Dienſte, bis er durch den Abschluß der Reichenberger Convention (1790) verlegt, und selbst erkennend, daß sein Einfluß. nicht mehr der alte sei , im folgenden Jahre seine Entlassung nachsuchte und auch erhielt. Dieselbe erfolgte in den gnädigsten Ausdrücken, unter Belaffung seines Amtes als Curator der Akademie der Wissenschaften , und als Oberauffeher des Seidenbaues in den preußischen Staaten.
Mit einem Ruhegehalt von 9000
Thalern lebte er nun auf seinem Rittergute Brit, einen Theil seines Vermögens zur Förderung gemeinnüßiger Zwecke verwendend.
" Grenzenlos iſt ſein Patriotismus “ , äußerte ein Zeitgenoffe bei der Entlassung des großen Staatsmannes ; „ aber er verbindet damit eine Staatskunst, die ohne Maske handelt. Seine Unterhandlungen waren aufrichtig und weise und bezweckten stets den Flor der preußischen Monarchie.
Er wußte das Gleichgewicht
durch die Weisheit seiner Negotiationen zu erhalten, und so lange wie möglich das Kriegsfeuer von Preußens Grenzen zu entfernen . Möchte der vaterländische Patriot doch noch lange das Staatsruder in seinen Händen behalten haben!" Und als er dann im Juli 1794 wiederholt seine Dienste anbot, um als Patriot den König von einem allzu engen Anschluß an Desterreich und Rußland abzuhalten , damit Preußen nicht zum Vasallen einer dieser Staaten werde , da erhielt er einen schroffen , verlegenden Bescheid. Ein schleichendes Fieber warf ihn auf das Krankenlager, und endete am 27. Mai 1795 die irdische Laufbahn des großen Staatsmannes .
V. Quank.
ine reiche Fülle des Schaffens, zu Gunsten eines einzigen Instruments -wobei er freilich in der Empfänglichkeit des Monarchen einen Anhalt fand, ohne bei seinem Schaffenszeugt von dem Talente des Flötendrange zu verflachen, spielers Quant. Durch ihn wurde dies Inſtrument in der Kunst gewissermaßen eingebürgert und zu einer Vollkommenheit gebracht, wie von Keinem zuvor. Als Komponist gehört Quanz dagegen zu Denjenigen, bei denen ein einzelnes Werk als solches keine eigentliche Bedeutung gewinnt, dessen Persönlichkeit vielmehr erst in dem Wiederschein der Gesammtwirksamkeit eine Folie erhält. Nicht zu den größten Sternen , ſondern zu den gesammten Sternbildern am musikalischen Firmament zählt der berühmte Flötenspieler Friedrichs des Großen. Am 30. Januar 1697 zu Oberscheden im Hannoverschen geboren, war Johann Joachim Quang anfänglich für das Hufschmiedehandwerk ſeines Vaters beſtimmt, folgte aber, nach dem Tode deffelben, feiner Neigung zum Erlernen der Muſik bei einem in Merseburg als Stadtmuſikus lebenden Oheim. Später begab er sich nach Dresden , wurde 1718 Hautboist in der damals errichteten „ polnischen Kapelle" , und lenkte nach einem fünfjährigen Aufenthalt daselbst, seine Schritte der böhmischen Hauptſtadt zu, um zunächst der Aufführung einer von Fur komponirten Oper (Constanza e Fortezza) beizuwohnen . Doch nur kurz war
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sein Verweilen in Prag . Mit dem Grafen Lagnasco , welcher 1724 als polnischer Gesandter sich nach Rom begab, betrat auch Quang den klassischen Boden Italiens .
Hier trieb
es
ihn
zunächſt, von dem greiſen Gaſparini im Contrapunkte unterrichtet zu werden. Nach einem sechsmonatlichen, erschöpfenden Studium führte ihn die Wanderzeit seines Künstlerthums nach Rom und Neapel , woselbst er durch sein Spiel die Aufmerksamkeit des später sächsischen Oberkapellmeisters Hasse erregte , welcher ihm mehrere Flöten- Soli widmete.
Von Paris , wohin Quanz sich
demnächst begeben, wurde er Anfangs 1727 wieder nach Dresden berufen und bei der dortigen Kapelle angestellt. Als König August von Polen am 29. Mai 1728 zum Besuch in Berlin eintraf, gehörte auch Quang zu seinem Gefolge.
Bei einem Concert, das die Königin mit ihrer kleinen
Kapelle veranstaltete, und in welchem er mitwirkte, erwachte die Neigung des Kronprinzen zum Flötenspiel , welche Neigung die Königin nicht nur begünstigte , sondern auch dem Künstler das Anerbieten machte, gegen ein jährliches Gehalt von 800 Thlrn. in ihre Dienste zu treten . König August wollte jedoch seinen Liebling nicht miffen , gab ihm aber die Erlaubniß , jährlich zweimal nach Berlin zu reisen, um den Kronprinzen im Flötenspiel zu unterrichten. Schon während des damaligen vierzehntägigen Aufenthalts begannen die Lehrſtunden ; später seßte dann der Kronprinz seine Uebungen mit dem regsten Eifer, doch insgeheim fort, denn sein gestrenger Herr Vater wollte ihn zum Soldaten erziehen , und würde dem sentimentalen Flötenspiel wohl schwerlich seine Billigung haben zu Theil werden laffen. So mußten denn die Reisen , welche Quanz nach Berlin machte, ebenfalls geheim gehalten werden. Im Sommer 1730, kurz bevor der König mit dem Kronprinzen die für den lezteren so verhängnißvoll gewordene Reise nach Wesel antrat, war Quanz eingetroffen . Gewöhnlich in der sechsten Morgenstunde begann
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er mit seinem Zögling zu muſiciren ; Nachmittags von 4 bis 7 Uhr wurde dann der Unterricht fortgesetzt.
Der Kronprinz,
des Vormittags nach dem Willen seines Vaters in enger Uniform erscheinend, den steifen Zopf am schlichtgekräuselten Haare tragend, hüllte sich dann nach der Mittagstafel , sobald er in seinem Zimmer sich selbst überlassen war, in einen Schlafrock von Goldbrokat, das Haar nach französischer Mode frisirt.
So lebte er
seiner Neigung entsprechend, ſtudirte oder blies die Flöte. An einem Nachmittage, während der Kronprinz mit Quang musicirte, kam v. Katte in das Zimmer geeilt und meldete, daß der König im Anzuge sei. Zugleich ergriff er den Kasten mit den Flöten und schob den bestürzten Quanz in ein kleines, zum Einheizen der Oefen bestimmtes Kabinet.
Der König, welchem
die Neigung seines Sohnes zu den Büchern und der Musik nicht verborgen geblieben war, traf denselben zwar in der mittlerweile angelegten Uniform an, doch war der Haarbeutel nicht mit gleicher Schnelligkeit zu beseitigen gewesen. Bei einer genauen Revision wurden dann die hinter den Tapeten in Schränken aufbewahrten Schlafröcke und Bücher entdeckt ,
erstere sofort in den Kamin
geworfen, lettere aber dem Buchhändler zum Ankauf überwiesen, welcher sie dann heimlich zur Verfügung des Kronprinzen stellte . Quant mußte eine volle Stunde
ausharren , er zitterte wie
Espenlaub , als er aus seinem Winkel erlöst wurde - zumal er einen rothen Rock trug, welche Farbe dem König zuwider war. Bei seiner späteren Anwesenheit ging der Maestro vorsichtiger zu Werke, namentlich erschien er nie wieder in einem rothen Rocke, sondern trug einen solchen von grauer oder blauer Farbe. Friedrich Nikolai , der Zeitgenosse von Quanz, schildert uns in einigen charakteristischen Mittheilungen das Verhältniß des großen Königs zu seinem vertrauten Kammermuſikus , von dem er sagt: „Dieser alte Mann erzählte gern, wenn er einmal zu Jemand Vertrauen hatte. Ich hörte ihm sehr aufmerksam zu und that viele Fragen an ihn , die er sehr ausführlich zu 4*
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beantworten pflegte.
Niemand hat mir durch Angabe vieler sich
auszeichnenden Züge von des Königs persönlichem Charakter, sowohl in seiner Jugend, als im männlichen Alter, einen deutlicheren Begriff beigebracht, als Quang, ungeachtet er ſelbſt im Grunde denselben einseitig beurtheilte" . Im Jahre 1741 nahm ihn Friedrich der Große in seine Dienste gegen ein jährliches Gehalt von zweitausend Thalern. Außerdem erhielt Quang für jedes neue Concert - deren er dreihundert componirte - einhundert Dukaten, für jedes Solo fünfundzwanzig, und deren einhundert für jede dem Monarchen gefertigte Flöte. Mit großer Sorgfalt ließ er dieselben aus dem besten Holze drehen, theilte dann die Stimmung genau ab und bohrte die Löcher selbst. Zuweilen ließ der König fremde Holzarten herbeischaffen , die Quang probirte , von allen aber das Ebenholz (namentlich einen Stamm aus Portugal) als das vorzüglichste für sein Instrument betrachtete. Dabei gab er demselben eine größere technische Vollkommenheit ; der bewegliche Flötenkopf, die doppelte Klappe und der Einſchiebepfropf, wodurch die Flöte um einen halben Ton höher oder tiefer gestimmt werden kann, find feine Erfindung. Tief verlegt fühlte er sich daher , als der König in den vierziger Jahren von einer neuen Flöte behauptete, ſie ſei nicht ganz rein. Quang unterdrückte seinen Unmuth, vertheidigte aber die Flöte. Friedrich schwieg beschwichtigt, wiederholte jedoch Tags darauf seine Klage. Jezt nahm Quang ihm die Flöte aus der Hand, spielte auf derselben und versicherte, sie gebe alle Töne in voller Reinheit an. Die erneute Behauptung des Gegentheils brachte den Maestro dermaßen außer Fassung, daß er mit Heftigfeit entgegnete : „Wenn ein großer Herr es ertragen könnte, die Wahrheit zu hören, so würden Ew. Majestät gleich wissen, daß es nicht an der Flöte, sondern woran es liegt ! "
Friedrich trat
ein paar Schritte zurück und sagte erregt : „ Wie , ich sollte die
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Wahrheit nicht vertragen können ?
Sage Er , was wahr ist !"
Trocken und verdrießlich erwiderte Quant :
„Ich habe Ew.
Majestät mehrmals gebeten , Sie möchten die Flöte , nachdem Sie gespielt haben, nicht in die Hand oder unter den Arm nehmen , ſondern auf den Tisch legen . Sie thun aber Jenes doch , und so klingt die Flöte unrein, weil sie ungleich erwärmt wird , nicht weil sie an sich unrein ist ". Kurz entgegnete der König: „ Es ist nicht wahr!" und kehrte ihm den Rücken. Am folgenden Tage spielte der Monarch auf einer andern Flöte , ohne Quant weiter zu beachten. Dafür spendete ihm dieser kein "/ Bravo", wozu er namentlich bei der Kammermusik das Recht hatte, wenn der König spielte, und auf welchen Vorzug er besonders stolz war. Sonst hatte Quang bei den Concerten nichts zu thun, als beim Beginn eines jeden Saßes mit einer leichten Handbewegung den Tact anzugeben. In der vorerwähnten, gegenseitig gereizten Stimmung verstrichen acht Tage, bis Friedrich vor Beginn eines Concerts auf Quang zutrat und ihn mit freundlicher Miene anredete : „Mein lieber Quang, ich habe die Flöte seit acht Tagen auf verschiedene Art untersucht und gefunden , daß Er Recht hat. Ich werde sie nicht mehr in der Hand warm werden lassen " . Aus anderer Veranlassung entsprang dann ein ähnlicher und leßter Conflikt zwischen Beiden. In den sechsziger Jahren war auf der Rampe, die bei der Bildergalerie nach Sanssouci führt , ein Wagen gegen die als Schuß dienende Mauer gefahren, und hatte auf der linken Seite, da wo die Grotte des Gartens an diesen Weg stößt, ein Stück aus der Mauer gerissen. Obgleich keine Gefahr vorhanden war, so hatte doch Bach, in Befürchtung einer solchen , die Inſtandſeßung beantragt, ohne daß dieselbe erfolgte.
Als nach einiger
Zeit der königliche Wagen , welcher die Kammermusiker nach Sanssouci führte, ziemlich nahe an der offenen Stelle vorbeirollte und zugleich nach dieser Seite sich hinneigte , schrie Bach
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laut auf und erneuerte im Schloffe ungestüm sein Verlangen. Auf die Antwort, daß bei der schadhaften Stelle durchaus keine Gefahr vorhanden sei, und daß er (Bach) bei anderer Meinung nur selbst mit dem König darüber sprechen oder an ihn schreiben möge , mischte Quang sich mit empfindlichen Worten in die Angelegenheit. Friedrich der Große erhielt Nachricht hiervon, und vermuthlich wurde die Art , wie beide Musiker sich dabei ausgedrückt hatten , nicht in milderem Lichte dargestellt. Dies Benehmen verdroß den König, und um sein Mißfallen darüber zu bezeigen, ließ er die sonst täglich stattfindenden Concerte abbestellen. Quang aber sollte durch einen zufälligen Umſtand noch tiefer berührt werden . Der König pflegte sonst fremde Musiker nicht zu hören , am wenigsten Virtuosen auf BlaſeInstrumenten - dafür hatte Quant schon gesorgt. Jezt meldete sich der vortreffliche Oboespieler Fischer aus Dresden, den Friedrich nicht nur anhörte, sondern ihm auch reichen Beifall spendete. Der Stillstand der Kammerconcerte währte bis zur Rückkehr des Königs aus Schlesien , wohin dieser sich gewöhnlich im Auguſt begab .
Nun wurden die Concerte wieder regelmäßig
aufgeführt, ohne daß von dem Vorgefallenen das Geringſte zur Erörterung kam . Quang hatte während der ganzen Zeit nicht nur einen scheinbaren Gleichmuth an den Tag gelegt, sondern auch geäußert, daß ihm selbst eine Verabschiedung gleichgiltig sei. Im Grunde seines Herzens aber war er doch dem Monarchen zugethan und hätte den Vorzug , ihn täglich zu sehen und sein vertrauter Kammermusikus zu sein, schmerzlich eingebüßt . Als Quant seinem Freunde Krause (Advokat zu Berlin , Componist und Dirigent eines Privat-Orcheſters) die Begebenheit erzählte und seine Freude über den günstigen Verlauf derselben bezeigte, brach er treuherzig in die Worte aus : „ Ich hätte doch nicht geglaubt, daß mir der Mensch (womit der König gemeint) so nöthig wäre !"
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Versagte Quant dem Spiele des Monarchen seinen Beifall, so wiederholte dieser , ohne ein Wort zu sagen , die fehlerhaft vorgetragene Stelle, bis Quang freiwillig sein „ Bravo " geben mußte, das dann auch mit Nachdruck erfolgte. Im Uebrigen gestattete er sich ungefragt keine tadelnde Bemerkung ; Stillschweigen, ein Verziehen der Miene oder ein Räuspern gab allein seine Mißbilligung kund. So spielte der König einst ein ſelbſt componirtes Solo zum ersten Male. Bei einem in der Transposition sich öfter wiederholenden Saße mit merklich durchgehenden Quinten machte Quant von seinem Taschentuche Gebrauch und räusperte sich einige Male, während Bach, ebenfalls nicht sehr nachgebend, aber in feinerer Weise bei der Begleitung auf dem Flügel die Quinten sehr deutlich markirte. Der König ließ sich Nichts merken, fragte aber nach einigen Tagen Franz Benda , ob der Sah wirklich fehlerhaft sei . Dieser bejahte es , worauf Friedrich die Stelle mit dem Bemerken änderte: „Wir dürfen doch Quanßen keinen Katarrh zuziehen". Sein Kunstgefühl verwickelte den Meiſter zuweilen auch in kleine Abenteuer. So pflegte er oft die Vormittagspredigt in der Petrikirche zu hören , in welcher sich gewöhnlich auch ein Schuster einfand. Dieser hatte die üble Gewohnheit, jede Schlußstrophe des Verses länger als die Gemeinde auszuhalten , und dabei mit einem so komischen Schnörkel hinaufzuschleifen , daß es unserm Quang jedesmal wie ein Messerstich durch's Herz ging. Er ließ den Schuster zu sich kommen und bedeutete ihn , als des Königs erster Kammermusikus , wie seine Art beim Gesange auszuhalten ganz unschicklich und unmusikalisch sei. Der Schuster erwiederte bescheiden und trocken : er verstehe nichts von der Musik und halte um deswegen jeden Saß des Liedes so aus , weil seine Andacht dadurch vermehret werde.
Die Autorität war
also ohne Eindruck geblieben , und so stellte Quanz ihm denn vor , wie er durch seine auffällige Sangesart die Andacht der
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ganzen Gemeinde störe.
Allein auch davon wollte Jener nichts.
hören. "/ Was müßte denn das für eine Gemeinde sein, die sich von meiner Andacht in der ihrigen hindern ließe !" Auf diese Weise war also mit dem Manne nichts anzufangen; Quant versuchte daher einen anderen Weg. Er bat, ihm zu Gefallen das Nachschreien zu unterlassen , wogegen er sich wieder gefällig zeigen werde. Bei seinem Ruf als guter Arbeiter wolle er sich künftig von ihm Schuhe anfertigen laffen, und so möchte er nur gleich Maaß zu einem Paare derselben nehmen. Wiederum sah ihn der Meister gelassen an und entgegnete : " Sehr gern ! Wenn Sie aber glauben, daß ich meine Andacht gegen Ihre Kundschaft verkaufen soll, so darf ich kein Papier zum Maaßnehmen herausziehen, denn das thue ich nicht!" So blieb denn der " Andacht vermehrende" Gesang in unveränderter Weise, und Quang behielt seinen bisherigen Schuhmacher. Nikolai berichtet über das Flötenspiel Friedrichs des Großen : "Ich habe Niemand auf dieſem Instrumente das Adagio schöner vortragen hören.
Quant
richtete sich überhaupt in ſeinen
Concerten , die nur für den König gemacht waren , mehr oder weniger nach demselben.
Die langsamen Säße sind entweder
zufrieden-ruhig, schmeichelnd oder herzrührend
nicht klagend,
noch traurig, welches der König nicht liebte. Die herzrührenden Säße spielte er vorzüglich , mit einer Simplicität und inneren Empfindung , die selbst wenige Virtuosen haben . Im Allegro hatte er einen brillanten Vortrag, aber seine Kammermusik verzog ihn, indem sie ihm beständig im Takte nachgab. HDer König war gewöhnlich scheinbar bei guter Laune, wenn er zum Concert kam, denn bei äußerst dringenden Geschäften oder in Krankheitsfällen wurden dieselben ausgeseßt. Quang, welcher den Monarchen genau kannte, versicherte mich : er könne an dem jedesmaligen Vortrage der legten Allegrofäße sehr gut entnehmen, ob der König bei heiterem und ruhigem Geiste sei oder nicht.
Er pflegte nicht nur die drei oder vier Concerte,
57 welche er an einem Abende spielen wollte, vorher durchzunehmen , sondern blies Vormittags oft noch Solfeggi aus dem Gedächtniß. Gewöhnlich phantafirte er, im Zimmer auf- und abgehend, ehe die Kabinetsräthe des Morgens zum Vortrag erschienen . Einst mit d'Alembert über Musik und auch von den Wirkungen der Seele sprechend, äußerte Friedrich zu demselben, daß er während dieses Phantasirens oft allerlei Sachen überlege und nicht daran denke , was er spiele , daß ihm aber schon oft die glücklichſten Gedanken, auch über Geschäfte, dabei eingefallen wären . — Wer ein so feines Gefühl wie Quant gehabt und den König eben so gut gekannt hätte, würde vielleicht, wenn er diese seine FlötenPhantasien belauscht ,
aus den Wendungen derselben auf den
jedesmaligen Gemüthszustand dieses außerordentlichen Virtuosen haben schließen können. “ Wie in allen übrigen Verhältnissen des Lebens , so auch übte Friedrich in seiner Kapelle ein Machtregiment. Er trat mit den Noten unterm Arm in das Concertzimmer und vertheilte die Stimmen, oder legte sie auch wohl selbst auf die Pulte. Quang besaß ein nicht unbedeutendes Vermögen, und hatte sich an dem damaligen Wege außerhalb der Stadtmauer, links vom Potsdamer Thore - der späteren Hirschel-, heutigen Königgräßer Straße - ein Heim" gegründet. Jener Weg reichte damals nur bis zum sogenannten „ blauen Himmel “ (No. 11) , wie später ein Garten genannt wurde , den der Kammerherr de Vigneule hier mit einem Gartenhauſe angelegt hatte. Neben dem Quang'ſchen Garten, über den die Köthener Straße dann hinweggeführt wurde, erstreckte sich der von der Stadtmauer durchschnittene Hopfengarten eines gewissen Petitjean. Das war bis Ende des vorigen Jahrhunderts die einzige Bebauung der , erst mit dem Entstehen der Potsdamer- und Anhaltischen Eisenbahn aus ihrer bisherigen Abgeschiedenheit in das großartige Treiben der Weltstadt hineingezogenen, heutigen Königgräßer Straße.
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Hier auf seinem Befißthum , wie im Hauſe ſeines vorerwähnten Freundes Krause, bot sich für Privatpersonen die einzige Gelegenheit dar , den Meister auf der Flöte spielen zu hören . Krauſe veranstaltete während und nach dem siebenjährigen Kriege, als die öffentlichen Concerte in Berlin noch nicht eingeführt waren, an jedem Mittwoch ein Privat - Concert , worin Quant con amore zwei oder drei seiner Compoſitionen vortrug . Dr. Burney schildert ihn als einen Herkules von Wuchs, der troß seiner 76 Jahre ungewöhnlich geſund und friſch erſchien. Im Uebrigen war er ernsthaft und rauh. In Potsdam erkrankt, ereilte ihn der Tod daſelbſt am 12. Juli 1773 , im vollendeten 76. Lebensjahre.
Friedrich der Große verweilte oft an seinem
Krankenlager , bald die Stelle des Arztes vertretend , bald für seine Pflege sorgend . Als dann aus dem Kreise der Freunde auch sein Lehrer und Begleiter auf der Flöte geschieden war, ließ der König auf dem Kirchhof in der Nauenschen Vorstadt ein Denkmal zu seinem Gedächtniß errichten.
Im Jahre 1752
hatte Quang sein Werk über die Flöte herausgegeben, das als die erste bekannte Flötenschule allgemeine Verbreitung fand. Die meisten seiner Handschriftlichen Compositionen waren ſpäter im Besize der Westpfal'schen Musikalien Niederlage zu Hamburg, während Einhundert derselben im Neuen Palais bei Potsdam und in der königlichen Bibliothek sich befinden. Als Friedrich der Große sein eigenes Ende herannahen fühlte, machte er seine Kleidungsstücke den Kammerdienern, und Einem derselben auch die Quant'schen Compositionen zum Geschenk ; doch wollte sich für die letzteren kein Käufer finden . Der Monarch vernahm es und äußerte mit Bedauern, daß so wenig Sinn für wahre Kunst vorhanden sei. Quang hatte noch kurz vor seinem Tode das erste Allegro und das Adagio zu seinem dreihundertſten Concerte vollendet, und der König ließ sich die Pergamentblätter in Folio bringen, welche die mit Bleistift, auf Notenlinien von rother Delfarbe geschriebene
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Partitur enthielten.
Auf diese Weise
componirte Quang oft
gleichzeitig mehrere Concerte, sah sie von Zeit zu Zeit durch, und änderte daran bis zur endgiltigen Uebertragung mit Dinte auf das Papier. Zu jenem leßten Werke componirte Friedrich das Schluß- Allegro, und ließ alsdann das Ganze, dem eine ſimple aber ergreifende Melodie nachgerühmt wird, zur Aufführung bringen. Tief ergriffen wandte der königliche Virtuos sich zum Schluß an den Concertmeister Franz Benda : „Man sieht, Quanß iſt mit "I sehr guten Gedanken aus der Welt gegangen. An das Denkmal, welches Friedrich der Große seinem Liebling
errichten ließ, knüpfen fich mannichfache Betrachtungen . Nachdem der Gottesacker vor dem Nauener Thore 1796 geschlossen worden, wurde er zwei Jahre später zum Besten des Armenhauses verVon 1821 bis 1846 übernahm dann die Regierung
pachtet.
den Plaß zur Errichtung einer Baumschule für das Lehrer- Seminar. Von den noch erhaltenen Denkmälern ſtand inmitten dieſes prachtvollen Obstgartens das Quant'sche Grabmal aus Sandſtein : eine trauernde weibliche Figur in Lebensgröße Euterpe, die Muse der Musik und besonders dem Flötenspiel gewogen , ihr Haupt auf den rechten Arm ſtüßend. In dieſem ruhen, auf den Schooß geſtüßt , zwei Querflöten , während zwischen den Knieen der Muſe ein Knabe mit der umgekehrten Fackel lehnt. Auf der Südseite des Sockels zeigt das Basrelief ein aufgeschlagenes Notenbuch, und über demselben einen Lorbeerkranz .
Das Grabmal , eine Schöpfung der Gebrüder Ränz, trägt keine Inſchrift. Am 24. October 1865 wurden Denkmal und Gebeine des
Quang nach dem Kirchhof in der Teltower Vorstadt dislocirt. Sechs Fuß tief in der Erde fand man beim Nachgraben dunkelbraun markirte Conturen des einstigen Sarges und sechszehn metallene Griffe. Von dem Leichnam waren nur wenige Knochenüberreste, und von der Kleidung die Knöpfe, Schuhſchnallen und Treffen vorhanden . Als König Friedrich Wilhelm IV. in früher Jugend nach
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dem Nauener Kirchhof geführt wurde, um dort vor den alten Denkmälern den ersten Zeichenunterricht zu erhalten , übte sich auch an den Formen des Quant'schen Denkmals die noch unsichere Hand des Knaben, die dann später, als der Künstler-König " in seinem Staate der Kunst eine neue Aera eröffnete, eben so kühne als große Schöpfungen durchführte. So hat das neuerdings reſtaurirte Sandſteinbild ein volles Säculum der Zerstörung Troß geboten. Möchte es geweiht sein für alle Zeiten !
VI. Graun.
Glänzender ließ ſein Zeitgenoffe Graun den Ruhm des Genius in einem einzigen seiner Werke zurück, das mit der ganzen
Macht deutscher, dramatischer Tiefe und Bewegung noch heute die Herzen der Zuhörer ergreift — in seinem Oratorium „ Der Tod Jesu" . Es ist ein reiches Lebensbild, das wir von diesem Manne zu zeichnen haben. Karl Heinrich Graun wurde im Jahre 1701 zu Wahren-
brück (im Regierungsbezirk Merseburg), als der jüngste von drei Brüdern geboren, welche ebenfalls ein muſikaliſches Talent_entfalteten. Sein Vater bekleidete die Stellung eines Accise- Einnehmers daselbst. Schon als Knabe zeichnete Graun sich durch eine herrliche Sopranstimme aus , und wurde , nachdem er die Kreuzschule zu Dresden damals eine der besten Bildungsanſtalten im Gebiete der Tonkunſt -- besucht, als Raths -Discantiſt in den Chor aufgenommen. Seine weitere Ausbildung im Gesang und Clavierspiel erhielt er dann von dem Cantor Grunding und dem königlichen Organisten Pezold. Für den Ersteren und dann für dessen Nachfolger componirte Graun schon als achtzehnjähriger Jüngling eine so große Anzahl von Kirchenmelodien , daß fie zusammen zwei Kirchenjahrgänge ausmachen würden ; auch entſtand damals schon von ihm eine größere Oster-Cantate. Während seine Stimme sich in einen schwachen aber ange-
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nehmen Tenor veränderte, der erst später einer Entwickelung fähig war, benußte Graun die Zwischenzeit zum Studium der Compoſition, unter Leitung des königlichen Kapellmeiſters Schmidt in Dresden.
Ein merkwürdiges Ereigniß, das von Vielen als ein
gutes Omen für seinen späteren Künstlerruhm gedeutet wurde, bezeichnete das Ende seines Aufenthalts daselbst. Wenige Tage vor der Abreise , als er in dem Garten-Pavillon eines ſeiner Freunde componirte, brach plößlich ein Gewitter herein.
Kaum
hatte Graun sich aus dem Pavillon geflüchtet, als ein Blizſtrahl herabfuhr und den Tisch nebst der Partitur zerstörte. Mit seinen Freunden und Kunstgenossen Quang , Pisendel und Weiß trat Graun bald darauf ( 1723) ein Reise nach Prag an, um der Aufführung einer neuen Oper von Fur beizuwohnen . Wenige Jahre später schritt er dann rüſtig neben jenen Männern einher, in denen der deutsche Geist der Musik so mächtig seine Schwingen regte. Auf Verwendung einflußreicher Gönner wurde Graun, an Haffe's Stelle, als Opern-Tenor nach Braunschweig berufen, woſelbſt er zu Anfang 1727 in dem Schurmann'ſchen Singſtück Heinrich der Finkler " zum ersten Mal auftrat. Da aber die Arien der ihm zugetheilten Rolle seinem Geschmack nicht entsprachen , sezte er dieselben um , und erwarb sich dadurch den Beifall des Hofes in dem Maaße, daß ihm die Compoſition der Oper für die nächste Session übertragen wurde. Dieser Oper, Polydor ", welcher er neben seiner Stellung als Tenorist die Ernennung zum Vice-Kapellmeister verdankte , reihten sich in schneller Aufeinanderfolge fünf andere an, den Ruf des Componisten durch ganz Deutschland verbreitend . Nebenbei begnadet mit der reichsten Fülle kirchlichen Gesanges , componirte Graun eine größere Anzahl von Kirchenstücken , italienische Cantaten, zwei Passionen und die Trauermusik beim Leichenbegängnisse des Herzogs August Wilhelm (1731). Während eines Besuches des Kronprinzen von Preußen
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(nachmaligen Königs Friedrich II. ) am Hofe des Herzogs Ferdinand Albert , hörte ihn Jener und erbat sich ihn vom Herzog als Sänger bei seiner Kapelle zu Rheinsberg , 1735 sich begab.
wohin Graun
Hier, wo ein sonnig -heiterer Frühlingstag am Horizonte der Kunst aufgezogen , componirte er namentlich Cantaten für die Concerte des Kronprinzen, um sie dann selbst „ äußerst gemüthvoll und schön " zu fingen, wodurch ihm die Liebe seines Fürsten in immer höherem Grade zu Theil wurde. Dieser verfaßte die Verse zu den Cantaten in französischer Sprache , und ließ sie dann durch den Dichter Bottarelli ins Italienische überfeßen . Nach dem Hinscheiden König Friedrich Wilhelms I. wurde Graun beauftragt , zur Begräbnißfeierlichkeit die Trauermuſik zu componiren , deren Partitur in Kupfer gestochen wurde und als eine der besten Arbeiten des Meisters gilt. Zur Aufführung dieser Musik wurden Opernfänger aus Dresden requirirt. Die erſte Aufführung einer Oper in Berlin fand am 13. Dezember 1741 auf dem Schloßtheater mit Graun's „ Rodelinde" statt. In derselben sang die Mara am 12. Januar 1780 zum letzten Male in Berlin . Zur Verwirklichung einer Lieblings - Idee , der Herstellung einer italienischen Oper, entsandte der König noch im ersten Jahre seiner Regierung Graun nach Italien , um ein Sängerpersonal zu engagiren.
Dieser entledigte sich , nachdem er fast
ein ganzes Jahr auf der Reise zugebracht und in den Hauptſtädten Italiens den außerordentlichsten Beifall geerntet hatte, seines Auftrages zur völligen Zufriedenheit des Monarchen, welcher ihn mit einem Jahresgehalt von zweitausend Thalern zum Kapellmeister ernannte. Als solcher mußte er denn bei seinen Opern gewöhnlich dem Geſchmacke des Königs Rechnung tragen, ohne indeſſen die Dictatur des Genius zu verleugnen , wenn sein Gebieter mit einer vorgefaßten Meinung durchdringen wollte.
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So hatte Friedrich der Große einst der Probe einer neuen Graun'schen Oper nicht in der besten Laune beigewohnt , und ließ sich nun die Partitur bringen , in welcher er viele Stellen strich und deren Aenderung verlangte. Graun bedauerte zwar, daß die Musik des Monarchen Beifall nicht gefunden , erklärte aber zugleich auf das Bestimmteste, daß er, so unmittelbar vor der Generalprobe, nicht die geringste Aenderung daran vornehmen werde.
Im Uebrigen wolle er sein wichtigstes Argument auf-
sparen, bis der König ihm gnädiger gestimmt. Auf die Entgegnung deffelben, dies Argument sogleich vorzubringen, weil er nie ungnädig auf ihn sei, erwiederte Graun, die Partitur in die Hand nehmend : „ Nun — über dieses Stück bin ich König " ! Er hat Recht, Graun, “ sprach Friedrich lächelnd , „ es bleibt beim Alten !" Bei seiner Ernennung zum Kapellmeiſter beſtand die königliche Kapelle aus 21 Mitgliedern : 8 Violiniſten, 2 Klavierspielern, 3 Flötisten, einem Harfenſpieler, 4 Violoncelliſten, 2 Hautboiſten und einem Waldhornisten. Die Zahl der von Graun in Berlin componirten Opern beläuft sich auf achtundzwanzig . Mit der ,,Cleopatra " wurde am 7. Dezember 1742 das Opernhaus eingeweiht. Nachdem Graun seine leßte Oper „ Merope" 1756 vollendet hatte , wandte er sich wieder der Kirchenmusik und der Cantate zu, von denen etwa fünfzig mit Orchesterbegleitung zu nennen find . 3u jener Zeit (1757) entstand auch sein „Te Deum . laudamus
mit Chor und Orchester.
In den Sammlungen der „ Charakterzüge Friedrichs des Großen" ist die noch heut zu Tage beliebte Erzählung enthalten, daß der König am 30. Mai 1763, dem Tage seiner Rückkehr aus dem siebenjährigen Kriege, sich den ihm zugedachten Ehrenbezeugungen entzogen und nach Charlottenburg begeben habe, um in der Schloßkapelle ein von dem Kapellmeister Graun zu diesem Zwecke componirtes Tedeum anzuhören .
Die Muſiker hätten
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einen glänzenden Hofstaat vermuthet, der nach ihrer Meinung der Feierlichkeit beiwohnen sollte ; aber der König wäre allein erschienen, und als das „Te Deum laudamus " der Singstimmen in der einsamen Kapelle erklungen, habe er die Augen bedeckt, um den Thränen des Dankes gegen den himmlischen Lenker der Geschicke freien Lauf zu lassen. Leider aber ist die Geschichte gezwungen , oft mit rauher Hand die Träume poetischer Geister zu zerstören, die das Imaginäre verwirklichen wollen, statt dem Wirklichen eine poetische Gestalt zu geben. Diese Hand hat in jüngster Zeit den poetischen Hintergrund der Windmühle bei Sanssouci von der geschichtlichen Bild― sie hat auch jenes Weihrauchopfer des großen fläche verwischt seines Gemüths , auf ein Flämmchen zur , unbeschadet Königs Verherrlichung seines Kapellmeiſters Graun herabgedrückt. Nikolai , der Zeitgenosse , widerlegte jene Erzählung schon unmittelbar nach des Königs Tode. Friedrich der Große verweilte nach seiner Rückkehr bis zum 21. April in Berlin , wo namentlich Finanzgeschäfte seine Thätigkeit in Anspruch nahmen. Während dieser Zeit hat weder bei Hofe , noch vor ihm selbst eine größere Musikaufführung stattgefunden , worüber auch die An dem leztdamaligen Zeitungen berichtet haben würden. genannten Tage begab er sich nach Potsdam, und hier, bei einer Unterhaltung mit d'Alembert über Concerte und Kirchenmusik, äußerte der Leştere, daß ihm der Name des Componisten Graun gänzlich unbekannt sei. Friedrich belehrte ihn , daß es zwei Componisten dieses Namens gebe : den im Jahre 1759 verstorbenen Kapellmeister, und seinen älteren Bruder, den damals noch lebenden Concertmeister Johann Gottlieb Graun ; versprach auch, von beiden eine Kirchenmusik zur Aufführung gelangen zu laſſen. Der Concertmeister Graun erhielt demgemäß Auftrag , die von ihm componirte Messe und das Tedeum seines verstorbenen Bruders in der Schloßkapelle zu Charlottenburg aufzuführen ; vorher aber sollte die Orgel daselbst gestimmt werden. 5
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Auf Anordnung Friedrichs des Großen war noch während des siebenjährigen Krieges die Wiederherstellung des von einem feindlichen Streifcorps geplünderten und verwüsteten Schlosses , so wie auch der vielfach geschändeten Kapelle in demselben erfolgt - nur an die Orgel hatte Niemand gedacht. Als daher über die Unbrauchbarkeit derselben an den König berichtet wurde, schrieb dieser an Agricola : zu einer Kirchenmusik gehöre billig eine Orgel, er folle also zusehen , ob in der kurzen Zeit , die noch übrig sei , nicht wenigstens ein Regiſter zum Accompagnement könne in Ordnung gebracht werden . Aber auch dies ließ sich nicht mehr bewerkstelligen, denn das Werk war vollständig zerstört. So wurde denn ein Flügel an Stelle der Orgel zur Begleitung benußt. Friedrich der Große, d'Alembert und einige andere Persönlichkeiten von Distinction waren am 15. Juli 1763 bei dieser erſten und letzten Aufführung des bereits im Jahre 1757 entstandenen Graun'schen Tedeums zugegen, auf welche jene romantische Erzählung zurückzuführen ist. Vor allen Compofitionen Graun's hat sein in der gläubigen Mystik eines kindlichen Gemüthes, mit einer Fülle von wunderbaren Formbildungen entstandenes Oratorium „ Der Tod Jeſu “ die Welt entzückt, und wird als unvergängliches Kunstwerk auch den spätesten Geschlechtern zum stereotypen Charfreitags -Oratorium werden. Mit diesem einzigen Werke, zu deffen Aufführung auch für die Zukunft reiche Legate ausgesezt wurden , ist der Name des Componisten im Buche der deutschen Kunstgeschichte in Ehren verzeichnet, wenn auch seine übrigen Schöpfungen faſt ganz in Vergessenheit gerathen find . Als Friedrich der Große , deffen künstlerische Richtung der Passionsmusik nicht sehr verwandt war, Bach gesehen und gehört hatte, soll er in eine „ sonderbare“ Bewegung gerathen sein. War es die Macht der überirdischen Klänge, die den König so sonderbar ergriffen ?
Gleichwohl hat er einer Aufführung von
67 Graun's „ Tod Jesu " , deren erste am 20. März 1755 im Dome stattfand, niemals beigewohnt. Das Ansehn, in welchem Graun und Quang nicht nur bei dem König standen, drückt Dr. Burney in den wenigen Worten aus: " Beider Namen find in Berlin heilig, und es wird mehr auf diese geschworen, als auf Luther und Calvin. " Und Graun war es , welcher im Verein mit dem Patrioten Krause und mit Ramler den Impuls zu unſeren volksthümlichen Liedern gab. Schon vor dem siebenjährigen Kriege entstanden des Letzteren herrliche Oden, wie:
Den flüchtigen Tagen Wehrt keine Gewalt zc. Dann componirte Graun die Lieder des „ preußischen Grenadiers " von Gleim , in die der Dichter ebenfalls das volksthümliche Element hineingetragen, während Krauſe — nach großen Siegen in „ DonnerOden" die Pauke schlagend, als Dritter im "1 musikalischen Kränzchen", diese Compositionen redigirte. So wurde die Kunstpoesie aus Friedrichs des Großen Zeit die Grundlage unserer sogenannten beliebten Lieder. Der Componist besaß das Haus No. 72 in der Spandauer Straße, welches zu Anfang des vorigen Jahrhunderts der Etatsminister Freiherr von Bartholdy durch Nehring hatte erbauen laſſen, und in dem später Meyerbeer das Licht der Welt erblickte. Seine Graun war zweimal und glücklich verheirathet. Tochter aus erster Ehe, zu einer vielverheißenden Sängerin ausgebildet, ward durch ihre Verheirathung der Kunſt entzogen ; von ſeinen vier Söhnen zweiter Ehe zeigte keiner Neigung zur Muſik. Vierundzwanzig Jahre hatte Graun im Dienſte Friedrichs II. gewirkt, als er bei der Nachricht von der verlorenen Schlacht des Königs, bei Züllichau (23. Juli), am 8. August 1759 einem hißigen Fieber erlag . Bei der Kunde von seinem Tode brach Einen solchen Sänger Friedrich der Große in die Worte aus: werden wir nie wieder hören!"
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VII. Freiherr von Knobelsdorff.
ener Tempel der Kunst an der "9 via triumphalis ", welcher als eines der großartigsten Bauwerke Berlins die einfache, aber charakteristische Inschrift „ Fridericus Rex Apollini et Musis " trägt, verewigt zugleich den Namen seines Erbauers , des Freiherrn Hans Georg Wenceslaus von Knobelsdorff. Am 17. Februar 1699 auf dem Landsiz Kuckädel bei Kroffen geboren , ſtand er schon als vierzehnjähriger Knabe mit ſeinen sechs Geschwistern am Grabe des Vaters , welcher einem alten und verbreiteten Adelsgeschlecht angehörte. Für die militairische Laufbahn bestimmt, trat Georg 1714 bei dem Infanterie-Bataillon der Garnison zu Küſtrin als Korporal ein.
Mit demselben wohnte er im folgenden Jahre
der Belagerung von Stralsund und den Kämpfen auf Rügen bei, wurde zum Seconde- Lieutenant befördert, und kam dann im April 1729 mit seinem Regiment nach Berlin. Schon frühzeitig mit den glücklichsten Anlagen zur Malerei begabt , hatte er sich in ſeinen Mußeſtunden mit derselben beſchäftigt, und suchte nun im Juni 1729 beim König seinen Abschied nach, um sich ganz der Kunſt zu widmen.
Schon am 9. deffelben Monats
erhielt er denselben, mit Verleihung des Charakters als Capitain, bewilligt. Unter der Leitung des berühmten Pesne lag er nnn mit vollem Eifer dem Kunſtſtudium ob , und „ die Malerei leitete
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ihn an der Hand zur Baukunst hin " , wie Friedrich der Große von ihm sagt. Der jüngere Kemmeter und Wangenheim wurden seine Lehrer in der Architektur. So lebte Knobelsdorff in tiefer Zurückgezogenheit, als ihu der Kronprinz, nach erfolgter Versöhnung mit dem Vater, nach Ruppin berief, woselbst er 1735 dem Gebieter einen Garten nebst Lusthaus anlegte.
Bald aber erwachte in ihm die Sehn-
sucht , den klassischen Boden Italiens zu betreten , um sich in der Malerei und Baukunft weiter auszubilden. Der Kronprinz gab seinem Wunsche nach -er ließ ihn im folgenden Jahre auf seine Kosten dorthin reisen. Bereichert mit den Schäßen dieses Landes, kehrte Knobelsdorff im April 1737 zurück, und begab sich nach Rheinsberg , woselbst der Kronprinz seit dem Auguſt 1736 übergesiedelt war. Bum Bau-Intendanten ernannt , erfolgte hier in der „platonischen Republik“ , unter des Meiſters Leitung , bis 1739 der von Kemmeter begonnene Umbau des Schlosses , über dessen Pforte der seltene Königssohn in einem Bronzeschilde die Inschrift feßen ließ : Friderico tranquillitatem colenti „Friedrich's ländlicher Ruhe geweiht." Hier auch ließ Friedrich sich von Knobelsdorff für Voltaire malen, und überschickte dieſem das Bild durch Keyſerling . Ein anderes Porträt des Künstlers zeigt uns den jugendlichen Kronprinzen in ganzer Figur , mit dem Küraß über der Uniform, das Antlig dem Beſchauer zugewendet, die Rechte befehlend ausgestreckt ; im Hintergrunde trägt ein Mohr den königlichen Purpur. Dies Bildniß ist neben den Pesne'schen das vorzüglichste, welches wir von Friedrich besigen. Außerdem malte Knobelsdorff, auf den Wunsch des Kronprinzen , auch dasjenige des königlichen Vaters . Friedrich Wilhelm I. hatte das Zeitliche gesegnet. Am 22. Juni 1740 trug man den Sarg des Verewigten nach dem Katafalk in der Garnisonkirche zu Potsdam, den Knobelsdorff hatte errichten lassen, ein Meisterstück von Architektur und Zeichnung . Dann mit
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der Leitung des Wiederaufbaues von Rheinsberg betraut , das eine Feuersbrunst eingeäschert hatte , ging er auch an die Ausbefferung und den Ausbau eines Flügels des unter der vorigen Regierung verödeten Schlosses Charlottenburg . Zum Surintendant der königlichen sämmtlichen Schlöſſer, Häuser und Gärten" , und zum Directeur en chef aller immediaten Bauten in den sämmtlichen Provinzen " ernannt, ließ Knobelsdorff noch zu Ende des Jahres 1740 mit den befohlenen Vorbereitungen zum Bau des Opernhauses beginnen. Die Ueberreste des alten Walles wurden abgetragen, und der verlegte Festungsgraben erhielt seine heutige Richtung längs des damaligen Prinzessinnen- Palais. Zur Aufführung des Gebäudes waren 2,900,000 Mauersteine, 46,000 Klinker, 126,000 schwarze Dachsteine , 3800 Wispel Kalk , 1600 Werkstücke , 490 Eichen und 1190 Fichten erforderlich. Endlich im Dezember 1742 war
der Bau
soweit vor-
geschritten , daß des Königs heißer Wunsch in Erfüllung gehen konnte die erste Aufführung der großen Oper fand am 7. mit Graun's Cleopatra und Cäsar" statt. Das in seinen Verhältnissen großartige , und dabei doch einfache Gebäude spricht von dem reinen Geschmack und dem Talent seines Baumeisters , welcher sich von dem Prunk und den Verschnörkelungen des damaligen französischen Geschmacks emancipirte und in dieſem ſeinen Werk - zum ersten Mal in Berlin auf die reinen Formen griechischer Architektur zurückging . Nach dem Vorbilde des Pantheon zu Athen ausgeführt,
bildet das Opernhaus, mit ſeinem Zuschauerraum für 2000 Personen, ein Viereck von 290 Fuß Länge , 103 Fuß Breite und 73 Fuß Höhe. Zu der an der Hauptfaçade von sechs korinthischen Säulen gebildeten Halle führt eine zweiseitige Treppe ; in den Blenden der Halle stehen die Statuen des Sophokles , Ariſtophanes, Menanders und Euripides , auf dem Giebel die des Apollo, der Euterpe und Terpsichore. Ein eigenthümliches , wenn nicht
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satyrisches Relief befindet sich über dem nach der Bühne führenden Eingang, gegenüber der Katholischen Kirche. Auf dem Felde des von sechs korintischen Wandpfeilern getragenen und mit den Bildsäulen der drei Grazien geschmückten Giebels ist Orpheus dargestellt , wie er durch die Macht der Töne die wilden Thiere bändigt.
Löwen und Panther lauschen seinem von der Leyer
begleiteten Gesange'; nur ein Bär, das Wappenthier der guten Stadt Berlin, scheint sich wenig um die Musik zu kümmern abseits von den Genossen steht er im Hintergrunde. Nach dem Brande im Jahre 1843 wurde das Opernhaus,
mit Benußung der alten Mauern und unter geringen Aenderungen, von Langhans wieder aufgebaut . -Bei der Eröffnung der neuen Académie des Sciences et belles Lettres, am 23. Januar 1744 , zählte Knobelsdorff zu den Ehrenmitgliedern derselben , nachdem ihn der König schon im Jahre 1741 zum „ Direktor der Musik und zum Intendanten der Schauspiele" ernannt hatte. Nachdem die heutige kunstgerechte Geſtalt des Thiergartens dem schaffenden Geiſte dieſes Meiſters seine Entstehung verdankt, wählte derselbe sich den am Wiesenufer der Spree gelegenen, damals einem Gärtner Müller gehörigen Plaß zur Erbauung eines Landhauſes , neben welchem er eine Meierei anlegte , die noch 1785 als „Knobelsdorff's Meierei " allgemein bekannt war . Ursprünglich hatte König Friedrich I. diesen Plaß einigen Refugié's zur Anlegung von Maulbeerbaumpflanzungen überwiesen, auf dem heute Schloß und Park „ Bellevue " sich befinden . Ihm
verdanken ferner der Lustgarten in Potsdam seine
Grundlage, und das dortige Schloß seine innere Ausschmückung sowie die große Marmortreppe. Nach den Skizzen Friedrich des Großen bildete Knobelsdorff dann die Pläne zu dem Lieblingswohnsitz des , Philosophen von Sanssouci “ , als „ Luſtſchloß im königlichen Weinberge " , weiter aus.
Doch die von ihm intendirten Verbesserungen sagten dem
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König nicht zu, dessen eigene baumeiſteriſche Thätigkeit sich bereits geltend zu machen begann. So wurde denn Dietrichs und später Boumann mit der Ausführung des Planes beauftragt, soweit derselbe mit den Zeichnungen Knobelsdorff's übereinstimmte. Das Ehrgefühl des Künstlers war dadurch tief verlegt, die Eintracht zwiſchen ihm und dem königlichen Freunde zum ersten Male gestört. Bald aber bahnte sich eine Versöhnung an, und Friedrich der Große schenkte seinem Bau-Intendanten die beiden angrenzenden Häuser , Kronenstraße Nr.
29 und
Leipzigerstraße 65 in Berlin. Als dann der König, nach Abschluß des Dresdener Friedens , am 28. Dezember 1745 seinen Einzug in Berlin hielt , stellte Knobelsdorff vor der Pforte des Potsdamer Schlosses jene beiden Statuen auf, die noch gegenwärtig im hiesigen Thiergarten sich befinden. Die Eine derselben stellt einen Herkules Muſageta mit der Leyer, die Andere den pythischen Apoll dar, welcher den Bogen führt. In dieser Doppeldarstellung des Heroen mit der Lyra des Poeten , und des Dichtergottes mit dem Bogen des Helden war , wie Bielefeld in einem seiner Briefe erzählt, von dem Künstler eine Huldigung des heimkehrenden Siegers beabsichtigt gewesen. Und er fügt hinzu : „ Der Gedanke scheint mir glücklich ; das heißt auf höchſt geistreiche Weise den schöngeistigen Helden charakterisiren. " Dem König behagte aber weder die Anspielung , noch der Doppelposten dieser „großen Schildwachen " , weshalb er dieselben am Eingange des Thiergartens beim Brandenburger Thor aufstellen ließ . Hier sah fie Knobelsdorff auf dem täglichen Gange nach seiner Meierei. Aus dieser Veranlassung und in Folge weiterer Meinungsverschiedenheiten entstand , wie Manger sagt , ein " ziemlicher Kaltſinn“ des Königs gegen seinen Freund. Zwar errichtete er noch den "/ Tempel der Freundschaft" , in Berlin aber wurde er beim Bau des Invalidenhauſes , der Hedwigskirche und des neuen Domes im Lustgarten übergangeu .
Am empfindlichſten
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aber berührte ihn der Bau der Kunstakademie (1749), zu deren Mitgliedern er gehörte, und die ebenfalls in ihrer traurigen Geſtalt durch Boumann aufgeführt wurde . Die Erbauung des Berliner Thores in Potsdam
follte endlich
den
vollständigen
Bruch
zwischen
Knobels-
dorff und Friedrich dem Großen herbeiführen. Wie Manger berichtet, war der Erstere zur königlichen Tafel nach Potsdam geladen, und der König richtete vor Beginn derselben an Knobelsdorff die Frage: wie ihm das neue Thor gefallen , welches er so eben passirt habe ? „ Sieht Er“ , fuhr der König fort , als der Angeredete die Frage absichtlich überhörte , „ das hat Sein dummer Castellan Boumann erbaut ". - „Deshalb muß ich es auch wohl nicht bemerkt haben", lautete nun die Erwiederung . „Er kann wieder nach Berlin gehen ! " rief der König verdrießlich. Knobelsdorff nahm sofort Extrapost, doch der König schickte ihm , auf die Meldung hiervon, einen Feldjäger mit dem Befehl nach, unverzüglich zurück zu kommen. Erst in Zehlendorf holte ihn derselbe ein. " Mir hat der König selbst befohlen, nach Berlin zu gehen, und ich weiß zu gut, ob ich seinen oder des Feldjägers Befehl befolgen muß ! " Mit dieser Antwort fuhr er weiter. Seit jenem Tage sahen beide Freunde sich nicht wieder. Knobelsdorff lebte nunmehr in häuslicher Zurückgezogenheit, sich vorzugsweise mit der Malerei beschäftigend ; doch kam er auch den Aufträgen des Königs nach, und fertigte eine Anzahl von Entwürfen zu Privatgebäuden in Berlin, die uns jeßt nicht bekannt sind. Eben so wurde nach seinen Plänen das herzogliche Schloß in Dessau erbaut. Nach einer langwierigen Krankheit starb der geniale Mann am 16. September 1753, und wurde im Glockenstuhl- Gewölbe des Deutschen Doms auf dem Gensdarmen-Markt beigefeßt. Wenige Tage vor seinem Tode richtete er an den königlichen Freund nachstehende Zeilen : „ Ich fühle die lezten Augenblicke meines Lebens herannahen und nüße eine Pause meiner
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Schmerzen, um den Gefühlen der Dankbarkeit Worte zu geben, von denen ich für all' das Gute und all' die Wohlthaten durchdrungen bin, mit welchen mich Euer Majestät während meines Lebens überhäuft haben. . . . Die leßten Augenblicke des Lebens eines alten Dieners gehören dem Wunsch , daß Euer Majeſtät Regierung so lang sei, als sie ruhmreich ist. “ Friedrich der Große, tief betrübt durch das Hinscheiden des Genossen seiner Jugend , ehrte das Gedächtniß desselben durch eine Lobrede , die am 24. Januar 1754 in der Akademie der Wissenschaften verlesen wurde und im 8. Bande seiner Memoiren abgedruckt ist. „Er verschönerte, " heißt es darin ,
die Architektur durch
seinen Sinn für das Malerische, welcher den gewöhnlichen Zierrathen die Anmuth hinzufügte ; er liebte die edle Einfachheit der Griechen , und ein reines Gefühl hieß ihn allen Schmuck verwerfen, der nicht an seinem Plaze war. " Knobelsdorff blieb unverheirathet ; doch gingen aus einem Verhältniß zu der schönen Tochter des Küſters zu Charlottenburg, Sophie Charlotte Schöne, zwei Kinder hervor, die nach seinem Tode vom König legitimirt wurden. Die Mutter derselben, welche das Haus in der Kronenstraße bewohnte, verheirathete sich später mit einem Commandeur von Wangenheim.
Von ihren
beiden Töchtern, welche das Haus in der Leipzigerstraße besaßen, vermählte die ältere sich mit dem Hauptmann Baron v. Puttlig, und die jüngere mit dem Erbherrn auf Trechwiß und Rekahne, Botho Wigand v. Rochow. Die Knobelsdorff'sche Meierei im Thiergarten gelangte 1785 an den Prinzen Ferdinand, welcher Schloß Bellevue mit ſeinem Park darauf errichtete. Das vorzüglichste Bildniß des genialen Künſtlers und Baumeisters , 1739 von Pesne gemalt und in der Cavalierkammer zu Sanssouci aufbewahrt, diente zu dem Relief-Portrait Knobelsdorff's an dem Friedrichsdenkmal in Berlin.
VIII. Maupertuis.
ine eigenartige Erscheinung unter den Gelehrten seiner Zeit Frine war Pierre Louis Moreau de Maupertuis . Im Jahre 1693 als der Sohn einer vornehmen Familie zu St. Malo geboren , zeigte er schon in seiner Jugend eine große Neigung für die Mathematik. Dann 1713 in die königliche Musquetair-Garde eingetreten , widmete er seine freien Dienſtſtunden dem Studium
jener Wissenschaft ,
und
nahm
endlich seinen Abschied , um sich lediglich seiner Lieblingsneigung hingeben zu können. Der Ruf von seiner Gelehrsamkeit und seinen Talenten bestimmte Ludwig XIV. , nachdem Maupertuis in die Akademie der Wissenschaften getreten war, ihm die oberſte Leitung jener Expedition nach dem Norden zu übertragen, welche die Gestalt der Erde feststellen sollte. Unter den Mathematikern hatte sich nämlich ein Streit darüber entsponnen , ob die Erde an den Polen abgeplattet - wie Newton behauptet , oder ob sie , nach der Meinung anderer Gelehrten, verlängert sei .
Maupertuis begab sich 1735
mit ſeiner Expedition nach Torneä, um die Mittagslinie zu meſſen, de la Condamine aber zu dem gleichen Zwecke nach Quito. Maupertui's Unternehmung, im Jahre 1737 beendet , war mit den größten Schwierigkeiten verbunden , seinen
Namen mit unsterblichem Ruhm ,
Newton's Ansicht bestätigte.
aber sie bedeckte
indem sie zugleich
Er hat dieſe Reiſe in ſeinem Werke
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„ De la figure de la terre , determinée par les observations de M. " (Paris 1738) beschrieben. Es konnte nicht fehlen, daß Maupertuis , von seinem Freunde Voltaire empfohlen, an den Hof Friedrichs des Großen berufen wurde.
Verglich Jener ihn doch wegen seiner mathematischen
Kenntnisse mit Archimedes , wegen seines Muthes und seiner Ausdauer mit Columbus , und wegen seiner Reſultate auf Torneä mit Michel- Angelo ! „Mein Herz und meine Meinung " , schrieb der König im Juli 1740 eigenhändig an Maupertuis , " haben von dem ersten Augenblick an, da ich auf den Thron gelangt bin , das Verlangen in mir erweckt , Sie hier zu haben , damit Sie der Berliner Akademie diejenige Gestalt geben, die sie nur von Ihnen erhalten kann. Kommen Sie also und pfropfen Sie in diesen wilden Stamm das Reis der Wissenschaften , daß es blühe. Sie haben der Welt die Gestalt der Erde gezeigt ; kommen Sie und zeigen Sie auch einem Könige das Vergnügen, einen solchen Mann, wie Sie sind, zu besitzen . " Maupertuis kam dieser Aufforderung sofort nach, und schon am 28. August empfing ihn der König , auf seiner Rückkehr nach Berlin, zum ersten Male in Wesel.
Die große Vorliebe,
welche er bald für den Gelehrten hegte , nöthigte dieſen , den ersten schlesischen Krieg mitzumachen . In der Schlacht bei Mollwig aber ( 10. April 1741 ) wurde Maupertuis, welcher sich beim Herannahen österreichischer Husaren auf einen Baum geflüchtet hatte, entdeckt und gefangen genommen, um nach Wien geführt zu werden , wo man ihn mit Auszeichnung behandelte. Die Dauer seiner Gefangenschaft sollte indessen nur eine kurze sein ; denn nachdem Friedrich der Große den eines Briefwechsels mit dem österreichischen Kommandanten von Neiße verdächtig gemachten Kardinal und
Fürstbischof
von
Breslau ,
Grafen
von Sinzendorf, am 18. April aus der Haft entlaffen und ſelbſt zur Tafel geladen hatte, gab Maria Thereſia, nachdem Sinzendorf
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wenige Tage darauf in Wien eingetroffen war , dem berühmten Gelehrten seine Freiheit wieder. Bei seiner Rückkehr nach Berlin heirathete er ein Fräulein von Borck , eine Hofdame der Königin , und lebte allein den Wissenschaften.
Dabei war sein Haus eine förmliche Menagerie ;
Schaaren von Affen , Papageien und anderen ausländiſchen Thieren haus'ten in seinen Zimmern , während der Hof von überseeischem Geflügel wimmelte. Inzwischen war der königliche Marstall unter den Linden, zugleich Siz der Societät der Wissenschaften und der KunstAkademie , am 20. August 1742 mit sämmtlichen kostbaren Sammlungen abgebrannt. An ſeinem Geburtstage, 23. Januar 1744, eröffnete Friedrich der Große die unter seinem Protectorat stehende, neue „ Académie des Sciences et belles lettres " auf dem Schloß , und zwei Jahre später wurde Maupertuis zum Präsidenten derselben ernannt. Als solcher bezog er ein Gehalt von 3000 Thalern und erhielt
eine besondere Auszeichnung
im April 1747 den Verdienstorden verliehen. Von dem Monarchen mit Wohlwollen überhäuft , war Maupertuis der erklärte Günstling deffelben. Dabei wußte der mit einem lebhaften Geist und feinem Wiß ausgestattete Mann durch sein liebenswürdiges , einſchmeichelndes Benehmen Jedermann für sich zu gewinnen . Da erschien, 1751 , Voltaire am Hofe Friedrichs — mit einer Auszeichnung behandelt, wie nie ein Dichter am Hofe eines Königs . Der eben so ehrgeizige als eigennützige Franzose bot Alles auf , um Maupertuis aus der Gunst des Königs zu verdrängen und sich in das Vertrauen desselben einzuschmeicheln. Die Gelegenheit , seinem ehemaligen Freunde zu schaden , sollte sich ihm bald genug darbieten. Maupertuis hatte 1750 in die Memoiren der Akademie
der Wissenschaften seinen „ Essai de Cosmologie " aufgenommen , und glaubte darin ein neues Naturgeſeß von der „ kleinsten Kraft
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in den Wirkungen der Körper " entdeckt zu haben.
Der Profeffor
König in Frankfurt , welcher Voltaire's gelehrter Gesellschafter in Cirey gewesen , griff diesen Aufsaß in den Leipziger „ Nova Acta eruditorium " (März 1751) nicht nur an, sondern erklärte auch, daß Leibniz dieselbe Idee schon früher gehabt hätte. Zum Beweise dessen legte er eine Abschrift des Briefes vor , den Jener an den Profeffor Jakob Herrmann in Basel geſchrieben haben sollte.
Vergeblich forderte Maupertuis ſeinen Gegner auf,
ihm den Originalbrief von Leibniz vorzulegen, und brachte demnächst die gelehrte Fehde zur richterlichen Entscheidung .
Auf
seinen Antrag wurde Profeſſor Herrmann, als Ehrenmitglied der Berliner Akademie, aus derselben ercludirt. Jezt mischte Voltaire , die günstige Gelegenheit wahrnehmend , sich in den Streit , trotzdem der König ihm befohlen, neutral zu bleiben . Zunächst schrieb er, im Oktober 1752 , den „ Brief eines Berliner Akademikers an einen Pariſer“ eine beißende Satyre gegen Maupertuis . Und als dieser dann seine ,,Lettres Philosophiques" drucken ließ, in denen er bei aller Gelehrsamkeit ein großer Sonderling - den Vorschlag machte, eine Stadt zu bauen, in der nur lateinisch gesprochen würde, die ein Loch bis an den Mittelpunkt der Erde zu graben , Aerzte nur dann zu bezahlen, wenn die Kranken gejund geworden wären, leßtere dagegen mit Harz zu überziehen, um eine schädliche Ausdünstung zu verhüten , und endlich nach der Meerenge Magelhaen zu gehen, um das Gehirn von Patagoniern behufs Erforschung der Natur der Seele zu öffnen : da bot sich einem Voltaire Stoff genug zur beißendsten Satyre gegen den armen Maupertuis dar. Er schrieb seine „ Histoire du Docteur Akakia , Medecin du Pape, et du natif de St. Malo . " Friedrich der Große hatte das Manuscript zwar mit vielem Vergnügen gelesen, untersagte jedoch dem Verfaffer, aus Achtung gegen den Präsidenten seiner Akademie , die Handſchrift dem Drucke zu übergeben. Voltaire versprach dies zwar , hielt aber
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nicht Wort.
Rechtzeitig noch wurde auf Befehl des Königs die
Ausgabe unterdrückt ; nichtsdestoweniger erschien unmittelbar darauf in Dresden eine andere , die natürlich allgemeines Aufsehen erregte, und namentlich in Paris großen Absatz sand. Friedrich, auf's Höchste darüber empört , schrieb an Voltaire , welcher jede Mitwirkung an dem Erscheinen der Druckschrift in Abrede stellte : „ Ich erstaune über Ihre Unverschämtheit.
Nach Allem,
was Sie gethan haben und was so klar ist , wie die Sonne, leugnen Sie noch , statt zu gestehen , daß Sie strafbar sind. Bilden Sie sich nicht ein, die Leute werden sich von Ihnen überreden lassen , schwarz sei weiß. Man sieht nicht immer , weil man nicht immer sehen will. Aber wenn Sie die Sache auf das Aeußerste treiben , so lasse ich Alles drucken und es wird sich zeigen , daß Sie , wenn Sie für Ihre Werke Statuen verdienten, für Ihr Betragen Ketten werth wären. " Als Nachschrift waren die Worte hinzugefügt : „ Der Verleger ist befragt, er hat Alles gestanden. “ Voltaire, welcher anfänglich ein Zimmer im Schloſſe, unter denjenigen Friedrichs II . (im zweiten Stockwerk nach der Spreeseite, zunächst dem Schloßplat) inne hatte, wohnte damals in dem Francheville'schen Hause , Taubenstraße Nr. 17. ) Er empfing den Brief des Königs , angeblich krank darniederliegend , und schickte ihn mit folgender Randbemerkung zurück : „ Ach , mein Gott ! Sire , in dem Zuſtande , wie ich bin ! Ich schwöre es Ihnen noch einmal bei meinem Leben , auf welches ich gern Verzicht thue , daß es eine abscheuliche Verleumdung ist. Ich beschwöre Sie, alle meine Leute confrontiren zu lassen. Wie ? Sie wollen mich ungehört verurtheilen ? Ich verlange Gerechtigkeit und den Tod." Friedrich bewies sich den Bemühungen Voltaire's gegenüber,
*) Das kleine, einstöckige Haus, welches seine Rampe weit in den Bürgersteig hineinschob, ist unlängst einem Neubau gewichen.
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der Sache eine andere Wendung zu geben , ziemlich kalt. Er ließ ihn sogar einen von seiner eigenen (des Königs) Hand geschriebenen Revers , d. d . Potsdam, den 27. November 1752, unterzeichnen. Inhalts deffelben mußte Voltaire versprechen, fernerhin gegen Niemand, der dem königlichen Hauſe auf irgend eine Weise nahe stände , zu schreiben , auch sich überhaupt seinem Stande als königlicher Kammerherr gemäß zu betragen. Wenige Wochen später, am Nachmittage des 24. Dezember, ließ der König das Buch auf den vornehmsten Plätzen von unweit der Berlin , also auch auf dem Gensdarmenmarkt Wohnung des Verfaſſers, lich verbrennen.
durch die Hand des Henkers öffent-
Darauf hatte Voltaire nicht gerechnet ; tief gekränkt mied er den Hof und überschickte dem König sein Kammerherrn- Patent nebst dem goldenen Schlüffel und Ordenskreuz mit folgenden, auf das Packet geschriebenen Strophen, in denen er sich mit einem Liebhaber vergleicht, welcher der Geliebten Bildniß zurücksendet : „Je les reçus avec tendresse ; Je Vous les rends avec douleur, Cest ainsi qu'un amant, dans son extrême ardeur, Rend le portrait de sa maitresse. " Außerdem richtete er noch ein besonderes Billet an den König, worin er in den kläglichsten Ausdrücken um Verzeihung bat und zugleich erklärte , daß ihn die Ungnade des Monarchen zum unglücklichsten Menschen mache. Dieser Brief verfehlte. denn auch seine Wirkung nicht ; Voltaire erhielt durch Friedrich's ,,grand Factotum Fredersdorf"
die Insignien seiner Würde
zurück , mußte aber in der "I Haude und Spenerschen Zeitung " , vom 19. Januar 1753 , folgende Erklärung veröffentlichen : „Der Herr von Voltaire achtet sich verbunden, hiermit anzuzeigen, daß er keinen Antheil an den Schriften habe, die seit Kurzem sowohl in der gelehrten Streitigkeit von der mindern Handlung , als über andere Dinge herausgekommen ,
und die
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man ihm in einigen Journalen und Zeitungen beimeffen wollen. Es ist ihm sehr zuwider , daß man ihn zu deren Verfasser gemacht hat, und es würde ihm noch mehr sein , von bloß philosophischen und gelehrten Sachen auf eine Art zu schreiben, welche im Geringſten die Sitten oder die Ehre eines Andern, wer es auch sei , beleidigen könnten . Er nimmt übrigens an diesen Streitigkeiten gar keinen Antheil und beschäftigt sich mit einer Arbeit ganz anderer Art, die alle seine Zeit erfordert, indem er an nichts weiter denkt, als die Geschichte seines Vaterlandes zu vollenden. " Nichtsdestoweniger war Maupertuis das Opfer jener Satyre geworden. Er erkrankte, begab sich dann im Jahre 1756 nach seiner Geburtsstadt und von dort nach Basel , woselbst er am 27. Juli 1759 in den Armen seines Freundes Bernoulli starb . Maupertuis hinterließ vielfache Werke geographischen, phyfikalischen und mathematischen Inhalts. Er vertheidigte auch in seinen philoſophiſchen Schriften das sogenannte Gesetz von der Sparsamkeit (Lex minimi) , nach welchem die Natur in der Bewegung der Körper den kleinsten Aufwand der Kraft macht, worauf sogar ein Beweis für das Dasein Gottes werden sollte.
gegründet
In Berlin erinnert noch die von ihm verfaßte Inschrift, welche das im Jahre 1748 vollendete Invalidenhaus trägt : Laeso sed invicto militi, " an den gelehrten Sonderling.
6
IX.
Moses Mendelssohn.
s ist eine unscheinbare Wohnstätte , in deren Räumen die E Träger berühmter Namen ein- und ausgingen, — die manches schöne, auf begeisterter Verehrung gegründete Freundschaftsbündniß sich knüpfen sah jenes Haus No. 68 in der Spandauerstraße, deffen weiße Marmortafel mit goldener Inschrift uns verkündet : In diesem Hause lebte und wirkte Unsterbliches Moses Mendelssohn . Geb. in Dessau 1729. Gest. in Berlin 1786. Hier stand, in dem eben begonnenen Zeitalter Friedrichs des Großen - jener Zeit des Ringens der Geiſter nach der höchsten Stufe der Kultur, dem rastlos arbeitenden Genius eines Lessing die verſtändige, perſonificirte Klarheit des Judenthums zur Seite ; hier verweilten Ramler und Nikolai , Mylius , Gumpert, Sulzer und Lavater in Disputationen über die höchsten Güter des Lebens . Und so gestaltet jenes unscheinbare Haus , als die Wohnstätte auch Moses Mendelssohn's , sich zu einem strahlenden Tempel der Aufklärung und Intelligenz . Kein freundlich waltendes Geschick stand dem Manne zur Seite , deffen starker Wille und klarer Geist ihm die Bahnen vorgezeichnet , die er zu wandeln hatte , und deren Spuren auf die Nachwelt übergegangen sind. Als der Sohn eines unbemittelten Lehrers und Zehngebot.
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schreibers, Namens Mendel, am 7. September 1729 zu Defau geboren , wurde der kaum vier Jahr alte , schwächliche Moses von seinem Vater täglich in die Schule getragen, und so die innere Reife des Knaben überzeitigt. Im zehnten Jahre schon verfertigte er hebräische Gedichte , wenige Jahre später war er mit dem Talmud genau bekannt. Gleichwohl hatte der frühreife Moses noch kein deutsches Buch gelesen , denn die Lektüre eines solchen galt dem damaligen orthodoren Judenthum
als eine
Hinneigung zum Nazarenerthum. So geistig nur mangelhaft ausgebildet , aber beseelt von dem glühendsten Wiſſensdrange , faßte er in seinem vierzehnten Lebensjahre den Entschlußz , seinem Lehrer , dem Rabbi David Fränkel , nach Berlin zu folgen.
Blieben ihm auch hier die
unglaublichsten Entbehrungen nicht vorbehalten, so fand er doch mehr Gelegenheit , seine Talente und Kenntnisse zu erweitern . Ohne jegliche Mittel , unbekannt in der großen Stadt , scheu und blöde und voller Furcht vor der „ Grausamkeit und Gewaltlust" der Welt, erwarb er in Berlin ſeine Subſiſtenzmittel durch Abschreiben und Unterricht im Hebräischen. Wenn Freiheit und Einsamkeit der Boden , in dem die Philosophie ihre eigensten und tiefsten Wurzeln schlägt, --- wenn sie dem denkenden Geiste Wohlthat und Bedürfniß zu ungestörtem . Schaffen sind , so hat der jugendliche Mendelssohn beide im vollsten Maaße besessen . Freilich war es eine Vereinsamung, die etwas Naturwidriges ,
Gewaltsames und Herbes in ihrer
äußeren Erscheinung hatte ; aber gleichwohl verdankt die Literatur ihr die Keime zu den ſchönſten Blüthen des schaffenden Genius, und sie verdienen um so mehr unsere Bewunderung , wenn wir einen Blick in die Werkſtatt dieſes , nach freierer Gestaltung der Lebensformen ringenden Geistes thun, deffen zartsinnige Empfindung Alles bis in die feinsten Untersuchungen der spekulativen Philosophie hinübertrug. Und darum fesselt uns in seinen Schriften jener unnachahmliche Schmelz der Herzlichkeit, durch
*9
84 welche er die Seele für Alles , womit er sie beschäftigt, auf die leiſeſte, aber stets unfehlbarste Weiſe : von der Seite des Herzens faßt. Geist und Herz erklären sich bei ihm, der eine durch das andere. Während um ihn das Treiben der Hauptstadt lärmte und wogte , studirte er in einer elenden Dachkammer seinen Wolf und Leibniz mit einer Wißbegierde, die ihn oft Nächte durchwachen ließ. Aber die Folge dieser seiner " nächtlichen Schwärmereien " , wie er sie nannte, war eine eintretende Nervenschwäche, die ihn längere Zeit für ein ernſtes, anhaltendes Denken unfähig machte.
So stand er denn oft stundenlang am Fenster und
zählte, um seinem Geiſte doch eine Beschäftigung zu geben, die Ziegel auf dem Dache des gegenüberſtehenden Hauſes . Nicht minder feſſelte ihn das berühmte Werk des Maimonides Moreh Nebuchim" (Führer der Frrenden).
Aus diesem Haupt-
werke der neueren hebräischen Literatur , das die Begriffe von Gott und Geist , von der Unsterblichkeit der Seele und die Moral behandelt, schöpfte Moſes ſeine freimüthige Denkungsart ; er nannte es später ſelbſt die Quelle seiner Philoſophie. Ein größeres Selbstvertrauen gewann er durch den Umgang mit jüdischen Aerzten , denen er sich näherte. Eifrig betrieb er daneben die mathematischen Wissenschaften und Englisch, während das Studium Locke's ihm die Formen für die damals übliche Dialektik in metaphysischen Dingen gab. Aber dies sein Studium und die Befriedigung seines Gelüstens nach moderner Literatur geschahen heimlich ; denn die Rabbiner bezeichneten nicht nur jede moderne Sprachkenntniß als Kezerthum, sondern sie prophezeihten auch in dem Umsichgreifen der Betheiligung an den Intereffen der christlichen Völker den Untergang des Judenthums . Bei einem so angestrengten Studium gesellte sich zu dem Nervenleiden des jugendlichen Moses ein anderes Uebel : ſein Rückgrat begann sich zu beugen und wurde in Folge einer
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späteren, nachlässigen Behandlung die Hauptursache seiner schwächlichen Gesundheit und auch wohl eines früheren Todes . "I Dem Maimonides ", äußerte er oft scherzend, " habe ich's zuzuschreiben, daß ich einen so verwachsenen Körper bekommen .
Er allein ist
die Ursach' davon, denn der Mann hat mir manche trübe Stunde meines Lebens versüßt , und so auf der einen Seite mich zehnfach für das schadlos gehalten , um was er mich in Betracht meines körperlichen Wuchses wider seinen Willen gebracht hat. " Unbegreiflich erscheint es dabei , wie die Nahrung , auf welche Moses zu jener Zeit sich beschränken mußte, und die auch später nicht das einfachste Mahl überschritt , seinen Körper so lange erhalten konnte. Seine tägliche Mahlzeit bestand aus Brod , auf das er strichweise die Tage der Woche bezeichnet haben soll , um seinem Hunger im Voraus Grenzen zu stecken . Und als er dann in besseren Verhältnissen lebte , wagte er bei aller Lüsternheit nicht ,
von den ausgewählteren Speisen und
Getränken zu kosten, wenn die Freunde ihn auch dazu aufforderten. Dieſe günstige Gestaltung seiner äußeren Verhältniſſe trat mit dem Zeitpunkt ein, als der reiche Seidenfabrikant Bernard ihn zum Erzieher seiner Kinder annahm, und demnächst, als er bei ihm auch die Gabe des Schönschreibens , des Rechnens und Buchhaltens entdeckte, zum Aufseher seiner Fabrik machte .
Bald
darauf avancirte Moses zum Faktor mit einem jährlichen Gehalt von 300 Thalern, und als solcher wußte er sich das Vertrauen und die Zuneigung seines Prinzipals in dem Grade zu erwerben, daß derselbe ihn später zu seinem Associé erhob. Wohl mochte Mendelssohn bis zu diesem Zeitpunkt die Abhängigkeit seiner Lage oft genug und bitter empfunden haben. Bernard war ein Mann von beschränkten Fähigkeiten ; ihm galten Kenntnisse und Geistesgaben als die geringste unter den geringen Waaren. Mendelssohn selbst äußerte sich gegen eine hochgestellte Persönlichkeit ,
in deren Gegenwart Bernard ihn wegen einer
Kleinigkeit hart anfuhr , auf die Verwunderung des Fremden,
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daß die Vorsehung einen solchen Geiſt in die Abhängigkeit eines jo alltäglichen Menschen gegeben habe : „ Eben das beweist mir die Güte der Vorsehung ; sie wollte für meinen Herrn und zugleich auch für mich sorgen, und deshalb mußte sie ihn reich, mich aber arm werden lassen .
Wäre es umgekehrt, so würde er gewiß
sich in großer Noth befinden , da ich ihn sicher nicht zu dem Geschäft brauchen könnte, wozu er mich braucht. “ In dieser seiner Stellung jah ihn schon um vier, spätestens um fünf Uhr der Morgen an seinem Studirtische ; dann begab er sich nach dem Comtoir, woselbst er, nach kurzer Mittagsraſt, bis zur vierten Nachmittagsstunde den Handlungsgeschäften oblag. Noch als Lehrer hatte M., im Jahre 1750, die Herausgabe einer moralischen Wochenschrift in hebräischer Sprache unternommen; indessen erfolgte wegen ihrer modernen , freisinnigen Richtung die Unterdrückung derselben bereits nach dem Erscheinen. der zweiten Nummer, auf Veranlassung der Rabbiner. Eine wichtige Rolle in dem geistigen Entwicklungsleben Berlins spielte Lessing schon mit seinem ersten Erscheinen am Schlusse des Jahres 1748. Später bildete sich dann jene wunderbare Gegenseitigkeit der Geister , die in der innigſten Freundschaft des Herzens , in dem gemeinschaftlichen Ringen nach Wahrheit und freimüthiger Denkungsart die zündenden Funken in das aufstrebende Kulturleben warf. Da war es , wo sich in Berlin, als dem Tummelplage der Freigeister, ein Kreis von Männern zusammenfand, wie er zum andern Male schwerlich wieder in der Hauptstadt zusammentreten wird. auch Moses Mendelssohn.
Zu ihnen zählte
Wir haben in Bezug auf die spätere Wohnſtätte deſſelben, welche auch diejenige Lessings während seines ersten Aufenthalts hierselbst war , auf eine Note Nikolai's zu dem Briefe Mendelssohn's an Jenen, vom 27. Februar 1758 , zu verweiſen . Dort heißt es : „ Ich wohnte ganz in der Nachbarschaft mit Moses , in einem Hause , das wir unser Haus zu nennen
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pflegten.
Es hatten darin nach einander Ramler, Mylius , Leſſing
und ich gewohnt ; zuletzt kaufte es Moſes und bewohnte es bis an sein Ende. " Kurz vor Neujahr 1752 begab Leſſing sich nach Wittenberg , wurde daselbst Magister, und kehrte dann gegen Ende deffelben Jahres wieder nach Berlin zurück. Jezt knüpfte sich der Freundschaftsbund mit Mendelssohn, dem dann Nikolai beitrat. Jener war Lessing als Schachspieler empfohlen worden, und schon nach halbjähriger Bekanntschaft schrieb Letzterer den auswärtigen Freunden : „ Ich habe einen zweiten Spinoza gefunden Moſes wird dereinst die Ehre seiner Nation ſein. “ Beide standen damals in gleichem Alter , waren in der äußeren Erscheinung aber diametrale Gegenfäße : Lessing , der schlanke , kräftige Jüngling mit regelmäßigen Zügen , geiſtvollen , lachenden Augen und einem Munde voll kecker, frischer Lebenslust , um den Anmuth und Schalkhaftigkeit spielten ; Mendelssohn dagegen klein , hager und verwachſen ; ſeine Gesichtsfarbe äußerst braun und kränklich ; sein Haar schwarz und kraus , die Nase römiſch groß. Aber unter der gewölbten Stirn blißte ein feuriges Auge, wohnte ein durchdringender Blick ; dazu der Mund sanft lächelnd und halb geöffnet, Bescheidenheit, Güte und Wohlwollen in seiner Miene – den Mann von hellem Kopf und edlem Herzen verkündend . Der früh geschlossene Bünd, begründet in dem Gefühl des Bedürfnisses gegenseitiger Ergänzung , bestand für das ganze Leben Beider, ja über den Tod des Einen hinaus , in lebendiger und segensreicher Wechselwirkung fort. Schon die „ Berliniſche Monatsschrift " (herausgegeben von Gedike und Biester) verbreitet sich im März 1786 , in einem dem Andenken Moses Mendelssohns gewidmeten Nachruf, über jenes Verhältniß :
„ Daß er und Lessing so vertraute Freunde
wurden, war in mehrerem Betracht eine gütige Veranſtaltung der Vorsicht. Lessing -die denkende Menschheit wird immer
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" Sein Gegenbild, ihm in so Vielem gleich und in Vielem doch ungleich, war sein philoſophiſcher Zeitgenoſſe, ſein Mitforscher nach Wahrheit, sein Freund Mendelssohn . Ich möchte sagen, er machte Manches unſchädlich, was ſonſt für einige Leser Lessing's hätte schädlich werden können. Er zeigte, daß was Lessing that, im Grunde jeder denkende Mann thue, Jeder zu thun das Recht habe, ja Jeder thun müſſe
obgleich Jeder anders, nach Maß-
gabe seines Geistes und Temperaments .
Er zeigte dies auch
durch sein eigenes Beiſpiel, indem er selbst freimüthig untersuchte und freimüthig das Reſultat ſeiner Untersuchungen bekannt machte, ―― follte es auch gegen lange gehegte Meinungen verstoßen ; freimüthig zwar , aber zugleich so liebenswürdig bescheiden , so ruhig belehrend , daß man seiner sanften Weisheit nicht widerstehen konnte , und also am Ende es auch recht finden mußte, daß Leffing dasselbe, nur auf seine Weise, gethan habe. Mendelssohn zeigte, wie sehr Verstand und Wahrheit dadurch gewonnen,
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daß Lessing so geneigt war, sich jeder verfolgten Lehre anzunehmen, jeden schlecht bestrittenen Irrthum zu vertheidigen , jede mit seichten Gründen behauptete Wahrheit anzugreifen, um die Trägheit im Geiſte nicht aufkommen zu laſſen, die am Ende allen Untersuchungsgeist tödtet. Er zeigte , daß eine irrige spekulative Meinung , wie ungeheuer und abenteuerlich sie auch Anfangs scheinen mag , doch Seiten haben kann , wodurch sie sich dem Denker empfiehlt und leicht einer Verfeinerung fähig ist, wodurch ihr aller nachtheilige Einfluß auf das Praktische der Religion und Sittenlehre benommen wird. — So belehrte er uns, indem er seinen Freund Leffing vertheidigte ; so vertheidigte er ihn, indem er zeigte , wie unschädlich nicht nur , sondern wie gerecht auch , und zugleich wie wohlthätig dessen Verfahren für wahre Religion und Tugend gewesen.
"1 Nur ihm , in Verbindung mit Lessing und Nikolai , verdankt Deutschland den Anfang einer freimüthigen, unparteiiſchen Kritik, die ohne Rücksicht auf die Person , nur die Sachen , ohne Rücksicht auf Namen und Anhang , nur den Schriftsteller beurtheilte. Wie kühn dieser Schritt damals war , bewies zur Genüge das freilich jezt vergessene Geschrei so vieler Menschen von allen Ständen dagegen. " Ueber jenen ersten Verkehr mit den Freunden giebt uns Nikolai, in einer Zusaßnote zu dem Briefe Mendelssohn's an Leffing , vom 27. Dezember 1755 , Aufschluß : „ Ich erinnere mich noch mit Vergnügen sehr angenehmer Stunden mit Naumann und Profeffor Kies , dem Astronomen , einem sehr lebhaften und wißigen Manne auf einer sehr kleinen Stube, die Lessing in einem sehr kleinen Hause auf dem Nikolai-Kirchhofe damals bewohnte . Ich gehe nie vor diesem kleinen Hauſe vorbei, ohne mich der ehemaligen glücklichen Stunden zu erinnern. " Und in seiner Streitschrift „ Ueber meine gelehrte Bildung und Kenntniß der kritischen Philosophie" berichtet er, daß er Lessing erst gegen das Ende des Jahres 1754 kennen gelernt habe,
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bald sein enger Freund geworden , und durch ihn dem Moſes Mendelssohn nahe getreten sei. Jene, nur aus Stube und Kammer bestehende, in dem jezt umgebauten Hausſe_am_Nikolai -Kirchhof Nr . 10, zwei Treppen hoch belegene Wohnung , theilte Leſſing mit seinem Jugendfreunde, dem eben so unruhigen als originellen Literaten Naumann. Hier auch fand häufig der lebhafte Verkehr mit den Freunden statt ,
zu denen dann noch Mylius ,
Gumpert und von
Breitenbach , der Schweizer Sulzer , welcher dem Sinn und Verſtändniß für die schönen Künſte erfolgreich Bahn gebrochen und zulezt Ramler traten. Dem lebhaften Kreise in so beschränktem Raum entzog Lessing sich plötzlich im Januar 1755.
Er ging nach Potsdam,
um in völliger Einsamkeit , „ verſchloſſen in ein Gartenhaus “; seine Miz Sara Sampson “ zu dichten. Drei Wochen später schreibt ihm Moſes Mendelssohn in dem ersten uns aufbewahrt gebliebenen Brief an Leffing : „Wenn Ihnen diese Schrift zu ungelegener Zeit kommt , so bedenken Sie, daß ich in drei Wochen nicht auf Ihrer Stube war ; daß ich unmöglich Ihren Umgang so lange entbehren kann, als Sie • Werden sich vorgenommen haben, abwesend zu bleiben. Sie nicht bald wiederkommen, theuerster Freund ? Wenn Sie es zu lange machen , so weiß ich nicht , ob ich der Versuchung werde widerstehen können, mit der Journalière auf einige Stunden zu Ihnen zu kommen.
Länger wollte ich Sie gewiß nicht stören. "
Einen Tag später antwortete ihm Lessing :
„ Ich würde
mir das größte Vergnügen daraus machen , ein paar Stunden mit Ihnen hier schwäßen zu können , allein ich mag kein Vergnügen, das Sie mir nicht anders, als mit Ihrer Incommodität machen könnten . “ So war die in Berlin geschlossene Freundschaft eine unzweifelhaft feste , und der Briefwechsel der fortgesette Umgang beider Geister geworden.
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Hatte Mendelssohn, troß wiederholter Aufmunterung durch Lessing und Nikolai , aus natürlicher Schüchternheit sich nicht dazu verstehen können, eine wissenschaftliche Abhandlung niederzuschreiben, so sollte dies aus folgender Veranlassung geschehen. Lessing hatte ihm den Auffag eines auswärtigen Gelehrten zur Beurtheilung übergeben, und bei Zurückstellung desselben äußerte Mendelssohn, daß er sich allenfalls Etwas darüber aufzusehen getraue. Lessing unterließ nicht , einen leisen Zweifel auszusprechen , und erhielt auf diese Weise ein Manuscript eingehändigt. Mehrere Wochen waren verstrichen, ohne daß Mendelssohn dasselbe zurück erhielt, bis er bei einem Besuch auf Leffing's Zimmer sich darnach erkundigte. " „ Nehmen Sie dort das kleine Bändchen , " entgegnete ihm Lessing ; - es war ein Druckeremplar jenes Manuscripts : das erste der „ philosophischen Gespräche." So war der schüchterne Mendelssohn denn wider seinen Willen als der in der Folge allgemein bewunderte Schriftsteller aufgetreten , dem die deutsche Sprache einen großen Theil ihrer Bildung und Würde verdankt. Mit der Gründlichkeit und Bestimmtheit im Denken wußte er die lebhafteste Empfindung und den feinsten Geschmack zu verbinden ; das Graziengewand der Schönheit umhüllt bei ihm die trockensten , abstraktesten Wahrheiten , wie aus der Sprache seines belehrenden Ernſtes eine gewinnende Herzlichkeit spricht , und die tiefsinnigsten Unterſuchungen an die nüßlichsten Wahrheiten des gewöhnlichen Lebens fich anschließen. So spricht sich in seinem „ Phädon “ über die Unsterblichkeit der Seele durch welches Werk er in gebildeten und denkenden Kreisen der Mann des Tages wurde, so in Allem, was er in seinen
Morgenstunden " von dem Dasein Gottes , in den
Briefen über die Empfindungen" von der Entstehung und der Entwickelung unserer Begriffe vom Schönen sagt , ein durchdringender Verstand , eine schöpferische Phantasie und ein für alles Gute und Schöne empfängliches Herz aus .
Er auch ahmte,
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zuerst unter den Deutschen, im philosophischen Dialog dem Plato und Xenophon erfolgreich nach. Als ein Denkmal echt philosophischer Freundschaft aber können seine , zwischen ihm , Abbt und Nikolai gewechselten Briefe denen der Philoſophen des Alterthums würdig an die Seite gestellt werden. Noch ist zu erwähnen, daß der in Leffing's Werken befindliche Auffah : „ Pope ein Metaphysiker " , in Gemeinschaft mit Mendelssohn entstanden ist. Ein Blick in die Häuslichkeit des Philosophen zeigt uns die Freunde desselben in vertraulicher Unterhaltung um ihn versammelt , ihre Gedanken ohne Rückhalt sich mittheilend , ihre Werke gegenseitig der schärfsten Kritik unterwerfend. Und so ist denn der Geiſt der Correctheit und Vollenbung , den wir in seinen und an Lessings Werken bewundern, wohl mit eine Folge jener gemeinschaftlichen Besprechungen. Dabei fehlte es nicht an heiteren Stunden , in denen man beispielsweise einst auf den Einfall gerieth , daß ein Jeder von — aus Sulzer, Ramler und Lessing 2c . waren zugegen ihnen dem Stegreif ein Spottgedicht auf sich selbst machen sollte. Mendelssohn recitirte dabei folgende Verse : „Groß nennet Ihr den Demosthen, Den støtternden Orator von Athen ; Aesop, der Höck'rige, gilt Euch für weise. Triumph! Ich werd' in Eurem Kreise Gedoppelt groß und weise sein, Der glücklich ich in mir verein', Was man, getrennt, im Demosthen Und im Aesop gehöret und geseh'n. “ Während Leffing ein leidenschaftlicher Schachspieler war, wollte Mendelssohn, obwohl er es ebenfalls meisterhaft zu spielen wußte , sich doch nur ungern dazu verstehen. „ Schach ist für den Verstand zu viel Spiel , und als Spiel fordert es zu viel Verstand" , pflegte er zu sagen. Mendelssohn besaß das seltene Talent, sich sowohl mit dem Theologen wie mit dem Literaten , mit dem Staatsmann , dem
93 Kaufmann und Künstler ,
je nach ihrem Berufe, über den
ſelben zu unterhalten, als wäre er ihr Standesgenosse gewesen. Er sprach, wie einer seiner Freunde sich ausdrückte, so leicht und deutlich über das Dasein Gottes , als über ein neues Muster zum Seidenstoff. Man vermißte nie in seinen Reden sein großes Vorbild , den Sokrates. Er hatte eine starke Anlage zur Satyre , die der Ironie des griechischen Weisen sehr nahe kam und Denjenigen, welchen er sie bei nöthiger Gelegenheit empfinden ließ, wie ein scharfer Bienenstachel verwunden mußte. So glaubte einst ein junger Offizier , welcher eine Thor. wache befehligte, den ihm unbekannten Mendelssohn mit der Frage aufzuziehen : womit er handle , er wolle ihm Etwas ab"1 schachern. "!Womit ich handle, das kaufen Sie doch nicht. "Nun, womit handelst Du denn ? " - Mit Verstand !" Und seinem Begleiter, einem jungen Gelehrten, welcher bei anderer Gelegenheit seinen Unwillen darüber äußerte , daß ein gemeiner Soldat den unansehnlichen Juden auf der Straße injultirte, erwiederte Mendelssohn : " Mein Gott, was bleibt denn einem solchen Menschen weiter übrig, wenn er nicht einmal einen Juden kujoniren darf!" Der Verkehr mit den Freunden war auch während der Sommerzeit ein reger ; man brachte, wie dies damals in Berlin üblich geworden , die frühen Morgen- und die Abendstunden in einem Gartenhauſe zu. Nikolai hielt sich wahrscheinlich in dem Garten der Blumenstraße Nr. 17 Mendelssohn folgte diesem Beispiel.
und
18
auf,
und auch
So schreibt Letterer unterm
2. August 1756 an den von Berlin abwesenden Lessing : besuche Herrn Nikolai recht oft in seinem Garten.
„Ich
Wir lesen
Gedichte ; Herr Nikolai liest mir seine eigenen Ausarbeitungen vor, und ich size auf meinem kritischen Richterstuhl, bewundere, lache , billige und tadle , bis der Abend hereinbricht . Dann denken wir noch einmal an Sie, und gehen, mit unserer heutigen Verrichtung zufrieden, von einander. "
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Ferner in einem undatirten Briefe desselben Jahres : „ Kommen
Sie
zu uns , wir wollen in unserem einsamen Garten-
hause vergessen , daß die Leidenschaften der Menschen den Erdball verwüsten. “ Und dann unterm 4. August 1757 : „ Ich muß jezt aufhören . Es ist halb Zwei in der Nacht, und morgen früh um 6 Uhr muß ich Herrn Nikolai in seinem Garten besuchen , wenn ich zu rechter Zeit wieder zu Hause sein will. " Nachdem Lessing im Jahre 1760 , von Berlin aus , als Gouvernements - Sekretair des Generals v . Tauenzien sich nach Breslau begeben, schien er ſeine Freunde in Berlin ganz vergeffen zu haben. Er schrieb nur selten, und auch dann nur , um sich in ihrer Freundschaft zu erhalten, nicht aber seine gelehrte Unterhaltung mit ihnen fortzusehen . Mendelssohn , für den er sich. sonst noch am meisten interessirt, konnte diese Veränderung nicht begreifen.
Nachdem er aber vernommen , daß Lessing sich ganz
den Vergnügungen und besonders dem Spiel überlassen, suchte er ihn auf folgende Art zurecht zu weisen . Er ließ für seine Freunde, und auch für Lessing , einige Eremplare der eben im Philosophischen Druck vollendeten zweiten Auflage seiner Schriften " mit der nachstehenden, auf die bekannte Lichtwer'sche Fabel anspielende Dedication versehen : „Zueignungsschrift an einen seltsamen Menschen. Die Schriftsteller , die das Publikum anbeten, beklagen sich , es sei eine taube Gottheit ; es lasse sich verehren und anflehen, man rufe vom Morgen bis an den Mittag : aber da ſei keine Stimme noch Antwort. Ich lege meine Blätter zu den Füßen eines Gößen nieder , der den Eigensinn hat , eben so harthörig zu sein.
Ich habe gerufen und er antwortet nicht.
Jezt ver-
klage ich ihn vor dem tauben Richter, dem Publikum , das sehr oft gerechte Urtheile fällt, ohne zu hören . Die Spötter sagen: Rufe laut ! er dichtet oder hat zu schaffen, oder ist über Feld, nein! Dichten oder schläft vielleicht -- daß er erwache!"
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kann er , aber leider will er nicht ! Reisen möchte er , aber das kann er nicht ! Zum Schlafen iſt ſein Geiſt zu munter, und zu Geschäften zu lässig . Sonst war sein Geist das Orakel der Weisen, und sein Spott eine Ruthe auf dem Rücken der Thoren ; aber jetzt ist das Orakel verstummt, und die Narren troßen ungezüchtigt . Er hat seine Geißel Anderen übergeben , aber sie streichen zu sanft, denn sie fürchten Blut zu sehen . Und Er -
" Wenn er nicht hört, nicht spricht, nicht fühlt, Noch sieht, was thut er denn ? - er spielt !" Lessing erschrack beim Empfange des Buches , weil er der Meinung war, daß die Zueignung allen Eremplaren vorgedruckt sei , bis der Scherz sich aufklärte. Im Uebrigen beziehen die Worte :
„Er hat seine Geißel Anderen übergeben, " sich auf die
Literaturbriefe , für die Lessing seitdem Nichts geliefert hatte. -Der Plan zu diesen Briefen — unstreitig die wichtigste und folgenreichste Erscheinung der deutschen Journalistik des 18. Jahrhunderts war von Beiden, im Verein mit Weiße , dem Herausgeber des Leipziger Journals „ Bibliothek der schönen Wiſſenſchaften “, gefaßt worden. Sie bilden den Schriftwechsel mit einem im Felde verwundeten , befreundeten Offizier , wobei Lessing an Ewald von Kleist , den Sänger des Frühlings dachte , mit welchem er in Leipzig , wenige Jahre vor des Freundes Tod in der Schlacht bei Kunersdorf, verkehrt hatte. Inzwischen war Mendelssohn durch Nikolai mit dem Marquis d'Argens, und dieser wiederum durch den Philosophen mit einem Sprachlehrer, Namens Raphael , bekannt geworden . Letterer hatte durch freimüthige Aeußerungen sich das Mißfallen der Rabbiner und Aeltesten der Judenschaft zugezogen , welche ihn gegen Ende des siebenjährigen Krieges aus Berlin zu vertreiben suchten.
Der Marquis hatte ihn lieb gewonnen, und ließ sich im Hebräischen von ihm unterrichten. In einem Gespräch über die ihn bedrohende Ausweisung äußerte Raphael gegen seinen Gönner, daß die Aeltesten der Judenschaft durch die Geseze nicht
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allein berechtigt , sondern sogar verpflichtet seien , jeden ihrer Glaubensgenoffen, der entweder ohne Schuß -Privilegium sich in Berlin aufhalte, oder im Dienste eines Schußjuden ſtehe, nach ihrem Befinden und ohne weitere Rechtsform durch die Polizei aus der Stadt bringen zu lassen.
Auch Mendelssohn, " fuhr
Raphael auf die Frage des Marquis fort , „ wird hier nur geduldet, weil er in Dienſten der Wittwe Bernard steht.
Wenn
dieselbe ihn zur Stunde entließe, und er keinen andern Schußjuden finden würde , müßte er auf Verlangen der Aelteſten ſofort die Stadt verlassen. " Mendelssohn, bereits verheirathet , bekräftigte bald darauf diese Angabe gegen den Marquis , welcher eine solche Intoleranz in den Staaten Friedrichs des Großen sich nicht zu erklären vermochte. Gelaffen fügte er dann hinzu : „ Sokrates bewies ja seinem Freunde Criton, daß der Weise schuldig ist, zu sterben, wenn es die Gefeße des Staates fordern. Ich muß also die Gefeße des Staates, worin ich lebe, noch für milde halten, daß He mich nur austreiben , falls mich , in Ermangelung eines anderen Schußjuden , auch nicht einer von den Trödeljuden in der Reezengaffe für seinen Diener erklären will . " Der Marquis forderte Mendelssohn auf, eine Bittschrift an den König zu richten, die er ausnahmsweise dem Monarchen selbst übergeben wolle. Moses erwiederte, daß es ihm weh' thue, um das Recht der Eristenz zu bitten , welches das Recht eines Wenn jeden Menschen sei , der als ruhiger Bürger lebe. aber" , fuhr er fort , der Staat überwiegende Ursachen hat, Leute von meiner Nation nur in gewisser Anzahl zu dulden, welches Vorrecht kann ich vor meinen übrigen Mitbürgern haben, eine Ausnahme zu verlangen ?" Gleichwohl entschloß er sich, auf Zureden der Freunde und im Interesse der Familie, zu diesem Schritt.
„ Ich habe ", heißt
és in dem Immediatgeſuch, „ von meiner Kindheit an beſtändig in Ew. Majestät Staaten gelebt, und wünſche mich auf immer
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in denselben niederlaffen zu können . Da ich aber ein Ausländer bin, und das nach dem Reglement erforderliche Vermögen nicht besize , so erkühne ich mich allerunterthänigst zu bitten : Ew. Königl. Majestät wollen Allergnädigst geruhen, mir mit meinen Nachkommen Dero Allerhöchsten Schuß nebst den Freiheiten, die Dero Unterthanen zu genießen haben , angedeihen zu laſſen in Betrachtung, daß ich den Abgang an Vermögen durch meine Bemühungen in den Wiſſenſchaften erseße, die sich Ew. Majestät Protection vorzüglicher Weise zu erfreuen haben. " Im April 1763 übergab d'Argens die Supplik dem König - aber Mendelssohn blieb ohne Bescheid . Als der Marquis im Juli mit einem Freunde des Philosophen von deffen , wie er vorausseßte, bereits erhaltenem Schußprivilegium sprach , erfuhr er zu seinem nicht geringen Erstaunen , daß Friedrich der Große auf die Bittſchrift nicht einmal geantwortet habe. Noch an demselben Abend begab er sich zu ſeinem königlichen Freunde. " Sire , Sie sind doch sonst gewohnt , Wort zu halten ! Sie wissen , daß ich sehr selten Etwas von Ihnen erbitte. Nun habe ich es einmal gethan , nicht für mich , sondern für den rechtschaffensten , würdigsten Mann , und Sie versprachen mir auch die Gewährung, um es hernach doch nicht zu thun. " Friedrich versicherte , Mendelssohn habe das Privilegium bereits erhalten ― der Marquis behauptete das Gegentheil. So blieb denn nur anzunehmen , daß das Gesuch mit anderen Papieren verlegt und in Vergessenheit gerathen war. Auf Verlangen des Marquis wiederholte Mendelssohn dasselbe unterm 19. Juli, und Jener seßte in französischer Sprache hinzu : „Ein nicht sehr katholischer Philosoph bittet einen nicht sehr proteſtantischen Philosophen, einem nicht sehr jüdischen Philoſophen das Schußprivilegium zu geben. Es ist so viel Philosophie dabei, daß es die Vernunft gewiß billigt. " Mendelssohn erhielt nunmehr unterm 26. Oktober das Patent, und der König erließ ihm die Gebühren von Eintauſend 7
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Reichsthalern , welche verordnungsgemäß an die Chargenkaffe hätten gezahlt werden müſſen . Friedrich der Große hatte durch d'Argens von den Einsichten und der redlichen Denkungsart Mendelssohn's einen so vortheilhaften Begriff erhalten, daß er ihm, bald nach Ertheilung des Privilegiums , den Vorschlag machen ließ , in Potsdam eine Seiden-Manufaktur anzulegen, wozu ihm 20,000 Thaler überwieſen werden sollten . Mendelssohn mochte indeſſen Veranlaffung haben, diese Gnade nicht anzunehmen , ohne daß er dem König die Gründe mittheilen konnte. Er führte also an, daß er von Jugend auf im Bernard'schen Hause gewesen ,
und sich daher
nicht entschließen könne , dasselbe zu verlassen . Außerdem habe Bernard bereits eine derartige Manufaktur in Potsdam eingerichtet , und er würde deshalb leicht mit ihm in Collifion gerathen. Friedrich betrachtete dies Argument als einen Beweis von Dankbarkeit und philoſophiſchen Edelmuth ; gleichwohl aber behielt er eine persönliche Abneigung gegen Mendelssohn , weil er eine abschlägige Antwort erhalten hatte. Dies dokumentirte fich bei verschiedenen Gelegenheiten. So wurde Mendelssohn noch im Laufe des Jahres , durch die Beantwortung der Preisaufgabe Ueber die Evidenz der methaphysischen Wissenschaften, “ von der Berliner Akademie einstimmig zum Mitglied derselben vorgeschlagen. Aber der König strich seinen Namen aus der ihm eingereichten Liste. „Ich gräme mich nicht darüber",
äußerte Mendelssohn ;
„ nur dann würde es mich schmerzen , mit würdigen Männern in einer solchen Verbrüderung nicht stehen zu dürfen , wenn mich die Akademie , und nicht der König davon ausgeschloffen hätte. " Eine andere Veranlassung hierzu mochte auch die scharfeKritik Mendelssohn's, in den bereits erwähnten Literaturbriefen, über ein Poem Friedrich des Großen „ Von der Unsterblichkeit
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der Seele" gewesen sein. Der General-Fiskal hatte in Folge deffen den Debit der Literaturbriefe bis nach ausgemachter Sache verboten, und den Kritiker zur Verantwortung gezogen. Dieser vertheidigte sich erfolgreich mit den später oft citirten Worten :
"1 Wer Verse macht, schiebt Kegel ; und wer Kegel schiebt, er ſei wer er wolle , König oder Bauer , muß es sich gefallen laffen, daß der Kegeljunge ausruft, wie er schiebt !" Auch während des letzten längeren Aufenthalts Lessing's in Berlin, von Mitte Mai 1765 bis April 1767 , dauerte der Verkehr mit Mendelssohn, Ramler und Nikolai fort, und übte den alten Zauber auf die Freunde aus . Noch acht Jahre später ruft Nikolai, in seinem Briefe vom 17. Juni 1775 an Leffing, die Erinnerung an jene Tage wach, als sie sich noch im Lustgarten um seinen Laokoon zankten. Mendelssohn's Antheil an der Aufklärung der Geister war selbsterworbenes Eigenthum ―― Göthe lobte an ihm die autodidaktische Bildung. Dieser Befiß war nur im Verkehr mit seinen Nebenmenschen ein Segen, und in den Beziehungen zum Menschen hatte der Mensch für ihn Geltung.
Wenn auch die
Aufklärung seiner Zeitgenossen in Familie , Gesellschaft und Staat die Herrschaft der Menschenliebe noch nicht festzustellen vermochte , so sah er doch im ahnungsvollen Geiſte dies auf einer zukünftigen Stufe der Kultur sich verwirklichen : „ Es ist schon viel gewonnen, wenn man den Glauben an den Beruf der Menschheit zum Fortschritt festhält , und die Zuversicht , daß es immer besser und heller unter den denkenden Köpfen werden wird, nicht preisgiebt. " So sehen wir denn in seiner Wohnung die Freunde und Schüler schon in den Nachmittagsstunden versammelt, mit denen er über die verschiedenartigſten Gegenstände disputirte , den be= drängten Gemüthern in Gewissenssachen , den Bekennern aller Glaubensrichtungen seinen Rath und seine Ansichten mit einer Bescheidenheit, Offenherzigkeit und Freundseligkeit ertheilte , die 7*
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noch lange nach seinem Tode fortlebten in der Erinnerung Aller, die je mit ihm verkehrten . Gleichwohl hatte er viel von den orthodoren Glaubens-
genoffen zu dulden. Wenn man den Ueberlieferungen Glauben beimessen darf, so kamen polnische Juden zu ihm , blieben auf der Schwelle seines Zimmers stehen und grinſten ihn verächtlich an. Als er ihnen dann freundlich sich nahte , spieen sie nach ihm und eilten wieder von dannen . Die Fremden dagegen, ―― und ihrer waren viele, wollten welche Berlin besuchten nicht nur den Philosophen von Sanssouci “ , den Helden des Jahrhunderts und seine Wachtparaden , sie wollten auch den -
„ deutschen Philosophen" Jude war.
sehen ,
der merkwürdiger Weise
ein
Zu diesen Fremden gehörte der christliche Theologe Lavater, jener hochbegabte , aber auch zum Mysticismus und Abenteuerlichen hinneigende Mann. Der sokratische Geist des jüdischen Philosophen entflammte ihn , den leicht Erregbaren ,
bis
zur
enthuſiaſtiſchen Bewunderung , und er gab derselben in seinen Briefen sowohl, als auch in den „ physiognomiſchen Fragmenten “ vielfach Ausdruck. So schildert er ihn dem bekannten Kanonikus Breitiger in Zürich: "Den Juden Moſes , den Verfaſſer der philoſophiſchen Briefe über die Empfindungen , fanden wir in seinem Comtoir mit Seide beschäftigt.
Eine leutselige , leuchtende Seele im
durchdringenden Auge und einer äſopiſchen Hülle ; schnell in der Aussprache, doch plößlich durch ein Band der Natur im Laufe gehemmt.
Ein Mann von scharfen Einsichten, feinem Geschmack
und ausgebreiteter Wissenschaft. Ein großer Verehrer denkender Genies und selbst ein metaphysischer Kopf ; ein unparteiischer Beurtheiler der Werke des Geistes und Geschmacks ; vertraulich und offenherzig im Umgange, bescheidener in seinen Reden als in seinen Schriften , und beim Lobe unverändert ; ungezwungen in seinen Geberden ; entfernt von ruhmbegierigen Kunstgriffen
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niederträchtiger Seelen ; freigebig und dienstfertig ; ein Bruder seiner Brüder, der Juden, ― gefällig und ehrerbietig gegen sie, auch von ihnen geehrt und geliebt. " Lavater suchte , geſtüßt auf eine Aeußerung Mendelssohn's während einer Unterredung über religiöse Dinge : daß er (Mendelssohn) dem Stifter des Christenthums seine Hochachtung zu zollen nicht umhin könne , ihn zum christlichen Glauben zu bekehren. übersetzt
Er hatte Bonnet's „ Beweise für das Christenthum“ und
im
Jahre
1769 ,
während seines
damaligen
Aufenthalts in Berlin , mit einer Zueignung und der Aufforderung an Mendelssohn gerichtet , diese Beweise" entweder zu widerlegen , oder der Wahrheit die Ehre zu geben und sich taufen zu lassen. Das waren schwere, bittere Stunden und Tage für Mendelssohn ! Er durchschaute, troß aller liebevollen Worte Lavater's , die ihm gestellte Falle. Als Israelit festgewachsen mit dem Schicksal seines Volkes , leidend und harrend mit demselben , konnte und durfte er nicht die Schriften Bonnet's widerlegen, ohne das Christenthum ſelbſt anzugreifen .
Zudem waren jene
Bonnet'schen Beweise " zu schwach, und Lavater's Glaube , der die Wohlthaten des Christenthums lediglich in den Wunderwerken ſuchte, konnte nicht derjenige Mendelssohn's ſein. In dieser peinlichen Situation gingen ihm zahlreiche Beweise
der Theilnahme
Lessing schrieb ihm :
von
Seiten
aller
Aufgeklärten
zu .
„Was ist das für ein neuer Angriff,
der in der Jenaischen Zeitung von Lavater auf Sie geschehen ? Ich lese diese Zeitung nicht und habe sie auch in ganz Braunschweig nicht auftreiben können. Haben Sie doch ja die Güte, mir das Blatt mit der ersten Post zu senden. Noch mehr aber bitte ich Sie , wenn Sie darauf antworten , es mit aller möglichen Freiheit , mit allem nur erfinnlichen Nachdruck zu thun. Sie allein können und dürfen in dieser Sache so sprechen und schreiben, und sind daher unendlich glücklicher als andere ehrliche
102 Leute, die den Umsturz eines abscheulichen Gebäudes nicht anders als unter dem Vorwande , es neu zu unterbauen , befördern können. Ich sende Ihnen auch hierbei Ihre Briefe von Bonnet zurück. Der Narr ist mir so ekel geworden, daß ich auch nicht einmal die Wahrheit von ihm lernen möchte. “ Mendelssohn entschloß sich zu
einer Antwort
an den
Diakonus in Zürich, die von der zarten Feinheit seiner wahrhaft humanen Bildung, von seinem Verſtand und seinem Herzen ein gleich ehrenvolles Zeugniß ablegt. „ Die verächtliche Meinung , sagte er, die man von einem Juden hat , wünschte ich durch Tugend und nicht durch Streitschriften widerlegen zu können. O mich dünkt , wer in dieſem Leben die Menschen zur Tugend anführt , kann in jenem nicht verdammt werden , und ich habe kein ehrwürdiges Collegium zu fürchten , das mich dieser Meinung halber in Anspruch nehmen. könnte. " Seine Nation , fährt er dann fort, habe dem aufgeklärten Zuſtand in Preußen Einiges zu danken, und es würde demnach undankbar sein, wenn ein Jude in Preußen das Gelüſt hätte , die Religion der Majorität im Lande widerlegen zu wollen, abgesehen davon, ob er es könne. Anderwärts jage man die Juden, wo man fie finde, zur Stadt hinaus , und nach den Geſeßen in Zürich würde es ihm nicht einmal vergönnt sein, den " verehrungswürdigen Menschenfreund " daselbst zu besuchen. An das offene Sendschreiben knüpfte sich ein Briefwechsel mit Lavater und anderen Zeitgenossen. Dem Ersteren schrieb er : Sicherlich, wenn ich auch sonst kriechend genug dächte , die Klugheit der Wahrheitsliebe und Redlichkeit das Gegengewicht halten zu laſſen , so würde ich doch hier in diesem Falle alle drei in derselben Schaale antreffen . Ich bin völlig überzeugt, daß Ihre Handlungen aus einer reinen Quelle fließen, und kann Ihnen keine anderen, als liebreiche und menschenfreundliche Absichten zuschreiben. „ Aber leugnen kann ich es
nicht ,
ich hätte Alles
eher
103
erwartet , als von einem Lavater eine öffentliche Aufforderung. Sie erinnern sich der vertraulichen Unterredung , die ich mit Ihnen auf meiner Stube zu halten das Vergnügen hatte. Wenn ich nicht irre, so sind Versicherungen vorhergegangen , daß von den Worten , die bei dieser Gelegenheit vorfallen würden, niemals öffentlicher Gebrauch gemacht werden sollte. Jedoch, ich will mich lieber irren , als Ihnen eine Uebertretung dieſes Verbrechens Schuld geben. Die Bedenklichkeit , mich in eine Religionsstreitigkeit einzulassen, ist von meiner Seite nie Furcht oder Blödigkeit gewesen. Ich darf sagen, daß ich meine Religion nicht erst seit gestern zu untersuchen angefangen. Wäre nach meinem vieljährigen Forschen die Entſcheidung nicht völlig zum Vortheil meiner Religion ausgefallen, so hätte fie nothwendig durch eine öffentliche Handlung bekannt werden müssen. Wäre ich gegen beide Religionen gleichgültig und verlachte oder verachtete in meinem Sinn alle Offenbarung, so wüßte ich gar wohl, was die Klugheit räth, wenn das Gewissen schweigt. Von dem Wesentlichen meiner Religion bin ich so feſt , ſo unwiderleglich versichert , als Sie oder Herr Bonnet nur immer von der Ihrigen sein können.
Sie hätten die Bedingung der
Hochachtung für den moralischen Charakter des Stifters Ihrer Religion nicht verschweigen sollen, die ich ausdrücklich in jenem Gespräch beifügte. „ Nach den Grundsägen meiner Religion soll ich Niemand, der nicht nach unserem Gesetze geboren ist , zu bekehren suchen. Moses hat uns das Gefeß geboten , es ist ein Erbtheil der Gemeinde Jakob. Alle anderen Völker auf Erden, glauben wir, seien von Gott angewiesen worden, sich an das Gefeß der Natur und an die Religion der Patriarchen zu halten.
Die es thun,
werden tugendhafte Männer von andern Nationen genannt, und dieſe ſind Kinder der ewigen Seligkeit. Ich habe das Glück, so manchen trefflichen Mann , der nicht meines Glaubens ist, zum Freunde zu haben, und ich genieße die Wollust seines Um-
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Niemals hat mir mein Herz heimlich zugerufen : Schade für die schöne Seele! · Bonnet's innere Ueberzeugung und ein löblicher Eifer für die gangs, der mich beffert und ergößt.
Religion scheinen ſeinen Beweisgründen ein Gewicht beigelegt zu haben, das ein Anderer nicht darin finden kann. Noch sind die Wahrheiten, die wir gemeinschaftlich erkennen, nicht ausgebreitet genug, daß wir der guten Sache von der Erörterung dieſer ſtreitigen Punkte großen Nugen versprechen könnten . In welcher glück. seligen Welt würden wir leben, wenn alle Menschen die Wahrheit annähmen und ausübten, die die besten Chriſten und die besten Juden gemein haben!" Diese Entgegnung fand die allgemeinſte Billigung und Anerkenntniß ; Mirabeau überſeßte ſie ſogar in's Franzöſiſche, und Lavater, von allen Seiten angegriffen, suchte sich in einem Briefe zu entschuldigen, den er Mendelssohn durch Spalding übergeben ließ. „Es freut mich ungemein, daß ich den Werth der edelmüthigen Seele nie verkannt habe. Ueberschwängliche Gütigkeit ist es , wenn Herr Lavater mich öffentlich um Verzeihung bittet. " Hiermit übergab der eben so kluge als gutherzige Mendelssohn den Brief Lavaters der Oeffentlichkeit. Gleichwohl fehlte es nicht an Stürmern, welche sich in die Bekehrungsstreitigkeiten miſchten. Einen solchen , der ihn öffentlich aufforderte , seine Ueberzeugungen förmlich zu beschwören, verwies er lächelnd auf die Thatsache , wie wenig Gültigkeit vor Gericht damals ein Judeneid hätte. Im Jahre 1771 ließ Friedrich der Große den kursächsischen Staatsminister Freiherrn v . Fritsch , welchen er beim Abschluß des Hubertsburger Friedens kennen gelernt, zu sich nach Potsdam bescheiden. Kurz vor der Rückreise äußerte der Miniſter, dieselbe über Berlin antreten möchte, um den berühmten Mendelssohn, den er sehr hoch schäße, persönlich kennen zu Friedrich, welcher Ursache haben mochte, den Miniſter von
daß er Moses lernen. Berlin
105
fern zu halten, ersuchte ihn in der verbindlichsten Weise , lieber noch einen Tag in Potsdam zu verweilen ; er wolle Moses kommen. laffen.
Dieser erhielt denn auch umgehend ein Schreiben des Inhalts : „ Da der pp . Fritsch Verlangen trägt, den berühmten Herrn Moses Mendelssohn persönlich kennen zu lernen, so habe ich Demselben auf Befehl Sr. Königl. Majestät hierdurch sollen. zu wiffen thun, daß Er morgen Mittag nach Potsdam kommen. möchte. " Moſes erhielt das Schreiben an einem Freitag ; als Tag feines Eintreffens in Potsdam war also der Sonnabend. beſtimmt, der Tag der Ruhe , an dem die Juden zufolge der Gesetze des Talmud weder über Land reisen, noch ausfahren durften . Mendelssohn, in weiser Zurückhaltung sich niemals eigenmächtig von den Gefeßen seiner Nation losjagend, trug die Sache dem OberlandesRabbiner vor, und dieser entſchied in einer sofort berufenen Versammlung von Geſeßverſtändigen, daß im vorliegenden Falle der ausdrückliche Befehl des Landesherrn eine Dispensation von dem Gefeß erlaube. Um aber keinen öffentlichen Anstoß zu erregen, sollte Mendelssohn aus dem Thore zu Fuß gehen , dann den Wagen besteigen, und eben so in Potsdam zu Fuß hineingehen. Dies geschah. Beim Passiren des Thores daselbſt herrschte der Wachtposten ihn an :
"1 We will der Jude hin ? " Zugleich trat ein junger Offizier hinzu, um ihn zu eraminiren . Moses gab zur Antwort : er komme auf Befehl des Königs, und über-
reichte zugleich das Schreiben. Der Offizier las daffelbe bedächtig durch, und indem er nochmals auf das Wort „ berühmt “ blickte, frug er: "Worin ist Er denn berühmt, daß Er hierher berufen wird ?" Mendelssohn vermochte eine gewiffe Laune nicht zurückzuhalten ; gelassen antwortete er: „ Ich spiele aus der Tasche!" "So!" lautete der Bescheid „Geh Er nur in Gottes Namen !" Während des im Jahre 1775 nur kurzen Aufenthaltes Leffing's in Berlin, zu welcher Zeit derselbe in dem Hauſe Alte Leipzigerstraße Nr. 1 wohnte , fand ebenfalls ein reger Verkehr
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mit Mendelssohn und Nikolai statt.
Wir erfahren unter Anderm,
daß die Unterhaltung sich um den Charakter der Orsina und um theologische Streitfragen drehte , denen Lessing damals ein großes Interesse widmete. Und als dann die Beziehungen zu den alten Freunden fünfundzwanzig Jahre hindurch in steter Treue angedauert, schrieb Lessing wenige Wochen vor seinem Tode, am 19. Dezember 1780 , an Mendelssohn : . . . „ Auch ich war damals ein gesundes , schlankes Bäumchen , und bin jezt ein so fauler, knorrichter Stamm! Ach, lieber Freund ! Diese Scene ist aus! Gerne möchte ich Sie freilich noch einmal sprechen ! " Dieser Wunsch sollte nicht in Erfüllung gehen. Wohl aber blieb es Mendelssohn vorbehalten , zwei Jahre nach Leſſing's Tode, dem Freunde gegen die fanatischen Verkeßerungen ein schönes Ehrendenkmal in seiner leßten Schrift „ An die Freunde " zu errichten. Schon leidend , hatte er dieselbe in fieberhafter Hast geschrieben , und als er dann mit dem Manuſcript zum Buchhändler eilte , überfiel ihn die eisige Winterluft tödlich. Bald darauf, am 4. Janur 1786 , war er aus dem Leben geschieden, um drei Tage später bestattet zu werden. Ihm ja war es gelungen, gegen die bis dahin herrschende Sitte der sofortigen Beerdigung seiner Glaubensgenossen so erfolgreich anzukämpfen, daß Friedrich der Große mittelst Kabinetsordre diese Usance aufhob , wodurch den schrecklichen Folgen eines Scheintodes vorgebeugt wurde. „ Zwar weiß ich auch" , so schloß Mendelssohn seine Abhandlung über den Gegenstand, „ daß Sie mir nicht folgen werden , denn die Macht der Gewohnheit ist stark ; ja vielleicht werde ich gar als ein Irrlehrer erscheinen . Immerhin, habe ich doch mein Gewissen von der Schuld befreit !" Ramler gedenkt dieses Umstandes in seiner Cantate auf Mendelssohn's Tod, wenn er sagt: „Begrabt ihn spät, damit er noch erwache!" So ruft man durch die Stadt.
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Die Bahre des Verewigten umstanden seine Gattin und Tochter (die spätere Gemahlin W. v . Schlegels) , Engel und FriedLänder, Markus Herz und Moriß ; die Büste Lessing's blickte auf ihn hernieder. So wurde ein Mann hinausgetragen nach dem jüdiſchen Friedhof in der Oranienburgerstraße, der aus verachteten Menschen geachtete , aus schachernden Hauſirern nüßliche Staatsbürger zu machen sich bestrebte, - der Mann, welcher Leffing durch seinen sokratischen Geiſt entzückte, und von ihm als Typus der religiösen Toleranz in seinem „Nathan“ verherrlicht wurde. Ob die Person des Letteren den vollständigen Abdruck Mendelssohn's wiederspiegelt wie man ebenfalls in dem Derwisch das Portrait eines im Mendelssohn'schen Hause verkehrenden Lehrers , in dem stürmischen , unwirrschen Tempelherrn aber ein Selbstkontersei Lessing's erblicken will , -- bleibe hier unerörtert. Das Stück entwickelt uns den Prozeß der religiösen Streitfrage in Deutschland ; Mendelssohn, der damalige Mitvertreter der Aufklärung , war der Genosse und Freand des Dichters, und so stellte der Christ den Juden als specifisch verkörpertes Menschenthum der echten Religion , der Liebe und Duldung hin , in dem Portraitzüge persönlicher Art unbedingt enthalten sind . Nach mathematischen Geseßen läßt sich eine derartige Einwirkung eben nicht berechnen, wie sie uns auch den Werth der Beziehungen beider Männer zu einander nicht verringern kann. Die „Berlinische Monatsschrift " widmete Mendelssohn's
Andenken folgenden Nachruf: . . . „ Der Verlust ist groß faſt unerseßlich! Er war der Stolz und die Zierde unserer Stadt. Jedem aufgeklärten und edlen Fremden ward sein Name genannt, und seine Bekanntschaft zu suchen anempfohlen. Wer patriotisch dachte, freute sich , diesen wahren Weisen unseren Mitbürger nennen zu können - ihn , der durch Lehren und Beispiel so viel zur Beförderung der Religion, der Tugend und der sanfteren
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Menschlichkeit, so viel zur Verbreitung wichtiger Kenntnisse beitrug ! . . . Die Welt kennt seine Werke und wird sie, so lange gründliches und freies Denken geachtet wird, verehren ! “ In Würdigung deffen , und eingedenk der schlichten , von allem Prunk entfernten Lebens- und Sinnesrichtung des Verewigten , ſeßten ihm seine Nachkommen , an Stelle der kleinen, zerfallenen Grabtafel zu Häupten des Epheu - umschlungenen Hügels, nahe der südlichen Mauer des Friedhofs , einen einfachen Gedenkstein. Unter der hebräischen befindet sich, Lettern, die deutsche Inschrift :
in
goldenen
„ Moses Mendelssohn , geb. zu Dessau, den 6. September 1729, gest. zu Berlin, den 4. Januar 1786. “
X. Ephraim.
ie die Menschen auf verschiedene Art die Umstä nde und Zeitverhältnisse , als durch eigenes Vererlangen , zeigt uns der Hofjuwelie , eine Berühmth dienst eit r spätere Münz -Entreprene Friedrichs des Großen , Beitel Heine ur Ephrai . m
Freilich ist es eine Berühmtheit , die neben den Sternen, deren Glanz leuchtend hinausstrahlt über das entschwundene Jahrhundert, wie ein bleiches Meteor erſcheint — ohne inneren Gehalt, nur einen Streifen von Licht und Rauch hinter sich zurücklaffend. Das Leben dieses Mannes warf keinen Strahl auf das Leben Anderer ; er hatte mit den Größten und Vorzüglichsten seiner Zeit keine Gemeinschaft der Gedanken oder der Gefühle. Fremd jeder Sympathie, galt ihm der Mammon als höchſtes der Güter, kannte er kein anderes Streben, als die Befriedigung eines unbegrenzten Ehrgeizes . Und doch verdient Ephraim , als eine Triebfeder in den Vorgängen und Begebenheiten jener gewaltigen Tage, unsere Beachtung. Sein Vater , Heinrich Ephraim , dessen eigentlicher Name Chajim ben Ephrajim war, gehörte - wie Landshuth der aus Hamburg nach Berlin eingewanderten festgestellt Familie Fürst an. Von dem früheren Wohnorte auch Hamburger genannt, haben die Nachkommen Chajims ihren ursprünglichen Namen Fürſt, und dann auch Hamburger, mit demjenigen
110
ihres
Ahnen
Ephraim vertauscht.
Später
erscheint dieſer
Name, bei den zur christlichen Religion übergetretenen Abkömmlingen, in modificirter Form als Ebers , Ebert und Eberty . Heinrich Ephraim versah in Berlin, während der Jahre 1726-32 , das Amt eines Gemeinde-Aeltesten und Vorstehers der Beerdigungs- Gesellschaft. Er verstarb 1748 als ein geachteter und wohlhabender Mann. Seine ihm im Tode voraufgegangene Frau war eine Tochter jenes Veitel Zacharias Levi aus Wien, welcher von dem berühmten und mit anderen seiner Glaubensgenossen
aus
Portugal
ausgewanderten
Abenvanell
ab.
stammen soll. Zacharias opferte ,
um dem Studium des Talmud einen
höheren Aufschwung zu verleihen , und zugleich die Religioſität der Wiener Judengemeinde kräftiger zu fördern, einen ansehnlichen Theil seines bedeutenden Vermögens diesem Zwecke . 1660 ließ er ,
nach Erwirkung eines
Im Jahre
kaiserlichen Conſenſes,
eine prachtvolle Synagoge in Verbindung mit einer Anſtalt für vierundzwanzig Gelehrte errichten , deren Aufgabe es war , die Bildung und Andacht der Glaubensgenoffen Tag und Nacht" - mit Ausschluß des Sonnabends -- zu fördern und zu beleben.
Durch den Fanatismus einer feindlich gesinnten Partei
wurde Kaiser Leopold 1670 zu der harten Maßregel gedrängt, die Juden aus Wien zu vertreiben. Auf den Trümmern der niedergeriſſenen Synagoge aber erstand die heutige Leopoldskirche. Zacharias sollte die Zerstörung seines Werkes und die Vertreibung der Glaubensgenossen nicht erleben er war bereits im Jahre 1664 verstorben. Sein Sohn, der vorgenannte Beitel Levi, ließ sich in Berlin nieder und verstarb hierſelbſt 1700 , im Alter von 35 Jahren. Neben ihm ruht, auf dem alten jüdischen Begräbnißplage, seine zwölf Jahre später entschlummerte Gattin Sara, geborene Mardechai Mirels ; ― ein Name, dessen Träger sich, wie vordem in Wien, auch später noch durch Gelehrsamkeit, Reichthum und Wohlthätigkeit auszeichnete.
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Das waren die Ahnen eines Mannes, der mit ihren Tugenden. leider Nichts, und nur den Reichthum mit ihnen gemein hatte. Im Jahre 1754 begann der Hofjuwelier Ephraim ſeine berüchtigte Thätigkeit, nachdem Friedrich der Große einen Vertrag zur Prägung der Landesmünzen mit ihm abgeschloffen hatte. Kaum nach Verlauf zweier Jahre sah der König sich indessen genöthigt, ihn wegen entstandener „ Irrungen “ zu entlassen. An Stelle seiner wurde Gumpert zum Münz -Entrepreneur ernannt, welcher wiederum mit Moses Isaak und Daniel Ißig sich associirte. Nach der Besizergreifung Sachsens erhielt Ephraim , wie Königs , Annalen der Juden in den preußischen Staaten zc." berichten, durch Vermittelung des Generals v . Rezow, das neu einzurichtende Münzwesen in diesem Staat übertragen . Dann heißt es : Veitel Ephraim ist dadurch ein wahrhaft anrüchiger Mann geworden. Um sich das zum Münzen nöthige Metall zu verschaffen, durchstrichen junge Leute jüdischer Nation, im Auftrage Ephraims, das platte Land, suchten das alte Geld im Lande auf, wo es nur versteckt war , und wechselten solches gegen das neugemünzte Geld ein . Der Landmann und die Kleinstädter besaßen damals wenig Kenntniß und Beurtheilung der Münzsorten und ihres inneren Werthes ; sie holten mit Vergnügen die alten Thaler hervor , weil sie dafür mehrere blanke (Achtgroschen-) Stücke erhielten.
Dadurch bekam der Ephraim Silber,
und die Einsammler wurden schon bei diesem Geschäft reiche und bemittelte Leute. Die Ephraim'schen Prägungen entgingen dem Wiße des Volkes nicht, denn die sächsischen Drittel hießen im Munde der Menge Ephraimiten " oder „ Blechkappen ". Da sie mit Fleiß gut weiß gesotten waren, so machte man auf sie die bekannten Verse : Von außen schön, von innen schlimm, Von außen Friedrich, von innen Ephraim. “ Die mit der Münzverwaltung in Berlin beauftragten Juden wurden deshalb neidisch auf ihren Glaubensgenoffen und klagten
Deutsches Museum Bibliothek
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denselben des Betruges an.
Noch einmal wurde Ephraim zur
Verantwortung gezogen und auf die Pleißenburg gesezt . Nachdem er mit einer Geldstrafe von 30,000 Thalern davongekommen, wußte er endlich durch seinen Gönner, den Geheimen Kabinetsrath Eichel, die Entfernung des vorerwähnten Gumpert herbeizuführen , und sich von Neucm die oberste Leitung des Münzwesens im ganzen preußischen Staate zu verschaffen. Bekannt ist es , daß die englischen Subsidien, die der König erhielt, in Goldstangen geliefert und durch Legirung mit geringerem Metall ſo vervielfältigt wurden, daß aus einer Million zwei bis drei Millionen gemacht wurden. Dadurch stieg das gute Geld so im Werth , daß z . B. ein Dukaten an manchen Orten mit 9 Thalern, wie in der Kipper- und Wipperzeit des 17. Jahrhunderts , wo der Thaler zulezt mit 600 Kreuzern , d . i. mit 6 Thlr. 16 Gr. schlechten Geldes, bezahlt wurde. Auf diese Weise nur war es dem König
möglich ,
ſeinen
Feinden so lange Widerstand entgegenſeßen zu können. Und da er dies lediglich den thätigen Bemühungen der Judenſchaft verdankte , welche die leichten Münzen auch in Cours seßte, so bewies er sich durch Ertheilung größerer Freiheiten gegen dieselbe gnädiger, als früher.
Es konnte nicht fehlen ,
daß die
Gegner Friedrichs II. und seines Münz- Entrepreneurs ihren Gefühlen in der schmähendsten Weise Ausdruck gaben, deren Veröffentlichung den Zweck , Mißstimmungen hervorzurufen , nur zu deutlich an der Stirn trägt.
Und so entſtand mit den nicht
ausgebliebenen Entgegnungen eine Anzahl von Druckschriften, die uns einen interessanten Einblick in die Eigenheit dieser Art von Literatur aus jener Zeit gewährt. Die erste, jezt selten gewordene Schrift, erſchien unter dem Titel: Der gerechtfertigte Ephraim. Oder hiſtoriſche und beurtheilende Nachrichten über den vergangenen , gegenwärtigen und künftigen Zustand des sächsischen Finanzwesens .
Nebst einer
Vergleichung der Preußischen und Sächsischen Oekonomie.
Ein
113 sehr nüßliches Werk vor alle Gläubiger, Correspondenten, Freunde und Feinde von Preußen und Sachsen , durch den Juden Ephraim zu Berlin an seinen Vetter Manaſſes in Amsterdam.
1758.
Der Verfaffer, welcher sich M. de G. unterzeichnet , giebt selbst zu , daß er seine Gedanken unter dem Namen Ephraim's vorgetragen, weil dieser Financier, so wie er ihn sich selbst vor. stelle, auf eben die Art denke, wie er geschrieben habe ; und weil sein Name, der weit berühmter, als der vieler großen Leute sei, die Neugierde des Publikums reizen könne, welches er gern zum Lesen seiner Schrift angefrischt sehen möchte. Ephraim an seinen Vetter Manaffe berichten : , Mein Bruder !
Dann läßt er
Du fragſt mich viel , und ich will Dir
noch mehr sagen, weil ich auf Deine Vorsichtigkeit eben so viel Staat machen kann, als Du auf meine Redlichkeit. Vor allen Dingen werde ich Deine leßte Frage beantworten , indem mir nichts so sehr, als was mich angeht, am Herzen liegt. Ich bin glücklich der Falle entwischt , in welcher der Vetter Süß sein Leben lassen müssen. Ich war , wie er , der Vertraute eines großen Prinzen ; ich schlug , wie er, im Angesichte des ganzen Reiches falsche Münze ; ich wurde , wie er , durch Barone von allerhand Arten ein vornehmer Herr, und ich hätte beinahe, wie er, den Strick zum Lohne bekommen . Der Engel Jakobs hat zu meinem Glück die Leiter umgestoßen ; und siehe nur, wie ich mich aller Unruhe entledigt , die aus dem Verfall Sachsens zu besorgen war, als dazu ich das Meiste beigetragen. Ich hoffe, daß wir einander bald in der guten Stadt sehen werden, wo die Kinder Israel ungestraft reich sein können.
Da wollen wir die
verfälschte Sächsische Münze mit der Lüttichischen , die Du so geschickt in Deine Coffres gezogen hast , mit einander gemein machen, und als großmüthige Intendanten den Gläubigern unſerer alten Herren ihr eigen Geld leihen. . . . Ich bin meiner Instruktion vollkommen nachgegangen :
es ist kein Geld mehr 8
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in dem Lande, und die Sachsen haben Nichts mehr zu verkaufen oder zu verseßen. Der General Reßow und ich haben den Adel, die Bürger und die Bauern redlich gepflücket 2c. " Weiter findet dann in sarkastischer Weise eine Unterredung
mit dem General, zur Aussaugung des sächsischen Landes statt, wobei ein mit der Unterschrift , Friedrich " versehenes Blanquet, nöthigenfalls als Schußbrief gegen den König ſelbſt, der Ausführung des Planes zu Grunde gelegt wird. Wie dies gelungen sei, heißt es: Der unterzogene Name Friedrich hat mich zu einem öffentlichen falschen Münzer gemacht , und ich habe in Sachſen mit aller Macht das Gold und Silber , welches allen andern entwischet, weggefischt. “ Ephraim soll dabei , wie demnächst ausgeführt wird , an jedem geschlagenen Groschen und Achtgroschenstück 3/4 resp. 24 Kreuzer gewonnen , monatlich dagegen 50,000 Gulden für die sächsischen Stempel , und täglich 1800 Gulden Pacht gezahlt haben. Auf Veranlaſſung des neidiſchen Münzjuden zu Magdeburg und des vorgenannten Generals, welcher Ephraim ſpäter beſchuldigt, fein falsches Münzen sogar in den Erbſtaaten des Königs ausgeübt zu haben , sei er zur Verantwortung gezogen , durch den Schußbrief mit dem unterzogenen Namen Friedrich aber ge. rechtfertigt hervorgegangen. Nebenbei giebt das Pamphlet eine Schilderung von dem Ankauf der ſächſiſchen Steuerſcheine, zu 30 bis 50 Procent unter dem Werth, und von der barbariſchen Weise, mit welcher die preußischen Truppen das Land geplündert und ausgesogen hätten. Das in der hiesigen königlichen Bibliothek vorhandene, im Besiße des Leibarztes Friedrichs des Großen befindlich gewesene Eremplar dieser Schrift enthält die handſchriftliche Notiz : Schon 1758 eine Seltenheit, weil es der Confiscation wegen sich nicht getraute, zu oft sich sehen zu lassen. Hiergegen erschien eine 48 Seiten umfassende Druckschrift, betitelt: Der gezüchtigte Ephraim , oder Beantwortung der
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Schrift, welche unter dem Titel : „ Der gerechtfertigte Ephraim " neulich im Druck erschienen. 1758. Die Einleitung desselben enthält folgende Kraftstellen : " Ein Mensch, der - wie der Autor der „ schönen geeines Freundes aus Sachsen an seinen Freund in W .. über den gegenwärtigen Zuſtand des Krieges in Deutschland " von seinem unbilligen Widersacher schreibt seinen schwarzen und lasterhaften Haß wider gekrönte Häupter
sammelten Schreiben
nicht mehr bändigen können , läßt
denselben
in einer elend
gerathenen Rhapsodie aus der fächsischen Schrift „ Das gerettete Recht Chursachsens " , der er den Titel vorſeßet „ Der gerechtfertigte Ephraim xc. " , in einer, wo nicht Zucht- doch wenigstens Tollhausmäßigen Schreibart aus. Dieses kann den allgemeinen Eintheilungsgrund von Allem, was in dieser elenden Läſterungsschrift gesagt wird, abgeben. Nichts als die Begebenheiten mit den sächsischen Steuerscheinen steckte ihm im Kopf; er muß ein Mann sein, der den größten Wucher mit diesen Steuerscheinen getrieben, dem der schwarze Neid, Zorn und Aergerniß , daß in vorigen Zeiten preußischen Unterthanen, Inhabern solcher Steuerscheine, Kapitalien und Zinsen haben gezahlt werden müffen welches vermuthlich verursachet , daß er mit vielen zurückſtehen das Gehirn und wohl noch auf die Zahlung warten muß, dermaßen verwirret und endlich so böse worden , daß er einen just nach seinem Charakter geschilderten Juden Ephraim auftreten und majestätsschänderiſch-tollkühn schimpfen lässet. Er muß ein Mensch sein , juſt wie sein gerechtfertigter Ephraim ; er nimmt seinen Juden Ephraim aus dem Geschlechte des Juden Süß ; er stellt ihn als einen falschen Münzer und Erzſpigbuben vor, um nur einen preußischen General zu beschimpfen , wenn er erzählt, wie fich dieſer mit ſeinem ſauberen Gesellen in Handlungen eingelaffen. Er hat nicht daran gedacht , daß er durch die Rechtfertigung seines Juden Ephraim eben den Lohn, den der Jude Süß empfangen , vollkommen verdiene , sonst dürfte die
*8
116
Furcht seine Lästersprache gemäßigt haben.
Es
würde einem
königlich preußischen General , den die Welt kennt , schon eine Beschimpfung sein, wenn man ihn wider eine solche Lästerschrift vertheidigen wollte, der ohnehin Niemand glaubt, weil sie bereits auf allen Blättern das Brandmal der aus der Hölle stammenden Lästerung trägt. Dieser gerechtfertigte Ephraim , diese Lästerschrift ist größtentheils ausgeschmiert aus der Schrift „ Das gerettete Recht Chursachsens " ... Was für Unwahrheiten der Autor des sogenannten geretteten Rechts Chursachsens auf eine nicht grobe Art gesagt, die sagt der lasterhafte, elende Verfaſſer des gerechtfertigten Ephraim " noch einmal auf Judfüßiſche, auf Pater Weißlingische , auf grobe und majestätsschänderische Art. Elende Creatur! wie beschimpfst Du Dich selbst ! wie beschimpfst Du den Autor der Schrift, aus der Du den Stoff zu Deiner groben Lästerung hergenommen! Wie schimpflich ist es dem Autor jener Schrift , daß Du Deinen von Dir ſelbſt als einen falschen Münzer und Erzſpizbuben geschilderten Juden Ephraim nachsprechen und seinen garstigen Kram aus des gehenkten Jud Süß verfluchten Politik ausleeren läſſeſt ! Wie muß sich der Autor der Schrift " Das gerettete Recht Chursachsens " geärgert haben , daß er von Dir in die Gemeinſchaft Deines Juden Ephraim versezet worden ; er wird , wenn er Deine Läſterblätter lieſet, ſo oft er eine Seite abgeleſen, allezeit ausspeien ! " Hier folgt, nach einer Apologie Friedrich Wilhelms I. , eine Vertheidigung des Königs gegen die Anklage, daß derselbe den Despotismus einführen wolle. Die dritte Streitschrift : Schreiben von Frankfurt am Main nach Leipzig über den gerechtfertigten Ephraim, insonderheit über die angeschuldigte preußische Gewalt und Empörung im Reich. Burg Friedberg, 1758 ― enthält die einleitenden Worte :
"1 M. H. Sie beschimpfen Ihr eigenes Vaterland mit einer Mißgeburt des allerniederträchtigſten Geistes , welche Sie mir
117
unter der Aufschrift : „ Der gerechtfertigte Ephraim" mittheilen, und die nach Ihrem Bericht in Leipzig starken Abgang gefunden haben soll. In Wahrheit, ein schlechter Lobspruch für diesen vermeintlichen Tempel des feinen Geschmacks . Ich sehe, wo nicht den größten, doch einen guten Theil Ihrer Mitbürger noch für allzu menschlich an , als daß dieselben ihre Vernunft durch den gröbsten Ausbruch einer so lasterhaften Unsinnigkeit gänzlich verleugnet haben sollten.
Schwerlich wird ein Tyrolischer
Bauer sich an solcher Brut eines Staats - Ungeziefers ergößen, welches noch unendlich weit niedriger herumkriecht, als der verſtandloseste und ungesittetſte Pöbel. So viel bleibt allemal richtig, dieses Gewebe von Bosheit und Wahnwiß ist ein Beweis , daß die Herren Sachsen, von deren Kunst es eine unleugbare Probe abgiebt, noch weniger Schein bei den jezigen Händeln für sich auszufinnen wiffen, als der Wiener Hof ſelbſt ; daher sie solchen Abgang einer plaufiblen Chicane durch Grobheiten und Schmähsucht erseßen und es hierin ihren Bundesgenossen zuvor thun müffen.
Mit einem Worte, Sie liefern mir zehn Bogen, denen
ich nach der Sprache unserer Reichsgefeße keinen andern Namen, als den einer Schandschrift zu geben weiß . Gegen dergleichen raſende Ausläufer und politische Wildfänge, durch deren Verwüstung Deutschland die einfältigste Gestalt gewinnt, das Reich in Verachtung geräth und seine Verfaſſung zum Gespötte wird , sollte der kaiserliche Bücherkommiffarius wachen, der Reichs -Fiskal aber, zur Behauptung der Ehre der Nation, des gemeinen Rechtsstaats Der Verfaffer dieses und seiner Glieder ins Gewehr treten. Wörterbuchs von Lästerungen, von majestätsschänderischen Schmachreden und von Floskeln, welche die allgemeinſte Ehrbarkeit verlezen , spricht unter dem Namen des Juden Ephraim , dem er an seinen Vetter Manaffe eine überschriebene Vertheidigung in die Feder lügt, sich selbst aber das Urtheil, daß er mit ſeinem angeblichen Vetter, dem ehemaligen Württembergischen Financier Süß Oppenheimer, einerlei Schicksal verdient habe. Ueber diesen
118
Punkt verlange ich um so weniger einen Rechtsstreit mit ihm anzufangen, da er schon Entscheidungsgründe genug für sich beigebracht hat, um allenfalls gar eine Operation mit einem Paar Zangen und einem Rade begehren zu dürfen . . . Hätten die Sachsen wohl einen Federfechter finden mögen, der ihre Sache verdächtiger machte , ihren Hof und ihr Miniſterium häßlicher prostituirte, ja den Bankerott ihrer Steuerkaffe förmlicher ankündigte , als dieſen jämmerlichen Wigling , deffen Seele schon wirklich gedankenlos ist ? Er affectirt eine Staatsschrift aufzuſeßen , an deren Statt aber bringt er einen Miſchmaſch von offenbaren Lügen, von Kindermärchen und Poſſen 2c., deren ſich der Verfasser des politischen Maulaffens geschämt haben würde : von rabulistischen Chicanen, von betrügerischen Finanzregeln und von den tollsten Ausschweifungen zu Markte , die so wenig zur Sache gehören und den Sachsen so gar nicht vortheilhaft ſind, daß sie vielmehr zur Rechtfertigung Sr. königlichen Majeſtät in Preußen gegen das frevelhafte und unbesonnene Geſchrei Dero Feinde, ja zur kräftigsten Widerlegung des eigenen Geſchmieres des hirnlosen Verfassers dienen . " Dieser Schrift endlich folgte ein „ Post- Scriptum von Frankfurt am Main nach Leipzig. Aschaffenburg 1758." In stricter Durchführung seines Programms , ließ Ephraim während seiner berüchtigten Thätigkeit in Sachsen auch eine Summe von 50,000 Thalern mit Beschlag belegen , die Goßkowsky, der patriotische Bürger Berlins , zur Tilgung der von Friedrich dem Großen der Stadt Leipzig auferlegten und von Jenem übernommenen Kriegs -Kontribution als Abschlagszahlung bestimmt hatte. Da die Stadt außer Stande war , die dem Gozkowsky zugesagten Zahlungstermine inne zu halten , dieſer aber zur Einlösung der dem König ausgestellten Wechselbriefe sich verpflichtet hatte, so negociirte er in Hamburg auf ein Kapital von 400,000 Thalern. Diese Gelder bestanden jedoch in ſogenannten Plönischen oder Zerbſter Eindrittelstücken.
Nachdem der
119 Direktor Fiedler in Leipzig, auf vorherige Anfrage erklärt hatte, daß diese Geldſorte daselbst nicht verboten sei , ließ Gozkowsky mittelst Ertrapost zwei Summen von je 50,000 Thalern nach Leipzig befördern . Nichtsobald hatten Ephraim und sein Affocié Daniel Ißig hiervon Nachricht erhalten , als sie eine Estaffette nach Berlin abfertigten , und von dem General-Directorium eine Ordre an den Major v. Keller (damaligen Kommandanten von Leipzig) erwirkten , nach welcher dergleichen Gelder in Sachsen verboten wurden. Gozkowsky ließ nunmehr die zurückerhaltenen 100,000 Thaler wieder nach Hamburg schaffen , mit dem Auftrage , die Hälfte davon als Probe behufs Unterbringung an die alliirte Armee abzusenden. Am. 9. November 1761 langte das Geld in Bielefeld an ; zwei Tage zuvor hatten jedoch Ephraim und Izig, als Münz- Entrepreneurs , in den hiesigen Zeitungen bekannt machen lassen, daß die Ein- und Durchfuhr fremder Gelder verboten sei, und Demjenigen , welcher darauf vigiliren würde , die Hälfte der entdeckten Summe zu Theil werden solle. Auf ihre demnächſtige Vorstellung an den Miniſter Grafen von Finkenstein, erließ dieser unterm 24. November eine Ordre an die Minden'sche Kriegs- und Domainen-Kammer zur Beſchlagnahme jener 50,000 Thaler. Die Protestationen Gozkowsky's blieben ohne Erfolg . Unterm 2. Dezember erhielt er von dem Miniſter Grafen von Gotter
folgende Resolution : „ Es haben die hiesigen Juden, welche mir fast das Haus eingelaufen, beiliegendes Promemoria diesen Morgen wiederum bei mir eingereichet , und außer solcher schriftlichen Verwahrung sich auch dabei gegen alle Herausgabe der Gelder, es möge auf Caution ſein , oder wie es sonst geschehen könnte , zugleich mündlich und zwar unter Bedrohung der Königlichen Ungnade , auf das feierlichste protestiret. Indem sie sonsten nicht im Stande seien , den mit
Sr. Königlichen Majestät
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getroffenen Münzcontract zu erfüllen, und sich von selbigem los zu sagen , unumgänglich genöthigt wären. Denn wenn den Interessenten dieser Streich gelungen, hätten sie an der Samme der 50,000 die Hälfte gewonnen, sie aber , die Juden , eben so viel verloren. Sie machen an dem Gelde selbst nicht den geringſten Anspruch, sondern begnügen sich, daß nach dem Inhalt der, zu Jedermanns Kenntniß gediehenen Edicte, ſolches confiscirt und eingeschmolzen werde ; wovon , ihrem Vorgeben nach, dem Könige zwei Theile , dem Denuncianten ein Viertheil , und der übrige Theil dem Collegio , worunter der Denunciant ſtünde, zufallen müßte. "1 Sie haben solches durch ein ganz neuerliches Exempel auch zu verificiren und zu bestätigen vermeinet , indem sie mich versichert, daß der Herr Präsident Kircheisen, als welchem unter der Hand gesteckt worden , wie daß ein Fuhrmann mit einem Wagen, so einen doppelten Fußboden hatte , worinnen 12,000 Thaler steckten, um eine gewiſſe Zeit in Berlin einpaſſiren würde ; welchen er darauf durch Beihülfe des Thorschreibers anhalten. laffen und solchergestalt die vorgehabte Defraudation auf eine unwidersprechliche Art entdeckt. Worüber er hernach seinen Bericht an den König immediate erſtattet , welcher ihm die Hälfte als Ausspürer und Denuncianten zugesprochen, und die andere Hälfte zu Wiedereinrichtung des Stadtfuhrwesens und Reinigung der Straßen bestimmt 2c. " Auf ein Immediatgeſuch wurde Gozkowsky, d. d. Breslau, den 17. Dezember 1761 , dahin beschieden, daß die 50,000 Thlr. , welche „ an schändlichen und gar ſehr geringhaltigen, zum öffentlichen Betrug des Publici ausgemünzten, sogenannten holſteinplönischen Geldern zu Bielefeld attrapirt und angehalten, auch auf des Königs expreffe Ordre confiscirt worden.
Sollte 2. Goß-
kowsky dabei wider Vermuthen interesfiret sein , so können Se. Königl. Maj . auf solchen Fall ihm nicht helfen , sondern es bleiben solche Gelder ein für allemal confisciret , und muß
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darüber ohne Confideration, es betreffe, wen es wolle, procediret werden ; da nicht nur solche Gelder öffentlich ganz und gar verrufen , sondern auch schon längstens die Einschmuggelung aller dergleichen mecklenburgischen, stralsundischen 2. gar zu schlechten Münzen , auch zu einem Transito verboten wurde. Nicht zu gedenken ,
daß die Pflicht eines jeden getreuen Bürgers und
Unterthanen erfordert, die schon jeßo groß genug seiende Calamität des Krieges durch eine Practicirung dergleichen gar zu schlechter Gelder aus Gewinnsucht nicht zu vergrößern , sondern vielmehr solche zurückzuhalten. " Auf eine wiederholte Vorstellung , um Untersuchung des Sachverhalts, erfolgte kein Bescheid. Im Februar 1762 befahl Friedrich der Große, von Leipzig aus, daß Ephraim die königliche Gold- und Silber-Manufactur in Berlin , deren Fabrikation damals noch ein Monopol des Potsdamer Waisenhauses war , gegen eine jährliche bedeutende Summe in Erbpacht übergeben werde. Auf seinem umfangreichen Besißthum am Schiffbauerdamm errichtete er zum Betriebe der überkommenen Manufactur die Silber- und Kupfer- Schmelzöfen xc. , so wie zwei Roßmühlen ,
deren jede sechs koloſſale
Blasebälge trieb. Von diesen Mühlen führte das Etabliſſement, welches auch das Silber zur Münze lieferte , im Volksmunde die Benennung „ Judenmühle. " Ursprünglich gehörte dies Terrain zur sogenannten „ Bullenwieſe " , bis der Graf von Wartensleben einen Garten darauf anlegte, welcher später der Hund'sche hieß. In neuerer Zeit wurde das Terrain an der Straßenfront mit dem Hause Nr. 20 befeßt. Der großartige Geschäftsbetrieb veranlaßte Ephraim , im September 1762 um die Erlaubniß zur Ableiſtung von Eiden in seinem Hause nachzusuchen. Denn er könne , wie von ihm angeführt wird , dieserhalb nicht ganze Vormittage vom Hause abwesend sein , wo er wegen seiner großen Entreprisen täglich 1000 bis 1500 Menschen abfertigen müffe.
122
Welchen Aufschwung die Gold- und Silber-Manufactur genommen , geht daraus hervor , daß , als nach dem Tode Ephraim's (16. Mai 1775) deffen drei Söhne die Erbpacht überkommen, im Jahre 1782 daselbst 813 Personen beschäftigt und allein für 299,651 Thaler Treffen, Borten , Schnüre und Flittern angefertigt wurden. Erst im Jahre 1821 hörte das Monopol auf, und die Manufactur ging als Eigenthum auf die Nachkommen Ephraim's über. Der Vater desselben († 1748 ) besaß das Haus Nr. 30 in der Spandauerstraße (gegenüber dem Rathhause) , welches demnächst auf den Sohn vererbte. Das Vorderhaus tritt uns freilich in veränderter Gestalt entgegen, doch enthält das Seiten, gebäude rechter Hand noch die Familien- Synagoge , in welcher, zufolge einer Bestimmung, zweimal wöchentlich der Gottesdienst für alle Zeiten abgehalten werden soll. Dieſe Beſtimmung war in früherer Zeit keine außergewöhnliche; sie findet sich als Zeichen der Religiosität mehrfach vor bei den dreißig Häusern, welche die Juden bis 1763 überhaupt besißen durften , und deren Zunahme bis auf vierzig ihnen demnächst gestattet wurde. Ursprünglich war das Ephraim'sche Haus der schon im 16. Jahrhundert als vornehm bekannte „ Gasthof zum Hirsch" . Hier foll König Gustav Adolph , als er unter dem Namen eines schwedischen Hauptmannes Gars (zuſammengestellt aus den Initialbuchstaben „ Gustavus Adolphus Rex Sueciae") mit seinem Gefolge an einem Sonnabend des Maimonats 1620 unbekannt eintraf, um sich mit der Tochter des Kurfürsten Johann Sigismund, der Prinzessin Maria Eleonore, heimlich zu verloben, von dem Beſizer des Gaſthofes die Aufnahme verweigert worden sein. Man hielt ihn und die Seinen für Engländer, welche sich damals beim Durchzuge nach Böhmen , wie der Chroniſt Puſthius bemerkt: anfangs ziemlich schärfern , am Ende aber ziemlich wölfisch in der Mark erwiesen. " Gustav Adolph nahm dann
123 in dem Haufe des später sächsischen Feldmarschalls v . Arnim, Klosterstraße No. 78 , seinen Aufenthalt. An das Haus No. 20 in der Spandauerstraße knüpft sich
noch folgende Episode. Auf besonderen Befehl der Braunschweig - Wolffenbüttel'schen Herrschaft , wie auch der königlichen Familie, wurde zur Ergözung bei der Berliner Judenschaft, am 7. Januar 1740 , in dem Wohnhause des Juweliers und Bankiers Ephraim, auf deffen und ſeiner Söhne Kosten, eine Eheverbindung zwischen zwei von ihnen erzogenen Waisen, Namens David Zacharias und Frie Wolff, vollzogen. Die Judenschaft mußte zur Kurzweil des Hofes derartig aufgedrungene Ehrenbezeugungen über sich ergehen lassen , wußte aber durch den Schacher bei solchen Gelegenheiten sich reichlich zu entschädigen. Die Façaden des Hauses waren mit prachtvollen Tapeten behangen .
In einem Zimmer rechter Hand erblickte man aus-
gelegte Galanteriewaaren, zur Linken ein Gemach mit franzöſiſchen Stoffen , während Ephraim selbst in einem besonderen Zimmer feine Juwelen ausgesezt hatte, und verſchiedene jüdiſche Kaufleute kostbare Brabanter Spigen nebst anderen Weißwaaren feilboten. Außerdem waren noch zwei Gemächer, das eine mit reich gestickten. Gewändern, das andere mit feinen italienischen und holländischen. Gemälden ausstaffirt. Den Fußboden des Hofes bedeckten Brabanter Tapeten ; Tannenzweige nebst Hunderten von Lampen und Lichtern an den Außenwänden erhöhten den Glanz der Festlichkeit. Gegen halb vier Uhr erschien der Hof mit zahlreichem Gefolge ; er wurde nach dem Seitenflügel rechter Hand geleitet, woselbst drei kostbar möblirte Zimmer zu seiner Aufwartung hergerichtet waren.
Demnächst fand eine Besichtigung der aus-
gelegten Waaren statt , verschiedene Einkäufe wurden befohlen, und sodann die Trauung nach jüdischem Ceremoniell, auf freiem Hofe unter einem Traghimmel, vollzogen. Noch ein Tanz der jungen Leute, dem die fürstliche Gesellschaft beiwohnte, und zurück begab sich dieselbe nach Hofe.
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Im März 1761 „ begnadigte “ Friedrich der Große den Ephraim „anderweit zum Ankauf eines Hauſes und zum Etabliſſement ſeiner Kinder, mit der Freiheit eines christlichen Bankiers bei rechtlichen Angelegenheiten vor und außer Gericht. " Es ist dies das Haus No. 16. in der Poststraße, Ecke des Mühlendammes. Die geschichtlichen Erinnerungen, welche sich an die Stätte deffelben knüpfen , reichen bis zum Jahre 1488.
Urkundliche
Nachrichten des königlichen Lehn-Archivs ergeben , daß der Magistrat in jenem Jahre einem gewiffen Hans Zehender das Privilegium zur Errichtung einer Apotheke als erbliches Eigenthum verliehen. Im 17. Jahrhundert gelangte der Apotheker Tonnenbinder in den Besitz des Grundstücks , auf dem mehrere , von einem offenen Platz umgebene Gebäude in der Front der Poststraße standen, während einige Hausbuden die Seite am Mühlendamm einnahmen.
Tonnenbinder, ein angesehener Bürger, ließ
die Gebäude niederreißen, und an ihrer Stelle ein Eckhaus errichten , das jedoch nur den Raum des heutigen Balkonbaues einnahm . zu jener Zeit geschieht des Hauses auch insofern Erwähnung, als am 18. August 1673 ein „ Leinentänzer“ auf einem von dem Dachgiebel nach dem Mühlendamm gespannten Seile „ſeltsam Gaukeley trieb, und zwei Tage später Karl Walters Frau, während der Abwesenheit ihres Mannes und unter Mitnahme einer bedeutenden Geldſumme , entführte.
Die Chronik bemerkt
dabei , daß besagter Walter eine Aufforderung zur Rückkehr der Entflohenen an die Kirchthür zu St. Nikolai heften ließ , und fich dann "1 eine Andere nahm . " Tonnenbinder's Sohn , Hans Joachim , bewirkte nun den Erweiterungsbau des Hauses , der ihn in einen langwierigen Prozeß verwickelte, weil das Gebäude zu weit gegen das in der Poststraße angrenzende Grundstück eines Lieutenants v . Cavalsky hinangeführt war. Er mußte das beeinträchtigte Terrain für 35,000 Thaler erwerben, und dieser Umstand so wie der Unfall,
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daß das Gebäude zusammenstürzte , als es bis zum Dache vollendet war, brachten die Familie in Noth und Elend . Mit Rücksicht hierauf erhielt dieselbe 1716 das Apotheken- Privilegium auf weitere fünfzehn Jahre ertheilt. Hier auch befanden sich,
im dritten Stockwerk ,
woselbst
gegenwärtig das Einwohner- Melde -Amt etablirt ist, die Anfänge des heutigen Intelligenz - Blattes ". Durch Kabinets-Ordre vom 6. Januar 1727 hatte König Friedrich Wilhelm I. die Einrichtung eines " Intelligenz -Werkes auf dem Fuße , wie es in andern Haupt- und Handelsstädten von Europa eingeführt , dem Publiko zum Besten " anbefohlen. Dasselbe erschien unter dem Titel „Wöchentliche Berliner Frageund Anzeigungs- Nachrichten" in Quart - Format , zwei Mal wöchentlich (Mittwochs und Sonnabends) , und mußte von sämmtlichen Gewerbetreibenden und Profeſſioniſten der Hauptstadt, gegen einen jährlichen Abonnementspreis von 2 Thalern (die einzelne Nummer kostete 1 Groschen) , von dem „ Königlich Preußischen Adreß- Comtoir" in gedachtem Hause bezogen werden . Die Ueberschüsse erhielt das Militair-Waisenhaus zu Potsdam . Von dem Apotheker Johann Faber erwarb Ephraim 1761 das Grundstück , ließ die Buden am Mühlendamm entfernen und, im Anschluß an das ältere Gebäude, den Gesammtbau in seiner noch gegenwärtigen Geſtalt durch Dietrich aufführen. Jene acht , den Balkon tragenden Monolithen sollen , als ein Geschenk Friedrichs des Großen an Ephraim, von dem Gräflich Brühl'schen Schloffe zu Pförten herrühren ,
das während des
fiebenjährigen Krieges der Zerstörung anheimfiel. Die prachtvolle Ausstattung auch im Innern des Gebäudes, von der das noch erhaltene " chinesische Zimmer" im zweiten Stockwerk Zeugniß ablegt, soll den König zu der Aeußerung veranlaßt haben , daß dies Gebäude für seinen Befißer Nichts zu wünschen übrig laffe , als einen Galgen , denn er (Ephraim) habe ihn ganz abscheulich betrogen.
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Diese und ähnliche Anekdoten gehören indeffen , wie eine minder bekannte, nach welcher Ephraim das von dem Feinde im Schloffe zu Charlottenburg zerbrochene japaniſche Porzellan habe bezahlen müssen und dafür die Scherben erhielt, wohl nur dem Gebiete der Erfindung an. Dagegen kann eine andere Ueberlieferung Anspruch auf Glaubwürdigkeit machen. Ein hiesiger Schußjude , Abraham Posner, hatte sich von dem seit Alters her bestehenden Verbote des Bartabnehmens emancipirt , und dadurch den Unwillen wie Vor Allen die Verfolgung seiner Glaubensgenoſſen zugezogen. aber zeichnete Beitel Heine Ephraim sich in dieser Bartfrage Er denuncirte Posner beim Rabbinats- Collegium , und dieses ermahnte den Neuerungssüchtigen, unter Androhung kirchlicher Strafen , zur herkömmlich jüdiſchen Sitte zurückzukehren, die er auf so offenkundige Weise verlegt habe. Posner dagegen sah in dem Vorgehen des Rabbinats einen unberechtigten Eingriff in seine persönliche Freiheit , und suchte sich gegen fernere Maßregelungen durch ein Gesuch an den König zu ſchüßen : in Zukunft seinen Bart unbehelligt abnehmen zu dürfen . Ephraim gelang es indeſſen, den Monarchen für sich zu gewinnen, welcher eigenhändig auf den Rand des Geſuches schrieb : Der Jude Posner soll mich und seinen Bart ungeschoren laffen ! Auch hier kann Landshut als Autorität gelten , wenn er besagten Abraham Posner für identiſch hält mit jenem Abraham Hirsch (genannt Hirschel) , welcher durch das Juwelengeſchäft mit Voltaire in einen Prozeß gerieth, dessen Ausgang die Aufmerksamkeit des Publikums in so hohem Grade beschäftigte, und den, alle sittlichen Begriffe und moralischen Grundsäße höhnenden Charakter des Mannes enthüllte, dem man zuvor so große Verehrung , als Befreier aus den Feffeln des Aberglaubens , zollte. Der Beiname Posner, den Abraham Hirsch führte, deutet darauf hin, daß die Stadt Poſen als sein früherer Aufenthaltsort, und wahrscheinlich auch als seine Geburtsstätte zu betrachten
127 ist.
Sein Vater, Hirsch Abraham, flüchtete mit ihm während
der im Jahre 1736 gegen die dortigen Israeliten verübten Greuelscenen nach Berlin. Ihm folgten andere hartbedrängte Familien, und so erhielt die Berliner Gemeinde einen nicht unbeträchtlichen Zuwachs von theils wohlhabenden , theils intelligenten Mitgliedern. Wie früher in Posen , so wurde Hirsch Abraham auch in der neuen Heimath Berlin für ſeine Glaubensgenoſſen ein Hort des Rechtes , ein Kämpfer für gefeßliche Ordnung und ein unerbittlicher Gegner jeder Willkür . In Gemeinschaft mit den Gesinnungsgenoffen Mendel , Ries , Jakob und Bendir trat er offen gegen Veitel Heine Ephraim auf, und erwirkte einen königlichen Befehl zur Annullirung der von Ephraim's Partei durchgesetzten Wahl desselben zum Oberältesten . Eine solche Machtvergrößerung des durch seinen Reichthum dominirenden Emporkömmlings konnte den Intereffen der Berliner Judenschaft nicht entsprechen. Ephraim dagegen beschloß, die seinem Ehrgeiz widerfahrene Kränkung an ihrem Miturheber Hirsch Abraham Die Gelegenheit sollte sich ihm nur zu bald zu vergelten. darbieten. Am 23. September 1750 ließ der dem Cultus des Mammons ergebene Voltaire den Sohn Hirsch Abrahams zu sich nach Potsdam bescheiden , um sich dessen Mithülfe bei einer gesetzwidrigen Operation mit sächsischen Steuerscheinen zu versichern. So verlockend das Geschäft auch war , so glaubte der Lettere dennoch jede Mitwirkung ablehnen zu müssen , weil er sich keiner Handlung schuldig machen wollte , die nur unter Mißachtung eines von Friedrich dem Großen wiederholt ergangenen Verbotes zur Ausführung kommen konnte . Voltaire, kein noch so verwerfliches Mittel zur Befriedigung seiner Habgier verschmähend , wies auf die Gunst des Königs hin , als sichere dieſe ihm und ſeinem Mitſchuldigen völlige Straflosigkeit. Durch solche Vorspiegelungen und das anderweitige Versprechen,
128
ihm beim König einen Titel zu erwirken , gelang es Voltaire endlich , den jungen unerfahrenen Abraham Hirsch für seinen Plan zu gewinnen. Um jedes Aufsehen zu vermeiden und äußerlich den Schein zu wahren , sollte das Geschäft mit den Steuerscheinen unter den Namen eines Pelz- und Juwelenhandels zur Ausführung gelangen . Voltaire wies nun seinem Unterhändler in Dresden die erforderlichen Gelder an, wogegen dieſer ihm Diamanten im Werthe von mehr als 18,000 Thalern als Unterpfand überlassen mußte . Bald darauf machte Abraham Hirsch die Mittheilung, daß die begehrten „ Pelze und Juwelen“ eine unerwünſchte Preissteigerung erfahren hätten, und daher nicht für den verabredeten Preis von 65, sondern nur für 70 Procent zu beschaffen seien. Nachdem Voltaire sich damit einverstanden erklärt, traf aus Dresden die anderweitige Nachricht ein , daß in Folge gesteigerter Kaufluſt die Steuerſcheine einen Cours von 75 Procent erlangt hätten . Diese Berichte verfehlten nicht, bei dem mißtrauischen Philosophen - ob mit Recht oder Unrecht , bleibe dahin gestellt Argwohn zu erwecken. Diese Mißſtimmung nun benußte Ephraim, welcher durch seine Spione von dem „ Pelzhandel " Kenntniß erlangt hatte , um durch eine fein gesponnene Intrigue sich Genugthuung für die , ihm von dem Vater des Abraham Hirsch zugefügte Kränkung zu verschaffen. Demnächst lag es wohl auch in seiner Absicht, gemeinschaftlich mit Voltaire das saubere Geschäft auszubeuten. Und in der That gelang es ihm , einen unheilbaren Bruch zwischen Beiden herbeizuführen, der die Zurückberufung des Unterhändlers zur Folge hatte.
Bei der Auseinanderseßung entstanden nicht
unerhebliche Differenzen , deren Regulirung jedoch zu Gunſten des Hirsch ausfiel , nachdem derselbe gedroht , die Angelegenheit dem König zu verrathen . Durch List und Betrug suchte Voltaire nun wieder in den Besiß der von ihm geleisteten Entschädigungsſumme zu gelangen. Er ließ sich von Jenem werthvolle Diamanten und einen kostbaren Spiegel zu vorher bedungenem
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Preise liefern, deſſen Zahlung er dann unter dem Vorgeben verweigerte, bei dem früheren Geschäft übervortheilt worden zu sein. Um seiner Handlungsweise einen rechtlichen Schein zu geben, verschmähte er es nicht, die auf das Steuerscheingeschäft bezüglichen Dokumente eigenhändig zu fälschen ,
außerdem die ihm
gelieferten Edelsteine gegen minder werthvolle zu vertauschen, und den armen Juden, unter Zufügung körperlicher Mißhandlungen, in Gegenwart des Dieners seines Fingerringes zu berauben. Hirsch reichte beim König eine Klageschrift ein , merkwürdigen Enthüllungen führte ,
und Friedrich
die zu
der Große,
überrascht von der nichtswürdigen Handlungsweiſe ſeines Lieblings, äußerte sich gegen den Großkanzler , die Angelegenheit durch richterlichen Spruch zum Austrage gebracht zu sehen. Voltaire, hiervon benachrichtigt und das Bedenkliche seiner Lage erkennend, kam dem Gegner durch Anstellung einer gerichtlichen Klage zuvor , in Folge deren Abraham Hirsch am Neujahrstage 1751 , auf Befehl des Ministers von Bismarck (damaliger Chef des Kammergerichts), verhaftet wurde. Dieser, das allgemeine Aufsehen hervorrufenden Maßregel erlag der Vater des Verhafteten — ein jäher Tod entriß ihn am 13. Januar seiner zahlreichen Familie. Im weiteren Verlaufe des Prozesses erhoben sich aber so gewichtige Verdachtsgründe gegen Voltaire, daß derselbe vor der Beschuldigung des Betrugs , des Diebstahls und der Urkundenfälschung sich schwerlich hätte rechtfertigen können , wenn nicht die Angelegenheit durch einen Vergleich zu Ende geführt worden wäre. Geschah dies auch scheinbar zu Gunsten Voltaire's : die öffentliche Meinung hatte sich doch des Spruches bemächtigt und über ihn, der so gewaltig sich erhob , die Thorheiten und Gebrechen seiner Generation zu geißeln , das gesprochen.
Schuldig " aus-
So rächt die Nemesis der Wahrheit früher oder
ſpäter die mit Füßen getretene Moral ! Auch der große Friedrich ließ ihn seine Verachtung durch den Ausspruch fühlen, daß sein Herz hundertmal schlechter ſei, als sein Geiſt groß erscheine. 9
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Nicht minder theilte Leffing dieſe ſittliche Entrüstung. Die Nothwendigkeit, in jenem Prozeffe mit den zuständigen Behörden in deutscher Sprache zu verhandeln, bestimmte Voltaire, sich eines Correspondenten zu bedienen.
Wahrscheinlich auf Veran-
laffung Ephraim's , für welchen Leſſing zuweilen Vorstellungen an den König und an Behörden fertigte, wurde der jugendliche Dichter von Voltaire zu dem angegebenen Zweck gewonnen . Bald der tägliche Tischgenosse seines berühmten Gönners, waren Lessing's Wahrnehmungen in so unmittelbarer Nähe nicht der Art , um eine vortheilhafte Meinung von dem Charakter deffelben zu gewinnen. Sein Urtheil über ihn, in Bezug auf den Prozeß, hat Lessing in den Schlußworten eines Epigramms ausgesprochen: „ Und kurz und gut, den Grund zu faſſen, Warum die List Dem Juden nicht gelungen iſt, So fällt die Antwort ungefähr : Herr V. war ein größ'rer Schelm, als er. “ Ein anderes , in der Vossischen Zeitung vom 20. März 1751 zuerst veröffentlichtes Voltaire's Geiz :
Epigramm des
Dichters geißelt
„ Du fragst, warum Semir ein reicher Geizhalz ist? Semir, der Dichter, den Welt und Nachwelt liest? Weil, nach des Schicksals ew'gem Schluß, Ein jeder Dichter darben muß. “
So hatte Ephraim auch bei diesen unrühmlichen Vorgängen die Hand im Spiel, und ſeine Mitschuld an dem Tode Hirsch Abraham's fällt schwer in die Wagschale seiner Vergehen. Mit zäher Beharrlichkeit nährte er den vom Vater auf den Sohn übertragenen Haß, um diesen, nach dem mißglückten Versuch in der Voltaire'schen Affaire, unter religiöser Maske als „ Anwalt des Judenbartes " zum Gegenſtand des Spottes zu machen. Wie ihm dies geglückt , ist bereits erwähnt. Friedrich der Große, in deffen Staaten ein Jeder nach seiner Façon selig werden konnte, wollte von einer winzigen Bartreform nichts wissen, und befahl
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daher in sarkaſtiſcher Weiſe dem von Ephraim ohnehin geſchorenen Abraham Hirsch : ihn und seinen Bart ungeschoren zu lassen. Selbst der Markgraf Friedrich von Bayreuth, welcher wegen.
eines Ringes gegen Ephraim klagbar geworden war, und eine Beschwerde beim König eingereicht hatte , sah sich mit dem Bemerken abgewiesen, daß es "I eine pure Justizsache betreffe, in die er (der König) nicht entrire. " Zur Geschichte des Ephraim'schen Hauses zurückkehrend, so erbauten die Erben desselben , nach Aufhebung der TabaksAdministration , auf dem ursprünglich bis zur Spree reichenden Grundstück eine Tabaksmühle, bis dasselbe 1820 der Kaufmann und Tabaksfabrikant Ulrici erwarb. Im Jahre 1843 dem Fiskus zugefallen und dem königlichen Polizei - Präsidium zur Benußung überwiesen, ist das Gebäude nebst den angrenzenden Mühlen neuerdings in Privatbesit übergegangen. Der Säulenperiode des großen Königs angehörig, scheinen sie nunmehr gezählt zu sein , die Tage dieses architektonisch imposanten und geschichtlich denkwürdigen Hauſes, deſſen Erbauung König Friedrich Wilhelm IV. so gern dem großen Andreas Schlüter zuschrieb.
9*
XI.
Gokkowsky.
ür die Wohlfahrt Aller mitzuwirken, einem großen gemein-
F samen Interesse das persönliche Interesse, oft mit Gefähr= dung des Lebens unterzuordnen ― welch' edle Lebensbeſtimmung, wie erhaben über die Armseligkeit des persönlichen Egoismus ! Gozkowsky , der Patriot , gewährt uns das Bild eines solchen Mannes , dessen Geist und Gemüth von dieser Ueberzeugung durchdrungen, und dessen einzige Vergeltung gleichwohl nur das Bewußtsein war, den Die Spur der Bahn , welche haben sie betreten , denen um liehen worden! Johann Ernst Goßkowsky
großen Zweck erreicht zu haben. er zurückgelaffen , Wenige nur gleichen Preis ihre Größe ver-
erblickte - wie er in der Geam 21. Novem= schichte seines Lebens 1768 niedergeschrieben ― ber 1710 zu Coniß das Licht der Welt. Sein Vater , . ein polnischer Edelmann, hatte während der Kriegsperiode, die Polen damals zum Tummelplaß gemacht, all' sein Hab' und Gut verloren. Anverwandte in Dresden nahmen sich , nachdem die Peſt 1715 ſeine Eltern dahingerafft, des verwaiſten Knaben an ; doch war für seine Erziehung so wenig gesorgt , daß er im vierzehnten Lebensjahre kaum lesen und schreiben konnte. Auf Veranlaſſung seines älteren Bruders , welcher die Handlung erlernt hatte und " in Bedienung bei dem Lagerhause " stand , kam er ebenfalls nach Berlin und trat als Lehrling in die renommirte Sprögel'sche
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Materialwaaren-Handlung ein . Fleiß und muſterhaftes Betragen, verbunden mit einem eifrigen Selbststudium zur Erlangung der fehlenden Kenntnisse, zeichneten ihn während seiner Lehrzeit gleich ſehr aus . Kurz vor Beendigung derselben wurde, durch den Brand der Petrikirche ( 1730) , auch die Handlung seines LehrHerrn ein Raub der Flammen ; und nun widmete Gozkowsky seine rastlose Thätigkeit dem Geschäft seines Bruders , welcher sich inzwischen als Galanteriewaarenhändler etablirt hatte. den ich an dieser Art „Der Geschmack" , sagt er selbst ,
von Handlung fand , machte mir auch die größte Bemühung leicht , und durch diese erwarb ich meinem Bruder sehr ansehnliche Lieferungen , sowohl bei Ihro Majestät der Königin , als auch bei dem damaligen kronprinzlichen Hofe. " Von der Leipziger Meſſe kehrte er regelmäßig über Rheinsberg zurück, und nahm hier die Aufträge des Kronprinzen entgegen. Ueber den Eindruck , den der in gleichem Alter mit ihm stehende Thronerbe auf Goßkowsky machte, äußerte sich derselbe : „Welcher Mensch konnte sich wohl diesem großen Prinzen nähern, ohne den Entschluß zu faſſen , Alles , ja sogar den lezten Blutstropfen anzuwenden, um sich dessen Huld und Gnade zu versichern ? " Schon damals war es eine Lieblings - Idee Friedrichs , neue Fabriken zur Förderung der Induſtrie in den preußischen Staaten zu errichten. Diese Idee gelangte mit seiner Thronbesteigung zur Verwirklichung . Gozkowsky wurde nach Charlottenburg beſchieden und erhielt den Auftrag, geſchickte Künſtler und Ouvriers in das Land zu ziehen, wogegen ihm der König seine Unterſtüßung und "/fleißige Abnahme der gefertigten Waaren" zusicherte . Goßkowsky's Bemühungen waren von Erfolg , denn bald versorgte er fast das halbe Deutschland mit seinen Bijouterien, und zog dadurch " viele Tonnen Goldes " nach Berlin. Im Jahre 1743 errichtete , auf seine Veranlassung , der
134 Hofllieferant Blume eine Sammetfabrik nach Genueser Art. *) Doch schon im folgenden Jahre verstarb Blume, und Gozkowsky, welcher sich inzwischen mit der Tochter desselben vermählt hatte, vergrößerte das mit einem Koſtenaufwande von 30,000 Thalern errichtete Etablissement. Unsägliche Hindernisse traten ihm dabei entgegen, deren größtes ein hartnäckiges Vorurtheil des Publikums gegen inländische Fabrikate war. Dennoch gelang es seinem unermüdlichen Eifer, alle Hindernisse zu überwinden, und nachdem Friedrich der Große ein Verbot zur Einfuhr derartiger fremder Stoffe hatte ergehen lassen , beschäftigte die Fabrik 120 Webstühle. Zum Betrieb eines so bedeutenden Geschäftes suchte und fand Gozkowsky im Auslande den erforderlichen Credit, der ihm im Inlande nicht zu Theil wurde. Im Jahre 1753 ließ der König eine Seidenstoff - Fabrik auf der Friedrichsstadt errichten , deren Entrepreneur bedeutende Summen erhielt, ohne daß das Unternehmen einen wesentlichen Erfolg hatte.
Auf Wunsch des Monarchen übernahm Gozkowsky
dieſe Manufaktur , und vermehrte die vorgefundenen 10 Webestühle in Jahresfrist bis auf 130 , so daß beide Fabriken 250 Stühle mit 1500 Arbeitern beschäftigten. Freilich war ein Kapital von500,000 Thalern dazu erforderlich gewesen, wovon etwa 150,000 Thaler Gozkowsky's Eigenthum ; doch erreichte der Waarenabsat nach dem Auslande , besonders nach Rußland und Polen , bald eine Höhe von 100,000 Thalern jährlich. Unter solch' günstigen Verhältnissen wurde Gozkowsky mit dem Ankauf werthvoller Delgemälde für die neue Galerie in Sanssouci betraut. Kaum jedoch mit einem Kostenaufwande von 100,000 Dufaten aus Italien, Frankreich und Holland herbei*) Es war dies die einzige derartige Manufaktur in Berlin , zu Anfang der Regierung des großen Königs. Im Jahre 1782 zählte Berlin dagegen 56 Sammet- und Seidenstoff-Manufakturen, sowie 46 Seidenstrumpfwirkereien und Seidenband-Fabriken.
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geschafft, nahmen die Schreckniffe des siebenjährigen Krieges ihren Anfang. Mit dem Aufbruch Friedrichs des Großen nach Sachsen (am letzten Tage des August 1756) , trafen die Gemälde in Berlin ein ; sie blieben jedoch , da unter solchen Verhältnissen an die Erstattung der Kauffumme nicht gedacht werden konnte, in Gozkowsky's Hauſe. Aber auch der Geschäftsbetrieb deffelben gerieth in's Stocken, und gleich zu Beginn des Krieges verlor er an den neuen, zur Bestreitung der Kriegskosten geprägten Friedrichsd'ors gegen 200,000 Thaler. Da erschien am 3. Oktober 1760 Tottleben mit seinen Russen vor Berlin.
Die Begüterten, welche in der Stadt zurück-
geblieben waren, ſuchten ihr Vermögen bei Gozkowsky in Sicherheit zu bringen , dessen Haus gewissermaßen als eine Freiſtätte betrachtet wurde. Er selbst bemerkt: „Mein Haus war durchgehends mit Geld , Kostbarkeiten und Mobilien gefüllt , und einige hundert Personen, darunter ſelbſt Juden, suchten bei mir ihre Sicherheit. Die Münzjuden schickten mir ganze Frachten Geld, das ich in die Keller in möglichste Sicherheit bringen und gleichwie mein Eigenthum bewachen ließ. “ In dieser Zeit der Bedrängniß wurde Schußgeist Berlins.
Gozkowsky der
Seine Rathschläge, Handlungen und Auf-
opferung, mit Verlust eines großen Theils ſeines eigenen Vermögens, sind zu bekannt , um hier eingehender wiederholt zu werden.
Tag und Nacht raſtlos bemüht, die Leidenden zu tröſten,
Hülfe den Bedrängten zu gewähren und der Ungebühr des Feindes zu steuern , zeigte sein Patriotismus sich von der glänzendsten Seite.
Ihm gelang es, die Contribution von 2 Millionen um
500,000 Thaler zu ermäßigen ; auf seine Vorstellung entgingen das Lagerhaus, die königlichen Fabriken und Kriegsvorräthe für die preußische Armee der Plünderung und Zerstörung ; er bewirkte die Aufhebung des Befehls, sämmtliche im Besiße der Einwohner befindliche Feuergewehre auf dem Schloßplaß abzuliefern - welcher
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Befehl die größte Bestürzung hervorrief , weil man demselben die Absicht einer dadurch um so leichter zu bewerkstelligenden Plünderung zu Grunde legte.
Nur zum Schein wurden einige
hundert alte , unbrauchbare Gewehre auf dem Schloßplaß von den Kosacken zerschlagen und in's Waffer geworfen , was auch mit einigen hundert Lasten Salz geschah. Durch ihn wurdenferner die beiden Redacteure der , Voffischen " und "1 Spener'schen Zeitung ", Krause und Kretschmar , von der schimpflichen Strafe des Spießruthenlaufens auf dem Neuen Markte befreit. Veranlassung hierzu hatten die Artikel dieser Zeitungen gegeben, in denen es heißt: Aus Pommern und der Neumark laufen posttäglich betrübte Nachrichten von den Erceffen ein, welche ein gewisser Lieutenant v . Brücken mit ein paar hundert Kosacken an den Grenzen diefer beiden Provinzen anrichtet. Er giebt vor, von dem General Tottleben , dem bekannten Aventurier , der, nachdem er so viele unverdiente Gnade von Sr. K. M. genossen, nunmehr zu Dero Feinden übergegangen , und sich durch die Verwüstung Ihrer Länder hervorthut, beordert zu sein , Pommern und die Neumark unter Kontribuzion zu feben!" - „Es jammerte mich ", berichtet Goßkowsky ,,, der elende Zustand , in den diese beiden Männer sich versezt sahen.
Ich
ging also nochmals des Abends nach 9 Uhr zu Tottleben, eben als derselbe zu Bett gehen wollte ,
entschuldigte meine öftere
Beschwerung und bat recht ängstlich , diese Leute nicht zu prostituiren. " Bedenken und erwägen Ers . Ercellenz einmal die Handlung , welche vorgenommen werden soll. Diese Leute sind ganz unschuldig an dem , was in der Zeitung gestanden haben mag und die Ruffen so sehr erbittert ; sie haben keinen Antheil daran.
Es hängt das Zeitungswesen nicht blos von ihrer Willkür
ab, sondern es muß solches stets die Genſur passiren . Ueberdies , so find wir ja Alle Menschen, die stets Fehlern unterworfen find, und dann ist auch nicht beständig Krieg. Die gegenwärtige Lage der Sache kann sich gar bald ändern , und dieser Vorfall,
137 diese
Beschimpfung
an
einem
oder
dem
anderen
kaiserlich
russischen Unterthanen, der eben so unschuldig wie diese Männer, gerächt werden. " Tottleben sah den kühnen Sprecher starr an und hieß ihn nach Hause gehen.
Er wolle, obgleich ihm die Ausführung des
Spießruthenlaufens ohne alle Zweideutigkeit geworden, die Sache beschlafen, und am folgenden Morgen seinen Entschluß faffen. Am 12. Oktober, früh 8 Uhr, wurden beide Männer nach dem Neuen Markt geführt, woselbst einhundert russische Soldaten mit Ruthen aufgestellt waren. Man entkleidete zunächſt Krause, einen 68jährigen Greis , und als er dann fußfällig die Perrücke abgenommen, um sein graues Haar zu zeigen, erhielt er Begnadigung . Auch Kretschmar kam mit einigen leichten Streichen davon . Eine außerordentliche Contribution, die Tottleben den Juden zugedacht hatte, und bis zu deren Erlegung Ephraim und Ißig als Geißeln festgenommen werden sollten, wußte Goßkowsky durch seine Bemühungen ebenfalls abzuwenden . Wie ihm , noch vor Ablauf eines Jahres , der schnödeste Undank dafür zu Theil geworden, ist bei Ephraim (im vorigen Kapitel) bereits Erwähnung geschehen.
Auch drei der vornehmsten Kaufleute , die bis zur
Tilgung der restirenden Contribution von den Ruſſen als Geißeln mit fortgeschleppt werden sollten , entgingen durch Gozkowsky's Vorstellungen diesem Schicksal. Man begnügte sich, an Stelle ihrer drei Handlungs- Commis mitzunehmen.
"/ Mein Haus “ , sagt Gozkowsky , nachdem Tottleben am Abend des 12. Oktober mit seinen Truppen die Stadt verlassen hatte, „ glich eher einem Viehſtalle , als einer Wohnung. Die ganze Zeit über , da der Feind in der Stadt war , mußte ich Alles , was sich meldete , im Essen und Trinken unterhalten. Was mir dies , so wie die anderen ausgetheilten Präsente gekostet, um das auszurichten, was ich ausgerichtet habe, bleibt im Buche der Vergangenheit eingetragen .... Die Stadt hat mich hierüber nicht befragt, auch habe ich von derselben Nichts verlangt, aus Be-
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jorgniß , daß meine Dienstleistungen als Eigennut beschrieen werden dürften. " Auf dringendes Anſuchen des Magiſtrats folgte Goykowsky der russischen Armee, um manches während der Occupation noch Verabredete zu berichtigen . Bei dieser Gelegenheit rettete er durch List und Geschenke die Messingwerke und Fabriken in NeuſtadtEberswalde vor feindlicher Zerstörung. Von Königsberg aus , woſelbſt Tottleben ihm das frühere Wohlwollen bewiesen, begab er sich am 6. November in das Hauptquartier des Generals Fermor zu Arenswalde. Inzwischen hatte Friedrich der Große, um die als Contribution restirende Million wowöglich zu retten, dem Berliner Magiſtrat anbefehlen lassen, mit Zahlung der ausgestellten Wechsel sich nicht zu übereilen, auch bis auf Weiteres überhaupt Nichts auszuzahlen.
Dies war zu Fermor's Kenntniß
gelangt. Unter bitteren Vorwürfen äußerte der russische Feldherr zu Gozkowsky : „ Ihr König glaubt , daß er Herr der ganzen Welt ſei. Wir wissen, daß er der Kaufmannſchaft in Berlin befohlen, die ausgestellten Wechsel nicht zu bezahlen. Meine Kaiserin aber hat Mittel in Händen, sich anderweitig Schadloshaltung zu verschaffen.
Ueberdies , was seid Ihr für Kaufleute ? Alle Welt
muß sich vor Euch hüten, und Nichts mit Unterthanen zu thun haben, deren König befehlen kann, daß ihre ausgestellten Wechselbriefe nicht bezahlt werden sollen, der mithin ihren Valeur nach Gefallen nehmen kann. " Gozkowsky versicherte , von diesem Befehl keine Kenntniß zu haben , erbot sich auch sofort , einen Wechsel über 150,000 Thaler, als Abschlag, eigenhändig auszustellen und durch eine Estafette zur Acceptation nach Hamburg zu senden. Dies geschah ; doch mußte Goßkowsky drei Tage in einer kleinen Wachtstube zubringen, wo zwanzig Ruffen unter seinen Augen die in Berlin eingetriebenen Gelder nachzählen sollten , weil angeblich bei manchen Fässern ein ansehnliches Manquo sich herausgestellt
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hätte.
Glücklicherweise erschien ein Offizier , welcher 100,000
Thaler von diesen Geldern in Empfang nehmen sollte. Goßkowsky benutzte die Gelegenheit und zahlte demselben, nach Uebereinkunft, einen Thaler für jeden der ungezählt angenommenen einhundert Beutel. Vor seiner Abreise mußte der Patriot noch einen Revers unterzeichnen , Namens ,
Inhalts deffen er , bei Verlust seines ehrlichen
keinerlei Mittheilung aus dem Hauptquartier über
militairische Wahrnehmungen machen, auch sich Anfangs Dezember, zur Erlegung der noch restirenden Contribution, in dem russischen Hauptquartier gestellen wolle , immer befinden möge.
an welchem Orte dasselbe sich
Am Abend des 19. November verließ Goßkowsky den Ort mit einer Escorte von fünfzig Kosacken, die jedoch in Pyrit von preußischen Husaren überfallen und niedergehauen wurde. Gozkowsky selbst gerieth wegen der grünen Kleidung , die er auf der Reise trug, in Lebensgefahr. Auf seinen Hülferuf eilte indeſſen der preußische General Werner herbei und entriß ihu dem drohenden Tode.
Dieser Vorfall, und der Befehl des Königs zur Inhibirung der Contributionszahlung, erregten Aufsehen und Bestürzung ; man fürchtete in Berlin die Rückkehr der noch immer in der Nähe stehenden Russen. Kaum war daher Gozkowsky am 12. November hier angelangt , als der Magistrat ihn dringend ersuchte, sich zum König nach Meißen zu begeben. *) Auf seine lebhaften Vorstellungen änderte Friedrich der Große seinen Entschluß, versprach auch , die Contribution von zwei Millionen Thalern zu erstatten , doch sollte dies vor der Hand noch ein Geheimniß bleiben . *) Friedrich der Große hatte sein eigentliches Hauptquartier während der langen Zeit seines dortigen Aufenthaltes in Schlettau bei Meißen, datirte indessen alle Briefe aus Meißen ſelbſt, und zwar „ Im PorzellanQuartier Meißen ". Jedoch mag er auch oft in lezterer Stadt gewesen sein.
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Nach dieser Unterredung schrieb der König an d'Argens : Sie halten meinen Geiſt bei weitem für sorgenfreier, lieber Marquis , als er ist .
Ich bin hier von Geschäften überhäuft,
und es ist nicht so leicht, meinen Feldzug zu endigen , als Sie Sich einbilden. Die Kriegssteuern der Berliner werden von meinem Glück oder meinem Verlust abhangen. Bin ich glücklich, so bezahlt Berlin keinen Pfennig ; ist mir Fortuna zuwider, wie bisher, so werde ich auf ein Mittel sinnen, dem Volke Erleichterung zu verschaffen. Das ist Alles, was ich Ihnen sagen kann. . . . Den armen Gozkowsky schicke ich beinah so wieder weg, wie er gekommen ist ; ich kann nicht eher etwas bestimmen , als binnen hier und 14 Tagen. Erst muß ich den Feldzug auf irgend eine Art endigen. Diese Frist habe ich mir festgeseßt, und, wie Sie sehen, wird ein Theil des Schicksals , das uns die Zukunft verbirgt, davon abhangen 2c. " Unterm 28. November berichtet dann der Marquis
an
Friedrich II.: „ Goykowsky iſt in der That ein trefflicher Mann und ein würdiger Bürger. Ich wünsche Ihnen eine Menge solcher Männer. Das größte Geschenk, welches das Glück einem Staate machen kann, ist ein Bürger, der voll Eifer für das Wohl des Staates und seines Fürſten ist . Und in dieser Hinsicht muß ich der Stadt Berlin zum Ruhme nachsagen , daß ich in den kritischsten Zeiten viele ihrer Bewohner gesehen habe , deren Tugenden die Geschichtsschreiber des alten Roms , hätten sie zu . ihren Zeiten gelebt , für die Nachwelt als Muster aufgestellt haben würden. " *) Inzwischen war der Termin verstrichen , zu welchem Goßkowsky im russischen Hauptquartier hätte erscheinen sollen, das damals zu Marienburg an der polnischen Grenze sich befand. Vom König war die Hergabe der Gelder noch nicht erfolgt, und in Berlin hielt es schwer , dieselben aufzubringen. In dieser
*) Dieſer Correspondenz ist in G. Biographie nicht Erwähnung gethan.
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allgemeinen Rathlosigkeit faßte Gozkowsky den Entschluß, eine Partie Leinwand, Tuch, Hüte, goldene Treffen und Galanteriewaaren , ferner Thee und Kaffee nebst Tabak in das russische Winterquartier zu schicken.
Ein mit diesen Gegenständen beladener
Frachtwagen ging in Begleitung dreier Handlungsbedienten nach Marienburg ab , zum Beweise , daß Gozkowsky wirklich nachkommen und die Angelegenheit reguliren würde. Während der Vorbereitung hierzu ließ ihn der König durch d'Argens nach Leipzig bescheiden , woselbst er am 20. Januar 1761 eintraf. Seine edle Handlungsweise hatte auf den Monarchen einen tiefen Eindruck gemacht, und er ließ ihm durch den Geheimen Kämmerer Leining, ohne weitere Erklärung, 150,000 Thaler auszahlen. Gozkowsky betrachtete dieje Summe als eine Abſchlagszahlung auf jene zum Ankauf von Gemälden für den König verauslagten 100,000 Dukaten . Während seines dortigen Aufenthaltes wandte der Magistrat sich an ihn mit der Bitte, beim König eine Frist zur Zahlung der, der Stadt Leipzig auferlegten Contribution von 1,100,000 Thalern zu erwirken. Seine Vorstellungen hatten auch den Erfolg, daß Friedrich II . diese Summe um 300,000 Thaler verminderte , wogegen Goßkowsky Bürgschaft leistete , nachdem die Kaufmannschaft durchWechsel in Solidum zur Zahlung der 800,000 Thaler an ihn sich verpflichtet. So wurde er auch den Feinder ein Retter und Helfer, jede Belohnung von sich weisend. Dafür rühmte ihn der Leipziger Magistrat, in einem vom 26. Januar ( 1761 ) datirten Dekret, als "1 wahren Menschenfreund von edler Gesinnungsart und uneigennüßiger Hülfe ", unter dem Erbieten , aller möglichen Gegengefälligkeiten, nicht zweifelnd, daß auch die Kaufmannschaft sich ihm zu allen nur ersinnlichen Dienſtleiſtungen verbunden erachten werde. " Der König von Polen belohnte seine Uneigennüßigkeit mit der Ernennung zum Geheimen Commerzienrath. Von diesem Patent machte Gozkowsky jedoch niemals Gebrauch ; sein Be-
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streben war, wie er selbst sagt , den über Alles gehenden Titel eines ehrlichen und rechtſchaffenen Mannes sich zu erwerben. Um nunmehr die Contributions -Angelegenheit mit der russischen Armee zu regeln , trat er mit den auf Hamburg gezogenen Wechseln ,
Mitte Februar 1761 ,
bei der rauhesten
Witterung die Reiſe an, und gelangte nach vielfachen Strapazen und Unannehmlichkeiten in das russische Hauptquartier. Hier waren die bereits bis zur Hälfte geschmolzenen Waaren im Geleite der drei Handlungbedienten ebenfalls eingetroffen; doch hatten sich die letteren keiner besonders wohlwollenden Behandlung zu erfreuen gehabt. Auch Gozkowsky erhielt, auf seine Meldung beim Feldmarschall Butterlin, die Antwort, daß dieser kein Verlangen trage, ihn zu sprechen, wenn er nicht mit baarem Gelde komme. Endlich aber wurden die Wechsel mit der Erklärung Goßkowsky's angenommen , daß er so lange im Lager verbleiben wolle , bis die Acceptation derselben in Hamburg erfolgt sei. Um nun seine Gegenrechnung anzubringen , sah er sich genöthigt , dem Feldmarschall , angeblich im Namen der Berliner Kaufmannschaft, eine reich mit Brillanten befeßte und mit dem Bildniß der russischen Kaiſerin geschmückte Tabatière zu überreichen , die er zu diesem Zweck von den Gebrüdern Jordan für 4000 Thaler gekauft hatte. Se. Ercellenz ließen es sich gefallen, dieselbe anzunehmen, und Gozkowsky machte nun in einer schriftlichen Vorstellung an die Kaiſerin die Forderungen der Stadt Berlin geltend. Dieſe bestanden zunächſt in 48,100 Dukaten . Nach dem Wortlaute der Capitulation war nämlich die Zahlung der restirenden Contribution von einer Million Thaler in Silber stipulirt, während Gozkowsky Wechsel hatte ausstellen müssen ,
nach denen die
Zahlung in Dukaten , das Stück zu 4 Thalern gerechnet , erfolgen sollte. Die zweite Forderung , auf Höhe von 80,983 Thalern, war für Pferde und Wagen, welche die russische Armee
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bei ihrem Abzug aus Berlin mitgenommen , und endlich eine Summe von 57,583 Thalern für Fourage liquidirt. Durch seine Aufopferungen bei dieser Reise- sie betrugen über 40,000 Thaler - gelang es ihm auch , daß der bisher völlig gehemmte Postverkehr und der freie Transport von preußischen Kaufmannsgütern durch die von den Ruffen besetzten Länder bewilligt wurde . Der Berliner Magistrat zollte dieser edelmüthigen Handlungsweise seine vollste Anerkennung in einem Schreiben vom 4. März 1761 , worin es unter Anderm heißt: "1 Es ist ein Erempel ohne Erempel, daß ein ehrlicher Mann für seine Mitbürger das übernimmt und ausstehet , was Sie ohne alles Interesse übernommen haben. " Und der Minister von Schlaberndorf schrieb ihm :
„Ich
muß aufrichtig bekennen, daß dieser noble Trait meine Achtung und Freundschaft für Ew. Hochedelgeboren verdoppelt , und ich werde es mir zu einem ausnehmenden Vergnügen rechnen, Denenselben bei einer jeden Gelegenheit zu zeigen, wie ich wahrhaftig sei 2c.. " Diese Anerkennungen trösteten Goßkowsky für seine bedeutenden Verluste, die durch den Tod der russischen Kaiserin sich noch empfindlicher gestalteten. Während seines Aufenthalts beim König in Meißen (November 1760) hatte derselbe den Wunsch geäußert : in ſeinen Landen eine Porzellan-Fabrik zu befizen. Bereits im Jahre 1751 hatte der Kaufmann Wegely den Verſuch zur Errichtung einer solchen, auf den Grundstücken No. 21 , 22 und 23 der Neuen Friedrichstraße, gemacht.
Seit dem Jahre 1720 bildeten diese
Häuser die Dienstwohnung des Kommandanten , nachdem durch die Explosion des Pulverthurms die alte Kommandantur an der Garnisonkirche zerstört worden war. In dem vorgenannten Jahre erhielt Wegely zu dem erwähnten Zweck die Grundstücke, zu denen
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noch der ganze Raum bis zum Stadtgraben und das Haus in der Königsstraße No. 33 gehörten . Die Wegely'schen Fabrikate, von denen noch einige vortreffliche Eremplare mit Blaumalerei und reicher Vergoldung in der königl. Manufaktur aufbewahrt werden , tragen am Boden ein blaues W., stehen jedoch dem Meißener Porzellan in der Qualität bedeutend nach. Zu fener Zeit sah der König sich in die Nothwendigkeit verseßt, an Stelle der geforderten Contribution, den Beſtand der Meißener Porzellan-Fabrik anzunehmen. „Ich habe “ , schreibt er unterm 20. März 1761 an die Gräfin Camas, hier Porzellan für die ganze Welt bestellt, für Schönhausen (woselbst seine Gemahlin wohnte) , für meine Schwägerinnen . Mit einem Worte, ich bin nur noch an dieser zerbrechlichen Materie reich , und ich hoffe , daß die , welche es empfangen , es für gut Geld annehmen . Es bleibt mir bloß noch die Ehre, der Rock, der Degen und Porzellan. " Wegely erhielt nun das Anerbieten zum Ankauf deffelben, lehnte indessen den Vorschlag ab, so daß der König sich genöthigt ſah, das Porzellan dem Baron v. Schimmelmann gegen einen niedrigen Preis zu überlassen. Aufgebracht aber über die ängstliche Kaltsinnigkeit Wegely's, welcher dem Monarchen noch bedeutende Unterſtüßungen bei Anlegung seiner Fabrik verdankte, befahl Friedrich, da Jener überdies noch das Publikum übertheuerte, die Auflöſung ſeiner Fabrik. Die Arbeiter wurden entlassen , und die Waarenvorrähe an die Meistbietenden veräußert. In dem
von ihm erkauften v . Dorville'schen Hauſe,
Leipziger Str. Nr. 4 (die noch heutige Porzellan-Manufaktur, und um das Jahr 1735 von dem Major v. Aschersleben erbaut), errichtete Gozkowsky nun die neue Fabrik. Der Bildhauer Reichard, bisher bei der Wegely'schen Manufaktur als Techniker thätig gewesen, wurde zum Betriebs -Dirigenten mit einem jähr
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lichen Gehalt von 1200 Thalern angestellt , ihm auch für die Mittheilung des Arcanums die Summe von 4000 Thlrn. gezahlt. Bildhauer und Maler aus der Meißener Fabrik siedelten , in Folge der Kriegsunruhen und des Geldmangels in Sachsen, nach Berlin über, und fanden hier gegen bedeutende Summen bei dem neuen Unternehmen eine Anstellung.
Zu ihnen gehörten der
talentvolle Bildhauer Friedrich Elias Meyer ; der Figurenund Landschaftsmaler Carl Wilhelm Böhme (ein Schwager des Berliner Baumeisters Dietrich) ; der Landschaftsmaler Balthasar Borrmann ; der in der Moſaikmalerei überaus geschickte , spätere Geheime Rath und Mitdirektor Klipfel, welcher auch wegen seiner Virtuosität auf dem Flügel häufig in den Concerten des Königs mitwirken mußte ; und endlich der be rühmte Miniaturmaler Clause. Sämmtlichen wurde das für die damalige Zeit bedeutende Salair von je 1000 bis 1500 Thlrn. jährlich bewilligt. Schon im folgenden Jahre (1762) wurden bei der Fabrik 150 Menschen beschäftigt , während die festen. Besoldungen der Verwaltungs- und techniſchen Aufsichtsbeamten, außer den Natural-Emolumenten, allein 10,200 Thaler jährlich betrugen.
So war denn mitten im Kriege ein Institut entstanden, das bald den besten seiner Art den Rang streitig machen konnte. Friedrich der Große verglich Sachsen mit einem Mehlsack, der immer noch Staub giebt, wenn er auch noch so oft und ſtark geklopft wird. Demgemäß sollte die Stadt Leipzig, im Januar 1762, abermals eine Contribution von drei Millionen Thalern in kürzester Frist erlegen . Wiederum wandte der Magistrat sich an den zur Zeit daselbst anwesenden Gozkowsky , welcher dem König Proben aus der Porzellan-Fabrik und einige der für ihn erworbenen Gemälde zur Ansicht überbracht hatte . Auf die dringendsten Vorstellungen in Betreff der Contribution, entgegnete ihm Friedrich : "Wo soll ich das Geld zur Fortsetzung des Krieges hernehmen, da so viele von meinen Ländern in den Händen der 10
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Feinde sind ?" Dennoch ermäßigte er die geforderte Summe bis auf eine Million, über welche Gozkowsky, ohne alles Intereffe, Wechsel ausstellte und die Zahlungs - Garantie übernahm, obgleich ihm die Stadt von der früheren Contribution noch 20,000 Thlr. schuldete. Nichtsdestoweniger warf man das nachtheiligste Licht auf ihn und seine uneigennüßige Vermittelung . „ Ohne dieſe “ , hieß es , " wären dem König nicht so unermeßliche Summen zugeflossen.
Denn man hätte doch nur mit Einkerkerungen vorgehen
können, und dieſe wären eher zu ertragen gewesen , als daß die Bewohner Leipzigs durch den Vermittler sich jezt an den Bettelstab gebracht sähen. “ Gleichwohl suchte die genannte Stadt von Neuem seinen Beistand nach, als Friedrich II. , bei Eröffnung des Feldzuges von 1763 , abermals eine Summe von 400,000 Dukaten, und 100,000 Thaler in Silbermünze forderte. Gozkowsky , welcher sich damals in Hamburg befand , erwiderte schriftlich, daß , obgleich sein ernstliches Bemühen, der Stadt nüßlich zu ſein, mit so großem Undank belohnt , und Handlungen , die aus dem innersten Gefühl des Mitleids und der Menschlichkeit entsprungen, auf so gehässige Art dargestellt seien, er doch aus Achtung gegen den Rath seinen Beistand nicht verjagen wolle. Auf ein erneuertes Gesuch des bedrängten Magiſtrats eilt er, alles Vorgefallene vergessend , nach Leipzig . Auch jezt ermäßigte der König seine Forderung auf 100,000 Dukaten und 700,000 Thaler, während Gozkowsky für das große Risico der Uebernahme diesmal zwei Procent als Provision beanspruchte. Seine Forderungen an die sächsischen Lande betrugen bei Abschluß des Friedens noch zwei Millionen Thaler. Wohl hätten der Edelmuth und die Uneigennüßigkeit dieſes Mannes ein befferes Loos verdient, als die nun über ihn hereinbrechenden Schicksalsschläge, welche ihn bis an das Ende seines Lebens trafen.
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Durch den Bankerott eines der größten Handelshäuser in Amsterdam gerieth auch er in Mitleidenschaft ,
und zwar traf
ihn dieser Schlag um so empfindlicher , als ihm jezt seine Wechselbriefe über die zwei Millionen Thaler der sächsischen Contribution präsentirt wurden . Die Valuta dafür in der ers forderlichen Frist herbeizuschaffen, war unmöglich ― Gozkowsky's kaufmännische Ehre, sein Glück ſanken dahin. Durch die allgemeine Handelszerrüttung, die der Bankerott jenes Hauses hervorgerufen, fand Friedrich der Große sich veranlaßt, in Berlin eine besondere Wechsel-Kommiſſion einzuſeßen, welche die Angelegenheiten Goßkowsky's und der übrigen hiesigen Kaufleute untersuchen und ordnen sollte. Die meisten der auswärtigen Häuser hatten Rimessen von Gozkowsky erhalten, um einen Theil der laufenden Tratten einzulösen und abzuführen . In der allgemeinen Verwirrung unterblieb dies aber , und so erfolgte die Präsentation einer weit größeren Anzahl von Wechſelbriefen, als er eigentlich zu bezahlen verpflichtet war. Dies vergrößerte seinen Verlust in beträchtlicher Weiſe, ſo daß bei einer, von der Komiſſion angeſtellten genauen Untersuchung der Maffe nur 50 Procent zur Befriedigung der Creditoren sich ergaben. Während des Arrangements aber legte der russische Hof Beschlag auf dieselbe. Goßkowsky hatte nämlich , in Gemeinschaft mit einigen Kaufleuten, die durch Beendigung des Krieges überflüssig gewordenen ruffiſchen Magazine angekauft. Theuerung herrschte noch im Lande angeblich mangelte es gänzlich an Getreide. Doch schon bei Uebernahme der Kolberger Magazine stellte sich heraus , daß das Getreide nicht der im Kontrakte stipulirten Beschaffenheit entsprach, mithin, da auch der vermeintliche Mangel kein so großer war, dasselbe selbst zu wohlfeilen Preisen ohne Käufer blieb. Gozkowsky's Mitcontrahenten ſuchten sich von dem Kontrakt loszumachen , während jener als Hauptcontrahent zur Erfüllung desselben verpflichtet blieb. Durch 10*
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einen zu Stande gekommenen Vergleich zahlte er 30,000 Thlr. in baarem Gelde, und für 180,000 Thaler Gemälde aus der Maſſe an den russischen Hof. In dieser seiner Bedrängniß richtete Gozkowsky das Gesuch um käufliche Uebernahme der Porzellan - Manufaktur an den König. Friedrich übernahm dieselbe für die verhältnißmäßig hohe Summe von 225,000 Thalern ein Preis , der bei dem damaligen geringen Werth der Grundstücke, und selbst bei den starken Waarenvorräthen , das Dreifache des Anlage - Kapitals überſtieg. Jene Vorräthe bestanden , nach dem im Archiv der Fabrik befindlichen Verzeichnisse , bei der Uebernahme am 24. Auguſt 1763 ,
aus 29,516 Stück rohen und verglühten Geschirren,
10,000 Stück weißen und 4866 Stück gemalten Porzellanen . Die Mehrzahl, von grotesken Formen , bestand nicht allein aus Gebrauchsgeschirren, ſondern auch in Galanterie- Artikeln der mannigfachsten Gattungen. Vase darunter.
Auffallender Weise befand sich keine einzige
Charakteristisch ist der Eid in dem Kauf- Kontrakte , den Gozkowsky am 1. Oktober vor dem Präsidenten, Bürgermeister und Rath der Stadt Berlin ableistete : " Alle Geheimnisse, Wissenschaften, Künste und Handgriffe, worauf sich diese Fabrique gründet, müffen Sr. Königl. Majeſtät von dem 2. Gozkowsky getreulich entdecket, beschrieben und ausgeantwortet, nicht minder von demselben eidlich angelobet werden, daß er davon weder für sich , noch die Seinigen von nun an keinen ferneren Gebrauch machen, noch viel weniger das Geringſte davon an einen Dritten, er sei, wer er wolle, offenbaren, sondern diese Geheimnisse, Wissenschaften und Künste gegen Jedermann, außer gegen Se. Königl. Majestät und Diejenigen, welche von Allerhöchstdenenselben hierzu legitimirt werden möchten, verschwiegen halten und mit sich in seine Grube nehmen wolle. "
In den Jahren 1764 bis 1766 gelang es Gozkowsky,
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durch den Beistand einiger Freunde noch 40,000 Thlr. aus dem Ruin seiner Handlung herauszuarbeiten und unter die bedürftigſten seiner Creditoren zu vertheilen. so äußert er sich in seiner " Diese Summe hätte mich" Selbstbiographie, -wenn ich sie behalten und zu meinem Nußen verwendet, zu einem wohlhabenden Manne gemacht. So aber zog ich auch hier den Reichthum eines guten Gewissens allen übrigen Glückseligkeiten weit vor, und ich würde bis an das Ende meines Lebens das geblieben sein, was ich war, wenn nicht in der Mitte des Jahres 1766 der Handel einen völligen Stillſtand erlitten hätte. Ein allgemeiner Geldmangel trat ein, die Waaren galten kaum die Hälfte des Werthes, und brauchte man Geld auf kurze Zeit , so fanden sich zwar Wucherer genug , die solches auf Unterpfand gegen 12 pCt . hergaben , allein bei rechtlichen Leuten war keins zu finden. Es war unmöglich, daß ein ehrlicher Mann unter solchen Verhältnissen bestehen konnte. „Ich zog mir diesen Umstand dermaßen zu Gemüth , daß ich fast meine Sinne verlor , und im Monat Juli , ganz gedankenlos im Garten auf der bloßen Erde liegend ,
von den
Meinigen aufgefunden wurde , wo ich vielleicht die halbe Nacht gelegen haben mochte .
Als ich wieder zur Besinnung gekommen,
faßte ich den Entschluß, lieber mein ganzes Vermögen abzutreten und bettelarm zu werden, als ein so unruhiges und trauervolles Leben fortzuführen . Ich übergab meinen Status bonorum den Gerichten und bat , denselben meinen Gläubigern nebst meinem Entschluß bekannt zu machen . „ Obwohl dies nun geschah, und die von meinen Creditoren erwählten und gerichtlich bestätigten Curatoren das abgetretene Vermögen in Beschlag genommen , mir mithin alle freie Disposition darüber entzogen war, so erhielt doch einer meiner Creditoren - ein Mann , den ich damals gar nicht kannte , und der nur von ungefähr ein Creditor von mir geworden war ― eine Sentenz wider mich.
Diese wurde mir am 12. März 1767
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behändigt , dabei aber nicht einmal die sonst gewöhnliche Frist zur Anschaffung des Geldes - wenn ich auch solches zu erlangen im Stande gewesen wäre - verstattet. Drei Stunden nach der gerichtlichen Einhändigung wurde ich durch zwei Gerichtsdiener unter dem Vorwande , daß ich mich heimlich als ein Schelm entfernen könnte , verhaftet. So war ich gezwungen, gleich einem der größten Missethäter, die Nacht bei ihnen zuzubringen -die schrecklichste meines Lebens. „ Dies war das Schicksal Desjenigen , der Vermögen und Leben so oft für die Stadt und seine Mitbürger gewagt , und dem man einige Jahre zuvor das Zeugniß gegeben hatte : es sei ein Erempel ohne Erempel , daß ein ehrlicher Mann ohne allen Eigennut Dasjenige ausgestanden und unternommen, was ich als redlicher Patriot für meine Mitbürger gethan hatte. Man würde mich sogar am andern Tage nach dem Gefängniß abgeführt haben , wenn nicht ein redlicher Mann , dem ich nie die geringste Gefälligkeit zu erweisen Gelegenheit gehabt , so großmüthig gehandelt und bis nach ausgemachter Sache Bürgschaft für mich geleistet hätte ... So lohnt die Welt!"
Mit diesem Ausruf eines tief erschütterten Gemüths schließt die Selbstbiographie, welche nach ihrem ersten Erscheinen (1768, ohne Angabe des Ortes) verboten wurde . Nicht nur mußten sämmtliche Buchhändler Berlins ihre Eremplare abliefern, sondern auch Gozkowsky wurde aufgefordert , die im Lande verbliebenen herbeizuschaffen. Der Verfasser erklärte, das Manuſcript einer Standesperson , welche er nicht nennen dürfe , mitgetheilt zu haben , und von dieſer ſei dasselbe ohne sein Wissen gedruckt worden. Von unbekannter Hand habe er 50 Exemplare zugeschickt erhalten, und solche , bis auf vierzehn , an gute Freunde vertheilt. Im Jahre 1769 erschien dann unbeanstandet eine zweite Auflage in Berlin. Es bleibt uns nun noch übrig , die weiteren Lebensspuren
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eines Mannes aufzusuchen , dem seine Größe um solchen Preis zu Theil geworden. Zuvörderst sei jedoch noch eines Umstandes mit den weitgehendsten Folgen erwähnt. Friedrich II. hatte sein, dem Goßkowsky gegebenes Versprechen erfüllt : die vom Feinde der Stadt
auferlegte Contribution war durch ihn zurückerstattet worden . Kaum jedoch hatte die Auszahlung in den, 1758 , 59 und 63 unter Ephraim und Ißig geprägten (schlechten) Münzen ſtattgefunden , als unterm 29. März 1764 das neue Münz - Edikt erschien, nach welchem der Münzfuß von 1750 wieder eingeführt wurde. Alle Zahlungen sollten nunmehr in dem , nach diesem Münzfuß geprägten Geld erfolgen. Zugleich aber wurde der Werth der schlechteren Münzen gegen den alten, nun wieder hergestellten Münzfuß viel geringer angenommen, so daß nach dem lezteren galten : 100 Thlr. = 1662 Thlr. in 1/3, 1/6 und
12 schlechter
Münze; 100 Thlr. alte 1/24 = 225 Thlr. ; 3 100 alte Friedrichsd'or = 145 Thlr.; = 100 Sächsische 13 , welche nach dem Münz - Edikt vom 21. April 1763 auf 63 Thlr. herabgesetzt waren , sollten in neuem Courant von 1764 nur 37½ Thlr., und 100 Thlr. Sächsische 1/24, die vorher auf 47 % geſeßt worden, jezt nur 262 Thlr. neues Preuß . Courant von 1764 gelten. Der Verlust, den die Empfänger der zurückerstatteten Contributions -Gelder durch die Reduction der Münzen erlitten, war daher ein sehr empfindlicher.
Eine andere unausbleibliche Folge dieser gleichwohl höchst nothwendigen Maßregel war eine Anzahl Bankerotts im preußischen Staate. Um bei dem Mangel an baarem Gelde seine Finanzen zu vergrößern , führte nun der König mittelst Edikts vom 14. April 1766 das französische Finanz- System in ſeine
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Staaten ein.
Die neue General- Acciſe-Adminiſtration oder so-
genannte französische Regie erhöhte den Eingangszoll für fremde Waaren , um den Abſaß der inländischen Manufakturen und Fabricationen zu vermehren. Eben so wurde der Gebrauch des Stempelpapiers vervielfältigt , und eine hohe Steuer auf alle Lurusgegenstände gelegt. War das , durch die französischen Beamten noch vermehrte Mißvergnügen über diese Institution im Lande auch ein allgemeines, so bewirkte die französische Regie doch während der einundzwanzig Jahre (bis zum Tode Friedrich des Großen) einen Mehrertrag der Staatseinkünfte von 42 Millionen und 718,000 Thalern. Der preußische Staat hatte also , mit Hinzurechnung der Besoldungen an die französischen Beamten, von jährlich 750,000 Thalern , in jenen Jahren 57 Millionen an Abgaben mehr als früher bezahlt. Kehren wir zu Gozkowsky zurück , so ließ deffen vielseitig in Anspruch genommene Thätigkeit die persönliche Leitung der von ihm in's Leben gerufenen Porzellan-Fabrik nicht zu ; bald nach Errichtung derselben übertrug er die Direction dem in Berlin verweilenden königlich polnischen und kurfürstlich ſächſiſchen Kommissionsrath Grieninger. Nach den Aufzeichnungen desselben mangelte es bei dem Betriebe der Fabrik oft an baaren Mitteln zur Auslohnung der Arbeiter , welche halbmonatlich erfolgte , so wie zur Bezahlung der Materialien. Von dem König erfolgten, obwohl er wiederholt sein Interesse an der neuen Fabrik zu erkennen gegeben, bei den andauernden Kriegsläuften und wegen anderweit gemachter bis die Fabrik Erfahrungen, die gehofften Vorschüsse nicht durch den Vertrag vom 8. September 1763 in den Besit des Monarchen überging . Gozkowsky hatte sich zwar anheischig gemacht , den Debit der nunmehr königlichen Manufaktur, gegen 6 Procent vom Reingewinn auch fernerhin zu fördern , doch verlautet. Nichts über diese seine Wirksamkeit.
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Dagegen erzählt Nicolai von ihm, wie er zu jener Zeit der Bedrängniß dem König ein gutes Gemälde zu einem an= sehnlichen Preise verkaufen wollte. Er bat den Marquis d'Argens, dem Monarchen dasselbe zu empfehlen, und erbot sich, wenn derKauf zu Stande käme , dem Marquis die Sammlung von Kupferstichen, nach Gemälden der Dresdener Galerie, zum Geschenk zu machen , weil er wußte , daß derselbe seine beträchtliche Kupferstich-Sammlung gern damit vermehrt hätte. d'Argens entschloß sich, wiewohl nur ungern, zu einer solchen Empfehlung ; aber es galt, dem ihm befreundeten Goßkowsky eine Hülfe in der Noth zu gewähren . So stellte er denn noch an demselben Abend dem König das Gesuch und die Lage des Bedrängten vor , rühmte das Gemälde , verschwieg aber auch nicht den ihm in Aussicht gestellten Vortheil. Friedrich äußerte lächelnd zu den Anwesenden : „ Ich muß schon das Bild theuer kaufen , damit der Marquis die Dresdener Galerie in seine Kupferstich-Sammlung bekommt!"
Grieninger berichtet dann weiter , wie zwei listige Landdessen schon streicher sich Gozkowsky's verwirrten Zustand zu ie gethan Erwähnung am Schluſſe der Selbstbiograph Nußen gemacht hätten. Der Eine von ihnen wollte das Geheimniß , echtes Porzellan anzufertigen , nebenbei aber auch ein unfehlbares Mittel gegen Podagra und Chiragra befißen ; der Andere, welcher als ein „ ekelhafter, einäugigter Kerl" bezeichnet wird, habe sich für einen Alchymisten ausgegeben und versprochen, ihm durch seine Kunst zu nüßen. In seinem Haufe ließ Goßkowsky Laboratorien für Beide einrichten , sie darin auf seine Kosten solviren , calciniren und sublimiren - bis sie eines Tages , unter Mitnahme der ihnen anvertrauten Gelder, verschwunden seien. Im Jahre 1768 erbot Gozkowsky sich von Neuem, monatlich für 6000 Thaler aus der königlichen Fabrik zum Vertriebe zu übernehmen.
Der abgeschloffene Vertrag mußte jedoch, wegen
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der in Rückstand gebliebenen Zahlungen , zu seinem und eines Dritten erheblichen Nachtheil, nach wenigen Monaten wieder aufgelöst werden. Er verlebte nun seine übrigen Tage ganz in der Stille und verstarb, wenn auch nicht in bitterer Dürftigkeit, so doch arm, zu Berlin am 9. August 1775 , im 65. Lebensjahre. Erst die Nachwelt hat , fast ein Jahrhundert später , den Verdiensten dieses Patrioten eine werkthätige Anerkennung dadurch gegeben , daß der Wittwe seines , zulezt als Hülfsarbeiter bei dem Magistrat beschäftigt geweſenen Enkels seitens der städtischen Behörden, im Jahre 1865, eine jährliche Pension von 200 Thalern auf Lebenszeit bewilligt worden ist. Gozkowsky besaß das Haus Nr. 28 in der Brüderstraße. Schon im Jahre
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gehörte dasselbe einem Matthias
von Saldern , und zu Anfang des 18. Jahrhunderts dem Rathmann Kiesewetter , welcher es 1717 für 2500 Thaler erwarb. Gozkowsky zahlte für dasselbe 6000 Thaler in neuen Friedrichsd'ors , und als das Grundstück am 16. Mai 1770 zum gerichtlichen Verkauf gelangte, erstand es der Profeffor und Dr. med. Brandes für 10,900 Thaler in Gold. Im Jahre 1862 erwarb das Gebäude der Kaufmann Herzog , zur Erweiterung seiner Geschäftslokalitäten in der Breiten Straße, für 38,000 Thaler. So erblicken wir in dieser Straße, unfern der Wohnstätte
des größten Bildners seiner Zeit , Andreas Schlüter , auch die des größten Patrioten seines Jahrhunderts - dessen Name uns noch heute bewegt, so oft wir ihn nennen hören.
XII. Ramler.
n dem Bronze- Sockel des Friedrich- Denkmals in Berlin ATsteht unter den vaterländischen Barden auch der Name Desjenigen verewigt, welcher den großen König in seinem Hymnus „ Auf die Wiederkehr vom Feldzuge, den 30. März 1763 ″ zuerst den „ Einzigen " genannt hat : - Karl Wilhelm Ramler. Es ist ein volles Dichterleben, das in der innigsten Wechselbeziehung zu seiner Zeit gestanden, das Leben eines Mannes ,
der bei der eigenthümlichen Stellung , welche die „barbarische" deutsche Literatur dem König gegenüber einnahm , als Patriot ausrief: „Wenn alle Musen schweigen , so werde ich Friedrich fingen !" Und so hat denn der Sänger , nicht als der lezte unter den Heroen des deutschen Parnaffes, durch die Verherrlichung des großen Heldenkönigs, an den Ruhm deffelben auch den ſeinigen Friedrich der Große war sein Ideal , und die vollſte
geknüpft.
Begeisterung mit welcher er ihn besang , verleihen seinen Gedichten jene Wärme und echte Poesie , welche dieselben für alle Zeiten werthvoll werden erscheinen lassen. Am 15. Februar 1725 zu Kolberg geboren, woselbst sein Vater Accise-Inspektor war, kam Ramler , welcher seine Eltern schon im zehnten Lebensjahre verloren hatte, in das Waisenhaus zu Stettin, dem früheren Wohnfiße seines Vaters . Die strenge Erziehungsmethode, in welcher noch die Prügelstrafe einen Hauptfaktor bildete, verfehlte nicht ihre Wirkung auf den reichbegabten
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aber sehr lebhaften, und deshalb zum Lernen wenig aufgelegten Knaben : er machte die erfreulichsten Fortschritte auf dem Gymnasium. Der Besuch desselben wurde ihm ermöglicht durch die Zinsen eines kleinen , von seinen Eltern ererbten Vermögens. Schon zu jener Zeit bekundete sich seine Neigung zur Poesie, und Spötter behaupteten später , sein erstes Gedicht sei eine "/ Trauer-Ode " gewesen, zu der eine Tracht Prügel im Waiſenhause ihn begeistert hätte. Im sechszehnten Lebensjahre begab er sich, auf Veranlassung seines Vormundes, nach Halle zum Besuche des mit dem großen Waisenhause verbundenen Pädagogiums ; dann bezog er, zu • Michaelis 1743, die dortige Hochschule und widmete sich, anstatt dem Studium der Medicin ,
demjenigen der Philosophie und
der schönen Wissenschaften : Mythologie und Dichtkunst.
der
Literaturgeschichte , Rhetorik,
In der Hoffnung , an einer höheren Schulanstalt Berlins eine Anstellung als Lehrer zu erhalten, begab Ramler fich 1745 nach der preußischen Hauptstadt.
Sein Wunsch sollte vorläufig
nicht in Erfüllung gehen, und so beschäftigte er sich denn, schon damals von allen Autoren die beste Orthographie schreibend", als Corrector, oder stand den Buchhändlern bei ihren Publicationen hülfreich zur Seite. In dieser, ihm wenig zusagenden Thätigkeit suchte er einst in der Nicolaischen Buchhandlung Gleim auf, welcher , damals in Potsdam wohnhaft , häufig nach Berlin kam . Derselbe gab ihm nicht nur freie Wohnung in seinem Absteigequartier, sondern verschaffte ihm auch bei seinem Schwager , dem Oberamtmann Fromme auf der Domaine Lähme bei Blumberg, eine Stelle als Hauslehrer.
Hier widmete
Ramler sich mit großer Vorliebe dem Studium des Landlebens und des Feldbaues. Nach Berlin zurückgekehrt , übernahm er als Kinderlehrer " auch die Function eines Vorlesers bei dem erblindeten Herrn du Rosee , und wurde dann 1748 , auf Verwendung eines einflußreichen Gönners, als Lehrer der Logik und
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der schönen Wissenschaften am „ Kadettenhofe " mit einem fährlichen Gehalt von 400 Thalern angestellt. Noch in demselben Jahre erwarb er sich die Profeffur der schönen Wissenschaften, und begründete in Gemeinschaft mit dem ihm befreundeten Profeffor am Joachimsthal’ſchen Gymnaſium, J. G. Sulzer, den noch jezt bestehenden „ Montags - Club ” ― eine damals aus einhundert Gelehrten bestehende Gesellschaft , die sich allwöchentlich in einem Kaffeehause zur Vorlesung von wissenschaftlichen Arbeiten versammelte. Dann gab er, ebenfalls in Gemeinſchaft mit Sulzer, 1750 die „ Kritischen Nachrichten aus dem Reiche der Gelehrsamkeit“ heraus , die sein erstes gedrucktes Gedicht enthielten , jene herrliche Ode " Auf einen Granatapfel , der 1749 in Berlin zur Reife gekommen " . Es war dies zu derselben Zeit, als der gute Gellert ging, " um das Rhinoceros zu sehen ", welches gleichfalls als eine Merkwürdigkeit zum ersten Male in Norddeutschland und auch in Berlin gezeigt wurde . Ramler's erste Wohnung war in dem Hause Spandauerstraße Nr. 68 , woselbst nach ihm Mylius, Lessing, Nicolai und Moses Mendelssohn wohnten. Dem Familienleben fern stehend , knüpfte ihn bald ein um so innigeres Freundschaftsverhältniß an den Bund der damaligen „Kriegspoeten " , dessen eigentlicher Mittelpunkt der ritterliche Ewald von Kleist , der Sänger des „ Frühlings " war , welcher, die Kriegspoesie mit seinem Tode besiegelnd , von Ramler der beſte Mensch und der beste Offizier genannt wurde , den der König habe. Mit seinem Freunde, dem Rathmann Langemack , wohnte Ramler dann seit dem Jahre 1749 bei dem Kämmerei-Controleur Dennstädt in der Heiligegeiſtstraße, und zwar in deſſen Dienſtwohnung , die im ersten Stock des Sprißenhauſes lag . Das lange, aber wenig tiefe Gebäude , welches zugleich die Ecke am Heiligegeiſt-Kirchhof bildete, wurde später durch den Neubau des
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Heiligegeiſthauses und der Börſe beseitigt. Dort herrschte ein weniger lautes Treiben, und die Freunde Nicolai, Moſes Mendelssohn , Krause , Gumpert , so wie namentlich Lessing , wohnten größtentheils in unmittelbarer Nähe. Auch Langemack und Dennstädt waren mit Leffing bekannt, wie aus einem Schreiben deſſelben an Ramler , d. d. Leipzig , den 11. Dezember 1755, hervorgeht , welches zugleich das innige Verhältniß zu dem Letzteren so bezeichnend ausdrückt : „Die Complimente,
liebster Ramler, aber nicht die auf-
richtigen Versicherungen, wie schäßbar mir Ihre Freundschaft iſt, zu der ich in Berlin so spät gelangt zu sein, noch nicht aufhören werde, zu beklagen.
Ueber wen aber ? Ueber mich ſelbſt ;
über meine eigenfinnige Denkungsart, auch die Freunde als Güter anzusehen, die ich lieber finden, als suchen will. . . Leben Sie wohl, liebster Freund, und empfehlen Sie mich dem Herrn Langemack, dem Herrn Dennſtädt und seiner Frau Liebsten. Ich denke mit Entzücken an die vergnügten Abende, die wir miteinander zugebracht. " Frau Dennstädt , welche selbst der kalte Nicolai als eine „ geistreiche“ Frau bezeichnet , scheint also der Mittelpunkt des kleinen geselligen Kreises gewesen zu sein. Und die edle, tugendhafte Frau , welche Ramler als Naïde besang , führte die dreifache Wirthschaft mit - fünfzehn Thalern monatlich! Wohl bot sich Ramler die Gelegenheit dar , seine Verhältnisse durch die Annahme einer Profeffur in Dänemark , an Stelle Klopstock's, günstiger gestalten zu können ; doch hielt ihn seine Vaterlandsliebe an Preußen gefesselt. Und so schrieb er denn an Gleim in einem Anflug von Humor und Satyre, bereits als Däne : „ Die Grönländer, meine näheren Nachbarn, sind mit dem Monde nicht gut Freund, weil er mit ihnen einerlei Mêtier hat.
Denn sie glauben , wenn der Mond dort versteckt ist , so
geht er auf die Seehundsjagd. " Die Erinnerung an jenes Zusammenleben scheint Lessing denn auch bestimmt zu haben , während seines dritten hiesigen
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Aufenthaltes, von Mitte Mai 1758 bis Ende des Jahres 1760 , seine Wohnung in unmittelbarſter Nähe derjenigen Ramlers — in dem Hause Heiligegeiſtstraße No. 52, zu nehmen. So schreibt der Leßtere unterm 11. April 1759 an Gleim : „ Ich kann mich hier mit Hrn. Leffing abrufen, oder wenigstens absehen, wenn ich mit ihm Ihre Gesundheit bei Willens trinken will. Wir hängen alsdann einen rothen Band aus , das ist das Signal zur Ausflucht in die Baumannshöhle , denn Sie müffen wissen, der Kieper heißt Baumann . " Oft saßen hier die Freunde unter heiteren, geistreichen Gesprächen bei einem Glase guten Weines zuſammen in dem alterthümlich-gewölbten Keller , Brüderstraße No. 27 (jezt Maurer und Bracht gehörig), woselbst man heute noch den einfachen Holzſtuhl zeigt, auf dem Leffing geſeſſen. Auch dieser Zeit, und der fröhlich verlebten Stunden bei
Herrn von Gasc (Assessor bei dem französischen Untergericht), bei Madame Therbusch (Besizerin des Gasthofes „ Zur weißen Taube ", Heiligegeiſtstraße Nr. 21 ), erinnert sich Lessing in einem Schreiben vom 6. Dezember 1760 an Ramler, und bittet denſelben , der Wirthin das Quartier zu kündigen , welches er bei seinem plöglichen Aufbruch nach Breslau verlassen hatte. Als dann nach zwei Jahren der Wunsch in ihm von Neuem erwacht, nach Berlin zurückzukehren , und namentlich wieder mit Ramler in den alten, engen Verkehr zu treten , bittet er diesen unterm 30. Mai 1762 : für ihn Möbel aus der Wirthschaft einer alten Mamjell zu kaufen . „ Denn, " heißt es weiter, „ müssen wir nicht Möbel haben , wenn wir wieder einmal beisammen wohnen wollen ?
Ich bitte mir es aus , daß dieses ein-
mal für allemal eine abgeredete Sache bleibt. doch nur schon da wäre ! "
Wenn die Zeit
Treten wir der poetischen Thätigkeit Ramler's und feinen Verdiensten um die deutsche National-Literatur näher , so kann ihm die Anerkennung nicht versagt werden , dieselbe durch seine
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Nachahmung der Alten veredelt zu haben. Horaz war das Muster , dem er nachstrebte , und deshalb nannte man ihn den „deutschen" Horaz.
Er überseßte den Catull , Horaz und die Sapphischen Oden, machte sich, gemeinschaftlich mit Leffing, um die Wiedererweckung Logau's verdient, ― gab die Lyrische Blumenlese" und seine eigene „ Fabellese " heraus , wie denn auch seine "Kurzgefaßte Mythologie " , die nicht weniger als sechs Auflagen erlebte, von vielem Nußen blieb . Sein sorgfältig geglätteter und correcter Ausdruck in der deutschen Sprache bestimmte Kleist , ihm die Bearbeitung seines „Frühlings " zu übergeben ; der Superintendent Göt ließ seinen Schriften die Ramler'schen Feile angedeihen. Für seinen Freund Graun aber schrieb der Dichter 1754 die Cantate „ Der Tod Jesu “ , welche durch die Musik unsterblich geworden ist.
Die meisten und besten
seiner Oden entstanden während der Drangsale, die der siebenjährige Krieg auch über die Hauptstadt brachte ; namentlich die herrliche Ode 11 An den Frieden " , vom Jahre 1760 : " Wo bist Du hingefloh'n, geliebter Friede ? Erbarme Dich des langen Jammers ! rette Von Deinem Volk den armen Ueberrest ! Bind' an der Hölle Thor mit siebenfacher Kette Auf ewig den Verderber feſt! " Als Lasch und Tottleben am 3. Oktober 1760 mit ihrem Streifcorps vor Berlin erschienen und daffelbe von den umliegenden Höhen aus beschossen , gab eine Kanonenkugel, die in sein Wohnzimmer einschlug, dem Dichter Veranlassung zu einer schwungvollen Ode. Aufsehn erregte seine, inmitten der Kriegsstürme vollendete Uebertragung des großen Werkes Charles Batteur's „ Traité des beaux arts", das mit tiefsinnigen Anmerkungen und Zusäßen versehen ist . In Folge dessen ernannte ihn die Akademie der Künſte und Wiſſenſchaften , nach Beendigung des siebenjährigen Krieges, zu ihrem ordentlichen Mitglied .
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Ramler's Dichterruhm stand im Zenith. Die ihm dargebrachten Huldigungen verfehlten aber auch nicht, in dem Dichter eine zeitweise Eitelkeit und Selbstüberhebung hervorzurufen, die ― ihn oft fortriffen, selbst die Werke Verstorbener wie die Gedichte Kleist's umzuarbeiten und so der Oeffentlichkeit zu übergeben. Es eriſtirt eine Radirung von Chodowiecki, die Kleist im Sarge liegend darstellt, während Ramler ihn rasirt. Darunter befinden sich die Worte : „Laffet die Todten ungeschoren. " So wird es denn auch erklärlich, wenn Johann Georg Forster an Jakobi schreibt : „Ich erwartete in Berlin Männer von ganz außerordentlicher Art ; reiner, edler, von Gott mit ſeinem hellen Licht erleuchtet, einfältig und demüthig wie Kinder. Und siehe, da fand ich Menschen wie andere , und was das ergste war, ich fand den Stolz und den Dünkel der Weisen und Schriftgelehrten. Ist's nicht also, daß die Weisen mit sehenden Augen nicht sehen, und mit offenen Ohren nicht hören ? . . Ramler ist die Ziererei, die Eigenliebe, die Eitelkeit in eigener Person 2c. “ Aber gleichwohl muß ihm, der nächſt Leſſing und Klopstock der bedeutendste der damaligen deutschen Dichter war, die Gerechtigkeit zu Theil werden, daß seine Veränderungen an den Dichtungen Anderer meiſtentheils auch wirkliche Verbesserungen waren. Brachte doch selbſt Leſſing, während seines längeren, vierten Aufenthaltes in Berlin - von Mitte Mai 1765 bis April 1767 , - jeden einzelnen Akt seiner , zwar in Breslau „ an heiteren Frühlingsmorgenstunden " entworfenen, aber erst in Berlin vollendeten „ Minna von Barnhelm" zu Ramler, und ließ ihn so lange in deſſen Händen, bis er ihm den folgenden Akt vorLesen konnte. Nicht unerwähnt darf bleiben, daß die volksthümlich - literarische Richtung, welche von der damaligen Dichtergruppe ausging, auch den preußischen Patriotismus lebhafter zum Bewußtsein brachte. Der Führer der Patrioten war Sack durch seine Siegespredigten geworden ; demnächst ging dieſe Führerschaft auf 11
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Ramler über.
Die Patrioten trugen als Abzeichen ein seidenes
Band am Hut oder an der Weste. Es waren dies die sogenannten „ Vivatsbänder" , welche bei jedem frohen Ereigniß , entweder mit dem Bildnisse des Königs, dessen Namenschiffre oder anderen Verzierungen geschmückt, auch wohl mit Gedichten ſauber bedruckt, bei den Zusammenkünften an Herren und Damen ausgetheilt wurden. Als Beamter gleichsam unter den Augen seines Königs wirkend , fand Ramler als Dichter dennoch nicht die verdiente Anerkennung desselben. 1800 ſang :
Denn die „ deutsche Muſe “ , wie Schiller
" Von dem größten deutschen Sohne, Von des großen Friedrichs Throne Ging fie schußlos, ungeehrt.“
Schrieb doch Friedrich noch im Januar 1789 an d'Alembert :
"1 An guten Schriftstellern fehlt es uns gänzlich ; vielleicht aber werden sie erscheinen , wenn ich in den elyfäischen Feldern_luſtwandle , wo ich dem mantuanischen Schwan die Idyllen eines Deutschen, Namens Geßner , und Gellert's Fabeln überreichen will. Sie werden über die Mühe spotten , die ich mir gegeben habe, einer Nation, die bisher nichts verſtand, als efſen, trinken und sich schlagen , einige Begriffe von Geschmack und attiſchem Salze beizubringen. Indessen will man doch gern nüßlich sein, und oft keimt ein Wort, welches man in einen fruchtbaren Boden jäet, und bringt Früchte über Erwarten. " Wohl war Ramler's Ode „ An den österreichischen Fabius, nach der Schlacht bei Torgau " dem König zu Gesicht ge= kommen, so daß derselbe nach beendigtem Krieg an den Verdoch unterblieb die Vorstellung. fasser erinnert sein wollte Den Professor Ramler schäßte Friedrich der Große, wenngleich der Dichter keinen Werth für ihn hatte. Und so erhielt Jener denn nach zwanzigjähriger Verwaltung seines Lehramtes eine Gehaltserhöhung von 300 Thalern, und nach ferneren zehn Jahren ein Gehalt von 800 Thalern..
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Der Kreis jener Dichtergruppe, die dem Göttinger „ Hainbunde" voraufging, hatte sich nach und nach gelichtet ; die Tage der " weichgeschaffenen " Seelen , in denen man auf den Flügeln hochgesteigerter Empfindungen über die Enge und Armseligkeit des alltäglichen Lebens sich hinauszuschwingen, im Träumen und Dichten ihrer zu vergeffen suchte , waren für unseren Dichter jene Tage , von denen er fang : „Warum längst dahin , werfen wir uns nicht mit Rosen und kühlen uns mit Erdbeeren, so lange Erdbeeren und Rosen sind ? Warum lachen wir nicht ? warum rasen wir nicht ? Wir lachen und rajen ja mit Vernunft!" Der Dichter , welcher „ Friedrich fang “ , ſtand vereinſamt ―― der "1 Einzige" ruhte im engen Sarkophag... Andere, leuchtendere Gestirne waren am deutschen Dichterhimmel aufgezogen und hatten seinen Ruhm bereits weit überstrahlt. .. Im Jahre 1790 legte Ramler sein Amt als Profeffor nieder , blieb jedoch, in Gemeinschaft mit Engel , Direktor des „ National-Theaters ", welche Stellung er seit 1787 inne hatte, und schrieb zahlreiche „ Reden “ für die damals auf dem Gipfelpunkt ihrer Bedeutung stehende Schaubühne. Dann im Jahre 1796 auch diese Stellung aufgebend, lebte er zurückgezogen bis zu ſeinem am 11. April 1798 erfolgten Tode. König Friedrich Wilhelm II. hatte ihm , in Anerkennung ſeiner Verdienſte um die deutsche Poesie , ein lebenslängliches Jah resgehalt von 400 Thalern, und als Mitdirektor die Hälfte seines Profefforengehaltes als Pension bewilligt. Seine lezte Wohnstätte war in dem Hauſe Neue Promenade Nr. 5 , wohin er im Todesjahre Friedrichs des Großen, von dem „ goldenen Lamm “ im Brauer jezt Neue Friedrichsstraße Nr. 25Hahmann'schen Hause. übergesiedelt war. Ramler blieb unverheirathet ; er befürchtete, als ein Freund heiteren Lebensgenuſſes , durch die Begründung eines Hausſtandes sich allzu große Beschränkungen auferlegen zu müssen . So verfloß sein Leben ſorglos und glücklich bei blühender Geſundheit. 11*
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Nur einmal ersehen wir, aus einem Briefe Lessing's an ihn , vom 5. November 1768 : " Sie sind krank gewesen , liebster Freund.
Aber wie kann man auch in Berlin gesund sein ? Alles,
was man da ſieht, muß einem ja die Galle in's Geblüt jagen. " Diese bittere Stimmung gegen Berlin hatte sich Leffing's über die fehlgeschlagene Hoffnung einer Anstellung als Bibliothekar bemächtigt. Erst gegen das Ende seines siebenzigsten Lebensjahres begann Ramler an einer Auszehrung dahinzustechen , bis er sanft und ohne Todeskampf aus dem Leben schied. Seine vollständig gesammelten Gedichte gab Göckingk, 1800, unter dem Titel Ramler's poetische Werke " heraus . Eine zweite Ausgabe erschien dann 1825 in Berlin. Göckingt auch rief den Berlinern bei Ramler's Tode zu : " Seßt ihm ein Denkmal, und darauf die Zeile : Hier ruht Horaz und seine Feile. " Wo aber haben wir das Denkmal des
einst gefeierten
Dichters zu suchen ? Eine halb verwitterte , in die Wand der Sacriſtei unserer Sophienkirche eingefügte Gedenktafel von grauem Sandstein trägt die Inschrift :
# Dem Dichter Ramler, geboren den 25. Februar 1725 zu Kolberg, gestorben den 11. April 1798 zu Berlin, zum Andenken von seiner dankbaren Nichte. " Doch seine Gebeine ruhen nicht unter dieser Tafel; die Stelle, wo sein Staub der Erde wiedergegeben , ist bereits verschwunden unter den alten, verfallenen Gräbern, welche die Kirche noch umstehen.
XIII.
Daniel Chodowiecki.
och vor fünf Jahrzehnten gab es wohl wenige Zimmer in 1 De Häusern unserer Vaterstadt, an deren Wänden nicht, in n schwarzer Umrahmung , einige Radirungen anzutreffen waren , die in der Darstellung ehemaliger " moderner" Zopffiguren, als unübertrefflich in ihrer Art bezeichnet werden mußten .
Jene
Bildwerke trugen den Namen des Meisters der deutschen Kleinkunst : Daniel Chodowiecki . Am 16. Oktober 1726 zu Danzig geboren, erhielt er den ersten Unterricht im Zeichnen von seinem Vater, welcher in seiner bürgerlichen Stellung als Kornhändler zugleich der Kunſt huldigte. Von einer Schwester seiner Mutter lernte Daniel die damals so beliebte Emaille - Malerei. Nach dem Tode des
Vaters
(1741 ) mußte der junge
Kunstbeslissene seiner Neigung entsagen, um, dem Willen seiner Mutter gemäß , als Lehrling in eine Specerei- oder Materialwaarenhandlung einzutreten. Gleichwohl ließ der innere Trieb in dem angehenden " Materialisten " sich nicht unterdrücken , wie dies aus einer noch eristirenden Handzeichnung hervorgeht, die uns jenen Specereiladen mit der Frau Prinzipalin , einer alten Wittwe, vor Augen führt. Zwei Jahre später nöthigte ihn die Auflösung des Geschäfts, in die Berliner Handlung seines Oheims Ayrer einzutreten, welcher ihn, nach Beendigung der Lehrzeit, zu seinem Buchhalter
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machte und mit ihm die Messen bezog .
Chodowiecki , deſſen
Liebe zur Kunst eine immer regere geworden war , benußte jede Mußestunde , um Miniaturbilder nach Kupferstichen zu malen , die Ayrer dann als Dosengemälde verkaufte.
Ja, der spekulative
Oheim ließ ihn sogar bei dem Maler Haid, einem Augsburger Künstler, weiter ausbilden. Hier seiner wahren Bestimmung sich klar rserdend, gab er 1754 die merkantiliſchen Geſchäfte gänzlich auf, um noch in seinem achtundzwanzigsten Lebensjahre der Kunst sich ausschließlich zu widmen. Freilich galt es, mit eisernem Fleiß das Versäumte nachzuholen, und so trat er denn in persönliche Beziehungen zu Antoine Pesne , Falbe , Røde und Le Sueur , den Meiſtern des damals in Berlin sich mächtig entwickelnden Kunſtlebens . Zwar verstarb Pesne bald nachher , dafür zeichnete Chodowiecki aber um so eifriger in der von Rode gestifteten Privat - Akademie nach dem lebenden Modell, und war bemüht, nach guten Vorbildern so wie in eigenen Compositionen sich zu bilden und zu versuchen. Der bessere Styl in ſeinen Miniatur-Malereien erwarb ihm den Beifall der Kenner und Liebhaber. Von seinen Versuchen, in Del zu malen , zeugen nur einige Bildnisse , von denen die beiden anmuthigsten : gesellschaftliche Spiele im Freien darstellend, das hiesige Museum befißt. Chodowiecki's eigentlicher Kunstzweig , das Radiren, welches ihm nachmals so großen Ruhm und bedeutende Einnahme verschaffen sollte , begann erst im Jahre 1756.
Zunächst waren
es kleine Blätter : Gruppen aus seiner eigenen Familie - er war seit 1755 mit Jeanne Barez, der Tochter eines der französischen Kolonie angehörigen Seidenstickers verheirathet, — ferner Scenen aus dem bürgerlichen Leben, Gestalten von der Straße darstellend, die seine Radirnadel wiedergab. Seine Hauptthätigfeit widmete er der Emaille-Malerei, und erst während des siebenjährigen Krieges entstanden einige größere Gelegenheitsblätter,
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von denen ein schönes , aber jezt ſehr seltenes : „ Die Einbringung der russischen Gefangenen nach Berlin, am 25. September 1758 ", sich besonders auszeichnet. Eben so gehört ein zweites Blatt : „Die Zurückbringung des Friedens durch den König " , zu den Seltenheiten. Um jene Zeit erschien in Paris ein Kupferstich „ La malheureuse famille de Calas. " So wenig Beifall das Blatt im Allgemeinen auch fand, so zog die Darstellung unsern Künstler doch so gewaltig an , daß er dieselbe nicht nur in Del copirte, sondern auch ein Seitenstück , den „ Abschied des Calas von seiner Familie" fertigte. Daſſelbe entstand im Jahre 1767. Voltaire hatte kurz zuvor die Revision des Prozesses gegen den unglücklichen Galas durchgesezt und bewiesen , daß derselbe das Opfer eines religiösen Fanatismus geworden war. Das Blatt erregte bedeutendes Aufsehn auch weit über Berlin hinaus , und ist in seinen ersten einhundert , mit der Jahreszahl 1767 versehenen Abdrücken, wegen der Schönheit derselben, eine große Seltenheit geworden. Chodowiecki's Ruhm war dadurch begründet. Die königliche Akademie der Wissenschaften übertrug ihm die Kupfer zunächſt zu dem Kalender für das Jahr 1769 , Scenen aus Lessing's „ Minna von Barnhelm" darstellend . Dann folgten die Zeichnungen zu dem Elementarwerke von Basedow, die Illustrationen zu Shakespeare's Dramen und den neueren englischen Romanen. Kein belletristisches Werk deutscher Autoren durfte erscheinen, das nicht wenigstens mit vier Titelkupfern von ihm geziert war. Wir führen nur an : Göthe's und Claudius Werke, erstere in der Ausgabe von 1787 ; Bürger's Gedichte , Erasmus „ Lob der Narrheit “, Hippels
Lebensläufe " , Lavater's , Messias " und physiognomische
Fragmente, Langbein's und Lichtenberg's Schriften, Voß „ Luise ", Schiller's !! Kabale und Liebe " und Andere mehr. Zu dem Berlinischen Kalender für das Jahr 1771 hatte Chodowiecki zwölf Scenen aus dem „Don Quixote, " und als
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Titelkupfer das Bildniß Josephs II. geliefert.
In Wien wurde
4 dies übel aufgenommen, so daß Friedrich der Große, um den ohne Absicht hervorgerufenen Eindruck zu verwischen, der Akademie den Auftrag ertheilte, für das Jahr 1772 ähnliche Kalenderkupfer zu bringen und sein eigenes Bildniß vorauszusehen. So wählte Chodowiecki denn Scenen aus dem „rasenden Roland" , und Daniel Berger stach des Königs Bildniß dazu . Unerreicht durch die außerordentliche Treue und Wahrheit in den Schilderungen seiner eigenen Tage, zeichnet sich namentlich das „ Cabinet d'un peintre " aus , welches Chodowiecki ſelbſt darstellt , wie er am Fenster sigend , seine Frau mit den fünf Kindern am Tische zeichnet.
Auch Friedrich der Große wurde
von ihm in den verschiedensten charakteriſtiſchen Auffassungen dargestellt, namentlich in jenen Situationen, wie sie uns Karl Müchler in seinem
Anekdoten-Almanach"
geschildert.
Allbekannt
ist
seine Radirung : „ General Ziethen, vor dem König sigend " . Die Darstellung des Idealen, Großen und Männlich- Ernſten war für
unsern Künstler
ein ungewohntes Feld.
Dagegen
schilderte er bald das Laster mit den grellsten Farben, oder geißelte die Thorheiten seiner Zeit mit launigem Spott. Von seiner Satyre zeugt das Bild , welches Kleiſt , den verklärten Dichter des „Frühlings “ ,
im Sarge darstellt ,
wie Ramler ihm
den
Lorbeerkranz vom Haupte wegschiebt , um den Verewigten zu rasiren*). Einen besonderen Werth für Sammler besißen auch jene kleineren Probedrucke, die am Rande der Platte leichte, aber zierliche Skizzirungen enthalten ; sie wurden vom Künſtler während der Arbeit entworfen .
Seine rastlose Thätigkeit ,
die das Ergebniß von gegen
dreitausend Kupferstichen , Radirungen und Handzeichnungen war , und die ihn oft bis zwei Uhr Morgens an den Arbeits*) S. Ramler.
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tisch feffelte , wurde selbst nicht von den Reisen unterbrochen, die er von Zeit zu Zeit unternahm. Die weiteste derselben war indessen nach seiner Geburtsstadt Danzig , wohin ihn 1773, nach dreißigjähriger Entfernung , die Sehnsucht trieb , um seine hochbetagte Mutter wiederzusehen. Während eines neunwöchentlichen Aufenthalts daselbst malte er auch den Fürsten Padoski, welches Bild als die größte seiner Arbeiten in diesem Fache zu bezeichnen ist ; es hat eine Höhe von 13 Zoll und eine Breite von deren zehn. Die Berliner Kunst - Akademie besitzt das originelle Tagebuch jener Reise , in das der Künstler seine Erlebnisse scizzirt. Nachdem Chodowiecki längere Zeit Vice- Direktor der hiesigen Akademie gewesen , wurde er 1798 , nach Rode's Tod , zum wirklichen Direktor derselben ernannt. Noch im hohen Alter schuf der Künstler mit unveränderter Rüstigkeit und jener bewundernswerthen Technik , welche seinen Illuſtrationen die unübertroffene Feinheit in der Modellirung, die Formendurchsichtigkeit und ein meisterhaftes Helldunkel verlieh. An Bildwerken sind , nach seinen Zeichnungen , die Basreliefs an den Giebelfeldern der französischen Kirche auf dem Gensd'armen Markt entstanden. Sie versinnbildlichen: die Unschuld , ein junges Mädchen, das sich die Hände wäſcht, neben derselben ein Lamm ; die Andacht , knieend vor einem Rauchfaß ,
mit einer Fackel in der Hand ; den Eifer , als alten Mann , mit der Lampe und Geißel ; die Liebe gegen Gott, ein junger Mann, dem eine Flamme aus der Brust lodert ; die Nächstenliebe , ebenfalls ein junger Mann mit einem Geldbeutel, eines armen Kindes fich annehmend, und die Seligkeit, mit Lorbeern bekränzt in den Wolken schwebend , die Siegespalme in der Linken . Der Besuch von Fremden oder Bekannten störte den genialen Künstler niemals in seiner Arbeit ; er converfirte und plauderte oft stundenlang mit ihnen , ohne die Radirnadel aus der Hand
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zu legen.
Seine ungemeine Begabung , mit einer scharfen Sicherheit des Blickes die Natur zu beobachten , hatte bei ihm
die Gewohnheit erzeugt, seine Reisen stets zu Pferde zu machen. So sah man ihn auch oft in den Straßen Berlins zu Rosse, und, sobald ihm ein intereſſanter Gegenſtand aufſtieß, den Zügel zwischen die Zähne nehmen , um sein Taschenbuch mit einer Skizze zu bereichern. Chodowiecki bewohnte das Haus Nr. 57 in der Großen Frankfurterstraße , als sein Eigenthum. Hier verstarb er auch am 7. Februar 1801 , gleich hochgeschäßt als Künstler, wie als Mensch.
XIV. Friedrich Nicolai.
er Reigen jener bedeutenden Männer sei mit dem berühmten D Träger eines Namens geschlossen , welcher für die freie Forschung auf allen Gebieten der Wissenschaft gestritten , und sich außer dem Verdienste, die wiſſenſchaftliche Kultur seiner Nation wesentlich gefördert zu haben, auch dadurch um die Reſidenzſtadt vorzugsweise verdient gemacht , daß er uns die erſte, mit wirklicher Kritik bearbeitete Geschichte Berlins hinterlassen. Christoph Friedrich Nicolai erblickte zu Berlin , am 18 . März 1733 , das Licht der Welt.
Sein Vater besaß eine Buch-
handlung in dem Hauſe des Hofpredigers Lipke in der Poſtſtraße, unweit der „ alten Post " * ) . Nach dem Besuche der Realschule trat er, in seinem neunzehnten Lebensjahre, bei einem Buchhändler zu Frankfurt a. d. Oder in die Lehre , und widmete hier seine Mußestunden dem Studium der klassischen, namentlich der englischen Schriftsteller. Eben so erweiterte er seine Kenntniſſe in der Geschichte, Philosophie und Mathematik.
*) Es ist das Haus No. 4 , welches zu Anfang des 17. Jahrhunderts der kurfürstliche Kammerdiener, spätere Amtsrath und Oberförster Anton besaß und im Jahre 1614 ausbauen ließ. In diesem Hause verstarb, wie eine Gedenktafel daselbst besagt, Kurfürst Johann Sigismund am 23. Dezember 1619. Anton war sehr angesehen bei demselben, und der Fürst hielt sich , aus Furcht vor der " weißen Frau “ im Schloffe, sehr häufig auch des Nachts bei ihm auf.
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Nach beendigter Lehrzeit ( 1752) hierher zurückgekehrt, verlor Nicolai bald darauf seinen Vater, blieb aber in dem von seinem älteren Bruder übernommenen Geschäft bis zu Anfang des Jahres 1757 thätig .
Dann trat er, theils wegen häuslicher Verhält-
niffe , theils seiner Studien und literarischen Arbeiten halber, zurück und lebte in der elterlichen Wohnung , Spandauerſtraße No. 68, "1 sehr frugal von einem nur mäßigen Einkommen. " In jenem Hause hatten zuvor Ramler , Mylius und Lessing gewohnt . Mit dem Leßteren war Nicolai schon gegen das Ende des Jahres 1754 bekannt und bald deffen „ enger Freund" geworden. Mendelssohn nahe.
Durch ihn trat er dann wieder Moses
Seine literarische Thätigkeit begann Nicolai in hervorragender Weise mit den 1756 herausgegebenen „ Briefen über den jeßigen Zustand der schönen Wissenschaften . " In denselben kritisirte er mit großer Schärfe die damals wichtige Fehde zwischen den beiden, die Literatur beherrschenden Parteien der Leipziger und Schweizer, an deren Spiße Gottsched , Bodmer und Breitinger ſtanden . Nachdem Nicolai von dem Buchhändlergeschäft sich zurückgezogen hatte , entwarf er den Plan zu der 1757 in Leipzig erschienenen „ Bibliothek der schönen Wissenschaften und freien Künste", zu welcher Leffing, Mendelssohn, Winkelmann, Lippert und Hagedorn Beiträge lieferten . Schon waren bis zum folgenden Jahre die ersten vier Bände erschienen , als Nicolai durch den Tod seines Bruders sich genöthigt sah , die Buchhandlung zu übernehmen . So hatte das „ ruhige Leben " ein Ende, von dem Nicolai unterm 31. August 1757 an Leffing nach Leipzig schreibt : „ Ich habe den Sommer im Garten (Blumenſtraße No. 17/18 ) mit der „Bibliothek" , mit gelehrten Neuigkeiten nach Frankreich, mit Herrn Moſes, mit Muſik, mit Freiheit und wer weiß womit zugebracht."
Die Fortseßung der „Bibliothek " wurde nunmehr dem gemeinschaftlichen Freunde Weise in Leipzig übertragen , und es
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erfolgte im eigenen Verlage die Herausgabe der „ Briefe , die neueſte Literatur betreffend " .
Der Plan zu diesen Briefen -
unstreitig die wichtigſte und folgenreichste Erscheinung der deutschen Journalistik des 18. Jahrhunderts -- war von Lessing und Mendelssohn gefaßt. Sie bilden in der Form den Schriftwechsel mit einem im Felde verwundeten Offizier , wobei Lessing an Ewald von Kleist, den Sänger des Frühlings dachte, mit welchem er in Leipzig, wenige Jahre vor des Freundes Tod in der Schlacht bei Kunersdorf, verkehrt hatte. Das Aufsehn und die Theilnahme, welche die „ Literaturbriefe " überall erregten , rechtfertigte ihr eben so geiſtvoll wie gründlich und freimüthig geschriebener Inhalt . Bande endigten sie im Jahre 1765.
Mit dem
24.
In demselben Jahre noch rief der nimmer rastende Mann ein neues umfassendes Werk in's Leben, das auf die wiſſenſchaftliche Bildung einen nicht zu berechnenden Einfluß ausübte : die „Allgemeine deutsche Bibliothek “ . Bereits waren 107 Bände dieser literarischen Kritik erschienen , als der Minister Wöllner das Werk in den preußischen Staaten verbieten ließ. So sah Nicolai sich denn genöthigt , dasselbe in Kiel weiter erscheinen zu laſſen, bis er es mit dem Regierungsantritt König Friedrich Wilhems III. bis zum Jahre 1806 in Berlin fortſeßte, und mit dem 256. Bande schloß.
Dann erschien im Jahre 1769 seine „ Topographisch-hiſtorische Beschreibung von Berlin und Potsdam" (3. Aufl. 3 Bde. 1786 ) - ein mustergültiges , und zugleich das erste kritische Geschichtswerk von unserer Vaterſtadt. Um die volle Bedeutung desselben würdigen zu können, müssen wir, wenn auch in Kürze, der voraufgegangenen Geschichts. schreibung gedenken. Noch zu Anfang der Regierung Friedrichs des Großen mangelte es an einem Werke , das auf den Namen einer Geschichte Berlin's hätte Anspruch machen können. Die älteren
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Chroniken und geschichtlichen Aufzeichnungen eines Leutinger, Haftiz, Angelus und Cernitius x . ― zum Theil noch Manuscripte
befanden sich abſchriftlich im Besige nur Weniger ;
und selbst Dasjenige, was sie von der Geschichte der märkischen Städte, namentlich Berlin's gewährten, entrollte kein zuſammenhängendes Bild der Vergangenheit . Eben so wenig konnte die „ Stadtschreiber - Chronik von Cöln" , mit ihren 1563 bis 1605 niedergeschriebenen Tagesund Familienangelegenheiten, den Zeitgenossen zu Gute kommen ; denn diese, aus der Bürgermatrikel entnommenen Aufzeichnungen, welche außerdem für die eigentliche Stadtgeschichte wenig darboten, wurden erst später bekannt. Auf gleichem Niveau steht die sogenannte „Wendland’ſche Chronik" , welche die von einem hiesigen Bürger in den Jahren 1648 bis 1701 selbsterlebten und niedergeschriebenen Tagesereignisse enthält ; wenngleich nicht in Abrede gestellt werden kann, daß sie dem Forscher und Geschichtsfreunde manches Interessante darbietet. In dieselbe Kategorie gehört auch das , von einem unbekannten Verfasser aus zum Theil nicht mehr vorhandenen Quellen zusammengetragene „ Chronicon Berolinense", welches vom Jahre 1307 beginnt und bis 1698 fortgesetzt wurde. Bei diesem Mangel eines geschichtlichen Ueberblicks , und bei dem Verlangen in größeren Kreiſen nach Geschichten aus der Vergangenheit, ist es erklärlich , daß die zum Theil wieder verklungenen Sagen entstehen konnten und um so lieber aufgenommen wurden , je wunderbarer sie , gleichsam als dämmernde Sterne aus dem Dunkel der Vergangenheit , herüberleuchteten. Es sei hier nur erinnert an die drei Linden auf dem Heiligegeiſt-Kirchhof; an das Steinkreuz vor der Marienkirche, zum Gedächtniß eines Musikanten errichtet, den der Teufel vom Thurm dieser Kirche herabgestürzt, der aber durch Gottes Hülfe unten glücklich angelangt. Ferner an die „Rippe " auf dem
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Molkenmarkt, als Wahrzeichen eines getödteten Riesen, der Berlin einst erobert haben sollte ; an die "I weiße Frau" im Schloffe, und die
Prinzessin mit dem Pferde " auf dem ersten Hofe da-
selbst ; an den Mann mit dem Thorflügel in der Wall- , und den „ Neidkopf “ in der Heiligegeiſt- Straße u. dgl. m. Erst Möller, ein geborener Berliner , Archidiakonus zu Krossen , unternahm es , aus jenen älteren Chroniken und meiſt nicht mehr bekannten Büchern , so wie aus den Schriften von Hendrich, Merian und Marperger eine „ Chronik von Berlin" zu schreiben . Freilich ohne Auswahl und Kritik. Sie umfaßt den Zeitraum von 1106 bis 1704, blieb aber ebenfalls nur Manuscript, weil sich kein Buchhändler zur Herausgabe des umfangreichen Werkes fand . Die ersten, 1727 im Druck erschienenen Nachrichten über Berlin waren des Predigers Jakob Schmidt ووMemorabilia Berolinensia, oder Sammlung Berlinischer Merk- und Denkwürdigkeiten" . Ihre Vervielfältigung erfolgte in nur einhundert Eremplaren, weil der Verfasser, wie es in der Vorrede heißt, sich keine große Abnahme von der „ nur aus Patriotismus " herausgegebenen Sammlung verspreche. Je zehn Bogen, in einzelnen Lieferungen, bildeten eine Decade. Die Erste derselben enthält die alte fabel= hafte Entstehung des Namens der Stadt ; hieran schließt sich eine Schilderung ihrer örtlichen Lage und Erweiterung durch Albrecht den Bären ; sodann folgt eine Besprechung des Stadtwappens, der Straßen und Marktpläße, der Thurmknöpfe, Löwen, Drachen und Krokodille an den Dächern und Dachrinnen der Häuser, und endlich eine Beschreibung der Gasthofsſchilder, des Hospitals und der merkwürdigen Häuſer.
Dieſe Schilderungen
werden dann in der zweiten Decade fortgesezt, und demnächst der Leser von hoher Potentaten Ankunft " , von dem Goldmacher Cafetano und anderen Dingen unterhalten. Aber auch die „Memorabilia " scheinen selbst in dem kleinen
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Leserkreise wenig Beifall gefunden zu haben, denn ſie hörten mit der zweiten Decade zu erscheinen auf. Ein gleiches Schicksal erlebten die von dem Sohne des Verfassers, Philipp Jakob Schmidt , neun Jahre später in ähnlicher Weise herausgegebenen „Annales Berolinenses, oder Berlinische Chronika, in ſich haltend die vornehmsten Denkwürdigkeiten der alten und neuen Zeiten". Auch Gerke's , eines hiesigen Einwohners " Beschreibung der Weltberühmten Königlichen Preußischen und Kurbrandengischen Haupt- und Reſidenzſtadt Berlin , denen Einheimischen und Frembden zu Gefallen mit exacten und besonderem Fleiße zuſammengetragen “, kam mit ihren, aus Pröbe's Sammlungen entnommenen Illuſtrationen nicht über einen „ Fremdenführer " hinaus. Ueberdies gelangte das Manuscript, welches die Jahreszahl 1733 trägt, nicht zum Druck. Sicher würde man den Zeitgenossen Unrecht thun, wollte man sie der Theilnahmlosigkeit an der Geschichte ihrer Vaterstadt zeihen. Die Schuld lag lediglich an den Geschichtsschreibern, oder vielmehr an den Verfaffern jener Machwerke selbst. Was fie boten , waren meist eigene , durcheinander gewürfelte Wahrnehmungen ― also den Zeitgenossen eben so bekannt , wie dem Verfasser, und dabei ſo dürr und farblos behandelt, daß sie weder die Lesebegier der Einwohner befriedigen , noch den Sinn für Geschichte anzuregen vermochten. Woher aber dieser Mangel an Schilderungen aus der Vergangenheit Berlin's , der schon Gavron in seiner an der Universität zu Frankfurt 1698 über die „ Geſchichtsschreiber der Mark" gehaltenen Rede - zu der Klage Veranlassung gab , daß von Berlin, der Metropole der Mark, immer noch kein Geschichtswerk eriſtire ? - Das Material dazu lag noch in den Archiven begraben. Beckmann, Profeffor an der vorgenannten Univerſität, war der Erste , welcher eine Geschichte der Mark Brandenburg
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nach Urkunden bearbeitete.
Doch bevor sein Werk zum Druck
gelangte , starb der Verfaſſer , 1717. Zwar ließ sein Sohn, Profeffor Bernhard Ludwig Beckmann , die beiden ersten Bände erscheinen , doch blieb der übrige Theil , welcher namentlich die Geschichte Berlins enthielt, ungedruckt. Das Manuscript wurde später von den Erben veräußert und befand sich lange Zeit im Besitz eines Kaufmanns Pietsch , bis der Geheime Archivrath Riedel dasselbe erwarb , und den auf Berlin bezüglichen Theil der städtischen Bibliothek überließ . Nach Beckmann war es Küster , Rector des hiesigen Friedrich-Werderschen Gymnasiums , welcher 1737 bis 1756 sein ―― ein für das Quellen" Altes und neues Berlin" herausgab ſtudium noch jezt höchst wichtiges Werk. Reichhaltiger an urkundlichem Material, als das Beckmann'sche, ist in diesem Werk auch die ältere Literatur besprochen , und vielfache biographische Notizen geben uns Kunde von Persönlichkeiten ,
die einſt in
Berlin gelebt und gewirkt haben. Die beiden ersten Abtheilungen des Werkes hat Küster 1737 , gemeinschaftlich mit dem Kammergerichts-Advokaten Müller , die dritte und vierte, von ihm allein bearbeitete Ausgabe in den Jahren 1752 bis 1756 herausgegeben.
Leider fehlt jedoch die auf dem Titel angekündigte
„ Chronik , vom Jahre 1106 an, " welche die fünfte , nicht erschienene Abtheilung enthalten sollte. So hatte Küster durch Mittheilung von Urkunden die Bahn zu einer Geschichtsschreibung Berlins gebrochen , als Nicolai in seiner „Topographiſch- hiſtoriſchen Beschreibung von Berlin und Potsdam “ (Berlin, 1769 3. Aufl. 3 Bde. 1786) mit der ersten kritisch bearbeiteten Geschichte unserer Vaterstadt hervortrat. Der neuen Richtung des ihm eng befreundeten Lessing und Mendelssohn folgend, war er durch das Studium der gründlichen Forschungen Gerke's im Gebiete der brandenburgischen Geschichte, durch die ihm gestattete Benutzung des königlichen Staatsarchivs und durch eigene Forschungen zur Bearbeitung seines Werkes 12
178 ganz besonders befähigt.
Sein klarer Blick entdeckte bald die
Schwächen in den Arbeiten der Vorgänger , die er mit vielem . Geschick zu berichtigen wußte. Und so giebt - wie sein größerer die ges Nachfolger Fidicin über jenes Werk sich äußert drängte Geschichte deffelben ein klares , übersichtliches Bild von den früheren Zuständen und Schicksalen der Stadt. Die fich daran knüpfende, hiſtoriſch-erläuternde topographische Schilderung aber verdient noch heut als Muster für ähnliche Werke aufgestellt zu werden, während die statistischen Mittheilungen in ihrer Correctheit einen ziemlich genauen Ueberblick der damaligen Verhältnisse geben. Was Nicolai in seinem Werke weniger behandelt , die Geschichte des Hofes , der Sitten und Künste , das hat der Ordensrath König in seinem , 1792 bis 1799 in fünf Bänden herausgegebenen „ Versuch einer hiſtoriſchen Schilderung der Hauptveränderungen der Religion, Sitten, Gewohnheiten, Künste und Wissenschaften der Stadt Berlin “ ergänzt. Seit dem Erscheinen beider Werke ist bis nach Beendigung der Freiheitskriege nichts Hervorragendes auf dem Gebiete der Berlinischen Geschichtsschreibung geleistet worden - : die Zeit des Duldens und der blutigen Kämpfe war den historischen Forschungen und der Lectüre vergangener Dinge nicht günstig ! Verweilen wir nun einige Augenblicke bei dem Buchhandel, der, von dem Großen Kurfürſten in Berlin zuerst hervorgerufen, zu Nicolai's Zeit seine höchste Blüthe erreichte. Die Zahl der Buchhandlungen war in Berlin eine nur geringe. Und da jede Familie , die Anspruch auf wissenschaftliche Bildung in jener Zeit machen wollte, wo die deutsche Literatur von dem verderblichen Einflusse Frankreichs sich emancipirte und der Trieb nach wahrer Wissenschaft erwachte, eine kleine Privatbibliothek besaß, so fehlte den Buchhändlern auch nicht der Gewinn. So fand man denn fast überall die Werke der zeitgenössischen Dichter : Gellert , Gleim und Klopstock, Ramler
179
und Weiße, so wie die Romane von Hermes , Moses Mendelssohn's Schriften und Spalding's " Bestimmung des Menschen " 20. Ueberdies gab es nur eine einzige Leihbibliothek, so daß, wer im Besiße eines Buches sein wollte und nur einige Mittel darauf verwenden konnte, dasselbe käuflich an sich zu bringen genöthigt war. Aber neben dem äußeren Gewinn erlangten die Vorsteher
der Buchhandlungen , zufolge ihrer wissenschaftlichen Bildung, auch ein gewisses Ansehn ; und da sie zugleich auch die Mittel besaßen , großen Unternehmungen wie Büffon's Naturgeschichte und v. Krünig "/ Dekonomische Encyklopädie " ihre volle Kraft zu weihen, so scheuten sie weder Mühe noch Opfer, wenn es galt , die Wissenschaft zu fördern. Zu den Männern jener Zeit, welche sich in der angegebenen. Weise um den Buchhandel in Berlin verdient gemacht haben, gehörten Karl Spener , Voß , Mylius und Nicolai*) . Außer den bereits genannten Werken haben auch die „ Charakteristischen Anekdoten Friedrichs II. " , welche Nicolai, als Verfaffer, in 6 Heften (Berlin , 1788-1792) herausgab , einen bleibenden Werth. Ihnen folgten die „ Freimüthigen Anmerkungen über des Ritters von Zimmermann Fragen über Friedrich den - 1792. 12 Bde.) Großen. " (Berlin, 1791 Dagegen hat Nicolai als Romanschriftsteller nur für die damalige Literaturgeschichte einige Bedeutung . Von Werken dieser Art sind zu nennen : sein " Leben und Meinungen des Magisters Sebaldus Nothanker. " von Chodowiecki.)
(Berlin, 1799. Mit Kupfern
In derselben tritt er der sentimentalen Rich-
tung seiner Zeit entgegen , während die „ Geschichte eines dicken
*) Die Nicolai'sche Buchhandlung, welche demnächst nach der Brüderstraße Nr. 13 verlegt wurde , befindet sich gegenwärtig noch dafelbst. 12*
180
Mannes" (Berlin, 1794. 2 Bde. ) über seine Gegner die Geißel schwingt. Wie dieselben gegen ihn zu Felde zogen, geht unter Anderm aus den „ Büsten Berlinischer Gelehrten, Schriftsteller und Künſtler" (Halle , 1792.) hervor , worin er als „ literarischer Großinquisitor" bezeichnet wird, welcher seine geschraubten Machtsprüche in der Allgemeinen deutschen Bibliothek " auskramt, die Parteigänger und Keter in der Republik der Gelehrten neckt , und ehrliche Leute , die nicht nach seiner Geige tanzen wollen , ganz intolerant auf Halblöschpapier chikanirt. "1 Alles recht abgewogen", heißt es dann weiter ,
würde die Willfährigkeit des Publikums , sich von Nicolai so lange und so hoch in Contribution ſeßen zu laffen , beinahe unbegreiflich sein , wenn wir nicht wüßten , daß es , nach Bahrdts Sprache zu reden , ein altes Weib ist , das natürlicher Weise viel Langeweile hat, und gern, um diese durch Schnattern zu vertreiben , mit Allem vorlieb nimmt, was nur einigermaßen als Stoff dazu sich qualifizirt... Wenn gar einige der Herren Mitarbeiter, z . B. Prefefforen oder andere Gelehrte von Ruf, ihr Recensionspensum von Studenten oder Schülern bearbeiten lassen , es als eigene Arbeit einschicken und ihre Louisd'ors froh dafür einstreichen; wenn die Meßkataloge ziemlich hinreichen, das Dasein der Bücher zur öffentlichen Notiz zu bringen ; wenn endlich das eigensinnige Publikum kezerisch genug ist , Werke gierig zu verschlingen , die von Recensenten verworfen, und andere keines Anblicks zu würdigen, die von ihnen gefliffentlich empfohlen find - : sag', sachkundiges Publikum , nüßen die gelehrten Schüßengesellschaften und Nicolaiten und Nicolaismus nicht hauptsächlich blos sich, und das auf Kosten unseres Beutels - der Gelehrsamkeit und uns aber wenig oder nichts ? Kurz , was Bettelmönche bei Katholiken sind , sind Recensenten bei Protestanten - privilegirte Bettler.
Beide rühmen sich ihrer Arbeiten zum
Besten des Publikums : die einen im Chor , die andern in der
181
Studierstube.
Und schriftmäßig ist es immer, dem Ochsen, der
auf der Tenne drischt , sein Maul nicht zu verbinden ! . . Tadeln ist freilich eine so leichte Sache , daß dazu jeder Bube taugt ; aber Etwas besser zu machen - da möchte es wohl bei manchem hochweisen Recensenten sehr übel aussehen ! Denn der Augenschein lehrt es , daß einige von ihnen ihre Gelehrsamkeit nicht im Kopf, sondern im Magen haben ; und was find solche Recensenten und Kunstrichter anders , als die Scharfrichter des Ruhms - die Zollbedienten des Neides - die Schweizergarde vor der Bücherbude ihrer complicirten literarischen Wucherer. Vortreffliche Menschen !! Sie scharren den Unrath des Parnasses , gleich gewissen Leuten ,
welche die Stadt vom
Koth reinigen , auf einen Haufen zusammen : ihr Tadel greift der verwüstenden Zeit vor , so wie ihre Feder den keimenden Lorbeer mit freffender Tinte welken macht. Sie sind Menschen, vom Hunger zur Verleumdung geflüchtet , die auf dem Rücken der Missethäter ihren Unterhalt einerndten , und die Schande mit dem Staubbesen züchtigen, um ihn nicht verdienen zu müssen. ... .. Doch genug, um mit einem „ Herr sei uns gnädig !" zu endigen. " Dagegen vermochte Nicolai nicht, die Angriffe von Herder, Göthe und Schiller in den „Xenien " , wegen seines schonungslosen , wenngleich redlich und aufrichtig gemeinten Ankämpfens ferner gegen die Romantik und die Kant'sche Philoſophie, ― nicht diejenigen eines Lavater und Fichte erfolgreich abzuschlagen. Auch sein satyrischer Feyner kleyner Almanach vol schönerr echterr ljblicherr Volkslider " (Berlin, 1777 und 1778. ) bewirkte eher das Gegentheil ,
als den beabsichtigten Zweck : Bürger
gegenüber das Volkslied lächerlich zu machen. Nachdem er in seinem siebenzigsten Lebensjahre durch einen Unfall das rechte Auge eingebüßt , brachen die unglücklichen Ereignisse des Jahres 1806 die Kraft des 78jährigen Greiſes. Am 8. Januar 1811 folgte er, nach einer langjährigen, glück-
182
lichen Ehe, seiner im Tode voraufgegangenen Gattin und seinen. acht Kindern . Forster schildert ihn, in einem Briefe an Jacobi (1779), als einen angenehmen Gesellschafter und einen Mann von Kopf, der freilich von sich Etwas eingenommen sei. Nicolai wurde auf dem ältesten Louisenstädtischen Kirchhof
in der Jakobstraße bestattet. Sein Hügel ist längst verfallen ; nur an der Außenwand des Gotteshauses kündet noch eine eiserne Tafel den Namen , Geburts- und Sterbetag des hochverdienten Mannes, den seine Zeitgenossen den nannten.
gelehrten"
Buchhändler
Druckfehler-Berichtigung. Auf Seite 43 muß die laufende Nummer über „ Graf von Herzberg" IV., nicht VI. heißen. Seite 122 ist , statt schärfern (Zeile 2 von unten) , schäfern zu lesen.
Druck von Bahlkc u. Hindersin, Berlin.
Verlag von Alfred Weile in Berlin. Zu beziehen durch jede Buchhandlung.
Allgemeiner ausführlicher Geschichts - Kalender. Gedenkblätter an hervorragende Persönlichkeiten und deukwürdige Begebenheiten aus der Welt-, Kirchen- und Kulturgeschichte auf alle Tage des Jahres . Bearbeitet und herausgegeben von H. A. Niemeyer weil. Pfarrer zu Neustadt-Bielefeld. Nach deffen Tode fortgesett von Lic. Rich. Reinhard Pfarrer zu Wörmlig bei Halle a. S. Erscheint in ca. 24 Heften à 50 Pfg. und wird mit ausführlichem Register bis Ende April 1876 vollendet ſein. Dieser Geschichtskalender bietet dem Geschichtsfreunde Gelegenheit, sich im Laufe eines Jahres gegen eine monatliche geringe Ausgabe in den Besitz eines Werkes zu sehen, welches eine Zierde für jede Bibliothek ſein wird und wegen seines praktischen Nuzens neben dem Conver sationslerikon aufgestellt zu werden verdient. Der verstorbene Paſtor Niemeyer hat das Werk mit großem Fleiße und Studium begonnen und Lic. Reinhard sucht es in seinem Geiste fortzuseßen. Von maßgebenden Autoritäten ist dieses Werk auf das Günstigste beurtheilt worden. Das „ Literarische Centralblatt " sagt darüber: Eine Zusammenstellung der wichtigeren geschichtlichen Ereignisse, Geburts- und Todestage, unter dem betreffenden Datum chronologisch geordnet , haben ein unleugbares Interesse, und so ist denn auch schon öfter eine ähnliche Arbeit versucht worden. Doch kennen wir keine so ausführliche und so genaue. Der Verfasser hat sich bemüht, überall bis zu den sichersten Quellen vorzudringen, und so hat sein Werk eine größere Zuverlässig= keit erlangt, als sie sonst derartigen Arbeiten eigen zu sein pflegt. "
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