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German Pages 181 [182] Year 2015
Jürgen Lüdicke (Hrsg.) BEPS – Herausforderungen für die Unternehmen
Forum der Internationalen Besteuerung
Band 44
BEPS – Herausforderungen für die Unternehmen Herausgegeben von
Prof. Dr. Jürgen Lüdicke Rechtsanwalt, Steuerberater International Tax Institute Universität Hamburg mit Beiträgen von
Dr. Ulf Andresen Armin Geyer Martin Kreienbaum Oliver Nußbaum Dr. Jens Schönfeld Prof. Dr. van Weeghel Diskussionsteilnehmer
Prof. Dr. Dietmar Gosch Dr. Berend Holst Dr. Friedrich Loschelder, LL.M. (Edinb.) Prof. Dr. Jürgen Lüdicke und die Beitragsverfasser
2015
Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.
Verlag Dr. Otto Schmidt KG Gustav-Heinemann-Ufer 58, 50968 Köln Tel. 02 21/9 37 38-01, Fax 02 21/9 37 38-943 [email protected] www.otto-schmidt.de ISBN 978-3-504-61544-4 ©2015 by Verlag Dr. Otto Schmidt KG, Köln
Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung, die nicht ausdrücklich vom Urheberrechtsgesetz zugelassen ist, bedarf der vorherigen Zustimmung des Verlages. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Bearbeitungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Das verwendete Papier ist aus chlorfrei gebleichten Rohstoffen hergestellt, holz- und säurefrei, alterungsbeständig und umweltfreundlich. Einbandgestaltung nach einem Entwurf von: Jan P. Lichtenford Satz: WMTP, Birkenau Druck: VUA Schaus, Büttelborn Printed in Germany
Vorwort Aus internationaler Sicht steht das Steuerjahr 2014 in erster Linie im Zeichen von BEPS, der Initiative von G20 und OECD zur Bekämpfung von Base Erosion and Profit Shifting. Kurz vor der „Halbzeit“ des auf zwei Jahre angelegten Arbeitsprogramms hat sich die Hamburger „Nikolaustagung“ zur Aufgabe gesetzt, eine Zwischenbilanz über die bislang vorgeschlagenen Maßnahmen und deren Auswirkungen auf die Unternehmen zu ziehen. Der vorliegende Tagungsband dokumentiert die Referate und Diskussionen der unter dem Generalthema „BEPS – Herausforderungen für die Unternehmen“ stehenden 31. Hamburger Tagung zur Internationalen Besteuerung am 5. Dezember 2014 des Interdisziplinären Zentrums für Internationales Finanz- und Steuerwesen (IIFS) der Universität Hamburg. Birgit Kochen-Schmidt-Eych, Vizepräses der Handelskammer Hamburg, hebt die Bedeutung angemessener steuerlicher Regelungen für die Wettbewerbschancen deutscher – insbesondere mittelständischer – Unternehmen auf den ausländischen Märkten hervor. Peter Tschentscher, Finanzsenator der Freien und Hansestadt Hamburg, ruft Problembewusstsein und Handlungsdruck in Erinnerung, unter Beachtung der Wettbewerbsgesichtspunkte gegen schädlichen Steuerwettbewerb und doppelte Nichtbesteuerung vorzugehen. Martin Kreienbaum und Oliver Nußbaum bewerten die vorliegenden Zwischenergebnisse des BEPS-Projekts und die vorgesehenen weiteren Arbeiten aus der Sicht von Finanzverwaltung und Unternehmen. Stef van Weeghel, Vorsitzender des Permanent Scientific Committee der International Fiscal Association (IFA), stellt grundsätzliche Überlegungen zur Neuausrichtung der Missbrauchsbekämpfung im internationalen Kontext an. Armin Geyer erläutert das Ausmaß der Digitalisierung der Wirtschaft und verdeutlicht die Schwierigkeiten, hierauf angemessene steuerliche Antworten zu finden. Ulf Andresen gibt einen Überblick über die durch das sog. Country-byCountry Reporting für die Unternehmen entstehenden Herausforderungen.
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Vorwort Prof. Dr. Jürgen Lüdicke
Jens Schönfeld stellt deutsche Abwehrregelungen gegen Hybrid Mismatch Arrangements dar und diskutiert sie anhand von Fallbeispielen. Der vorliegende Tagungsband enthält die Referate sowie die sich daran anschließenden Podiumsdiskussionen zwischen Dietmar Gosch, Berend Holst, Friedrich Loschelder und den Referenten. Hamburg, im Juni 2015 Prof. Dr. Jürgen Lüdicke
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Grußwort Sehr geehrter Herr Professor Lüdicke, sehr geehrter Herr Senator, meine sehr geehrten Damen und Herren, ich begrüße Sie im Namen der Handelskammer – aber auch ganz persönlich – herzlich zur 31. Tagung zur internationalen Besteuerung, die wir auch gerne mit Blick auf den morgigen Tag „Nikolaustagung“ nennen. Dass diese hochrangige steuerliche Tagung in unserem Hause stattfindet, hat eine lange Tradition, auf die wir sehr stolz sind. Thema heute: „BEPS – also Base Erosion and Profit Shifting“ und die sich daraus ergebenden Herausforderungen für die Wirtschaft. Seit der Veröffentlichung des Aktionsplans der OECD im Juli letzten Jahres ist das ein prominentes Diskussionsthema in der Politik, aber auch in der Wirtschaft. In der Öffentlichkeit erschienen hierzu schlagzeilenträchtige Veröffentlichungen, die nicht immer fair und von Sachverstand getrübt waren – wie unlängst zu den sogenannten LuxLeaks geschehen. Meine Damen und Herren, lassen Sie mich ein paar Bemerkungen aus der Sicht – nicht einer Steuerexpertin –, sondern eines mittelständischen Unternehmens machen, das weite internationale Erfahrungen hat. Die deutsche Wirtschaft ist im internationalen Vergleich gut aufgestellt. Gute internationale Wirtschaftsbeziehungen sind für den Mittelstand dabei heute längst genauso bedeutend wie für Weltkonzerne. Dass Deutschland so exportstark ist, liegt nicht zuletzt an der internationalen Ausrichtung auch vieler Mittelständler. Über 40 % dieser Mittelständler exportieren. Andere importieren und bieten international Dienstleistungen an. Ein Drittel dieser international tätigen Mittelständler ist im Auslandsengagement sogar noch einige Schritte weiter gegangen. Sie halten Beteiligungen, sind Joint Ventures eingegangen und verfügen über Niederlassungen im Ausland. Insgesamt belegen diese Zahlen, dass es unser großes Anliegen sein muss, den Weg der Unternehmen ins Ausland weiter zu erleichtern, und nicht etwa durch administrative Maßnahmen schwerer zu machen oder bürokratischer zu gestalten. Um im Ausland erfolgreich zu sein, müssen nicht nur die Produkte der Unternehmen konkurrenzfähig sein, sondern auch das deutsche Steuerrecht muss der Globalisierung verstärkt Rechnung tragen und die Wettbewerbsfähigkeit der Unternehmen unterstützen oder zumindest nicht
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Grußwort Birgit Kochen-Schmidt-Eych
behindern. In diesem Bereich, so glaube ich, hinken wir immer noch ein wenig hinterher. Viele Regelungen machen es der deutschen Wirtschaft unnötig schwer, die Internationalisierung weiter voranzutreiben. Das Steuerrecht muss gleiche Wettbewerbschancen für deutsche Unternehmen auf den ausländischen Märkten ermöglichen, die unsere Konkurrenten aus anderen Ländern haben. Wir brauchen ein Steuerrecht, das dafür die richtigen Anreize setzt. Wir brauchen ein Steuerrecht, das Leistung fördert und die Wirtschaft in ihrer Innovations- und Investitionskraft unterstützt. Unternehmen müssen auf Basis dieser Bedingungen planen können und brauchen Rechtssicherheit, die ihnen in ihrem operativen Geschäft keine Stolpersteine oder latente Risiken in den Weg legt. Meine Damen und Herren, im Laufe der Veranstaltung wird die Problematik „BEPS – Herausforderungen für die Unternehmen“ ausführlich behandelt und diskutiert werden. Im Fokus der seit 2012 laufenden öffentlichen Diskussion und der damit verbundenen Initiativen der OECD, der G8, G20-Staaten und der EU zu BEPS stehen rechtlich zulässige, jedoch als aggressiv angesehene Steuergestaltungen multinational tätiger Unternehmen. Die großen Beispiele hierfür kommen nicht gerade aus Deutschland, hier sind amerikanische und andere Konzerne führend. Eine Steuerminimierung erfolgt beispielsweise durch Nutzen der unterschiedlichen Regeln der involvierten Staaten sowie durch niedrige Steuern an bestimmten attraktiven Standorten. Dies hat zum Teil zu heftiger Kritik in der öffentlichen Debatte geführt. Diese Beispiele dürfen uns aber nicht dazu verleiten, unbesehen in das hoch komplexe internationale Besteuerungsgeflecht einzugreifen – mit der hohen Wahrscheinlichkeit, dass Deutschland daraus als Verlierer hervorgehen wird. Die internationale Zusammenarbeit im Steuerbereich war bislang traditionell dem Ziel gewidmet, den wirtschaftlichen Austausch zu fördern und Doppelbesteuerungen zu vermeiden. Heute stehen nun Nicht-Besteuerungen und niedrige Steuerbelastungen im Fokus. Hier ist eine Versachlichung der Diskussion notwendig. Deutsche Unternehmen sollten nicht verallgemeinernd mit den in der Kritik stehenden ausländischen Großkonzernen in einen Topf geworfen und kriminalisiert werden. Denn eins dürfen wir nicht vergessen: Die deutschen Unternehmen treten regelmäßig vergleichsweise moderat auf und zahlen hier hohe Steuern. Der Gesetzgeber sollte sich daher nicht vorschnell zu Maßnahmen verleiten lassen, die die Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Wirtschaft beeinträchtigen. Hierbei sind die Auswirkungen gerade auch für den Mittel-
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Grußwort Birgit Kochen-Schmidt-Eych
stand sorgfältig zu prüfen. Besonnenheit ist angebracht, weil Deutschland bereits heute gegen Gewinnverschiebung – so möchte ich es mal nennen – gut gerüstet ist. So sind beispielsweise durch die Zinsschranke die Maßnahmen gegen exzessive Fremdfinanzierung bereits mehr als ausreichend. Die Anforderungen an die Dokumentation von Verrechnungspreisen für international operierende Unternehmen sind heute schon nicht gerade gering. Die im Rahmen der BEPS-Diskussion in Rede stehenden Ergänzungen, insbesondere das sogenannte „Country-by-Country Reporting“, sorgt bei den Unternehmen für große Befürchtungen. Das Country-byCountry Reporting verlangt, den Steuerbehörden Informationen zu Gewinnen, wirtschaftlichen Aktivitäten und Steuerzahlungen aufgeschlüsselt nach einzelnen Ländern zu liefern. Die Steuerbehörden sollen diese Angaben austauschen können. Der Entwurf zum Country-by-Country Reporting stößt nicht zuletzt deshalb auf den Widerstand der Wirtschaft, weil er viele an die Probleme mit der E-Bilanz erinnert. Sicher ist, dass der Vorschlag für die Firmen zu einem erheblichen administrativen Mehraufwand führen würde. Der Entwurf sollte daher überprüft werden, um sicherzustellen, dass der Nutzen deutlich grösser ausfällt als die damit verbundenen Kosten. Mittlerweile ist die Halbzeit des BEPS-Projekts erreicht. Am 16. September wurden erste Zwischenergebnisse zu sieben der insgesamt 15 Aktionspunkte veröffentlicht. Dies ist ein guter Anlass, um mit der heutigen Tagung das Thema aufzugreifen, über den aktuellen Stand zu informieren und einen Ausblick auf die künftigen Regelungen zu geben. BEPS läuft bis Ende 2015. Die Maßnahmen müssen dann auch noch in nationales Recht umgesetzt werden. Damit sind Korrekturen noch möglich. An dieser Stelle möchte ich Sie, sehr geehrter Herr Senator Tschentscher, um Unterstützung bitten, steuerliche Hürden abbauen zu helfen, die gerade dem international ausgerichteten Hamburger Mittelstand durch BEPS drohen. Ganz besonders muss darauf geachtet werden, dass die Maßnahmen den Unternehmen keine Steine in den Weg legen und das Steuerrecht nicht noch stärker verkompliziert wird. Wir sollten uns dabei bewusst sein: Das aktuelle internationale Steuersystem ist nicht perfekt und wird es niemals sein. Zur Ausbreitung von Handel und Investitionen, von Entwicklung und Wohlstand in den letzten Jahrzehnten hat es dennoch maßgeblich beigetragen.
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Grußwort Birgit Kochen-Schmidt-Eych
Ich kann Ihnen, sehr geehrter Herr Professor Lüdicke, sowie Ihren Mitstreitern im International Tax Institute der Universität Hamburg nur dazu gratulieren, dass Sie dieses Thema für die heutige Veranstaltung aufgegriffen haben. Sie haben hierzu wirklich renommierte Referenten und Diskussionspartner gewinnen können. Es bleibt mir nur noch, Ihnen, meine Damen und Herren, einen informativen Tag zu wünschen. Ich möchte Sie ausdrücklich ermuntern, die Gelegenheit zu nutzen, mit den Experten über die vielfältigen Aspekte internationaler Unternehmensbesteuerung zu diskutieren. Ich wünsche Ihnen aufschlussreiche Informationen und wertvolle Erkenntnisse, aber auch gute Begegnungen und Gespräche am Rande des Fachprogramms. Birgit Kochen-Schmidt-Eych Vizepräses der Handelskammer Hamburg
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Grußwort Sehr geehrter Herr Professor Lüdicke, sehr geehrte Frau Vizepräses, sehr geehrte Tagungsgäste, die Aushöhlung der steuerlichen Bemessungsgrundlage und die Gewinnverlagerung multinationaler Konzerne ist wie im vergangenen Jahr auch auf Ihrer diesjährigen Tagung eines der zentralen Themen. Sie beleuchten die Sache aus Sicht der Wirtschaft, in der ja vor allem kleine und mittelständische Unternehmen im Wettbewerb benachteiligt sind, wenn internationale Konzerne Abweichungen zwischen nationalen Steuersystemen nutzen, um einen äußerst niedrigen effektiven Steuersatz zu erzielen. Das Ringen um ein einfaches Steuersystem ist allerdings auch geprägt von der Kreativität, die viele an den Tag legen, wenn es um Gestaltungsmöglichkeiten geht. Die weltweiten Wirtschaftsbeziehungen sind komplex. Wir müssen damit rechnen, dass wir keine kurzfristigen und schnellen Vereinfachungsschritte umsetzen können, wenn wir an dieser Stelle auf internationaler Ebene vorankommen wollen. Finanzminister beklagen in diesem Zusammenhang vor allem die Einnahmenverluste des Staates, die mit einer Gewinnverlagerung einhergehen, zu einer Unterfinanzierung der öffentlichen Haushalte und damit zu einer Situation führen können, in der staatliche Aufgaben schlechter wahrgenommen werden können. Im vergangenen Jahr hatte ich an dieser Stelle eine Passage aus dem damals gerade vorgelegten Vertragsentwurf für die Große Koalition in Berlin zitiert. Darin wird als zentrale steuerpolitische Aufgabe formuliert, grenzüberschreitende Gewinnverlagerungen zu vermeiden, Transparenz zwischen den Steuerverwaltungen der Länder zu befördern, gegen schädlichen Steuerwettbewerb vorzugehen und eine doppelte Nichtbesteuerung bzw. einen doppelten Betriebsausgabenabzug zu verhindern. Dieses Ziel wurde im vergangenen Mai durch eine Entschließung des Bundesrates bekräftigt, mit der auch die Länderkammer die Bundesregierung auffordert, zur Bekämpfung der internationalen Steuergestaltung beizutragen. Das europäische Parlament hat im Dezember letzten Jahres in einem Entschließungsantrag festgestellt, dass in der Europäischen Union schätzungsweise eine Billion Euro pro Jahr durch Steuer-
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Grußwort Dr. Peter Tschentscher
flucht und Steuerumgehung verloren gehen. Diese gleichgerichteten Entschließungen auf Landes-, Bundes- und europäischer Ebene zeigen, dass der Handlungsdruck und das Problembewusstsein hoch sind. Im September 2014 hat die OECD die ersten Ergebnisse zu 7 von 15 vereinbarten Maßnahmen zur Verbesserung der internationalen Besteuerung vorgelegt. Auch die Berichterstattung in den Medien und die öffentliche Diskussion bestätigen das Ziel, möglichst weltweit, ersatzweise aber eben auch auf europäischer Ebene oder im nationalen Zusammenhang entsprechende Regelungen gegen steuermindernde Gewinnverlagerungen zu beschließen. In erster Linie sollten weltweite Regelungen getroffen werden. Nur wenn das nicht gelingt, muss die europäische Ebene hier Ersatzregelungen für sich treffen und selbstverständlich die Wettbewerbsgesichtspunkte dabei im Auge haben. Denn wir stehen ja nicht nur in Deutschland im Wettbewerb zu anderen Ländern, sondern auch die europäische Ebene steht im Wettbewerb mit den anderen großen Wirtschaftsregionen dieser Welt. Aber wie auch immer sich die Maßnahmen weltweit, europäisch oder national konkretisieren, das Wirtschafts- und Steuerrecht bleibt eine komplizierte Welt, in der sich die Unternehmen auch im eigenen Interesse rechtssicher bewegen müssen. Diesem Ziel dient die Tagung zur Internationalen Besteuerung in Hamburg, die in diesem Jahr bereits zum 31. Mal stattfindet und insofern eine Traditionsveranstaltung ist. Im Namen des Senats der Freien und Hansestadt Hamburg danke ich den Veranstaltern und den vortragenden Fachleuten für ihr Engagement und auch ausdrücklich der Handelskammer für ihre Unterstützung. Ich wünsche Ihnen eine gute Tagung mit vielen neuen Erkenntnissen. Dr. Peter Tschentscher Finanzsenator der Freien und Hansestadt Hamburg
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Inhaltsverzeichnis* Seite
Vorwort . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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Grußworte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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Martin Kreienbaum BEPS aus der Sicht der Verwaltung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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A. Beobachtungen zur internationalen steuerpolitischen Entwicklung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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B. Einzelne Aktionspunkte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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C. BEPS und EU . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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Oliver Nußbaum BEPS aus der Sicht der Unternehmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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A. Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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B. Folgen aus der BEPS-Initiative . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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C. Auswirkung auf die Praxis anhand ausgewählter Fälle . . . . . . . .
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D. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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Prof. Dr. Stef van Weeghel Neuausrichtung der Missbrauchsbekämpfung . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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A. Einführung in das Thema . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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B. Die Finanzkrise und die sich häufenden Fälle von Steuervermeidung als prägende Ereignisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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C. Die Bedeutung von BEPS, insbesondere im Hinblick auf das Phänomen des Treaty Shopping . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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D. Aktionspunkt 6 des BEPS-Aktionsplans . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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E. Schlussfolgerungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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* Ausführliche Inhaltsübersichten jeweils zu Beginn der Beiträge.
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Inhaltsverzeichnis
Prof. Dr. Jürgen Lüdicke, Hamburg (Diskussionsleitung) BEPS aus der Sicht von Verwaltung und Unternehmen Podiumsdiskussion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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Armin Geyer Digitized Economy – sind alle betroffen? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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A. Digitale Transformation der Wirtschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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B. BEPS und die Digitalisierung der Wirtschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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C. Handlungsoptionen des G20/OECD-Aktionspunkts 1 . . . . . . . . .
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D. Weitere Handlungsoptionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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E. Quo vadis? – Steuerliche Herausforderungen in einer digitalisierten Zukunft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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F. Schlussbetrachtung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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Prof. Dr. Jürgen Lüdicke, Hamburg (Diskussionsleitung) Digitized Economy – sind alle betroffen? Podiumsdiskussion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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Dr. Ulf Andresen Country-by-Country Reporting – mit Augenmaß! . . . . . . . . . . . . . . . .
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A. Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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B. Country-by-Country Reporting . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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C. Implikationen für Steuerpflichtige – Forderungen an Finanzverwaltungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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D. Fazit: Country-by-Country Reporting – mit Augenmaß! . . . . . . .
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Prof. Dr. Jürgen Lüdicke, Hamburg (Diskussionsleitung) Country-by-Country Reporting – mit Augenmaß! Podiumsdiskussion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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Inhaltsverzeichnis
Dr. Jens Schönfeld Hybrid Mismatch Arrangements – deutsche Abwehrregelungen . . .
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A. Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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B. Arbeiten der OECD . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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C. Deutsche Abwehrregelungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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D. Fallgruppen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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E. Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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Prof. Dr. Jürgen Lüdicke, Hamburg (Diskussionsleitung) Hybrid Mismatch Arrangements – deutsche Abwehrregelungen Podiumsdiskussion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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Stichwortverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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BEPS aus der Sicht der Verwaltung Martin Kreienbaum Ministerialdirigent Bundesministerium der Finanzen, Berlin
A. Beobachtungen zur internationalen steuerpolitischen Entwicklung . . . . . . . . . . . . . I. Transparenz und Harmonisierungstendenzen . . . . . . . . . . . II. Steuerwettbewerb . . . . . . . . . III. Verteilung von Besteuerungsrechten . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Umsetzung des BEPSAktionsplans . . . . . . . . . . . . . B. Einzelne Aktionspunkte . . . . I. Digitale Wirtschaft – Aktionspunkt 1 . . . . . . . . . . . II. Hybride Gestaltungen – Aktionspunkt 2 . . . . . . . . . . .
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III. Schädliche Steuerpraktiken – Aktionspunkt 5 . . . . . . . . . . . 1. Modified Nexus Approach für Präferenzregime. . . . . . 2. Dokumentationspflichten 3. Transparenz bei Rulings . . IV. Abkommensmissbrauch – Aktionspunkt 6 . . . . . . . . . . . V. Immaterielle Werte – Aktionspunkt 8 . . . . . . . . . . . VI. Country-by-Country Reporting – Aktionspunkt 13. . . . . VII. Multilaterales Instrument – Aktionspunkt 15 . . . . . . . . . .
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C. BEPS und EU . . . . . . . . . . . . .
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6 6 6 7 7 8 8
A. Beobachtungen zur internationalen steuerpolitischen Entwicklung In den mir zur Verfügung stehenden 25 Minuten werde ich die wesentlichen aktuellen Entwicklungen hinsichtlich BEPS darstellen. Voranstellen möchte ich einige Überlegungen und Beobachtungen zur internationalen steuerpolitischen Entwicklung.
I. Transparenz und Harmonisierungstendenzen Wir erleben eine zunehmend internationale Verflechtung von Wirtschaftsaktivitäten und von Unternehmensstrukturen. Folgerichtig sehen sich auch die Finanzverwaltungen weltweit in der Situation, sich untereinander stärker und besser abstimmen zu müssen. Das ist eine zwangsläufige Entwicklung, die der Globalisierung der Wirtschaft folgt. Diese Entwicklung wird zum einen sichtbar in Fragen der Transparenz. Finanzverwaltungen untereinander werden mit den Daten, über die sie
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Kreienbaum – BEPS aus der Sicht der Verwaltung
verfügen, in Zukunft deutlich transparenter gegenüber ausländischen Finanzverwaltungen umgehen. Vor etwa vier Wochen haben in Berlin 51 Staaten ein Abkommen unterschrieben, in dem sich diese Staaten zur internationalen Transparenz über Finanzkonten und Informationen zu Kontoinhabern und Kontobewegungen verpflichtet haben. Wir diskutieren heute auch das Thema Country-by-Country Reporting. Das Countryby-Country Reporting sieht den internationalen Austausch aggregierter steuerrelevanter Unternehmensdaten zwischen den Finanzverwaltungen weltweit vor. Wir diskutieren, Stichwort „Luxemburg Leaks“, auch das Offenlegen von Rulings gegenüber anderen betroffenen Finanzverwaltungen. Diese Themen verdeutlichen, dass das Thema Transparenz eine zunehmend wichtige Rolle im internationalen Zusammenwachsen der Finanzverwaltungen spielt. Wir werden darüber hinaus in den kommenden Jahren Tendenzen hin zu einer Harmonisierung im Bereich des steuerlichen Verfahrensrechts beobachten können. Die Steuerverwaltungen diskutieren über gemeinsame grenzüberschreitende Betriebsprüfungen, über den Ausbau von Verständigungsverfahren, auch über effizientere Streitbeilegungsmechanismen, einschließlich verbindlicher Schiedsverfahren. Diese Verfahren erfordern international abgestimmte Regeln. Auch im nationalen Recht brauchen wir die entsprechenden Voraussetzungen dafür. Weiter müssen wir an harmonisierte Aufbewahrungsfristen denken und stärker als bisher an harmonisierte Dokumentationspflichten. Dies alles sind Entwicklungen, die wir im Kontext einer zunehmenden internationalen Koordination und Kooperation der Finanzverwaltungen sehen. Gleichzeitig sprechen wir über Verzahnungen des materiellen Rechts, Stichwort hybride Strukturen. Auch das werden wir heute noch ausführlich diskutieren.
II. Steuerwettbewerb Die zweite Beobachtung in der Entwicklung der internationalen Steuerpolitik betrifft die Diskussion um Steuerwettbewerb. Hier erleben wir eine – in der Vergangenheit in dieser Form nicht vorhanden gewesene – Bereitschaft verschiedener Staaten, über die Schädlichkeit von Steuerwettbewerb zu diskutieren. Die Abgrenzung zwischen fairem und unfairem Steuerwettbewerb hat nicht zuletzt auch wegen einer enormen medialen Aufmerksamkeit eine neue Dimension erreicht. Das Thema Patentboxen werden wir heute noch im Detail diskutieren. Ich möchte an dieser Stelle klar sagen, dass Deutschland sich dem internationalen
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Kreienbaum – BEPS aus der Sicht der Verwaltung
Steuerwettbewerb stellt und die positiven Effekte von Steuerwettbewerb anerkennt. Aber dieser braucht einen ordnenden Rahmen, der in der Abgrenzung fairen Steuerwettbewerbs von unfairem Steuerwettbewerb besteht.
III. Verteilung von Besteuerungsrechten Eine dritte Beobachtung mit Blick auf die internationale Steuerdiskussion betrifft die Frage der internationalen Zuordnung von Besteuerungsrechten. Diese Diskussion manifestiert sich vor allem in der Frage der Besteuerung nach Ansässigkeit versus Quellenbesteuerung, auch – wie z.B. bei der Diskussion um die Frage der Besteuerung der digitalen Wirtschaft – in der Frage der Besteuerung neuartiger Geschäftsmodelle in der virtuellen Welt. Mit Blick auf die digitale Wirtschaft werden völlig neue steuerliche Anknüpfungspunkte diskutiert. Das sind die überlagernden Entwicklungen, auf die ich vorab kurz hinweisen möchte.
IV. Umsetzung des BEPS-Aktionsplans Den formalen und prozeduralen Hintergrund des BEPS-Aktionsplans darf ich als bekannt voraussetzen. Kurz zum Zeitplan: Die ersten Ergebnisse sind im Sommer 2014 fertiggestellt und von der G20 angenommen worden. Weitere relevante Zeitpunkte, bis zu denen Ergebnisse zu einzelnen BEPS-Themen erarbeitet sein sollen, sind der September und der Dezember des kommenden Jahres. Anschließen wird sich die Frage, ob weitergehende Arbeiten erforderlich sein werden, beispielsweise Evaluierungs- oder Monitoringprozesse. Damit soll geprüft werden können, ob die Staaten, die sich zur Implementierung der BEPS-Maßnahmen politisch verpflichtet haben, dieser Verpflichtung auch tatsächlich nachgekommen sind. Ihren Appell an die Finanzverwaltung, Frau Kochen-Schmidt-Eych, habe ich gehört. Ich will deswegen die Motivation der Bundesregierung, die an diesem Projekt federführend beteiligt ist, darlegen. Aus deutscher Sicht ist BEPS im Kern ein standortpolitisches oder wirtschaftspolitisches Thema. Wir möchten attraktive Standort- und Investitionsbedingungen in Deutschland erreichen oder behalten. Wir führen die Diskussion um Gewinnverlagerungen auch deshalb, weil wir erkannt haben, dass Standards, die bisher unter den entwickelten Staaten gegolten haben, von anderen Staaten nicht oder nicht mehr akzeptiert werden. Dies gilt insbesondere für die aufkommenden Schwellenländer. Wir möchten
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Kreienbaum – BEPS aus der Sicht der Verwaltung
das Auseinanderfallen steuerpolitischer Standards verhindern. Auch aus Unternehmenssicht dürfte gelten, dass international auseinanderfallende Standards – fehlende Übereinkünfte über die Fragen der Abgrenzung von Besteuerungsrechten, divergierende Betriebsstättenverständnisse, voneinander abweichende Auffassungen über die Verrechnungspreisermittlung – das schlechteste Ergebnis der steuerpolitischen Entwicklung wären. Die Schlussfolgerung, Deutschland verlöre am Ende der BEPSDiskussion, darf deshalb auch nicht auf Basis einer statischen Betrachtung vorgenommen werden. Wir sehen Tendenzen – nicht nur in Schwellenländern, auch in entwickelten Ländern –, die durch einseitige Abwehrgesetzgebung oder durch kreative Ansätze in der Verrechnungspreisermittlung zu ungelösten Fragen der Doppelbesteuerung führen, die wir häufig einseitig zulasten des deutschen Fiskus lösen müssen. Die internationale Kohärenz der Regeln steht deshalb für uns im Vordergrund.
B. Einzelne Aktionspunkte I. Digitale Wirtschaft – Aktionspunkt 1 Die OECD-Diskussion hat im Bereich der digitalen Wirtschaft keine konkreten Handlungsempfehlungen ergeben. Das Ergebnis der Diskussion ist ein Bericht, der im Sommer 2014 veröffentlicht worden ist. Eine heterogene Gruppe von Ländern ist daran interessiert, über neue steuerliche Anknüpfungspunkte im Bereich der digitalen Wirtschaft nachzudenken. Deutschland zählt nicht zu den größten Befürwortern dieses Gedankens, weil aus unserer Sicht eher die Gefahr droht, dass neue steuerliche Anknüpfungspunkte auf die klassische Wirtschaft umschlagen könnten. Die OECD ist zu dem Ergebnis gekommen, dass es keinen abgrenzbaren Sektor der digitalen Wirtschaft gibt. Der OECD-Bericht spricht daher auch von digitalisierter Wirtschaft und stellt fest, dass bestimmte Probleme, die wir im BEPS-Programm diskutieren, durch die Digitalisierung der Wirtschaft eine besondere Ausprägung und Bedeutung erfahren. Deshalb soll zunächst geprüft werden, ob die übrigen Themen des BEPS-Aktionsplans zu befriedigenden Lösungen im Bereich auch der digitalen Wirtschaft führen können. Die Frage, ob neue steuerliche Anknüpfungspunkte gefunden werden müssen, um steuerliche Effekte der digitalen Wirtschaft in den Griff zu bekommen, ist damit noch nicht beantwortet worden. Die OECD/G20-Staaten haben vereinbart, nach Abschluss der Arbeiten zu überprüfen, ob die übrigen BEPS-The-
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Kreienbaum – BEPS aus der Sicht der Verwaltung
men die besonderen steuerlichen Effekte der digitalen Wirtschaft ausreichend berücksichtigen.
II. Hybride Gestaltungen – Aktionspunkt 2 Zu hybriden Gestaltungen werden wir heute noch einiges im Detail hören. Ich möchte hier vorab die Frage stellen, ob die Verhinderung doppelter Nichtbesteuerung steuerpolitisch das richtige Ziel ist. Sie erwarten zu Recht, dass ich diese Frage mit „ja“ beantworte. Wir sehen in der Praxis eine deutliche Zunahme hybrider Gestaltungen bei Finanzinstrumenten. Das ist lediglich ein Befund, ohne dass damit behauptet werden soll, hybride Finanzinstrumente würden bewusst zur Herstellung doppelter Nichtbesteuerung entwickelt. Diese Finanzinstrumente führen aber häufig zu einer doppelten oder mehrfachen Abzugsfähigkeit von Betriebsausgaben oder zu einer Abzugsfähigkeit auf der einen Seite und zu einer Nichteinbeziehung in die Bemessungsgrundlage auf der anderen Seite. Die einzelnen, jeweils in sich geschlossenen nationalen Rechtsordnungen sehen in der Regel korrespondierende Regeln vor, beispielsweise das Zufluss- und Abflussprinzip oder auch andere Regelungskreise, bei denen Einnahmen/Ausgaben korrespondieren. Eine solche Korrespondenz ist auch im internationalen Verhältnis das steuerpolitisch richtige Ziel. Mit den auf OECD-Ebene gefundenen und heute hier noch zu diskutierenden sogenannten Linking Rules, den Verknüpfungsregeln, wird dieses Ziel weitgehend erreicht. Konzeptionell haben wir damit den richtigen Weg gefunden. Die Alternative wäre eine weltweite Harmonisierung des Unternehmenssteuerrechts oder die Einführung ausgedehnter Missbrauchsregeln. Unter diesen drei Optionen, von denen die weltweite Harmonisierung des Unternehmenssteuerrechts nicht mehr als ein interessantes Gedankenspiel ist, haben wir mit den Verknüpfungsregeln einen zwar administrativ aufwändigen, aber gangbaren Weg gewählt. Wir werden im Laufe des Tages feststellen, dass die Implementierung dieser Regeln ausgesprochen schwierig ist und dass viele Rechtsfragen noch nicht vollständig beantwortet sind. Die Implementierung dieser Regeln ist mit erheblichem Aufwand für die betroffenen Unternehmen und natürlich auf der anderen Seite auch für die Finanzverwaltungen verbunden. Verknüpfungsregeln sind uns im nationalen Recht allerdings auch nicht völlig fremd. § 8b Abs. 1 Satz 2 KStG beispielsweise, der jetzt noch durch die Mutter-Tochter-Richtlinie ausdrücklich abgedeckt ist, knüpft an die steuerliche Behandlung im Ausland an. Die
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Kreienbaum – BEPS aus der Sicht der Verwaltung
OECD wird bis zum Sommer 2015 für die Implementierung der HybridRegeln Richtlinien (Guidelines) entwerfen.
III. Schädliche Steuerpraktiken – Aktionspunkt 5 Der Aktionspunkt 5 ist aus deutscher Sicht besonders wichtig. In der Frage der Bekämpfung schädlicher Steuerpraktiken hat sich Deutschland auf OECD-Ebene, aber auch auf EU-Ebene außerordentlich engagiert.
1. Modified Nexus Approach für Präferenzregime Auf OECD-Ebene haben wir uns auf den sogenannten Modified Nexus Approach geeinigt, den ich kurz skizzieren möchte. Der Modified Nexus Approach sieht im Grundsatz vor, dass eine präferenzielle Besteuerung von Unternehmensgewinnen in Staaten nur dann erlaubt sein soll, wenn und soweit diese Gewinne auf Betriebsausgaben zurückgeführt werden können, die das präferenziell besteuerte Unternehmen selbst und in dem Staat, der präferenziell besteuert, zur Schaffung des Wirtschaftsguts, das diese Gewinne generiert, getätigt hat. Auf diesen Grundsatz haben sich die OECD/G20-Staaten weitgehend geeinigt. Nicht begünstigt sind Aufwendungen für Auftragsforschung zwischen verbundenen Unternehmen und Aufwendungen für den Erwerb immaterieller Wirtschaftsgüter. Die so ermittelte Höchstgrenze für das privilegiert zu besteuernde Einkommen kann rechnerisch pauschal um 30 Prozent angehoben werden. Damit soll dem Umstand Rechnung getragen werden, dass Auftragsforschung im eigenen Land (aus europarechtlichen Gründen) von der Privilegierung ausgeschlossen ist, obwohl darin kein steuerschädliches Motiv zu erkennen ist. Wir haben uns zudem darauf geeinigt, dass Neuzugänge in die alten Regime nur noch bis zum 30.6.2016 zulässig sein sollen und dass die alten Regime dann bis zum 30.6.2021, fünf Jahre nach dem letzten Neuzugang, vollständig abgeschafft sein sollen. Ab 1.7.2021 darf nur noch nach den neuen Vorstellungen der OECD präferenziell besteuert werden.
2. Dokumentationspflichten Ein wichtiger Punkt, zu dem noch umfangreiche Arbeiten ausstehen, betrifft die Frage der Dokumentation und des Nachweises. Steuerpflich-
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tige müssen, um in den Genuss präferenzieller Besteuerung zu kommen, dokumentieren, welche Gewinne aus welchen (immateriellen) Wirtschaftsgütern resultieren und welche wirtschaftlichen Aktivitäten zur Herstellung dieses Wirtschaftsguts beigetragen haben. Weiter muss nachvollziehbar sein, wo diese Aktivitäten stattgefunden haben. Qualifiziert sind nur solche Aktivitäten, die im Inland stattgefunden haben. Dokumentiert werden müssen aber die konzernweit vorgenommenen Aktivitäten, damit der Anteil der inländischen Aktivitäten zum Gesamtaufwand ins Verhältnis gesetzt werden kann. Wie die Dokumentation im Detail aussehen soll und wie die Nachweise für die Vergangenheit und für die Zukunft geführt werden sollen, wird zurzeit noch von der OECD erarbeitet. Dafür hat sich die OECD einen Zeitrahmen bis Mitte des Jahres 2015 gesetzt.
3. Transparenz bei Rulings Ein weiterer Punkt mit Blick auf schädliche Steuerpraktiken betrifft Rulings, Stichwort „Luxemburg Leaks“. Das BEPS-Programm sieht Arbeiten zu Transparenzerfordernissen in Bezug auf Rulings mit Blick auf Präferenzregime vor. Wir diskutieren zurzeit auf OECD-Ebene – auch vor dem Hintergrund der öffentlich geführten Diskussion zu Luxemburg Leaks – darüber, ob wir das Mandat in diesem Punkt öffnen müssen und über Transparenz von Rulings im Allgemeinen sprechen. Darüber hinaus denken wir über die Frage nach, ob nicht mit Blick auf den schädlichen Steuerwettbewerb über die Frage der reinen Transparenz hinaus die Sinnhaftigkeit bestimmter Ruling-Praktiken infrage gestellt werden muss. Weiter stellt sich die Frage, auf welcher rechtlichen Basis und mit wem Ruling-Informationen ausgetauscht werden sollen. Themen wie die Sicherstellung der Vertraulichkeit und des Datenschutzes müssen ebenfalls erörtert werden.
IV. Abkommensmissbrauch – Aktionspunkt 6 Auf Ebene der OECD/G20 wurde vereinbart, als abkommenspolitisches Ziel die Verhinderung von Doppelbesteuerung und die Verhinderung der doppelten Nichtbesteuerung in Abkommen ausdrücklich zu erklären. Es ist vereinbart, den Titel des OECD-MA zu ändern. Der Titel „Abkommen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung“ wird in Zukunft „Abkommen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung und zur Verhinderung der Steuervermeidung und Steuerverkürzung“ lauten. Wir haben in unsere deut-
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sche Verhandlungsgrundlage bereits vor zwei Jahren Formulierungen aufgenommen, die das gleiche Ziel verfolgen. Die OECD geht davon aus, dass die Aufnahme dieser Wendungen in Titel und Präambel Auswirkungen auf die Interpretation der einzelnen materiell-rechtlichen Abkommensvorschriften hat. Im Methodenartikel der deutschen Verhandlungsgrundlage, Art. 23 DE-VG, haben wir Umschwenkklauseln aufgenommen. Das sind konkrete Instrumente, mit denen wir von der Freistellung zur Anrechnung umschwenken, und dabei wollen wir es in Ergänzung der OECD-Empfehlungen auch national belassen. Die OECD spricht sich für eine Kombination von Klauseln zur Schaffung eines Mindeststandards mit Blick auf die Beschränkung der Abkommensvergünstigungen aus. Dieser Mindeststandard besteht aus einer Kombination von Limitations-on-Benefits-Klauseln und einem Principal Purpose Test. Daneben stellt sich die Frage, ob Vorschriften des nationalen Rechts bestehen können. Aus deutscher Sicht sollten die Schranken nicht überzogen werden. Andererseits werden wir auf die Anwendung unserer nationalen Missbrauchsvorschriften nicht verzichten wollen.
V. Immaterielle Werte – Aktionspunkt 8 Die Diskussion dieses Punktes auf OECD-Ebene ist noch nicht abgeschlossen. Positiv zu bewerten ist, dass wir erstmals eine klare und breite Definition immaterieller Werte für Zwecke der Verrechnungspreisermittlung erwarten können. Festzuhalten ist weiter, dass sich die an dem BEPS-Projekt beteiligten Staaten grundsätzlich darauf geeinigt haben, am Fremdvergleichsmaßstab festhalten zu wollen. Wir sehen in bestimmten Bereichen, Stichwort „Special Measures“, dass fremdvergleichsbasierte Ermittlungsmethoden nicht erfolgversprechend sind, weil ein Fremdvergleichspreis nicht ermittelt werden kann. Hier müssen noch erhebliche Arbeiten geleistet werden, um breit akzeptierte Alternativen zu entwickeln.
VI. Country-by-Country Reporting – Aktionspunkt 13 Country-by-Country Reporting ist kein Thema, das aus deutscher Sicht mit Nachdruck betrieben werden müsste, und es ist ganz sicher keine Diskussion, die wir verhindern können. Die Berichtspflichten, über die wir im Kontext CbCR diskutieren, bestehen aus drei Dokumentationsteilbereichen: dem sogenannten Local File, das Aufschlüsse über transaktionsbezogene Leistungen auf Ebene der lokalen Gesellschaft gibt,
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dem sogenannten Master File, das auf Ebene der Muttergesellschaft entsprechende Daten aggregiert abbildet, und dem Country-by-Country Reporting, das noch stärker aggregierte Kennziffern enthält. Der CbCR und das Master File sollen zwischen den Finanzverwaltungen ausgetauscht werden. Deutschland hat zu Beginn der Diskussion durchgesetzt, dass keine darüber hinausgehende Transparenz hergestellt werden muss. Weiterhin haben wir vereinbart, die Daten auf Basis unserer Abkommen auszutauschen. Das können unsere TIEAs (Tax Information Exchange Agreement) sein oder DBA. Deutschland setzt sich dafür ein, den Austausch von CbCR-Informationen mit effektiven Streitbeilegungsmechanismen zu verbinden. Das bedeutet auch, dass wir uns international für verbindliche Schiedsverfahren einsetzen. Ob wir uns mit einer Verbindung des CbCR und der Schiedsverfahren durchsetzen werden, ist allerdings sehr fraglich. Zur Schaffung der Berichtspflichten in Deutschland werden wir § 90 AO erweitern müssen und die Gewinnabgrenzungsaufzeichnungsverordnung entsprechend ändern.
VII. Multilaterales Instrument – Aktionspunkt 15 Das „Multilaterale Instrument“ soll ein rechtliches Vehikel sein, mit dem Teilbereiche der BEPS-Ergebnisse zügig für alle gleichzeitig umgesetzt werden sollen. Welche Punkte dieses Instrument umfassen soll, ist noch nicht abschließend geklärt.
C. BEPS und EU Ein weiterer wichtiger Punkt in der internationalen steuerpolitischen Diskussion ist das Thema BEPS und EU. Der Bundesfinanzminister hat gemeinsam mit seinem italienischen und seinem französischen Kollegen an den neuen EU-Kommissar für Wirtschaft und Finanzen Moscovici einen europarechtlichen Rechtsrahmen für BEPS-Themen gefordert. Dieser Rechtsrahmen soll Fragen der Definition des schädlichen Steuerwettbewerbs betreffen. Weiterhin wird es um Transparenz gehen, auch um Transparenz zu Rulings. Es wird in diesem Brief zudem von öffentlichen Unternehmensregistern gesprochen. Wir können erwarten, dass die Kommission und auch die EU-Mitgliedstaaten diese Themen aufnehmen und im kommenden Jahr konkrete Umsetzungsvorschläge diskutieren werden.
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BEPS aus der Sicht der Unternehmen Oliver Nußbaum Global Head of Tax BASF SE
A. Einleitung . . . . . . . . . . . . . . .
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B. Folgen aus der BEPS-Initiative 14 I. BEPS-Initiative – Confusion is all around . . . . . . . . . . . . . . 14 II. BEPS und Deutschland – geplante Neuregelung im Zollkodex-AnpG . . . . . . . . . . 16 C. Auswirkung auf die Praxis anhand ausgewählter Fälle . .
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I. Action 8: Transfer Pricing for Intangibles – Forschungsrealität in Unternehmen . . . II. Action 2: Hybrid Mismatch – Finanzierungsrealität im Konzern . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Action 13: Country-byCountry Reporting . . . . . . . .
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D. Zusammenfassung . . . . . . . .
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A. Einleitung Nach Aussage der OECD ist es Ziel der BEPS-Initiative, den Kampf gegen aggressive Steuerplanung, insbesondere den Kampf gegen weiße Einkünfte, aufzunehmen und voranzutreiben. Die Initiative richtet sich im Wesentlichen gegen große globale Konzerne, die in missbräuchlicher Art und Weise Steuerlücken in der Unternehmensbesteuerung ausnutzen. Dabei handeln alle Unternehmen, die derzeit im Fokus der Initiative stehen, legal, aber nach Meinung der Politik und Öffentlichkeit nicht legitim. Im Kern geht es der OECD dabei um eine kohärente Besteuerung zwischen den Steuersystemen der einzelnen Länder und die Vermeidung von schädlichem Steuerwettbewerb der Länder untereinander. Darüber hinaus soll bei internationalen Liefer- und Leistungsbeziehungen eine faire Verteilung von Steuersubstrat zwischen den Ländern sichergestellt werden. Betriebsausgaben sollen beim Zahlenden nur dann steuerlich abzugsfähig sein, wenn die korrespondierenden Einnahmen auf der Empfängerseite der Besteuerung unterlagen. Der OECD ist insoweit allerdings vorzuwerfen, dass eine analoge Korrespondenz auf der Einnahmenseite dabei nicht konsequent angestrebt wird. Einnahmen können durchaus besteuert werden, auch wenn die Betriebsausgabe beim Zahlenden steuerlich nicht abzugsfähig war. Eine Doppelbesteuerung wird also in Kauf genommen. Der Wille der OECD, auch eine Dop-
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pelbesteuerung zu vermeiden, ist nicht mehr deutlich zu erkennen. Dennoch sei es angeblich weiterhin Ziel der OECD, auch eine Doppelbesteuerung zukünftig zu vermeiden. Die Intention der BEPS-Initiative, gegen missbräuchliche und substanzlose Gestaltungen anzukämpfen, ist im Grunde nachvollziehbar und wird auch von der Industrie weitgehend mitgetragen. Allerdings gehen die Initiativen zum einen in der geplanten individuellen Umsetzung der einzelnen Maßnahmen, also auch durch die kumulierende Wirkung der Action Items 1 bis 13, weit über das Ziel hinaus. Je nach Ausgang der Initiative und Umsetzung durch die einzelnen Länder werden noch nicht absehbare Kollateralschäden in Kauf genommen. Darüber hinaus ist eines offensichtlich: Viele der Prinzipien der internationalen Besteuerung, auf die man sich in den letzten Jahrzehnten mühsam geeinigt hat, werden derzeit infrage gestellt. Es ist erstaunlich, wie schnell diese Grundsätze auf dem Altar des Aktionismus quasi zur Disposition gestellt werden. Ob und inwieweit auch zukünftig Rechtssicherheit im internationalen Steuerrecht bestehen wird und ob Deutschland als einer der Initiatoren der BEPS-Initiative gewinnen wird, bleibt abzuwarten. Bei der Frage nach den Schuldigen der BEPS-Initiative war man sich schnell einig: Apple, Google, Starbucks und mit ihnen gleichsam alle global agierenden Konzerne. Unternehmen lassen sich eben leichter als Staaten an den Pranger stellen, und zudem ist die öffentliche Entrüstung über die Medien einfacher zu organisieren. Viele Unternehmen bekommen derzeit regelmäßig Anfragen von Journalisten, die versuchen, in investigativer Art und Weise aggressive Steuerplanung aufzudecken. Dabei steht im Regelfall das intendierte Meinungsbild einer öffentlichen Empörung schon vor der jeweiligen Anfrage an Unternehmen fest. Eine objektive Sachverhaltsdarstellung findet häufig nicht mehr statt und ist auch nicht gewünscht. Unternehmen sind letztlich nur aufgefordert, der öffentlichen Empörung unterstützende Fakten zu liefern. Soweit diese nicht geliefert werden, werden sie dem Leser im Zweifel suggeriert. Eine sachlich differenzierte und inhaltlich faire Auseinandersetzung findet nicht mehr statt und wäre letztlich für Nicht-Steuerexperten auch nicht verständlich. So besteht zum Beispiel der Pauschalverdacht, dass Konzerne, die in Holland eine Tochtergesellschaft besitzen, auch die Patentbox beanspruchen. Konzerne, die mehrere Tochtergesellschaften in Holland besitzen, nutzen womöglich die Patentbox sogar mehrfach. Als ob das Ausmaß von Steueroptimierung oder vermeintlich „aggressiver“ Steuerplanung mit der Anzahl der Legaleinheiten korrespondieren wür-
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de. Gegenüber der Öffentlichkeit klingt diese Logik aber schlüssig, und das Maß der Entrüstung kann dadurch mathematisch nachvollziehbar gesteuert werden. Wie nah aggressive Steuerplanung und akzeptierte Anreizsysteme beieinanderliegen, zeigt gerade das Beispiel der Patentbox. Noch vor wenigen Monaten war die Patentbox als ein Instrument der aggressiven Steuerplanung verurteilt. Durch die einvernehmliche Einigung Deutschlands mit UK erscheint die Patentbox jedoch zwischenzeitlich sogar salonfähig und willkommen zu sein und wird nunmehr auch in Deutschland als Instrument der Förderung von Forschung und Entwicklung diskutiert. Man kommt sich als Unternehmen teilweise vor, als ob eine Herde von Löwen ihr Opfer bereits identifiziert hat und dabei ist, sich darüber herzumachen. Das Problem besteht aber darin, dass sich die Löwen nicht vorher über die Aufteilung geeinigt haben. Und das ist das eigentliche Problem an der BEPS-Initiative. Bevor die OECD sich um Konzepte zum Kampf gegen aggressive Steuerplanung bemüht und versucht, unzulässige, als nicht gerecht empfundene Gewinnverlagerungen zu vermeiden, sollte bzw. geradezu muss zuvor definiert werde, welche Gewinnaufteilung angemessen ist. Es muss festgelegt werden, welchem Land welcher Gewinn gerechterweise zusteht, d.h. welche Prinzipien zur Gewinnverteilung zukünftig Gültigkeit haben sollen und letztlich welche Anreizsysteme durch die Länder akzeptabel sind. Beispiel: Man stelle sich zwei nebeneinander liegende Supermärkte vor. Während Supermarkt I einen Artikel für 2 Euro anbietet, verlangt Supermarkt II für den gleichen Artikel nur 1,60 Euro. In welchem Markt wird der Kunde wohl einkaufen? Sicherlich wird er im Supermarkt II günstiger einkaufen wollen, um von dem Preisvorteil von 40 Cent zu profitieren.
Analog zur BEPS-Diskussion ist die entscheidende Frage, ob der Preiswettbewerb der Supermärkte das Problem des Kunden darstellt oder ob es vielmehr ein Problem des Wettbewerbs der Supermärkte untereinander ist. Mit welcher Begründung sollte man im vorliegenden Beispiel Supermarkt I das Recht einräumen, die Ersparnis des Kunden von 0,40 Euro aus dem Kauf beim Supermarkt II als Ausgleich vom Kunden verlangen zu können? An dem Beispiel soll deutlich werden, dass es letztlich um den konkurrierenden Wettbewerb der Staaten untereinander geht und nicht um das Verhalten der Konzerne. Eine wirkliche Debatte hierzu wird derzeit aber nicht geführt. Die Diskussion fokussiert
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sich vielmehr auf die Erarbeitung von Vorschlägen, um nicht besteuerte Einkünfte auf Transaktionsebene zu vermeiden, statt eine Einigung unter den Staaten herbeizuführen. Lediglich Action 14, „Effectiveness of Treaty Dispute Resolution Mechanisms“, verspricht Hoffnung. Dieser Action Item wird aber zeitlich erst am Ende des BEPS-Projekts final adressiert werden und hat wahrscheinlich die geringste Aussicht auf weitreichende Umsetzung durch die Länder. Erste Entwürfe hierzu liegen vor und zeigen, dass der „Traum“ von einem Einigungszwang der Länder untereinander in Fällen von DBA-Streitigkeiten wohl nicht global realisierbar ist. Selbst wenn dieser „Traum“ Wirklichkeit werden sollte, darf hierbei nicht vergessen werden, dass sich dieser Action Item nur auf Doppelbesteuerung aus unterschiedlicher Anwendung von Abkommensrecht beziehen wird. Viele der von der OECD vorgeschlagenen Maßnahmen zielen dagegen auf die Änderung nationaler Vorschriften ab, die dann nicht Gegenstand eines solchen Verständigungsverfahrens werden können. Wirtschaftliche Doppelbesteuerung ist daher vorprogrammiert. In zeitlicher Hinsicht hält sich die OECD bei der Umsetzung strikt an den politisch vorgegebenen Zeitplan, und ein Entwurf jagt den anderen. Es bleibt für Unternehmen und Verbände im Grunde kaum Zeit, die Vorschläge vernünftig zu kommentieren und sich inhaltlich vertieft damit auseinanderzusetzen. Wesentliches Merkmal eines international wettbewerbsfähigen Steuerrechts wäre es, ein für Unternehmen fundiertes und verlässliches Steuersystem mit planbaren international abgestimmten Rahmenbedingungen zu kreieren. Es ist für Unternehmen gleichgültig, in welchen Ländern die Steuern zu zahlen sind. Im Ergebnis muss das Regelwerk klar und nachvollziehbar sein, eine Doppelbesteuerung muss vermieden und der internationale Waren- und Leistungsaustausch darf nicht behindert werden.
B. Folgen aus der BEPS-Initiative I. BEPS-Initiative – Confusion is all around Von Vertretern der OECD hört man gelegentlich Aussagen wie: „BEPS is going to change the tax world! If not, the tax world is going to change anyway“. Mit anderen Worten: Mit oder ohne BEPS – das steuerliche Umfeld wird sich ändern. Diese Aussage wird gestützt, wenn man die Änderung der Steuergesetzgebung in einzelnen Ländern verfolgt. Die BEPS-Initiative dient für viele Länder als Vorlage und Rechtfertigung,
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verschärfende Maßnahmen einzuführen. Leider nicht als Mustervorlage. Auf die finalen Empfehlungen der OECD wird keine Rücksicht genommen. Einige Action Items der OECD wurden bereits unilateral in einigen Ländern umgesetzt. Sämtliche Maßnahmen sind nicht koordiniert. Deutlich wird dies z.B. bei Action 2, „Hybrid Mismatch“. So hat die EU die Mutter-Tochter-Richtlinie in der Form angepasst, dass Dividenden beim Empfänger nicht mehr steuerfrei, sondern steuerpflichtig zu behandeln sind, wenn der Zahlende den Betriebsausgabenabzug steuerwirksam geltend machen kann. Die OECD geht grundsätzlich den umgekehrten Weg und empfiehlt, den Betriebsausgabenabzug beim Zahlenden zu versagen. In Frankreich wird den OECD-Überlegungen bereits gefolgt. So hat Frankreich im Vorgriff auf einen finalen OECD-Vorschlag eine Regelung eingeführt, wonach der Betriebsausgabenabzug für Zinsen versagt wird, wenn die Zinsen beim Empfänger nicht mindestens mit einem Steuersatz in Höhe von 25 % des französischen Steuersatzes besteuert werden. In Japan soll dagegen dem EU-Modell gefolgt werden, wonach eine Einnahme beim Empfänger der Zahlung besteuert werden soll, wenn die Zahlung beim Zahlenden als Betriebsausgabe geltend gemacht werden konnte. Mexiko wiederum folgt der OECD-Lösung und verweigert dagegen den Betriebsausgabenabzug. Die Beispiele zeigen, wie wenig koordiniert das Vorgehen ist. Bezüglich Action 6, „Treaty Abuse“, führen immer mehr Länder (z.B. Indien und Polen) lokale Missbrauchsregeln ein, die den Doppelbesteuerungsabkommen vorgehen sollen. Ebenso wenden Russland und Vietnam eigene, nicht vertraglich vereinbarte Treaty-Shopping- und Beneficial-Ownership-Regeln an. Objektive Kriterien und Regeln darüber, wann ein „Treaty Abuse“ in diesen Fällen vorliegt, fehlen. Letztere werden wohl von den Steuerbehörden der einzelnen Länder entwickelt werden und unterliegen ggf. im Laufe der Zeit einer gerichtlichen Überprüfung. Für Unternehmen bedeutet dies aber weitgehende Unsicherheit und Paralyse. Bereits die Regelungen der chinesischen und indischen Steuerbehörden zur indirekten Anteilsübertragung zeigen dies ganz deutlich. Bezüglich dieser Länder sind indirekte Anteilsübertragungen nur noch mit hoher Rechtsunsicherheit verbunden. Bezüglich Country-by-Country Reporting (CbCR) gibt es neben der OECD-Initiative (Action 13) eine eigenständige EU-Initiative im Rahmen der nicht finanziellen Berichterstattung. Die EU-Initiative schlägt ein eigenes Berichtsformat vor und fordert eine Publizierungspflicht gegenüber der Öffentlichkeit. Die Vorgehensweise ist nicht mit der
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OECD-Initiative abgestimmt und unterscheidet sich deutlich von dieser. Es ist wohl davon auszugehen, dass zumindest in Europa ansässige Unternehmen mit zwei unterschiedlichen Formaten des CbCR leben müssen. Die Frage nach der Sinnhaftigkeit darf insoweit gestellt werden. Im Bereich der Verrechnungspreise haben Australien, Indien und Mexiko aggressivere Regeln eingeführt. Die Berücksichtigung von sog. „Location Savings“ im Rahmen von Verrechnungspreisen oder gar Mindestprofitabilitätswerten für die Eigenproduktion von Tochtergesellschaften wird immer mehr zum Thema. Es liegen inzwischen Beispiele in Betriebsprüfungen vor, wonach auch Own-Risk Manufacturer als „Tested Party“ angesehen werden. Vermeintlich erforderliche Verrechnungspreiskorrekturen werden insoweit auch im Verhältnis zu fremden Dritten vorgenommen. All diese Länder fühlen sich in der Umsetzung dieser Maßnahmen durch die OECD-Initiative unterstützt. Man muss sich die Frage stellen, wie sich die OECD einen geordneten und hoffentlich koordinierten Abschluss der BEPS-Initiative vorstellt. Es ist unwahrscheinlich, dass alle 44 Länder, die an der BEPS-Diskussion teilnehmen, eine Vereinbarung unterzeichnen werden, wonach alle Maßnahmen harmonisiert in lokales Recht umgesetzt werden. Am Ende wird es wohl bei unkoordinierten Regeln bleiben.
II. BEPS und Deutschland – geplante Neuregelung im Zollkodex-AnpG Man muss an dieser Stelle noch einmal an die anfänglich beruhigenden Aussagen von Vertretern der Finanzverwaltung zur BEPS-Initiative erinnern, wonach Deutschland keinen großen Handlungsbedarf bei der Umsetzung von BEPS-Maßnahmen habe. Schließlich seien in Deutschland bereits viele Regeln zur Bekämpfung des steuerlichen Missbrauchs umgesetzt. Insbesondere wurden dabei die Regelungen zur Zinsschranke, die Hinzurechnungsbesteuerung nach dem AStG sowie die Treaty Overriding Rules des § 50d EStG genannt. Hinzu kam noch die Hybrid Mismatch Rule in § 8b Abs. 1 Satz 2 KStG. Umso mehr erstaunte aber der deutsche Gesetzesvorschlag im Rahmen des Zollkodex-AnpG. Danach sollten Aufwendungen nicht mehr als Betriebsausgaben abziehbar sein, soweit sie beim unmittelbaren oder mittelbaren Empfänger nicht als Einnahmen in der Steuerbemessungsgrundlage berücksichtigt werden oder steuerbefreit sind.
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Die vorgeschlagene Gesetzesänderung ist exzessiv und geht über die beabsichtigte Wirkung weit hinaus. Nicht nur Konzernfälle werden erfasst, sondern auch Fälle mit fremden Dritten. Bei Betriebsausgaben liegt die Beweislast beim Steuerpflichtigen. In der Praxis ist dieser Nachweis insbesondere bei fremden Dritten letztlich nicht zu führen. Man denke nur an Zahlungen von Zinsen direkt an den Kapitalmarkt. Gelingt der Nachweis nicht schlüssig, dann ist die Betriebsausgabe zu versagen, obwohl ggf. kein Hybrid Mismatch vorliegt. Selbst wenn der Vorschlag nicht Gesetz wurde, zeigt es doch die Bereitschaft Deutschlands, die BEPS-Initiative in aller Schärfe auch unter Inkaufnahme deutlich überschießender Wirkung umzusetzen.
C. Auswirkung auf die Praxis anhand ausgewählter Fälle Im Folgenden wird auf einige ausgewählte Punkte eingegangen, die zeigen, wie weit die von der OECD geplanten Vorschläge von der unternehmerischen Realität entfernt sind, welche Probleme in der Umsetzung bestehen und wie es vermehrt zur Doppelbesteuerung kommen wird.
I. Action 8: Transfer Pricing for Intangibles – Forschungsrealität in Unternehmen Im Unterschied zur bisherigen Praxis sollen Lizenzeinnahmen zukünftig nicht mehr ausschließlich dem wirtschaftlichen Eigentümer zugeordnet werden. Vielmehr sollen Lizenzeinnahmen unter all den Einheiten aufgeteilt werden, die jeweils zum Forschungsergebnis beigetragen haben. Die Aufteilung soll anhand verschiedener Faktoren erfolgen. Der wesentliche Unterschied zur bisherigen Vorgehensweise liegt darin, dass die Legaleinheit, die die Forschung finanziert und damit das Risiko getragen hat, zukünftig nur noch eine geringere Finanzierungsprämie erhalten soll, während die „Entscheidungsträger“ über Forschungsprojekte am Erfolg beteiligt werden sollen. Das Verlustrisiko verbleibt ausschließlich beim wirtschaftlichen Eigentümer. In der unternehmerischen Praxis erfolgen Forschungsprojekte sehr häufig nach einem sog. Phase-Gate-Prozess. Das Konzept des Phase-GateProzesses verfolgt das Ziel, mit möglichst vielen Projektideen zu starten und anschließend von dieser Vielzahl schrittweise die besten Ideen zu selektieren. Aus diesem Grund ist der Aufwand zu Beginn möglichst gering, da im Wesentlichen die Chancen, Potenziale und Risiken einer
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Idee ermittelt werden (Phase 1 & 2). Erst in Phase 3 wird die Idee bis zur Marktreife ausgearbeitet, bevor nach Gate 4 die Anwendungsphase beginnt. Bei jedem Gate ist grundsätzlich auch ein „Stop“ des Projekts möglich. Der Ablauf des Phase-Gate-Prozesses ist dabei je nach Phase über verschiedene Mitarbeiter und Entscheidungsträger verteilt, die in jeweils unterschiedlichen Legaleinheiten beschäftigt sein können. Eine nach objektiven Regeln klare und eindeutige Zuordnung der Wertigkeiten der einzelnen Beiträge zu Legaleinheiten und Entscheidungsträgern ist nicht möglich. Die OECD bietet bei der Aufteilung keine Hilfestellung. Um die korrekte Verpreisung von Intangibles im Unternehmen sicher abwickeln und darstellen zu können, muss es im Grunde dabei bleiben, dass derjenige die Lizenzeinnahmen erhalten soll, der die Forschungskosten wirtschaftlich getragen hat. Eine andere Vorgehensweise wäre auch nicht Arm’s Length. Die Kontrolle über den Forschungsprozess und die Mitwirkung bei der Entwicklung von IP erfolgt über verschiedene Konzerneinheiten hinweg verteilt. Jeder Versuch einer wertenden Zuordnung wäre letztlich willkürlich und unterliegt keinen objektiven Kriterien. Zudem sind die Entscheidungsträger sehr mobil. Es erscheint nicht logisch, dass der Ertrag aufgrund der Mobilität der Mitarbeiter mitwandert. Die Probleme, die sich in der Praxis ergeben werden, möchte ich an einem praktischen Fall erläutern: Beispiel: M-AG investiert über viele Jahre in eine neue Technologie. Inwieweit die Technologie erfolgreich sein wird, ist noch unklar. Die Forschung wird in Deutschland mit eigenen Mitarbeitern durchgeführt. Aufgrund des in Europa schwierigen regulatorischen Umfelds werden die Vermarktungschancen in Europa gering, und das Unternehmen entscheidet sich, sämtliche weiteren Forschungsaktivitäten in die USA in die T-Corp zu verlagern. In Deutschland wird insoweit keine Forschungstätigkeit mehr durchgeführt. Zur Vermeidung der Versteuerung des bisher entwickelten Know-hows in Deutschland und zur Vermeidung einer möglichen Diskussion mit der Finanzverwaltung über eine Funktionsverlagerung nach § 1 AStG schließt M-AG einen Forschungsvertrag mit T-Corp auf Basis Cost-plus ab. M-AG behält das Recht, die Forschungsergebnisse vollständig zu verwerten.
Nach bisherigem Verständnis waren zukünftige Erträge aus Lizenzeinnahmen vollständig in D zu versteuern. T-Corp war mit Cost-plus ausreichend vergütet. Soll sich dies nunmehr nach Auffassung der OECD ändern? Wie teilt man die Erträge zukünftig auf? Kommt es zukünftig trotz einer Cost-plus-Vereinbarung zu einer zu vergütenden Funktions-
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verlagerung aufgrund der veränderten Zurechnung von Erträgen nach OECD? Überzeugende, in der Praxis umsetzbare Lösungen werden von der OECD nicht erarbeitet.
II. Action 2: Hybrid Mismatch – Finanzierungsrealität im Konzern Action Item 2, „Hybrid Mismatch“, adressiert die Bekämpfung weißer Einkünfte aus hybriden Finanzierungen. Im Ergebnis soll erreicht werden, dass dem steuerlich abzugsfähigen Finanzierungsaufwand im Land der B-Co eine Besteuerung im Land der A-Co gegenübersteht. Um in Fällen abweichender steuerlicher Behandlung dennoch ein harmonisiertes Vorgehen zu erreichen, schlägt die OECD vor, dass in Fällen der unterschiedlichen lokalen Vorgehensweisen Land B den Betriebsausgabenabzug versagt, während es bei Land A bei der Freistellungsmethode bleiben soll. Alternativ kann Land A die Einnahmen steuerpflichtig behandeln, soweit im Land B der Betriebsausgabenabzug nicht versagt wird. Beide Vorschläge führen zu einem scheinbar zutreffenden Ergebnis. Das Problem Hybrid Mismatch wird aber auch von der EU thematisiert und wurde zwischenzeitlich in der Mutter-Tochter-Richtlinie geregelt. Die von der OECD als nachrangige Lösung präferierte Besteuerung der Empfänger wird durch die EU als zwingende Vorgehensweise vorgegeben. Durch die Anwendung entweder der EU-Vorgehensweise oder auch der OECD-Vorgehensweise wird sichergestellt, dass der Finanzierungsaufwand im Konzern nur einmal steuerlich abgezogen wird. Nach dem Vorschlag der OECD im Land A, nach dem Vorschlag der EU im Land B. So weit ist das akzeptabel und ökonomisch sinnvoll. Problematisch wird es allerdings, wenn Land A und B abweichende Regelungen haben, z.B. Land A die EU-Regeln und Land B die OECD-Regeln. In diesen Fällen wird dann sowohl der Betriebsausgabenabzug im Land B versagt als auch die Betriebseinnahme im Land A versteuert. In diesen Fällen wäre der Finanzierungsaufwand in keinem Land steuerlich abzugsfähig. Dass dieses Ergebnis steuerlich nicht sinnvoll ist, leuchtet ein. Allerdings wird dieser Fall in der Zukunft häufiger vorkommen können. Die Fälle lassen sich natürlich vermeiden, indem Land B direkt vom Markt finanziert. Es sind aber gerade außersteuerliche Gründe, die für die Vorteilhaftigkeit eines zentralen Cash-Managements im Konzern
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sprechen. Deutsche Stammhauskonzerne würden dadurch benachteiligt. Die Fälle können noch weiterentwickelt werden. Unterstellen wir einmal, Land A sei Deutschland und die Zinsen, die an die Bank gezahlt werden, sind entweder aufgrund der Zinsschranke oder rein faktisch mangels sonstiger steuerpflichtiger Erträge steuerlich nicht abzugsfähig. Im Ergebnis käme es auch in diesen Fällen zu einem „Keinmal-Abzug“ im Konzern. Mit diesem Ergebnis mögen Steuerbehörden gut leben können, wirtschaftlich sinnvoll ist es allerdings nicht. Noch besser wird der Fall bei einer Quellensteuer. Action 2 adressiert nur den Betriebsausgabenabzug. Das Quellenbesteuerungsrecht wird nicht eingeschränkt. Trotz Versagen des Betriebsausgabenabzugs kann in Land B daher dennoch eine Quellensteuer einbehalten werden. In diesen Fällen liegen eigentlich keine „weißen Einkünfte“ vor. Für Land B ist es daher sehr attraktiv, den Betriebsausgabenabzug zu versagen, soweit Land A nicht versteuert. Im Ergebnis führt dies aber zu einer Überbesteuerung im Land B. Zusammengefasst lässt sich sagen, dass es je nach Methode im Einzelfall zur wirtschaftlichen Doppelbesteuerung kommen kann, die offensichtlich in Kauf genommen wird. Von Vertretern der Finanzverwaltung ist insoweit zu hören, dass früher das Pendel auf die Seite zugunsten der Steuerpflichtigen ausgeschlagen ist und „weiße Einkünfte“ ermöglicht hat und nunmehr zukünftig auf die andere Seite ausschlagen wird und Doppelbesteuerung eben in Kauf genommen werden muss – Doppelbesteuerung als fairer Ausgleich für vergangene Einnahmeverluste.
III. Action 13: Country-by-Country Reporting Bei dieser Initiative ist die konkrete Zielsetzung nur scheinbar klar. Offiziell geht es darum, Gesellschaften zu identifizieren, die Gegenstand einer Verrechnungspreisprüfung werden können. Bei großen Konzernen sind die Gesellschaften in den jeweiligen Ländern oft ohnehin schon so groß, dass sie einer kontinuierlichen Prüfung unterliegen. Darüber hinaus gibt es in vielen Ländern bereits aufwändige lokale Dokumentationsvorschriften, die es in der Regel den Steuerbehörden der Länder einfach machen sollten, Prüfungsziele zu identifizieren. Insoweit bringt das zusätzliche CbCR keinen nennenswerten Mehrertrag. Für Unternehmen wird es allerdings mühsam und kostspielig sein, das geforderte Reporting aufzusetzen. Zudem werden wohl bisher nicht vor-
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handene Überleitungsrechnungen zu erstellen sein, die die Abweichungen zwischen den lokalen Abschlüssen und den konsolidierten Gruppenabschlüssen (Abschreibungs- und Kapitalisierungsregeln können erheblich unterschiedlich sein) erläutern. Darüber hinaus wird zu erwarten sein, dass Vergleiche über die Profitabilität einzelner Unternehmen in verschiedenen Ländern durchgeführt werden und daraus der Bedarf für Verrechnungspreisanpassungen abgeleitet werden wird. Im Ergebnis führt das angestrebte CbCR zu viel unproduktivem Aufwand sowohl bei den Unternehmen als auch bei den Steuerbehörden.
D. Zusammenfassung Die BEPS-Initiative mag in ihrem Ursprung und in ihrer Intention, missbräuchliche Gestaltungen zu bekämpfen, nachvollziehbar sein. In ihrer Wirkung allerdings gehen die bisher vorgeschlagenen Maßnahmen weit über die von der OECD publizierten Ziele hinaus. Viele der mühsam über viele Jahre entwickelten Grundsätze der internationalen Besteuerung werden infrage gestellt. Das Ziel der Vermeidung von Doppelbesteuerung tritt zugunsten der Sicherung einer Einmalbesteuerung in den Hintergrund. Viele Staaten haben bereits unkoordiniert unilaterale Maßnahmen mit überschießender Tendenz eingeführt, weitere werden folgen. Der internationale Handel und Dienstleistungsverkehr wird dadurch verunsichert. Ungeachtet der BEPS-Initiative wird der Steuerwettbewerb dennoch weitergehen. Zukünftig wird man voraussichtlich keine substanzlosen Strukturen mehr vorfinden, stattdessen wird wohl vermehrt die Verlagerung von Substanz geplant. Ob am Ende Deutschland ein Gewinner der Initiative sein wird, bleibt zweifelhaft.
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Neuausrichtung der Missbrauchsbekämpfung Prof. Dr. Stef van Weeghel Universität Amsterdam/ Chair of the Permanent Scientific Committee of IFA
A. Einführung in das Thema . . . B. Die Finanzkrise und die sich häufenden Fälle von Steuervermeidung als prägende Ereignisse . . . . . . . . . . . . . . . . C. Die Bedeutung von BEPS, insbesondere im Hinblick auf das Phänomen des Treaty Shopping. . . . . . . . . . . D. Aktionspunkt 6 des BEPSAktionsplans . . . . . . . . . . . . . I. Allgemeines Antimissbrauchsverständnis von DBA ohne explizite Regelung . . . .
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II. Darstellung und Bewertung der empfohlenen Limitationon-Benefits-Klausel für DBA 1. Der Anteilseigner-Test . . . 2. Der Aktivitäts-Test . . . . . . 3. Der Börsen-Test. . . . . . . . . 4. Klausel für abgeleitete Begünstigungen. . . . . . . . . III. Der Principal Purpose Test . . IV. Berücksichtigung der Arbeiten zu Aktionen 2 (Hybrid Mismatch Arrangements) und 15 (Multilateral Instrument) E. Schlussfolgerungen . . . . . . . .
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A. Einführung in das Thema Herr Professor Lüdicke bat mich, über die derzeitige internationale Situation zu sprechen, über Steuervermeidung und im Besonderen über den Kampf gegen die Steuervermeidung. Lassen Sie mich zunächst ein wenig in der Zeit zurückgehen, und zwar in das Jahr 1998, und von dort eine Linie zur heutigen Situation ziehen. Wer erinnert sich an die Ereignisse von 1998? An einiges werden Sie sich erinnern, möglicherweise, dass Präsident Clinton seine Affäre mit Monica Lewinsky, Praktikantin im Weißen Haus, zugab, oder dass der Wechselkurs zwischen dem Euro und den alten Währungen in Europa festgesetzt wurde. Aber Sie erinnern sich wahrscheinlich nicht daran, dass die OECD ihren Bericht „Harmful Tax Competition, An Emerging Global Issue“1 veröffentlichte. Ich für meinen Teil kann mich noch sehr gut daran erinnern, dass meine Doktorarbeit über den Missbrauch von Doppelbesteuerungsab1 Abrufbar unter www.oecd.org/tax/transparency/44430243.pdf.
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kommen erschien, nachdem ich viele Jahre auf diesem Gebiet geforscht hatte.1 Die Entwicklungen seit Mitte der neunziger Jahre sind verblüffend. Auch in den Jahren davor hatte es Bestrebungen gegen internationale Steuervermeidung gegeben, doch diese Bestrebungen beschränkten sich auf Länder, die von je her in diesem Bereich tätig waren, wie die USA und Deutschland. Dann jedoch wurde dem Thema schädlicher Steuerwettstreit zum einen von der Europäischen Kommission – der „Code of Conduct“2 wurde 1997 verabschiedet –, zum anderen von der OECD durch die Veröffentlichung des bereits erwähnten Berichts über den schädlichen Steuerwettbewerb 1998 erhöhte Aufmerksamkeit geschenkt. Ebenfalls 1998 richtete die OECD eine Arbeitsgruppe zur Entwicklung eines Rechtsinstruments ein, das einen effektiven Informationsaustausch ermöglichen sollte. Aus dieser Arbeitsgruppe ging das OECD Global Forum on Transparency and Exchange of Information for Tax Purposes hervor. Es gab damals verhältnismäßig wenige internationale Fälle von Steuervermeidung. Die Verrechnungspreisgestaltung hatte sich noch nicht zu der Kunst entwickelt, die sie heute ist. Missbrauchsklauseln in DBA waren selten, obwohl die Aufnahme von Limitation-on-Benefits-Klauseln bereits zu einem Eckpfeiler der US-amerikanischen Steuerabkommenspolitik geworden war. Das alles ist nur sechzehn Jahre her. Aus heutiger Sicht gab es in dieser Zeit zwei bemerkenswerte Momente.
B. Die Finanzkrise und die sich häufenden Fälle von Steuervermeidung als prägende Ereignisse Der erste war der Ausbruch der Finanzkrise zeitgleich mit einigen Steuerfluchtskandalen, was dem damaligen Direktor der OECD für Steuerpolitik und Verwaltung, Jeffrey Owens, das Mandat für eine massive Kampagne gegen Steuerflucht einbrachte. Die aktuelle Steueragenda der OECD betont, das Ausmaß steuerlicher Kooperation weltweit habe sich in den letzten Jahren grundlegend ver1 Van Weeghel, The Improper Use of Tax Treaties, With Particular Reference to the Netherlands and the United States, Diss. 1998; vgl. auch G. Kraft, Die mißbräuchliche Inanspruchnahme von Doppelbesteuerungsabkommen, Diss. 1991. 2 Abrufbar unter ec.europa.eu/taxation_customs/resources/documents/coc_en. pdf.
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ändert. Als Reaktion auf den G20-Gipfel in Washington im November 2008 kamen zahlreiche Regierungen weltweit darin überein, Hindernisse für den Informationsaustausch in Steuersachen zu beseitigen. Die Staats- und Regierungschefs der G20 widmen diesem Thema weiterhin viel Aufmerksamkeit. Zu erwähnen sind hier außerdem noch FATCA und der Global Automatic Exchange of Information Standard for Financial Account Information. Lassen Sie mich außerdem hervorheben, dass das OECD Forum on Tax Administration zunehmend aktiv wird. Dessen Presseerklärung nach dem Treffen in Buenos Aires vor jetzt fast drei Jahren sagt es sehr deutlich: „19/01/2012 – The 7th meeting of the Forum on Tax Administration, which brought together the heads of tax administrations from 43 countries, concluded with a unified and strengthened commitment to combat offshore tax abuse. Our strategy includes unprecedented sharing and exchange of information and coordinated action to better identify and tirelessly pursue the promoters and users of abusive offshore schemes. Those who once felt safe concealing their money and assets overseas are now in an increasingly risky position. We also focused on the need to work smarter in times of shrinking budgets, and how to strengthen our relationship with large corporations through efficient and effective strategies that benefit both the taxpayer and taxing authority. Our discussion was enriched by the presence of business leaders and we are very grateful for the contribution they made to our meeting. Offshore Compliance Although there have been some high-profile successes in the fight against offshore tax abuse, resulting in significant additional tax revenues and real improvements in transparency and exchange of information, it is far too soon to declare victory. When promoters and facilitators feel that we are tightening the net, they may simply move to a new location. We will be relentless in our pursuit of them – no matter where they may be. Our Offshore Compliance Network is building on the achievements of individual countries to improve our collective ability to deter, detect, and deal with offshore tax evasion. An early priority is to better understand the structures used to hide offshore wealth. We further agreed that collaboration must now include coordinated actions by countries to finally put an end to offshore non-compliance.“
Das zweite bemerkenswerte Ereignis war subtiler und wurde vor allem von Nichtregierungsorganisationen vorangetrieben: Es handelt sich um den enormen Fokus auf vermeintliche Steuervermeidung multinationaler Konzerne. Dieser Schwerpunkt wurde von Owens Nachfolger in der OECD, Pascal St. Amans, aufgegriffen, der die Agenda „Base Erosion
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and Profit Shifting“,1 oder kurz BEPS, maßgeblich vorantreibt. Diese wird inzwischen von Politikern und Regierungen unterstützt und hat die offizielle Rückendeckung der G20. Das zu Beginn des Vortrags gezeigte Video vermittelt einen guten Eindruck von den Spannungen, die in der heutigen Welt vorherrschen. Regierungschefs rufen lautstark zum Kampf gegen Steuervermeidung auf. Regierungen nehmen für sich in Anspruch, das wettbewerbsfähigste Steuersystem der Welt anzubieten. Aktivisten und Politiker prangern multinationale Unternehmen und deren Berater an, die wiederum, zumindest in der öffentlichen Wahrnehmung, nicht mit angemessenen Antworten aufwarten können. Das Video macht nicht nur die Spannungen deutlich, sondern auch die Scheinheiligkeit: Was der eine Staat als Wettbewerbsmaßnahme einführt, z.B. eine Patentbox, führt zur Erosion der Bemessungsgrundlage eines anderen Staates. „Wat dem een sin Uul is dem annern sin Nachtigal.“ Wie können diese beiden Positionen miteinander vereinbart werden? Mit einer Anzahl multinationaler US-Konzerne wurde, wie man im Video sieht, hart ins Gericht gegangen, in England durch das Public Accounts Committee und in den Vereinigten Staaten durch den Ermittlungsunterausschuss des Senats. Als wäre das noch nicht genug, begann die Europäische Kommission vor Kurzem mit offiziellen Ermittlungen gegen Steuergestaltungen zwischen verschiedenen europäischen Ländern und eben jenen multinationalen Konzernen, gegen die sich die Untersuchungen im Vereinigten Königreich und in den USA richteten. Es ist offensichtlich, dass die Untersuchungskompetenz hinsichtlich staatlicher Beihilfe von der Europäischen Kommission mittlerweile im Rahmen ihrer umfassenden politischen Agenda verwendet wird, um aggressive Steuerplanungen zu bekämpfen. Die Verbindung zur Arbeit der OECD wird an den förmlichen Untersuchungen im Apple- und im FiatFinance-Fall deutlich, wo die Anwendung der OECD Transfer Pricing Guidelines2 eine zentrale Rolle spielte. Diese Verbindung zeigt, dass das Soft Law der Transfer Pricing Guidelines in den Händen der Europäischen Kommission zum Hard Law werden kann.
1 OECD BEPS Action Plan 2013, abrufbar unter www.oecd.org/ctp/BEPSAction Plan.pdf. 2 OECD Transfer Pricing Guidelines for Multinational Enterprises and Tax Administrations 2010.
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C. Die Bedeutung von BEPS, insbesondere im Hinblick auf das Phänomen des Treaty Shopping Bevor ich zu den eher technischen Aspekten von BEPS komme, lassen Sie mich meine Erwartungen äußern, dass noch einiges mehr auf uns zukommen wird, sowohl von der OECD als auch von der Europäischen Kommission, bisher jedoch nur äußerst wenige Initiativen gerichtlich geprüft wurden. Ich denke, es ist unsere Pflicht als Akademiker, eingehend zu prüfen, ob die verschiedenen Aktionen gegen Regierungen und Steuerzahler mit dem existierenden gesetzlichen Rahmen, einschließlich der DBA, vereinbar sind. Kommen wir nun zu BEPS. Lassen Sie mich BEPS zunächst in die richtige Perspektive rücken. In den OECD-Mitgliedstaaten beträgt das durchschnittliche Aufkommen aus der Körperschaftsteuer ungefähr 8 % des Gesamtaufkommens. Selbst wenn es durch BEPS zu einer signifikanten Erhöhung des Körperschaftsteueraufkommens kommen würde, wären die Auswirkungen insgesamt doch eher bescheiden. Man kann nicht leugnen, dass das BEPS-Projekt bis zu einem gewissen Grad einen symbolischen Wert hat. Das heißt nicht, dass BEPS nicht wichtig ist. Sieht man sich den Report der OECD vom Februar 2013 sowie die generellen Ressentiments gegen aggressive Steuerplanungen an, wird deutlich, dass etwas geschehen muss. In den Augen der OECD trifft den Missbrauch von DBA, vor allem Treaty Shopping, die Hauptschuld, was an den im BEPS-Report genannten Statistiken deutlich wird.
D. Aktionspunkt 6 des BEPS-Aktionsplans Lassen Sie mich daher nun auf Aktionspunkt 6 der BEPS-Agenda eingehen, der den Missbrauch von DBA behandelt, genauer die Versagung von Abkommensbegünstigungen in unangemessenen Umständen. Der im September 2014 veröffentlichte Bericht1 ist in drei Teile untergliedert: Teil A behandelt Abkommensbestimmungen und/oder innerstaatliche Regeln zur Versagung von Abkommensbegünstigungen in unangemessenen Umständen, Teil B soll klarstellen, dass DBA nicht dazu dienen, eine doppelte Nicht-Besteuerung zu erzielen. Teil C enthält steuerpolitische Erwägungen darüber, was Staaten bedenken sollten, bevor sie sich zum Abschluss eines DBA mit einem anderen Land ent1 OECD Preventing the Granting of Treaty Benefits in Inappropriate Circumstances, 16. September 2014.
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schließen. Teil A, der Abkommensbestimmungen und innerstaatliche Regeln zur Missbrauchsvermeidung behandelt, kann kurz wie folgt zusammengefasst werden: Auf der einen Seite geht es um den Umgang mit Treaty Shopping, auf der anderen Seite um die Bewahrung innerstaatlicher Missbrauchsvorschriften wie der Zinsschranke und der Hinzurechnungsbesteuerung. Teil A des Papiers enthält eine äußerst doppeldeutige Botschaft: Einerseits vermittelt er die Botschaft, dass die Anwendung von DBA grundsätzlich Missbrauchsvermeidungsvorschriften unterliege, die entweder schon im DBA selbst oder im innerstaatlichen Recht enthalten sind. Andererseits jedoch enthält er eine sehr detaillierte und strenge Limitation-on-Benefits-Klausel, die eindeutig durch das US-Musterabkommen inspiriert wurde. Damit sind wir jedoch noch nicht am Ende. Eine LOBKlausel sollte durch einen Principal Purpose Test – eine allgemeine, am Hauptzweck orientierte Antimissbrauchsbestimmung – für solche Fälle ergänzt werden, die vom Anwendungsbereich der LOB-Klauseln nicht erfasst sind. Und schließlich, sozusagen als Sahnehäubchen, sollte das Abkommen in seiner Präambel klarstellen, dass es auch dazu dient, Steuervermeidung vorzubeugen, und dass es auf der Annahme basiert, dass das Abkommen nicht zu einer Doppelnichtbesteuerung führen sollte.
I. Allgemeines Antimissbrauchsverständnis von DBA ohne explizite Regelung Lassen Sie mich zunächst die Auffassung kommentieren, die Anwendung von DBA unterliege einer allgemeinen Anti-Missbrauchs-Vorschrift. Im Jahr 2010 hatte ich für den IFA-Kongress in Rom den General Report zum Thema 1, Application of Anti-Avoidance Provisions and Tax Treaties,1 verfasst. Aus den 44 Länderberichten, die ich erhalten und ausgewertet hatte, wurde deutlich, dass die Gerichte unterschiedlicher Länder äußerst unterschiedlich mit Treaty Shopping und dem Missbrauch von DBA im Allgemeinen umgehen. Einige Länder versagen Abkommensbegünstigungen, wenn Missbrauch festgestellt wird. Ich erwähne hier beispielhaft den Fall der A-Holding in der Schweiz2, in dem 1 IFA-CDFI, Vol. 95a, Tax Treaties and Tax Avoidance: Application of Anti-Avoidance Provisions. 2 CH: BG, 28 Nov. 2005, A Holding Aps, No. 2A.239/2005, Tax Treaty Case Law IBFD.
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es um Treaty Shopping über Dänemark ging, und den Yanko-Weiss-Fall in Israel1, in dem Treaty Shopping über Belgien betrieben wurde. Nichtsdestotrotz vertreten Gerichte in anderen Ländern, einschließlich Indien und den Niederlanden, einen sehr strengen Ansatz. Sie versagen Abkommensbegünstigungen selbst dann nicht, wenn Steuervermeidung zweifelsohne das Motiv für den Einsatz von Treaty-Shopping-Gesellschaften ist. Der Oberste Gerichtshof in Indien hatte im Fall Azadi Bachao Andolan2 deutlich gemacht, dass Verträge, sollte Treaty Shopping nicht erwünscht sein, neu verhandelt werden und in diese eine spezielle Klausel zur Begrenzung von Begünstigungen aufgenommen werden sollte. Es gibt unzählige weitere internationale Fälle mit unterschiedlichen Ergebnissen trotz ähnlicher Umstände. Die Herangehensweise der OECD ist durchaus verständlich: Sie will auf der einen Seite möglichst viel Spielraum für allgemeine abkommensbasierte oder innerstaatliche Anti-Missbrauchs-Regeln lassen, während sie gleichzeitig auf die Aufnahme umfassender LOB-Klauseln in DBA drängt.
II. Darstellung und Bewertung der empfohlenen Limitation-on-Benefits-Klausel für DBA Wenn man sich die vorgeschlagene LOB-Klausel ansieht, ist einiges anzumerken. Zunächst ist die Klausel sehr streng gefasst.
1. Der Anteilseigner-Test Abkommensbegünstigungen stehen nur börsennotierten Gesellschaften zu, oder Gesellschaften, die zu mindestens 50 % bestimmten qualifizierten Personen gehören und deren Einkommen zu weniger als 50 % an Personen gezahlt wird oder diesen geschuldet ist, die nicht in dem jeweiligen Vertragsstaat ansässig sind. Eine Gesellschaft, die sich gemäß diesen Anforderungen nicht für Abkommensbegünstigungen qualifiziert, kann trotzdem in deren Genuss kommen, wenn das im Quellenstaat erzielte Einkommen in Verbindung mit oder zugehörig zu einem Betrieb im Wohnsitzstaat erzielt wird. Wenn ein nach DBA-Recht Ansässiger an den oben genannten Anforderungen scheitert, kann er sich 1 IR: DC, 30 Dec. 2007, Yanko-Weiss Holdings (1996) Ltd. v. Hulon Assessment Officer, No. 5663/07, Tax Treaty Case Law IBFD. 2 IN: SC, 7 Oct. 2003, Azadi Bachao Andolan v. Union of India, Tax Treaty Case Law IBFD.
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an die zuständigen Behörden des Quellenstaats wenden und sich bescheinigen lassen, dass er nicht durch Steuervermeidung motiviert ist, um dennoch in den Genuss von Abkommensbegünstigungen zu kommen.
2. Der Aktivitäts-Test Bevor ich nun einige besonders interessante Aspekte der vorgeschlagenen LOB-Klausel hervorhebe, wiederhole ich noch einmal, dass sie sehr streng gefasst ist. Meiner Meinung nach würden beinahe alle existierenden Treaty-Shopping-Strukturen unwirksam werden, sollte diese LOBKlausel angenommen werden. Die meisten der im BEPS-Bericht aufgeführten Fälle würden bereits am Anteilseigner-Test scheitern. Selbst die Gutgläubigsten in der Welt des Treaty Shopping, die an die Erhaltung der Abkommensbegünstigungen durch den „in Verbindung zu einem Betrieb“- oder Aktivitäts-Test glauben, wären enttäuscht. Die Verwaltung von Kapitalanlagen ist hier ausdrücklich ausgeschlossen. Die Beispiele in dem OECD-Papier zeigen deutlich, dass ein tatsächlicher Betrieb im Ansässigkeitsstaat geführt werden und dass eine tatsächliche Verbindung zwischen diesem Betrieb und dem Betrieb im Quellenstaat bestehen muss. Einige Punkte stechen hervor und verdienen unsere Aufmerksamkeit. Die Anerkennung der EU-Grundfreiheiten ist nur ein Lippenbekenntnis. Es ist eindeutig, dass diskriminierende Beschränkungen bezüglich der Gesellschafter oder der Verbindung zu einem Gewerbebetrieb in der Europäischen Union nicht haltbar sind.
3. Der Börsen-Test Außerdem lässt der sehr eng gefasste Wortlaut der verschiedenen Tests die globale Ausrichtung vieler multinationaler Konzerne völlig außer Acht. Der Börsen-Test zum Beispiel schreibt vor, dass entweder die Hauptaktiengattung hauptsächlich an einer oder mehreren anerkannten Börsen im Ansässigkeitsstaat gehandelt wird, oder dass sich die Geschäftsleitung in diesem Staat befindet. Die letztgenannte Vorschrift scheint direkt die US-amerikanische Anti-Inversions-Abkommenspolitik widerzuspiegeln. Außerdem ist selbst ein Pensionsfonds nur dann zu Abkommensbegünstigungen berechtigt, wenn mehr als 50 % seiner Begünstigten im Ansässigkeitsstaat des Pensionsfonds ansässig sind. Hier haben wir es mit einer Verkennung der heutigen Realität zu tun.
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4. Klausel für abgeleitete Begünstigungen Über die LOB-Vorschriften gibt es einiges mehr zu sagen, zum Beispiel über die vorgeschlagene Klausel für abgeleitete Abkommensbegünstigungen. Dennoch möchte ich für einen Moment Ihre Aufmerksamkeit auf den PPT, den Principal Purpose Test, lenken.
III. Der Principal Purpose Test Der PPT liest sich wie folgt: „Notwithstanding the other provisions of this Convention, a benefit under this Convention shall not be granted in respect of an item of income or capital if it is reasonable to conclude, having regard to all relevant facts and circumstances, that obtaining that benefit was one of the principal purposes of any arrangement or transaction that resulted directly or indirectly in that benefit, unless it is established that granting that benefit in these circumstances would be in accordance with the object and purpose of the relevant provisions of this Convention.“
In dem OECD-Papier wird das Argument vorgebracht, dass selbst „gute“ Ansässigkeit, also börsennotierte Körperschaften, Banken und so weiter in Vermeidungsgeschäfte wie Dividend Stripping oder Durchleitungsfinanzierungen oder Ähnliches verwickelt werden könnten. Das ist zwar richtig, jedoch haben wir es hier mit einem bemerkenswerten Widerspruch zwischen den Arbeiten zum Beneficial Owner und dem Bezug zu Durchleitungsfinanzierungen im OECD-Papier zu tun. Die Herangehensweise scheint die zu sein, dass eine Durchleitungsgestaltung, die den Beneficial Owner Test besteht und in der eine Durchleitungsgesellschaft genutzt wird, die sich nach den LOB-Vorschriften qualifiziert hat, immer noch am Principal Purpose Test scheitern kann. Es gibt einen großen Industriezweig, der sein Geschäft mit der Wertpapierleihe, durch Rückkaufgeschäfte und Ähnliches macht, und der mit Sicherheit vom PPT betroffen sein wird.
IV. Berücksichtigung der Arbeiten zu Aktionen 2 (Hybrid Mismatch Arrangements) und 15 (Multilateral Instrument) Aus dem OECD-Papier wird deutlich, dass dies noch nicht die Endversion, noch nicht der Weisheit letzter Schluss ist, und dass es mit anderen Aktionspunkten, wie zum Beispiel Aktion 2 – dealing with hybrid mismatches – in Einklang gebracht werden muss. Eine interessante Verbin-
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dung besteht auch zu Aktion 15, der Entwicklung eines multilateralen Instruments. Die Aufnahme von LOB- und PPT-Klauseln in DBA wird möglicherweise Jahrzehnte dauern, da dazu die Neuverhandlung vieler bereits existierender DBA notwendig ist. Die OECD hat natürlich längst festgestellt, dass die Beeinflussung der Abkommensanwendung durch Anpassungen des Musterkommentars ihre Grenzen hat, und es ist nur natürlich zu erwarten, dass sie über eine multilaterale Vereinbarung einen flexiblen und beweglichen Mechanismus schaffen möchte. Eine solche multilaterale Vereinbarung wird aller Voraussicht nach LOB- und PPTKlauseln beinhalten. Angesichts der Natur dieser Klauseln sowie des EURechts und der verfassungsrechtlichen Vorgaben ist nicht auszuschließen, dass eine allgemeine Zustimmung zu diesem Teil der multilateralen Vereinbarung ausbleiben könnte.
E. Schlussfolgerungen In 30 Minuten kann dieses umfassende Thema „Bekämpfung der Steuervermeidung“ natürlich nur oberflächlich behandelt werden. Nichtsdestotrotz ist die langfristige Richtung eindeutig festgelegt. Die gemeinsame Initiative wird zu neuen nationalen Missbrauchsvorschriften und zur Aufnahme strengerer Anti-Missbrauchsklauseln in DBA führen. All das wird große Auswirkungen auf die internationale Geschäftswelt haben. Bis zu einem gewissen Grad ist dies sehr gut. Denn es wird dabei helfen, das Vertrauen der Öffentlichkeit in das internationale Steuersystem wiederherzustellen. Es besteht allerdings auch die Gefahr, dass extrem umfassende Missbrauchsklauseln die Mobilität internationaler Geschäftsbeziehungen behindern werden. Uns Akademikern kommt eine wichtige Rolle in dieser Angelegenheit zu, und deshalb ermutige ich jeden, der sich dafür interessiert, Forschung auf den relevanten Gebieten zu betreiben.
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BEPS aus der Sicht von Verwaltung und Unternehmen Neuausrichtung der Missbrauchsbekämpfung Podiumsdiskussion Leitung Prof. Dr. Jürgen Lüdicke Rechtsanwalt, Steuerberater, International Tax Institute, Universität Hamburg Teilnehmer Prof. Dr. Dietmar Gosch Vors. Richter am Bundesfinanzhof, München/Christian-AlbrechtsUniversität zu Kiel Dr. Berend Holst Volkswagen AG, Global Head of Tax & Customs MinDirig Martin Kreienbaum Bundesministerium der Finanzen, Berlin
Dr. Friedrich Loschelder, LL.M. (Edinb.) Richter am Finanzgericht, Hamburg Oliver Nußbaum BASF SE, Global Head of Tax Prof. Dr. Stef van Weeghel Universität Amsterdam/ Chair of the Permanent Scientific Committee of IFA
Prof. Dr. Lüdicke Meine Damen und Herren, wir haben in drei ausgezeichneten Vorträgen die vielschichtigen Zielrichtungen, Fragen und Probleme vorgeführt bekommen, die mit BEPS verbunden sind. Die Diskussion wird von Herrn Loschelder eröffnet. Dr. Loschelder Vielen Dank, Herr Lüdicke. Ich möchte gern an den mehrfach schon angesprochenen Gesichtspunkt der Rechtfertigung der BEPS-Initiative anknüpfen und habe dazu eine Frage, weil ich da etwas vielleicht nicht verstanden habe.
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Podiumsdiskussion: BEPS aus der Sicht von Verwaltung und Unternehmen
Herr Professor van Weeghel, Sie haben geschildert, wie sich die OECD in ihrer Presseerklärung vom Januar 2012 dem Kampf gegen internationale missbräuchliche Steuergestaltung verpflichtet hat, und Sie haben zum Schluss Ihres Vortrags die Hoffnung geäußert, dass die Bemühungen der gemeinsamen Initiative dabei helfen werden, das Vertrauen der Öffentlichkeit in das internationale Steuerrecht wiederherzustellen. Sie haben allerdings auch darauf hingewiesen, dass der Anteil der Körperschaftsteuer am Gesamtsteueraufkommen der einzelnen OECD-Staaten im Durchschnitt lediglich acht Prozent beträgt, und dass selbst dann, wenn es durch BEPS zu einer signifikanten Erhöhung des Körperschaftsteueraufkommens käme, die Auswirkungen eher bescheiden wären. Vor drei Wochen ist das Jahresgutachten 2014/2015 des Sachverständigenrates zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung in Deutschland veröffentlicht worden.1 Und die fünf Mitglieder dieses Gremiums stellen ebenfalls fest, dass die Auswirkungen der Gewinnverlagerung auf das deutsche Steueraufkommen eher gering sein dürften. Ich möchte aus dem Gutachten zitieren, da heißt es:2 „Die Steuern auf Gewinne von Kapitalgesellschaften haben traditionell einen vergleichsweise geringen Anteil am Gesamtsteueraufkommen. Darüber hinaus belegen insbesondere neuere Studien, dass die breite Masse der Unternehmen keine exzessiven Gewinnverlagerungen durchführt. Die Ergebnisse legen nahe, dass die Steuermindereinnahmen aufgrund von Gewinnverlagerung in Deutschland entgegen anderslautender Äußerung einen einstelligen Milliardenbetrag nicht übersteigen.“ Das wird weiter ausgeführt unter Analyse der einzelnen Studien. Jetzt meine Frage in erster Linie an Sie, Herr van Weeghel, aber auch an Sie, Herr Kreienbaum: Wenn ich beides einander gegenüberstelle, die Rechtfertigung der BEPS-Initiative durch die OECD mit den Steuervermeidungsexzessen multinationaler Konzerne auf der einen Seite und den Befund, dass die fiskalische Bedeutung dieser Exzesse eher gering ist, auf der anderen Seite, sagen Sie dann damit nicht im Grunde, Herr van Weeghel, dass die Öffentlichkeit mit dieser Rechtfertigung getäuscht wird? Wenn es tatsächlich nicht um das Steueraufkommen geht, worum geht es dann?
1 S. Jahresgutachten 2014/2015 des Sachverständigenrates zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung, BT-Drucks. 18/3265. 2 BT-Drucks. 18/3265, Rz. 659.
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Podiumsdiskussion: BEPS aus der Sicht von Verwaltung und Unternehmen
Prof. Dr. van Weeghel Fragte man die Ökonomen der OECD, sagten sie wahrscheinlich, dass Körperschaftsteuern sehr verstörend sind und dass es besser wäre, sie abzuschaffen und stattdessen das Steueraufkommen über Mehrwertsteuern und Steuern für Immobilien sicherzustellen. Rational betrachtet kann man wohl nur diesen Schluss ziehen, aber das ist, wie ich glaube, politisch und auch im Umfeld der Non-Governmental Organisations nicht umzusetzen. Nach meiner Ansicht geht z.B. durch Umsatzsteuerbetrug deutlich mehr Steueraufkommen verloren als durch BEPS. Es wäre also viel effektiver, sich hierauf zu konzentrieren, aber das ist derzeit wohl nicht angemessen angesichts der politischen Diskussion, des Aktivismus von NGOs und der Erwartungen, die in die Arbeiten der OECD gesetzt werden. Die symbolische Bedeutung des BEPS-Projekts ist nicht zu unterschätzen. Dr. Loschelder Zur Größenordnung der hier relevanten Zahlen: Die kassenmäßigen Steuereinnahmen des Jahres 2013 betrugen bei der Körperschaftsteuer 19,5 Milliarden Euro und bei der Umsatzsteuer das Zehnfache, also knapp 197 Milliarden Euro. Für einen symbolischen Akt ist das schon sehr viel, was da an Aufwand betrieben wird. Erlauben Sie mir noch eine weitere Frage, Herr van Weeghel: Sie haben geschildert, wie die europäische Kommission das Beihilferecht verwendet, um „aggressive Steuerplanungen“ zu bekämpfen, und Sie haben die Befürchtung geäußert, dass auf ähnliche Weise auch die OECD Transfer Pricing Rules instrumentalisiert werden könnten. Und Sie haben über dieses neue Vehikel gesprochen, das „multilaterale Instrument“. Kann es sein, dass es eigentlich um etwas ganz anderes geht? Nämlich darum, dass die europäische Kommission über die BEPS-Initiative und das multilaterale Instrument ihre Kompetenzen auf dem Gebiet der direkten Steuern, das der Kompetenzordnung nach ihrem Zugriff verschlossen ist, weiter ausdehnt? Prof. Dr. van Weeghel Das ist eine sehr schwierige Frage. Es ist natürlich so, dass die staatliche Beihilfe, Fiscal State Aid, in der Kompetenz der Europäischen Kommission liegt, darüber kann kein Zweifel sein. Aber was man hier in den Apple-, Fiat-Finance- und Starbucks-Fällen sieht, ist, dass die OECD Transfer Pricing Guidelines in das System in Irland, Luxemburg und in
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Podiumsdiskussion: BEPS aus der Sicht von Verwaltung und Unternehmen
den Niederlanden importiert wurden und schon die Transfer Pricing Guidelines in der heutigen Form im Rahmen der Gesetze angewendet werden, die damals in Irland, Luxemburg und in den Niederlanden in Kraft waren. Und dann glaube ich auch, dass die Europäische Kommission eigentlich sagt, wir haben hier die Transfer Pricing Guidelines und da gibt es eine große Bandbreite mit möglichst guten Verrechnungspreisen, aber wir in der Kommission wissen genau, was der exakt gute Verrechnungspreis ist. Das gibt mir das Gefühl, das kann nicht sein. Es gibt sicher eine Spannung dort. MinDirig Kreienbaum Zunächst zu der Rechtfertigung der BEPS-Initiative und der Frage, ob fiskalische Mehreinnahmen für Deutschland zu erwarten sind. Dazu möchte ich festhalten, dass aus Sicht Deutschlands die Erwartung, fiskalisch deutliche Mehreinnahmen zu erzielen, in diesem Projekt weder im Vordergrund stand noch unmittelbar im Vordergrund steht. Für uns stehen Fragen der Standortattraktivität im Vordergrund. Und Standortattraktivität ist keine absolute Größe, sie ist immer eine relative Frage. Ein Standort kann unter steuerlichen Gesichtspunkten mehr oder weniger attraktiv im Verhältnis zu anderen Staaten sein. Die internationale Diskussion um Gewinnverlagerungen dreht sich stark um diesen Aspekt: Die OECD- und G20-Mitgliedstaaten möchten verhindern, dass sie einem verzerrenden Wettbewerb ausgesetzt sind. Diese Verzerrung kann durch international nicht oder nur unzureichend abgestimmte Regeln entstehen, aber auch durch bewusste Anreize einzelner Staaten, die nicht als fairer Wettbewerb anerkannt werden. Und wenn wir im Kontext von Firmenübernahmen sehen, dass Konzerne, die beispielsweise von einem langzeitigen Steueraufschub profitieren und Gewinne in niedrig besteuernden Ländern thesaurieren, in der Lage sind, mit deutlichen Wettbewerbsvorteilen an Firmenübernahmen zu gehen, im Verhältnis zu Firmen in Deutschland oder zu Firmen in Staaten, die diese Vorzüge nicht erlauben, ist das ein Punkt, der unsere Bemühungen rechtfertigt. Dass sich Standortattraktivität mittelbar im Steueraufkommen niederschlägt, wird – soweit ich sehe – von Ökonomen nicht bezweifelt. Zu Ihrem zweiten Punkt, zum sogenannten „multilateralen Instrument“ und einer möglichen Kompetenzverlagerung auf die EU: Es handelt sich bei der Diskussion um ein Instrument, das wir auf Ebene OECD und G20 diskutieren. Ein solches Instrument soll dazu dienen,
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einige dafür geeignet erscheinende Ergebnisse aus der BEPS-Diskussion rechtlich umzusetzen und dabei zu gewährleisten, dass dies zügig, in gleicher Form und gleichzeitig für alle Staaten, die sich daran beteiligen wollen, geschieht. In Deutschland – wie in vielen anderen Staaten – müsste ein solches Instrument ratifiziert werden, um rechtliche Wirkung zu entfalten. Mit einer Verlagerung von Kompetenzen hat das nichts zu tun. Eine ganz andere, davon unabhängige Frage ist, ob es nicht sinnvoll wäre, auch im Bereich der direkten Steuern stärker zu harmonisieren oder das Richtlinienrecht im Bereich der direkten Steuern vor dem Hintergrund von BEPS zu analysieren und gegebenenfalls auch zu verändern. Viele Mitgliedstaaten der Europäischen Union kommen zu dem Ergebnis, dass sie beispielsweise bei der Verabschiedung der Zins- und Lizenzgebührenrichtlinie oder auch der Mutter-Tochter-Richtlinie auf ihre Quellensteuern für den Fall nicht verzichtet hätten, dass der Ansässigkeitsstaat des Zahlungsempfängers nicht besteuert. Sie haben in der Annahme verzichtet, dass es für die Verwirklichung des Binnenmarkts besser ist, wenn eine Besteuerung auf Nettobasis nur im Ansässigkeitsstaat stattfindet und nicht auch im Quellenstaat auf Bruttobasis. Vor dem Hintergrund, wie einzelne Staaten das Regelungsgeflecht von Grundfreiheiten und Richtlinienrecht ausnutzen, scheint mir die Frage gerechtfertigt, ob damit das ursprünglich verfolgte Ziel, die Verwirklichung des Binnenmarkts, tatsächlich noch erfüllt wird. Mit anderen Worten: Wird die Verwirklichung des gemeinsamen Binnenmarkts dadurch erreicht, dass Deutschland beispielsweise auf ein Quellenbesteuerungsrecht verzichtet, Betriebsausgaben abfließen, korrespondierende Erträge in anderen EU-Staaten unbesteuert bleiben und auch das Gemeinschaftsgebiet unbesteuert verlassen? Das ist wahrscheinlich nicht das Ziel, das wir mit dem Richtlinienrecht verfolgen. Dr. Holst Die Vorträge haben das Spannungsfeld der BEPS-Initiative deutlich auf den Punkt gebracht. In der Außenansicht – damit meine ich die Wahrnehmung in der Öffentlichkeit – geht es um den Kampf gegen aggressive Steuergestaltung. Diese Wahrnehmung wird in der Öffentlichkeit auch politisch so befeuert, dass Druck auf Unternehmen und deren Berater ausgeübt wird. Herr van Weeghel, Sie haben gesagt, die Unternehmen wehren sich nicht; Herr Nußbaum hat schon Beispiele gebracht, dass sich das Wehren nicht so sehr lohnt. Auch über mein Unternehmen gab
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es einmal eine Sendung im öffentlich-rechtlichen Fernsehen. Wir haben vorab eine seitenlange Stellungnahme geschrieben, Anlagen aus dem Geschäftsbericht beigefügt usw.; die Wirkung dieser sachlichen Auseinandersetzung war gleich null. Man hatte den Eindruck, dass die Dreharbeiten schon abgeschlossen waren und Sachargumente nicht mehr in die Storyline passten. Es ist also schwer für Unternehmen, in den Medien zu punkten. In der Innenwelt deutscher Konzerne mit internationalen Aktivitäten sieht die tägliche Praxis gänzlich anders aus. Denn hier geht es uns darum, Doppelbesteuerungen zu vermeiden, und wir sind auf zeitnahe, verlässliche und verbindliche Verständigungsverfahren angewiesen. Es mangelt aus unserer Sicht nicht an Regelungen zur Vermeidung von Niedrigbesteuerungen in sog. Steueroasen. Deswegen stellt sich die Frage: Leben wir in zwei verschiedenen Welten, und wo liegt die Wahrheit? Meines Erachtens, und das ist natürlich für einen Unternehmensvertreter wenig überraschend, liegt diese viel näher bei der Sichtweise der Unternehmen, denn im Tagesgeschäft geht es regelmäßig um Fragen der Doppelbesteuerung, und das Schreckgespenst „weiße Einkünfte“ ist eher ein Mythos. Ich empfinde, ehrlich gesagt, die BEPS-Diskussion in Deutschland als scheinheilig, denn es ist letztendlich gar nicht mehr eine Diskussion um Steuerrecht, sondern um Steuermoral. Ich möchte dies einmal an drei Beispielen verdeutlichen: Ist es verboten, existierende Verlustvorträge durch die Implementierung einer Konzernfinanzierungsgesellschaft zu nutzen? Meiner Einsicht nach ist es sogar geboten, denn die erlittenen Verluste haben meine Leistungsfähigkeit gemindert und es sollte selbstverständlich sein, dass ich diese Verluste auch nutzen darf. Um nichts anderes ging es im Kern in den Luxemburg-Leaks-Vorwürfen an zwei deutsche Unternehmen. Diese hatten jeweils Verlustvorträge in Luxemburg und haben dort ihre Konzernfinanzierung etabliert. Es ist dann auch nicht verwunderlich, dass die Steuerquote dieser Unternehmen in Luxemburg nicht sonderlich hoch war, weil der Verbrauch von Verlustvorträgen regelmäßig dazu führt – wenn es nicht gerade eine Mindestbesteuerung gibt –, dass ich keine Steuern zahle. Zweites Beispiel: Ist es verboten, von den fiktiven Zinsaufwendungen auf Eigenkapital in Belgien zu profitieren oder daran zu partizipieren? Meiner Meinung nach eindeutig nein. Herr Kreienbaum, Sie haben die Diskussion um Steuerwettbewerb geführt. Wenn so etwas nicht gewollt ist, dann müssen Sie auf politischer Ebene dagegen vorgehen, aber dies den Unternehmen vorzuhalten, halte ich für falsch.
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Drittes Beispiel, das ebenfalls in der Öffentlichkeit kritisch thematisiert wird: Muss ich bereits versteuerte Auslandsgewinne nach Deutschland durchschütten, oder ist es legitim, nicht im Inland benötigte Liquidität beispielsweise über einen sogenannten Dividendenblocker in einem Drittstaat zu lassen und von dort aus die Konzernfinanzierung vorzunehmen? Auch darin sehe ich eine normale Steuergestaltung und kann daran nichts Unmoralisches erkennen. Alle drei Fragen sind somit eindeutig mit „nein“ zu beantworten. In Fernsehsendungen und Presse wird allerdings das Gegenteil suggeriert. Im Übrigen, und dazu kommen wir wahrscheinlich noch später bei den Einzelpunkten, hat die BEPS-Diskussion auch für den deutschen Fiskus gefährliche Züge, denn mit der Diskussion um Betriebsstättenbegriffe und Country-by-Country Reporting wird das deutsche Steuersubstrat mit Sicherheit nicht erweitert, denn wir sind ein stark exportorientiertes Land. Zum Schluss vielleicht noch ein Satz zur Missbrauchsbekämpfung, Punkt 6 des Aktionsplans. Der Entwurf im September, Herr van Weeghel hat das dargestellt, war in der Tat sehr einengend, sodass ein weiterer Kreis fürchten musste, nicht mehr den DBA-Schutz zu genießen. Meines Wissens ist vor zwei Wochen ein neuer Entwurf zu Punkt 6 des Aktionsplans veröffentlicht worden, der ein bisschen differenzierter ist. Generell ist gegen den Kampf gegen Missbrauch auf Abkommensebene nichts einzuwenden, wir brauchen aber klare und verlässliche Regelungen, die vor allem aufeinander abgestimmt sind, weil man ansonsten mit Doppelbesteuerungsabkommen nicht mehr arbeiten kann. Prof. Dr. Lüdicke Vielen Dank, Herr Holst. Ich glaube, Ihr Beitrag hat noch einmal eines der Grundprobleme der ganzen Debatte deutlich gemacht. Herr Kreienbaum hatte ja in seinem Vortrag versucht, die Debatte oder das BEPSProjekt als etwas, das zwischen den Staaten stattfindet, das also ohnehin stattfinden würde, darzustellen, wobei es darum geht, unfairen Steuerwettbewerb möglichst nicht mehr zuzulassen, zu vernünftigen, gemeinsamen, koordinierten Regeln oder jedenfalls Ansichten zu kommen usw. Und auf der anderen Seite schwingt eben immer noch ein gewisses Unternehmensbashing gegen aggressive Steuerplanung mit, und das war vor zwei, drei Jahren einer der Anfänge in der öffentlichen Wahrnehmung. Heute distanziert sich die OECD davon – und das Bundesfinanzministerium auch. Aber: Wenn Sie auf die OECD-Seite im Internet ge-
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hen, dann finden Sie im Bereich Taxation links einige Oberbegriffe zum Anklicken, und der oberste Begriff lautet immer noch „Aggressive Tax Planning“. Das passt an sich in dieses Bild nicht so ganz rein, das man da jetzt geben will, und ich glaube, da kommt auch ein Teil des Unbehagens her. Herr Holst, Sie haben ja recht deutlich artikuliert, dass es immer noch auch um die Moralfrage bei der Unternehmensplanung geht, während ja das, was Sie, Herr Kreienbaum, dargestellt haben, letztlich ein anderer Punkt ist. Da geht es um den Umgang der Staaten miteinander, um die Aufteilung des Steuersubstrats. Herr Gosch, wollen Sie in dem Streit schlichten? Prof. Dr. Gosch Sie meinen von Berufs wegen? Prof. Dr. Lüdicke Ja! Prof. Dr. Gosch Ich weiß nicht, ob uns das bei diesem Diskussionsthema so wirklich weiterhilft. Ich fürchte, eher nicht. Kraft Amtes bin ich damit jedenfalls nicht beschäftigt und kann auch nichts weiter dazu beitragen. Ich kann mich allerdings wundern, das aber weniger als Richter denn als Staatsbürger und Zeitungsleser. Patrick Welter, Washington, schreibt in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung vom 27.11.2014 über die „Steuerpolitik mit der Moralkeule“. Darin heißt es: „Innovativer und erfolgreicher Wettbewerb hat immer etwas Wildes und Unberechenbares an sich. Steuerpolitik mit der Moralkeule ist der falsche Weg. Diese treibende Kraft dem Wettbewerb um die Steuerbasis zu entziehen, wird die Konkurrenz schwächen. Das bedeutet auf mittlere Sicht höhere Steuerlasten für Unternehmen auf Kosten von Arbeitsplätzen und Wachstum. Unternehmensschelte hilft dagegen nicht.“ In der letzten IFA-Vorstandssitzung hat der Kollege Jonas einen ähnlichen Artikel aus der „Börsen-Zeitung“1 ausgeteilt. „Merck hat in Luxemburg keine Oasengefühle. Für uns steht Luxemburg als Urlaubsort im Vordergrund. Oasengefühle haben wir nicht, sagt der Vorstand von Merck.“ Und dann lese ich in der „SZ“2 in einem Gastkommentar aus der Feder von Martin Schoeller, 1 V. 14.11.2014. 2 V. 24.11.2014.
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dem CEO einer süddeutschen Unternehmensgruppe: „Schluss mit der Hetzjagd.“ All das, all diese Verlautbarungen „hauen“ in dieselbe Kerbe. Angemerkt wird, dass die Körperschaftsteuer doch nur eine marginale Quote des gesamten Haushaltskuchens ausmacht. Im Grunde gehe es darum, die Attraktivität des Standorts zu stärken. Das tun wir, indem wir im Steuerwettbewerb gut dastehen, das schafft dann Arbeitsplätze und Umsatzsteuer und Lohnsteuer usw. Aus meiner subjektiven Sicht lässt sich das gut hören. Nun sagen Sie, Herr Kreienbaum, die Welt verändere sich und man müsse manches anders sehen als früher. Auch das trifft sicher zu. Nur möglicherweise verändert die Welt sich auch ohne BEPS-Aktionismus. Und in Zeiten, wo in der Satzung vom FC Bayern München immerhin das Unbescholtenheitserfordernis für den Vereinsvorstand gestrichen wird – auch davon habe ich gelesen –, hat das Ganze zuweilen schon etwas recht Pharisäerhaftes. Aber nach dieser „Suada“ dann doch noch zu dem einen oder anderen rechtlichen Aspekt: Ich wähne mich im guten Schulterschluss mit Wolfgang Schön, der sich in einem ebenfalls in der FAZ vom 27.11.2014 erschienenen „Standpunkt“ unter dem Titel „Ist Steuerwettbewerb illegal?“ zu den Lizenzboxen und Patentboxen geäußert hat und sich darin darüber auslässt, ob derartige Errungenschaften in der EU nicht schon beihilferechtlich abgefangen werden können. Bei einer Lizenzbox handelt es sich um die selektive Bevorzugung bestimmter Wirtschaftskreise. Sie verletzt die Referenzbesteuerung, und über diesen Hebel sollte einer übermäßigen Standortpolitik in der Tat begegnet werden können. Das betrifft dann sicher auch die eine oder andere BEPS-Maßnahme. Ansonsten sollte man sich davor hüten, jegliche Steuervermeidung als Steuerschlupfloch zu brandmarken und jegliche attraktive Steuerregelung in einem anderen Staat als „unfair“ anzusehen. Ein „gesunder“ Steuerwettbewerb schützt durchaus auch vor übermäßigen Steuerzugriffen im Inland.1 Dann noch ein Wort zu Ihren Überlegungen, Herr van Weeghel, zum Missbrauch. Etliches davon ist uns ja allen seit Langem wohlbekannt, auch wenn manches im Detail immer noch streitbefangen ist. Ich fürchte allerdings, dass sich an der Streitbefangenheit nicht allzu viel ändern wird. Das, was ich dazu in dem Aktionspunkt 6 lese, und das, was dazu teilweise auch schon umgesetzt ist – ich denke nur an die LOB-Klausel im DBA USA –, das macht die Dinge gewiss nicht einfacher und hand-
1 Zutreffend Siems in „Die Welt“ v. 20.11.2014: „Bloß kein Weltfinanzamt“.
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habbarer. Vielfach dürften DBA, wenn sie denn auf dieser Basis geschlossen werden, die Doppelbesteuerung eher befördern denn verhindern. Die Hürden, abkommensrechtliche Vorteile beanspruchen zu können, sind hoch. In Anbetracht dessen mag es überraschen, dass die Akteure sich so massiv mit der doppelten Nichtbesteuerung beschäftigen. Geht es tatsächlich noch um das eigentliche Ziel von Abkommen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung, so bekanntermaßen die volle Bezeichnung der Kurzformel „Doppelbesteuerungsabkommen“, also um das Primat der Vermeidung der Doppelbesteuerung, oder zuvörderst um die Vermeidung der Doppelnichtbesteuerung? Die Dinge scheinen sich hier mittlerweile umzukehren. MinDirig Kreienbaum Ich habe ja schon häufig in öffentlichen Veranstaltungen darauf hingewiesen, dass das OECD-Projekt zu BEPS mit Unternehmensbashing ausdrücklich nichts zu tun hat, sondern dass sich die BEPS-Initiative an die beteiligten Staaten richtet. Und ich wiederhole es gern: Wenn sich ein Unternehmen innerhalb des geltenden Steuerrechts bewegt, kann ich darin nichts Verwerfliches finden. Die Bewertung, ob das Bewegen innerhalb des Rechtsrahmens moralischen Vorstellungen genügt oder nicht, ist keine Sache, die ich aus öffentlicher Sicht kommentieren will. Da muss jedes Unternehmen und jeder Steuerpflichtige für sich entscheiden, wie es sich oder er sich in diesem Rahmen bewegt und ob mit diesem Verhalten steuerliche Reputationsrisiken verbunden sind. Ganz anders stellt sich das Verhältnis von Steuerrecht und moralischen Kategorien in der Frage der Gestaltung des Steuerrechts. Steuerrecht wird, so hoffe ich, auch unter Berücksichtigung steuerethischer und steuermoralischer Vorstellungen gestaltet. Auch Steuergerechtigkeit und Gleichmäßigkeit der Besteuerung sind Kategorien, die in der Gestaltung des Rechts Berücksichtigung finden. Insofern sind rechtliche Kategorien und ethisch-moralische Faktoren keine voneinander getrennten Bereiche. Selbstverständlich gibt sich eine Gesellschaft eine Steuerrechtsordnung auch unter Berücksichtigung moralischer und ethischer Vorstellungen. Wir befinden uns in einer Phase, in der wir Steuerrechtsordnungen international neu justieren, natürlich auch vor dem Hintergrund ethischer und moralischer Vorstellungen. Darin sehe ich nichts Unaufrichtiges. Mit dem Vorhalt „Moralkeule“ kann ich wenig anfangen. Sollte damit der untaugliche Versuch gemeint sein, steuerrechtliche Folgen außerhalb des gesetzten Rechts herleiten zu wollen, scheint
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mir das keine hinreichende Grundlage für eine weiterführende Diskussion zu sein. Zu Ihrem zweiten Punkt, Herr Prof. Gosch, der Verabschiedung vom Primat der Vermeidung der Doppelbesteuerung in unserer Abkommenspolitik: Ich bin davon überzeugt, dass davon nicht die Rede sein kann. Deutschland hat sich, wie alle anderen OECD-Staaten und viele Staaten darüber hinaus, in den letzten 50 Jahren mit einem dichten Abkommensnetz ausschließlich um die Vermeidung der Doppelbesteuerung gekümmert. Wir werden dies auch künftig mit gleicher Tatkraft fortsetzen. Jetzt kommt der Gedanke hinzu, dass die doppelte Nichtbesteuerung aus Sicht der beteiligten Staaten als nicht wünschenswert erkannt wird, und wir ergänzen, wie es künftig auch im Titel und in der Präambel des OECD-Musters genannt wird, die Abkommensziele um das Ziel der Vermeidung der doppelten Nichtbesteuerung. Dabei handelt es sich um ein komplementäres Element, das gleichwertig neben der Vermeidung der Doppelbesteuerung steht. Prof. Dr. Gosch Noch ein Wort dazu: Wenn es denn tatsächlich komplementär ist, dann stimme ich Ihnen zu, Herr Kreienbaum. Nur „komplementär“ im Begriffssinn war eigentlich die doppelte Nichtbesteuerung, es ist nicht die Vermeidung derselben. Denn sie ist gewissermaßen phänotypisch für die Freistellungsmethode, die bekanntlich auf einer bloß virtuellen Doppelbesteuerung in beiden Vertragsstaaten aufbaut. Stellt man hingegen auf eine tatsächliche Doppelbesteuerung ab, dann konterkariert man diese Methode. Das muss man sich schon klar machen und stellt damit viele Vorteile, die damit jahrzehntelang verbunden waren, im Kern auf den Kopf. Die damit verbundenen Nachteile hat man lange Zeit bewusst in Kauf genommen. MinDirig Kreienbaum Dem muss ich gleich widersprechen. Wir gewähren die Freistellung im Inland unter der Annahme, dass im Ausland besteuert wird. Die Freistellungsmethode soll dem im Ausland tätigen inländischen Unternehmer erlauben, zu steuerwettbewerbsfähigen Konditionen im Auslandmarkt tätig werden zu können. Wenn im Ausland allgemein nicht besteuert wird, schließen wir in der Regel kein Abkommen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung ab. Dies ist konsequent, denn eine Doppelbesteuerung kann nicht vermieden werden, wenn ein Staat von vornherein
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nicht besteuert. In Zukunft stellen wir in unserem Abkommensrecht klar, dass dem früher häufiger vertretenen „Verbot der virtuellen Doppelbesteuerung“ die Geschäftsgrundlage fehlt. Prof. Dr. Lüdicke Gut, ich glaube, ein Problem bleibt. Derzeit steht die doppelte Nichtbesteuerung schon ganz stark im Fokus. Vielleicht ist das ja ein bisschen wie so ein Pendel, das schwingt jetzt relativ weit in diese Richtung, und ich hoffe, dass das auch mal wieder zurückschwingt. Ich hätte noch eine Frage, Herr Kreienbaum, an Sie, im Anschluss an eine Bemerkung von Herrn Loschelder. Die Körperschaftsteuer macht in Deutschland wie in anderen Staaten nur ein paar Prozent vom Gesamthaushalt aus, ganz anders als die Umsatzsteuer. Wir wissen alle, dass etwa mit Umsatzsteuerkarussellgeschäften im ganz erheblichen Maße Schindluder getrieben wird. Und das ist ja nun, nach meinem Kenntnisstand, wohl schlicht kriminell und nicht nur einfach Steuerplanung und unmoralisch. Man hat aber zurzeit nicht den Eindruck, dass sich die internationalen Organisationen dieses Themas mit der gleichen Verve annehmen. Das wundert mich ein wenig. Das ist natürlich nur mein subjektiver Eindruck. MinDirig Kreienbaum Ich teile diesen Eindruck nicht. Wir verfolgen weiterhin mit Vehemenz den Umsatzsteuerbetrug. Die BEPS-Initiative, auch wenn sie fiskalisch im Verhältnis zum Umsatzsteuerbetrug weniger bedeutsam sein mag, hat doch auch eine ganze Menge, wenn man sich die öffentliche Wahrnehmung zu diesem Thema anschaut, mit der gefühlten Steuergerechtigkeit zu tun. Dieses Thema bewegt auch über die Fachwelt hinaus Menschen. Die Wahrnehmung von Steuerpolitik und Steuergerechtigkeit ist aus meiner Sicht ein wichtiger Aspekt. Prof. Dr. Lüdicke Vielen Dank, Herr Kreienbaum. Wir haben eben bereits eine Reihe von Punkten angesprochen: EU-Recht, Justiziabilität, Doppelbesteuerung. Wie ist es mit Planbarkeit, wie ist es mit Verwaltungsaufwand, Bürokratie? Das klang ja auch in Vorträgen an. Wenn wir uns vorstellen, wir sind fünf Jahre weiter und die OECD-Berichte sind alle da und es ist auch alles irgendwie national umgesetzt: Gehen wir dann unter in Büro-
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kratie? Haben wir keine Planungssicherheit mehr? Herr Holst hatte das ja schon angedeutet. Herr Nußbaum, möchten Sie dazu etwas sagen? Nußbaum Ich habe ja versucht, in meinem Vortrag darauf einzugehen. Es wird mit Sicherheit mehr Bürokratieaufwand auf Unternehmen zukommen, der sich zunächst im Wesentlichen in zusätzlichen Kosten ausdrücken wird, um das geforderte Reporting aufzusetzen. Ich glaube, dieser Kostenpunkt wird uns aber nicht nachhaltig beeinträchtigen. Vielmehr glaube ich, dass die Folgeschäden viel immanenter sind. Ich könnte hierfür viele Beispiele aufzählen. Gestern berichtete z.B. die Financial Times darüber, dass in UK eine Google-Tax, also so eine Mindeststeuer für Unternehmen eingeführt werden soll, die Gewinne in irgendeiner Form unmoralisch verlagern. Es liegt im Auge des Betrachters, was unmoralisch ist und welcher Gewinn fairerweise in welchem Land zu versteuern ist. Darüber hinaus haben wir z.B. als Unternehmen in Italien eine Betriebsprüfung, bei der Mindestgewinnerwartungen für Eigenproduktion definiert werden. Wir sind insoweit gegenwärtig in der Diskussion, ob auch Verrechnungspreisanpassungen gegenüber fremden Dritten vorzunehmen sind, weil das Geschäft nach einer Benchmark Studie nicht ausreichend profitabel sei. Im ersten Moment schmunzelt man darüber und denkt sich, das sei abwegig. Aber das Auseinandersetzen mit der Betriebsprüfung ist Realität und letztlich ein mühsamer Prozess. Auch eine ggf. nachgelagerte rechtliche Klärung ist langwierig. Für ein Unternehmen wie BASF sind die finanziellen Lasten aus solchen langwierigen Verfahren tragbar. Wir können damit auch professionell umgehen. Aber ich denke, es ist für Kleinunternehmen, die den Cash Flow für Investitionen brauchen, ein substanzielles Problem. Diese können es sich häufig nicht leisten, in langwierige rechtliche Streitigkeiten einzutreten. Sie müssen am Ende nachgeben und einen rechtlich zweifelhaften Kompromiss in der Betriebsprüfung akzeptieren. Wir finden das immer häufiger. Solche Vorgehensweisen kommen nicht vor Gericht. In Deutschland, wie in vielen anderen Ländern, haben Sie in Betriebsprüfungen die Alternative, entweder eine geforderte Summe zu zahlen, unter der Auflage, man verzichtet auf einen Einspruch und Verständigungsverfahren, oder man zahlt eine deutlich höhere Summe, wenn das Unternehmen diese rechtlichen Mittel in Anspruch nehmen möchte. Diese Vorgehensweise ist unfair, weil es sich viele Unternehmen einfach nicht leisten können. Mein Ausblick ist wie folgt: Momentan reduziert sich diese Vorgehens-
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weise auf wenige Länder, aber aufgrund der BEPS-Diskussion wird sich dies aus meiner Sicht ändern und sich noch weiter ausbreiten. Dr. Holst Wir werden natürlich die Implementierungskosten auch haben und tragen können. Meine Befürchtung ist, dass die Diskussion um die Verteilung des Steuerkuchens völlig neu entfacht werden wird, und das wird im Zweifel immer erst einmal auf dem Rücken der Unternehmen ausgetragen. Das wird unser Hauptproblem sein. Weswegen ich noch mal sagen möchte: Wenn Sie schon in diese Richtung gehen wollen, implementieren Sie bitte auch verbindliche und zeitnahe Verständigungsverfahren, weil wir sonst verloren sind. Prof. Dr. Lüdicke Das ist auch aus praktischer Beobachtung ein wichtiger Punkt. Wir hatten ja vor drei Jahren hier einen Vortrag dazu von Frau Wolff aus dem Bundeszentralamt1, personelle Engpässe spielen da sicherlich auch eine ganz entscheidende Rolle, und da wird man wohl daran arbeiten müssen. Das können wir nur hoffen. Dr. Holst Einmal Steuern auf einen Gewinn zu zahlen, finde ich, ist moralisch ein richtiger Ansatz. Dass Sie null Mal verhindern wollen, verstehe ich, aber zwei Mal dann bitte auch nicht. Nußbaum Wenn ich das kurz ergänzen darf: Wir machen in Deutschland im Verhältnis zum Gesamtkonzerngewinn einen relativ bescheidenen Umsatz. Wenn man aber den Umsatz ins Verhältnis zur Steuerzahlung in Deutschland setzt, ist die Steuerzahlung in Deutschland überproportional hoch. Das heißt, wir zahlen deutlich zu viel Steuern im Verhältnis zum Umsatz in Deutschland. Wir exportieren eben überwiegend und haben viel Produktion in Deutschland. Die derzeitigen Verrechnungspreisregeln belassen den überwiegenden Teil des Gewinns OECD-konform in Deutschland. Eine NGO wird das unter moralischen Aspekten anders 1 Eigelshoven/Wolff, Verständigungsverfahren – Praktische Erfahrungen und ungelöste Probleme, in Lüdicke, Praxis und Zukunft des deutschen Internationalen Steuerrechts, Köln 2012, 129 ff.
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sehen als die deutsche Finanzverwaltung. Es besteht kein einheitliches moralisches Verständnis über eine faire Gewinnverteilung. Die OECD sollte sich daher erst einmal darüber einigen, welchem Land eigentlich welcher Gewinn zusteht. In dem Land, in dem ein Unternehmen den Umsatz tätigt, oder im Land der Produktion? Zahle ich im Land des Umsatzes, dann darf sich Deutschland als Produktionsstandort nicht beschweren für den Fall, dass Steuersubstrat verloren geht. Wir brauchen klare und international abgestimmte Regeln zur Gewinnaufteilung. Es darf nicht jedem Land überlassen werden, Gewinne nach moralischen Gesichtspunkten zu versteuern. Die breite Öffentlichkeit versteht diese Debatte ohnehin nicht. Sie wird hohe Steuerzahlungen in Deutschland für die Produktionstätigkeit fordern, aber in gleicher Weise fehlende Steuerzahlungen in den Ländern, in denen wir den Umsatz machen, anprangern. Prof. Dr. Gosch Also offen gestanden, mich berührt das, was Herr Kreienbaum und was Sie gerade, Herr Nußbaum, gesagt haben, sehr. Der Aspekt der Steuerethik, der Steuermoral auch im Recht. Das ist ein sehr breites, ein fast philosophisches Thema. Wenn man sich dessen annimmt, dann muss man sich fragen, hat Steuerrecht per se etwas mit Moral zu tun? Es gibt natürlich Grundsätze wie die Leistungsfähigkeit, die Gleichheit, das ist überhaupt kein Thema. Das gebietet die Verfassung. Wobei ich die Verfassung noch nicht als „Ausbund“ einer Moral, eher eines allgemeinen Konsensus der Gesellschaft ansehe. An sich habe ich immer die These vertreten – und die findet sich in der gesamten Rechtsprechung wieder –, dass das Steuerrecht moralisch neutral ist. Mit Moral hat das schlicht nichts zu tun, daran lassen sich wirtschaftliche Vorgänge nur höchst bedingt messen. Was ist Gemeinnutz, aber doch auch Eigennutz? Denn dass der einzelne Steuerpflichtige, das einzelne Unternehmen darum bemüht ist, Steuern zu ersparen, ist eigentlich nicht verwerflich, schon gar nicht ist es illegal. Steuern sind betriebswirtschaftlich Kosten. Und alles, was den Gesetzen entspricht und nicht rechtsmissbräuchlich ist, das darf auch gestaltet werden, ja: bei Licht betrachtet ist der CEO und CFO, ist der Tax Head dazu gesellschaftsrechtlich gegenüber den Anteilseignern sogar verpflichtet, Stichwort Shareholder Value. Der Rechtsrahmen, das normgegossene Steuerrecht haben das zu akzeptieren.
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Prof. Dr. Lüdicke So, jetzt machen wir die Schlussrunde. Herr Kreienbaum, Herr Nußbaum und Herr van Weeghel. MinDirig Kreienbaum Eine kurze Replik zu Herrn Gosch. Ich stimme Ihnen zu, das Steuerrecht sollte neutral und frei von moralischer Interpretation sein, soweit es um dessen Anwendung geht. Steuerrecht und Steuermoral sind aber keine getrennten Kategorien, soweit es um die Gestaltung des Rechts geht. Zum Implementierungs- und Compliance-Aufwand: Hier wird man sicher zugestehen müssen, dass die BEPS-Themen in der Umsetzung aufseiten der Steuerpflichtigen und aufseiten der Finanzverwaltung zu erheblichem Aufwand führen werden. Zunehmenden Compliance-Aufwand sehen international ausgerichtete Unternehmen bereits heute. Dieser Aufwand ist der Internationalisierung geschuldet. Wenn Sie Tochtergesellschaften oder Aktivitäten in anderen Staaten haben, haben Sie sicher einen größeren Compliance-Aufwand, als wenn Sie allein im Inland aktiv wären. Die Finanzverwaltung wird in Zukunft noch mehr als heute diese Komplexität abbilden müssen. Dazu ist ein gewisser Dokumentationsaufwand in den Unternehmen erforderlich, und es wäre eine Illusion anzunehmen, dass mit fortschreitender Internationalisierung Dokumentations- und Compliance-Aufwand abnähmen. Wir müssen aber auf eine Proportionalität achten, darauf, dass der ComplianceAufwand in einem angemessenen Verhältnis zum verfolgten Ziel steht. Insbesondere für die Finanzverwaltung gilt, dass wir einen erheblichen Implementierungsaufwand auf uns zukommen sehen. Dieser schließt auch gemeinsame Betriebsprüfungen ein, den weiteren Ausbau von Verständigungsverfahren und auch von APAs. Gleiches gilt für den Bereich verbindlicher Schiedsverfahren. Nußbaum Zum Abschluss vielleicht noch einmal ganz kurz eine Anmerkung im Kontext des letzten G20-Gipfeltreffens in Australien. Wenn man sich die Papiere der G20 durchliest, dann geht es in allen Papieren um den globalen Welthandel, wie man ihn verbessern und über Landesgrenzen hinweg unterstützen kann. Es wird unter anderem über Konzepte wie TTIP geredet. Auf dem gleichen G20-Meeting wird auch die BEPS-Initiative diskutiert und unterstützt. Das mutet im Gesamtkontext befremd-
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lich an, weil die BEPS-Initiative eigentlich ein protektionistisches Konzept ist. Der globale Handel wird wohl im Rahmen der Diskussionen um den globalen Steuerwettbewerb dann doch wieder ein bisschen eingeschränkt und schwieriger. Es ist kurz vor Weihnachten. Wenn ich mir noch etwas wünschen darf, dann, dass die OECD wieder ein bisschen mehr „Seele“ gewinnt und den Kampf gegen Doppelbesteuerung in den Vordergrund rückt, und zwar mit der gleichen Verve, wie sie das im Kampf gegen weiße Einkünfte tut. Prof. Dr. van Weeghel Vielleicht ganz kurz, um noch das Thema der Moral mit dem Video zu verbinden. Dort hat Ms Hodge zu diesen Leuten, die vom Public Accounts Committee befragt wurden: „I am not accusing you to be illegal, but I am accusing you to be immoral.“ Und ich glaube, das ist ein ganz untaugliches Konzept für die Besteuerung. Prof. Dr. Lüdicke Vielen Dank. Meine Damen und Herren, es ist erneut – im letzten Jahr hatten wir ja schon eine ähnliche Diskussion – deutlich geworden, dass die Grundsätze der BEPS-Debatte keineswegs einfach sind. Man muss wohl zwischen der rein fachlichen Diskussion und dem unterscheiden, was politisch und auch in der öffentlichen oder veröffentlichten Wahrnehmung abläuft, und das ist sicherlich ein gewisses Problem. Man wird wohl auch vermuten dürfen, dass ein bisschen veröffentlichter Rückenwind für die für notwendig gehaltenen Entscheidungen im eigenen oder auch in fremden Ländern manchmal nicht so unnütz ist, und deswegen mag vielleicht auch die eine oder andere Finanzverwaltung gar nichts dagegen haben. Man kann dann sicherlich auch die Gesetze leichter auf den Weg bringen. Mit diesen Gesetzen werden wir uns mit Sicherheit bei den nächsten Tagungen hier auseinandersetzen müssen. Möglicherweise werden wir nächstes Jahr bei der Nikolaustagung noch keine deutschen Gesetze haben. Nach dem Koalitionsvertrag müsste man darauf hoffen dürfen. Zweifel ergeben sich aber aus dem von Herrn Nußbaum vorgestellten Entwurf eines § 4 Abs. 5a EStG, der nicht aus dem von Herrn Kreienbaum vertretenen Hause kam, sondern aus einem Länderfinanzministerium. Solche „politischen“ Vorstöße (und Schnellschüsse) sind schon deswegen eine Katastrophe, weil sie in weniger als 24 Stunden ins Englische übersetzt werden und einmal um den Globus gehen und alle sich dann wieder fragen, was wir hier in Deutschland
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uns eigentlich so denken. Wir können nur hoffen, dass so etwas nicht ständig passiert. Ich danke den drei Referenten des ersten Teils unseres heutigen Morgens. Ich glaube, das war ein sehr guter Überblick über einige ganz grundsätzliche Fragen von BEPS. Wir werden jetzt den Vortrag von Herrn Geyer hören. Dabei geht es eigentlich um die Digital Economy, so heißt jedenfalls der Action Point 1 bei der OECD. Wir haben uns erlaubt, dies für den Vortragstitel in Digitized Economy umzutaufen. Damit soll gesagt werden, und das ist ja auch der vollständige Titel des Vortrags von Herrn Geyer: Sind alle betroffen? Geht es eigentlich wirklich nur, wie man ursprünglich wohl tatsächlich dachte, um die Googles dieser Welt, um die reine Digital Economy, oder geht es tatsächlich um viel mehr?
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Digitized Economy – sind alle betroffen? Armin Geyer Steuerberater, Head of M&A Tax Group SAP SE
A. Digitale Transformation der Wirtschaft . . . . . . . . . . . . . . . B. BEPS und die Digitalisierung der Wirtschaft . . . . . . . . . . . . I. Wesensmerkmale der digitalen Wirtschaft, welche BEPS begünstigen . . . . . . . . . . . . . . 1. Mobilität . . . . . . . . . . . . . . 2. Nutzung von Daten . . . . . . 3. Winner Takes It All . . . . . . 4. Netzwerkeffekte . . . . . . . . 5. Mehrseitige Geschäftsmodelle. . . . . . . . . . . . . . . . 6. Volatilität . . . . . . . . . . . . . . II. Spezifische BEPS-Probleme. . 1. Immaterielle Werte . . . . . . 2. Nexus . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Hinzurechnungsbesteuerung . . . . . . . . . . . . . . III. Übergeordnete steuerpolitische Herausforderungen . . . .
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C. Handlungsoptionen des G20/ OECD-Aktionspunkts 1 . . . . 60 I. Modifizierung der Ausnahmetatbestände des Betriebsstätten-Katalogs . . . . . . . . . . . . . . 60
II. Nexus auf der Grundlage einer „erheblichen digitalen Präsenz“ . . . . . . . . . . . . . . . . III. Nexus auf der Grundlage einer „erheblichen Präsenz“ . . IV. Erhebung einer Quellensteuer auf digitale Transaktionen . . . . . . . . . . . . . . . . V. Bandbreitensteuer bzw. Bit-Steuer. . . . . . . . . . . . . . . . VI. Beurteilung durch OECD Task Force – Zwischenbericht . . . . . . . . . . . . . . . . . . D. Weitere Handlungsoptionen. I. Lizenzschranke . . . . . . . . . . . II. Steuerliche Förderung von FuE: Digitales Silicon Deutschland . . . . . . . . . . . . . III. EU-Expertenkommission zur Besteuerung der Digitalen Wirtschaft . . . . . . . . . . . . . . .
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E. Quo vadis? – Steuerliche Herausforderungen in einer digitalisierten Zukunft . . . . .
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F. Schlussbetrachtung. . . . . . . .
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A. Digitale Transformation der Wirtschaft Stehen wir an der Schwelle zur vierten industriellen Revolution? „Die vierte industrielle Revolution ist durch eine noch nie dagewesene Vernetzung über das Internet, durch die Verschmelzung der physischen mit der virtuel-
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Geyer – Digitized Economy len Welt, dem Cyberspace, zu so genannten Cyber-Physical Systems gekennzeichnet. Der virtuelle Raum wird in die physische Welt verlängert.“1
Folgende richtungsweisende Tendenzen lassen sich anführen: –
Gemäß dem Moore’schen2 Gesetz verdoppelt sich alle 18 bis 24 Monate die Dichte von Transistoren auf der gleichen Chipfläche und damit idealerweise auch die Leistung von Prozessoren bei sinkenden Kosten. Hierdurch sind enorme Leistungssteigerungen in der Computertechnik möglich geworden, deren Kapazitätsgrenze noch lange nicht erreicht scheint.3
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Auf der Grundlage einer Studie des Fraunhofer-Instituts werden in sechs volkswirtschaftlich wichtigen Branchen bis zum Jahr 2025 Produktivitätssteigerungen von bis zu 78 Mrd. Euro durch Industrie 4.0 erwartet.4
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Die Marktforscher von Gartner prognostizieren, dass im Jahr 2020 ca. 25 Mrd. Geräte über das Internet bzw. Cloud Computing miteinander verbunden sein werden.5
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Die EU-Lissabon-Strategie und Europa-2020-Strategie erachten es als eines ihrer Kernziele, die EU zum wettbewerbsfähigsten und dynamischsten wissensbasierten Wirtschaftsraum in der Welt zu machen durch eine Steigerung der Forschungs- und Entwicklungsaufwendungen auf 3 % des BIP der EU.6
1 Kagermann, Chancen von Industrie 4.0 nutzen, in Industrie 4.0 in Produktion, Automatisierung und Logistik, 2014, 603. 2 Gordon Moore, geboren am 3.1.1929 in San Francisco, Mitbegründer der Firma Intel. 3 Faustregel des Intel-Gründers, basierend auf empirischer Beobachtung; hierzu Kagermann, Chancen von Industrie 4.0 nutzen, in Industrie 4.0 in Produktion, Automatisierung und Logistik, 2014, 603 m.w.N. 4 Vgl. Fraunhofer-Institut, Studie zu „Industrie 4.0 – Volkswirtschaftliches Potenzial für Deutschland“, www.bitkom.org/files/documents/Studie_Industrie_ 4.0.pdf; das Fraunhofer-Institut hat diese Studie im Auftrag des Bitkom erstellt; vgl. hierzu auch Jost, Auf Tuchfühlung mit Ihren Daten, Handelsblatt, Sonderbeilage Publicateur, August 2014, 13. 5 Analyse des IT-Research- und Beratungsunternehmens Gartner, „In 2020, 25 Billion Connected Things will be in Use“, www.gartner.com/newsroom/id/ 2905717. 6 Vgl. Europäischer Rat v. 23./24.3.2000, www.europarl.europa.eu/summits/lis1 _de.htm; Mitteilung der Kommission v. 3.3.2010, KOM (2010) 2020, 5.
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Die Digitalisierung ist zwischenzeitlich in nahezu alle Wirtschaftsbereiche eingezogen.1 Es stellt sich daher eher die Frage nach dem Grad der digitalen Durchdringung einer Branche, d.h., ob man sich noch am Anfang oder vielmehr bereits in einem späteren Reifegrad der Digitalisierung befindet.2 Angefangen im Büro (infolge von Textverarbeitungsprogrammen), hat die Digitalisierung verschiedene Branchen geradezu revolutioniert, wie beispielsweise den Buchhandel, das Bankwesen (EBanking bzw. der vollautomatisierte Börsenhandel) oder auch die Film-, Medien- und Musikindustrie. Veranschaulicht wird dieser Wandel auch am Beispiel der Fotografie. In wenigen Jahren wurde die auf chemischen Prozessen basierende Filmentwicklung von der digitalen Fotografie vollständig verdrängt. Einstige Weltmarktführer in dieser Branche versäumten den technologischen Anschluss und wurden hierdurch sogar in die Insolvenz gezwungen. Aktuelle technologische Trends in der noch jungen Digitalära belegen, dass die Wirtschaftswelt vor einem bahnbrechenden, möglicherweise sogar revolutionären Wandel steht. Das Potenzial ist massiv: Vieles, was vor Kurzem noch als Träumerei von Zukunftsoptimisten galt, ist heute bereits realisiert oder in greifbare Nähe gerückt. Folgende Innovationen3 könnten die Grundlage einer digitalen Revolution bilden: 1. Industrie 4.0: Mit der Industrie 4.0 hält das „Internet der Dinge“ Einzug in die Fabrik und wandelt diese zur „Smart-Factory“, in welcher Werkstücke und Maschinen miteinander kommunizieren. Hierdurch kann eine individualisierte Massenfertigung, basierend auf der
1 Vgl. Bain & Company, Studie zu: „Leading a Digital Transformation“, www.bain.de/Images/BAIN_BRIEF_Leading_a_Digical_transformation.pdf. Peter Sondergaart, SVP and Head of Research/Gartner, prophezeit, dass „by 2020, every company will be an IT company and every leader will be a digital leader“, http://forwardthinking.pcmag.com/show-reports/316608-gartner-get-rea dy-for-2020-s-digital-industrial-economy. 2 Vgl. Nationaler IT-Gipfel, „Arbeit in der digitalen Welt“, Zusammenfassung der Ergebnisse der AG1 Projektgruppe anlässlich der IT Gipfelprozesse 2013 und 2014, Hamburg 2014, www.it-gipfel.de/IT-Gipfel/Navigation/mediathek, did=667052.html. 3 Vgl. hierzu ausführlich: European Commission Expert Group on Taxation of the Digital Economy, Report v. 28.5.2014, Appendix 1 – Technological Trends (im Folgenden abgekürzt als „Bericht der EU-Expertengruppe v. 28.5.2014 zur Besteuerung der digitalen Wirtschaft“).
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Geyer – Digitized Economy
maßgeschneiderten Auswertung von Nutzerdaten, erreicht werden – Stichwort: Losgröße 1.1 2. 3D-Druck: 3D-Drucker verlagern die Produktion zum Kunden: Dies könnte zu einer Herausforderung für die Spielzeugindustrie oder die Zahntechnik werden, da man sich vom Legostein bis zur Zahnprothese alles ausdrucken kann. Das Geschäftsmodell wandelt sich von der Lieferung von Waren hin zu der Überlassung bzw. Lizenzierung von Datensätzen oder technischen Plänen, welche die Drucker zur Herstellung eines Gegenstands benötigen. Ein physisches Geschäftsmodell erfährt seine Digitalisierung.2 3. Cloud Computing: Beim „Cloud Computing“ werden IT-Leistungen bedarfsgerecht und flexibel in Echtzeit als Dienstleistung („on Demand“) über das Internet bereitgestellt und nach Nutzung abgerechnet. Da „Cloud“ das bevorzugte Konsummodell von Software werden wird, verschiebt sich für Softwareanbieter das klassische Lizenzgeschäft in Richtung Software-as-a-Service. 4. Connected Driving: Fahrzeuge werden in Echtzeit miteinander kommunizieren, um u.a. potenzielle Gefahrenstellen zu melden. Damit können die Anzahl von Verkehrsunfällen und die CO2-Emissionen reduziert werden. Auch das sich selbst steuernde Auto ist längst keine Utopie mehr und funktioniert bereits im Test. 5. Fortgeschrittene Roboter: Eine viel intelligentere Generation von Robotern könnte Branchen revolutionieren, die noch immer von menschlicher Handarbeit bestimmt werden, z.B. in der Pflege. Ferngesteuerte Drohnen könnten zukünftig für eine punktgenaue Zustellung von Einkäufen auf dem Luftweg sorgen.3 Das in Hamburg stattfindende Smart Port Projekt zwischen der Hamburger Port Authority, T-Systems und SAP kann als Beispiel für die zunehmende Digitalisierung im Bereich eines Cloud-Projekts herangezogen werden. Für den Hamburger Hafen wird bis 2025 ein 150-prozentiges Wachstum für den Containerumschlag erwartet (von derzeit 9 Mio. auf 25 Mio. Container pro Jahr). Die praktische Herausforderung liegt in der begrenzten Fläche des Hamburger Hafens. Durch das Smart Port Projekt, welches technologisch auf der SAP HANA Cloud Platt1 Vgl. Burger, Big Data – Die Zukunft der Daten, Handelsblatt Sonderbeilage Publicateur zum IT Gipfel 2014, Oktober 2014, 12. 2 Vgl. Riecke, Die Störenfriede, Handelsblatt v. 13./14./15.6.2014, 54. 3 Ebenda, 54.
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form basiert, soll ein System zur Optimierung des Verkehrs- und Warenflusses entwickelt werden. Informationen über Parkplatzbetreiber und Speditionen sind bereits in die Cloud eingespeist und senden den LkwFahrern der Speditionen in Echtzeit Informationen über Parkplatzbelegungen auf ihr Tablet. Dies führt zu reduzierten Standzeiten, vereinfacht die Kommunikation und macht Touren besser planbar. Zur weiteren Optimierung der Ergebnisse sollen in einem nächsten Schritt weitere Hafenakteure Informationen in die Cloud einspeisen.1 Die genannten Beispiele und Trends sollen deutlich machen, dass es nicht länger um einen „Digitalen Sektor“, sondern vielmehr um die gesamte – zunehmend digitalisierte – Wirtschaft geht. Eine eindeutige Abgrenzung von Unternehmen der digitalen Wirtschaft zum Rest der Wirtschaft ist demzufolge nicht (mehr) möglich.2 Diese Sichtweise wird sowohl von der OECD/G20-Arbeitsgruppe zu Aktionspunkt 1 des Aktionsplans zur Bekämpfung der Gewinnverkürzung und Gewinnverlagerung (Base Erosion and Profit Shifting – kurz „BEPS“)3 als auch von der EU-Expertengruppe zur Besteuerung der digitalen Wirtschaft vertreten.4 Diese Erkenntnis macht aber auch deutlich, dass das Ansinnen, eigenständige steuerliche Regelungen für die „digitale Wirtschaft“ zu entwickeln, infolge dieser Abgrenzungsthematik bereits im Ansatz missglückt. Tenor des G20/OECD-Berichts ist des Weiteren, dass BEPS kein charakteristisches Phänomen der wie auch immer definierten „digitalen Wirtschaft“ ist.5 Strategien zur Gewinnverlagerung sind im Grundsatz auch ohne Digitalisierung möglich, werden aber
1 Vgl. hierzu http://de.news-sap.com/2014/06/23/sap-hana-cloud-im-hamburgerhafen-nachste-ausbaustufe-eingeleitet/. 2 Vgl. auch Mucic/Schlie/Schulz in Blumenberg/Crezelius/Gosch/Schüppen, FS für Haarmann, 2015, 719; ebenso Pinkernell, IStR 2014, 275; terminologisch wäre es zutreffender, von der „Digitalisierung der Wirtschaft“ anstelle der „Digitalen Wirtschaft“ zu sprechen; vgl. hierzu auch Fehling, IStR 2014, 640 (Fn. 15 m.w.N.). 3 Vgl. OECD/G20, Action 1: 2014 Deliverable, Addressing the Tax Challenges of the Digital Economy, 16.9.2014 (im Folgenden abgekürzt als „OECD-Bericht v. 16.9.2014 zur Besteuerung der digitalen Wirtschaft“), 73. 4 Vgl. Bericht der EU-Expertengruppe v. 28.5.2014 zur Besteuerung der digitalen Wirtschaft, 11. 5 Vgl. hierzu Mucic/Schlie/Schulz in Blumenberg/Crezelius/Gosch/Schüppen, FS für Haarmann, 2015, 719 ff.
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durch Wesensmerkmale der Digitalisierung durchaus begünstigt.1 Vor diesem Hintergrund soll im folgenden Abschnitt zunächst auf Wesensmerkmale digitaler Geschäftsmodelle eingegangen werden, welche nach Ansicht der OECD/G202 sowie der EU-Expertengruppe3 BEPS-Gestaltungen begünstigen.
B. BEPS und die Digitalisierung der Wirtschaft I. Wesensmerkmale der digitalen Wirtschaft, welche BEPS begünstigen 1. Mobilität Das Kernelement digitaler Geschäftsmodelle begründet sich in der Mobilität der hier eingesetzten (i) immateriellen Werte, (ii) der Nutzer und (iii) Geschäftsfunktionen. Immaterielle Vermögenswerte können vergleichsweise einfach über Landesgrenzen hinweg übertragen werden.4 Überdies sind die Nutzer „mobil“ geworden, indem diese über die Cloud faktisch von überall auf digitale Anwendungen zugreifen können. Ferner können ganze Geschäftsfunktionen mobil eingesetzt werden (z.B. über die Steuerung der Lokation von „Smart-Servern“), was auch die Zentralisierung von Funktionen begünstigt hat (z.B. die Bündelung von Funktionen in regionalen Zentren). Infolge dieser Mobilität kann ein Markt nunmehr bedient werden, ohne dass einer der Marktteilnehmer physisch präsent sein muss.
2. Nutzung von Daten Infolge technologischer Fortschritte (insbesondere Rechnerleistung, Speicherkapazitäten) wird die Datennutzung immer einfacher und kostengünstiger. Darüber hinaus sinken die Kosten pro Sensor kontinuierlich, was zu einer zunehmenden Vernetzung von immer mehr Produk1 Dies wird auch daran deutlich, dass viele Technologieunternehmen, die in das Fadenkreuz der öffentlichen BEPS-Diskussion geraten sind, bei näherer Betrachtung gar kein digitales Geschäftsmodell betreiben. 2 Vgl. OECD-Bericht v. 16.9.2014 zur Besteuerung der digitalen Wirtschaft, 84 ff. 3 Vgl. Bericht der EU-Expertengruppe v. 28.5.2014 zur Besteuerung der digitalen Wirtschaft, 11 ff. 4 Gleichwohl sollten nationale Entstrickungsvorschriften greifen, welche die genannte Mobilität aus steuerlichen Gründen faktisch einschränken. Siehe nachstehend, II.1. auf S. 58.
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ten und Maschinen führt („Internet der Dinge“). Big-Data-Algorithmen können gewaltige unstrukturierte Datenmengen nach Mustern durchsuchen und analysieren. Diese Auswertung personenbezogener Nutzerdaten ermöglicht zunehmend auf den jeweiligen Nutzer maßgeschneiderte Geschäftsmodelle.
3. Winner Takes It All Märkte, in denen Netzwerkeffekte eine Rolle spielen, tendieren häufig zur Bildung von Monopolen bzw. Oligopolen, da sich oftmals ein dominanter Standard, eine überlegene Technologie oder eine starke Marke durchsetzt. So haben sich in der Vergangenheit bei Betriebssystemen, Textverarbeitungsprogrammen oder Internet-Suchmaschinen einige wenige Lösungen am Markt behauptet.
4. Netzwerkeffekte Mit steigender Nutzerzahl steigt der Nutzen an einem Netzwerk und folglich auch dessen Wertschöpfung. Der Erfolg, aber auch Misserfolg einiger digitaler Geschäftsmodelle basiert auf der wachsenden Anzahl der Nutzer des Netzwerks, wie dies insbesondere bei Messenger Dienstleistungen oder auch bei sozialen Netzwerken deutlich wird.1 Die Nutzeranzahl wird in diesem Zusammenhang zum entscheidenden Erfolgsfaktor respektive Werttreiber. Viele Start-ups, deren Geschäftsmodell auf dem Herausbilden von Netzwerkeffekten basiert, konnten in der jüngsten Vergangenheit im Rahmen von Übernahmen signifikante Wertsteigerungen erfahren.2 1 Sogenannte positive Externalitäten. Das Ertragsteuerrecht hat keinen Mechanismus zur direkten Erfassung von positiven oder negativen externen Effekten, die einen Steuerpflichtigen begünstigen oder belasten. Solche Effekte wirken sich erst im Zeitpunkt der Gewinnrealisierung aus. Vgl. hierzu Pinkernell, IStR 2014, 279 (Fn. 31). 2 WhatsApp Inc., eine fünf Jahre alte Firma in den USA mit gerade mal 55 Mitarbeitern, wurde in 2014 für ca. 19 Mrd. USD an Facebook verkauft. WhatsApp hatte zu diesem Zeitpunkt ca. 450 Mio. Nutzer. SAP hat in 2012 Ariba Inc., den führenden Anbieter Cloud-basierter Handelsnetzwerke, für rund 4,3 Mrd. USD erworben. Für Start-ups, die oftmals noch nicht in einer Gewinnsituation arbeiten, ist die Ertragsbesteuerung häufig zweitrangig. Im Fokus steht vielmehr die Erzielung eines hohen Veräußerungsgewinns bei einer späteren Veräußerung der Anteile. Vgl. hierzu auch Bericht der EU-Expertengruppe v. 28.5.2014 zur Besteuerung der digitalen Wirtschaft, 29.
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5. Mehrseitige Geschäftsmodelle Mehrseitige Geschäftsmodelle basieren auf der Interaktion verschiedener, voneinander abhängiger Nutzergruppen auf digitalen Plattformen. Soziale Netzwerke bieten kostenlose Dienstleistungen an eine „Nutzergruppe A“ gegen kostenlose Überlassung und Auswertung von deren Nutzerdaten an. Die erhaltenen Daten werden dann durch den Betreiber der digitalen Plattform an „Nutzergruppe B“ (Werbetreibende) verkauft, zur maßgeschneiderten Werbung an „Nutzergruppe A“.
6. Volatilität In der Vergangenheit hat die Globalisierungsstrategie eines Unternehmens oftmals Jahre, wenn nicht sogar Jahrzehnte in Anspruch genommen. Demgegenüber hat das Internet die Entstehung von sogenannten „Micro-Multinationals“ gefördert. Eine innovative digitale Idee kann über das Internet als weltweitem Absatzkanal unmittelbar global angeboten werden.1 Dies führt zu niedrigen Einstiegshürden für innovative Unternehmen in globale Märkte und zur Unbeständigkeit digitaler Geschäftsmodelle durch einen enorm starken Wettbewerb.
II. Spezifische BEPS-Probleme Als Folge der genannten Wesensmerkmale digitaler Geschäftsmodelle weisen sowohl die OECD/G202 als auch die Expertengruppe der EUKommission3 auf drei spezifische steuerliche Probleme hin:
1. Immaterielle Werte Immateriellen Werten kommt im Rahmen digitaler Geschäftsmodelle eine exponierte Stellung zu. Infolge ihrer Mobilität können diese relativ problemlos in Niedrigsteuerländer übertragen werden, so die gängige Ansicht. Dies kann in einer Gewinnpotenzialverlagerung resultieren, sofern nationalsteuerliche Abwehrregeln (z.B. Entstrickung, Funktionsverlagerung) nicht greifen oder vorteilhafte Bewertungsmethoden im
1 Als Beispiel sei hier die Vermarktung von Apps über den App Store genannt. 2 Vgl. im folgenden OECD-Bericht v. 16.9.2014 zur Besteuerung der digitalen Wirtschaft, 84 ff. 3 Vgl. hierzu Bericht der EU-Expertengruppe v. 28.5.2014 zur Besteuerung der digitalen Wirtschaft, 11 ff.
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Rahmen einer Übertragung immaterieller Werte in Anspruch genommen werden können.1
2. Nexus Digitale Geschäftsmodelle erlauben es, lokale Märkte über Landesgrenzen hinweg zu bedienen, ohne dort eine physische Präsenz zu begründen. Der Vertragsabschluss und der Transport der Leistung erfolgen online. Die abkommensrechtlichen Tatbestandsvoraussetzungen einer Betriebsstätte gem. Art. 5 OECD-MA werden hier oftmals nicht erfüllt bzw. aus der Betriebsstätten-Definition ausgenommen sein (Absatz 4). Aufgrund eines fehlenden ertragsteuerlichen Anknüpfungspunkts („Nexus“) im Marktstaat kann ggf. sogar eine (vorübergehende) Keinmalbesteuerung erreicht werden, falls die Einkünfte im Ansässigkeitsstaat ebenso nicht (oder nicht sofort) besteuert werden.2
3. Hinzurechnungsbesteuerung Bestehende nationale Regelungen zur Hinzurechnungsbesteuerung sind teilweise untauglich, BEPS-Strukturen im Bereich der digitalen Wirtschaft einzudämmen. Insbesondere die weitverbreitete Nutzung hybrider Gesellschaften in den USA durch das Check-the-Box-Wahlrecht lässt die US-Hinzurechnungsbesteuerung faktisch leerlaufen.3
III. Übergeordnete steuerpolitische Herausforderungen Die Verbreitung digitaler Geschäftsmodelle führt zu enormen steuerpolitischen Herausforderungen. Mit Blick auf die Nexusdiskussion (siehe vorstehend, II.2.) stellt sich die übergeordnete steuerpolitische Frage, ob das Erfordernis physischer Elemente im Rahmen der herkömmlichen OECD Betriebsstätten-Definition (Art. 5 OECD-MA) im digitalisierten Zeitalter überhaupt noch zeitgemäß ist. Im Kern wird mit dieser Diskussion der bisher geltende OECD-Konsens bezüglich der Steueraufteilung zwischen Ansässigkeitsstaat und Quellenstaat grundlegend infrage gestellt.4 1 Vgl. Rödder/Pinkernell, IStR 2013, 622; Pinkernell, Internationale Steuergestaltung im Electronic Commerce, IFSt-Fachschrift 494/2014, 183. 2 Vgl. Pinkernell, Internationale Steuergestaltung im Electronic Commerce, IFSt-Fachschrift 494/2014, 171 (179 f.). 3 Pinkernell, IFSt-Fachschrift 494/2014, 171 (177 f.). 4 Vgl. Pinkernell, IStR 2014, 274.
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Ferner konstatiert die OECD, dass Nutzerdaten im Bereich der digitalen Wirtschaft als Wertschöpfungsfaktor an Bedeutung gewinnen, da Produkte und Dienstleistungen unter Auswertung von Nutzerdaten individualisiert und auf die spezifischen Bedürfnisse des Kunden zugeschnitten werden können. Steuerpolitisch stellt sich deshalb die Frage, ob die Nutzung von Nutzerdaten als treibende Kraft digitaler Geschäftsmodelle als zentraler Anknüpfungspunkt für eine Besteuerung heranzuziehen ist. Schließlich erkennt die OECD, dass die Beurteilung und abkommensrechtliche Qualifikation von Einkünften aus neuartigen digitalen Geschäftsmodellen enorme Schwierigkeiten bereitet (3D-Druck, CloudComputing). Obwohl dieser Aspekt nicht unmittelbar in Zusammenhang mit BEPS steht, relativiert er doch den einseitigen Blickwinkel der Diskussion und verdeutlicht die Doppelbesteuerungsrisiken, welche den Qualifikationskonflikten bei der Würdigung digitaler Geschäftsmodelle immanent sind.1 Diese entfalten eine wachstumshemmende Wirkung auf digitale Geschäftsmodelle. Im Folgenden werden deshalb mögliche Handlungsoptionen aufgezeigt, um diesen übergeordneten steuerpolitischen Herausforderungen zu begegnen.
C. Handlungsoptionen des G20/OECD-Aktionspunkts 1 I. Modifizierung der Ausnahmetatbestände des Betriebsstätten-Katalogs Diese erste Handlungsoption der OECD/G20 beinhaltet die Absenkung der Betriebsstättenschwelle, namentlich durch die Eliminierung der bestehenden Ausnahmetatbestände zur allgemeinen Betriebsstätten-Definition (Art. 5 OECD-MA).2 So gilt das Auslieferungslager nebst Warenbestand, vereinfacht zusammengefasst unter dem Begriff der Vorbereitungs- und Hilfstätigkeiten, gem. Art. 5 Abs. 4 Buchst. a bis b OECD-MA nicht als Betriebsstätte.3 Vorbereitungs- bzw. Hilfstätigkeiten, die für das konkrete digitale Geschäftsmodell von besonderer Be1 Vgl. Mucic/Schlie/Schulz in Blumenberg/Crezelius/Gosch/Schüppen, FS für Haarmann, 2015, 721 f.; ebenso Pinkernell, IStR 2014, 278. 2 Vgl. OECD-Bericht v. 16.9.2014 zur Besteuerung der digitalen Wirtschaft, 143. 3 Vgl. Görl in Vogel/Lehner, DBA-Kommentar, 6. Aufl. 2015, Art. 5 Rz. 85 ff.
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deutung sind, sollen nach Maßgabe dieses Vorschlags nunmehr als Kernfunktion angesehen werden und damit keine Ausnahme mehr vom Betriebsstättenbegriff rechtfertigen.1 So würden hochgradig professionelle Logistikzentren als Kernfunktion angesehen werden, wenn diese mit der Absicht errichtet worden sind, eine zeitnahe Zustellung an den Kunden zu erreichen.2 Von dieser Neuregelung wären wohl weniger rein digitale Geschäftsmodelle, als vielmehr der Online-Versandhandel mit traditionellem Direktgeschäft betroffen. Grundsätzlich erscheint diese Option vertretbar, wenngleich die Folgen für die Gewinnzuordnung wohl minimal sein dürften. Die Gewinnabgrenzung knüpft bei Betriebsstätten auf der Grundlage des Authorized OECD Approach („AOA“) an die durch die Betriebsstätte ausgeübten wesentlichen Personalfunktionen an.3 Bei hochgradig automatisierten und professionellen Logistikzentren sollten diese wohl eher personalund funktionsarm ausgeprägt sein.
II. Nexus auf der Grundlage einer „erheblichen digitalen Präsenz“ Diese zweite Handlungsoption der OECD/G20 basiert auf der Einführung eines neuen steuerlichen Nexus für vollständig entmaterialisierte digitale Aktivitäten („digitale Betriebsstätte“).4 Hierzu ist in einer ersten Teststufe zu prüfen, ob eine „vollständig entmaterialisierte digitale Aktivität“ vorliegt. An diesem Punkt versucht die OECD/G20 eine Grenzziehung zwischen „digitaler“ und traditioneller Wirtschaft. Die Schwierigkeit dieses Unterfangens wird anhand der nachfolgend aufge-
1 Es wird auch die Auffassung vertreten, dass die Neuregelung lediglich klarstellenden Charakter hat, da sich die Ausnahmetatbestände des Abs. 4 generell auf Tätigkeiten vorbereitender Art bzw. reine Hilfstätigkeiten beziehen, auch wenn dies nicht explizit in Buchst. a bis d genannt wird. Alternativ wird im OECD-Bericht v. 16.9.2014 zur Besteuerung der digitalen Wirtschaft auch die vollständige Streichung von Abs. 4, die Eliminierung der Buchst. a bis d oder deren inhaltliche Einschränkung auf Tätigkeiten vorbereitender Art bzw. reine Hilfstätigkeiten sowie die Streichung des Wortes „Auslieferung“ in Art. 5 Abs. 4 Buchst. a und b angedacht. 2 Vgl. Fehling, IStR 2014, 642. 3 Vgl. Wassermeyer, IStR 2015, 39. 4 Vgl. OECD-Bericht v. 16.9.2014 zur Besteuerung der digitalen Wirtschaft, 143 ff.
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führten Kriterien verdeutlicht, die zur Abgrenzung herangezogen werden könnten:1 –
Kerngeschäft basiert im Wesentlichen auf digitalen Gütern oder digitalen Dienstleistungen (Onlinegeschäfte).
–
In die Wertschöpfungskette ist kein physisches Element eingebunden (mit Ausnahme von Servern, Webseiten, IT-Tools).
–
Der Vertragsabschluss erfolgt über das Internet bzw. Telefon.
–
Zahlungen werden ausschließlich durch Kreditkarten oder andere elektronische, online-basierte Kanäle abgewickelt.
–
Die Kundenbeziehung wird ausschließlich über eine Webseite begründet. Die für den Kunden wichtigen Funktionen werden dabei nicht durch Niederlassungen oder Agenten im Marktstaat durchgeführt.
–
Der gesamte oder überwiegende Anteil am Gewinn entfällt auf Onlinegeschäfte.
–
Die rechtliche bzw. steuerrechtliche Ansässigkeit und die physische Präsenz des Leistenden sind für den Käufer unerheblich und beeinflussen dessen Kaufverhalten nicht.
–
Die Verwertung des Onlinegeschäfts bedarf keiner physischen Präsenz (Ausnahmen: Computer, Mobilfunkgeräte, andere IT-Tools).
Diese Kriterien sind unscharf, gestaltungs- und streitanfällig und führen im Ergebnis zu willkürlichen Abgrenzungsergebnissen.2 Sollte eine „vollständig entmaterialisierte digitale Aktivität“ nach der Definition der OECD/G20 in der ersten Teststufe zu bejahen sein, ist in einer zweiten Teststufe zu klären, ob eine „erhebliche digitale Präsenz“ vorliegt, d.h. die digitale Aktivität im Marktstaat auch einen definierten Mindestumfang überschreitet:3 –
Hohe Zahl an Vertragsabschlüssen für die Lieferung von digitalen Gütern oder digitalen Dienstleistungen, wobei die Verträge „remote“ abgeschlossen werden.
1 Vgl. OECD-Bericht v. 16.9.2014 zur Besteuerung der digitalen Wirtschaft, 144 f. 2 Vgl. Mucic/Schlie/Schulz in Blumenberg/Crezelius/Gosch/Schüppen, FS für Haarmann, 2015, 727. 3 Diese Einschränkung soll insbesondere administrativen Bedenken im Hinblick auf eine extensive Ausweitung „digitaler Betriebsstätten“ Rechnung tragen.
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–
Digitale Produkte bzw. digitale Dienstleistungen werden im Marktstaat in hoher Zahl benutzt und konsumiert.
–
Kunden von digitalen Produkten oder digitalen Dienstleistungen im Marktstaat leisten substanzielle Zahlungen an einen außerhalb dieses Staates ansässigen Anbieter dieser Produkte oder Leistungen.
–
Die Betriebsstätte eines Unternehmens im Marktstaat bietet Sekundärfunktionen wie Marketing oder Consulting an, die auf Kunden des Unternehmens im Marktstaat abzielen und mit dem Kerngeschäft des Unternehmens in enger Beziehung stehen.
Alternativ hierzu solle es für die Annahme einer „erheblichen digitalen Präsenz“ genügen, dass (i) ein Unternehmer mehrseitige Geschäftsmodelle betreibt, die (ii) auf der Ausnutzung personenbezogener Daten basieren und (iii) die dafür erforderlichen Daten im Wege einer systematischen Überwachung von Internet-Nutzern in diesem Land gewonnen werden. Dieser Ansatz basiert inhaltlich auf dem sogenannten „Collin/Colin-Report“, der auf Initiative der französischen Regierung im Januar 2013 erstellt worden ist.1 Dieser ordnet die ausufernde Datenüberlassung von Internetnutzern als unentgeltliche Mitwirkungsleistung seitens der Plattformbenutzer ein und schlägt vor, auf diese vermeintliche Leistung eine Steuer zu erheben, die sich nach der Anzahl der französischen Nutzer des jeweiligen Anbieters richten soll.2 Dies steht im Widerspruch zu den im Rahmen einer im Jahr 1998 erfolgten OECD-Ministerkonferenz in Ottawa erstmals festgelegten steuerlichen Rahmenbedingungen für den E-Commerce. Dabei stand das Gebot der steuerlichen Neutralität im Mittelpunkt: Das Steuerrecht solle digitale Geschäftsmodelle (E-Commerce) und traditionelle Geschäftsmodelle gleichbehandeln.3 Der neuerliche Vorschlag eines „digitalen Nexus“ würde gegen diese fundamentale Ottawa-Rahmenvereinbarung verstoßen. So würden digitale Transaktionen gegenüber nicht digitalen Transaktionen diskrimi1 Vgl. Collin/Colin, Mission d’expertise sur la fiscalité de l’économie numérique, http://economie.gouv.fr/files/rapport-fiscalite-du-numerique_2013.pdf. 2 Im Kern gehen diesbezügliche Ideen zur Revitalisierung der Quellenbesteuerung auf „die Verschiebung der Handelsströme durch die massive Exportstärke einiger weniger Länder in der Informationstechnologie sowie das ungebremste Sammeln von Verbraucherdaten zurück“; so Pinkernell, IStR 2014, 278. 3 Vgl. Pinkernell, IStR 2014, 279.
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niert werden, weil beispielsweise nur die grenzüberschreitende digitale Bereitstellung eines Buches (mithin E-Books) zu einem „digitalen Nexus“ für Ertragsteuerzwecke führen soll, nicht jedoch die grenzüberschreitende physische Lieferung desselben. Ferner stellt sich die Frage nach der theoretischen Rechtfertigung eines „digitalen Nexus“: Generell findet die Interaktion aufgrund der dezentralen Struktur des Internets im „virtuellen Raum“ statt, der praktisch grenzenlos ist. Warum soll eine digitale Aktivität vor diesem Hintergrund gerade im Ansässigkeitsstaat des Kunden einen Nexus begründen?1 Möglicherweise könnten das massive Sammeln von (kostenlosen) Nutzerdaten im Marktstaat und die daraus abgeleitete Wertschöpfung als Begründung herangezogen werden. Diesem auf dem „Collin/ColinReport“ beruhenden Denkansatz ist aber zu entgegnen, dass die Auswertung der Nutzerdaten häufig gerade nicht im Marktstaat stattfindet. Nach dem steuerlichen Realisationsprinzip führt die kostenlose Mitwirkung von Nutzern erst dann zu Einkünften, wenn der Plattformbetreiber seine Webseite durch Erbringung von entgeltlichen Werbeleistungen im Verhältnis zu Dritten verwertet. Diese Verwertung findet aber nicht im Marktstaat statt.2 Ferner würde man bei dieser Sichtweise die dem Nutzer gehörenden Daten „dem Unternehmen“ zuordnen, was datenschutzrechtliche Fragestellungen aufwirft.3 Schließlich ist auch bei dieser Handlungsoption auf das systematische Dilemma bezüglich der Betriebsstätten-Definition und Gewinnzuordnung gemäß AOA hinzuweisen, da sich die wesentlichen Personalfunktionen beim Stammhaus befinden. Der digitale „Nexus“ setzt hingegen gerade keine Personalfunktionen im Marktstaat voraus.4 Auch die Expertengruppe der EU-Kommission spricht sich mangels einer theoretischen Rechtfertigung gegen diese Option aus.5 Einen fiskalpolitischen Lösungsansatz für die besprochene Thematik sieht die Expertengruppe demgegenüber eher im Feld der indirekten Besteuerung. Aufgrund der vorgenannten Erörterungen ist die Handlungsoption entschieden abzulehnen. 1 Vgl. Fehling, IStR 2014, 644. 2 Vgl. hierzu Pinkernell, Internationale Steuergestaltung im Electronic Commerce, IFSt-Fachschrift 494/2014, 165. 3 Vgl. Fehling, IStR 2014, 643 f.; Pinkernell, IFSt-Fachschrift 494/2014, 188. 4 Vgl. Pinkernell, IFSt-Fachschrift 494/2014, 189. 5 Vgl. Bericht der EU-Expertengruppe v. 28.5.2014 zur Besteuerung der digitalen Wirtschaft, 47 (Tz. 5.2.3.1.: No new concept of „digital taxable presence“).
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III. Nexus auf der Grundlage einer „erheblichen Präsenz“ Die dritte Handlungsoption der OECD/G20 basiert auf der Erwägung, die bisherige Betriebsstätten-Definition nicht nur punktuell für digitale Aktivitäten zu ergänzen, sondern vollständig durch das Konzept einer „erheblichen Präsenz“ zu ersetzen. Ob eine solche vorliegt, richtet sich nach der Intensität (Art/Umfang) der Kundenbeziehung. Ein Nexus könnte mit der bloßen Existenz bzw. Zurverfügungstellung eines lukrativen Absatzmarkts im Marktstaat begründet werden, weshalb ein Teil der Wertschöpfung dort zu versteuern wäre.1 Ob der bloße Zugang zu einem Markt (öffentliches Gut) ein Besteuerungsrecht rechtfertigt, ist allerdings zweifelhaft. Insofern ist dieser Vorschlag laut Pinkernell mit ertragsteuerlichen Grundprinzipien nicht vereinbar, sondern eher mit einer Marktnutzungsgebühr vergleichbar.2 Es ist weiterhin zu betonen, dass die Digitalisierung zur Vereinfachung von Geschäftsprozessen und zu preisgünstigeren Leistungen führt, die den Verbrauchern im Marktstaat über niedrigere Preise zugutekommen. „Wer diese Entwicklung mit einer Ertragsteuer belegen will, bezweckt in Wirklichkeit einen Schutzzoll“, so Pinkernell.3 Da die Option faktisch in eine generelle Liefergewinnbesteuerung münden würde, ist sie konzeptionell entschieden abzulehnen. Gegen sie spricht zudem das fiskalpolitische Argument, dass das exportstarke Deutschland enorm an Steueraufkommen verlieren würde.
IV. Erhebung einer Quellensteuer auf digitale Transaktionen Die vierte Handlungsoption der OECD/G20 ist auf die Erhebung einer Quellensteuer gerichtet, welche an Zahlungen anknüpft, die für die Erbringung digitaler Leistungen an ausländische Unternehmen geleistet werden.4 Infolge des immanenten Doppelbesteuerungsrisikos für Unternehmen mit digitalen Geschäftsmodellen ist diese Handlungsoption kategorisch abzulehnen. Eine vollständige Anrechnung bzw. Erstattung ausländi1 2 3 4
Vgl. Pinkernell, IFSt-Fachschrift 494/2014, 187. Pinkernell, IFSt-Fachschrift 494/2014, 165. Pinkernell, IFSt-Fachschrift 494/2014, 166. Vgl. OECD-Bericht v. 16.9.2014 zur Besteuerung der digitalen Wirtschaft, 146.
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scher Quellensteuern im Inland ist schon mit Blick auf das geltende deutsche Recht keineswegs garantiert und erscheint auch zukünftig nicht realistisch (Quellensteuer auf Bruttobasis, Anrechnung jedoch auf Nettobasis; im internationalen Kontext unübliche fehlende Vortragsmöglichkeit von Anrechnungsüberhängen; derzeit keine Anrechnung bei der Gewerbesteuer). Bei innovativen Start-ups, welche die Gewinnschwelle noch nicht erreicht haben, entspricht der Vorschlag faktisch einer Substanzbesteuerung.1 Er diskriminiert digitale Geschäftsmodelle gegenüber traditionellen Geschäftsmodellen, beeinträchtigt den internationalen Handel, hemmt volkswirtschaftlich sinnvolle Investitionen in digitale Innovationen und reizt insbesondere Schwellenländer an, ihr Quellenbesteuerungsrecht übermäßig auszudehnen. Die Exportnation Deutschland würde abermals an Steueraufkommen verlieren. Folgefragen resultieren auch im Hinblick auf die Durchsetzbarkeit des Steueranspruchs insbesondere im B2C-Bereich.2
V. Bandbreitensteuer bzw. Bit-Steuer Die fünfte und letzte von der OECD/G20 angeführte (ertragsteuerliche) Handlungsoption der OECD/G20 ist eine sogenannte „Bandbreitensteuer“ bzw. „Bit-Steuer“. Die steuerliche Bemessungsgrundlage würde sich bei diesem Ansatz nach dem Datenverbrauch einer Webseite (genutzte Bytes) bemessen. Es handelt sich demnach um einen verbrauchsteuerbasierten Ansatz, der sich grundsätzlich außerhalb des Ertragsteuersystems bewegt.3 In Form einer ertragsteuerlichen Anrechenbarkeit soll die Bandbreitensteuer bzw. Bit-Steuer jedoch in die bestehenden Ertragsteuersysteme integriert werden.4 Auch dieser Ansatz ist strikt abzulehnen, da eine vollständige Anrechnung bzw. Erstattung der Bandbreitensteuer bzw. Bit-Steuer auf die Ertragsteuer unrealistisch ist und auch Start-ups in Verlustsituationen belasten würde. Somit geht auch von einer Bandbreitensteuer bzw. BitSteuer ein Investitionshemmnis auf digitale Innovationen aus.
1 Vgl. Pinkernell, IFSt-Fachschrift 494/2014, 186. 2 Vgl. Mucic/Schlie/Schulz in Blumenberg/Crezelius/Gosch/Schüppen, FS für Haarmann, 2015, 729. 3 Vgl. Pinkernell, IFSt-Fachschrift 494/2014, 164. 4 Laut Pinkernell stellt sich ebenso die Frage, ob ein Eindringen in das unionsrechtlich abschließend geregelte Territorium der Mehrwertsteuer vorliegt.
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VI. Beurteilung durch OECD Task Force – Zwischenbericht Die OECD/G20 haben erkannt, dass das Thema BEPS kein ureigenes Problem digitaler Geschäftsmodelle ist. Es besteht vielmehr die generelle Erwartung, dass die anderen BEPS-Aktionspunkte auch solche Wesensmerkmale der digitalen Wirtschaft, welche BEPS begünstigen, berücksichtigen und Gewinnverlagerungen auch bezüglich der „digitalen Wirtschaft“ beseitigen. Aufgrund der engen Verknüpfung mit den anderen Aktionspunkten wird in dem (Zwischen-)Bericht vom 16.9.2014 noch kein abschließendes Urteil gefällt, sondern auf die Arbeiten an den anderen Aktionspunkten verwiesen (z.B. Modifikation der Betriebsstätten-Ausnahmetatbestände durch die BEPS-Arbeitsgruppe zu Aktionspunkt 7). Eine abschließende und vollständige Beurteilung der aufgeworfenen potenziellen OECD-Handlungsoptionen kann deshalb erst nach Abschluss der Arbeiten an den anderen Maßnahmen des BEPS-Aktionsplans beantwortet werden. Das Mandat der OECD/G20 Task Force wurde bis Ende 2015 verlängert.1
D. Weitere Handlungsoptionen I. Lizenzschranke Als unilaterale Maßnahme zur Eindämmung von BEPS ist im Koalitionsvertrag die Einführung einer Lizenzschranke angedeutet.2 Gegebenenfalls soll eine solche Lizenzabzugsbeschränkung nur bei einer (noch zu definierenden) Niedrigbesteuerung aufseiten des Empfängers greifen. Dies mit dem Ziel, eine „angemessene“ Besteuerung ausländischen Steuersubstrats im Wege der Ersatzvornahme zu erreichen, um unerwünschten Gewinnverlagerungen ins Ausland entgegenzuwirken.3 Wie eingangs am Beispiel des 3D-Drucks dargelegt (unter A.), führt die Digitalisierung der Wirtschaft dazu, dass „Lizenzierungen“ im Wirt1 Vgl. DB 2014, 12 f.: OECD: Erste Projektergebnisse zu BEPS veröffentlicht; Fehling, IStR 2014, 637 f. 2 Vgl. Koalitionsvertrag „Deutschlands Zukunft gestalten“, 18. Legislaturperiode, 64 f. Gem. § 8 Nr. 1 Buchst. f GewStG erfolgt bereits zum heutigen Zeitpunkt eine partielle Hinzurechnung der Lizenzgebühren bei der Gewerbesteuer. 3 Vgl. Baumhoff/Liebchen, IStR 2014, 715.
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schaftsleben zunehmend an Bedeutung gewinnen werden. Auch in der Softwarebranche wird der Vertrieb häufig über Lizenzmodelle organisiert. Insofern würde die Lizenzschranke wirtschaftlich sinnvolle Lizenzfälle treffen und das objektive Nettoprinzip (als Konkretisierung des allgemeinen Gleichheitsgrundsatzes, Art. 3 GG) verletzen.1 Insbesondere würde man Softwareunternehmen mit Forschung am Standort Deutschland in ihrer unternehmerischen Entscheidungsfreiheit zwischen der Eigenentwicklung und einer Drittlizenzierung von Softwarekomponenten einschränken, da Letztere nunmehr mit steuerlich nachteiligen Lizenzaufwendungen einhergehen würde. Auch eine Nettobetrachtung, d.h. Saldierung von Lizenzaufwand und Lizenzerträgen, hilft hier nicht zwangsläufig weiter, da die Einnahmen und Ausgaben gegebenenfalls einer unterschiedlichen steuerlichen Charakterisierung unterliegen. Als Beispiel sei hier die zeitlich unbefristete Lizenzierung von Software an Endkunden (zur Eigennutzung) genannt, welche ertragsteuerlich nicht als Lizenzeinnahme gilt.2 Ferner ist zu konstatieren, dass sich das Vorgehen über mehrere Staaten kumulieren könnte, falls mehrere Staaten – als Maßnahme gegen Gewinnverlagerungen – unilateral eine steuerliche Lizenzbeschränkung einführen würden. Schließlich ergeben sich auch rein praktische Fragen, z.B. jene, ob im Rahmen der Niedrigbesteuerung auf den unmittelbaren Vertragspartner oder Letztempfänger abzustellen ist. So würde beispielsweise eine Repatriierung bislang nicht bzw. niedrig besteuerter Lizenzeinkünfte einer US-Tochtergesellschaft an die US-Muttergesellschaft in einer nachträglichen Hochbesteuerung dieser Einkünfte resultieren.3 Hier würde sich die Frage stellen, ob verfahrenstechnisch ein nachträglicher Lizenzabzug zu gewähren wäre. Der Vorschlag einer Lizenzschranke ist entschieden abzulehnen, da dieser insbesondere auch zu einem enormen Verlust der internationalen Wettbewerbsfähigkeit Deutschlands führen würde.4
1 Auf die ernstlichen Zweifel an der verfassungsrechtlichen Zulässigkeit der Zinsschranke gem. § 4h EStG wird verwiesen; vgl. BFH v. 18.12.2013 – I B 85/13, DStR 2014, 788. 2 Vgl. Kessler, IStR 2000, 99. 3 Ebay hatte im I. Quartal 2014 einen Milliardenverlust aus einer einmaligen Steuerbelastung von 3 Mrd. USD infolge der Rückführung ausländischer Gewinne i.H.v. 9 Mrd. USD verzeichnet. 4 Vgl. Haarmann, BB 2015, 21.
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II. Steuerliche Förderung von FuE: Digitales Silicon Deutschland Deutschland steht am Scheideweg: Industrie 4.0 bietet für die deutsche Industrie mit der Fähigkeit, sehr komplexe Technologien aufgrund ihrer herausragenden deutschen Ingenieure zu beherrschen, enorme Innovations- und Zukunftschancen.1 Gleichwohl ist zu konstatieren, dass die Digitalisierung nicht auf Deutschland warten wird. Bedeutende Börsengänge von IT-Unternehmen finden außerhalb Europas statt.2 Auch die EU-Expertenkommission zur Besteuerung der digitalen Wirtschaft stellt fest, dass Europa einen grundlegenden Mentalitätswechsel benötigt: fort von der Bestrafung unternehmerischen Handelns und hin zur Förderung einer Start-up-Kultur, einer Belohnung von Leistung und einer gesellschaftlichen Akzeptanz des etwaigen Scheiterns.3 Fast alle konkurrierenden Wirtschaftsstandorte (u.a. 26 von 28 EU-Staaten) haben eine steuerliche FuE-Förderung implementiert.4 Vor allem durch die Einführung von Steuergutschriften (tax credits) für alle innovativen Unternehmen könnten Forschungsaktivitäten attraktiver gemacht und damit implizit eine Start-up-Kultur in Deutschland gefördert werden.5 Darüber hinaus haben viele Staaten ihre Körperschaftsteuersätze erheblich gesenkt oder steuerliche Präferenzregime (Patent-/Lizenzbox) eingeführt.6 Die steuerlichen Vorzugsregime innerhalb der EU werden auch in einer 1 Vgl. Bitkom Presseinformation, Kräftige Wachstumschancen durch Industrie 4.0, 2014, www.bitkom.org/de/presse/81142_79097.aspx. 2 Vgl. Oliver Samwer, der Chef von Rocket Internet, der mehr Internet-Börsengänge für die europäische Online-Wirtschaft fordert, www.handelsblatt.com/ unternehmen/it-medien/oliver-samwer-rocket-chef-fordert-mehr-internet-boer sengaenge/11248268.html. 3 Vgl. Bericht der EU-Expertengruppe v. 28.5.2014 zur Besteuerung der digitalen Wirtschaft, 15 (Tz. 1.4). 4 Zur Situation in Deutschland vgl. Schlie/Spengel/Malke, The use of tax measures in the area of research and development (R&D), Branch Report Germany, IFA Congress 2015 (in Vorbereitung zur Veröffentlichung befindliches Manuskript). Für eine Übersicht der europäischen steuerlichen Fördersysteme vgl. European Commission, A Study on R&D Tax Incentives, Taxation Papers, Working Paper Nr. 52-2014, 2014. 5 Vgl. Spengel/Wiegard, Ökonomische Effekte einer steuerlichen Forschungsförderung in Deutschland, Gutachten im Auftrag von BDI/VCI, BDI-Drucks. 0481, 2011. 6 Vgl. Evers/Miller/Spengel, Intellectual Property Box Regimes: Effective Tax Rates and Tax Policy Considerations, International Tax and Public Finance, 2014.
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Welt nach BEPS erhalten bleiben, wenn auch wohl an gestiegene Aktivitätserfordernisse (Nexus Approach) geknüpft.1 Frei nach dem Motto „if you can’t beat them, join them“2 sollte Deutschland ebenfalls eine Patent-/Lizenzbox einführen, wie sie bereits in elf anderen EU-Staaten eingeführt wurde3 und derzeit wohl im Bundesfinanzministerium diskutiert wird,4 und ferner eine Steuergutschrift implementieren. Beide Ansätze wären ein effizienter Beitrag, um den Standort Deutschland an der Schwelle zur 4. Industriellen Revolution nachhaltig zu stärken. Dies wäre der Einstieg in eine wachstumsfördernde Steuerpolitik, die infolge massiver Zukunftschancen im Hinblick auf die Digitalisierung und positiver Spill-over-Effekte auch langfristig zu steigenden Nettowohlfahrtsgewinnen führen sollte.5 Deutschland darf nicht ein weiteres Mal in einer zentralen Zukunftstechnologie das Nachsehen haben.
III. EU-Expertenkommission zur Besteuerung der Digitalen Wirtschaft BEPS ist im Kern auch eine Folge einer fehlenden Steuerharmonisierung.6 Als weitere langfristige Handlungsoption der EU-Expertenkommission zur Besteuerung der digitalen Wirtschaft fordert diese eine weitergehende Analyse, inwieweit eine „Gemeinsame Konsolidierte Körperschaftsteuer-Bemessungsgrundlage“ (GKKB) zur erheblichen Ver1 Vgl. Becker, IStR 2014, 706 ff.; Haarmann, IStR 2015, 22; laut Haarmann „hat sich mittlerweile herausgestellt, dass die USA kein Interesse an einer Änderung ihrer Steuerstrukturen hat, womit sich der wichtigste Teil der BEPS-Diskussion faktisch erledigt hat […]. Mittlerweile hat man auch den Eindruck, dass es Deutschland bzw. seiner Regierung nicht mehr um das für Deutschland und seine Konzerne und Unternehmen beste Ergebnis geht, sondern um virtuelle Steuergerechtigkeit. Was dabei herauskommt, wenn alle Länder an sich denken, Deutschland aber das Ziel weltweiter Steuergerechtigkeit verfolgt, kann man sich lebhaft vorstellen“. 2 Vgl. Pinkernell, IStR 2014, 279. 3 Irland plant ebenfalls die Einführung einer Know-how-Box; vgl. The Irish Times v. 17.10.2014: „Officials examine 6.25 % rate for new ‚knowledge box’ scheme“. 4 Vgl. Pressemitteilung Nr. 47 des BMF v. 11.11.2014: „Deutschland und Großbritannien unterbreiten gemeinsamen Vorschlag zu Patentboxen“. 5 Vgl. Spengel/Wiegard, Ökonomische Effekte einer steuerlichen Forschungsförderung in Deutschland, Gutachten im Auftrag von BDI/VCI, BDI Drucks. 0481, 2011. 6 Vgl. Lang, IStR 2013, 365 (372); ähnlich Piltz, IStR 2013, 681; Schön, Ist Steuerwettbewerb illegal?, FAZ Nr. 276 v. 27.11.2014, 20.
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einfachung der Ertragsbesteuerung in der EU beitragen könnte. Wenn der politische Wille in der EU vorhanden ist, könnte die GKKB eine „ehrliche“ Antwort auf BEPS sein. Neben der geforderten Analyse im Hinblick auf die Einführung der GKKB könnte laut der EU-Expertengruppe alternativ eine grundlegendere Reform des Steuersystems geprüft werden. Als Beispiel wird hier eine an das Bestimmungsland anknüpfende Körperschaftsteuer („Bestimmungslandorientierte Cash-Flow-Steuer“) genannt, die einer Umsatzsteuer ähneln würde.1 Konzeptionell setzt der Vorschlag zunächst daran an, dass der Aufteilungsfaktor „Umsatz“, im Vergleich zu anderen Aufteilungsfaktoren, am wenigsten mobil bzw. gestaltungsanfällig erscheint.2 Die EU-Expertengruppe räumt jedoch ein, dass einer solchen Fundamentalreform eine genaue Analyse der ökonomischen Effekte vorauszuschalten wäre, bevor diese weiter diskutiert werden sollte. Insofern kann sie derzeit allenfalls als eine von vielen möglichen Blaupausen verstanden werden. So könnte eine an das Bestimmungsland anknüpfende Körperschaftsteuer bei den exportstarken deutschen Konzernen mit hohen Innovationskosten in Deutschland zu geradezu absurden Aufteilungsergebnissen führen. Politisch scheint diese Handlungsoption infolge der isolierten Abstellung auf den Aufteilungsfaktor „Umsatz“ nicht konsensfähig.
E. Quo vadis? – Steuerliche Herausforderungen in einer digitalisierten Zukunft Die nachfolgende Aufstellung gibt einen thesenartigen Überblick über die steuerlichen Herausforderungen in einer digitalisierten Zukunft: –
Transaktionen im „virtuellen Raum“ machen es unmöglich, die Quelle der Einkünfte nach herkömmlichen Regeln zu bestimmen.3 Durch das „Internet der Dinge“ und die Industrie 4.0 werden nahezu alle Gegenstände mit vernetzten intelligenten Sensoren ausgestattet. Diese bilden quasi ein virtuelles Bild der Realität ab.4 Oftmals wird
1 Vgl. Bericht der EU-Expertengruppe v. 28.5.2014 zur Besteuerung der digitalen Wirtschaft, 49. 2 Vgl. Pinkernell, Internationale Steuergestaltung im Electronic Commerce, IFSt-Fachschrift 494/2014, 195 f. 3 Vgl. hierzu Fehling, IStR 2014, 643. 4 Siehe Kagermann, Chancen von Industrie 4.0 nutzen, in: Industrie 4.0 in Produktion, Automatisierung und Logistik, 2014, 603: „Der virtuelle Raum wird in die physische Welt verlängert.“
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es praktisch nicht nachzuhalten sein, auf welchem international vernetzten Server sich die Daten befinden und wo genau die Wertschöpfung stattgefunden hat. Rechtliche Gegebenheiten (z.B. Eigentum von Servern/immateriellen Werten) bieten zumindest einen Anker. –
Das derzeitige Steuerrecht basiert auf traditioneller Geschäftstätigkeit und hat mit den technischen Entwicklungen – allen voran der Digitalisierung – nicht Schritt gehalten. Als Beispiel ist hier der antiquierte Katalog aktiver Einkünfte in § 8 AStG zu nennen.1 Die hieraus resultierende Unsicherheit im Rahmen der Beurteilung neuartiger digitaler Geschäftsmodelle stellt ein generelles Wachstumshemmnis dar.2
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Die ertragsteuerliche Charakterisierung neuer digitaler Geschäftsmodelle wird immer schwieriger. Steuerexperten der Zukunft werden immer mehr IT-technische Grundkenntnisse benötigen.3
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Fortgeschrittene Roboter werden nicht nur entscheidungsunterstützende, sondern vermehrt autonome Entscheidungen treffen, was sich auf die Erfüllung steuerbegründender Tatbestände auswirken kann (z.B. Ort der Geschäftsleitung). Hier sei beispielhaft der Hochfrequenzhandel von Banken angeführt.
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Durch die weitgehende Entmaterialisierung des Wirtschaftslebens spielen immaterielle Wirtschaftsgüter eine noch bedeutendere Rolle. Deren nationale Abgrenzung in einem globalisiert agierenden Konzernumfeld ist für Unternehmen mit digitalen Geschäftsmodellen bereits zum heutigen Zeitpunkt eine enorme praktische Herausforderung.
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Virtuelle internationale Wertschöpfungsnetzwerke nehmen in der unternehmerischen Praxis – auch infolge der Unterstützung durch virtuelle IT-unterstützte Projektplattformen – eine immer größere Rolle ein. Es wird immer schwieriger, Leistungsbeiträge, Kontrollbefugnisse und Entscheidungsbeiträge in einer globalisierten Projektarbeit zu erkennen, zu bewerten und zu dokumentieren.4
1 Vgl. Haarmann, IStR 2011, 565. 2 Vgl. Haarmann, BB 2015, 22. 3 Vgl. Kowallik/Gegusch, DB 2015, 341 ff., in Bezug auf den Einsatz technologischer Lösungen in der Steuerabteilung. 4 Vgl. Ditz, Verrechnungspreise im Bereich des e-Business, in: Verrechnungspreise international verbundener Unternehmen, 2014, Rz. 6.607 und 6.612.
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Unternehmensfunktionen können durch digitalisierte Geschäftsmodelle mit immer weniger physischen Bestandteilen auskommen. So können Smart-Server über Online-Einkaufsportale ggf. gesamte Vertriebsfunktionen ersetzen. Zur Vermeidung von Missbräuchen stellt das Steuerrecht aber immer höhere Substanzanforderungen, wie z.B. an den Nachweis einer eigenen Wirtschaftstätigkeit. Diese digitale Realität sollte im Rahmen von Missbrauchsnormen Beachtung finden.
Die hier genannten Herausforderungen lassen zumindest daran zweifeln, ob der Fremdvergleichsgrundsatz in der Zukunft in seiner jetzigen Form bestehen bleiben kann.1
F. Schlussbetrachtung BEPS ist kein ureigenes Problem digitaler Geschäftsmodelle. Insofern ist ein neues Besteuerungsregime für die „digitale Wirtschaft“ sachlich nicht zu rechtfertigen und scheitert infolge der fortschreitenden Digitalisierung über alle Branchen hinweg bereits an grundlegenden Abgrenzungsfragen. Vielmehr lässt sich ein Großteil der „BEPS-relevanten“ Probleme auf OECD/G20-Ebene durch funktionierende Regeln in den Bereichen Hinzurechnungsbesteuerung und Exit-Besteuerung bei Verlagerungen von Intellectual Property beheben. In Deutschland besteht aufgrund der Hinzurechnungsbesteuerung und Funktionsverlagerungsverordnung hingegen kein Bedarf für weitere unilaterale Verschärfungen. Die Digitalisierung der Welt wird nicht auf Deutschland warten. Hier ist ein radikales Umdenken erforderlich, weg von der „Bestrafung“ (Zins-/Lizenzschranke, Ausdehnung von Quellensteuern, Mindestbesteuerung etc.), hin zur Erhöhung der Standortattraktivität Deutschlands. Die Einführung einer Steuergutschrift für FuE-Aufwendungen und/oder eine Patent-/Lizenzbox könnten sich positiv auf die Wettbewerbsfähigkeit Deutschlands auswirken. Deutschland hat alle Voraussetzungen, zumindest im Rahmen der Industrie 4.0 eine herausragende internationale Rolle einzunehmen. Sollte diese nicht genutzt werden, droht eine Abwanderung der deutschen Industrie in Länder, welche die Digitalisierung ernsthafter und konsequenter vorantreiben.
1 Vgl. Naumann/Groß, IStR 2014, 906 ff.; Schmidtke, IStR 2015, 120 ff.
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Eine Neuverteilung des Steueraufkommens zwischen Ansässigkeits- und Quellenstaat, mit der Begründung des Sammelns von Nutzerdaten oder des alleinigen Zugangs zum Absatzmarkt, erscheint zumindest fragwürdig. Vertretbar erscheint allenfalls eine punktuelle Modifikation des bestehenden Betriebsstättenbegriffs. Um den generellen Herausforderungen der digitalen Wirtschaft langfristig zu begegnen, sollten die Arbeiten an einer GKKB vorangetrieben werden. Diese würde wenigstens einen Schutz vor Doppelbesteuerung bieten können.1
1 Vgl. Pinkernell, Internationale Steuergestaltung im Electronic Commerce, IFSt-Fachschrift 494/2014, 189.
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Digitized Economy – sind alle betroffen? Podiumsdiskussion Leitung Prof. Dr. Jürgen Lüdicke Rechtsanwalt, Steuerberater, International Tax Institute, Universität Hamburg Teilnehmer Armin Geyer Steuerberater, SAP SE, Global Tax, Head of M&A Tax Group
MinDirig Martin Kreienbaum Bundesministerium der Finanzen, Berlin
Prof. Dr. Dietmar Gosch Vors. Richter am Bundesfinanzhof, München/Christian-AlbrechtsUniversität zu Kiel
Dr. Friedrich Loschelder, LL.M. (Edinb.) Richter am Finanzgericht, Hamburg
Dr. Berend Holst Volkswagen AG, Global Head of Tax & Customs
Oliver Nußbaum BASF SE, Global Head of Tax
Prof. Dr. Lüdicke Herr Geyer, haben Sie vielen Dank für Ihre sehr gute Zusammenfassung dessen, was sich an Problemen in der Rechtswirklichkeit stellt, was Digitalisierung, digitale Wirtschaft heute eigentlich ist. Und auch für Ihre Darstellung dessen, was der etwa 100 Seiten lange OECD-Bericht zu Action Point 1 vorläufig an alternativen Handlungsoptionen darbietet, die Sie dankenswerterweise auch direkt bewertet haben. Ich möchte, bevor wir auf einzelne Punkte Ihres Referats kommen, die Chance nutzen, dass wir hier zwei Unternehmensvertreter auf dem Podium haben, die beide aus Unternehmen stammen, die man ja nicht, in erster Linie jedenfalls, als digitale Wirtschaft bezeichnen würde. Wir wissen natürlich, dass ein VW nicht nur von Personen zusammengeschraubt wird, sondern dass da auch Roboter schrauben. Wie weit würden Sie sich in den beiden Unternehmen als schon heute digitalisierte Wirtschaft betrachten?
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Podiumsdiskussion: Digitized Economy
Dr. Holst Digitalisierte Wirtschaft noch nicht, aber in der Zukunft immer mehr. Wir haben beispielsweise ein Projekt „Connected Car“. In der Zukunft sollen Fahrzeuge des Volkswagenkonzerns miteinander kommunizieren, um dann vielleicht freie Parkplätze, Staumeldungen usw. abzugeben, was bei dem Volumen der Konzernfahrzeuge zu aussagekräftigen Ergebnissen führen dürfte. Auch arbeiten wir an dem Projekt des fahrerlosen Fahrens, das ebenfalls auf digitaler Datenerfassung aufbaut. Also die Digitalisierung nimmt da zu, aber sie ist letztendlich immer mit unserem Produkt Auto verbunden und insofern schon anders als das Geschäftsmodell von SAP. Der Fokus der Steuerarbeit liegt bei diesen „digitalen Projekten“ zunächst auf dem Gebiet der Umsatzsteuer. Nußbaum Für uns ist das Thema derzeit noch nicht so relevant wie für SAP. Das liegt im Chemiegeschäft auf der Hand. Derzeit wird in nennenswertem Umfang nur im Commodity-Geschäft über Internetplattformen gehandelt. Der Trend geht aber dahin, Systemlösungen statt Chemikalien zu verkaufen. Systemlösungen können analog der Geschäftsmodelle der digitalen Industrie vertrieben werden. Das heißt, das Thema wird auch für uns immer relevanter werden. Prof. Dr. Lüdicke Vielen Dank. Meine Damen und Herren, jetzt können Sie sich alle überlegen, wenn Sie Unternehmensvertreter sind, wo Ihre Unternehmen einzusortieren sind. Was ich sehr interessant fand, Herr Geyer, war Ihr Beispiel zu WhatsApp, das für 19 Milliarden Dollar verkauft worden ist und immerhin über 50 Arbeitnehmer verfügt haben soll. Wenn die alle Mitinhaber waren, arbeiten sie jetzt wahrscheinlich gar nicht mehr – na gut. Man fragt sich dabei, und Sie haben die Frage ja auch gestellt: Ist der Fremdvergleichsgrundsatz zukunftsfähig? Wenn der Fremdvergleich jetzt für eine internationale Gewinnabgrenzung bei so einem Unternehmen eine Rolle spielt, wie funktioniert da eigentlich der AOA hinsichtlich der People Function?
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Podiumsdiskussion: Digitized Economy
MinDirig Kreienbaum Sie schauen mich an. Prof. Dr. Lüdicke Ja, naheliegenderweise. MinDirig Kreienbaum Wenn wir akzeptieren, dass sich die Zuordnung des Besteuerungsrechts nach der Wertschöpfung richten soll, müssen People Functions auch weiterhin die entscheidende Rolle spielen. Eine davon losgelöste Wertschöpfung ist schwer vorstellbar. Auf der anderen Seite trifft es aber auch zu, dass uns die schwieriger werdende Identifikation und Zuordnung relevanter Leistungsbeiträge und Funktionen an die Grenzen des Machbaren bringen wird. People Functions verlieren nicht mit Blick auf die Wertschöpfung an Bedeutung. Ihre Relevanz kann aber für die Zuordnung von Besteuerungsrechten abnehmen, wenn eine örtliche Zuordnung entweder nicht mehr möglich ist, zufällig ist oder willkürlich gestaltet werden kann. Solche Probleme zeichnen sich in den geschilderten Fällen ab, in Teilbereichen diskutieren wir auch auf internationaler Ebene darüber. Lösungen kann ich Ihnen dafür heute aber nicht anbieten. Prof. Dr. Gosch In Ihrem sehr schönen Vortrag, Herr Geyer, kam natürlich viel Technisches vor, beispielsweise die schöne neue Welt des fahrerlosen Fahrens, also das sog. Google-Auto. Manchmal habe ich so den Eindruck, das gibt es schon, wenn man so Leute vor sich herfahren sieht. Aber Spaß beiseite. Die Technik erschließt sich einem Juristen nicht so ohne Weiteres. Bei dem Fremdvergleichsgrundsatz gelingt das vielleicht schon eher. Ich erinnere mich eines Urteils des BFH vom Jahre 20021. Darin ging es um einen BTX-Server, also eine Frühform der heutigen Computertechnik. Er gehörte einer vermietenden Kapitalgesellschaft in Deutschland, genauer: in Flensburg. Dieser Server war in der Schweiz platziert, und es ging nun darum, ist das eine Betriebsstätte? Wir haben damals im Senat sehr darum gerungen, weil es ja bloß ein Kasten war, ansonsten nichts, vor allem kein Personal. Die „Rettung“ fanden wir dann in der Aktivitätsklausel des Art. 24 DBA Schweiz. Das Urteil habe 1 BFH v. 5.6.2002 – I R 86/01, BStBl. II 2002, 683.
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Podiumsdiskussion: Digitized Economy
ich gerade hier auf dem Podium über juris gefunden. Sie sehen: Das Digitale erleichtert uns die Rechtsfindung. Prof. Dr. Lüdicke Und der juris-Computer steht ja wahrscheinlich auch in Deutschland. Prof. Dr. Gosch Ja, der steht auch in Deutschland, da könnte man dann auch für die Besteuerungszuordnung ansetzen. Aber in der Tat bleibt das Problem, wie man dann dem bloßen „Kasten“ bei dem anzustellenden Fremdvergleich Rechnung trägt. Man könnte über virtuelle Betriebsstätten nachdenken. Und man müsste vielleicht auch sogar über einen gleichfalls virtuellen Fremdvergleichsmaßstab nachdenken. Man müsste ein Gesamtvolumen nach irgendwelchen ökonomischen Analysen der Wertschöpfungsbeiträge dann aufteilen. Ob es solche Analysen schon gibt, entzieht sich meiner Kenntnis. Ich fürchte, nein. Aber das wäre immerhin eine Option über ein neuartiges Verständnis, um der Betriebsstättenproblematik in der virtuell-digitalen Welt Herr zu werden. Vielleicht ist das ein Weg für die Zukunft. Noch ein Wort zu der Lizenzschranke, die Sie in Ihrem Vortrag ja auch angesprochen haben. Sie mag dienlich sein. Sie muss dann aber zielgenau ausgestaltet werden, gerade, was Fragen der Missbrauchsabwehr anbelangt. Andernfalls droht verfassungsrechtliches Ungemach. Bitte denken Sie an den Beschluss, den der BFH1 zu der insoweit vergleichbaren Zinsschranke in einem AdV-Verfahren in die Welt gesetzt hat. Das BMF hat sich dem einmal mehr schlicht mittels eines Nichtanwendungserlasses widersetzt.2 Und schlussendlich: Warum könnte man nicht doch einen Paradigmenwechsel machen und das Ganze umstellen? Sie haben es auch erwähnt, Herr Geyer. Dass man an den Konsumenten anknüpft. Derjenige ist zu besteuern, der vor Ort „digital“ als Nutzer in Erscheinung tritt, sei es, dass er Waren bestellt, Onlinedienste in Anspruch nimmt usf. Allerdings bedarf es natürlich auch dann einer Wertschöpfungsbeitragsanalyse, einer Zuordnung der internationalen Konzerngewinne.
1 BFH v. 18.12.2013 – I B 85/13, BStBl. II 2014, 947. 2 BMF v. 13.11.2014 – IV C 2 - S 2742 - a/07/10001:009, BStBl. I 2014, 1516.
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Prof. Dr. Lüdicke Ja, vielen Dank. In der Tat, das klingt ja fast so, ob Sie gerade in China gewesen wären und das von da mitgebracht hätten. Denen gefällt das, glaube ich. Dr. Loschelder Gleich dazu eine Frage, Herr Gosch: Bewegen wir uns da noch auf dem Boden des Ertragsteuerrechts? Prof. Dr. Gosch Vermutlich wohl eher im Verbrauchsteuerrecht. Dr. Loschelder Das erinnert mich sehr an die Diskussion, die wir hier vor drei Jahren geführt haben, als Prof. Schön zu dem Thema „Zukunft des internationalen Steuerrechts“ gesprochen hat.1 Lassen Sie mich den vorletzten Punkt Ihrer Schlussfolgerung aufgreifen, Herr Geyer: Sie haben gesagt, eine Neuverteilung des Steueraufkommens zwischen Ansässigkeitsstaat und Quellenstaat in Bezug auf das Sammeln von Nutzerdaten oder den Zugang zum Absatzmarkt erscheine Ihnen fragwürdig; vertretbar sei allenfalls eine punktuelle Modifikation des bestehenden Betriebsstättenbegriffs. Dazu vier Aussagen aus dem Vortrag von Herrn Prof. Schön: 1. Nach den allgemeinen Regeln des Völkerrechts kann jede Form grenzüberschreitender Aktivitäten Anknüpfungspunkt für die Begründung einer Steuerpflicht sein. 2. Die unterschiedlichen Formen wirtschaftlicher Betätigung sollten grundsätzlich gleichbehandelt werden. Insbesondere sollten sich aus diesen unterschiedlichen Formen keine unterschiedlichen Steuerfolgen ergeben. 3. Lieferungen und Leistungen, die gegenüber einem Kunden in einem bestimmten Hoheitsgebiet erbracht werden, genügen daher als Anknüpfungspunkte für eine Quellenbesteuerung. 4. Es besteht keine Notwendigkeit, formale Mindestanforderungen für den Besteuerungszugriff aufzustellen, etwa in Form einer inländi-
1 Schön in Lüdicke, Praxis und Zukunft des deutschen Internationalen Steuerrechts, Forum der Internationalen Besteuerung, 2012, 1 ff.
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schen Betriebsstätte. Es sollte allerdings quantitative Mindestanforderungen geben. Bei diesem letzten Punkt könnte man beispielsweise an die Regelung des § 50a Abs. 2 Satz 3 EStG denken, wo Lieferungen und Leistungen, die dort dem Quellensteuerabzug unterworfen sind, erst ab einer Größenordnung von 250 Euro erfasst werden. Und Herr Lüdicke – um dann auch gleich noch Sie zu zitieren –, Sie haben 2008 zur Rechtfertigung der beschränkten Steuerpflicht in der DStR geschrieben: „Soweit Steuerausländer Einkünfte unter Nutzung der inländischen Infrastruktur erzielen, erscheint es angemessen, dass sie über ihre Besteuerung zu deren Finanzierung beitragen.“1 Wenn ich mir die Beispiele anschaue, die Sie, Herr Geyer, genannt haben – Facebook, das Sammeln, Auswerten und Kommerzialisieren von Nutzerdaten –, wenn ich mir den Nexus anschaue – das Bedienen lokaler Märkte ohne physische Präsenz, aber doch unter Nutzung des vorhandenen Internets mit seiner gesamten Struktur –, dann meine ich, dass wir hier eine Rechtfertigung für einen Steuerzugriff haben und dass man aus Gründen der Gleichbehandlung mit anderen Industriezweigen dies alles auch erfassen sollte. Und ich stimme Ihnen in dem Punkt zu, Herr Geyer, dass man das nicht auf digitale Lieferungen und Leistungen beschränken sollte. Aber die Frage wäre, ob man nicht in diesem Sinne tatsächlich de lege ferenda einen weiteren Anknüpfungspunkt in § 49 EStG schafft, für solche körperlosen Lieferungen und Leistungen. Das Problem ist natürlich, darüber haben wir schon vor drei Jahren diskutiert, und auch Sie haben das angesprochen, Herr Geyer: Wie berücksichtige ich den Aufwand? Da muss man entweder mit einem pauschalen, geringeren Steuersatz arbeiten, evtl. verbunden mit der Möglichkeit, Aufwendungen nachzuweisen. Das ist mühsam, aber ich glaube, dass das im Ergebnis sinnvoller und gerechter ist, als diesen Bereich im Inland komplett unbesteuert zu lassen. Prof. Dr. Lüdicke Vielen Dank, Herr Loschelder. Ich glaube, Sie haben damit insbesondere zwei Probleme angesprochen. Das eine Problem haben Sie gerade zum Schluss noch einmal selbst ganz deutlich hervorgehoben. Wie berücksichtige ich den Aufwand im Quellenstaat, wenn ich die Anforderungen an die Präsenz soweit abspe1 Lüdicke, DStR 2008, Beihefter zu Heft 17, 26.
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cke, dass ich da jedenfalls nicht das habe, was man sich üblicherweise als Betriebsstätte vorstellt, für die man eine richtige Gewinnermittlung macht? Damit zusammen hängt natürlich das Problem, wenn ich dann zu einer wie auch immer niedrigen Quellensteuer komme, bekomme ich die wirklich angerechnet im anderen Staat? Insoweit bestehen ja in ganz vielen Staaten Probleme, Deutschland gehört dazu. Sie hatten das in Ihrem Vortrag erwähnt, Herr Geyer. Wenn es keinen Anrechnungsvortrag gibt, ist die Folge wirtschaftlich gesehen über die Jahre Doppelbesteuerung, wenn das Unternehmen in seinem Heimatstaat auch nur mal in einer kurzen Verlustphase steckt. Das ist das unvermeidliche Ergebnis. Und das andere Problem ist die Entwicklung des Begriffs der Betriebsstätte. Dieser ist nach allem, was Sie dargestellt haben, Herr Geyer, sicherlich nicht mehr in jeder Hinsicht ganz zeitgemäß. Aber er stellte einmal eine internationale Konvention dar, um die Unternehmen nicht übermäßig mit Steuererklärungspflichten und mit allem Möglichen zu belasten. Man wollte damit dem internationalen Handel und Wandel Erleichterung verschaffen und Vorschub leisten und hat deswegen eine gewisse Mindestschwelle angesetzt. In Deutschland haben wir den klassischen Betriebsstättenbegriff bis vor Kurzem – ich darf an das hier auch bei dieser Tagung mehrfach diskutierte Anstreicherbeispiel erinnern – immer hochgehalten, und dafür gibt es auch gute Gründe. Mir scheint die Herausforderung darin zu liegen, dass wir bei diesen modernen Geschäftsmodellen zum Teil eigentlich nur die Betriebsstätte substituieren – durch irgendetwas, und wir wissen nicht so richtig durch was –, und zum Teil gibt es eben ganz neue Geschäftsmodelle. Wenn beispielsweise die Musik aus der Cloud kommt und womöglich nicht einmal mehr über eine Leitung, dann ist es eben schwierig, woran man das anknüpfen soll. Die Frage geht aber eben auch dahin, ob man das anknüpfen muss. Ich stehe zu dem, was ich 2008 geschrieben habe; es ist für die beschränkte Steuerpflicht als Rechtfertigung erforderlich, aber auch ausreichend, dass ich die Infrastruktur nutze. Das heißt aber noch nicht, dass der Staat nicht trotzdem für die Besteuerung Schwellen ansetzen kann, aus welchen Gründen auch immer. Wie wird das von Deutschland gesehen? Und welche Bedeutung haben Outbound-Situationen, die wir ja immer neben den Inbound-Situationen sehen müssen? Wie ist derzeit die deutsche Politik?
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MinDirig Kreienbaum Der OECD-Bericht zur digitalen Wirtschaft hat aus meiner Sicht zu Recht festgestellt, dass man die digitale Wirtschaft mit Blick auf die steuerliche Behandlung von Bereichen der sonstigen Wirtschaft nicht oder nur sehr schwer trennen kann. Damit scheiden besondere Anknüpfungspunkte und besondere Regeln für den Bereich der Besteuerung der digitalen Wirtschaft aus. Wenn man die Diskussion zur beschränkten Steuerpflicht weiterführt und die Nutzung im Inland vorhandener Infrastruktur als Rechtfertigung inländischer Besteuerung heranziehen will, stößt man sehr schnell an Grenzen. Im Zweifel erfolgt die Netzkommunikation über einen Satelliten direkt auf das Smartphone. Verbleiben am Ende bei diesen Geschäftsvorfällen nur die Nachfrage und das Bereitstellen des Marktes als steuerliche Anknüpfungspunkte, dann werden wir die Frage beantworten müssen, ob das Anknüpfen an den Markt nicht zu einem generellen Prinzip werden soll. Wenn das Bereitstellen des Marktes im Allgemeinen als steuerlich relevanter Wertschöpfungsbeitrag anerkannt werden würde, läge darin ohne Zweifel eher ein steuerpolitisches Risiko für Deutschland als eine steuerpolitische Chance. Es lässt sich aus Sicht eines Quellenstaates leicht argumentieren, dass ein zusätzlicher Markt, 1,2 Milliarden potenzielle Konsumenten in China beispielsweise, die ein deutsches Produkt, vielleicht ein Auto, nachfragen, auf den Wert des in Deutschland liegenden immateriellen Wirtschaftsguts reflektiert. Ohne Zweifel ist die Entwicklung eines Wirtschaftsguts mehr wert, wenn das Unternehmen mit diesem Wirtschaftsgut einen Markt mit 1,2 Milliarden Menschen zusätzlich bedienen kann. Herr Prof. Lüdicke, Sie hatten die Frage gestellt: Brauchen wir einen ertragsteuerlichen Anknüpfungspunkt für diese Fälle, in denen nur der Markt bereitgestellt wird, oder ist das nicht schon durch die Umsatzsteuer abgedeckt? Aus meiner Sicht wird der Konsum digitaler Leistungen durch die Verbrauchsteuern abgedeckt. Die OECD hat mit Blick auf die umsatzsteuerliche Behandlung digitaler Leistungen schon 1998 bei der damaligen Ottawa-Konferenz zu E-Commerce beschlossen, dass das Verbrauchsortprinzip gelten soll. Dabei ist auch aus umsatzsteuerlicher Sicht die Feststellung des Verbrauchsortes mit erheblichen Schwierigkeiten verbunden. Jetzt erst sind wir im Begriff, das Verbrauchsortprinzip zumindest in Europa so durchzusetzen, dass das Land des Verbrauchs, wenn es denn richtig festgestellt wird, auch die Verbrauchsteuern bekommt. Stellen Sie sich das konkret vor: Sie laden in Deutschland Daten auf Ihren
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Computer herunter und nutzen technische Möglichkeiten, um den Anschein zu erwecken, als seien Sie gar nicht in Deutschland. Sie haben möglicherweise eine IP-Adresse, die den Anschein erweckt, Sie seien im Ausland. Sie zahlen vielleicht mit einer Kreditkarte einer ausländischen Bank. Zuverlässige Faktoren, die den Konsum eines Produkts in Deutschland indizieren, sind schwer zu definieren. Vielleicht findet der tatsächliche Konsum gar nicht in Deutschland statt, wenn Sie die hier heruntergeladene Musik oder die heruntergeladene Software in einem anderen Staat nutzen. Das sind alles praktische Schwierigkeiten, die uns auch im ertragsteuerlichen Bereich erhebliche Schwierigkeiten bereiten würden. Dr. Holst Ich kann das nur unterstreichen. Die Nexus-Betrachtung wäre aus Sicht meiner Industrie eine Herausforderung. Zurzeit ist es so, dass wir 12 % der Autos in Deutschland verkaufen und mehr als 50 Prozent der Ertragsteuern in Deutschland zahlen. Wir verkaufen also fast neun von zehn Autos im Ausland. Wenn das Fass in diese Richtung aufgemacht wird, zahlen wir unsere Steuern voraussichtlich woanders. Und das muss sich die Bundesrepublik doch gut überlegen, ob das so gewollt ist. Ich kann Ihnen sagen, die gedankliche Schranke der Begrenzung auf die digitale Industrie wird nicht halten. Erlauben Sie mir noch zwei weitere Anmerkungen. Einmal zur Lizenzschranke nach hessischem Modell: Da kann ich nur sagen, das geht gar nicht, das ist standortschädlich. Schon die Neuregelung in Österreich muss hinterfragt werden, aber da geht es um konzerninterne Zahlungen. Eine Ausdehnung dieser Regelungen auch auf Lizenzzahlungen an fremde Dritte und eine Mindeststeuerbelastung von 25 % gehen hingegen entschieden zu weit. Da kann man nur sagen: stoppen, bitte. Was die Patentbox angeht, da gibt es in der deutschen Industrie durchaus unterschiedliche Sichtweisen. Es gibt Unternehmen, die meinen, so etwas sollte es geben. Ich persönlich bin aber kein Freund einer Schedulenbesteuerung, und wie Herr Prof. Gosch schon angedeutet hat: Die Einführung einer solchen Patentbox ist EU-rechtlich risikobehaftet, denn es könnte sich um eine unzulässige Beihilfe handeln. Ich glaube, die Diskussion in Deutschland wird sich wieder beruhigen. Prof. Dr. Lüdicke Vielen Dank. Ich habe noch eine Frage für das Podium. Herr Geyer hatte ja die fünf Handlungsoptionen des OECD-Berichts vorgestellt, unter an-
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derem die Änderung des Betriebsstättenbegriffs. Wenn ich Sie richtig verstanden habe, war das die einzige Option, zu der Sie der Meinung waren, das geht an sich, ist aber fiskalisch wahrscheinlich höchst ineffizient. Also kann man das eigentlich auch lassen. Bei allen anderen Optionen hatten Sie eine Menge Gegenargumente. Wie kann das Projekt realistisch weitergehen? Wenn es nur fünf Optionen gibt und letztlich keine wirklich überzeugt, könnte doch ein Problem entstehen. In absehbarer Zeit wird der Bericht zu Action Point 1 nach Abstimmung mit den anderen Action Points in seine endgültige Fassung gebracht und veröffentlicht werden müssen. Nun wird die OECD ja nicht mit leeren Händen dastehen wollen. Wie kann das politisch ausgehen? Nußbaum Was soll denn im Grunde daran falsch sein? Ich meine, die OECD, wenn man ihr Glauben schenken darf, möchte das Thema in objektiver Art und Weise analysieren und unterliegt nicht dem Zwang, etwas, was sich vielleicht bisher bewährt hat, zu verändern. Prof. Dr. Lüdicke Die Frage hat auch eher einen psychologischen Hintergrund. Nußbaum Im Grunde kann es ja auch das Ergebnis sein, dass man es bei den Grundsätzen belässt, bei allen Schwächen, die sich daraus am Ende vielleicht ergeben. Neue CFC-Rules werden noch kommen, andere Maßnahmen sind in Planung, dann sollten die Probleme auf andere Weise lösbar sein, als gerade den Betriebsstättenansatz infrage zu stellen. Eine Betriebsstätte war in der Vergangenheit immer eine Ausnahme oder zumindest in der Regel planbar. Man darf auch nicht vergessen, dass es nicht nur um die Ertragsteuern geht, wenn ich eine Betriebsstätte begründe. Jeder Mitarbeiter, der zu dieser Betriebsstätte gehört, wäre dort der vollen Lohnsteuer zu unterwerfen. Die Betriebsstättenfrage hat damit weitreichende Konsequenzen. Man muss das Thema komplett zu Ende denken, und ich würde nicht um jeden Preis immer alles infrage stellen und verändern wollen.
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Podiumsdiskussion: Digitized Economy
Prof. Dr. Lüdicke Für die Erwähnung der Lohnsteuer bin ich Ihnen sehr dankbar, Herr Nußbaum. Die Überarbeitung des Art. 15 Abs. 2 OECD-MA ist ohnehin so ein Desiderat von mir. Die Vorschrift sollte von den Verknüpfungen zwischen der Besteuerung der Arbeitnehmer und den von denselben weder zu beeinflussenden, gelegentlich nicht einmal zu erkennenden Voraussetzungen für das Vorliegen oder Nichtvorliegen einer Betriebsstätte gesäubert werden. Die Verknüpfungen verursachen nämlich nur Schwierigkeiten, von denen niemand – auch kein Fiskus – etwas hat. Man könnte, glaube ich, die Sachprobleme leichter lösen, wenn man die Frage, ob das Unternehmen in einem Land per Betriebsstätte vertreten ist, von der Frage trennt, ob in dem Land auch ein Arbeitnehmer steuerlich „erwischt“ wird, und dessen individuelle Besteuerung und Lohnsteuerpflichten usw. daran hängen. Nun gibt es ja jetzt seit Ende Oktober auch noch den Public Discussion Draft zu Action Point 71. Dort wird unter anderem die „künstliche“ Vermeidung von Betriebsstätten diskutiert. Dabei geht es auch um Veränderungen an Art. 5 Abs. 4 OECD-MA. Diese Diskussion wird ja sicherlich auch die möglichen Lösungen der Problematik der Digitized Economy irgendwie mit beeinflussen. MinDirig Kreienbaum Das kann ich bestätigen. Über Art. 5 Abs. 4 OECD-MA können wir sicher einige Probleme lösen und den Interessen der Quellenstaaten in Teilbereichen der digitalen Wirtschaft entgegenkommen, namentlich mit Blick auf Auslieferungslager von Online-Händlern. Grundsätzlich sind wir aber nach wie vor Verfechter eines engen Betriebsstättenbegriffs. In diesem Bemühen erfahren wir auf Ebene der OECD allerdings nur in begrenztem Umfang Unterstützung. In beschränktem Maße werden wir uns gegenüber einer Öffnung des Art. 5 Abs. 4 OECD-MA langfristig nicht verschließen können. Gleichzeitig ist uns bewusst, mit welchen – auch administrativen – Schwierigkeiten der betroffenen Unternehmen das verbunden ist.
1 OECD (2014), www.oecd.org/ctp/treaties/action-7-pe-status-public-discussiondraft.pdf.
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Podiumsdiskussion: Digitized Economy
Prof. Dr. Lüdicke Zumindest hat eine Betriebsstätte, die jetzt unter Art. 5 Abs. 4 OECDMA fällt, ja den ganz großen Vorzug, überhaupt sichtbar zu sein. Hier geht es ja um wirkliche physische Einrichtungen und nicht um irgendetwas Virtuelles. MinDirig Kreienbaum Ja. Die gemischten Geschäftsmodelle, bei denen digital bestellt und physisch ausgeliefert wird, bieten greifbare Anknüpfungspunkte. Die Diskussion auf OECD-Ebene geht insbesondere um diese genannten Auslieferungslager. Bei den rein digitalen Geschäftsmodellen, bei denen auch digital geliefert wird, diskutieren wir derzeit keine konkreten Vorschläge. Prof. Dr. Lüdicke Herr Geyer, Sie haben das Schlusswort. Geyer Vielen Dank. Vielleicht nur eine abschließende Anmerkung: Das Sammeln von Nutzerdaten als Rechtfertigung für die Begründung eines Steuerzugriffs heranzuziehen, halte ich für verfehlt. Warum sollte ein von mir vorgenommener Eintrag auf einer Internetplattform einen Nexus für den dahinter stehenden ausländischen Betreiber begründen? Damit tue ich mich insbesondere deshalb schwer, weil die Nutzerdaten eher mir und nicht dem Unternehmen zuzuordnen sind. Ich habe eingangs auf den Standort Walldorf Bezug genommen. Die SAP wurde 1972 gegründet und ist auch wegen der gewerbesteuerlichen Attraktivität in Walldorf ansässig geworden. Mit meinem Vortrag wollte ich verdeutlichen, welch enormes Potenzial mit der Digitalisierung der Wirtschaft einhergehen kann. Gerade mit einer steuerlichen Förderung könnte man die Standortattraktivität Deutschlands in diesem global wichtigen Wachstumsmarkt stärken. Fiskalpolitisch sollte dies auch kein Eigentor für Deutschland bedeuten. Letztendlich können alle gewinnen.
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Country-by-Country Reporting – mit Augenmaß! Dr. Ulf Andresen Steuerberater/Chartered Accountant (Australien) PricewaterhouseCoopers AG, Frankfurt am Main
A. Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . B. Country-by-Country Reporting . . . . . . . . . . . . . . . . I. Einordnung in die BEPSInitiative . . . . . . . . . . . . . . . . II. Verrechnungspreisdokumentation und Country-byCountry Reporting. . . . . . . . . 1. Status quo – Dokumentation heute . . . . . . . . . . . . 2. Dreiteilige Dokumentation nach dem Entwurf des Kapitels V der OECDGuidelines . . . . . . . . . . . . .
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a) Ziele von Verrechnungspreisdokumentationsvorschriften. . . . . . . . . . 94 b) Master File . . . . . . . . . . 95 c) Local File. . . . . . . . . . . . 98 d) Country-by-Country Report . . . . . . . . . . . . . . 100 3. Was hat sich geändert? . . . 101 C. Implikationen für Steuerpflichtige – Forderungen an Finanzverwaltungen . . . . . . .
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D. Fazit: Country-by-Country Reporting – mit Augenmaß!.
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A. Einleitung Dieser Beitrag beschäftigt sich mit den im „2014 Deliverable“1 zu „Action 13“ formulierten Vorstellungen über die Weiterentwicklung der Verrechnungspreisdokumentation unter dem sogenannten „Action Item 13“ des „Base Erosion and Profit Shifting („BEPS“) Projects“ der OECD und der G20 („BEPS-Initiative“): „Guidance on Transfer Pricing Documentation and Country-by-Country Reporting“. Darüber hinaus setzt er sich mit den Implikationen daraus für Steuerpflichtige auseinander und formuliert Forderungen an Finanzverwaltungen bezüglich des Umgangs mit den neuen Dokumentationsvorschriften, wenn sie denn Gesetz werden sollten. Der Titel des Beitrags ist dabei programmatisch – d.h. im Sinne einer Zielvorstellung – zu verstehen, weil bei allem Verständnis über Informationsbegehren aufseiten der Finanzverwaltungen der überlegte Umgang mit den dabei gewonnenen Informationen eine wichtige 1 Vgl. OECD (2014), Guidance on Transfer Pricing Documentation and Countryby-Country Reporting, OECD/G20 Base Erosion and Profit Shifting Project, OECD Publishing.
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Voraussetzung dafür ist, dass wirtschaftendes Handeln global weiterhin funktioniert und nicht durch überbordende Verwaltungsregelungen und Doppelbesteuerungen über ein vertretbares Maß hinaus beschränkt wird. Der nachfolgend kurz beschriebene Fall zeigt zum einen das gesamte Spektrum steuerlicher Aspekte auf, die für den Steuerpflichtigen in einem transparenteren Steuerumfeld relevant werden können, zum anderen zeigt er allerdings auch, dass Finanzverwaltungen bereits ohne ein „Country-by-Country Reporting“ ihren Aufgaben im Wettbewerb der Staaten um eine angemessene Verteilung von Steuersubstrat in ausreichendem Maße nachkommen können: Beispiel: Eine Unternehmensgruppe mit Sitz und Geschäftsleitung der Spitzeneinheit im EU-Land A wird in der Betriebsprüfung dieser Spitzeneinheit von der Finanzverwaltung gebeten, die gesamte Wertschöpfungskette eines Geschäftsbereichs unter Nennung der Mitarbeiterzahlen im Land A und in dem anderen EU-Land B offenzulegen, das gemeinsam mit Land A die gesamte Wertschöpfung dieses Geschäftsbereichs erbringt. Die Spitzeneinheit legt die erbetenen Mitarbeiterzahlen vor, aus denen sich folgendes Bild ergibt: Die Mitarbeiterzahl in Land A liegt um den Faktor 20 höher als im Land B, bei annähernd gleichem durchschnittlichem Qualifikationsniveau der Mitarbeiter. Der Gewinn im Land B liegt um den Faktor 40 höher als im Land A. Daraufhin korrigiert die Finanzverwaltung des Landes A den Gewinn der Spitzeneinheit signifikant nach oben. Die Finanzverwaltung des Landes B ist zu einer Gegenberichtigung unilateral nicht bereit, sondern weist den Steuerpflichtigen auf das Verständigungsverfahren nach dem einschlägigen DBA und nach der EU-Schiedskonvention als Instrumente zur Vermeidung der drohenden Doppelbesteuerung hin.
Dieser Fall zeigt, dass es der Einführung eines „Country-by-Country Reporting“ aus steuerlicher Sicht gar nicht bedarf, weil Finanzverwaltungen bereits mit den heute geltenden rechtlichen Regelungen die für die zwischenstaatliche Einkünfteabgrenzung als notwendig erachteten Informationen erhalten können. Dass diese vorhandenen Regelungen von den Betriebsprüfern in der Breite angewendet werden, ist ggf. ein Ziel der Finanzverwaltungen, das diese über interne Organisationsanweisungen bzw. die eigene Ausbildung ihrer Mitarbeiter erreichen können. Einer weiteren oder zusätzlichen gesetzlichen Regelung bedarf es hierfür genauso wenig, wie es in 2008 der Einführung der Funktionsverlagerung in Gestalt des § 1 Abs. 3 AStG bedurft hat, da die wahrgenommenen Verlagerungen von geschäftlichen Aktivitäten ins Ausland ausnahmslos
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mit der Korrekturvorschrift der verdeckten Gewinnausschüttung einer Verrechnungspreiskorrektur hätten zugeführt werden können. Gleichzeitig hat sich jedoch die öffentliche Wahrnehmung mit Bezug auf die Erfüllung steuerlicher Zahlungspflichten von Individuen, aber auch von Konzernen signifikant geändert. Publikationen wie die von Piketty1 und seinem Schüler Zucman2, die eine zunehmende Diskrepanz der Verteilung des Wohlstands konstatieren und deren Ursachen versuchen auf den Grund zu gehen, haben die Politik auf den Plan gerufen. Beginnend mit der Erklärung von Lough Erne der G8 in 2013,3 hat sich die Politik der Idee der Schaffung einer neuen globalen Steuerordnung verschrieben, an deren Umsetzung sie sich messen lassen muss. Vor diesem Hintergrund erscheint es unrealistisch, weiterhin dem Glauben nachzuhängen, dass das „Base Erosion and Profit Shifting Project“ der OECD/G20 im Sande verlaufen wird. Umso wichtiger ist es, an ihm so weit wie möglich mitzuarbeiten, damit die Finanzverwaltungen in der Anwendung der aus ihm entspringenden Regelungen das notwendige Augenmaß walten lassen, sodass der Wirtschaft für ihr Handeln die notwendige Flexibilität belassen bleibt.
B. Country-by-Country Reporting I. Einordnung in die BEPS-Initiative Die OECD hat die internationalen Verrechnungspreisregeln seit ihrer Neuformulierung in den OECD-Guidelines in 1995 einer regelmäßigen Überprüfung unterzogen und dabei einzelne Kapitel überarbeitet (Kapitel I bis III in 2010) oder neue hinzugefügt (Kapitel IX in 2010). Jüngste Überlegungen zu „Transfer Pricing Aspects of Intangibles“ aus dem Jahr 2013 sind letztlich aufgegangen in der BEPS-Initiative, wie sie im „Action Plan on Base Erosion and Profit Shifting“ mit seinen 15 Aktionspunkten definiert worden ist. Die BEPS-Initiative verfolgt drei wesentli1 Vgl. Piketty, Das Kapital im 21. Jahrhundert, München 2014; oder für den politischen Anwender verkürzt dargestellt: Horstmann, Alles, was Sie über das Kapital im 21. Jahrhundert von Thomas Piketty wissen müssen, München 2014. 2 Vgl. Zucman, Wo der Wohlstand der Nationen versteckt wird, Berlin 2014; siehe auch Doerfer, Die Steuervermeider: Wie wir um Milliarden betrogen werden, Hamburg 2014; Brinkmann, Die geprellte Gesellschaft, München 2014. 3 G8-Gipfel 2013: Erklärung von Lough Erne unter www.bundesregierung.de R Themen R G7/G8/G20 R Eine Übersicht der Gipfeldokumente der G7, G8 und G20.
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che Ziele: die Herstellung internationaler Kohärenz der Besteuerung von Unternehmen, die Einkommenszurechnung zu dem Ort der Einkommen generierenden Aktivität (Substanz) und die Schaffung von Transparenz (für Finanzverwaltungen) bei gleichzeitiger Rechtssicherheit und Vorhersagbarkeit steuerlicher Konsequenzen für den Steuerpflichtigen.1 Daneben sollen Konzepte für die Besteuerung wirtschaftlicher Aktivität in der digitalen Wirtschaft entwickelt werden.2 Der Aktionspunkt 13, die erneute Prüfung der Vorschriften über die Dokumentation von Verrechnungspreisen, ist dem Ziel „Schaffung von Transparenz“ zuzuordnen.3 Dieser Aktionspunkt soll Regeln entwickeln, die die Transparenz für Finanzverwaltungen erhöhen im Hinblick auf die globale Verteilung des steuerbaren Einkommens einer multinationalen Unternehmensgruppe, deren ausgeübte wirtschaftliche Aktivitäten und bezogen auf die Steuern, die diese Unternehmensgruppe in den Ländern bezahlt hat, in denen sie wirtschaftliche Aktivitäten entfaltet hat.4 Diese Informationen sollen weltweit allen relevanten Staaten zugänglich gemacht werden auf der Grundlage einer global einheitlichen Informationsabfrage. Flankiert werden sollen diese Maßnahmen der Informationsgenerierung von Maßnahmen zur Steigerung der Effektivität von Verständigungsverfahren.5 Anstoß für die Formulierung des Aktionspunkts 13 dürfte die von den Finanzverwaltungen wahrgenommene Informationsasymmetrie zwi-
1 Vgl. OECD (2013), Action Plan on Base Erosion and Profit Shifting, OECD Publishing, 15 ff. 2 Vgl. OECD (2013), Action Plan on Base Erosion and Profit Shifting, OECD Publishing, S. 14. 3 Vgl. OECD (2013), Action Plan on Base Erosion and Profit Shifting, OECD Publishing, 23. 4 Parallel dazu hat die EU bereits in Art. 89 der sog. CRD IV-Richtlinie ein „Country-by-Country Reporting“ für bestimmte Kreditinstitute eingeführt, das diese ab 1.7.2014 verpflichtet (Buchst. d bis f nur für systemrelevante Institute), die folgenden Informationen jährlich zu veröffentlichen: a) die Firma und die Art ihrer wirtschaftlichen Aktivitäten, b) den Umsatz, c) die Anzahl der in Vollzeit beschäftigten Mitarbeiter, d) den Gewinn/Verlust vor Steuern, e) Steuer auf den Gewinn/Verlust und f) erhaltene Subventionen und den dazugehörigen Ort. 5 Vgl. OECD (2013), Action Plan on Base Erosion and Profit Shifting, OECD Publishing, 23.
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schen Steuerpflichtigem und Finanzverwaltung gewesen sein.1 Diese wahrgenommene Asymmetrie dürfte sich primär auf die ausgewiesenen Gewinne und die darauf entrichteten Steuern beziehen, die im Kontext eines Steuerwettbewerbs zwischen den Staaten als wichtiger Indikator für eine unterstellte Steuervermeidung gesehen werden, auch wenn diese – insbesondere für deutsche Unternehmensgruppen – empirisch nicht immer eindeutig zu belegen ist. Die Einleitung eines förmlichen Prüfverfahrens gegen Irland wegen Vorteilsgewährung gegenüber dem AppleKonzern, gegen die Niederlande (Starbucks) und gegen Luxemburg (Fiat Finance and Trade und Amazon) geben diesem Transparenzbegehren neue Nahrung, auch wenn der einseitige Verzicht auf Besteuerung (selektive Steuervergünstigung) und die daraus möglicherweise resultierende Gewährung staatlicher Beihilfen letztlich kein Verrechnungspreisdokumentationsthema sind. Die OECD hat im Juli 2013 begonnen, sich in einem „White Paper on Transfer Pricing Documentation“ mit dem Aktionspunkt 13 auseinanderzusetzen.2 Sie schlägt darin einen zweiteiligen Ansatz vor, der dem der EU Transfer Pricing Documentation ähnelt und der die Erstellung eines Master File und eines Local File verlangt. Ein weiterer wichtiger Aspekt, der dort adressiert wird, ist die Frage nach dem Zweck der vorzulegenden Verrechnungspreisdokumentation. Während die Durchführung einer Betriebsprüfung oder die Feststellung, ob ein Steuerpflichtiger seine Verrechnungspreise erst ex post, d.h. nach Verwirklichung des Sachverhalts rechtfertigt, was in Steuersystemen, die eine Selbstveranlagung vorsehen (sog. „Self-Assessment Systems“), regelmäßig eine zeitnahe Dokumentation zum Zeitpunkt der Einreichung der Steuererklärung notwendig macht, jeweils ein Zweck für die Vorlage einer Verrechnungspreisdokumentation ist, ist die Einschätzung eines Verrechnungspreisrisikos aus Sicht der Finanzverwaltungen ein ebenso wichtiges Ziel. Dies gilt umso mehr in einer Zeit, in der auch die Finanzverwaltungen einen Mangel an Personal über andere Instrumente kompensieren müssen. Das Entdecken von Steuerpflichtigen, deren Verrechnungspreissystem aus der Sicht eines Staates ein Risiko der Gewinnverlagerung in andere
1 So auch Geberth, DB 2014, M8. 2 Vgl. OECD (2013), Project on Transfer Pricing Simplification: Transfer Pricing Documentation, White Paper on Transfer Pricing Documentation, CTPA/ CFA(2013)25 v. 17.7.2013.
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Staaten vermuten lässt, ist somit ein bedeutsames Ziel der Neuentwicklung globaler Dokumentationsvorschriften.1 In ihrem „Memorandum on Transfer Pricing Documentation and Country-by-Country Reporting“ vom 3. Oktober 2013 bereitet die OECD die öffentliche Diskussion zum Aktionspunkt 7 am 12. und 13. November 2013 vor, indem sie erste Überlegungen zu den zu berichtenden Finanzdaten in einer zukünftigen Verrechnungspreisdokumentation und zum Mechanismus des Informationsaustausches zwischen den Staaten veröffentlicht.2 Am 30. Januar 2014 veröffentlicht die OECD den ersten Diskussionsentwurf mit der Neuformulierung des Kapitels V der OECD Transfer Pricing Guidelines einschließlich dreier Anhänge, in denen der Inhalt eines Master Files, eines Local Files und einer Tabelle mit ausgewählten Steuer- und Finanzinformationen der Öffentlichkeit vor- und zur Diskussion gestellt wird.3 Die Veröffentlichung des Berichts zur Maßnahme 13 des BEPS-Aktionsplans am 16. September 2014 zusammen mit den Berichten zu sechs weiteren Aktionspunkten bildet den vorläufigen Abschluss der Überlegungen der OECD und der G20 zum Thema Transparenz durch veränderte Regelungen der Verrechnungspreisdokumentation.4 Der im Februar 2015 veröffentlichte Bericht zur Implementierung des Aktionspunkts 135 sei hier nur der Vollständigkeit halber erwähnt. Er sieht vor, dass Countryby-Country Reports erstmals für Wirtschaftsjahre erstellt werden sollen, die nach dem 1. Januar 2016 beginnen. Vorzulegen sind die Berichte erst 1 Vgl. OECD (2013), Project on Transfer Pricing Simplification: Transfer Pricing Documentation, White Paper on Transfer Pricing Documentation, CTPA/ CFA(2013)25 v. 17.7.2013, No. 50, 66, S. 17, 20. 2 Vgl. OECD (2013), Memorandum on Transfer Pricing Documentation and Country-By-Country Reporting. 3 Vgl. OECD (2014), Public Consultation, Discussion Draft on Transfer Pricing Documentation and CbC Reporting, 30 January 2014, OECD Publishing; siehe dazu Rasch, IWB 2014, 124. 4 Vgl. OECD (2014), Guidance on Transfer Pricing Documentation and Countryby-Country Reporting, OECD/G20 Base Erosion and Profit Shifting Project, OECD Publishing; siehe dazu Ditz/Quilitzsch, DStR 2014, 127; Kroppen/ Rasch, ISR 2014, 358; Elbert/Wellmann/Münch, IStR 2014, 800; Pinkernell, FR 2014, 964. 5 Vgl. OECD (2015), Action 13: Guidance on the Implementation of Transfer Pricing Documentation and Country-by-Country Reporting, OECD/G20 Base Erosion and Profit Shifting Project.
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zum 31. Dezember 2017 oder später bei abweichendem Wirtschaftsjahr.1 Diese Dokumentationsverpflichtung soll grundsätzlich alle multinationalen Unternehmen(sgruppen) treffen, es sei denn, die Umsätze der Gruppe auf konsolidierter Basis betragen weniger als 750 Mio. Euro oder einen nahezu gleichen Wert in lokaler Währung in dem Jahr, das dem Berichtsjahr vorausgeht.2 Durch diese Regelung werden ca. 90 Prozent der weltweiten Unternehmensumsätze erfasst, während gleichzeitig 85 bis 90 Prozent der Unternehmen weltweit dieser Berichtspflicht nicht unterliegen. Gleichzeitig verpflichten sich die Staaten (Finanzverwaltungen), die Daten aus dem Country-by-Country Reporting (CbCR) vertraulich zu behandeln, auf dem Standard der „Multilateral Convention on Mutual Administrative Assistance in Tax Matters“, einem Tax Information Exchange Agreement oder einem DBA, das dem Standard des „Global Forum on Transparency and Exchange of Information for Tax Purposes“ entspricht. Sie verpflichten sich weiterhin zur Verwendung des CbCR-Formblattes in Kapitel V der OECD Transfer Pricing Guidelines (Annex III zu Chapter V). Schließlich verpflichten sich die Staaten, die Informationen aus dem CbCR lediglich für die Einstufung des Verrechnungspreisrisikos eines Steuerpflichtigen zu benutzen und nicht zur Schätzung von Verrechnungspreiskorrekturen aus der formelhaften Verwendung von Finanzdaten aus dem CbCR.3 Der CbCR soll im Wege eines automatischen Informationsaustausches zwischen allen für eine Unternehmensgruppe relevanten Staaten ausgetauscht werden, die für diesen Zweck entsprechende Abkommen schließen sollen.4
1 Vgl. OECD (2015), Action 13: Guidance on the Implementation of Transfer Pricing Documentation and Country-by-Country Reporting, OECD/G20 Base Erosion and Profit Shifting Project, No. 7, S. 4. 2 Vgl. OECD (2015), Action 13: Guidance on the Implementation of Transfer Pricing Documentation and Country-by-Country Reporting, OECD/G20 Base Erosion and Profit Shifting Project, No. 9, S. 4. 3 Vgl. OECD (2015), Action 13: Guidance on the Implementation of Transfer Pricing Documentation and Country-by-Country Reporting, OECD/G20 Base Erosion and Profit Shifting Project, No. 13, S. 5/6. 4 Vgl. OECD (2015), Action 13: Guidance on the Implementation of Transfer Pricing Documentation and Country-by-Country Reporting, OECD/G20 Base Erosion and Profit Shifting Project, No. 14–15, S. 6/7.
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II. Verrechnungspreisdokumentation und Country-by-Country Reporting 1. Status quo – Dokumentation heute Die Mehrzahl der Verrechnungspreisdokumentationen, die in der VorBEPS-Ära erstellt worden sind, sollen primär die gesetzlichen oder vonseiten der Finanzverwaltung geforderten Dokumentationsanforderungen erfüllen (Compliance-Fokus). In dieser Zweckausrichtung dienen sie in erster Linie der Vermeidung von Strafzuschlägen oder der Vermeidung von Schätzungen der (anteiligen) Bemessungsgrundlage. Begrenzt ist der betriebene Aufwand auch durch die zur Verfügung stehenden (personellen) Ressourcen, die in den vergangenen Jahren von den Steuerpflichtigen erst sukzessive aufgebaut worden sind. Die in den nachfolgenden Abschnitten beschriebenen neuen Anforderungen zwingen Steuerpflichtige zu einer Neuausrichtung, weil die Qualität der zur Verfügung zu stellenden Daten zunimmt.
2. Dreiteilige Dokumentation nach dem Entwurf des Kapitels V der OECD-Guidelines a) Ziele von Verrechnungspreisdokumentationsvorschriften Verrechnungspreisdokumentationsvorschriften verfolgen im Wesentlichen drei Ziele. Sie ermöglichen zum einen die Prüfung, ob Steuerpflichtige bei der Festsetzung ihrer Verrechnungspreise und der Vertragsbedingungen in grenzüberschreitenden Geschäftsbeziehungen mit nahestehenden Personen oder verbundenen Unternehmen in ausreichendem Maße den Fremdvergleichsgrundsatz beachtet haben. Diese Zielsetzung gilt insbesondere in Staaten mit Selbstveranlagungssystemen, wie z.B. den USA, Australien oder Großbritannien (seit 1999), d.h. dort, wo Steuerpflichtige sich für die Richtigkeit ihrer steuerlichen Bemessungsgrundlage verbürgen und bei Verstoß gegen diesen Vertrauensvorschuss durch zum Teil signifikante Strafzuschläge für ein festgestelltes Fehlverhalten bestraft werden. Zum anderen sorgen die Verrechnungsdokumentationsvorschriften dafür, dass Finanzverwaltungen Informationen erhalten, mit denen sie eine Einschätzung vornehmen können, ob ein Steuerpflichtiger durch Verrechnungspreisgestaltung Einkünfte gemindert haben könnte (sog. „Transfer Pricing Risk Assessment“). Letztlich sollen Finanzverwaltungen auf der Grundlage der zu diesem Zweck vorgelegten Informationen
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eine Entscheidung darüber treffen, ob eine Prüfung der Verrechnungspreise vorgenommen werden soll. Kriterien, die für eine solche Entscheidung sprechen würden, sind signifikante Transaktionsvolumen oder sogar Einkünfteverlagerungen in Niedrigsteuerländer(n), Veräußerungen von immateriellen Wirtschaftsgütern an verbundene Unternehmen, Funktionsverlagerungen, Zahlungen von Zinsen, Versicherungsprämien oder Lizenzen, die tendenziell eine erodierende Wirkung auf die steuerliche Bemessungsgrundlage haben, Dauerverluste, eine qualitativ schlechte oder fehlende Dokumentation oder eine vergleichsweise hohe Fremdfinanzierung.1 Schließlich sollen die Verrechnungspreisdokumentationsvorschriften die Finanzverwaltungen in die Lage versetzen, eine Prüfung der Verrechnungspreise durchzuführen, ggf. unter Anforderung zusätzlicher detaillierter Informationen oder Stellungnahmen. Dieser Zielkanon ist nach Ansicht der OECD/G20 am besten zu erreichen, wenn Steuerpflichtige verpflichtet werden, drei Dokumente zu erstellen und vorzulegen:2 einen Master File, der standardisierte Informationen für alle Gruppengesellschaften enthält, einen Local File, der auf die Geschäftsbeziehungen der lokalen zu prüfenden Gesellschaft eingeht, und einen „Country-by-Country Report“, der Informationen zur weltweiten Verteilung des Konzerneinkommens, der gezahlten Steuern und zum Inhalt und zum Ort wirtschaftlicher Aktivitäten der Unternehmensgruppe enthält.3
b) Master File Der Master File soll einen Überblick über die jeweilige Unternehmensgruppe geben, in welchem die Aktivitäten der Gruppe, ihre globalen Verrechnungspreisregeln bzw. -richtlinien und die geografische Verteilung der Konzernaktivitäten und des Konzerngewinns bzw. -verlustes auf einem hohen Aggregationsniveau zusammengefasst dargestellt sind. Eine detaillierte Auflistung von immateriellen Wirtschaftsgütern, Verträgen 1 Vgl. OECD (2013), Project on Transfer Pricing Simplification: Transfer Pricing Documentation, White Paper on Transfer Pricing Documentation, CTPA/ CFA(2013)25 vom 17. Juli 2013, No. 69, S. 20/21. 2 Vgl. schon zum White Paper in 2013 Bittner/Dawid/Hoffmann, 2014, 218 (219). 3 Vgl. OECD (2014), Guidance on Transfer Pricing Documentation and Countryby-Country Reporting, OECD/G20 Base Erosion and Profit Shifting Project, OECD Publishing, No. 16, S. 17.
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etc. ist nicht gefordert. Der Steuerpflichtige sollte sich bei der Erstellung des Master File davon leiten lassen, ob der Verzicht auf eine Information die Verlässlichkeit der Gewinnverteilung infrage stellen würde.1 Gefordert ist eine Darstellung der Unternehmensgruppe als eine Art Blaupause, die die organisatorische Struktur der Gruppe, die Beschreibung der Geschäftsfelder, eine Auflistung der wichtigsten immateriellen Wirtschaftsgüter, eine Übersicht über die grenzüberschreitenden Verbindungen der Gruppe und die Gewinn-/Verlustsituation und die Steuerposition enthält.2 Gemäß Annex I zu Kapitel V der OECD Transfer Pricing Guidelines sollen insbesondere folgende Informationen im Master File erfasst sein: Informationskategorie – Detailinformation 1.
Organisationsstruktur – eine grafische Übersicht über die rechtliche Eigentümerstruktur der Konzerngesellschaften und den Ort ihrer Geschäftstätigkeit
2.
Beschreibung des Geschäftsmodells der Unternehmensgruppe – wichtige Treiber des Unternehmensgewinns – eine (ggf. auch grafische) Darstellung oder Beschreibung der Wertschöpfungskette für die fünf umsatzstärksten Produkte oder Leistungen und für diejenigen Produkte oder Leistungen, die mehr als fünf Prozent des Gruppenumsatzes ausmachen – Liste und Kurzbeschreibung der wichtigen Dienstleistungsbeziehungen zwischen den Gesellschaften der Unternehmensgruppe ohne Forschungs- und Entwicklungsleistungen sowie eine Beschreibung der Fähigkeiten der Haupt-Dienstleister, diese Leistungen zu erbringen, und der Verrechnungssystematik – Beschreibung der Haupt-Absatzmärkte der Unternehmensgruppe – kurze Funktionsanalyse bezogen auf die Haupt-Funktionen, Risiken und Wirtschaftsgüter – Beschreibung wichtiger Umstrukturierungen, Erwerbe und Veräußerungen während des jeweiligen Berichtsjahres
1 Vgl. OECD (2014), Guidance on Transfer Pricing Documentation and Countryby-Country Reporting, OECD/G20 Base Erosion and Profit Shifting Project, OECD Publishing, No. 18, S. 18. 2 Vgl. OECD (2014), Guidance on Transfer Pricing Documentation and Countryby-Country Reporting, OECD/G20 Base Erosion and Profit Shifting Project, OECD Publishing, No. 19, S. 18.
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Andresen – Country-by-Country Reporting 3.
Immaterielle Wirtschaftsgüter1 der Unternehmensgruppe – allgemeine Beschreibung der Gesamtstrategie der Gruppe für die Entwicklung, das Eigentum und die Verwertung von immateriellen Wirtschaftsgütern einschließlich der Orte der maßgeblichen Forschungs- und Entwicklungsleistungen und des Ortes, von dem das Management dieser Aktivitäten ausgeübt wird – Liste der für die Gruppe wichtigen immateriellen Wirtschaftsgüter und deren Eigentümer – Liste der wesentlichen Verträge über immaterielle Wirtschaftsgüter, wie z.B. Kostenumlageverträge, Dienstleistungsverträge für Entwicklungstätigkeiten und Lizenzverträge – allgemeine Beschreibung der Verrechnungspreisrichtlinie für Forschungs- und Entwicklungsleistungen und für immaterielle Wirtschaftsgüter – allgemeine Beschreibung der Verlagerung von Eigentumsanteilen an immateriellen Wirtschaftsgütern während einer Berichtsperiode einschließlich der betroffenen Länder, der Gesellschaften und der vereinbarten Vergütung
4.
Finanzierungsbeziehungen der Unternehmensgruppe – allgemeine Beschreibung darüber, wie die Gruppe finanziert ist, einschließlich Finanzierungen von fremden Dritten – Identifikation der Gruppengesellschaft, die eine zentrale Finanzierungsfunktion für die Gruppe innehat, und Nennung des Ortes von deren Geschäftsleitung – eine allgemeine Beschreibung der Verrechnungspreisrichtlinie für Finanzierungsleistungen in der Gruppe
5.
Finanz- und Ertragslage und Steuerposition – Konzernjahresabschluss der Unternehmensgruppe für das relevante Berichtsjahr, für welche Zwecke er auch erstellt worden ist, z.B. für den Zweck der externen Rechnungslegung, für regulatorische Zwecke, für Management-Zwecke, für steuerliche oder andere Zwecke – Liste und kurze Beschreibung der existierenden unilateralen Advance Pricing Agreements und anderen verbindlichen Auskünften oder Zusagen („Tax Rulings“) zur Einkünfteabgrenzung
Die vorstehenden Informationen müssen nicht für den Gesamtkonzern zusammengestellt werden, sondern können auch für einzelne Geschäftsbereiche separat in mehreren Master Files beschrieben werden, wenn gleichzeitig die zentralen Gruppenfunktionen, die alle Geschäftsbereiche betreffen, ebenfalls in einem Master File dargestellt sind. Alle diese Do1 Gemeint sind ausschließlich immaterielle Wirtschaftsgüter in der Definition des Kapitels VI der OECD Transfer Pricing Guidelines.
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kumente sollen allen Finanzverwaltungen zugänglich sein, in denen die Unternehmensgruppe präsent ist. Dies soll nicht notwendigerweise automatisch geschehen. Es soll jedoch gewährleistet sein, dass alle Staaten, die diese Information erhalten möchten, diese auch erhalten.
c) Local File Der Local File soll insbesondere detaillierte Informationen zu bestimmten Geschäftsbeziehungen mit verbundenen Unternehmen enthalten, damit geprüft werden kann, ob der Steuerpflichtige in seinen wesentlichen Geschäftsbeziehungen den Fremdvergleichsgrundsatz beachtet hat. Dazu gehören Finanzinformationen, eine Vergleichsanalyse und die Auswahl und Anwendung einer adäquaten Verrechnungspreismethode zur Verprobung der Angemessenheit der Verrechnungspreise. Gemäß Annex II zu Kapitel V der OECD Transfer Pricing Guidelines sollen insbesondere folgende Informationen1 im Local File erfasst sein: Informationskategorie – Detailinformation 1.
Lokale Gesellschaft – Beschreibung der Managementstruktur der lokalen Gesellschaft mit Organigrammen und eine Beschreibung, an wen die lokalen Mitarbeiter berichten und in welchen Büros diese Berichtsempfänger tätig werden – detaillierte Beschreibung der Geschäftsstrategie der lokalen Gesellschaft unter Hinweis auf etwaige Restrukturierungen und etwaige Veräußerungen von immateriellen Wirtschaftsgütern – Nennung der wichtigsten Wettbewerber
2.
Geschäftsbeziehungen mit verbundenen Unternehmen – Beschreibung der wichtigsten Kategorien grenzüberschreitender Geschäftsbeziehungen der lokalen Gesellschaft und des wirtschaftlichen Umfelds, in dem diese stattfinden – Betrag der Zahlungen für geleistete oder empfangene Leistungen anderer Gruppengesellschaften, nach Staaten untergliedert – Identifikation jedes verbundenen Unternehmens, das in die grenzüberschreitenden Geschäftsbeziehungen eingebunden ist, und die Beschreibung der Geschäftsverbindung – Kopien aller wichtigen Verträge zwischen Gruppengesellschaften und der lokalen Gesellschaft
1 Vgl. Auch Mank, IWB 2014, 750 (751).
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Andresen – Country-by-Country Reporting – detaillierte Vergleichs- und Funktionsanalyse beider1 Transaktionspartner für jede dokumentierte Kategorie grenzüberschreitender Geschäftsbeziehungen mit verbundenen Unternehmen – Nennung der anzuwendenden Verrechnungspreismethode für die jeweilige Kategorie von Geschäftsbeziehungen und die Gründe für deren Auswahl – Aussage darüber, welche Gesellschaft die sog. „Tested Party“ sein soll, d.h. diejenige Gesellschaft, bei der die Einhaltung des Fremdvergleichsgrundsatzes belegt und dokumentiert wird – Zusammenfassung der wichtigsten getroffenen Annahmen für Zwecke der Anwendung der Verrechnungspreismethoden – Erläuterung der Gründe für die Durchführung einer Mehrjahresanalyse – Liste und Beschreibung der ausgewählten Vergleichstransaktionen (intern sowie extern) und Informationen zur gewählten Profitabilitätskennzahl sowie zur Suchstrategie für die Vergleichsunternehmen und zur verwendeten Datenquelle – Beschreibung etwaiger Anpassungsrechnungen zur Herstellung der Vergleichbarkeit mit den Vergleichstransaktionen – Beschreibung der Gründe, die dafür sprechen, dass die gewählten Vergleichstransaktionen fremdvergleichskonform bepreist sind, unter der gewählten Verrechnungspreismethode – Zusammenfassung der Finanzinformationen, die für die Durchführung des Fremdvergleichs verwendet worden sind – Kopie aller existierenden uni-, bi- und multilateralen Advance Pricing Agreements, in denen der Sitzstaat der lokalen Gesellschaft keine Vertragspartei geworden ist 3.
Finanzinformationen – Einzeljahresabschluss der lokalen Gesellschaft für das Berichtsjahr. Liegt ein Prüfungsbericht vor, sollte dieser ebenfalls vorgelegt werden. – Informationen und Übersichten, aus denen hervorgeht, wie die Finanzdaten der Vergleichsunternehmen bei Anwendung der gewählten Verrechnungspreismethode mit dem Jahresabschluss der lokalen Gesellschaft in Zusammenhang gebracht werden können – Zusammenfassung der relevanten Finanzdaten der Vergleichsunternehmen und eine Angabe zur Quelle dieser Daten
Die hier definierten Anforderungen gehen zum Teil deutlich über das Maß hinaus, das heute nach lokalen Dokumentationspflichten von
1 Eine Fokussierung auf beide Gesellschaften entspricht nicht notwendigerweise dem Fremdvergleichsgrundsatz, der nur für eine der beiden Gesellschaften, meist die funktionsschwächere, die Durchführung eines Fremdvergleichs verlangt.
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Andresen – Country-by-Country Reporting
Steuerpflichtigen vorgelegt werden muss.1 Umso wichtiger wird es sein, dass nationale Gesetzgeber bei der Umsetzung des Kapitels V in nationales Recht durch Einführung von Wesentlichkeitsgrenzen i.S.d. No. 32 der Guidance on Transfer Pricing Documentation and Country-byCountry Reporting die Verhältnismäßigkeit der ansonsten überbordenden Dokumentationsanforderungen wahren.
d) Country-by-Country Report Der CbCR soll aggregiert je Staat Informationen über die Aufteilung des Konzerngewinns oder -verlustes, der darauf entrichteten Steuern und über andere Faktoren wirtschaftlicher Aktivität für diejenigen Staaten enthalten, in denen die Unternehmensgruppe tätig ist. Daneben soll jede berichtspflichtige Unternehmensgruppe eine Liste sog. „Constituent Entities“ vorhalten, aus der hervorgeht, welche Kapital- oder Personengesellschaften, Trusts oder Betriebsstätten (zusammen „Constituent Entities“) in den jeweiligen Staaten operieren (relevant ist der Ort der Geschäftsleitung, „Residence“), für die die geforderten Finanzinformationen erhoben worden sind. Für diese „Constituent Entities“ soll auch die jeweils aktuelle Geschäftstätigkeit berichtet werden.2 Der CbCR ist ausdrücklich nicht als Substitut für eine ausführliche Prüfung der Verrechnungspreise durch die jeweilige Finanzverwaltung gedacht, sondern soll ausschließlich der Einschätzung von Verrechnungspreisrisiken dienen.3 Der Einführung einer globalen formelhaften Gewinnaufteilung gewissermaßen durch die Hintertür, wie sie einige Stimmen in der Literatur4 vermuten, wird explizit eine Absage erteilt („… should not be used by tax administrations to propose transfer pricing adjustments based on global formulary apportionment of income“5).
1 Ebenso Kroppen/Rasch, ISR 2014, 358 (362); Pinkernell, FR 2014, 964 (969); a.A. offenbar Elbert/Wellmann/Münch, IStR 2014, 800 (805). 2 Vgl. OECD (2014), Guidance on Transfer Pricing Documentation and Countryby-Country Reporting, OECD/G20 Base Erosion and Profit Shifting Project, OECD Publishing, No. 24, S. 19. 3 Vgl. OECD (2014), Guidance on Transfer Pricing Documentation and Countryby-Country Reporting, OECD/G20 Base Erosion and Profit Shifting Project, OECD Publishing, No. 25, S. 19. 4 Vgl. Krauß, IStR 2014, 204 (206). 5 OECD (2014), Guidance on Transfer Pricing Documentation and Country-byCountry Reporting, OECD/G20 Base Erosion and Profit Shifting Project, OECD Publishing, No. 25, S. 20.
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Andresen – Country-by-Country Reporting
Gemäß Annex III zu Kapitel V der OECD Transfer Pricing Guidelines sollen insbesondere folgende Informationen im Formblatt des CbCR erfasst sein: Name der Unternehmensgruppe
Wirtschaftsjahr
Steuerjurisdiktion Umsätze
mit fremden Dritten mit Konzernunternehmen
Gewinn (Verlust) vor Ertragsteuern gezahlte Ertragsteuern zurückgestellte Ertragsteuern für das laufende Jahr ausgewiesenes Eigenkapital kumulierte Gewinnrücklagen Anzahl der Mitarbeiter materielle Wirtschaftsgüter ohne Kasse und ähnliche Zahlungsmittel
Für jede Steuerjurisdiktion ist eine Liste von „Constituent Entities“ zu erstellen, die durch ihre Geschäftsleitung „resident“ in dieser Steuerjurisdiktion sind. Wenn der Staat des Satzungssitzes abweicht, soll dies in einer Tabelle erfasst werden, in der darüber hinaus die hauptsächlichen Geschäftsaktivitäten jeder „Constituent Entity“ zu erfassen sind.
3. Was hat sich geändert? Durch die Änderung des Kapitels V der OECD Transfer Pricing Guidelines steigt der Umfang an qualitativer und quantitativer Dokumentation, die der Steuerpflichtige regelmäßig vorhalten muss. Er ist gleichzeitig höheren Anforderungen an die Transparenz seines Verrechnungspreismodells ausgesetzt und muss sich darauf einstellen, wie er mit diesem veränderten Umfeld umgeht. Eine mögliche Folgewirkung könnte die Zunahme der zentral gesteuerten und damit konsistenteren Verrechnungspreisdokumentation sein, die insbesondere inländische Konzerne treffen kann, die erfahrungsgemäß historisch bedingt eher einen dezentralen Dokumentationsansatz verfolgt haben. Dies ist im Zeitalter von BEPS nicht mehr zeitgemäß, sodass sich insbesondere deutsche Unter-
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Andresen – Country-by-Country Reporting
nehmensgruppen überlegen müssen, ob sie ggf. unter einem verstärkten Einsatz von IT-Lösungen das aus BEPS resultierende weitergehende Informationsbegehren zentral adressieren.
C. Implikationen für Steuerpflichtige – Forderungen an Finanzverwaltungen Die Darstellung der neuen Dokumentationsanforderungen in Abschnitt B. hat gezeigt, dass Steuerpflichtige sich auf einen höheren Aufwand für die Erstellung der Verrechnungspreisdokumentation Post-BEPS einstellen müssen. Da vieles im Detail noch unklar ist, wird es bei der Umsetzung neuer Dokumentationsanforderungen entscheidend darauf ankommen, wie die Finanzverwaltungen mit dem Thema umgehen möchten. Die folgenden Thesen beschreiben zum einen den Status quo, stellen zum anderen aber auch die möglichen Folgewirkungen für den Steuerpflichtigen dar und wie er sich auf die neue Situation einstellen kann. Sie werfen darüber hinaus einen Blick auf die Zukunft, indem sie für die nachfolgende Podiumsdiskussion noch auf einige kritische Punkte des Entwurfs der OECD zum Aktionspunkt 13 eingehen, die vor der Implementierung noch gelöst werden sollten. 1. Laufende Betriebsprüfungen nutzen bereits Gewinn-/Verlust- versus Personallandschaften zur Begründung ihrer Einkünftekorrektur bei allen Zweifeln an der alleinigen Wertschöpfungsfaktorqualität von Personal. 2. Der Erkenntnisgewinn aus den abgefragten Daten für die effektive Prüfung der Verrechnungspreise ist nur eingeschränkt. 3. Die Anzahl der Verrechnungspreisstreitigkeiten und das Risiko der Doppelbesteuerung steigen aufgrund der Neuregelungen zur Dokumentation. 4. Der Aufwand für die Einrichtung des CbCR wird signifikant. 5. Es besteht eine Notwendigkeit, Betriebsprüfer besser zu schulen, damit diese mit bestehenden Instrumenten bessere Ergebnisse erzielen können und nicht auf Hilfsmittel angewiesen sind. 6. Es gibt Probleme mit dem Vollzug des Fremdvergleichsgrundsatzes. 7. Die Diskussion um die Gewährung von Beihilfen durch verbindliche Verrechnungspreiszusagen bringt neue Nahrung für das Country-byCountry Reporting.
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D. Fazit: Country-by-Country Reporting – mit Augenmaß! Was sollten Steuerpflichtige tun, damit sie bestmöglich auf die gestiegenen Dokumentationsanforderungen vorbereitet sind? Zunächst sollten Steuerpflichtige sicherstellen, dass sie in der Lage sind, die zu berichtenden Informationen im Rechnungswesen oder in anderen Quellen zu finden und aufzubereiten. In einem zweiten Schritt erscheint die Vornahme einer Bewertung bestehender Verrechnungspreisstrukturen angezeigt, damit Steuerpflichtige für sich klären können, ob abhilfeschaffende Maßnahmen erforderlich sind. Der wichtigste Aspekt dürfte die Prüfung der Frage sein, ob das Verrechnungspreismodell die Wertschöpfungsverteilung angemessen reflektiert. Dies hat auch der unter A. beschriebene Fall gezeigt, der zum einen das gesamte Spektrum steuerlicher Aspekte aufzeigt, die für den Steuerpflichtigen in einem transparenteren Steuerumfeld relevant werden, zum anderen zeigt er allerdings auch, dass Finanzverwaltungen bereits ohne ein Country-by-Country Reporting ihren Aufgaben in ausreichendem Maße nachkommen können, was die Frage nach der Notwendigkeit der neuen Regelungen nach sich zieht. Wie bei DBA steht auch bei der Neuformulierung der Dokumentationsanforderungen das Wichtige im Protokoll bzw. in den Annexen.
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Country-by-Country Reporting – mit Augenmaß! Podiumsdiskussion Leitung Prof. Dr. Jürgen Lüdicke Rechtsanwalt, Steuerberater, International Tax Institute, Universität Hamburg Teilnehmer Dr. Ulf Andresen PwC, Frankfurt Prof. Dr. Dietmar Gosch Vors. Richter am Bundesfinanzhof, München/Christian-AlbrechtsUniversität zu Kiel
MinDirig Martin Kreienbaum Bundesministerium der Finanzen, Berlin Dr. Friedrich Loschelder, LL.M. (Edinb.) Richter am Finanzgericht, Hamburg
Dr. Berend Holst Volkswagen AG, Global Head of Tax and Customs
Prof. Dr. Lüdicke Vielen Dank, Herr Andresen, für Ihre Einführung in die Thematik und die ausgezeichnete Übersicht über das, was die OECD in ihrem Report bisher vorgeschlagen hat. Sie haben einige der Probleme sehr deutlich gemacht. Mir fiel im Laufe des Vortrags eine Bemerkung ein, die Frau Nottelmann1, die hier im Publikum sitzt und die an der Vorbereitung der Tagung in unserem Beirat beteiligt ist, gerne in Erinnerung ruft: „Daten sind noch keine Steuern.“ Man muss hier zwei Aspekte sehen, die Sie ja auch angesprochen haben, einmal die materiellen Aspekte – die Verrechnungspreise werden gleichheitskonform angewendet – und dann eben die formellen Aspekte – was wissen die Finanzverwaltungen überhaupt als Grundlage für die Steuerfestsetzung. Beides muss man nach meiner Einschätzung schon deutlich auseinanderhalten, auch wenn es gewisse Interdependenzen sicherlich geben mag.
1 Leiterin der Steuerverwaltung der Freien und Hansestadt Hamburg.
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Podiumsdiskussion: Country-by-Country Reporting
Das Thema scheint herauszufordern, so viele Wortmeldungen! Herr Holst, bitte. Dr. Holst Ich hätte ehrlich gesagt die Unterüberschrift des Vortrags anders gewählt. Sie sagen „mit Augenmaß“, ich hätte gesagt, „gefährliches Pflaster für das deutsche Steuersubstrat“. Herr Kreienbaum, an Sie die Frage: Was erwarten Sie sich dadurch für Erkenntnisgewinne, beispielsweise aus dem Volkswagenkonzern? Unsere Prüfer kennen alles, bekommen alle Informationen. Also wieso meinen Sie, ist das sinnvoll? Diese Frage ist umso brennender, weil Sie uns einen erheblichen technischen Aufwand zumuten. Die einzigen konsolidierten Zahlen, die zur Verfügung stehen, sind in der IFRS-Konzernbilanz abgebildet. Diese müssten erst einmal rückwärts abgewickelt werden, dann müssen wir die über 1000 konsolidierten Unternehmen auf Local GAAP überleiten, das kostet richtig Geld, das freut vielleicht die Wirtschaftsprüfungsgesellschaften, die diese Tools implementieren können, aber so richtig glücklich sollte das in Deutschland eigentlich keinen machen. Wenn die Zahlen, die ich liefere, dazu führen, dass Steuern beispielsweise proportional zu den generierten Umsätzen erhoben werden, wozu wird das denn führen? Sowohl Herr Nußbaum als auch ich haben das bereits dargelegt: BASF und Volkswagen haben eine weit überproportionale Steuerzahlung in Deutschland im Vergleich zum Umsatz. Was wird international passieren? Diskussionen über Wertschöpfungsketten etc. sind vorprogrammiert. Wir werden in Doppelbesteuerungsdebatten kommen, und so, wie die Verständigungsverfahren jetzt laufen, teilweise besteht ja nicht einmal ein Einigungszwang, drohen für deutsche internationale Unternehmen erhebliche Mehrbelastungen. Dies muten Sie uns zu, ohne selbst etwas davon zu haben. Dr. Andresen Wobei die Frage natürlich ist, ob der Angegriffene wirklich der Angegriffene sein sollte. Denn ich meine, wir haben heute Morgen schon gehört, dass die deutsche Finanzverwaltung unter Umständen auch eher die deutsche Industrie hier als Leidtragende sieht, während ich mir vorstellen kann, dass in vielen anderen Staaten auf einmal Begehrlichkeiten geweckt werden und gar nicht so sehr in Deutschland. Aber, Herr Kreienbaum.
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Podiumsdiskussion: Country-by-Country Reporting
MinDirig Kreienbaum Vielen Dank. Keine Sorge, ich fühle mich nicht angegriffen. Es trifft sicher zu, dass vor allem die Schwellenländer an Country-by-Country Informationen interessiert sind. Ich will aber nicht ausschließen, dass auch deutsche Betriebsprüfer davon profitieren können. Wir treiben das Thema auf internationaler Ebene nicht, sondern versuchen dazu beizutragen, es für alle Beteiligten sinnvoll und vor allem maßvoll auszugestalten. Country-by-Country Reporting soll den Steuerverwaltungen als ein Risikoüberprüfungsinstrument dienen. Es dient der Plausibilitätsprüfung. Problematisch kann dabei sein, dass man mit Staaten, mit denen entsprechende Daten ausgetauscht werden, nicht die gleichen materiellen Standards über die Zuordnung von Besteuerungsrechten vereinbart hat. Es sind Staaten an der Diskussion beteiligt, mit denen wir z.B. kein DBA haben und damit auch keine Verständigung auf den Fremdvergleichsgrundsatz. Diese Staaten würden verrechnungspreisrelevante Informationen erhalten und damit gegebenenfalls von unseren Vorstellungen abweichende Ergebnisse rechtfertigen. Aus unserer Sicht ist es deshalb wichtig, dass wir mit den Staaten, mit denen wir Country-by-Country Daten austauschen, gleiche materiell-rechtliche Voraussetzungen vereinbart haben. Es wurde zutreffend auch von Herrn Andresen festgestellt, dass diese Verfahren zu einer erhöhten Zahl von Streitigkeiten zwischen den Staaten führen werden. Wir setzen uns deshalb auf internationaler Ebene weiterhin dafür ein, Country-by-Country Reporting durch verbindliche Streitbeilegungsverfahren zu ergänzen. Über diese Frage ist noch nicht abschließend entschieden und ich hatte heute Morgen angedeutet, dass es fraglich ist, ob wir uns mit dieser Position durchsetzen. Prof. Dr. Lüdicke Darf ich da mal nachfragen: Wenn zum Schluss ganz viele unterschiedliche Dinge in dieses multilaterale Instrument nach Action Point 15 aufgenommen werden sollen und dann ja jeder Staat für sich entscheiden muss und kann, ob und wie er das Instrument umsetzt, kann man da eigentlich noch einen gewissen Verhandlungsdruck aufbauen? MinDirig Kreienbaum Ja, das habe ich immer so gesehen. Die Frage, welche Bereiche in dieses multilaterale Instrument aufgenommen werden und welche nicht, ist eine hochpolitische Frage. Alles, was in diesem Instrument enthalten sein wird, wird bei der jeweils nationalen Umsetzung dieses Instru-
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Podiumsdiskussion: Country-by-Country Reporting
ments im Inland schwer abzulehnen sein. Denn die OECD- und G20Staaten haben sich politisch auf die Umsetzung der BEPS-Empfehlungen verpflichtet. Wenn jetzt das maßgebliche Instrument kommt, mit dem diese Empfehlungen umgesetzt werden sollen, dann würden sich Staaten politisch in einen starken Widerspruch setzen, wenn sie dieses Instrument nicht umsetzten. Anders sieht es aus, wenn einzelne Empfehlungen der OECD nicht über das Instrument, sondern durch gewöhnlichen innerstaatlichen Rechtsetzungsakt jeweils einzeln umgesetzt würden. Dann haben Staaten mehr politische Bewegungsfreiheit, sich dem Umsetzungsdruck zu entziehen. Prof. Dr. Gosch Nur ein paar Aspekte. Zum einen frage ich mich, ob der Steuerpflichtige tatsächlich gehalten ist, völlige Transparenz über sein Geschäftsgebaren herzustellen und dadurch im Ergebnis das Amtsermittlungsprinzip vollauf zu substituieren. Dient volle Transparenz wirklich dem, was wir „Fremdvergleich“ nennen? Das ist eine Scheinverobjektivierung des Fremdvergleichens. Im gegenwärtigen Regelungswerk finden wir ein Beispiel dafür in § 1 Abs. 1 Satz 3 AStG, in der sog. Hellseherklausel: Die voneinander unabhängigen Dritten kennen alle wesentlichen Umstände der Geschäftsbeziehung – ein im tatsächlichen Leben nur schwer vorstellbares Wissen. Das lässt sich in der Wirklichkeit des Fremdvergleichens, glaube ich, kaum realisieren. Es bleiben vielmehr immer Wertungsdefizite, auch Faktendefizite, die gar nicht substituiert werden können, auch nicht durch einen vollständigen, simulierten Faktenüberblick. Dann zu den Stichworten Datenschutz, Steuergeheimnis, Betriebsgeheimnis. Dass man hier nicht vorsichtig genug sein kann, liegt auf der Hand. Das Steuerrecht sollte sich nicht zum Vehikel der Wirtschaftsspionage in die Pflicht nehmen lassen. Oder sollte das stimmen, was ich gerade gestern gelesen habe, nämlich eine Äußerung des EU-DigitalKommissars Oettinger: „Übertreibt es nicht mit dem Datenschutz, besser Breitbandausbau anstatt Mütterrente“? Wer Daten perfekt schütze, der könne sie auch nicht mehr nutzen.1 Aber jetzt denn doch noch weg vom eher Populistischen, hin zum Rechtlichen. Der I. Senat des BFH hat am 10. April 20132 eine Entschei1 Stuttgarter Zeitung v. 1.12.2014: Datenschutz als Wettbewerbsnachteil. 2 BFH v. 10.4.2013 – I R 45/11, BStBl. II 2013, 771.
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dung getroffen zur Verpflichtung zur Verrechnungspreisdokumentation nach § 90 Abs. 3 AO. Das Urteil gibt ein differenziertes Bild ab: Nach § 90 Abs. 3 AO hat der Steuerpflichtige bei Sachverhalten, die Vorgänge mit Auslandsbezug betreffen, über die Art und den Inhalt seiner Geschäftsbeziehungen mit ihm nahestehenden Personen Aufzeichnungen zu erstellen und diese auf Verlangen der Finanzbehörde vorzulegen. Diese Pflichten beziehen sich insbesondere auf die mit den Nahestehenden vereinbarten sog. Verrechnungspreise. Einzelnes zur Dokumentation regelt die Finanzverwaltung in der Gewinnabgrenzungsaufzeichnungsverordnung. Kommt der Steuerpflichtige den Dokumentationspflichten nicht oder nur unvollständig nach, ermöglicht § 162 Abs. 3 AO eine Schätzung der Besteuerungsgrundlagen zu seinem Nachteil und § 162 Abs. 4 AO auch unmittelbare pekuniäre Sanktionen. Der BFH hat das unter unionsrechtlichen Aspekten geprüft und zunächst einmal kein Haar in der Suppe gefunden. Zwar werde in den Schutzbereich danach bestehender Grundfreiheiten im gemeinsamen Binnenmarkt eingegriffen, doch sei dieser Eingriff durch zwingende Gründe des Allgemeininteresses gerechtfertigt, insbesondere durch das Erfordernis einer wirksamen Steueraufsicht. Der Eingriff sei auch verhältnismäßig, weil ohne Verrechnungspreisdokumentation sich eine effektive Sachverhaltsaufklärung nicht ermöglichen lasse. Eine solche könne nicht allein mit den Mitteln der zwischenstaatlichen Amtshilfe gewährleistet werden. Allerdings: Dieses Verdikt trifft nur die „halbe Wahrheit“. Ob die Gewinnabgrenzungsaufzeichnungsverordnung im Ergebnis in weiten Teilen nicht doch über das Ziel hinausschießt, bleibt offen. Denn der BFH „prüft nicht durch“. Er akzeptiert lediglich die Anforderung der Dokumentationen als solche. Ob der Finanzverwaltung das Vorgelegte dann genügt und ob sie tatsächlich die „harschen“ Konsequenzen zieht, die die besagten Regelungen in § 162 Abs. 3 und 4 AO ermöglichen, steht auf einem anderen Blatt. Schaut man sich die behördlichen „Nachsuchungen“ insbesondere in Nr. 3.4 der Verwaltungsgrundsätze-Verfahren an, durch die das „Dokumentations-Anforderungsniveau“ bis ins Kleinste präzisiert wird, lässt sich allerdings durchaus daran zweifeln, dass hierdurch das Verhältnismäßigkeitsgebot vollends gewahrt bleibt; so manches dort Verlangte überschreitet mit einiger Gewissheit das Zumutbare. Das Risiko, auszuloten, wie weit die Anforderungen aus Verfassungs- und Unionssicht gehen dürfen, überträgt der BFH mit seiner Entscheidung aber de facto auf den Steuerpflichtigen: Erbringt er die angeforderte Dokumentation, bleibt er jedoch – bewusst oder unbewusst, aus Gründen des „Rechtswiderstands“, aus Unfähigkeit oder aus Kosten-
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Podiumsdiskussion: Country-by-Country Reporting
erwägungen – unterhalb des in den Verwaltungsgrundsätze-Verfahren – und damit bereits in dem behördlichen Dokumentationsverlangen – eingeforderten Dokumentationsniveaus, setzt er sich der Gefahr von Sanktionen aus. Dagegen muss er sich dann zur Wehr setzen. Das sind Steine statt Brot für viele Steuerpflichtige. Es ist deshalb anzunehmen, dass dieses gestufte Vorgehen nicht allseits befriedigen wird, und man mag dafür auch mehr als nur ein gewisses Verständnis aufbringen können. Dr. Andresen Das wirft die Frage nach der zukünftigen Rechtsgrundlage für das Country-by-Country Reporting auf: Gibt es denn schon Überlegungen seitens der Finanzverwaltung, wie damit umgegangen werden soll? Vorhin klang an, dass § 90 Abs. 3 AO die Vorschrift sei, in der wir das Countryby-Country Reporting wiederfinden könnten. Kann man sich darauf einstellen, dass Verwertbarkeit, Nichtvorlage usw. in gleicher Form geahndet werden? Und gibt es da auch schon internationale Abstimmungen darüber, wie man das Nichtbefolgen dieser Vorschrift gegebenenfalls ahndet? MinDirig Kreienbaum Vielleicht kann ich zunächst etwas zu Fragen des Datenschutzes beitragen, einem Punkt, der uns sehr beschäftigt. Die datenschutzrechtlichen Aspekte müssen, wie auch andere Sicherungsregeln, die wir unterbringen wollen, in dem Empfangsstaat berücksichtigt werden. Wenn wir Informationen auf Basis der bestehenden Austauschmechanismen nach Art. 26 OECD-MA austauschen, dann ist in der Regel sichergestellt, dass entsprechende Standards in dem Empfangsstaat eingehalten werden. Die internationale Vereinbarung zu Country-by-Country Reporting hat gerade den Vorteil, dass entsprechende Sicherungsmechanismen untergebracht werden können. Würde jeder Staat für sich nach seinem nationalen Recht entsprechende Berichtspflichten implementieren, wäre dies anders. Und es hindert niemand einen souveränen Staat daran, entsprechende Informationen über die dort ansässigen Tochtergesellschaften abzufragen. Jeder Staat kann von einer lokalen Gesellschaft im Rahmen seiner nationalen Gesetzgebung entsprechende Dokumentationen verlangen. Das gilt für das Local File, das Master File und auch für Country-by-Country Daten. Dann ist es Sache der lokalen Gesellschaft, diese Daten zu beschaffen. Und wenn Staaten daran Konsequenzen knüpfen, dann ist das Sache dieser souveränen Staaten. Wir führen jetzt
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Podiumsdiskussion: Country-by-Country Reporting
eine geordnete Diskussion über diese Fragen, auch zu den Grenzen und Bedingungen der Berichtserfordernisse. Darin liegt aus meiner Sicht ein nicht zu vernachlässigender positiver Aspekt. Zu § 90 Abs. 3 AO, Herr Andresen, und den weiteren Folgen: Darüber ist im Einzelnen noch nichts entschieden. Ich hatte erwähnt, dass nationale Gesetzesänderungen notwendig sind, um die entsprechenden Daten abzufragen. Je nachdem, über welches Instrument wir sie austauschen, sind auch für den Austausch weitere Rechtsänderungen erforderlich. Dr. Loschelder Zunächst zur Quantifizierung der Gewinnverlagerung durch den Sachverständigenrat: Ich bin kein Ökonom; ich lese die Ausführungen, die sich über mehrere Seiten erstrecken, und nehme das zur Kenntnis. Ich habe allerdings auch zur Kenntnis genommen, dass Herr Kreienbaum an dieser Stelle nicht widersprochen hat. Dann zu dem Beispiel, das genannt wurde: Wenn 500 Mitarbeiter an einem Standort einen Gewinn von 10 Millionen generieren und 10 Mitarbeiter an einem anderen Standort einen Gewinn von 50 Millionen, dann finde ich es durchaus berechtigt, an dieser Stelle einmal nachzufragen, was denn da der Hintergrund ist und ob das wirtschaftlich nachvollziehbar ist oder nicht. Da würde ich im Zweifel in einem finanzgerichtlichen Verfahren auch sagen: Erklären Sie mir bitte, wie das zustande kommt! Nun zu der Frage nach der Verhältnismäßigkeit: Ich stelle mir als Gegenbeispiel einen Einzelunternehmer vor, der ein Restaurant betreibt, als sog. 4III-Rechner, und bei dem wird eine Betriebsprüfung durchgeführt. Der Unternehmer legt sein Kassenbuch vor, seine Belegsammlung und die Lohnabrechnungen. Dann wird eine Kontoabfrage durchgeführt und der Unternehmer wird aufgefordert, seine Bankbelege vorzulegen, damit man sehen kann, ob es da irgendwelche Geldzugänge gibt, die er nicht erwirtschaftet haben kann. Dann wird festgestellt, dass der Unternehmer vor zwei Jahren ein Haus gekauft hat. Man fragt weiter nach: Wo kommt das Geld her? Und so weiter und so fort. Es wird also ein sehr hohes Maß an Transparenz geschaffen, und ich frage mich, warum sich ein großes Unternehmen nicht in gleicher Weise sollte bemühen müssen, Transparenz herzustellen, wenn Fragen auftauchen, die von steuerlicher Relevanz sind. Was den Aufwand angeht, der dadurch entsteht, fehlt mir vielleicht tatsächlich die Kenntnis der inneren Prozesse. Nur wenn ich mir die Posi-
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tionen aus dem Country-by-Country Reporting anschaue: Umsätze getrennt nach verbundenen und unverbundenen Transaktionspartnern, Gewinne, Steuern, gezeichnetes Kapital, kumulierte Gewinne, Anzahl der Mitarbeiter – ich bin nur Richter, aber wenn ich Anteilseigner an einem großen Unternehmen wäre … Prof. Dr. Gosch Immerhin, Herr Loschelder! Dr. Loschelder Danke! Also, wenn ich Anteilseigner in einem großen Unternehmen wäre, sind das nicht genau die Zahlen und genau die Informationen, die ich haben möchte, um feststellen zu können, was mit meinem Geld geschieht? Ist es tatsächlich ein so großer Aufwand, das darzustellen? Oder geht es in erster Linie letztlich darum, dass man Angst hat, was mit diesen Daten passiert? Einen Punkt habe ich noch; das ist dann auch die letzte Frage: Wenn denn tatsächlich solche Daten erhoben werden müssten, was passiert mit denen in einem Gerichtsverfahren? Ich glaube, dass jeder Richter mit einem hohen Maß an Zurückhaltung an die Prüfung geht, ob unternehmerische Entscheidungen steuerlich mitgetragen werden oder nicht. Ich würde mir das ähnlich vorstellen wie bei der Überprüfung von Ermessensentscheidungen des Finanzamtes: Man darf als Richter nicht das eigene Ermessen an die Stelle des Finanzbeamten setzen. Und genauso wenig darf ich meine unternehmerischen Vorstellungen an die Stelle desjenigen setzen, der unternehmerische Entscheidungen zu treffen und zu verantworten hat. Insofern wird sich das noch zeigen, wie das tatsächlich dann in der Praxis umzusetzen ist. Prof. Dr. Lüdicke Möchte jemand direkt dazu etwas sagen? Dr. Andresen Vielleicht zum Aufwand, auch wenn ich nicht in einem Großkonzern arbeite. Ich glaube, man muss einfach erkennen, dass man diese vielen Daten zwar in unterschiedlichen Datenquellen finden kann, aber dass es schon gewaltiger Aufwand ist, diese im Wege einer De-Konsolidierung einzelnen rechtlichen Einheiten und Betriebsstätten zuzurechnen.
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Podiumsdiskussion: Country-by-Country Reporting
Außerdem geht es hier auch um qualitative Daten (Art der Geschäftstätigkeit), nicht nur um quantitative Daten. Es sind nicht konsolidierte Gesellschaften mit einzubeziehen. Sie haben Betriebsstätten, die unter Umständen gar keinen eigenen Buchungskreis haben. Entsprechend ist die Aufgabe nicht zu unterschätzen. Letztlich wird es nicht unmöglich sein, die geforderten Daten zu erheben. Man wird Suchalgorithmen entwickeln, die auf die verschiedenen Datenquellen zugreifen und die erhobenen Daten dann in ein einheitliches Format bringen. Bei entsprechend komplexen Konzernstrukturen kann der Aufwand durchaus erheblich sein. Dr. Loschelder Aber ist es denn nicht auch aus Sicht des Unternehmens sinnvoll, genau über diese Daten zu verfügen? Dr. Andresen Ich glaube, da ist ein anderes Verständnis darüber vorherrschend, welche Daten für welche Zwecke im Unternehmen vorgehalten werden. Nach meiner Kenntnis gibt es nur wenige Konzerne, die wirklich einen Überblick über die Details aller grenzüberschreitenden Geschäftsbeziehungen aller Konzerngesellschaften haben und dann sehr gezielt durch die Bepreisung dieser Geschäftsbeziehungen Steuerplanung betreiben. Dr. Holst Also es gibt natürlich Controlling- und Informationssysteme für das Management, aber da spielen Steuern eine eher untergeordnete Rolle, weil sich auch die Incentivierung des Managements regelmäßig nicht auf das Nachsteuerergebnis, sondern auf das Vorsteuerergebnis bezieht. Zu unseren Anteilseignern, die an den Hauptversammlungen teilnehmen: Diese sind in erster Linie am Gesamtergebnis interessiert. Bei einem konzerninternen Leistungsaustausch wird davon ausgegangen, dass dieser marktgerecht erfolgt, und aus Konzernsicht bleibt das Gesamtresultat ja auch regelmäßig gleich. Dr. Loschelder Nun, wenn ich ein substanzieller Anteilseigner wäre, dann würde ich vielleicht doch noch mal nachfragen.
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Podiumsdiskussion: Country-by-Country Reporting
Dr. Holst Wir haben substanzielle Anteilseigner, die fragen in solcher Detailtiefe aber nur dann, wenn es einen Anlass für Zweifel gibt. Prof. Dr. Lüdicke Es ist ja eben angeklungen, dass für die Verpflichtungen möglicherweise de minimis rules eingeführt oder Wesentlichkeitsgrenzen gezogen werden sollten oder könnten. Wie könnte man sich denn so etwas vorstellen? Wir haben hier auf dem Podium mit Herrn Nußbaum und Herrn Holst zwei Vertreter von Größtunternehmen. Aber zwischen denen und den heute Morgen von der Frau Vizepräses vertretenen mittelständischen Unternehmen liegen ja nun noch Welten. Wäre die Frau Vizepräses mit ihrem Unternehmen da im Zweifel raus? Oder ist da nur der kleine „Krauter“ ins Auge gefasst, der zufällig noch eine winzige Dependance im Ausland hat? Gibt es da schon Überlegungen? MinDirig Kreienbaum Ja. Der Country-by-Country Bericht muss nur dann erstellt werden, wenn der konsolidierte Gesamtumsatz des Konzerns im vorangegangenen Wirtschaftsjahr mehr als 750 Mio. Euro Umsatz beträgt. Prof. Dr. Lüdicke Das muss ja irgendwann gesetzgeberisch umgesetzt werden. Wird es da, wie z.B. bei der Betriebsprüfungsordnung, Größenordnungen geben, die eindeutig sind, oder wird es auf eine Art Judgement ankommen? MinDirig Kreienbaum Ja. Wir brauchen klare Regeln über den Inhalt und Umfang der Berichtspflicht. Darüber hinaus wird klar geregelt werden müssen, wer berichtspflichtig ist und zu welchen Zeitpunkten berichtet werden soll. Dr. Andresen Gibt es denn auch Überlegungen, was passiert, wenn ein Staat nicht liefern kann, weil ein Steuerpflichtiger seinen Verpflichtungen nicht nachkommt? Oder hat man dann einem multilateralen Instrument zugestimmt oder eine Übereinkunft geschlossen und ist dann sozusagen gezwungen zu liefern, aber es gibt keine Pönalisierung, wenn man als Staat nicht liefern kann? Ich meine, ich stelle mir vor, die USA fragen
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Podiumsdiskussion: Country-by-Country Reporting
das Country-by-Country Reporting der BASF an; was passiert, wenn das nicht vorliegt? Das ist natürlich völlig unvorstellbar, aber was passiert, wenn Deutschland dieses nicht liefern könnte? MinDirig Kreienbaum Diese Frage ist zu beantworten, wie bei allen anderen völkervertragsrechtlichen Verpflichtungen auch: Wenn ein Staat einer völkervertragsrechtlichen Verpflichtung nicht nachkommt, leidet die politische Zuverlässigkeit und damit das Ansehen dieses Staates. Weitere Rechtsfolgen hat das zunächst nicht. Prof. Dr. Lüdicke Geht das Bestreben, ich habe es eben wohl schon mittelbar herausgehört, dahin, dass sich die teilnehmenden Staaten jedenfalls für den Global File auf eine Form einigen, die dann auch so verlässlich umschrieben wird, dass die Unternehmen sich darauf verlassen können? Dass der Global File, wenn sie ihn nach dem Standard in ihrem eigenen Staat machen, dann auch den Standards in den übrigen Staaten genügt, wo möglicherweise eine Tochtergesellschaft mit lokaler Gesetzgebung „unter Druck“ gesetzt wird? MinDirig Kreienbaum Das einheitliche Vorgehen soll nationale Alleingänge verhindern. Ich bin zuversichtlich, dass das auch gelingt. Prof. Dr. Lüdicke Danke. Noch eine weitere Frage zu einem Punkt, der auch bereits angeklungen ist: Könnte das Country-by-Country Reporting letztlich eine Art erster Schritt in Richtung Profit Split sein? Könnten aus den formellen eben auch über längere oder kürzere Frist materielle Folgen gezogen werden? MinDirig Kreienbaum Nein, das würde ich nicht so sehen. Die Staaten verpflichten sich, auf Basis der Country-by-Country Informationen keine Verrechnungspreisanpassungen vorzunehmen. Allerdings kann eine Risikoanalyse auf Basis der berichteten Daten zu weiteren Nachforschungen und dann zu Anpassungen führen. Auch der Profit Split wäre eine anerkannte Ver-
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Podiumsdiskussion: Country-by-Country Reporting
rechnungspreisermittlungsmethode auf Basis des Fremdvergleichsgrundsatzes. Prof. Dr. Lüdicke Ich dachte jetzt mehr an einen globalen Profit Split. MinDirig Kreienbaum Gut, die Frage kann ich Ihnen nicht beantworten. Alle OECD-/G20Staaten haben sich im Rahmen des BEPS-Projekts grundsätzlich zum Fremdvergleichsgrundsatz bekannt. Die OECD-/G20-Staaten gehen zumindest nicht davon aus, dass das Country-by-Country Reporting den Einstieg in alternative Gewinnaufteilungsmethoden bedeutet. Prof. Dr. Lüdicke Herr Andresen, wenn Sie möchten, bitte Ihr Schlusswort. Dr. Andresen Aus Sicht der Industrie, denke ich, wird man hoffen, dass tatsächlich das eintritt, was Herr Kreienbaum gesagt hat. Dass hier ein Risikoanalyseinstrument geschaffen wird und eben gerade nicht dieses Instrument in Richtung einer Anwendung eines Profit Split missbraucht wird, weil man sieht, was auf der anderen Seite der Grenze an Gewinnen oder Verlusten gezeigt wird. Dann würde sich die geäußerte Befürchtung, dass wir im größeren Maße Streitigkeiten haben, vielleicht nicht bewahrheiten. Das wäre sicherlich auch ein wünschenswerter Effekt, weil die Hoffnung auf effektivere Mechanismen zur Beseitigung drohender Doppelbesteuerung eher eine trügerische bleiben dürfte.
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Hybrid Mismatch Arrangements – deutsche Abwehrregelungen Dr. Jens Schönfeld Rechtsanwalt/Fachanwalt für Steuerrecht Flick Gocke Schaumburg, Bonn
A. Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . 117 B. Arbeiten der OECD . . . . . . . . 119 C. Deutsche Abwehrregelungen I. Allgemeine Abwehrregelungen . . . . . . . . . . . . . . . II. Besondere Abwehrregelungen 1. Hybride Instrumente . . . . . a) Korrespondenzregelungen mit Versagung der Freistellung . . . . . . . . . .
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b) Korrespondenzregelungen mit Versagung der Abzugsfähigkeit . . . . . . 2. Hybride Rechtsträger . . . . 3. Hybride Ansässigkeit . . . .
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D. Fallgruppen . . . . . . . . . . . . . .
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E. Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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A. Allgemeines Das Leben verläuft zyklisch – so sagt man jedenfalls. Für das Steuerrecht als (mehr oder weniger akzeptierten) Teil des Lebens kann dann wohl nichts anderes gelten. Und so ist es auch: Die 60er-Jahre des letzten Jahrhunderts waren von einer deutlichen „Steuerfluchthysterie“1 geprägt. Einige Steuerpflichtige versuchten über persönliche Wegzüge (Stichwort: Horten) oder die Zwischenschaltung von niedrig besteuerten Auslandsgesellschaften (Stichwort: Basisgesellschaften), ihre persönliche (und damals noch viel höhere) Steuerbelastung zu reduzieren. Dies mündete in dem 1972 in Kraft getretenen Außensteuergesetz2, was bis heute deutsche Steuerpflichtige davon abschrecken soll, bestimmte (als unerwünscht qualifizierte) grenzüberschreitende Aktivitäten zu entfalten.
1 Zu der damals geführten Steuerfluchtdiskussion vgl. statt vieler Jagdfeld, Steuerflucht und Steuerfluchtbekämpfung von Brüning bis Brandt, StuW 1972, 258; Eichhorn, Das „Steuerfluchtgesetz“ im Streitgespräch, DB 1971, 447; Flume, Zur Problematik eines Steuerfluchtgesetzes, DB 1970, 2142. 2 Art. 1 des Gesetzes zur Wahrung der steuerlichen Gleichmäßigkeit bei Auslandsbeziehungen und zur Verbesserung der steuerlichen Wettbewerbslage bei Auslandsinvestitionen v. 8.9.1972 (BGBl. I 1972, 1713).
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Schönfeld – Hybrid Mismatch Arrangements
Ein halbes Jahrhundert später fühlt man eine ganz ähnliche Hysterie. Nur sind es jetzt die großen, bekannten (insbesondere ausländischen) Unternehmen wie Google und Co., die versuchen, ihre Steuerbelastung zu minimieren.1 Auch jetzt wird die Diskussion primär vor dem Hintergrund von „Steuermoral“ geführt. Im Kern ist das auch nachvollziehbar, weil es den eigenen Steuerpflichtigen (politisch) nur schwer zu erklären ist, warum sie 50 % (und mehr) an Steuern zahlen sollen, um das Gemeinwesen zu finanzieren, während sich große bekannte Marken an dieser Finanzierung nur in sehr geringem Umfang oder überhaupt nicht beteiligen. Es soll an dieser Stelle nicht bewertet werden, ob es richtig ist, dass Unternehmen vielleicht geringere Steuern zahlen dürfen, weil sie über die Wertschöpfung die Grundlage für eine funktionierende Marktwirtschaft bilden und damit über andere Steuern (z.B. Umsatzsteuer, Lohnsteuer etc.) sehr wohl ihren Beitrag zur Finanzierung des Gemeinwesens leisten. Denn aus deutscher Sicht ist die entscheidende Frage die, ob sich ausländische Unternehmen über eine (durch Steuergestaltung bewirkte) Minimierung ihrer Steuerlast möglicherweise einen Vorteil im Wettbewerb gegenüber deutschen Unternehmen verschaffen. Und noch eine Frage muss man im Blick haben: Gibt es möglicherweise Staaten, die ihren Unternehmen bewusst dabei helfen, diese Wettbewerbsvorteile zu erlangen? Insoweit empfiehlt es sich bei der Diskussion um Steuergerechtigkeit, diese weniger auf dem Feld der Moral als auf dem der Ökonomie zu führen. Der Blick bleibt dann klarer. Das gilt auch für die hier relevanten sog. „Hybrid mismatch arrangements“. Das klingt schon schlecht. Meine Frau hat mir beim Verfassen dieses Beitrags über die Schulter geschaut und nachgefragt, mit welchen „scheußlichen Dingen“ ich mich denn befassen würde. Und sie hat (nicht nur inhaltlich) Recht. Denn macht man sich einmal die Mühe, die Begriffe losgelöst vom Steuerrecht zu hinterfragen, dann kommen nicht unbedingt positive Sinndeutungen heraus. So kommt etwa der Begriff „hybrid“ aus dem Lateinischen „hybrida“ und bedeutet Bastard, Mischling oder Blendling und ist in der Biologie ein Individuum, das aus der Kreuzung zwischen verschiedenen Gattungen, Arten, Rassen oder Zuchtlinien hervorgegangen ist.2 Mit „mismatch“ wird ferner eine Inkongruenz bzw. ein Nicht-Zusammenpassen zum Ausdruck gebracht. Und „arrangements“ (frz.: arrangement) bedeutet schließlich, dass man dies bewusst gestaltet hat. Alles in allem: nicht unbedingt positiv besetzt. 1 Grundlegend hierzu Pinkernell, StuW 2012, 369. 2 Quelle: Wikipedia.
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Überträgt man diese Begriffsdeutungen auf das Steuerrecht, so könnte man in „Hybrid mismatch arrangements“ steuerliche Gestaltungen sehen, die insbesondere im grenzüberschreitenden Bereich das Ziel verfolgen, unter Ausnutzung von Qualifikationsunterschieden eine aus Sicht der nationalen Steuerrechtsordnungen systemwidrige Nicht- oder Niedrigbesteuerung herbeizuführen. Typischerweise geht es dabei um eine unterschiedliche Qualifikation von Finanzierungsinstrumenten (Eigenkapital vs. Fremdkapital), eine unterschiedliche Qualifikation von Rechtsformen (Kapitalgesellschaft vs. Personengesellschaft) oder eine unterschiedliche Qualifikation von Ansässigkeiten (Ansässigkeit in Staat A vs. Ansässigkeit in Staat B).
B. Arbeiten der OECD Entsprechend hat auch die OECD in ihrem aus September 2014 stammenden Bericht zu Action 21 folgende Definition zu „Hybrid Mismatch Arrangements“ gefunden: „A hybrid mismatch arrangement is an arrangement that exploits a difference in the tax treatment of an entity or instrument under the laws of two or more tax jurisdictions to produce a mismatch in tax outcomes where that mismatch has the effect of lowering the aggregate tax burden of the parties to the arrangement.“
Eine Besteuerungsinkongruenz („mismatch in tax outcomes“) soll dabei vorliegen, wenn entweder (i) ein „Deduction/No Inclusion“-Ergebnis (D/NI) entsteht, also eine Zahlung in einem Staat als Betriebsausgabe abzugsfähig ist, im anderen Staat aber nicht als ordentliche Einnahme erfasst wird, oder (ii) ein „Double Deduction“-Ergebnis (D/D) eintritt, also es in zwei Staaten zu einem unangemessenen Betriebsausgabenabzug kommt. Der Bericht beschreibt auch einzelne Gestaltungen und empfiehlt konkrete Abwehrmaßnahmen.2 Zu beachten ist in diesem Zusammenhang lediglich, dass die OECD zwischen „Response“ (Maßnahme, z.B. Versagung des Betriebsausgabenabzugs), „Defensive Rule“ (Abwehrmaßnahme, z.B. Erfassung als Einnahme) und „Linking Rule“ (Korrespondenzregelung, z.B. § 8b Abs. 1 Satz 2 KStG) unterscheidet, die in einem Rangverhältnis zueinander stehen und bezogen auf die beiden erst1 Vgl. hierzu den instruktiven Beitrag von Staats, IStR 2014, 749, mit zahlreichen weiteren Nachweisen. 2 Vgl. hierzu ausführlich die Diskussion der Fallbeispiele unter D. auf S. 123 ff.
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genannten auf nahestehende Personen (mindestens 25 %-Beteiligung) beschränkt sein sollen. Für Qualifikationskonflikte im Bereich transparenter Rechtsträger verweist die OECD zunächst auf den „Partnership Report“ 1999. Abkommensvergünstigungen sollen künftig nicht gewährt werden, wenn keiner der Vertragsstaaten die Einkünfte nach seinem Steuerrecht einer abkommensberechtigten Person zurechnet. Die OECD empfiehlt zu diesem Zweck eine Ergänzung von Art. 1 Abs. 2 OECD-MA dahin, dass transparente Rechtsträger insoweit abkommensberechtigt sein können, als die Einkünfte einer abkommensberechtigten Person zugerechnet werden können. Für Probleme mit doppelt ansässigen Rechtsträgern empfiehlt die OECD eine Lösung auf Einzelfallbasis und nicht nach der bisherigen „Tie-Breaker-Rule“. Zu diesem Zweck wird eine Änderung in Art. 4 Abs. 3 OECDMA nach dem Vorbild von Art. 4 Abs. 3 DBA-USA vorgeschlagen. Im Kern bedeutet dies, dass sich die beteiligten Vertragsstaaten bei doppelt ansässigen Rechtsträgern im Einzelfall darüber verständigen sollen, welchem Rechtsträger entsprechende Abkommensvergünstigungen gewährt werden. Kommt es zu keiner Verständigung, soll der betroffene Rechtsträger keine Abkommensvergünstigungen erhalten. Eine daraus ggf. resultierende Doppelbesteuerung soll im „Verständigungswege“ beseitigt werden. Schließlich soll auch das innerstaatliche Recht dahin geändert werden, dass bei DBA-Ansässigkeit in einem anderen Staat die Ansässigkeit nach innerstaatlichem Recht nicht bestehen soll.
C. Deutsche Abwehrregelungen Der Wunsch der OECD nach einer Änderung des innerstaatlichen Rechts sowie des Abkommensrechts wirft die Frage auf, welche Abwehrregelungen wir denn bereits kennen, um „Hybrid Mismatch Arrangements“ im oben genannten Sinne zu begegnen. Dabei muss man zwischen allgemeinen und speziellen (auf hybride Gestaltungen zugeschnittene) Abwehrregelungen unterscheiden.
I. Allgemeine Abwehrregelungen Im Bereich allgemeiner Abwehrregelungen fällt einem natürlich sofort die allgemeine Missbrauchsbekämpfungsvorschrift des § 42 AO ein. Im grenzüberschreitenden Bereich ist die Anwendung dieser Vorschrift aber
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praktisch eher selten, weil der I. Senat des BFH nach ständiger Judikatur eher zurückhaltend mit der Anwendung ist. Dies ist sicherlich auch ein Grund dafür, warum es eine Vielzahl von speziellen Missbrauchsbekämpfungsvorschriften gibt. Im grenzüberschreitenden Bereich ist hier besonders die Hinzurechnungsbesteuerung nach den §§ 7–14 AStG zu nennen. Für hybride Gestaltungen erlauben die §§ 7–14 AStG einen Besteuerungszugriff auf passive Einkünfte einer ausländischen Gesellschaft, die z.B. aufgrund eines hybriden Finanzierungsinstruments einer niedrigen Besteuerung unterliegen. Zu beachten ist allerdings, dass dieses Instrument innerhalb des EU-/EWR-Raums eine starke Einschränkung erfährt (§ 8 Abs. 2 AStG). Hinzuweisen ist ferner auf die aktuelle Diskussion, ob diese Einschränkung auch im Verhältnis zu Drittstaaten besteht.1 Als allgemeine Abwehrregelungen bezogen auf hybride Gestaltungen sind schließlich zu nennen die Zinsschranke (§ 8a KStG), die bestehenden Anti-Treaty-and-Directive-Shopping-Regeln (§ 50d Abs. 3 EStG), DBA-Aktivitätsvorbehalte, Subject-to-Tax-Klauseln, Limitation-on-Benefits-Klauseln u.Ä.
II. Besondere Abwehrregelungen 1. Hybride Instrumente a) Korrespondenzregelungen mit Versagung der Freistellung Im Bereich besonderer Abwehrregelungen bezogen auf hybride Gestaltungen sind zunächst die Korrespondenzregelungen in § 8b Abs. 1 Satz 2 KStG, § 3 Nr. 40 Buchst. d Satz 2 EStG, § 32d Abs. 1 Nr. 4 EStG zu nennen. Es handelt sich dabei um die klassischen Korrespondenzregeln, die die Freistellung im Inland versagen, soweit die (hybriden) Bezüge im Ausland abzugsfähig sind. Die Regeln haben eine zum Teil stark überschießende Tendenz.2 Zu nennen ist auch § 50d Abs. 9 EStG, der – stark vereinfacht – die Freistellung bei fehlender ausländischer Besteuerung aufgrund „unrichtiger“ abweichender DBA-Anwendung oder mangels persönlicher Steuerpflicht versagt. Entsprechende Korrespondenzregeln mit Versagung der Freistellung gibt es nicht nur im innerstaatlichen Recht, sondern auch in DBA (vgl. 1 Schön, JbFStR 2013/2014, 85. 2 Vgl. Fälle 1 bis 3 auf S. 123, 126 und 130.
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Art. 22 Abs. 1 Nr. 1 Satz 3 DE-VG – keine DBA-Freistellung bei Abzugsfähigkeit der Dividende; Art. 22 Abs. 1 Nr. 5 Buchst. a DE-VG – doppelte Nichtbesteuerung aufgrund DBA-Konflikts).
b) Korrespondenzregelungen mit Versagung der Abzugsfähigkeit Korrespondenzregeln, die die Abzugsfähigkeit von Betriebsausgaben versagen, soweit diese beim Empfänger nicht (oder niedrig) besteuert werden, gibt es bisher nur vereinzelt. So regelt etwa § 14 Abs. 1 Nr. 5 KStG den Sonderfall der doppelten Berücksichtigung von negativen Einkünften eines Organträgers. Allerdings wird gegenwärtig auf Initiative des Bundesrates eine allgemeine Regelung diskutiert (§ 4 Abs. 5a EStG), die – stark vereinfacht – den Betriebsausgabenabzug in Deutschland in folgenden Fällen versagen will: (i) bei fehlender Einbeziehung in die Steuerbemessungsgrundlage in einem anderen Staat und (ii) bei Einbeziehung als abzugsfähige Betriebsausgabe in einem anderen Staat. Die Regelung ist so (ausufernd) ausgestaltet, dass künftig Darlehen aus dem Ausland nur noch selten vorkommen werden. Der Vorschlag widerspricht auch den Vorgaben der OECD, z.B., weil eine Beschränkung auf Unternehmensgruppen nicht enthalten ist.1 Man kann daher nur hoffen, dass der Vorschlag so nie Wirklichkeit wird.
2. Hybride Rechtsträger Spezielle Abwehrregelungen gegen hybride Rechtsträger gibt es im innerstaatlichen Recht bisher nur wenige.2 Zu nennen ist z.B. § 50d Abs. 1 Satz 11 EStG.3 Die Vorschrift sieht die Antragsberechtigung für eine Abzugsteuerentlastung im Falle eines Zurechnungskonflikts nur für diejenige Person vor, der die Einkünfte nach dem Recht des anderen Staates als solche einer ansässigen Person zugerechnet werden. Im Abkommensrecht gibt es bereits vergleichbare Vorschriften, so z.B. in Art. 1 Abs. 7 DBA-USA, der die fiktive Abkommensberechtigung eines hybriden Rechtsträgers regelt, soweit die von oder über diesen Rechtsträger erzielten Einkünfte nach dem Recht des Ansässigkeitsstaates als Einkünfte einer ansässigen Person gelten.
1 Vgl. Fall 4 auf S. 133. 2 Vgl. Fälle 5 bis 8 auf S. 135, 137 f., 141 und 143. 3 Vgl. Fall 10 auf S. 144 f.
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3. Hybride Ansässigkeit Was schließlich die Doppelansässigkeit von Rechtsträgern anbelangt, so enthält das innerstaatliche Recht hierfür bislang keine Regelung. Anders sieht es vereinzelt in DBA aus, wie z.B. in Art. 4 Abs. 3 DBA-USA. Diese Regelung enthält – ähnlich dem Wunsch der OECD – keine klassische „Tie-Breaker-Rule“ für juristische Personen, sondern sieht im Falle der Doppelansässigkeit lediglich vor, dass sich die Vertragsstaaten im Wege der Konsultation über die Bestimmung der Ansässigkeit verständigen.1
D. Fallgruppen Ich habe Ihnen einige Fälle mitgebracht, um die steuerlichen Wirkungen von Hybrid mismatch arrangements zu veranschaulichen. Dabei haben wir verabredet, dass wir nach jedem Beispiel ggf. gleich in die Diskussion einsteigen. Der erste Fall ist im Grunde der Klassiker. Fall 1: Das hybride Genussrecht
Sachverhalt: Die in Deutschland ansässige D-AG ist alleinige Gesellschafterin der in einem OECD-Staat innerhalb der EU ansässigen OECD-Co. Die D-AG verfügt daneben über ein hybrides Genussrecht an der OECD-Co., welches in Deutschland als steuerliches Eigenkapital qualifiziert, während es im anderen Staat als Fremdkapital qualifiziert und daher zum Betriebsausgabenabzug zugelassen ist. Das Genussrechtskapital hat die OECD-Co. dazu verwendet, um andere Gruppengesellschaften zu finanzieren. Die OECD-Co. besteht den sog. „Cadbury-Test“. Sind die Vergütungen in Deutschland steuerpflichtig?
1 Vgl. Fall 9 auf S. 143 f.
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Wie Sie wissen, sind die Vergütungen in Deutschland steuerpflichtig. Wir haben einen adjustierten § 8b Abs. 1 Satz 2 KStG, der nunmehr über die vGA hinaus derartige hybride Vergütungen erfasst. Aber ist das tatsächlich so einfach? Kann man das nicht auch kritisch hinterfragen? Und in der Tat, es wird und wurde in der Vergangenheit kritisch hinterfragt. Verstößt das etwa gegen die Mutter-Tochter-Richtlinie? Verstößt das gegen die Grundfreiheiten? Was geschieht, wenn es gegen die Grundfreiheiten verstößt? Darf sich dann die geänderte Mutter-TochterRichtlinie darüber hinwegsetzen? Diese EU-rechtlichen Fragen kann man alle stellen und diskutieren. Mein Gefühl wäre allerdings, dass man den EuGH wahrscheinlich nicht dazu gewinnen kann, hier eine EU-Rechtswidrigkeit anzunehmen, aber ausschließen kann man das natürlich nicht. Man kann auch generell die Frage stellen, ob die Regelung in § 8b Abs. 1 Satz 2 KStG wirklich zielgenau ist oder über das eigentliche Ziel hinausgeht. Denn stellen Sie sich vor, der ausländische Staat hat ein Steuerniveau von 70 %, sagen wir z.B. Norwegen, und Sie reduzieren durch die hybride Gestaltung im Grunde nur die Steuerlast auf ein normales Maß von 50 %. Dann würde doch niemand sagen können, dass dies in irgendeiner Form schädlich ist. Und gerade Deutschland mit einem Unternehmenssteuerniveau von 30 % dürfte eigentlich gar keinen Anstoß daran nehmen, sodass man sich schon fragen kann, ob die Regelung, wie wir sie jetzt haben, tatsächlich zielgenau ist. Prof. Dr. Lüdicke Frage ans Podium: Wird die Einschränkung der Steuerfreistellung durch das Korrespondenzprinzip da unkritisch gesehen oder doch eher kritisch? Prof. Dr. Gosch Kritisch sicherlich nicht, aber ich teile die Auffassung von Herrn Schönfeld, dass das wahrscheinlich vom Europäischen Gerichtshof „geschultert“ werden muss. Solange er dazu nicht angerufen worden ist, wird man, so fürchte ich, damit leben müssen.
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Prof. Dr. Lüdicke Wenn man sich die Frage unabhängig vom Europarecht anschaut, ist es vordergründig natürlich nicht völlig von der Hand zu weisen, dass die „Dividendenfreistellung“ nach § 8b Abs. 1 KStG nur dann gewährt wird, wenn es auch aus der Sicht der ausschüttenden Gesellschaft nach dortigem Steuerrecht eine Dividende ist. Aber die Friktionen, die Sie genannt haben, bestehen darin, dass man punktuell auf ein Spezifikum des ausländischen Steuerrechts abstellt und daran etwas festmacht, und nicht auf das Gesamtbild schaut, in dem das Spezifikum sozusagen nur ein Ausgleich zum Beispiel für das allgemein hohe Steuerniveau ist. Dr. Schönfeld Genau so ist es. Zumal wir über entsprechende Instrumente verfügen, die die Frage einer unangemessenen ausländischen Besteuerung zielgenauer in den Blick nehmen. Zu nennen ist hier in allererster Linie die Hinzurechnungsbesteuerung, die sich ja eigentlich darum kümmern soll, die aus einer hybriden Gestaltung resultierenden „unangemessenen“ Niedrigbesteuerungen zu verhindern. Die Hinzurechnungsbesteuerung ist es auch, der mit der Unternehmenssteuerreform im Jahre 2000 die Aufgabe zugewachsen ist, den damals neu eingeführten § 8b KStG zu flankieren. Und jetzt flankieren wir den § 8b KStG eben nicht nur über die Hinzurechnungsbesteuerung, sondern auch über den § 8b Abs. 1 Satz 2 KStG. Prof. Dr. Gosch Vielleicht dazu doch noch ein Wort, Herr Schönfeld. In der Tat ist das so, Sie geraten über die Hinzurechnungsbesteuerung einerseits und den § 8b Abs. 1 Satz 2 KStG andererseits in eine Doppelerfassung hinein. Das ist nicht schön, aber da eine Abstimmung beider Normenkomplexe jedenfalls vom Gesetzgeber derzeit nicht erfolgt, sehe ich momentan nicht, wie man dem de lege lata begegnen könnte. Dr. Schönfeld Diese Unabgestimmtheit zwischen Hinzurechnungsbesteuerung und § 8b Abs. 1 Satz 2 KStG werden wir gleich im Fall 3 noch näher diskutieren.
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Fall 2: Die abzugsfähige Dividende
Um die fehlende Zielgenauigkeit von § 8b Abs. 1 Satz 2 KStG allgemein zu illustrieren, dazu soll Fall 2 dienen: „Die abzugsfähige Dividende“. Den Fall habe ich auch schon öfter vorgestellt. Hier ist es so, dass die in Deutschland ansässige D-AG aus unserem Fall 1 noch eine Beteiligung an der in einem OECD-Staat ansässigen DivCo. hält. Von dieser Gesellschaft bezieht sie Dividenden, die die DivCo. bei ihrer Gewinnermittlung abziehen kann. Damit soll aus Sicht des ausländischen Staates eine Doppelbesteuerung vermieden werden, die daraus resultiert, dass die Einkünfte auf Ebene der DivCo. bereits einer vollständigen Besteuerung unterlagen, z.B., um Kaskadeneffekte zu vermeiden. Und jetzt ist die Frage: Ist auf die Dividende § 8b Abs. 1 KStG anzuwenden? Die Frage müsste man eigentlich verneinen, weil man sagt: Das ist eigentlich ein ganz normales Instrument, um die Doppelbesteuerung zu vermeiden. Von missbräuchlicher Ausnutzung eines Qualifikationskonflikts keine Spur, und trotzdem greift der § 8b Abs. 1 Satz 2 KStG. Man kann die Beispiele auch fortsetzen, z.B. anhand der brasilianischen Eigenkapitalverzinsung. Wir sind uns einig, dass wir in Brasilien prohibitive Steuersätze vorfinden. Und wenn Sie dann einmal aus einer brasilianischen Gesellschaft ausschütten, dann können Sie endlich eine Entlastung bekommen, indem Sie eine Eigenkapitalverzinsungsausschüttung beschließen. Diese, in Brasilien wahrscheinlich auch abgeltend besteuerte Ausschüttung können Sie auf Ebene der brasilianischen Gesellschaft abziehen, was zu einer notwendigen steuerlichen Entlastung führt. Und doch würde wahrscheinlich § 8b Abs. 1 Satz 2 KStG zur Anwendung gelangen, was ich gleich gern zur Diskussion stellen würde. Und das dritte Beispiel: Was ist, wenn Sie an einer belgischen Gesellschaft beteiligt sind, die von der belgischen Notional Interest Deduction Gebrauch macht. In diesem Fall darf die belgische Gesellschaft fiktive Zinsen von der steuerlichen Bemessungsgrundlage abziehen. Was ist, wenn Sie später den Ertrag, der daraus erwirtschaftet worden ist, nach Deutschland ausschütten? § 8b Abs. 1 Satz 2 KStG? Ich würde sagen
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nein, weil die Dividenden, die man von der belgischen Gesellschaft bezieht, gerade nicht abzugsfähig sind, sondern lediglich vorher die Zinsen auf der Ebene der Gesellschaft. Im Schrifttum ist das aber zum Teil umstritten. Prof. Dr. Lüdicke Im Fall 2 bei der Notional Interest Deduction sehe ich das auch so, das hat mit der Dividende an sich nichts zu tun. Es geht konkret um Belgien. Aus belgischer Sicht ist das eine Dividende, und die Dividende oder besser gesagt die ausgeschütteten Gewinne unterliegen einem bestimmten belgischen Steuerniveau. Das Steuerniveau wird halt durch den Berechnungsmechanismus mit der Notional Interest Deduction etwas abgemildert, aber wenn Belgien von vornherein im Gesetz einen Steuersatz von nur 11,3 % vorsehen würde, dann wäre das eben so; und dennoch wäre es immer noch eine Dividende. Ich sehe überhaupt nicht, wie man das ernsthaft diskutieren kann. Dr. Schönfeld Ich kann mich erinnern, diese Diskussion kürzlich auch mit Herrn Gosch geführt zu haben. Sie waren tendenziell eher kritisch. Haben Sie noch einmal darüber nachgedacht? [Gelächter] Prof. Dr. Gosch Ja, habe ich. Sie hatten mich aber damals schon fast überzeugt. In der Tat muss man wohl unterscheiden zwischen Einkommensverwendung und Einkommensermittlung. Hier sind wir bei Ersterem, der Einkommensermittlung. Kurzum: Ich bin mittlerweile geläutert. Wir können uns jetzt nicht „fetzen“, ich stimme Ihnen zu. Dr. Holst Das Ganze zeigt für mich: Eine Abwehrgesetzgebung ist häufig tendenziell überschießend. Der Gesetzgeber hat es dabei vielleicht auch nicht leicht, aber Fälle aus der Praxis zeigen, dass es im Ergebnis nicht immer ganz gerecht zugeht.
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Dr. Schönfeld Die Frage ist die, ob es für derart überschießende Abwehrgesetze nicht auch rechtliche Grenzen gibt – wenn man sich z.B. die Rechtsprechung des EuGH anschaut, der bei solchen typisierenden Missbrauchsbekämpfungsvorschriften dem Steuerpflichtigen immer die Möglichkeit einräumt, den typisierenden Missbrauchsvorwurf im Einzelfall zu widerlegen. Das kennen wir in Deutschland so nicht, was eigentlich verwunderlich ist. Denn der EuGH leitet das aus dem Verhältnismäßigkeitsgebot her, welches er den EU-rechtlichen Grundfreiheiten entnimmt. Das Verhältnismäßigkeitsgebot kennen wir aber auch in unseren Grundrechten. Deswegen empfinde ich es eigentlich als eine Selbstverständlichkeit, auch ohne EU-rechtliche Vorgaben in jedem Einzelfall zu fragen, ist das Ergebnis angemessen oder schießt es über das vom Gesetzgeber gesteckte Ziel hinaus? Aber ich glaube, das ist eine Diskussion, bei der man noch relativ weit am Anfang steht, und meine Hoffnung wäre, dass man das weiterentwickelt. Prof. Dr. Lüdicke Vielleicht darf ich noch auf einen Aspekt hinweisen, der mir ein wenig am Herzen liegt. Die Frage ist ja, ist § 8b Abs. 1 Satz 2 KStG überhaupt eine Missbrauchsvorschrift? Ich habe da Zweifel. Die Regelung mag ja auch missbräuchlich gestaltete Fälle treffen, aber dadurch ist sie noch keine Missbrauchsvorschrift. Sondern zunächst mal beruht sie auf der Idee, keine Freistellung zu gewähren, wenn aus der Sicht der ausschüttenden Gesellschaft keine Dividende aus versteuertem Einkommen fließt. Das hat mit Missbrauch nichts zu tun. Das ist eine schlichte steuerpolitische Entscheidung des Gesetzgebers, wann gebe ich die Freistellung, wann gebe ich sie nicht. Was in diesem Zusammenhang aber etwas störend wirkt, ist der spätere Umgang mit solchen Vorschriften. Wenn man nämlich aus der Finanzverwaltung hört: Ja, das sei aber irgendwie doch eine Missbrauchsvorschrift und deswegen wird dann auch kein BMF-Schreiben veröffentlicht und deswegen ist dann zehn Jahre unklar, wie die Vorschrift angewendet werden soll. Das geht so eigentlich nicht. Wenn etwas keine Missbrauchsvorschrift ist, muss die Verwaltung auch mal klar sagen, was darunter fällt, wenn die Vorschrift schon nicht so formuliert ist, dass das offensichtlich ist.
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Prof. Dr. Gosch Vielleicht noch ein Aspekt, ich hatte an diesem Mittwoch das Vergnügen, in der Max-Planck-Gesellschaft Herrn Schön zu lauschen. Er hat in seinem wie immer brillanten Vortrag die Aspekte gegenübergestellt: Neutralität und Territorialität im Unionsrecht. Er hat diese Antipoden, wie er das nannte, „versöhnt“, und zwar über den Grundsatz der Kohärenz, also unionsrechtlich argumentierend. Ich habe mich dann zu Wort gemeldet und in der Diskussion gesagt: Gut, die Kohärenz steht in diesem Zusammenhang ja praktisch als „Abbreviatur“ für den Begriff der Korrespondenz: Die Neutralität der Besteuerung stelle ich sicher, indem ich territorial dort den Zugriff ermögliche, wo die Einkünfte korrespondierend entgegenstehen. Wenn ich also hier in Deutschland keinen Abzug habe, dann korrespondiert das eben – allerdings grenzüberschreitend und insofern das gängige unionsrechtliche Verständnis der Kohärenz verlassend – mit der Einnahme bzw. der Abzugsfähigkeit im anderen Staat. Dieses Konzept hat durchaus etwas für sich; es „steht“ gewissermaßen für eine Art innerer Gerechtigkeit. Und so gesehen ließe sich das Korrespondenzmodell in § 8b KStG sicherlich belastbar begründen. Auf der anderen Seite: Mit Missbrauch hat das in der Tat nichts zu tun. Da bin ich auch der Auffassung, dass ein generelles Abzugsverbot für die dort bestimmten – oder auch nicht ganz genau bestimmten – Sachverhalte weit über das Ziel hinausschießt. Dr. Schönfeld Also ich kann dem so nicht folgen, Herr Gosch. Ich möchte das an folgendem Extrembeispiel verdeutlichen: Im Ausland gibt es einen Steuersatz von null. Der ausländische Staat hat diesen auch bewusst bei null gesetzt, um z.B. Nachteile in der Infrastruktur o.Ä. abzumildern. Und dann haben wir hier dieses hybride Finanzierungsinstrument. Ob die Vergütungen hieraus in diesem Staat abzugsfähig sind oder nicht, interessiert doch eigentlich keinen Menschen. Denn ohne ein entsprechendes ausländisches Steuerniveau, welches durch eine hybride Gestaltung gemindert werden könnte, geht die Regelung des § 8b Abs. 1 Satz 2 KStG total ins Leere, und trotzdem sagt Deutschland, wir stellen nicht frei. Prof. Dr. Gosch Ja gut, das zeigt aber aus meiner Sicht, Herr Schönfeld, eigentlich nur, dass die Regelung über das Ziel hinausschießt.
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Dr. Schönfeld Ja, einverstanden. Prof. Dr. Gosch Aber an der besagten Belastbarkeit der Grundidee ändert das im Kern nichts. Die Vorschrift ist zu unpräzise, zu grob gefasst, sie umgreift Situationen, die gar nicht umgriffen werden sollten. Dr. Schönfeld Die überschießenden Tendenzen kann man in Fall 3 auch noch einmal sehr gut sehen. Ich habe den Fall genannt: „Das hybride Genussrecht – reloaded“. Fall 3: Das hybride Genussrecht – reloaded
Es ist alles wie in Fall 1, nur ist die OECD-Co. diesmal in einem NichtEU-/EWR-Staat ansässig. Die D-AG erhält 100 als Vergütung auf das hybride Genussrecht. Die OECD-Co. erhält 105 aus der darlehensweisen Weiterreichung des Genussrechtskapitals. Aufgrund der Abzugsfähigkeit der Genussrechtsvergütung im Ausland bleibt ein Gewinn von 5, der an die D-AG ausgeschüttet wird. Jetzt kommt die Betriebsprüfung: Der Betriebsprüfer vertritt die Auffassung, dass die 105 als passive, niedrig besteuerte Einkünfte der Hinzurechnungsbesteuerung nach den §§ 7–14 AStG bei der D-AG unterliegen. So weit, so gut. Die nachfolgende Dividende sei gem. § 8b Abs. 1 Satz 1 KStG i.H.v. 5 steuerfrei, die Genussrechtsvergütung i.H.v. 100 falle hingegen unter § 8b Abs. 1 Satz 2 KStG und sei deshalb ebenfalls nochmals voll steuerpflichtig. Da könne man eben nichts machen. Zu Recht? In diesem Fall geht es um das Zusammenwirken von § 8b KStG und Hinzurechnungsbesteuerung: Sie haben auf der einen Seite eben die 105, die in Deutschland einmal zugerechnet und ungemildert der Hinzurechnungsbesteuerung unterworfen werden, und dann wäre es auf der ande-
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ren Seite eben nur konsequent, dass die nachlaufenden Dividenden steuerfrei wären. Anderenfalls käme es zu einer nicht zu rechtfertigenden Doppelbesteuerung. Genau diese Gefahr sieht unser Prüfer aber nicht. Er stellt lediglich 5 frei, bei den übrigen 100 will er es gerade nicht machen. Man muss an dieser Stelle ehrlich sein, der Prüfer würde eigentlich gegen Richtlinien der Finanzverwaltung1 verstoßen, denn die Finanzverwaltung sagt: Für der Hinzurechnungsbesteuerung nachfolgende Dividenden ist im Rahmen des § 8 KStG die Regelung des § 3 Nr. 41 EStG (und nicht des § 8b KStG) anzuwenden, was im Grunde zu einer vollen Freistellung führen würde. Da weiß ich aber auch, dass der eine oder andere auf dem Podium dem eher kritisch gegenübersteht. Und wenn man dem kritisch gegenübersteht und sagt, die nachlaufende Dividende unterliegt nicht § 3 Nr. 41 EStG, sondern § 8b KStG, dann bin ich hier im § 8b Abs. 1 Satz 2 KStG, und dann habe ich eine echte Doppelbesteuerung. Dr. Andresen Kann man den Fall nicht lösen, ähnlich wie der BFH2 das gleichzeitige Eintreten der Rechtsfolgen von § 7 AStG und § 1 AStG gelöst hat? Der BFH hat entschieden, dass in einer hinzurechnungsbesteuerten Gesellschaft, in der eine § 1 AStG-Korrektur für eine Geschäftsbeziehung mit der inländischen Muttergesellschaft vorgenommen worden ist, eine Gegenrechnung auf Ebene der Muttergesellschaft erfolgen muss, damit eine drohende Doppelbesteuerung vermieden wird. Der zweite Satz des Leitsatzes dieser Entscheidung lautet wie folgt: „Eine Doppelbesteuerung ist dann in der Weise zu vermeiden, dass bei der Ermittlung der Zwischeneinkünfte der Muttergesellschaft eine Gegenberichtigung vorgenommen wird (Bestätigung von Tz. 1.5.2. des BMF-Schreibens vom 23. Februar 1983, BStBl. I 1983, 218)“. Wäre das vielleicht eine Lösung für den Fall, dass wir keine Doppelbesteuerung haben? Prof. Dr. Gosch Gut, da vermag ich jetzt die Teleologie dieses konkreten Falles im Moment nicht so ganz genau nachzuvollziehen. Meiner zugegeben im Moment nicht ganz exakten Erinnerung nach geht der BFH in jener Entscheidung davon aus, dass die drohende Doppelbesteuerung sich wechselseitig nur dann vermeiden lässt, wenn sie in ein und derselben Person 1 R 32 Abs. 1 KStR 2004. 2 BFH v. 19.3.2002 – I R 4/01, BStBl. II 2002, 644.
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als Steuersubjekt in Erscheinung tritt, nicht jedoch, wenn es um verschiedene Personen geht, dann hilft nur ein Billigkeitserweis. Ob uns dieser Gedanke hier nun weiterbringt, vermag ich ad hoc nicht abschließend zu sagen, er tut das aber wohl eher nicht. Da hülfe wohl in der Tat allenfalls § 3 Nr. 41 EStG, den ich im Rahmen des § 8b KStG jedoch, Herr Schönfeld hat das ja schon angedeutet, nicht für anwendbar halte. Die Vorschrift passt nur auf natürliche Personen, für Körperschaften hat sie nach Sinn und Zweck wie nach Tatbestand keinen Platz, auch nicht über § 8 Abs. 1 KStG. Prof. Dr. Lüdicke Tendieren Sie dann dafür, dass man eine Parallelvorschrift im Körperschaftsteuergesetz schafft? Denn gebraucht wird sie ja. Prof. Dr. Gosch Das würde man dann schaffen müssen, ja. Prof. Dr. Lüdicke Ich gebe das mal so weiter, Herr Kreienbaum. MinDirig Kreienbaum Ich kann zu diesem Fall zumindest aus der OECD-Diskussion beitragen und sagen, dass das Zusammenspiel von Hinzurechnungsregeln und Hybridregeln und daraus etwa folgende Doppelbelastungen durchaus gesehen werden. Derzeit ist allerdings noch offen, wie wir die Vermeidung doppelter Belastungen technisch erreichen wollen. Wir sehen an diesem Beispiel, dass wir zu einem unbilligen Ergebnis kommen und in diesem Fall bei der D-AG durch die Hinzurechnung auf deren Ebene praktisch eine Besteuerung substituieren, die eigentlich bei der OECD-Co. hätte anfallen müssen. Wenn man daraus herleitet oder fingiert, dass die Besteuerung auf dieser unteren Ebene stattgefunden hat, dann käme man nicht zur Anwendung des § 8b Abs. 1 Satz 2 KStG. Prof. Dr. Lüdicke Das ist eine Problematik, die über diese Fallkonstellation hinausweist. Herr Schönfeld, Sie haben da ja gleich auch noch einen weiteren Fall dazu. Bei der Hinzurechnungsbesteuerung nach AStG oder ausländischer CFC-Besteuerung werden ganz allgemein bestimmte Einkünfte in ei-
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nem Staat nicht besteuert, aber ein anderer Staat besteuert sie – auf welche technische Weise auch immer. Wenn nun für all die Fragen, die bei Hybrid mismatch arrangements und auch bei einigen anderen BEPS-Problemen eine Rolle spielen, nur auf einen Staat geschaut wird, nämlich den, in dem eine Gesellschaft ansässig ist und in dem die Einkünfte nicht oder nur niedrig besteuert werden, dann sieht man halt nicht das ganze Bild. Bei der OECD hat man dieses Problem wohl schon in seiner ganzen Breite erkannt, die Frage ist allerdings, ob man das auch in den Griff bekommt. Wenn man das nicht in den Griff bekommt, werden wir eine massive Doppelbesteuerung haben. MinDirig Kreienbaum Ja, so sehe ich das auch. Deswegen müssen wir daran arbeiten, dass wir hier unbillige Ergebnisse vermeiden. Wie man es technisch einfängt, wird derzeit noch diskutiert. Dr. Schönfeld Kommen wir zu Fall 4: „Das hybride Genussrecht – reverse“. Fall 4: Das hybride Genussrecht – reverse
Wie in Fall 1, nur ist diesmal die OECD-Co. an der D-AG beteiligt und bezieht die Vergütungen aus dem hybriden Genussrecht. Der Ansässigkeitsstaat der OECD-Co. stellt die Vergütung ungeachtet der Abzugsfähigkeit in Deutschland von der Besteuerung frei. Ist diese in Deutschland trotzdem abzugsfähig? Würde sich etwas ändern, wenn die OECD-Co. a) lediglich zu 5 % oder b) überhaupt nicht an der D-AG beteiligt wäre? Den Fall habe ich vor dem Hintergrund des Entwurfs eines § 4 Abs. 5a EStG gebildet. Gegenwärtig haben wir dafür keine Regelung. Die OECD würde sich hier die Korrespondenzregel wünschen und würde sagen: Erst einmal Linking Rule, d.h., der OECD-Co.-Ansässigkeitsstaat soll
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bitte voll besteuern. Nur wenn er dies nicht tut, soll Deutschland bitte die Abzugsfähigkeit versagen. Deutschland macht dies gegenwärtig allerdings noch nicht. Der Entwurf des § 4 Abs. 5a EStG war hierzu ein erster Versuch, der allerdings den Anforderungen der OECD nicht gerecht wurde. So fehlte es etwa an der Beschränkung auf Unternehmensgruppen. In den Fallabwandlungen hätte dies trotz fehlender oder auf lediglich 5 % beschränkter Beteiligung gleichwohl zur Versagung des Betriebsausgabenabzugs geführt. Dr. Holst Das wäre dann auch wieder so ein typischer Beispielsfall für eine Gesetzgebung mit völlig überschießender Tendenz gewesen. Es gibt in börsennotierten Unternehmen ganz normale Finanzierungsinstrumente, die heißen zufällig auch Hybride. Sie funktionieren so, dass handelsrechtlich und steuerlich Fremdkapital begeben wird und lediglich für IFRS-Zwecke eine Qualifizierung als Eigenkapital erfolgt. Das führt zu besseren Bilanzkennzahlen. Solche Hybridanleihen werden über die Börse ausgegeben. Dass ein Unternehmen nicht in der Lage ist, nachzuweisen, wie die Besteuerung beim Empfänger funktioniert, ist selbstredend. Ein Abzugsverbot wäre regelmäßig überschießend. Prof. Dr. Lüdicke Man kann nur hoffen, dass es nicht kommt. Dr. Schönfeld Jedenfalls nicht in der Form. MinDirig Kreienbaum Es ist in der Tat so, dass nach den OECD-Empfehlungen hier ein Mindestbeteiligungserfordernis von 25 % notwendig wäre. Ich will aber darauf hinweisen, dass sich die OECD-/G20-Staaten insoweit auf einen Mindeststandard geeinigt haben. Staaten können also auch weniger strenge Mindeststandard-Beteiligungserfordernisse festlegen. Ob das sinnvoll ist, darüber kann man sicher streiten. Wir haben diesen Ansatz mit 25 % auf OECD-Ebene mit unterstützt, und das indiziert schon, dass wir das auch sinnvoll finden.
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Prof. Dr. Lüdicke Man muss das dann nur durch den Bundesrat bekommen … Dr. Schönfeld So viel zu hybriden Instrumenten. Kommen wir zu hybriden Rechtsträgern, Fall 5. Fall 5: Die Zahlung von hybriden Rechtsträgern (D/NI)
Die Zahlung von hybriden Rechtsträgern, D/NI, sie erinnern sich, das war Deduction and No Inclusion. Die in Deutschland ansässige D-AG ist hier wieder alleinige Gesellschafterin der in einem OECD-Staat ansässigen OECD-Co. Die OECD-Co. qualifiziert aus deutscher Sicht als steuerlich transparent, während sie aus Sicht des anderen Staates als steuerlich intransparent qualifiziert. Die OECD-Co. ist zugleich Mitglied einer steuerlichen Gruppe im Ausland, sodass die an die D-AG zu zahlenden Zinsen mit positiven Einkünften innerhalb der ausländischen Gruppe verrechnet werden können. Aus Sicht der D-AG liegen steuerlich schon keine Zinsen vor, weil das ein reines In-sich-Geschäft ist. Aufgrund der Beteiligung von nur einer Person ist die transparente OECD-Co. steuerlich nicht existent, also auch keine Mitunternehmerschaft. Was soll mit den Zinsen nach Vorstellung der OECD geschehen? Im Beispiel haben Sie aufgrund der Gestaltung mit dem hybriden Rechtsträger einmal den Zinsabzug im Ausland. Sie haben aber keine Zinseinkünfte in Deutschland, weil das aus deutscher steuerlicher Sicht im Grunde eine nicht existierende Vereinbarung zwischen einer Betriebsstätte und der D-AG ist. Vor dem Hintergrund stellt sich die Frage, wie soll man reagieren? Die OECD wünscht sich in diesem Fall, dass primär der Betriebsausgabenabzug versagt wird. Das ist mein Verständnis.
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Prof. Dr. Lüdicke Ich habe einige Bedenken gegen die von der OECD vorgeschlagene Regelung. Zum Ersten: Wenn es aus Sicht des OECD-Co.-Staates Betriebsausgaben sind, fragt es sich, warum diese Betriebsausgaben nicht zum Abzug zugelassen werden sollen, nur weil irgendein anderer Staat das beim Empfänger anders qualifiziert. Das Ergebnis wäre ja mit gängigen Vorstellungen zum objektiven Nettoprinzip kaum zu vereinbaren. Wie will man das Abzugsverbot eigentlich rechtfertigen? Zum Zweiten ist auch die von der OECD vorgeschlagene Alternative problematisch: Wenn der OECD-Co.-Staat die Zinsen nicht vom Abzug ausschließt, sollen sie bei der D-AG versteuert werden. Dr. Schönfeld Tja. Prof. Dr. Lüdicke Tja, nun ist das aus deutscher steuerlicher Sicht ein Non-Event, wie man so schön auf Neudeutsch sagt. Denn steuerlich ist ja diese OECD-Co. eine Betriebsstätte. D.h., nach deutschem Steuerrecht liegen überhaupt keine Zinserträge vor. Nach dem AOA dürfte das wohl auch kaum gehen. Dr. Andresen Zumindest nur für ein Jahr nach den Vorstellungen des Verordnungsgebers. Prof. Dr. Lüdicke Eigentlich kann Deutschland da nichts besteuern. Wenn man sich jetzt aber einmal vorstellt, es würden doch fiktive Zinsen besteuert, ergeben sich weitere Fragen. Wenn die OECD-Co. auch noch andere Erträge hat, dann werden die ja insoweit niedriger als nach deutscher Vorstellung besteuert, weil ja aus Sicht des OECD-Staates die Zinsen das steuerliche Ergebnis mindern. Sofern Deutschland das Ergebnis ohne diese Minderung berechnet, könnte es als niedrig besteuert erscheinen. Und wenn insoweit nicht die Freistellungsmethode, sondern die Anrechnungsmethode angewendet wird, fallen deutsche Steuern auf das operative Ergebnis an, soweit der Anrechnungsbetrag nicht ausreicht, und außerdem werden die Zinsen versteuert. Wie das alles zusammenpassen soll, wie
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Ausgleichsberechnungen praktisch durchgeführt werden sollen, leuchtet noch nicht so richtig ein. Dr. Andresen Vielleicht noch eine Bemerkung zum AOA. Man muss, glaube ich, noch einmal gucken, ob der überhaupt Anwendung findet, denn wenn wir hier eine transparente Personengesellschaft hätten, dann fände er keine Anwendung. Prof. Dr. Lüdicke Es passt nichts eigentlich. Das wollte ich auch nur zum Ausdruck bringen. Dr. Schönfeld An dem, was Herr Lüdicke sagt, ist natürlich viel dran. Man kann nicht sagen, ich will den Betriebsausgabenabzug versagen, weil dort im anderen Staat nicht besteuert wird, ohne zu fragen, warum und auf welchem Niveau typischerweise besteuert wird. Es kann nämlich auch Staaten geben, die z.B. keine Zinsen besteuern. Warum auch immer. Oder sie haben gar kein Steuerniveau oder ein niedriges Niveau von 5 % oder 10 %. Die Frage ist daher die, ob man nicht wiederum eine Regelung braucht, die zielgenau das erfasst, was man tatsächlich erfassen will. Denkbar wäre z.B. eine Mindestbesteuerungsgrenze. Dann haben wir den Fall 6, in dem es um hybride Rechtsträger mit Double Deduction geht. Fall 6: Die Zahlung von hybriden Rechtsträgern (D/D)
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Der Fall ist ähnlich wie Fall 5, nur ist die OECD-Co. an der deutschen D-GmbH beteiligt, die Organträgerin für den deutschen Teil der Gruppe ist. Die D-GmbH hat bei einer Bank ein Darlehen für den Erwerb verschiedener eigener Beteiligungen aufgenommen. Da sie aus der Sicht des Ansässigkeitsstaates der OECD-Co. als steuerlich transparent qualifiziert, sind die Zinsen auch auf Ebene der OECD-Co. steuerlich abzugsfähig. Die Betriebsprüfung will daher den Betriebsausgabenabzug bei der D-GmbH versagen. Zu Recht? Hier haben wir einen Fall von auf beiden Ebenen abzugsfähigen Zinsen, und die Frage ist die, ob wir in Deutschland entsprechende Regeln haben, die das verhindern. Man kann sich allenfalls § 14 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 KStG vorstellen. Der wird wahrscheinlich auch eingreifen, was aber schon komisch ist, denn wenn ich mir die Organschaft wegdenke und den Fall ohne Organschaft mache, dann steht das im Grunde im Leeren. Da könnte ich mir gut vorstellen, dass ich als Organträger die Frage nach einer Ungleichbehandlung stelle, die gegen Art. 3 GG verstoßen könnte. Prof. Dr. Gosch Obwohl man an dieser Schnittstelle wahrscheinlich irgendwelche tragfähigen Gründe finden wird, um sagen zu können, das ist gewissermaßen eine andere Welt … Dr. Schönfeld Ja, stimmt. Prof. Dr. Gosch Insofern wird das sicherlich nicht reichen, um das nach Art. 100 Abs. 1 Satz 1 GG dem BVerfG vorzulegen. Also da wird sich schon irgendein tragfähiges Argument auftun. Dr. Schönfeld Ja, irgendwelche Rechtfertigungsgründe würde man da sicherlich schon finden.
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Prof. Dr. Lüdicke Kommen Sie noch auf die Frage, ob die Lösung, die hier nach deutschem Steuerrecht stattfindet, mit dem Hybrid-Mismatch-Report1 in Übereinstimmung zu bringen ist? Dr. Schönfeld Mein Verständnis wäre, dass wir in dem Fall primär den Zinsabzug versagen sollen, oder? Das scheint mir jedenfalls das, wo die OECD hinmöchte. Prof. Dr. Lüdicke Wird das allgemein so gesehen? Ich bin mir da noch nicht so ganz sicher, weil die OECD im Hybrid-Mismatch-Report das Abzugsverbot ja nur fordert, wenn es keine anderen Einkünfte der D-GmbH gibt, die auch bei der OECD-Co. versteuert werden. Dr. Schönfeld Klar. Prof. Dr. Lüdicke Man muss also unterstellen, dass es keine solchen anderen Einkünfte gibt. Nun stellen wir uns nur mal vor, dass bei der OECD-Co. Dividendenerträge grundsätzlich steuerpflichtig sind. Und nun kommt von D-Sub eine Dividende, nämlich die Abführung des Gewinns. Das ist in Deutschland als organschaftliche Ergebnisabführung natürlich nicht steuerbar, aber das wird aus ausländischer Sicht mit ziemlicher Sicherheit als Dividende behandelt. Und diese Dividende ist steuerpflichtig bei der OECD-Co., weil nämlich die D-GmbH transparent ist. Mit anderen Worten erzielt die OECD-Co. eine steuerpflichtige Dividende und hat wegen der Transparenz der D-GmbH den Zinsabzug, also zutreffend ein Null-Ergebnis. In Deutschland würde ohne § 14 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 KStG auch keine Steuer anfallen, soweit der operative Gewinn der D-Sub durch die fraglichen Zinsen neutralisiert wird. Eigentlich ist alles gut. Auch nach OECD bedarf es keines Abzugsverbots in Deutschland.
1 OECD (2014), Neutralising the Effects of Hybrid Mismatch Arrangements.
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Außerdem wäre das nach dem Hybrid-Mismatch-Report ohnehin nur die subsidiäre Folge, wenn der andere OECD-Staat nicht den Abzug bei der OECD-Co. versagt. Wenn nun wegen § 14 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 KStG doch deutsche Steuer anfällt, passt das Ergebnis nicht mehr. Aus der Sicht der OECD-Co. kommt eine Anrechnung nicht in Betracht, obwohl die Dividende grundsätzlich steuerpflichtig ist, denn wegen der dort zu Recht berücksichtigten Zinsen ist der Anrechnungshöchstbetrag null. Dr. Schönfeld Klar. Prof. Dr. Lüdicke Kein überzeugendes Ergebnis. Das ist Doppelbesteuerung. MinDirig Kreienbaum Das Beispiel ist ja dem Bericht der OECD entnommen, und die OECD kommt als Primary Response in der Tat genau in der Anwendung dieser Regelungen zu dem Ergebnis des Abzugsverbots auf Ebene der OECDCo. Das Abzugsverbot auf Ebene der D-GmbH griffe nur subsidiär. Prof. Dr. Lüdicke Aber wir wenden es an. Müssten wir nicht den § 14 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 KStG zurückbauen, wenn wir compliant sein wollen? Man kann ja schlecht sagen, das schießt jetzt alles bei uns weit über das Ziel hinaus, aber die OECD regelt ja auch nur den Mindeststandard. Das wäre wohl nicht so ganz fair. Dr. Schönfeld Das ist ja die Frage, die Herr Nußbaum auch heute Morgen gestellt hat, als er sagte, wenn die Zinsschranke bei der OECD auf die Liste kommt, weil das irgendwie nicht so optimal ist, dann muss man sich schon die Frage stellen, ob wir in Deutschland da mitmachen werden.
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Fall 7: Die Zahlung an umgekehrt hybride Rechtsträger (I)
Wir haben noch die Zahlung an den umgekehrt hybriden Rechtsträger, hier Teil 1, Fall 7. Die D-AG ist alleinige Gesellschafterin der im Staat B ansässigen OECD-Co. 1, die aus deutscher Sicht als intransparent, aber aus ausländischer Sicht als transparent qualifiziert. Die OECD-Co. 1 hat einem im Staat C ansässigen fremden Dritten (OECD-Co. 2) ein Darlehen gewährt, aus dem sie Zinsen erhält. Staat C lässt die Zinsen steuerlich zum Abzug zu, während Staat B aufgrund der Transparenz nicht besteuert. Kann Deutschland die Zinsen besteuern? Nach der OECD soll eigentlich bei der OECD-Co. 2 zunächst der Zinsabzug versagt werden. Da sich diese hier allerdings außerhalb der Gruppe befindet, soll das anders sein. Aufgrund der Transparenz wird Staat B nicht besteuern, sodass sich die Frage stellt, wie Deutschland besteuern kann. Dies ist eigentlich nur über die Hinzurechnungsbesteuerung möglich. Das verlangt auch die OECD, indem sie strenge Regeln im Bereich der Hinzurechnungsbesteuerung fordert, die dann den Durchgriff durch den ausländischen Rechtsträger erlauben. Das wäre auch aus meiner Sicht der einzig gangbare Weg. Aber auch hier stellt sich das Problem, dass die OECD ein Mindestbeteiligungserfordernis von 25 % fordert, dem die deutsche Hinzurechnungsbesteuerung gegenwärtig nicht gerecht wird. Dies gilt insbesondere für Zwischeneinkünfte mit Kapitalanlagecharakter, für die eine Beteiligung von 1 % und weniger genügt. Und da wäre meine Frage an Sie, Herr Kreienbaum, ob man dann darüber nachdenkt, insoweit die Hinzurechnungsbesteuerung zu entschärfen. MinDirig Kreienbaum Das Beteiligungserfordernis bei den Hybrid-Regeln ist das Ergebnis von Praktikabilitätsüberlegungen. Die steuerliche Behandlung im anderen Staat ist bei verbundenen Unternehmen aus Sicht von Unternehmen
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einfacher feststellbar als bei unverbundenen. Aber ich denke noch über das Beispiel nach. Im Grunde müsste man ja auch zum gleichen Ergebnis kommen, wenn wir gar nicht Staat B und Staat C hätten, sondern sich die OECD-Co. 2 direkt im gleichen Staat B unter der OECD-Co. 1 befinden würde. Sehe ich das richtig? Und dann müsste man über CFC in Deutschland nachdenken. Dr. Schönfeld Ja, ist richtig. Prof. Dr. Lüdicke Müsste man auch über die Erhöhung der Beteiligungsgrenze von 25 % nachdenken, oder ist das in Berlin nicht vermittelbar? MinDirig Kreienbaum Wenn das OECD-Projekt abgeschlossen ist, werden wir sicherlich unsere Hinzurechnungsvorschriften überarbeiten müssen, und da gehören die beiden Elemente der Auslösungsschwelle und des Aktivitätskatalogs dazu. Das sind die beiden wesentlichen Elemente. Was Beteiligungsschwellen angeht, sehe ich keinen zwingenden Zusammenhang mit der Hybrid-Diskussion. Prof. Dr. Lüdicke Mir würden noch zwei weitere Elemente einfallen. Die Grenze von 25 % für die Niedrigbesteuerung, die ja angesichts niedrig besteuernder Gemeinden in Deutschland eigenartig erscheint. Und dass der Hinzurechnungsbetrag der Gewerbesteuer unterliegt, ist ja systematisch auch kaum zu erklären. Sie sehen das wohl ähnlich, Herr Gosch? Prof. Dr. Gosch Natürlich, das sind Systembrüche, die wohl erst dann normativ angefasst werden, wenn die OECD das verabschiedet, ansonsten, denke ich, wird man nicht tätig werden. Dr. Schönfeld Ich glaube, eine Anhebung des Mindestbeteiligungserfordernisses wäre auch gar nicht atypisch. Wenn man sich etwa andere CFC-Regeln in der Welt anschaut, dann machen diese die Hinzurechnung der Einkünfte zu
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einem Inländer davon abhängig, dass dieser über eine qualifizierte Beteiligung verfügt, 10 % oder 25 % werden hier typischerweise angesetzt. Da mag es auch sein, dass man für die Bestimmung der Frage, ob eine CFC vorliegt, zunächst eine ggf. auch rein zufällige Beteiligung von Inländern von mehr als 50 % verlangt. Eine Hinzurechnung erfolgt nur bei demjenigen, der qualifiziert beteiligt ist. Fall 8: Die Zahlung an umgekehrt hybride Rechtsträger (II)
Und jetzt die Zahlung an umgekehrt hybride Rechtsträger, Teil 2, Fall 8. Im Grunde den Fall 7 auf den Kopf gestellt, wir haben unsere OECDCo. 1, die an einer deutschen KG beteiligt sein soll. Aus deutscher Sicht ist das natürlich ein transparenter Rechtsträger, aus ausländischer Sicht ist die KG intransparent. Die Frage ist, darf Deutschland die Zinsen besteuern? Und ich meine, die Besteuerung funktioniert gegenwärtig nur, wenn ich abkommensrechtlich über eine Betriebsstätte verfüge. Das ist der Anker, der mir das erlaubt, ansonsten funktioniert es nicht. Es funktioniert auch nicht über den AOA. Herr Andresen hat es schon gesagt. Dann mache ich gleich weiter mit Fall 9, „Die doppelt ansässige Gesellschaft“. Fall 9: Die doppelt ansässige Gesellschaft
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Die Dual-Co. ist eine nach dem Recht des Staates B gegründete Gesellschaft. Der statutarische Sitz führt nach dem Recht des Staates B zur unbeschränkten Steuerpflicht. Der Ort der Geschäftsleitung der DualCo. befindet sich aus Sicht von Staat B in Staat A, während Staat A von einem solchen in Staat B ausgeht. Die Dual-Co. erhält Lizenzgebühren von ihrer Tochtergesellschaft, Sub-Co. Das DBA-A/B enthält eine am Ort der Geschäftsleitung orientierte Tie-Breaker-Rule. Staat B besteuert daher nach Art. 12 DBA-A/B nicht an der Quelle. Staat A besteuert ebenfalls nicht, weil er keinen steuerlichen Anknüpfungspunkt erkennt. Was nun? Wenn es nach der OECD geht, soll es künftig keine Tie-Breaker-Rule nach dem Ort der Geschäftsleitung geben. Vielmehr sollen der doppelt ansässigen Gesellschaft erst einmal gar keine Abkommensvergünstigungen gewährt werden. Die Staaten sollen sich an einen Tisch setzen, um eine mögliche Doppelbesteuerung im Verständigungswege zu beseitigen. Man kann mit guten Argumenten darüber streiten, ob das richtig ist. Man kann auch insgesamt darüber streiten, ob der Ort der Geschäftsleitung der richtige Anknüpfungspunkt ist, der statutarische Sitz, die Kontrolle o.Ä. Wir haben die Frage beim IFA-Weltkongress in Mumbai ausführlich diskutiert. Dabei hat sich gezeigt, dass die einzelnen Länder ganz unterschiedlicher Auffassung sind. Gerade die Amerikaner sagen, für uns ist ausschließlich der statutarische Sitz relevant. Eine amerikanische Gesellschaft hat eben in Amerika Steuern zu bezahlen, egal wo sich der Ort der Geschäftsleitung befindet. Hier wird kein Unterschied zu natürlichen Personen gemacht. Daher bin ich gespannt, wo sich das hinbewegt. Fall 10: Die hybride Gesellschaft
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Und schließlich Fall 10, dann sind wir durch: Unsere „hybride Gesellschaft“, die in einem OECD-Staat ansässige Hold-Co., ist alleinige Gesellschafterin der D-AG. An der Hold-Co. sind zu jeweils 50 % eine in demselben Staat sowie eine auf den Bermudas ansässige natürliche Person beteiligt. Die Hold-Co. qualifiziert aus deutscher Sicht als Kapitalgesellschaft, während diese aus ausländischer Sicht steuerlich transparent ist. Nach dem deutschen DBA mit dem anderen Staat gilt eine Quellensteuerbefreiung für Dividenden. Kann diese beansprucht werden, und wenn ja, von wem? Was wäre, wenn das DBA eine Art. 1 Abs. 2 OECD-MA-E nachgebildete Regelung enthalten würde? Wenn es diese Regelung nicht geben würde, kann ich mir gut vorstellen, dass Deutschland möglicherweise erst einmal gar keine Abkommensvergünstigungen gewährt, weil die ausländische Gesellschaft keine Ansässigkeitsbescheinigung beibringen kann. Die ausländische Gesellschaft muss ja in ihrem Ansässigkeitsstaat der unbeschränkten Steuerpflicht unterliegen. Wenn sie das tun sollte, die Bescheinigung also beibringen könnte, dann hätten wir einen Konflikt, der nach Vorstellung der OECD nach Art. 1 Abs. 2 OECD-MA-E beseitigt werden soll. In diesem Fall schaut man auf den Ansässigkeitsstaat und fragt, welche Personen sind eigentlich an der hybriden Gesellschaft beteiligt. Und dann stellt man die weitere Frage, wem der andere Staat eigentlich die Einkünfte zurechnet. Das sind in unserem Fall die Gesellschafter der HoldCo. Davon ist lediglich einer im Ansässigkeitsstaat der Hold-Co. ansässig, weshalb Abkommensvergünstigungen nur im Umfang von 50 % beansprucht werden können. Insoweit wird letztlich eine Abkommensberechtigung der Hold-Co. fingiert. Hier kann man natürlich weitere Folgefragen stellen. Wenn etwa Mindestbeteiligungen für ein Schachtelprivileg erforderlich sind, werden diese aufgrund der Fiktion durch die Hold-Co. erfüllt? Ich würde mich dafür aussprechen, dass dann, wenn ich eine Abkommensberechtigung fingiere, diese Fiktion auch auf das Schachtelprivileg durchschlägt. Prof. Dr. Lüdicke Wird dieser Fall jetzt von § 50d Abs. 1 Satz 11 EStG erfasst? Prof. Dr. Gosch Sie sehen, wie Herr Schönfeld meine Meinung schon kundgetan hat, dass diese Vorschrift nur formalrechtlich den Erstattungsanspruch präzi-
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siert, aber eben nicht materiell-rechtlich den Anspruchsberechtigten bestimmt. Dr. Schönfeld Dafür haben Sie sich in der Tat immer ausgesprochen, Herr Gosch. Für Sie ist daher nur die formelle Frage entscheidend, wer den Antrag stellt. Und hier würde die natürliche Person im Grunde für die Gesellschaft den Antrag stellen und würde die Herabsetzung auf null beantragen. Komisches Ergebnis, aber wäre wohl so. Prof. Dr. Lüdicke Herr Kreienbaum, wie ist denn das BMF-Schreiben1 zu verstehen? MinDirig Kreienbaum Nach dem Personengesellschaftsbericht2 kommt man wohl zu dem Ergebnis, wenn ich das richtig sehe, dass die hinter der Hold-Co. stehende natürliche Person antragsberechtigt wäre. Prof. Dr. Lüdicke Ja, eindeutig, und ich würde auch das BMF-Schreiben wohl so verstehen. Dort finden sich zwei Beispiele und ein paar relativ kurze Ausführungen zur Anwendung von § 50d Abs. 1 Satz 11 EStG. Ich meine, dass man das so verstehen könnte. Prof. Dr. Gosch Also, dass das da materiell-rechtlich aufgeladen wird – ja, das sehe ich auch so. Habe ich auch so in Erinnerung. Prof. Dr. Lüdicke Aber Sie schreiben im Kirchhof dann demnächst dagegen.
1 BMF v. 26.9.2014 – IV B 5 - S 1300/09/10003 – DOK 2014/0599097, BStBl. I 2014, 1258, zur Anwendung der DBA auf Personengesellschaften, Rz. 2.1.2. 2 OECD, The Application of the OECD Model Tax Convention to Partnerships, Issues in International Taxation, No. 6, Paris 1999.
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Prof. Dr. Gosch So ist das, das ist schon formuliert. Prof. Dr. Lüdicke Das sind klare Worte.
E. Fazit Wir stehen kurz vor Weihnachten, daher meine Wunschliste: Aus fiskalischer Sicht kann ich zumindest im Grundsatz nachvollziehen, dass es ein Bedürfnis gibt, derartige Hybrid mismatch arrangements irgendwie anzugreifen. Allerdings glaube ich, dass diese Maßnahmen zielgenau sein müssen. Sie dürfen nicht über das hinausgehen, was zur Erreichung des Ziels erforderlich ist. Das ist aus meiner Sicht auch verfassungsrechtlich geboten. Insbesondere sollten die Maßnahmen wirklich auf Unternehmensgruppen beschränkt bleiben. Die Maßnahmen müssen ferner aufeinander abgestimmt werden, um ein mehrfaches Eingreifen mit der Gefahr einer potenziellen Doppelbesteuerung zu vermeiden. Letztlich sollte man darüber nachdenken, ob man wirklich so ein Bündel von Abwehrmaßnahmen ergreift, die am Ende extrem komplex in der Handhabung sind, oder ob man nicht besser sagt, wir nehmen einen positiven Ansatz und fördern unsere eigene Wirtschaft, z.B. mit geringen Steuersätzen oder Lizenzboxen. Darum geht es ja im Kern. Im Grunde ist diese ganze BEPS-Diskussion ja keine steuerliche, sondern eine volkswirtschaftliche Debatte. Sie wurde eingeleitet durch die Vereinigten Staaten, die letztlich Wirtschaftspolitik betrieben haben, indem sie über löcherige CFC-Rules Google, Amazon und Apple einfach begünstigt haben. In diesem Punkt besteht im Übrigen auch eine große Gefahr, die ich sehe. Und zwar ist es denkbar, dass Deutschland jetzt voranschreitet und sagt, wir setzen im Namen der OECD solche Abwehrmaßnahmen um. Und was passiert, wenn die Amerikaner am Ende nicht mitmachen und sich dafür natürlich höflich entschuldigen, weil sie sagen, unsere politischen Verhältnisse lassen das gegenwärtig leider nicht zu? Dann, glaube ich, ist diese volkswirtschaftliche Verwerfung im Grunde noch viel größer. Vielen Dank.
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Hybrid Mismatch Arrangements – deutsche Abwehrregelungen Podiumsdiskussion Leitung Prof. Dr. Jürgen Lüdicke Rechtsanwalt, Steuerberater, International Tax Institute, Universität Hamburg Teilnehmer Dr. Ulf Andresen PwC, Frankfurt Prof. Dr. Dietmar Gosch Vors. Richter am Bundesfinanzhof, München/Christian-AlbrechtsUniversität zu Kiel Dr. Berend Holst Volkswagen AG, Global Head of Tax and Customs
MinDirig Martin Kreienbaum Bundesministerium der Finanzen, Berlin Dr. Friedrich Loschelder, LL.M. (Edinb.) Richter am Finanzgericht, Hamburg Dr. Jens Schönfeld Flick Gocke Schaumburg, Bonn
Prof. Dr. Lüdicke Herr Schönfeld, vielen Dank für den Vortrag, vielen Dank auch für die Auswahl der Fälle und Ihre Bereitschaft, dass wir diese gleich mit Ihnen diskutieren konnten. Ich glaube, die Fälle, die ja nur ein kleines Spektrum dessen abgedeckt haben, was in dem Bericht zu Hybrid Mismatch Arrangements an möglichen Konstellationen, die darunter fallen könnten, dargeboten wird, hat schon gezeigt, wie problematisch die Umsetzung im Detail ist. Es wird versucht, nicht abgestimmtes Steuerrecht an Stellen, wo es zu einer doppelten Nichtbesteuerung oder zu doppeltem Abzug oder zu Abzug und Nichtbesteuerung führt, punktuell zu ändern. Das ist ja auch die klare Position der OECD, beispielsweise Änderung des nationalen Steuerrechts durch Einführung sog. Defense Rules usw. Das gesamte Bild, damit am Ende ein stimmiges Ergebnis herauskommt, ist jedoch etwas komplexer, als immer nur auf den einzelnen Vorfall zu schauen. Wir haben das eben schon gesehen, etwa wenn auf Ebene der Gesell-
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schafter CFC-Regelungen bestehen. Herr Kreienbaum hat hier ja während der Diskussion im Grunde schon gesagt, dass die Schwierigkeiten gesehen werden. Allerdings frage ich mich, ob die OECD oder später die Staaten bei der Umsetzung das eigentlich überhaupt in den Griff bekommen können. Dazu würde mich die Meinung des Podiums interessieren. Die Vorschläge seitens der OECD werden zum Schluss relativ konkret sein. Das könnte beim deutschen Gesetzgeber eine gewisse Neigung auslösen, tätig zu werden. Nun brauchen wir in Sachen Patentbox an sich zunächst nichts umzusetzen, es sei denn, wir führen eine solche ein. Dazu würde man wahrscheinlich wieder Gegenfinanzierungsmaßnahmen suchen. Dafür könnte gerade der BEPS Aktionspunkt 2 sehr willkommen sein. Ich befürchte, wenn das alles unreflektiert und auf dem Stand, den die OECD jetzt erreicht hat, umgesetzt wird, werden wir ganz massiv Fälle von wirtschaftlicher oder sogar juristischer Doppelbesteuerung sehen. Wir werden Fälle sehen, in denen die Unternehmen, wenn es nicht einmal Mindestbeteiligungserfordernisse gibt – Herr Holst hat es ja eben schon angedeutet –, gar nicht so richtig wissen, was im Ausland passiert. Und wenn das dann dazu führt, dass Ausgaben hier nicht mehr abziehbar sind oder fiktive Erträge hier versteuert werden müssen, stellt sich das aus der Sicht des Steuerstandorts Deutschland möglicherweise nicht als der Weisheit allerletzter Schluss dar. Dr. Loschelder Ich hätte da noch eine Frage, Herr Schönfeld: Sie haben im Zusammenhang mit dem Problem der doppelt ansässigen Rechtsträger dargestellt, dass die Lösung nicht nach der bisherigen Tie-Breaker-Rule erfolgen soll, sondern auf Einzelfallbasis, durch „Vermeidung der Doppelbesteuerung im Verständigungswege“. Wie muss ich mir das vorstellen? Und wie wird so etwas administrativ umgesetzt? Vermeidung der Doppelbesteuerung im Verständigungswege, führt das zu einem Erlass nach § 163 oder § 227 AO? Und wie verträgt sich „Vermeidung der Doppelbesteuerung im Verständigungswege“ mit der Gesetzmäßigkeit der Besteuerung? Was heißt das konkret? Dr. Schönfeld Die Frage ist berechtigt. Bei der Doppelansässigkeit geht es ja im Kern darum, wie man eine daraus resultierende Doppelbesteuerung in den Griff bekommt, und zwar nach neuer Lesart eben nicht mehr so, dass
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man die am Ort der Geschäftsleitung orientierte Tie-Breaker-Rule anwendet, sondern sich gemeinsam an einen Tisch setzt und darüber nachdenkt. Und die Frage von Herrn Kollegen Loschelder geht dabei dahin, wie dieses Nachdenken denn jetzt gesetzlich geregelt werden soll und ob es denn eine gesetzliche Pflicht zum Nachdenken und zum Beseitigen einer Doppelbesteuerung geben wird. Sollte es so sein, dass man nur ganz normal ins Verständigungsverfahren gelangt, wozu man gewisse Schwellen überschreiten und Anträge stellen muss, dann besteht in der Regel ja gerade kein Einigungszwang. Eine rechtliche Verpflichtung besteht also gerade nicht. Dr. Andresen Meiner Ansicht nach beginnt das Problem schon davor. Die Regelung im DBA-USA, nach der die Tie-Breaker-Rule im Verständigungswege zu klären ist, lässt in hohem Maße Unsicherheit zurück. Man kann darauf im Grunde keinerlei Planung aufbauen oder sich auf erprobte Auslegungsmechanismen verlassen. Das ist insgesamt höchst problematisch. Wenn das zum Standard wird, wird Klarheit immer nur in Gesprächen zu finden sein, die naturgemäß Zeit kosten und insoweit als weitgehend ineffizient einzustufen sind. Prof. Dr. Lüdicke Ich glaube, dass ist das Hauptproblem. Wenn Sie bei der Tie-Breaker-Rule sauber subsumieren, wissen Sie, in welchem Staat die Person zum Schluss als DBA-ansässig gilt. Und hier wissen Sie es nicht, weil das ja vom Ergebnis des Verständigungsverfahrens abhängt. D.h., Sie wissen vorher an sich nicht, welches Abkommen in welcher Weise Anwendung findet. Prof. Dr. Gosch Und Sie haben auch keinen Einigungszwang, wenn ich das richtig sehe. MinDirig Kreienbaum Das ist richtig, einen Einigungszwang gibt es in diesen Verfahren bisher nicht. Auch trifft es zu, dass eine Tie-Breaker-Rule, wie wir sie in Art. 4 Abs. 2 und 3 OECD-MA finden und die bestimmte Prüfkriterien vorsieht, zu besser planbaren und besser vorhersehbaren Ergebnissen führt. Auf der anderen Seite ist die Bestimmung der Ansässigkeit nach dem Ort der Geschäftsleitung vor dem Hintergrund leichter Verlagerbarkeit
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gestaltungsanfällig. Dies gilt namentlich für neue Geschäftsmodelle in der virtuellen Welt. Ebenso kann die doppelte Ansässigkeit – und damit die daraus resultierenden steuerlichen Probleme – durch Gestaltung leicht vermieden werden. Vor diesem Hintergrund kann ich gut nachvollziehen, dass sich die OECD-/G20-Staaten auf eine Lösung im Verständigungswege geeinigt haben. Eine Einigung im Verständigungsverfahren bedeutet nicht, dass die Behörden willkürlich handeln. Der OECD-Musterkommentar nennt bereits eine Reihe von Gesichtspunkten, anhand derer die Ansässigkeit durch die zuständigen Behörden beurteilt und festgestellt werden soll. Weiterhin stehen die Implementierungsguidelines der OECD zu den Hybrid-Empfehlungen noch aus. Zunächst sollten wir diese Arbeiten auf OECD-Ebene und die Implementierung in nationales Recht abwarten. Ich bin sicher, dass wir da zu vernünftigen Ergebnissen kommen. Prof. Dr. Lüdicke Ja gut, aber wenn z.B. der vorgeschlagene Entwurf des Art. 1 Abs. 2 OECD-MA, über den wir hier gerade reden, und der Entwurf eines neuen Art. 4 Abs. 3 OECD-MA in dieses multilaterale Instrument aufgenommen wird, dann gibt es ja national nicht mehr viel abzuwägen und anzupassen. MinDirig Kreienbaum Wie gesagt, die hier vorgeschlagene Lösung der Problematik im Einzelfall anhand der erwähnten Gesichtspunkte erscheint mir nicht unzumutbar. Prof. Dr. Lüdicke Wie sieht denn heute die Rechtswirklichkeit aus? Die Unternehmen werden immer mobiler, nehmen wir beispielhaft die Volkswagen AG. Die AG selber wird da kein Problem haben, aber bei vielen Tochtergesellschaften wird es doch wahrscheinlich auch heute schon so sein, dass da Geschäftsführer aus aller Herren Ländern tätig sind, die auch mal versetzt werden. Die Fälle von möglicherweise gar nicht geplanter Doppelansässigkeit oder jedenfalls von einem Fiskus behaupteter Doppelansässigkeit werden doch sicherlich eher zunehmen als abnehmen. Das würde ich jedenfalls für die nächsten Jahre erwarten.
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Dr. Andresen Das ist in der Tat schon heute so. Der Fall, den ich eingangs meines Vortrags beschrieben habe, der hatte noch eine weitere Dimension. Mehrere Geschäftsleitungsmitglieder haben ihren persönlichen Lebensmittelpunkt nicht im Inland. Auch wenn die operative Geschäftsleitung sich dennoch in Deutschland nachweisbar vollzieht, sind Zweifel nicht immer vollständig auszuräumen. Diesen Aspekt der Ansässigkeit ex post im Wege der Konsultation zu bestimmen, erscheint mir höchst problematisch. Vor einiger Zeit hatten wir einen Verrechnungspreisfall, in dem von der Finanzverwaltung unterstellt wurde, dass die Geschäftsleitung einer deutschen Gesellschaft in den USA sei und daraus gewisse Verrechnungspreisfolgerungen zu ziehen seien. Letztlich hat sich die Finanzverwaltung jedoch davon überzeugen lassen, dass bei angenommener Ansässigkeit einer deutschen Gesellschaft in den USA kaum mehr Steuersubstrat in Deutschland der Besteuerung zugeführt werden kann. Entsprechend musste die Ansässigkeitsfrage nicht mehr im Verständigungswege geklärt werden. Prof. Dr. Gosch Das Problem als solches ist natürlich, sagen wir mal, „alt“. Es gab immer schon die These, dass es nur einen tatsächlichen Sitz der Geschäftsleitung gebe, und dabei handelt es sich im Grunde um eine Fiktion. So hatte beispielsweise die Deutsche Bank früher in Düsseldorf drei Vorstandsmitglieder und was weiß ich wie viele in Frankfurt. Heutzutage wäre das geradezu provinziell, unsere Welt ist größer geworden. Ich erinnere mich in diesem Zusammenhang an eine frühere Entscheidung des BFH zum Berlin-Fördergesetz1. Der BFH hatte dort keine Scheu zu sagen: Jedes Unternehmen hat je nach Einzelfall mindestens einen oder auch mehrere Orte der geschäftlichen Oberleitung. So oder so bedarf es im Einzelfall der wertenden und tatrichterlich unterfütterten Entscheidung. Diese Entscheidung ist immer mit Ungewissheiten verbunden, und solche Ungewissheiten werden dann auch in das DBA hineingetragen. Prof. Dr. Lüdicke Na ja, aber der strukturelle Unterschied zu den hier diskutierten Fällen liegt darin, dass früher ein Gericht, wenn die Faktenlage wie auch im1 BFH v. 15.10.1997 – I R 76/95, BFH/NV 1998, 434.
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Podiumsdiskussion: Hybrid Mismatch Arrangements
mer zur Überzeugung des Gerichts aufgeklärt war, entscheiden konnte, und dann stand das Ergebnis fest. Während es nach dem OECD-Vorschlag so ist, wenn objektiv der Ort der Geschäftsleitung vom statutarischen Sitz abweicht, dass dann zunächst einmal kein DBA-Schutz besteht. Kein gerichtlicher Rechtsschutz, nur Verständigungsverfahren! Ich darf nochmal an die Besteuerung der Arbeitnehmer erinnern, die nach Art. 15 Abs. 2 OECD-MA von der Besteuerung des Arbeitgebers abhängt. Ich hatte das eben im Zusammenhang mit der Betriebsstätte des Arbeitgebers gesagt. Es gibt aber auch die Abhängigkeit der Besteuerung des Arbeitnehmers von der Ansässigkeit des Arbeitgebers. Man muss also für die Besteuerung des Arbeitnehmers die Ansässigkeit des Arbeitgebers feststellen. Es geht gar nicht um die Besteuerung des Arbeitgebers. Der will möglicherweise gar nicht ins Verständigungsverfahren, weil es für seine Besteuerung unerheblich sein mag. Der hat ja sowieso eine Betriebsstätte und muss da Steuern bezahlen. Was soll der Arbeitnehmer machen? Ein ähnliches Problem ergibt sich bei Ausschüttungen von Kapitalgesellschaften nach Art. 10 OECD-MA. Als Gesellschafter brauchen Sie eine im anderen Vertragsstaat ansässige Gesellschaft. Wenn der Gesellschaft das aber egal ist, dann geht sie nicht in das Verständigungsverfahren, aber der Gesellschafter weiß nicht mehr, unter welches DBA die Ausschüttung fällt. Ich bin nicht so sicher, ob das alles schon der Weisheit letzter Schluss ist. Derzeit haben wir im Grundsatz eine klare Regelung, die mag dem einen oder anderen Staat nicht gefallen, aber eine klare Regelung durch etwas zu ersetzen, was immer ein Tätig- und Einigwerden der beiden Finanzverwaltungen erfordert, ist problematisch. Denn die Person, die doppelt ansässig ist, kann möglicherweise nicht das geringste Interesse an einer Klärung haben, aber sie wird ja nun mit Sicherheit die Einzige sein, die ein Verständigungsverfahren beantragen könnte. Es ist wohl nicht vorstellbar, dass etwa Arbeitnehmer, deren Besteuerung nach Art. 15 Abs. 2 OECD-MA von der Ansässigkeit ihres Arbeitgebers abhängt, darüber mit der Finanzverwaltung herumstreiten sollen. Prof. Dr. Gosch Also auch bei einer natürlichen Person haben Sie solche Unwägbarkeiten. Es muss der Mittelpunkt der Lebensführung ermittelt werden. Entscheiden über diesen die persönlichen Beziehungen? Oder ist vorrangig das wirtschaftliche Interesse zu lokalisieren? Auch hier kann man nach den Vorgaben des Art. 4 Abs. 2 OECD-MA irgendwann im Verständigungsverfahren landen.
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Prof. Dr. Lüdicke Aber ich habe in meiner ganzen Berufspraxis keinen Fall mit natürlichen Personen gesehen, der so lange durch den Katalog des Art. 4 Abs. 2 OECD-MA gegangen ist, bis er im Verständigungsverfahren war. Er war immer vorher zu klären. Prof. Dr. Gosch Mir geht es um die Frage der Entscheidung, um die wertende Betrachtung. Der Lebensmittelpunkt ist tatbestandlich mindestens genauso „weich“ wie der tatsächliche Ort der Geschäftsführung. Prof. Dr. Lüdicke Aber trotzdem, Herr Gosch, Entschuldigung, wenn ich da nochmal widerspreche. Was den Lebensmittelpunkt angeht, kann ich falsch liegen, ich kann bei Gericht verlieren, aber ich gehe zu einem Gericht, das Recht anwendet und danach entscheidet. Während ich hier immer ein letztlich nicht justiziables Verständigungsverfahren brauche. Ich sehe da einen strukturellen Unterschied. Dr. Schönfeld Was mich interessieren würde, ist, ob sich vielleicht die US-Amerikaner bei den Arbeiten der OECD zu stark durchgesetzt haben, soweit es um die Neuregelung der Tie-Breaker-Rule geht. Aus deren Perspektive ist die vorgeschlagene und im DBA-USA enthaltene Regelung nämlich ein Fortschritt. Wenn ich Sie einmal an das DBA-USA 1989 erinnern darf. Hier gab es – anders als für uns gewohnt – überhaupt keine Tie-BreakerRule für Kapitalgesellschaften. Darüber hat man sich im Schrifttum zwar beschwert, aber es war dann immer einfach so. Aus unserer Perspektive, wo wir natürlich gewohnt sind, dass es eine am Ort der Geschäftsleitung orientierte Tie-Breaker-Rule gibt, ist das natürlich ein Rückschritt. Deshalb fände ich schon einmal interessant zu erfahren, inwieweit sich die US-Amerikaner in diesem Punkt vielleicht in der Tat zu stark durchgesetzt haben. MinDirig Kreienbaum Aus unseren internen Diskussionen kann ich hier nichts berichten. Ich sehe allerdings auch keinen dramatischen Verlust an Rechtssicherheit, wenn die Ansässigkeit im Einzelfall durch die Verwaltungsbehörden an-
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hand nachvollziehbarer Kriterien bestimmt wird. Ob nach unserem Rechtsverständnis Bestimmtheitserwägungen eine ausdrückliche Nennung dieser Kriterien im Abkommen erfordern, könnte man allerdings diskutieren. Prof. Dr. Gosch Sie hatten vorhin die Frage offengelassen, Herr Schönfeld, vielleicht kann man das noch kurz ansprechen, Drittstaatenwirkung des § 8 Abs. 2 AStG. Was meinen Sie denn? Greift die Stand-Still-Klausel? Oder eher nicht? Dr. Schönfeld Ich habe das ja schon früher vertreten, in einem Aufsatz,1 das muss vor zehn Jahren gewesen sein. Prof. Dr. Gosch Den habe ich genau präsent. Dr. Schönfeld Ich glaube in der Tat, wenn das richtig ist, was der EuGH jetzt kürzlich entschieden hat, und wenn das richtig ist, wie man unsere Hinzurechnungsbesteuerung versteht, nämlich dass sie gar keine qualifizierenden Beteiligungsvoraussetzungen für jeden Hinzurechnungsadressaten hat, sondern im Grunde nur rein zufällig die Beteiligungen von Inländern zusammenrechnet, … Prof. Dr. Gosch … dann schützt die Kapitalverkehrsfreiheit im Verhältnis zu Drittstaaten auch vor der Hinzurechnungsbesteuerung. Dr. Schönfeld Genau, und das wäre vielleicht auch eine Chance für Herrn Kreienbaum, über eine Neuregelung der Hinzurechnungsbesteuerung dahin nachzudenken, dass diese künftig nur bei einer z.B. 25-prozentigen Mindestbeteiligung durch den jeweiligen Hinzurechnungsadressaten eingreift. Dann ist nämlich vielleicht der Drittstaatenschutz beseitigt.
1 Gosch, FR 2006, 586; Gosch, IStR 2005, 410.
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Prof. Dr. Gosch Tja, pfiffige Ideen aus der Praxis. Prof. Dr. Lüdicke Herr Schönfeld, ich möchte Ihnen und natürlich auch den anderen Referenten für Ihre ausgezeichneten Vorträge danken. Des Weiteren danke ich den Diskutanten hier auf dem Podium. Die ausführlichen Diskussionen aus verschiedenen Blickwinkeln sind ja ein besonderes Markenzeichen unserer Tagung. Auch die nächste, die 32. Hamburger Tagung zur Internationalen Besteuerung wird wie immer am ersten Freitag im Dezember stattfinden. Das ist der 4. Dezember 2015, und sie wird wieder hier in der Handelskammer Hamburg sein.
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Stichwortverzeichnis § 4 Abs. 5a EStG-E 49, 122, 133 f. § 42 AO 12 f. § 50d EStG 16 § 8 AStG 72; s.a. Aktivitätskatalog § 8b Abs. 1 Satz 2 KStG 5, 16, 119, 121, 124 ff.; s.a. materielles Korrespondenzprinzip § 90 Abs. 3 AO 109 ff. Abflussprinzip 5 Abkommen – ~sbegünstigung, auch ~svergünstigung 8, 27 ff., 120, 144 f. – ~sberechtigung 122, 145 – ~smissbrauch 7 f. – zur Vermeidung der Doppelbesteuerung, auch DBA 7, 42 f. – zur Vermeidung der Doppelbesteuerung und zur Verhinderung der Steuervermeidung und Steuerverkürzung 7 Abwehrgesetzgebung – auch Abwehrregelung 4, 58, 120 ff., 127 f. – überschießende 17, 21, 121, 127 f., 134 Abzugsfähigkeit 5, 117, 122, 129 ff. Action Plan on Base Erosion and Profit Shifting 89 f. Advance Pricing Agreements – auch APA 48, 97, 99 Aktivitätskatalog 142; s.a. § 8 AStG Aktivitätsvorbehalt – auch Aktivitätsklausel 77, 121 Amtsermittlungsprinzip 108 Anrechnung 8, 65 f. – ~shöchstbetrag 140 – ~smethode 136 Ansässigkeit 31, 119 f., 123, 151 ff. – doppelte 152 – Lebensmittelpunkt 153, 155 – Ort der tatsächlichen Geschäftsleitung 72, 100, 144, 151, 153, 154 f.
Ansässigkeitsstaat 30, 37, 59, 64, 79, 122, 133, 138, 145; s.a. Wohnsitzstaat Anteilseigner-Test 29 f. Anti-Avoidance Provisions 28; s.a. Missbrauchsvermeidung AOA – auch Authorized OECD Approach 61, 64, 76, 136 f., 143 Arm’s Length 18; s.a. Fremdvergleich Aufbewahrungsfrist 2 Auftragsforschung 6 Aufwand – auch Aufwendungen 6, 16 ff., 35, 38, 44 f., 48, 52, 68, 73, 80, 94, 102, 106, 111 ff. – Gesamt~ 7 Ausgaben 5 f., 11, 16 f., 37, 68, 122, 136, 150; s.a. Aufwand Auslieferungslager 60, 85 f. B2C 66 Bandbreitensteuer – auch Bit-Steuer 66 Base Erosion and Profit Shifting 55, 87, 89; s.a. BEPS Basisgesellschaft 117 Beihilferecht 35, 41 Bemessungsgrundlage 5, 16, 26, 66, 70, 94 f., 122, 126 – Nichteinbeziehung 5 Beneficial Owner – auch Beneficial Ownership 15, 31 BEPS 1 ff., 11 ff.; s.a. Base Erosion and Profit Shifting – ~-Aktionsplan 3 f., 27, 67, 92 – Aktionspunkt 6, Missbrauchsvermeidung 7 f., 27 ff. – ~-Diskussion 13, 16, 37 ff. – ~-Empfehlungen 108 – ~-Ergebnisse 9 – Implementierung 3, 5 f., 92, 102 – ~-Initiative 11 ff., 33 ff., 89
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Stichwortverzeichnis – ~-Maßnahmen 13, 16, 41 – Post-~ 102 – ~-Projekt 8, 14, 27, 35 – ~-Themen 3, 9, 48 Besteuerungsrecht 3 f., 65, 77, 107 Bestimmungsland 71 Betriebsausgaben 5 f., 11, 16; s.a. Aufwand/Ausgaben Betriebsausgabenabzug 15, 19 f., 119, 122 f., 134 ff. – doppelter/mehrfacher 5, 149 Betriebsprüfung 16, 45, 88, 91, 102, 111, 138 – gemeinsame grenzüberschreitende 2, 48 Betriebsstätte 59 ff., 77 ff., 84 ff., 100, 112 f., 135 f., 143, 154 – ~nansatz 84 – ~nproblematik 78 – ~nschwelle 60 – ~nverständnis 4 Binnenmarkt 37, 109 Börsen-Test 30 Cadbury-Test 123; s.a. Aktivitätskatalog CFC-Rules 84, 147; s.a. Hinzurechnungsbesteuerung Check-the-Box Wahlrecht 59 Cloud Computing 52, 54, 60 Code of Conduct 24 Collin/Colin-Report 63 f. Constituent Entities 100 f. Cost-plus 18 Country-by-Country Reporting – auch CbCR 2, 8 f., 15 f., 20 f., 87 ff., 93, 100 ff. Datenerfassung 76 Datenschutz 7, 64, 108, 110 DBA 9, 28 ff., 39, 42, 93, 103, 107, 121; s.a. Doppelbesteuerungsabkommen – Präambel 7 f., 43 – ~-Schweiz 77 – Titel 7 f., 43
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– ~-USA 41, 120, 122 f., 151, 155 Deduction/No Inclusion (D/NI) 119, 135 Defense Rule – auch Defensive Rule 119, 149 Digital Economy s.a. Digitized Economy – Anknüpfung 3 – auch digitale Wirtschaft 4 f., 50, 55, 73, 75, 82 Digitalisierung 4, 53 ff., 65, 67, 69 f., 72 f., 75 f., 86 Digitized Economy 51 ff.; s.a. Digital Economy Dividenden 15, 126 ff., 139 f., 145 – ~blocker 39 – ~freistellung 125; s.a. Schachtelprivileg – ~-Stripping 31 Dokumentation 7, 90 f., 94 f., 101, 109 – ~sanforderungen 94, 100, 102 f., 109 – ~spflichten 2, 6 f., 93, 99, 109 – ~steilbereiche 8 – ~svorschriften 20, 87, 92, 94 f. Doppelansässigkeit 123, 150, 152; s.a. Ansässigkeit Doppelbesteuerung 4, 7, 11 ff., 38, 42 ff., 74, 81, 88, 102, 116, 120, 126, 131, 133, 140, 144, 147, 150, 151 – ~srisiken 60, 65 – virtuelle 43 f. Doppelbesteuerungsabkommen – s.a. DBA 15, 39, 42 Double Deduction (D/D) 119, 137 Drittstaat 39, 121, 156 – ~enschutz 156 – ~enwirkung 156 Durchleitungsfinanzierungen 31 E-Commerce 63, 82 Effectiveness of treaty dispute resolution mechanisms – auch Action 14 14 Eigenkapital 38, 101, 119, 123, 134
Stichwortverzeichnis – ~verzinsung 126 Einkommen 6, 29, 90, 128 – ~sermittlung 127 – ~sverwendung 127 – ~szurechnung 90 Einkünfte 14, 59 f., 64, 71 f., 94, 120 ff. – Abgrenzung 88, 97 – Verlagerung, zwischenstaatliche 95 – weiße 11, 19 f., 38, 49 Einmalbesteuerung 21 Empfangsstaat 110 Ermittlungsmethoden 8 EU 9, 19, 41, 52, 69 ff. – ~/EWR-Raum 121 – Mutter-Tochter-Richtlinie 5, 15, 19, 37, 124 – ~Rechtswidrigkeit 124 Exit-Besteuerung 73 FATCA 25 Fiat Finance Fall 26 Finanzinstrumente – hybride 5 Finanzverwaltung 1, 3, 5, 9, 16, 18, 20, 47 ff., 87 ff., 98, 102 ff., 128, 131, 153 f. – ausländische 2 Forschung 13, 17 ff., 32, 52, 68 f., 96 f. – ~skosten 18 Forum on Tax Administration 25 Freistellung 8, 43, 121 f., 128, 131 – ~smethode 19, 43, 136 Fremdfinanzierung – auch Fremdkapital 95, 119, 123, 134 Fremdvergleich 76, 78, 99, 108; s.a. Arm’s Length – ~sgrundsatz 73, 76 f., 94, 98 f., 102, 107, 116 – ~smaßstab 8, 78 – ~spreis 8 FuE-Förderung – auch Forschung und Entwicklung 13, 69
Funktionsverlagerung 18, 58, 88, 95 – ~sverordnung 73 G20 3 f., 6 f., 25 f., 36, 48, 55 f., 58, 60 ff., 65 ff., 73, 87, 89, 92, 95, 108, 116, 134, 152 – Gipfel 25, 48 Gemeinsame Konsolidierte Körperschaftsteuer-Bemessungsgrundlage (GKKB) 70 Genussrecht – hybrides 123, 130, 133 Gesamtkonzerngewinn 46 Geschäftsleitung 30, 88, 101, 153 – Ort der ~, auch Residence 72, 97, 100, 144, 151, 153 ff. Gesellschaft 8, 20, 29, 42, 47, 95 ff., 110, 113, 121, 125 ff., 131, 133, 153 f. – doppelt ansässige 143 f. – hybride 59, 145 f. Gewinnabgrenzungsaufzeichnungsverordnung 9, 109 Gewinnaufteilung 13, 47, 100 – ~smethoden 116 Gewinnausschüttung – verdeckte 89 Gewinnverlagerung 3, 13, 34, 36, 55, 67 f., 91, 111 Global Automatic Exchange of Information Standard for Financial Account Information 25 Global File 115 Global Forum on Transparency and Exchange of Information for Tax Purposes 24, 93 Globalisierung 1, 58 Google-Tax 45 Guidance on Transfer Pricing Documentation 87, 100 Harmonisierung 1 f., 5 – Verfahrensrecht 2 Hauptaktiengattung 30 Hinzurechnungsbesteuerung 16, 28, 59, 73, 121, 125, 130 ff., 141, 156; s.a. CFC-Rules
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Stichwortverzeichnis Hybrid Mismatch Arrangements 31 f., 117 ff., 149 ff. – deutsche Abwehrregelungen 117 ff., 149 ff. Hybride – Ansässigkeit 123 – Finanzinstrumente 5, 19, 121 f., 129 – Genussrecht 123 ff., 130 ff. – Rechtsträger/Gesellschaften 59, 122, 135 ff., 144 ff. – Strukturen/Gestaltungen 2, 5, 120 f., 124 f., 129 – umgekehrt ~ Rechtsträger 141 ff. – Vergütung 124 IFA-Kongress 28 IFRS 134 – Konzernbilanz 106 Immaterielle – auch Intangibles 17 ff. – Güter 6 f., 72, 82, 95 ff. – Werte 8, 56, 58 f., 72 Implementierung – ~s- und Compliance-Aufwand 48 – ~sguidelines 152 – ~skosten 46 Inbound-Fall 81 Informationsaustausch 24 f., 92 f. Intellectual Property – auch Intangibles 17 ff., 73; s.a. Immaterielle Investitionsbedingungen 3 Kapitalverkehrsfreiheit 156 Kaskadeneffekte 126 Keinmalbesteuerung 59; s.a. Nichtbesteuerung Kohärenz 129 – internationale 4, 90 Kompetenz 35 – ~verlagerung 36 f. Konzernfinanzierungsgesellschaft 38 Korrespondenz 5, 129 – Einnahmen/Ausgaben 11 – ~regeln 119, 121 f., 133
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Korrespondenzprinzip 124 Kostenumlagevertrag 97 Legaleinheit 12, 17 f. Leistungsfähigkeit 38, 47 Limitation-on-Benefits – ~Klausel 24, 28, 29 ff., 121; s.a. LOB-Klausel Linking Rule 5, 119, 133; s.a. Verknüpfungsregeln Lizenzabzugsbeschränkung 67; s.a. Lizenzschranke Lizenzbox 41, 69, 70, 73, 147 Lizenzeinnahmen – Aufteilung 17 f. Lizenzschranke 67 f., 73, 78, 83; s.a. Lizenzabzugsbeschränkung LOB-Klausel 28 ff., 41 Local File 8, 91 f., 95, 98 ff., 110 Local GAAP 106 Location Savings 16 Luxemburg Leaks 2, 7, 38 Marktnutzungsgebühr 65 Maßnahme 3, 12, 14 ff., 21, 26, 41, 67 f., 84, 90, 92, 103, 119, 147, 150 – administrative 150 – gesetzgeberische 114 Master File 9, 91 f., 95 ff., 110 Mehrwertsteuer 35; s.a. Umsatzsteuer Mindestbesteuerung – auch Mindeststeuer 38, 45, 73, 83, 137 Missbrauch s.a. Treaty Abuse – ~sbekämpfung 16, 21, 23 ff., 33 ff., 78, 120 f., 128 – ~svermeidung 28, 73 – von DBA 7 f. Mobilität 18, 32, 56, 58 Modified Nexus Approach 6 Monitoringprozess 3 Moral 40, 42, 44 ff., 118; s.a. Steuerethik – Steuer~ 38, 42, 47 f., 118
Stichwortverzeichnis Multilateral Convention on Mutual Administrative Assistance in Tax Matters 93 Multilaterales Instrument 9 Multinationals – Micro-~ 58 Mutter-Tochter-Richtlinie 5, 15, 19, 37, 124 Muttergesellschaft 9, 131 – US-~ 68 Nettoprinzip – objektives 68, 136 Nexus 6, 59, 61 ff., 70, 80, 83, 86 – ~diskussion 59 Nichtanwendungserlass 78 Nichtbesteuerung s.a. Keinmalbesteuerung – doppelte 5, 7, 28, 42 ff., 122, 149 Niedrigsteuerländer 58, 95 Non-Governmental Organisation (NGO) – auch Nichtregierungsorganisationen 25, 35 Notional Interest Deduction 126 f. Nutzerdaten 24, 57 f., 60, 64, 74, 79 f., 86 OECD – Bericht/Deliverable 4, 23, 27, 30, 44, 55, 67, 75, 82 f., 87, 92, 119, 146, 149 – Diskussion 4, 132 – Ebene 5 ff., 86, 134, 152 – G20-Staaten 4, 6, 108, 116, 134, 152 – Guidelines 89, 94 ff. – konform 46 – Lösung 15 – MA 7, 59 f., 85, 110, 120, 145, 151 ff. – Memorandum on Transfer Pricing Documentation and Country-byCountry Reporting 92 – Ministerkonferenz 63 – Musterkommentar 43, 152 – Papier 30 f.
– Partnership Report 1999 120 – Transfer Pricing Aspects of Intangibles 89 – Transfer Pricing Guidelines 26, 35 f., 92 f., 96 ff., 101 – Transfer Pricing Rules 35 – Überlegungen 15, 89, 92 – Vorschlag 15, 17, 19, 61, 65 f., 68, 154 Onlinegeschäfte 62 Organträger 122, 138 Outbound-Fall 81 Own-Risk Manufacturer 16 Patentbox 2, 12 f., 26, 41, 70, 83, 150 Pensionsfonds 30 People Function 76 f. Präferenzregime 6 f., 69 Primary Response 140; s.a. Linking Rule Principal Purpose Test (PPT) 8, 23, 28, 31 Profit Split 115 f. Public Discussion Draft – Action Point 7 85 Quellenbesteuerung – auch Quellensteuer 3, 20, 37, 65 f., 73, 79, 81 – Bruttobasis 66 – ~srecht 20, 37, 66 Quellenstaat 29 f., 37, 59, 74, 79 f., 82, 85 Realisationsprinzip 64 Rechtssicherheit 12, 90, 155 Repatriierung 68 Reputationsrisiken 42 Ruling 2, 7, 9, 97 – Informationen 7 – Praktiken 7 Schachtelprivileg 145; s.a. Dividendenfreistellung Schedulenbesteuerung 83 Schiedsverfahren 2, 9, 48
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Stichwortverzeichnis Schwellenländer 3 f., 66, 107 Selbstveranlagung – auch Self-Assessment System 91, 94 Shareholder Value 47 Sitzstaat 29, 99; s.a. Ansässigkeitsstaat Soft Law 26 Standortbedingungen 3 Starbucks 12, 35, 91 Steueraufkommen 27, 34 ff., 65 f., 74, 79 Steuerethik 47; s.a. Moral Steuergeheimnis 108 Steuergerechtigkeit 42, 44, 70, 118 Steuergestaltungen – auch Steuerpraktiken 6 f., 26; s.a. Hybrid Mismatch Arrangements Steuergutschrift 69 f., 73 Steueroase 38 Steueroptimierung 12 Steuerplanung 44, 113 – aggressive 11 ff., 26 f., 35, 39 Steuerpolitik 44, 70 – internationale 2 – mit der Moralkeule 40 – Standards 4 Steuersatz 15, 69, 80, 126 f., 129, 147 Steuerschlupfloch 41 Steuersubstrat 39, 47, 67, 106, 153 – Verteilung 11, 40, 88 Steuerumgehung – auch Steuerflucht 24, 117 Steuervergünstigung 91 Steuervermeidung 7, 23 f., 34, 41, 91 – Kampf gegen ~ 23, 26, 32 Steuerwettbewerb 2 f., 21, 38, 41, 91; s.a. Wettbewerb – fairer/unfairer 2, 39 – Harmful Tax Competition 23 – internationaler 2 f., 49 – schädlicher 2, 7, 9, 11, 24 Streitbeilegungsmechanismen 2, 9; s.a. Verständigungsverfahren
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– Effectiveness of Treaty Dispute Resolution Mechanisms, Action 14 14 Subject-to-Tax-Klausel – auch Umschwenkklausel 8, 121 Substanz 21, 90 – ~besteuerung 66 Tax Information Exchange Agreement – auch TIEA 9, 93 Tie-Breaker-Rule/-Clause 120, 123, 144, 150 f., 155 Tochtergesellschaft 12, 16, 48, 110, 115, 144, 152 – US-~ 68 Transaktionsebene 14 Transfer Pricing s.a. Verrechnungspreise – for Intangibles 17 ff. – Guidelines 26, 35 f., 92 f., 96 ff., 101 – Risk Assessment 94 Transparenz 1 f., 9, 90 ff., 101, 108, 111, 139, 141 – bei Rulings 7, 9 – ~erfordernisse 7 – internationale 2 Treaty Abuse 15; s.a. Missbrauch Treaty Shopping 15, 27 ff. Überbesteuerung 20 Umsatzsteuer 35, 41, 44, 71, 76, 82, 118; s.a. Mehrwertsteuer – ~betrug 35, 44 – ~karussellgeschäft 44 Umschwenkklausel – auch Subject-to-Tax-Klausel 8, 121 Unternehmen 5 f., 11 ff., 33 ff., 55, 58, 63 ff., 68 f., 72, 75 ff., 90, 93 ff., 106, 111 ff., 118, 134, 141, 150, 152 f. – internationale 26, 106 – mittelständische 114 Unternehmensbashing 39, 42 Unternehmensbesteuerung 11
Stichwortverzeichnis Unternehmensgewinn 6, 96 US-Musterabkommen 28 Verbrauchsortprinzip 82 Verbrauchsteuern 82 Verbundene Unternehmen 6, 94 f., 98 f., 141 Verdeckte Gewinnausschüttung – auch vGA 89, 124 Verhältnismäßigkeitsgebot 109, 128 Verhandlungsgrundlage – deutsche, auch DE-VG 8, 122 Verknüpfungsregeln 5; s.a. Linking Rules Verlustrisiko 17 Verlustvortrag 38 Verrechnungspreise 16, 36, 91, 94, 98, 105, 109 – ~dokumentation 90 – ~ermittlung 4, 8 – Funktionsanalyse 96, 99 – ~gestaltung 24, 94 – ~korrektur 16, 89, 93 – Location Savings 16 – ~prüfung 20, 95, 100, 102 Verständigungsverfahren 2, 14, 45, 48, 88, 90, 106, 151 f., 154 f.; s.a. Streitbeilegungsmechanismen – verbindliches 38, 46 Verwaltungsaufwand 44 Waren- und Leistungsaustausch 14 Weiße Einkünfte 11, 20, 38, 49 Wertpapierleihe 31
Wertschöpfung 57, 64 f., 72, 77, 88, 118 – ~sbeitrag 78, 82 – ~sfaktor 60, 102 – ~skette 62, 88, 96, 106 – ~snetzwerk 72 – ~sverteilung 103 Wettbewerb 13, 36, 40, 58, 118; s.a. Steuerwettbewerb – der Staaten 13, 88 – ~sfähigkeit 68, 73 – ~smaßnahme 26 – ~svorteil 36, 118 Wirtschaft – digitale 3 ff., 55 ff., 59 f., 67, 69 ff., 75 ff., 90 – klassische 4 Wirtschaftsgut – immaterielles 6 ff., 56, 58 f., 72, 82, 95 ff. Wohnsitzstaat 29; s.a. Ansässigkeitsstaat Yanko-Weiss-Fall 29 Zins- und Lizenzgebührenrichtlinie 37 Zinsabzug 135, 139, 141 Zinsen – auch Zinserträge 15, 17, 20, 95, 126 f., 135 ff. Zinsschranke 16, 20, 28, 78, 121, 140 ZollkodexAnpG 16 f. Zuflussprinzip 5
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