BAND FILS: Financial Literacy Study: Validierung und Analyse einer schülerorientierten Financial Literacy 9783110555622, 9783110553123

Little quantitative research has been conducted in Germany concerning the financial literacy of secondary school student

285 28 3MB

German Pages 193 [196] Year 2017

Report DMCA / Copyright

DOWNLOAD PDF FILE

Table of contents :
Inhalt
Abbildungsverzeichnis
Tabellenverzeichnis
Vorwort und Danksagung
I Einleitung
II Forschungsüberblick und Entwicklung von financial literacy
III Entwicklung des Kompetenz- und Messmodells für FILS
IV Validierung des Konstrukts in FILS
V Auswertung in FILS
Literaturverzeichnis
Register
Recommend Papers

BAND FILS: Financial Literacy Study: Validierung und Analyse einer schülerorientierten Financial Literacy
 9783110555622, 9783110553123

  • 0 0 0
  • Like this paper and download? You can publish your own PDF file online for free in a few minutes! Sign Up
File loading please wait...
Citation preview

Susanne Schürkmann FILS: Financial Literacy Study

Schriftenreihe zur Ökonomischen Bildung

Herausgegeben von Prof. Dr. Dietmar Krafft, Prof. Dr. Gerd-Jan Krol, Prof. Dr. Christian Müller und AOR Dr. Michael Schuhen

Band 1

Susanne Schürkmann

FILS: Financial Literacy Study Validierung und Analyse einer schülerorientierten financial literacy

Dissertation, Universität Siegen, 2017

ISBN 978-3-11-055312-3 e-ISBN (PDF) 978-3-11-055562-2 e-ISBN (EPUB) 978-3-11-055345-1 Library of Congress Cataloging-in-Publication Data A CIP catalog record for this book has been applied for at the Library of Congress. Bibliografische Information der Deutsche Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.dnb.de abrufbar. © 2017 Walter de Gruyter GmbH, Berlin/Boston Einbandabbildung: Westend61/Getty Images Plus Satz: Meta Systems Publishing & Printservices GmbH, Wustermark Druck und Bindung: CPI books GmbH, Leck ♾ Gedruckt auf säurefreiem Papier Printed in Germany www.degruyter.com

Inhalt Abbildungsverzeichnis

VII

Tabellenverzeichnis

IX

Vorwort und Danksagung

XIII

I

Einleitung

II 1

5.3.4 5.3.5 5.3.6 5.3.7 5.4 5.5

5 Forschungsüberblick und Entwicklung von financial literacy financial literacy – Eine internationale und nationale 5 Diskussion 12 financial literacy im Kontext von PISA 20 Perspektiven einer financial literacy 21 financial literacy aus der Perspektive der Grundbildung 30 financial literacy aus Sicht der Verbraucherbildung financial literacy als Teil ökonomisch geprägter 33 Lebenskontexte 35 financial literacy als Teil der ökonomischen Bildung 38 financial literacy nach PISA 2012 – Ein Fazit 43 Financial Literacy Study (FILS) 43 Anspruch und Ziele für die Konzeption von FILS 44 Erschließung des inhaltlichen Konstrukts 48 Die Inhaltsfelder in FILS 50 Inhaltsfeld Schulden: Beschreibung der Lebenswelt Inhaltsfeld Vermögensbildung: Beschreibung der Lebenswelt Inhaltsfeld Versichern und Steuern: Beschreibung der 53 Lebenswelt 54 Inhaltsfeld Zahlungsverkehr 55 Inhaltsfeld Geldpolitik 56 Inhaltsfeld finanzielle Online-Service-Angebote 58 Das inhaltliche Konstrukt von FILS 58 Einstellungstest zum Umgang mit Geld 59 Definition financial literacy in FILS

III 1 1.1 1.2 1.3

Entwicklung des Kompetenz- und Messmodells für FILS 61 Die TMT-Methode in FILS Kompetenzen in der empirischen Bildungsforschung 63 Anforderungen an die Kompetenzmessung 64 Der Kompetenzbegriff

2 3 3.1 3.2 3.3 3.4 4 5 5.1 5.2 5.3 5.3.1 5.3.2 5.3.3

1

61 62

52

VI

Inhalt

1.4

Ausgewählte bestehende Kompetenzmodelle und Konzeptionen der 66 ökonomischen Bildung 71 Entwicklung eines Kompetenzmodells für FILS 74 Methoden der Kompetenzmessung 80 Rasch-Modellierung in FILS 87 FILS in der Kompetenzforschung – Zwischenfazit

1.5 1.6 1.7 2 IV 1 2 3

Validierung des Konstrukts in FILS 89 89 Strukturgleichungsmodelle in der Kompetenzforschung 96 Strukturgleichungsmodell für FILS 103 Strukturgleichungsmodell in FILS – Zwischenfazit

V 1 2 3 3.1 3.2 3.3 3.4 3.5 3.6 3.7 3.8 4

Auswertung in FILS 105 105 Die Stichprobenverteilung 107 Individuelle finanzielle Einstellungen 113 financial literacy von Schülern 113 Fähigkeitskomponente Schulden 121 Fähigkeitskomponente Vermögensbildung 125 Fähigkeitskomponente Versichern und Steuern 130 Fähigkeitskomponente Zahlungsverkehr 135 Fähigkeitskomponente Geldpolitik 140 Fähigkeitskomponente Online-Service-Angebote 145 Kompetenz financial literacy 154 Interventionen für das Bildungssystem 167 financial literacy – Ein Fazit

Literaturverzeichnis Register

181

171

Abbildungsverzeichnis Abb. 1: Abb. 2: Abb. 3: Abb. 4: Abb. 5: Abb. 6: Abb. 7: Abb. 8: Abb. 9: Abb. 10: Abb. 11: Abb. 12: Abb. 13: Abb. 14: Abb. 15: Abb. 16: Abb. 17: Abb. 18: Abb. 19: Abb. 20: Abb. 21: Abb. 22: Abb. 23: Abb. 24: Abb. 25: Abb. 26: Abb. 27: Abb. 28: Abb. 29: Abb. 30: Abb. 31: Abb. 32: Abb. 33: Abb. 34: Abb. 35: Abb. 36: Abb. 37: Abb. 38:

Anforderungen an eine Definition des Konstrukts financial literacy (eigene Darstellung) 11 Mindmaps zum Begriff „finanzielle Bildung“ (2) (originale Darstellungen der Schüler) 47 Inhaltsfelder und Subinhaltsfelder in FILS 58 Das Konstrukt financial literacy in FILS 60 TMT-Modell: Fünf-Phasen-Methode im Prozess der Kompetenzmodellierung (in Anlehnung an Sonntag 2007, 274) 62 Konstrukt einer financial literacy für FILS 72 FILS – Hierarchische Testkonstruktion. 79 Itemverteilung im Rasch-Modell für Schulden 81 Ausgeschlossene Items für die Komponente Schulden 82 Grafischer Modelltest für die Modellanpassung der Komponente Vermögensbildung 83 Plot der Ergebnisse des LR-Tests für die Rasch-Modellierung im Bereich Zahlungsverkehr 85 Grafischer Modelltest für die Komponente der Online-Service-Angebote 86 Phase 5 im TMT-Modell 89 Messmodell der manifesten exogenen Variablen in FILS 98 Messmodell der latenten endogenen Variablen für FILS. 100 Strukturgleichungsmodell der financial literacy in FILS. 101 Ergebnis des Strukturgleichungsmodells (in Mplus erstellt). 102 Zwischenfazit zum TMT-Modell 105 Stichprobenverteilung auf die Schulformen 106 Verteilung der Mittelwerte im Einstellungstest nach Geschlecht und Schulform 110 Auswertung der Motivationskriterien in FILS 111 Geschlechtsspezifische Analyse der Motivation im Umgang mit eigenen finanziellen Mitteln 112 Verteilung der Personenfähigkeitsparameter und Schwierigkeitsparameter für die Komponente Schulden 116 Kompetenzstufen der Komponente Schulden nach Geschlecht und Schulform 120 Verteilung der Personenfähigkeitsparameter und Schwierigkeitsparameter für die Komponente Vermögensbildung 123 Kompetenzstufen der Komponente Vermögensbildung 125 Selbsteinschätzung zur Kenntnis über verschiedene Vorsorgeprodukte 127 Verteilung der Personenfähigkeitsparameter und Schwierigkeitsparameter für die Komponente Versichern und Steuern 128 Verteilung auf die Kompetenzstufen im Inhaltsbereich Versichern und Steuern 129 Ergebnis Zahlungsverkehr – Zahlungsmodalitäten 131 Verteilung der Personenfähigkeitsparameter und Schwierigkeitsparameter für die Komponente Zahlungsverkehr 132 Ergebnis der Kompetenzstufen für die Komponente Zahlungsverkehr 134 Verteilung der Personenfähigkeitsparameter und Schwierigkeitsparameter für die Komponente Geldpolitik 136 Ergebnis für die Komponente Geldpolitik 139 Beispielaufgabe für die Komponente Online-Instrumente 140 Verteilung der Personenfähigkeitsparameter und Schwierigkeitsparameter für die Komponente Online-Service-Angebote 142 Ergebnis für die Komponente Online-Service-Angebote 144 Ergebnis financial literacy 145

https://doi.org/10.1515/9783110555622-203

VIII

Abbildungsverzeichnis

Abb. 39: Zusammenhang zwischen Einstellung und Inhaltsfeldern 153 Abb. 40: Schulformspezifisches Gesamtergebnis. 165

Tabellenverzeichnis Tab. 1: Tab. 2: Tab. 3: Tab. 4: Tab. 5: Tab. 6: Tab. 7: Tab. 8: Tab. 9: Tab. 10: Tab. 11: Tab. 12: Tab. 13: Tab. 14: Tab. 15: Tab. 16: Tab. 17: Tab. 18: Tab. 19: Tab. 20: Tab. 21: Tab. 22:

Klassifikation von Studien zur financial literacy in Anlehnung an Huston 2010 42 Nationale Perspektive des Konstrukts 46 Inhaltliche Herleitung des Konstrukts financial literacy 49 Der Kompetenzbegriff nach Weinert (2001) (in Anlehnung an Hartig/Klieme 2006, 127 f.) 66 Kompetenzbereiche ökonomischer Bildung nach Seeber et al. 2012 68 Modellgüte im Rasch-Modell 86 Reliabilität der Einstellungskriterien 97 R-Square-Ergebnisse des Strukturgleichungsmodells von FILS 103 Reliabilitäten des Einstellungstests 108 Die mittlere Itemkorrelation der Einstellungsfaktoren 109 Kompetenzstufen für die Komponente Schulden 118 Kompetenzstufen für die Komponente Vermögensbildung 124 Fähigkeitsstufen der Komponente Versichern und Steuern 129 Kompetenzstufen für die Komponente Zahlungsverkehr 133 Kompetenzstufen für die Komponente Geldpolitik 138 Fehleranalyse bei den Online-Service-Angeboten (Schürkmann/Schuhen 2013) 141 Kompetenzstufen für die Komponente Online-Service-Angebote 144 Kompetenzbeschreibungen der financial literacy 147 Korrelationen: Kompetenzen und Schulformen 154 Vergleich Lehrplan RLP mit FILS 157 Vergleich der Inhalte im Lehrplan NRW für das Gymnasium und in FILS 162 Inhaltsabhängige Ergebnisse in FILS nach Schulformen (Ampelsystem) 167

https://doi.org/10.1515/9783110555622-204

Der Mensch ist das Modell der Welt Leonardo da Vinci (1452−1519)

Vorwort und Danksagung Finanzielle Bildung bei Schülern scheint für unsere Gesellschaft ein wichtiges Thema zu sein. Würde man Menschen direkt fragen, dann würde die Mehrheit dieser Aussage zustimmen. Müssen Schüler doch heute viel eigenständiger und verantwortungsvoller agieren und haben viel mehr Geld zur Verfügung als früher. Die Möglichkeiten, die sich den Schülern bieten mit Geld umzugehen, sind vielfältig. Nicht nur der Konsum von Gütern und Dienstleistungen gehört dazu, sondern auch die Möglichkeiten des Investierens, des Absicherns und des Anlegens bieten den Schülern ein breites Spektrum im Umgang mit Geld. Dabei stellt sich die Frage, wer lehrt die Schüler im Umgang mit Finanzen? Ist das die Aufgabe des Bildungssystems oder des Elternhauses bzw. des sozialen Umfeldes der Schüler? Welche Kompetenzen müssen Schüler haben, damit sie in ihrer gegenwärtigen Situation und in ihrem späteren Leben finanziell eigenständig und sicher agieren können? Um diese Fragen zu beantworten, bedarf es einer Studie, die feststellt welche Kompetenzen Schüler im Umgang mit Finanzen haben und die informelle und formelle Bildungsorte analysiert. So können Stärken und Schwächen identifiziert werden, um mögliche Interventionen anzustoßen, damit Schülern die Chance geboten wird ganzheitliche Kompetenzen im finanziellen Bereich erwerben zu können. Die vorliegende Dissertation befasst sich mit diesen Aspekten, wobei eines der ersten Messinstrumente entwickelt wird, das financial literacy als ganzheitliches Konstrukt erfasst und so eine umfassende Kompetenzmessung bei Schülern in Deutschland ermöglicht. Da so ein Projekt nicht alleine zu bearbeiten ist, möchte ich mich bei einigen Menschen bedanken, die mich auf meinem Weg als Doktorandin begleitet haben: Mein herzlichster Dank geht an meinen Doktorvater Herrn Prof. Dr. Hans Jürgen Schlösser, der mich in meiner Zeit als Doktorandin und Mitarbeiterin immer gut beraten hat, immer ein guter Diskussionspartner war und mir auf Konferenzen unterstützend zur Seite stand. Danke, dass Sie mir die Möglichkeit gegeben haben bei Ihnen zu promovieren und zur arbeiten. Meinem Zweitprüfer Herrn Prof. Dr. Christian Müller danke ich für die Unterstützung und die Gespräche mit ihm und seinen Doktoranden, die für mich, gerade am Anfang meiner Promotion sehr inspirierend waren. Danke für die Übernahme des Zweitgutachtens. Frau Prof. Dr. Hanna Schramm-Klein danke ich für die Übernahme des Prüfungsvorsitzes und die Unterstützung bei meiner Arbeit. Herrn Dr. Michael Schuhen danke ich für die Inspirationen und die Ideen, die meine Arbeit erst zu dem gemacht haben, was sie letztendlich geworden ist. Danke für das Lesen, Diskutieren und Deine ehrliche Meinung. So danke ich auch dem gesamten Lehrstuhlteam von Herrn Prof. Dr. Schlösser am ZöBiS: Monika Wagner, Manuel Froitzheim, Dr. Michael Weyland, Dr. Klaas Macha und Dr. Marco Rehm. Danke an Euch für gute Diskussionen, kritische Frahttps://doi.org/10.1515/9783110555622-206

XIV

Vorwort und Danksagung

gen, inspirierende Ideen und Hilfen bei der Durchführung von FILS. Ich möchte mich auch bei Frau Anke Papke bedanken, die maßgeblich zum Erfolg der Studie beigetragen hat. Zuletzt danke ich meinen Eltern, meiner Schwester sowie meinen Freunden, die immer hinter mir stehen und mich bei allem unterstützen, sei es beruflich oder privat. Mein allergrößter Dank aber geht an Fritjof und Julius Kollmann, ohne die das alles nicht möglich gewesen wäre. Danke. Siegen, im Mai 2017

Susanne Schürkmann

I Einleitung Ereignisse wie die Wirtschafts- und Finanzkrise, der Eurorettungsschirm und Staatspleiten in Europa haben den Begriff financial literacy1 seit 2008 immer stärker in den Fokus der Öffentlichkeit gestellt und entfachen eine Diskussion um den privaten Umgang mit Geld. Viele Individuen haben das Vertrauen in Finanzinstitute und in geld- sowie finanzpolitische Akteure verloren (Neubäumer 2008; Haas 2013). Bedingt ist dies unter anderem durch die vielschichtige Struktur, die durch derartige Krisen und deren Entwicklungen unverständlicher und undurchschaubarer wird. So bedarf es schon eines umfangreichen Wissens über einfache wie auch komplexe Prozesse in der Wirtschaft und in der Finanzwelt, um Nachrichten, Politiker und Notenbanken in ihrer Handlung und Sprache überhaupt verstehen zu können. Staatspleiten und Verunsicherungen über die Währungsstabilität sind Anlässe, die aktuelle und zukünftige Finanzsituation auf der haushaltstheoretischen, der institutionellen und der politischen Ebene zu reflektieren. Im Kontext erhöhter Individualisierungsprozesse und der Verantwortung, sich selbst finanziell abzusichern, steigt die Bedeutung der financial literacy innerhalb einer Gesellschaft (Schürz/Weber 2005). Besonders unter der Berücksichtigung von Globalisierungsprozessen und technischem Fortschritt in einer sich ständig verändernden Informations- und Wissensgesellschaft entwickelt sich financial literacy zu einem wichtigen Thema von internationaler Bedeutung (OECD 2005). Individuelles Handeln in alltäglich zunehmend finanzorientierten Situationen erhält einen hohen Stellenwert für das Gesamtwohl einer Gesellschaft (Aprea 2012, 1). Denn neben dem individuellen Nutzen einer hohen financial literacy steht der volkswirtschaftliche Gesamtnutzen, der durch das kollektive Niveau von financial literacy positiv und negativ beeinflusst werden kann (Lusardi/Mitchell 2015). Daher genügt es nicht, wenn die Individuen einer Gesellschaft bloß über Wissen in ihren eigenen Finanzangelegenheiten verfügen, sie müssen es auch anwenden, transferieren und reflektieren können. Die Mitglieder einer Gesellschaft müssen finanziell selbstständig agieren, Entscheidungen treffen, Finanzprodukte und -beratungen bewerten und mit Instrumenten zur Informationsbeschaffung sowie zur Ausführung von Handlungen im Alltag, zum Beispiel dem Bedienen eines Geldautomaten, umgehen können. Dazu gehört auch der steigende Anspruch an die Individuen im Umgang mit online-basierten Finanzinstrumenten, Online-Banking-Plattformen und virtuellen Informationsdienstleistern. Es stellt sich die Frage, welche Konsequenzen für eine wandelnde Gesellschaft sich ergeben können, wenn ihre Individuen dem Anspruch und den Anforderungen an heutigen finanziellen Handlungen nicht gerecht werden können. Um sich dieser Frage zu nähern, muss analysiert werden, über welches Kompetenzniveau die finanziell agierenden Individuen verfügen und ver-

1 Eine explizite Auseinandersetzung mit dem Begriff financial literacy ist in Kapitel II nachzulesen. https://doi.org/10.1515/9783110555622-001

2

I Einleitung

fügen sollten, wie und wo sich Finanzkompetenz entwickelt und wie sich diese auf ihre Handlungen auswirkt. Wird beispielsweise das Verhalten aller Akteure im Zuge der Subprime-Blase betrachtet, die den amerikanischen Hypothekenmarkt zusammenbrechen ließ, wird deutlich, welche Konsequenzen das Verhalten einzelner Individuen in einem Kollektiv haben kann (Dombret 2009, 64 f.). Reflektierte finanzielle Entscheidungen Einzelner, die auf Basis einer gut ausgebildeten financial literacy getroffen werden, können hingegen zu einer finanziellen Absicherung, zur Prävention gegen eine Überschuldung beitragen (Grohmann/Menkhoff 2015, 407) und zusätzlich die Volkswirtschaft stärken. Volkswirtschaftliche Konsequenzen ergeben sich unintendiert aus den Handlungen der Individuen, welche die Volkswirtschaft bilden. Aus den Überlegungen zum Nutzen von financial literacy, entwickelte sich im Laufe der letzten Jahre eine hohe Anzahl von nationalen und internationalen Studien, die verschiedene Bevölkerungsgruppen in unterschiedlichen Sinnzusammenhängen auf ihre Finanzkompetenz, financial literacy, financial capability oder financial culture untersuchen. In vielen Forschungsarbeiten werden die gerade angeführten Begriffe synonym verwendet, sie geben vor ein und dasselbe Konstrukt zu messen und zu untersuchen, ohne dieses explizit definiert zu haben (Schürkmann/Schuhen 2013). Auch die Frage nach einer allgemeingültigen Definition des Begriffs financial literacy oder einem gemeinsamen Ansatz zum Verständnis des Konstrukts, auf die sich die Vielzahl von nationalen und internationalen Studien bezieht, wird wenig zufriedenstellend beantwortet: Es gibt keinen Ansatz einer allgemeingültigen Definition. Viele Studien verwenden nicht einmal eine explizite Definition und benutzen den Begriff financial literacy ohne weitere Konkretisierungen. In den wenigen Forschungsarbeiten, in denen eine Definition vorangestellt wird, zeigen sich weitere Diskrepanzen zwischen den definitorischen Anforderungen an financial literacy und dem jeweiligen Untersuchungsgegenstand. Dieser Umstand kann auch auf neuere Studien übertragen werden, die sich mit der Überlegung befassen, dass die Steigerung des gesellschaftlichen Nutzens bei den jüngsten finanziell agierenden Individuen und deren individuelle Finanzkompetenz beginnen können. So müssen Schüler2 im Rahmen des gesellschaftlichen Bildungsauftrages beim Erwerb und Aufbau einer Finanzkompetenz unterstützt werden, um als mündige Bürger kompetente Entscheidungen treffen zu können, die kollektiv betrachtet der Gesellschaft nützen. Das bildungspolitische Ziel der Vermittlung finanzieller Kompetenz an das einzelne Individuum muss in diesem Prozess im Vordergrund stehen. Doch erweist sich auch in diesen Studien das grob skizzierte Bild des Konstrukts financial literacy für Schüler als ungeordnet und wenig systematisiert aus, woraus sich der erste Schwerpunkt der vorliegenden Arbeit ergibt:

2 Im Folgenden sind die in dieser Arbeit verwendeten Personen- und Funktionsbezeichnungen geschlechtsneutral zu verstehen. Auf die durchgängige Verwendung der weiblichen und männlichen Form wird aus stilistischen Gründen verzichtet.

I Einleitung

3

Wie muss das Konstrukt financial literacy aufgebaut sein und aus welchen Faktoren besteht es, damit financial literacy bei Schülern gemessen werden kann? Der zweite Schwerpunkt der Arbeit resultiert aus der oben aufgeführten Situation, dass der private Umgang mit Geld stärker fokussiert wird. In diesem Kontext stellt sich auch die Frage: Welche finanziellen Kompetenzen haben Schüler, lassen sich diese ausdifferenzieren und sind Interventionen notwendig, um diese Kompetenzen zu stärken? Schüler als Probandengruppe auszuwählen ermöglicht es, spezifische Kompetenzen in finanziellen Handlungssituationen frühzeitig aufzudecken sowie schon vorhandene Stärken und Defizite im Umgang mit finanziellen Mitteln offenzulegen. Auch für diese Arbeit stehen Schüler als Population im Mittelpunkt. In der vorliegenden Arbeit wird das Konstrukt financial literacy für Schüler hergeleitet und validiert, um auf Basis eines gültigen Konstrukts die mit dem Begriff financial literacy implizierten Kompetenzen der Schüler zu analysieren. Die Analysen dieser Arbeit werden in dem Projekt FILS (Financial Literacy Study), eine am Zentrum für ökonomische Bildung (ZöBiS) entwickelte Studie, durchgeführt. FILS wurde zeitgleich zur Zusatzstudie „financial literacy“ in PISA 2012 entwickelt. Der Forschungshintergrund, die Durchführung und die Probandengruppe weisen zeitliche und merkmalsabhängige Parallelen auf. Das Ziel von FILS besteht darin, eine Studie zu entwickeln, die inhaltlich und konzeptionell auf Deutschland ausgerichtet ist, finanzielle Kompetenzen von Schülern misst und dabei kulturelle, rechtliche und wirtschaftliche Faktoren berücksichtigt. FILS stellt keine Schulleistungsstudie in dem Sinne dar, dass Lernziele oder -inhalte anhand bestehender Bildungsstandards überprüft werden. Das bedeutet, dass die Inhaltsfelder in FILS lebensweltbezogen sind, einem länderspezifischen Kontext genügen und sich einem internationalen Konsens (vgl. PISA Zusatzstudie „financial literacy“ (OECD 2012)) entziehen.3 Das inhaltliche Konstrukt von financial literacy ist für die Konzeption von FILS von elementarer Bedeutung. Die auszuwählenden inhaltlichen Komponenten der finanziellen Situationen bilden die Basis für die zu messenden Fähigkeiten der Probanden. FILS stellt eine Studie dar, welche die Lebenswelt und gesellschaftlichen Rahmenbedingungen der Schüler betrachtet und die Fähigkeiten prüft, welche die

3 Um eine international vergleichbare Studie zu konstruieren, müsste es nach der Intention in FILS länderspezifische Studien geben, die im Aufbau, Umfang und Schwierigkeitsgrad ähnlich konzipiert sind, aber die kulturellen, gesellschaftlichen und politischen Rahmenbedingungen mit beachten. So ist es zum Beispiel erforderlich, dass die landeseigene Währung in Aufgaben verwendet wird, das gängige Zahlungsmittel thematisiert wird und gesetzliche Bestimmungen berücksichtigt werden.

4

I Einleitung

Schüler haben und in naher Zukunft besitzen sollten, um als mündige Individuen eigenständig finanziell in Deutschland agieren zu können.4 In den unterschiedlichen Forschungsarbeiten und Studien können verschiedene Schwerpunkte einer financial literacy ausgemacht werden, die financial literacy aus unterschiedlichen Perspektiven betrachten. Die daraus erarbeiteten Inhaltsfelder in FILS entsprechen allgemeingültigen Kategorien, deren kompetenzbezogener Anspruch an der Zielgruppe orientiert ist, bei der Itemkonstruktion berücksichtigt wird und die spezifischen Fähigkeiten und Fertigkeiten der Schüler erfassen soll. Fähigkeiten werden beeinflusst von den individuellen Einstellungen und der Motivation im Umgang mit finanziellen Themen, sodass auch Einstellungsmerkmale im Forschungsdiskurs herausgearbeitet werden. Um das erste Ziel, Herleitung und Validierung eines schülerorientierten Konstrukts financial literacy sowie das zweite Ziel, die kompetenzspezifische Analyse und Identifikation von Interventionsmöglichkeiten zu erreichen, wird zunächst der Forschungshintergrund von financial literacy betrachtet. Aus der Analyse unterschiedlicher Studien werden Merkmale identifiziert, die zur Konzeption des Konstrukts financial literacy notwendig sind. Darauf aufbauend und unter Berücksichtigung weiterer inhaltlicher Forschungsergebnisse wird das Konstrukt financial literacy für die vorliegende Arbeit hergeleitet. Für das Konstrukt financial literacy in FILS wird aufgrund der unterschiedlich inhaltlich ausgerichteten Studien Folgendes angenommen: Das Konstrukt financial literacy für Schüler besteht aus unterschiedlichen Teilkonstrukten und damit aus unterschiedlichen Fähigkeiten, die notwendig sind, um finanzielle Handlungen ausführen, reflektieren und beurteilen zu können. In einem ersten Schritt wird das Konstrukt financial literacy im nationalen und internationalen Forschungsdiskurs analysiert, um darauf aufbauend ein schülerorientiertes Konstrukt für FILS zu entwickeln. Das entwickelte Konstrukt financial literacy wird mittels der erhobenen Daten durch die Methode der Strukturgleichungsmodellierung validiert. Daran anschließend werden, basierend auf einem validen Konstrukt, die Kompetenzen der Schüler inhaltsabhängig analysiert, um Interventionen und mögliche informelle und formelle Lernprozesse zu identifizieren.

4 Studien, die nach 2012 veröffentlicht wurden, werden im folgenden Kapitel nur dann dargestellt, wenn sie zu Erhebungen mit regelmäßigem Turnus gehören und das Testinstrument als Basis unverändert ist.

II Forschungsüberblick und Entwicklung von financial literacy Das Forschungsfeld financial literacy wird zeitlich in drei Bereiche unterteilt. Dabei werden Beiträge, die sich vor der PISA-Zusatzstudie zur financial literacy 2012 mit finanzieller Bildung befasst haben, analysiert. Auch das Framework zur financial literacy der OECD im Rahmen von PISA 2012 wird aufgegriffen (OECD 2012). Die Ergebnisse der Zusatzstudie sowie weitere Studien, die nach PISA 2012 financial literacy thematisieren, werden ebenfalls vorgestellt. In diesem Dreischritt wird der Begriff financial literacy vor dem Hintergrund einer internationalen und nationalen Perspektive diskutiert.

1 financial literacy – Eine internationale und nationale Diskussion Internationale Diskussion Frühe Arbeiten zu financial literacy können in den 1960ern von Disney und Gathergood ausgemacht werden (Disney/Gathergood 1969). Im internationalen Forschungskontext wird der Begriff financial literacy in vielen unterschiedlichen Zusammenhängen benutzt und ist verknüpft mit komprimierten und spezifischen Inhalten aus dem finanziellen Sektor. Die Verwendung wirkt dabei oft inflationär und das Konstrukt financial literacy bleibt häufig undefiniert oder wird mit divergierenden Sinnzusammenhängen belegt. Ansätze, eine allgemeingültige Definition zu formulieren, gibt es bislang nur wenige. Das Colorado Departement of Education hat 2005 diesen Versuch unternommen und spezifiziert das Konstrukt unter der Berücksichtigung des Wissensbegriffs5. “Financial Literacy means knowledge of personal finances that is sufficient to enable a person to manage savings, investment, and checking accounts, to design and maintain a household budget, to manage personal debt, to understand consumer credit and finance, to manage personal credit options, and to understand and select among short-term and long-term investment options.” (Colorado Department of Education 2005)

financial literacy wird im Zitat aus einer personenbezogenen Perspektive betrachtet. Das Wissen wird benutzt, um handlungsfähig im Umgang mit den eigenen finanziellen Angelegenheiten zu sein. Inhaltlich umfasst die Definition verschiedene

5 Zur weiteren Diskussion des (wissenschaftlichen) Wissensbegriffs und dem Versuch zu einem relativierten Wissensbegriff, der Wissen u. a. als Fabrikat aus der Wirklichkeit ansieht, vgl. KnorrCetina 1980. https://doi.org/10.1515/9783110555622-002

6

II Forschungsüberblick und Entwicklung von financial literacy

Kategorien, die das Finanzinstitut sowie die persönlichen Schulden- und Haushaltssituationen der Individuen betreffen. Damit impliziert financial literacy die Frage, wie gut ein Individuum in der Lage ist, die eigene finanzielle Lebenssituation zu bewältigen (Colorado Department of Education 2005). Ein Verständnis für finanzpolitische und finanzwirtschaftliche Prozesse ist in dieser Definition kein Bestandteil von financial literacy. Auch wird dem Konstrukt financial literacy eine rein kognitive Ebene unterstellt, die den Transfer von Wissen und Verstehen in eine konkrete Handlung nicht berücksichtigt. Die Definition des Colorado Departement of Education enthält allerdings konkrete Inhaltsfelder, mit der sich financial literacy befasst. So werden Sparen und Schulden direkt angesprochen. Auch das Wissen über den Umgang mit Finanzprodukten, wie das Überprüfen der eigenen Konten und Aufstellen eines Finanzplans, werden in der Definition genannt (Colorado Department of Education 2005). Die Themenfelder sind dadurch eng gefasst und konzentrieren sich auf wesentliche Bestandteile, mit denen, aus US-amerikanischer Perspektive, eine Person alltäglich konfrontiert werden kann. Hier steht das Individuum als Verbraucher im Vordergrund. Ähnlich wie das Colorado Departement of Education hat auch Vitt 2001 eine inividuumbezogene financial literacy konkretisiert. Im Gegensatz zur vorangegangenen Definition assoziiert Vitt eine Fähigkeit in Verbindung mit dem literacy-Begriff, sodass die spezifischen Handlungen nicht nur auf die kognitive Ebene reduziert werden. “Personal financial literacy is the ability to read, analyze, manage, and communicate about the personal financial conditions that affect material well-doing. It includes the ability to discern financial choices, discuss money and financial issues without (or despite) discomfort, plan for the future, and respond competently to life events that affect everyday financial decisions, including events in the general economy.” (Vitt 2001, xii)

Vitt beschränkt financial literacy noch stärker auf Basiskompetenzen, als es die Definition des Colorado Department of Education tut. Es handelt sich nach Vitt um die beiden Kernkompetenzen Lesen und Kommunizieren, die vorhanden sein müssen, um überhaupt in einer spezifischen Domäne handlungsfähig zu sein. Vergleichbar mit der oben angeführten Definition des Colorado Departement of Education wird financial literacy auch in diesem Kontext individuumabhängig und die persönliche Finanzsituation betreffend verstanden. Die Sicht auf die kollektive Bedeutung von financial literacy wird durch äußere, ökonomisch bedingte Faktoren erweitert, welche die individuelle Situation im Finanzsektor beeinflussen können (Vitt 2001, xii). Damit schafft es Vitt, die Mikroperspektivität (individuelle Ebene) von financial literacy in einen durch Regeln und Normen strukturierten Raum (Makroperspektive) zu integrieren. In dieser frühen Definition wurde die Verbindung zwischen der persönlichen Finanzwelt und der globalen gesellschaftlichen Finanzdimension hergestellt. Im Gegensatz zum Colorado Department of Education grenzt Vitt die inhaltlichen Bereiche und Handlungen nicht stärker ein. Es werden zwar keine einzelnen Fähigkeiten in der Definition genannt, dafür wird auf die

1 financial literacy – Eine internationale und nationale Diskussion

7

grundlegenden Tätigkeiten, die notwendig sind, um alltägliche Handlungen in einer ökonomisch und finanziell geprägten Umgebung auszuführen, hingewiesen. Durch die gesellschaftlichen Rahmenbedingungen und die entsprechenden Gesetzgebungen eröffnet die Zielgruppenspezifität eine weitere entscheidende Komponente in Bezug auf die definitorischen Anforderungen an financial literacy. Die spezifische Zielgruppe beider Definitionen wird nicht näher erläutert. Aus der Intention der Definition kann geschlossen werden, dass sich financial literacy an Menschen im erwerbsfähigen Alter richtet, die uneingeschränkt geschäftsfähig sind und die aufgeführten Handlungen eigenständig ausführen können. Für unmündige Mitglieder einer Gesellschaft, etwa minderjährige Schüler, können beide Definitionen adaptiert werden. Denn Schüler sind nur eingeschränkt geschäftsfähig, müssen aber in der Lage sein, mit Finanzmitteln zu interagieren, und auch die gesellschaftlichen Rahmenbedingen ihres Lebensumfeldes kennen, damit sie in diesem Raum handlungsfähig sind und zukünftig handlungsfähig werden. Die beiden Definitionen würden nicht mehr den Zustand einer financial literacy beschreiben, den ein Individuum haben sollte, sondern den Zustand, den ein Individuum erlernen und zukünftig annehmen sollte. So hat die Zielgruppenspezifität bei der Definition von financial literacy ein zentrales Merkmal. Einen umfassenden Überblick über Konzepte und Definitionen zur financial literacy geben Hung et al. aus unterschiedlichen Studien, die unter anderem auf Lusardi und Tufano (2009/2015), Mandell (2008) und Moore (2003) zurückgehen. Daraus entwickelten Hung et al. folgendes Verständnis von financial literacy: “knowledge of basic economic and financial concepts, as well as the ability to use that knowledge and other financial skills to manage financial resources effectively for a lifetime of financial wellbeing.” (Hung et al. 2009)

financial literacy wird in diesem Zusammenhang aus einer ökonomischen Perspektive betrachtet und die Fähigkeiten beziehen sich darauf, dass Wissen so angewendet werden kann, dass man in der Lage ist, das eigene Leben finanziell effektiv zu gestalten. Damit schaffen Hung et al. einen Lebensweltbezug, der die Lebenszeit und das Konzept des lebenslangen Lernens mit aufgreift. Huston hat 2010 insgesamt 71 Studien, die financial literacy oder financial knowledge zwischen 1996 und 2008 gemessen haben, in einer Metastudie auf ihre interne Struktur hin analysiert. Insgesamt 52 verschiedene Datensätze konnten identifiziert werden. Der Aufbau ihrer Analyse orientierte sich an vier Voraussetzungen, die nach Pedhazur und Schmelkin (2013) ein valides Konstrukt erfüllen muss: (1) Definition des zu untersuchenden Konstrukts, (2) inhaltsbezogene bzw. domänenspezifische Items, (3) Messmethode und (4) Beschreibung des ScoringVerfahrens. Keine der untersuchten Studien konnte alle vier Kriterien erfüllen und nur bei 13 Prozent der Studien konnte eine Definition identifizieren werden (Huston 2010, 296). Damit zeichnet sich im internationalen Forschungsdiskurs ein wenig systematisiertes Bild ab. Eine der ersten Definitionen, die von weiteren Studien

8

II Forschungsüberblick und Entwicklung von financial literacy

adaptiert wird (bspw. Silgoner et al. 2015) ist in der Studie der OECD INFE enthalten. Das Konstrukt financial literacy ist demnach: “A combination of awareness, knowledge, skill, attitude and behaviour necessary to make sound financial decisions and ultimately achieve individual financial wellbeing.” (INFEE, OECD 2011)

Die Komplexität von financial literacy wird in dieser Definition durch die Darstellung des Konstrukts als Kombination verschiedener persönlicher Faktoren, wie Bewusstsein, Wissen und Einstellungen, konstituiert. Auch Fähigkeiten und Verhalten spielen eine Rolle dabei, das Ziel des finanziellen Wohlergehens zu erreichen. Unkonkret bleiben die Beschreibungen, welche Fähigkeiten notwendig sind, um das deklarierte Ziel erreichen zu können. So ist auch diese Definition offengehalten und konkretisiert das Konstrukt financial literacy nicht. Die aufgeführten Definitionen, die zwischen 2000 und 2011 im internationalen Forschungsdiskurs entwickelt wurden, stimmen darin überein, dass financial literacy Strukturen, wie Wissen und Fähigkeiten, aufweist. In einigen Fällen bezieht sich das Konstrukt auf den Lebenszeitprozess und nicht auf einen Zustand, der zu einem bestimmten Zeitpunkt erreicht wird. Die Ausgestaltung der Definitionen ist unterschiedlich stark, so geben zwei Definitionen explizite Fähigkeiten und Inhalte an, während die anderen wesentlich offener gestaltet sind. Im internationalen Diskurs können somit spezifische Fähigkeiten, wie mit Geld umzugehen, einen Finanzplan aufzustellen und das eigene Budget zu managen, aber auch Einstellungskriterien und das Ziel des finanziellen Wohlergehens financial literacy zugeschrieben werden.

Diskussion im deutschsprachigen Raum Im deutschsprachigen Raum finden sich ähnliche Definitionen, die financial literacy als finanzielle (Allgemein-)Bildung auffassen und unter diesem Begriff Handlungskompetenzen privater Haushalte in einem ökonomisch geprägten Kontext verstehen. financial literacy wird aus der Grundbildungsdiskussion betrachtet und bezieht sich meist auf Individuen im erwerbsfähigen Alter, die voll geschäftsfähig sind. So hat das Commerzbank-Ideenlabor 2003 eine Studie zur finanziellen (Allgemein-)Bildung in Deutschland durchgeführt und Personen aus privaten Haushalten befragt sowie hinsichtlich ihrer finanziellen Grundbildung analysiert. In dieser Studie wird finanzielle (Allgemein-)Bildung verstanden als „[…] die Grundlage finanzieller Handlungskompetenz der privaten Haushalte und damit ein handlungsorientierter Teilbereich der ökonomischen Allgemeinbildung. Sie umfasst das Wissen, die Fähigkeiten sowie die sozialen Kompetenzen, die notwendig sind, um sich bei Betrachtung des Haushalts als ‚Unternehmen‘ kompetent auf dem Finanzdienstleistungsmarkt bewegen zu können. So verstanden vermittelt finanzielle (Allgemein-)Bildung weniger lexikalisches Wissen als Grundhaltungen und Verhaltensweisen.“ (Ideenlabor, Commerzbank 2004, 12)

1 financial literacy – Eine internationale und nationale Diskussion

9

Das Commerzbank-Ideenlabor verfolgt den Ansatz, dass finanzielle (Allgemein-)Bildung ein handlungsorientierter Teilbereich der ökonomischen (Allgemein-)Bildung ist, und integriert finanzielle (Allgemein-)Bildung innerhalb dieser Domäne. Die Frage nach der Abhängigkeit der financial literacy von anderen Disziplinen wird nur von einigen wenigen Definitionen berücksichtigt. Auch fokussiert das Commerzbank-Ideenlabor weniger Wissenskomponenten, sondern stellt die finanzielle (Allgemein-)Bildung als Vermittlung von Handlungen und Verhaltensweisen dar. Die transformatorische Betrachtung der privaten Haushalte als Unternehmen impliziert, dass die Akteure der Haushalte auch unternehmerische Indikatoren, wie Denk- und Verhaltensweisen, annehmen müssen, um finanziell sicher agieren zu können. Es besteht die Möglichkeit, dass die verschiedenen Definitionen nach ihrer jeweiligen Intention klassifiziert werden. So kann die Definition des CommerzbankIdeenlabors im Rahmen der Grundbildung integriert werden, da diese Definition Wissen und Handlungen berücksichtigt, die dafür notwendig sind, dass das Individuum in einer Gesellschaft finanziell teilhaben zu können. Kaminski und Friebel ordnen die finanzielle (Allgemein-)Bildung der ökonomischen Bildung zu und definieren finanzielle (Allgemein-)Bildung in diesem Kontext als „[…] den Prozess zur Entwicklung von Finanzkompetenz. Diese wird als die Summe von Einstellungen, Motivationen, Wertvorstellungen, Kenntnissen, Fähigkeiten und Fertigkeiten verstanden, die es einem Individuum ermöglichen, sich kompetent und mündig auf dem Finanzdienstleistungsmarkt zu orientieren, es befähigen, seine privaten Finanzen zu organisieren, entsprechend zu handeln und sich an der Analyse und Gestaltung der institutionellen Rahmenbedingungen des Finanzdienstleistungsbereichs zu beteiligen. Finanzielle (Allgemein-)Bildung umfasst neben der Verbraucherperspektive auch die Unternehmensperspektive und die ordnungspolitische Dimension, um eine multiperspektivische Auseinandersetzung mit dem Finanzwesen, den Finanzprodukten und den darauf bezogenen institutionellen Rahmenbedingungen zu ermöglichen.“ (Kaminski/Friebel 2012, 6)

Integriert in das Feld der ökonomischen Bildung sind nach Kaminski und Friebel die Verbraucherbildung und eine ordnungspolitische Perspektive. In diesem Fall zeigt sich, dass die Kategorisierung der finanziellen (Allgemein-)Bildung stark von der Ausrichtung des Forschungsgegenstandes und der Intention der Autoren abhängig ist.6 Kaminski und Friebel lenken durch ihren multiperspektiven Ansatz die Aufmerksamkeit auf die Komplexität der finanziellen (Allgemein-)Bildung und ordnen diese zusammen mit anderen domänenspezifischen Strukturen der ökonomischen Bildung zu. Finanzielle (Allgemein-)Bildung wird als Entwicklungsprozess verstanden, dessen Ziel die Finanzkompetenz ist und die den Individuen eine Teilhabe an finanziell geprägten Lebenssituationen ermöglichen soll. Die institutionellen Rahmenbedingungen beschränken sich in diesem Kontext auf die Gegebenhei-

6 Eine genaue Analyse der Sichtweise, unter der financial literacy betrachtet werden kann, befindet sich in Kapitel II.3.

10

II Forschungsüberblick und Entwicklung von financial literacy

ten, die einen starken gesellschaftlichen sowie haushaltstheoretischen Bezug haben und lassen so einen global geldpolitisch zu verstehenden Ansatz unberücksichtigt. Auch Reifner und Schellhowe sprechen von einer ökonomischen Ausrichtung im Zusammenhang mit Konzepten der finanziellen (Allgemein-)Bildung. “Financial education provides such knowledge, understanding and social competence for a critical evaluation of financial service based on credit opportunities and respond adequately to human needs to allocate own income during lifetime there and then where outside their labour relations sustainable consumption is required.” (Reifner/Schellhowe 2010, 12)

Reifner und Schellhowe beschreiben wie auch Kaminski und Friebel einen Prozess in der finanziellen (Allgemein-)Bildung, der ein Individuum dazu befähigt, mit den eigenen finanziellen Ressourcen umzugehen. In beiden Definitionen wird weniger von einem Zustand gesprochen, der erreicht werden kann, um finanziell kompetent zu sein, sondern es wird vielmehr ein Verfahren dargestellt, welches sich in verschiedenen Lebensabschnitten weiterentwickeln kann. Zusätzlich sehen es Reifner und Schellhowe als erforderlich an, dass das Individuum kritisch mit Angeboten von Finanzdienstleistungen umgeht und sein Einkommen über die Lebenszeit hinweg effektiv verteilt. Damit umfasst die Definition einen weiteren Faktor, den zu betrachtenden Zeitraum. financial literacy7 kann sich auf verschiedene Lebensabschnitte beziehen, eine Momentaufnahme (bspw. ein Leistungstest) sein oder ein Prozess, also die Lebenszeit oder einen Lebensabschnitt umfassen. Dies müsste in jeder Definition dargestellt und erläutern werden, um den Ausprägungsgrad von financial literacy innerhalb des Forschungsfeldes abzugrenzen. Der Lebenszeitprozess, als zeitliche Komponente, wird auch vom FAZ-Institut für Management-, Markt- und Medieninformationen berücksichtigt. Zusätzlich werden in dieser Definition Erfahrungswerte betrachtet, die das finanzielle Handeln und die Entwicklung einer Finanzkompetenz beeinflussen können. „Die wirkliche Finanzkompetenz zeigt sich erst in der Fähigkeit, das kognitive Wissen in entsprechendes Handeln zu übersetzen. Dabei spielen auch nichtrationale Faktoren eine Rolle. Werthaltungen gegenüber Geld und Konsum oder bisherige Erfahrungen etwa können den Umgang mit Geld und Finanzen maßgeblich beeinflussen.“ (FAZ-Inst. für Management-, Markt- und Medieninformationen 2010, 3)

Das FAZ-Institut für Management-, Markt- und Medieninformationen hält die Definition des Begriffs Finanzkompetenz sehr allgemein und beschreibt das Ziel bzw. den Zustand, wann ein Individuum finanziell kompetent ist, nicht konkret durch Fähigkeiten. Durch diese Definition wird allerdings die Komplexität einer Finanzkompetenz zusätzlich verdeutlicht. Denn die genannten nichtrationalen Rollen, die eine Finanzkompetenz maßgeblich beeinflussen können, stellen die Schwierigkeit

7 financial literacy umfasst die Begriffe Finanzkompetenz, financial education und finanzielle Allgemeinbildung, ohne diesen Begriffen die typischen Charakterisierungen zu entziehen.

1 financial literacy – Eine internationale und nationale Diskussion

11

Inhalte

Fähigkeiten

Domäne

Wissen

Motivation

Zeitraum

Zielgruppe

Einstellung

Abb. 1: Anforderungen an eine Definition des Konstrukts financial literacy (eigene Darstellung).

der Erfassung von financial literacy dar. Individuelle Einstellungen im Umgang mit Geld bilden dadurch eine weitere Anforderung an die Entwicklung eines Konstrukts zur financial literacy. So können auch im deutschsprachigen Raum gemeinsame Merkmale identifiziert werden, die financial literacy zugesprochen werden. Die Definitionen greifen dabei Strukturen auf, die das Wissen und die Fähigkeiten umfassen, aber auch Einstellungen, Motivationen, Wertvorstellungen, Kenntnisse sowie die Werthaltungen gegenüber Geld und Konsum berücksichtigen. Der internationale sowie der nationale Blick auf financial literacy suggerieren die Möglichkeit eines Konsenses hinsichtlich der Beschreibung des definitorischen Konstrukts. So können die spezifischen Fähigkeiten beschrieben, motivationale und einstellungsbezogene Kriterien übernommen und Inhalte zusammengefasst werden. Doch zeigt der Forschungsdiskurs bis 2012 auch größere Disparitäten. So kritisiert die Metaanalyse von Huston die unzureichende definitorische Auseinandersetzung mit dem Konstrukt in vielen Studien (Huston 2010), vor allem bei Studien, die financial literacy mit unterschiedlichen Schwerpunkten thematisieren (vgl. u. a. Disney/Gathergood 2011; Geradi et al. 2010; Lusardi/Tufano 2009/2015). Die exemplarisch aufgeführten verschiedenen Definitionen zur financial literacy, financial education, Finanzkompetenz und zur finanziellen (Allgemein-)Bildung zeigen, dass das Forschungsfeld noch keiner allgemeingültigen Gesetzmäßigkeit unterliegt. Es ergeben sich allerdings definitorische Ähnlichkeiten, wenn Inhaltsfelder und thematische Erweiterungen von financial literacy in den Studien betrachtet werden (vgl. u. a. Huston 2010). Zudem können allerdings Kriterien formuliert werden, die eine Definition des Konstrukts financial literacy berücksichtigen sollte (vgl. Abb. 1). So müssen neben den inhaltlichen und wissens- sowie fähigkeitsbezogenen Aspekten auch der Zeitraum, die Zielgruppe und die Domäne berücksichtigt werden.

12

II Forschungsüberblick und Entwicklung von financial literacy

Zusätzlich zeigen die aufgeführten Definitionen, dass äußere Einflussfaktoren berücksichtigt werden sollten, welche die Einstellung und Motivation im Umgang mit Finanzmitteln und Finanzinstrumenten umfassen. Die abgeleiteten Kriterien werden auch für das Forschungsvorhaben in FILS berücksichtigt und durch mögliche Merkmale, die sich aus der Zusatzstudie financial literacy in PISA 2012 ergeben können, erweitert.

2 financial literacy im Kontext von PISA Durch die Zusatzstudie financial literacy in PISA 2012 ist das öffentliche Interesse an diesem Thema in den letzten Jahren verstärkt worden. Die Intention der Zusatzstudie ergibt sich unter anderem aus der Entwicklung der Finanz- und Wirtschaftskrise sowie den damit verbundenen Auswirkungen für Anleger und Sparer. So heißt es zur Motivation im Framework: “Concern was also heightened by the financial crisis, with the recognition that lack of financial literacy was one of the factors contributing to ill-informed financial decisions and that these decisions could, in turn, have tremendous negative spill-over (INFE/OECD, 2009; OECD, 2009; see also Gerardi, Goette, & Meier, 2010 for empirical analysis of financial literacy and mortgage delinquency).” (OECD 2012)

Weitere Beweggründe für die Studie sieht die OECD darin, dass den Individuen mehr Risiken auferlegt werden. Dies führt zu einer Erhöhung der Eigenverantwortung, besonders unter finanziellen Aspekten im Lebenszeitmodell. Auch der technologische Fortschritt, der zu einem Wandel im Umgang mit Finanzsystemen und -instituten führt, bildet die Grundlage der Untersuchung. Unter diesem Punkt wird auch die Ausweitung von Finanzprodukten und Serviceeinrichtungen beachtet (OECD 2012). Schüler als Untersuchungsgegenstand zu nehmen resultiert u. a. aus der Problematik, dass sich Jugendliche nur bedingt informell und formell finanzielle Kompetenzen aneignen können. So wird beispielsweise das Thema Schulden häufig im informellen Lernprozess tabuisiert (Schuhen/Kunde 2016). Jugendliche können nur eingeschränkt mit finanziellen Mitteln und Finanzinstrumenten agieren und damit nur beschränkte Erfahrungen im Umgang mit Finanzen machen. Weltweit stehen zum Beispiel Familien mit Kindern im Alter zwischen 15 und 18 Jahren zusätzlich vor der Entscheidung, ob das Kind ein College oder die Universität besuchen soll, was länderspezifisch mit hohen Kosten und Einkommensverzicht verbunden sein kann (OECD 2012). Dabei spielt das Bewusstsein über die Höhe der damit verbundenen Kosten, Krediten und Zinsen sowie der späteren Verdienstmöglichkeit eine wichtige Rolle. Viele der angeführten nationalen und internationalen Studien ergeben, dass die Probanden eine niedrige financial literacy aufweisen, was Defizite im Umgang mit Finanzprodukten bedeutet. Eine niedrige financial literacy bei Erwerbstätigen

2 financial literacy im Kontext von PISA

13

kann möglicherweise unter anderem durch eine mangelnde schulische Ausbildung oder durch mangelndes Interesse erklärt werden und gesellschaftliche Folgen nach sich ziehen. Dies führt dazu, dass eine schülerspezifische financial literacy für die Forschung interessant wird, um Defizite aufzudecken und Handlungsstrategien für eine Steigerung von financial literacy bei Kindern zu erreichen. Kompetente Individuen treffen überlegtere Entscheidungen, die sich positiv auf die Person und die Gesellschaft auswirken. So muss die Generation, die unmittelbar vor der finanziellen Eigenständigkeit steht, auf diese Herausforderung vorbereitet werden. Um die Finanzkompetenz dieser Generation beschreiben zu können, entstand in PISA 2012 das erste Large-Scale-Assessment, das financial literacy bei Schülern in verschiedenen Ländern misst. financial literacy wurde in einer Zusatzstudie im Rahmen der regulären PISA Erhebung mit getestet (OECD 2012). Einige Länder, darunter auch Deutschland lehnten eine Beteiligung an der Zusatzstudie 2012 ab. Begründet wurde dies mit der Konzeption von financial literacy in PISA (Sälzer/Prenzel 2014, 15 f.), welche sich auf die folgende Definition der OECD gestützt wird: “Financial literacy is knowledge and understanding of financial concepts and risks, and the skills, motivation and confidence to apply such knowledge and understanding in order to make effective decisions across a range of financial contexts, to improve the financial wellbeing of individuals and society, and to enable participation in economic life.” (OECD 2013a, 144)

Die skills beziehen sich in der Definition der OECD auf generelle kognitive Prozesse sowie auf die mathematischen und sprachlichen Kompetenzen im Kontext finanzieller Inhalte. financial literacy wird als individuelles Konstrukt erfasst, welches zunächst in keine übergeordnete Domäne integriert ist. So setzt sich financial literacy aus Sicht der OECD mit Wissen, Fähigkeiten und Strategien zusammen, wobei die Fähigkeit die spezifisch genannten Kompetenzen, die skills beinhalten. Des Weiteren gehört die Motivation zu einer financial literacy, die es dem Individuum ermöglicht, effektive Entscheidungen im Rahmen von finanzgeprägten Situationen zu treffen (OECD 2013a, 144 f.). Um die Domäne financial literacy zu beschreiben, unterscheidet die OECD zwischen den Bereichen Content, Processes und Contexts als dreidimensionales Modell. Diesen drei Ebenen werden spezifische Elemente zugeordnet, die unterschiedliche Dimensionen beschreiben: “Content comprises the areas of knowledge and understanding that are essential in the area of literacy in question. Processes describes the mental strategies or approaches that are called upon to negotiate the material. Contexts refers to the situations in which the domain knowledge, skills and understandings are applied, ranging from the personal to the global.” (OECD 2013a, 146)

Der Fokus Content wird für financial literacy in PISA besonders berücksichtigt, da sich die Frage der Herleitung der Inhaltsfelder und der Konstruktvalidität für financial literacy unter der Berücksichtigung von Basiskompetenz stellt. So vereint der Bereich Content zum einen die Kompetenzen, die notwendig sind, um überhaupt

14

II Forschungsüberblick und Entwicklung von financial literacy

einen Test bearbeiten zu können, und transferiert dieses Verständnis und die Fähigkeiten auf die inhaltliche Textur des Testinstruments. Das bedeutet, die Probanden weisen die Fähigkeit auf, im Kontext von financial literacy das Testinstrument bearbeiten zu können (OECD 2013a, 146).8 Für die PISA-Erhebung 2012 wurde versucht, aus den bereits existierenden Kategorien der Finanzbildungsprogramme verschiedener Länder9 Inhaltsfelder für financial literacy herzuleiten. Dafür wurden in den länderspezifischen Bildungskontexten Themenfelder identifiziert, die einen Konsens im Umgang mit financial literacy beinhalten. So sollte ein möglichst homogenes Inhaltskonstrukt für alle teilnehmenden Länder erschlossen werden, damit eine Studie konstruiert wird, die in jedem der potenziellen Teilnehmerländer durchführbar ist. Ergebnisse der Analyse unterschiedlicher Bildungsprogramme sind die folgenden Inhaltsfelder für PISA: Money and transaction, Planning and managing finances, Risk and reward und Financial landscape. Inkludiert in die spezifischen Inhalte sind Themen wie Zinsen und Zinseszins, Kredite und Anlagemöglichkeiten, die inhaltsübergreifend fungieren (OECD 2013a, 147 f.). Unter den Contents gibt es allerdings nur zwei Bereiche, die mit einem inhaltlichen Begriff verknüpft sind. Money and transaction und Financial landscape behandeln begrifflich zwei unterschiedliche Inhaltsfelder. Im Gegensatz dazu ist der Bereich Planning and managing finances eher durch Fähigkeiten beschrieben, die bei finanzbewussten Entscheidungen ihre Anwendung finden. Auch der Bereich Risk and reward bildet kein eindeutiges Inhaltsfeld, sondern vielmehr Eigenschaften und Einstellungen, die Finanzentscheidungen beeinflussen können. Besonders ist der Bereich Financial landscape, da die Studie als internationale Vergleichsstudie konzipiert wurde und angenommen werden kann, dass Verbraucherrechte oder ökonomische Bedingungen in den potenziellen Teilnehmerländern Abweichungen unterliegen. Unter den Processes werden in PISA die folgenden Kategorien verstanden: identify financial information, analyse information in a financial context, evaluate financial issues, apply financial knowledge and understanding. Im Framework zum PISA-Konstrukt financial literacy umfasst der Bereich die konkreten Fähigkeiten, die notwendig sind, damit ein Individuum mit finanziellen Komponenten umgehen kann. Die aufgeführten Fähigkeiten bilden einen Prozess im Umgang mit finanziellen Gegebenheiten ab. So muss ein Individuum zur Lösung eines Problems relevante Informationen herausfinden, analysieren und bewerten können, um das vorhandene Wissen und Verstehen des finanziellen Kontextes auf das aktuelle Problem anzuwenden. Die prozesshafte Anwendung der Fähigkeiten ist angelegt in den

8 Die Fähigkeiten umfassen Kompetenzen wie Lesen, Schreiben und den Umgang mit einem Computer. 9 Australien, Brasilien, England, Japan, Malaysia, Niederlande, New Seeland, Nordirland, Schottland, Südafrika und USA.

2 financial literacy im Kontext von PISA

15

kognitiven Taxonomiestufen nach Bloom (1956): Wissen und Verständnis, Synthese, Anwendung, Analyse und Evaluation (OECD 2013a, 151 f.). Die Contexts, welche die Situationen umfassen und in welche die Processes integriert werden, schließen vier Kategorien ein: Education and work, Home and family, Individual und Society. In die Kategorien werden Situationen aufgenommen, die aus der Lebenswelt der Schüler stammen und äquivalent zu den Kontexten aus der PIAAC Studie (Programme for International Assessment of Adult Competencies) (OECD 2013b) gehalten sind (OECD 2013a, 155). Der Lebensweltbezug spezifiziert die Domäne financial literacy, da durch den angegebenen Rahmen nun keine allgemeingültige Definition gegeben werden kann, sondern eine für Schüler spezifizierte Domäne erschlossen werden muss. Die verschiedenen Kontexte, aus denen Situationen für die Aufgaben konstruiert werden, sind außerschulisch angelegt und betreffen den familiären und privaten Bereich der Schüler. Insgesamt geben die Contexts so den Rahmen der Domäne vor, in denen die Processes (Handlungen, Fähigkeiten) und die Contents (Inhalte) eingebunden sind. Dieser Bezug wird auch von anderen Studien berücksichtigt, die financial literacy auf die jeweilige Zielgruppe projizieren. So untersuchen diese Studien das Wissen und die Kompetenzen von Erwachsenen und Studierenden. Die dort vorzufindenden Fragen orientieren sich an deren Lebenskontext und thematisieren deren Verbraucherbildung (Disney/Gathergood 2013), das Anlageverhalten (Guiso/Jappelli 2008), das veränderte Anlageverhalten durch die Finanzkrise (Bucher-Koenen/Ziegelmeyer 2011) oder deren Einstellung zur Altersvorsorge und Verschuldung (Lusardi/Mitchell 2006; Lusardi/Tufano 2009/2015).

Kritik am Konstrukt financial literacy in PISA 2012 Im Bereich Contexts manifestieren sich Schwierigkeiten bei der Betrachtung der Herleitung dieses Bereichs. Die bisherigen Erkenntnisse aus Studien und Forschungsarbeiten lassen sich nur bedingt auf die Perspektive Contexts von Schülern übertragen, da deren Lebens- und Erfahrungskontext in den verschiedenen Ländern grundlegend unterschiedlich ist. So ist es schwierig, aus bestehenden nationaldivergierenden Bildungsprogrammen zu finanziellen Themen Inhalte zu identifizieren und diese in eine für alle Schüler bekannte Situation zu übersetzen. Ein lebensweltbezogener Ansatz, der den internationalen Raum berücksichtigt, ist daher nur schwer zu konstruieren. So bestehen auch Zweifel an der Anwendung des Wissens und der Fähigkeiten innerhalb des Konstrukts financial literacy. Sälzer und Prenzel sehen an dieser Stelle das Problem, dass das Konstrukt financial literacy bei PISA mit dieser Charakterisierung „[…] relativ eng gefasst wird“ (Sälzer/Prenzel 2014, 17). Ein einfaches Beispiel für die angesprochene Problematik ist eine Marktsituation (vgl. PISA Unit: At the Market (OECD 2013a, 147)). Kinder, die Preisschilder an Marktständen gewöhnt sind, können eine andere Reaktion in der Situation zeigen als Kinder, die es gewohnt sind, dass auf dem Markt gehandelt wird und der Preis sich erst in der Verhandlung bilden muss.

16

II Forschungsüberblick und Entwicklung von financial literacy

Letztendlich durchgeführt wurde die Zusatzstudie in 18 Ländern (Australien, Belgien (flämischer Teil), China (Shanghai), Estland, Frankreich, Israel, Italien, Kolumbien, Kroatien, Lettland, Neuseeland, Polen, Russland, Slowakische Republik, Slowenien, Spanien, Tschechische Republik sowie die USA)10 (OECD 2014). Ob ein inhaltlicher Konsens auch in den Teilnehmerstaaten besteht und die vier identifizierten Kategorien11 hervorbringen würde, bleibt ungeklärt. Die Schnittmenge zwischen den Ländern, die teilgenommen haben, und den Ländern, deren Konzepte übertragen wurden, ist gering. An dieser Stelle zeigt sich zum Beispiel, dass kein Land aus Südamerika für die Konzeption der Studie hinzugezogen wurde. Durch diese Vorgehensweise festigen sich weitere Diskrepanzen, die auf die inhaltliche Struktur der Studie zurückzuführen sind. So tritt im Rahmen der Aufgabenkonstruktion das Problem der unterschiedlichen Währungen in den teilnehmenden Ländern auf. Dem wird dadurch begegnet, dass in PISA eine fiktive Währung Zed eingeführt wurde. Damit verbunden ist ein Abstraktionsproblem, denn die Schüler müssen mit der Wertigkeit des fiktiven Geldes umgehen und diese auch verstehen können. So entsprechen zum Beispiel 10 Euro ungefähr 28.614 Kolumbianische Pesos.12 Werden Jugendliche nun mit relativ niedrigen Zahlen in Form der Zed-Währung konfrontiert, obwohl sie in ihrem Lebensumfeld mit wesentlich höheren Beträgen umgehen, könnte dies Auswirkungen auf die Entscheidung und Handlung der Schüler haben, da zum Beispiel der ermittelte Unterschied bei einem Preisvergleich keine große Rolle für die Schüler aus Kolumbien spielt. Die Zed-Währung in PISA scheint sich stark am Dollar bzw. Euro zu orientieren, wodurch Schüler aus Ländern, die eine ähnliche Wertigkeit der Währung wie der Dollar haben, weniger abstrahieren müssen und die Währungen gleichsetzen können. Offen bleibt daher, ob die Wertigkeit bzw. die Stärke der Währung in den entsprechenden Ländern, beispielsweise Kolumbien, angepasst wurde. Neben Differenzen in der Währungswahrnehmung gibt es weitere kulturelle Bedingungen, die in internationalen Studien nicht berücksichtigt werden können. So ist anzunehmen, dass dem Umgang mit Zahlungsmitteln in den einzelnen Ländern eine unterschiedliche Bedeutung zukommt und damit auch anders im Umfeld der Kinder vermittelt und wahrgenommen wird. In den USA ist zum Beispiel die Kreditkarte ein gängiges Zahlungsmittel und wird fast häufiger als Bargeld eingesetzt (Chakravorti 2003). In Deutschland ist das Verhältnis umgekehrt. Die Kredit-

10 Die kursiv geschriebenen Länder sind Teilnehmerländer, von denen auch die Bildungsprogramme zur Herleitung der Inhaltsfelder analysiert wurden. Auf die anderen Länder und deren spezifische Bildungsprogramme wurde im Vorfeld nicht eingegangen. 11 Money and transaction, Planning and managing finances, Risk and reward und Financial landscape. 12 Vgl. Währungsrechner (Kurs vom 11. 01. 2015): http://www.finanzen.net/waehrungsrechner/ euro_kolumbianischer-peso

2 financial literacy im Kontext von PISA

17

karte wird zwar als Zahlungsmittel benutzt und akzeptiert, häufig aber nur im Bereich des E-Commerce und nicht in Kaufsituationen in einzelnen Geschäften (Lammer et al. 2006, 57). Die Schüler sind somit länderspezifisch unterschiedlichen Lebenskontexten ausgesetzt, wobei der länderspezifische Kaufprozess und damit auch die Zahlungsart schon früh von Kindern durch Beobachten der Eltern als Sozialisationspartner adaptiert werden (Rosendorfer 1997, 69). Ob sich dadurch financial literacy bei 15- und 16-jährigen Schülern unterschiedlich ausprägt, ist nicht geklärt. Die angeführten Probleme verdeutlichen die Problematik der Erstellung eines homogenen Konstrukts für financial literacy im Rahmen von internationalen Vergleichsstudien. Da sich aus der theoretischen und inhaltlichen Herleitung auch die Annahme über mögliche Kompetenzstufen begründet, zeigen sich die angeführten Probleme auch in den Ergebnissen. Die Kompetenzstufen geben die Fähigkeiten wieder, welche von den Probanden erreicht werden können. Auf der ersten Stufe sollen die Schüler grundlegende Rechenfähigkeiten in Finanzkontexten sowie das Unterscheiden von Wünschen und Bedürfnissen beherrschen. Basierend darauf müssen die Schüler auf der zweiten Stufe diesen Unterschied in alltäglichen Kontexten erklären und finanzielle Konzepte, zum Beispiel Versicherungen und Bankkonten, verstehen. Die dritte Stufe umfasst mathematische Fähigkeiten, die für finanzielle Entscheidungen notwendig sind, welche die Schüler in zukünftigen Situationen benötigen. Auf der letzten und höchsten Kompetenzstufe werden ebenfalls mathematische Operationen behandelt, die auf die Zukunft der Schüler abzielen und komplexe finanzielle Entscheidungen und Verständnisprozesse beinhalten (OECD 2013a; Sälzer/Prenzel 2014, 18). Die vier Stufen beinhalten neben den oben genannten Fähigkeiten, die sehr offen und domänenunspezifisch gehalten sind, noch mathematische Fertigkeiten. Kompetenzen, die einer financial literacy zugeschrieben werden können, basieren demnach auf Fähigkeiten im Umgang mit mathematischen Operatoren, die dazu führen, dass Schüler in der Lage sind, finanzielle Entscheidungen zu treffen. Es stellt sich die Frage, inwiefern sich das Konstrukt financial literacy von dem Konstrukt der mathematical literacy abgrenzt (Sälzer/Prenzel 2014, 20). Die OECD versucht die Konstruktabgrenzung zwischen financial und mathematical literacy durch ein einfaches Beziehungsgefüge zu erklären. Plakativ ausgedrückt umfasst die Schnittmenge die jeweiligen Inhalte, die eine nutzbare Anzahl an mathematischen Operationen in finanziellen Situationen zulässt. Dazu beziehen sich die anderen Inhalte des Konstrukts financial literacy auf Finanzwissen und finanzgeprägte Inhalte, bei denen die mathematischen Instrumente ausgeklammert werden. Äquivalent wird die mathematical literacy umrissen; das heißt, der Teil der Mathematik, der sich inhaltlich nicht schwerpunktmäßig mit finanziellen Themen vereinen lässt, ist außerhalb der Schnittmenge angeordnet, während der andere Teil in die Schnittmenge integriert wird (OECD 2013a, 143). So bleibt insgesamt die Abgrenzung beider Konstrukte auf einer einfachen Ebene dargestellt.

18

II Forschungsüberblick und Entwicklung von financial literacy

Ergebnisse der financial literacy Studie in PISA 2012 Die Resultate der Zusatzstudie wurden Mitte 2014 präsentiert.13 Damit die Ergebnisse der beteiligten Staaten untereinander vergleichbar sind, wurden die einzelnen Fragen skaliert. Das vorangestellte Testdesign der Studie lässt es zu, dass eine eindimensionale Skala über die gesamten Fragen der Studie konstruiert werden kann. Die Skala repräsentiert die individuell geschätzte Fähigkeit eines Probanden hinsichtlich seiner financial-literacy-Ausprägung. Der damit verbundene Schwierigkeitsgrad der jeweiligen Fragen resultiert aus den Antworten der Probanden, angefangen bei denjenigen Items, die von allen Probanden korrekt beantwortet wurden und damit sehr leichte Items bilden, bis hin zu den Items, die nur von einigen wenigen Schülern richtig bearbeitet werden konnten. Durch dieses Verfahren lassen sich alle Probanden auf einer gemeinsamen Skala abbilden und es können Wahrscheinlichkeiten bestimmt werden, die angeben, ob eine bestimmte Person spezifische Items aufgrund des Testergebnisses lösen bzw. nicht lösen kann.14 Mittels dieser Systematisierung können in PISA Stufen konzipiert werden, welche die Fähigkeiten der Schüler wiedergeben. Für financial literacy in PISA können insgesamt fünf Kompetenzlevels bestimmt werden, in denen die Schüler anhand der erreichten Punkte kategorisiert werden (OECD 2014, 60 f.). Die eindimensionale Skala für financial literacy differenziert nicht zwischen den einzelnen Inhaltsbereichen, wodurch keine expliziten Defizite oder besonderen Fähigkeiten, ausgerichtet auf die einzelnen Inhaltsfelder, analysiert werden können. Inhaltliche Beziehungen werden durch die einzelnen Items und deren Inhalt dargestellt und in den Kompetenzlevels wiedergegeben. Die Ergebnisse beziehen sich auf allgemeine Fähigkeiten, die auf den verschiedenen Levels um immer komplexere Fähigkeiten und Fertigkeiten ergänzt werden. Ob Schüler nun aber bei Themen wie Schulden oder Sparen tendenziell größere Probleme haben, kann die PISA-Studie nicht beantworten. Somit besteht das Resultat aus einem Wert für financial literacy, der die Schüler in den unterschiedlichen Ländern charakterisiert und in fünf Level kategorisiert. Durch die eindimensionale Vorgabe der Ergebnispräsentation ist eine Vergleichbarkeit der homogen generierten Resultate auf Ebene der Teilnehmerländer möglich (OECD 2013). Die unterschiedlichen Levels beinhalten Fähigkeiten aus allen Inhaltsbereichen und die Intensität bzw. die Komplexität der erforderlichen Fähigkeit variiert und steigert sich entsprechend der Höhe der Levelstufen. Level 1 umfasst weniger als die festgelegten Basiskompetenzen einer financial literacy. So wissen Schüler, was eine Rechnung ist und können einfache Finanzprodukte benennen und einfa-

13 Die Resultate von PISA haben keine Auswirkungen auf die Durchführung von FILS (Durchführung 2012), werden allerdings im Kontext der Beschreibung der Zusatzstudie in PISA dargestellt, um später weitere Vergleiche zu den Resultaten in FILS darstellen zu können. 14 Für eine detaillierte Beschreibung der Vorgehensweise im Rahmen der Kompetenzmessung siehe Kapitel III.1.6.

2 financial literacy im Kontext von PISA

19

che finanzielle Entscheidungen im Alltag treffen. Die Fähigkeiten in Bezug auf numerische Operationen beschränken sich bei diesem Level auf die Grundrechenarten. Level 2 ist der von der OECD bestimmte Basislevel. Die Schüler sind in der Lage, ihr Finanzwissen auf einfache finanzielle Handlungen anzuwenden und haben Basiskompetenzen in den Grundrechenarten, um mit alltäglichen finanziellen Dokumenten, wie Rechnungen, umgehen zu können. Auf Level 3 besitzen die Schüler die Fähigkeit, ihr Verständnis auf verschiedene Finanzkonzepte und im Umgang mit Finanzprodukten anzuwenden. Die Probanden sind in der Lage, einfache finanzielle Entscheidungen zu treffen und diese auch zu reflektieren. Zusätzlich verfügen sie über die Fähigkeit, unkomplizierte Finanzpläne im eigenen Haushalt aufzustellen, und beherrschen neben den Grundrechenarten auch komplexere numerische Fähigkeiten, beispielsweise. die Prozentrechnung. Die letzten beiden Level, die von den Schülern erreicht werden können, umfassen neben den Fähigkeiten der vorangegangenen Levels noch die Fähigkeiten, ein Bankkonto zu führen, Anlageprodukte zu kennen und Zinsen zu verstehen sowie finanzielle Entscheidungen zu treffen, die auch langfristige Konsequenzen haben. Zusätzlich dazu können sich die Schüler auf dem höchsten Level mit der Einkommenssteuer auseinandersetzen, mit komplexen Finanzprodukten umgehen und mit nicht alltäglichen Finanzproblemen arbeiten (OECD 2014, 60 f.). Die Antworten der Schüler werden den oben angeführten fünf Stufen, entsprechend den jeweiligen Scores, den die Schüler erreicht haben, zugeordnet und analysiert. Obwohl PISA schon früher genderspezifische Unterschiede in Mathematik herausgefunden hat und die financial literacy-Studie von PISA eine hohe mathematische Belastung aufweist, können in 17 von 18 Ländern keine genderabhängigen Unterschiede ausgemacht werden. Es zeigt sich lediglich ein Unterschied bei der Verteilung der Geschlechter auf die fünf Levels, bei der die männlichen Probanden eine größere Streuung aufweisen als die weiblichen Testteilnehmer. Auch scheint es einen gleichgerichteten Zusammenhang zwischen dem sozioökonomischen Status und dem Bildungsabschluss der Eltern eines Probanden sowie dem erreichten Level zugeben (OECD 2014, 80). Die Ergebnisse der Zusatzstudie financial literacy in PISA zeigen, dass Shanghai die höchsten Werte auf der eindimensionalen Skala erreicht und die Ergebnisse der meisten Schüler im oberen Bereich der Kompetenzlevels zu finden sind. Fast keiner der Schüler erzielt ein Ergebnis, das unterhalb des OECD-Basislevels liegen. Überrepräsentiert auf diesem untersten Level ist mit Abstand das einzige südamerikanische Land, Kolumbien. Die Schüler schaffen kaum den Test und erreichen die niedrigsten Werte im Test. Ob die Unterschiede in den Resultaten bezogen auf Kolumbien nun auf das einheimische Bildungssystem, die kulturellen Gegebenheiten oder auf das Konstrukt der Studie in PISA zurückzuführen sind, bleibt offen und müsste hinsichtlich der Konzeption der Studie und den darin integrierten Lebensweltbezügen noch stärker analysiert werden. Es bleibt die Vermutung, dass die Studie nicht zu der Lebenswelt und dem in dieser Kultur üblichen Umgang mit Finanzmitteln und Fi-

20

II Forschungsüberblick und Entwicklung von financial literacy

nanzinstrumenten passt und dass dieser Lebensweltbezug zu verschieden von den Konzepten in der OECD-Studie ist. Die Ergebnisse der PISA-Zusatzstudie zur financial literacy 2012 zeigen, dass es in einigen Staaten erhebliche Defizite bei den Fähigkeiten der Jugendlichen in Bezug auf financial literacy gibt. Doch sind diese Ergebnisse auch kritisch zu hinterfragen. Es fehlt an einer Spezifizierung der einzelnen Fähigkeiten und Fertigkeiten, die wirklich notwendig sind, um im eigenen gesellschaftlichen Rahmen sicher agieren zu können. Die eindimensionale Struktur ermöglicht einen internationalen Vergleich der Probanden, doch bleiben länderspezifische finanzielle Rahmenbedingung zu Steuern, Kreditkarten und Bankkonten offen. Diese werden zwar in Bezug zum Ergebnis gesetzt, zeigen aber nur, dass Schüler, die schon früh mit derartigen Finanzprodukten in Verbindung kommen auch besser in der PISA Studie abschneiden (OECD 2014, 100 f.). Fraglich ist aber, ob dies wirklich Fähigkeiten und Fertigkeiten der Schüler wiedergibt, oder ob die Ergebnisse nicht doch eher Finanzwissen und mathematische Fähigkeiten testen, die durch die unterschiedlichen Bedingungen der Länder auch zu unterschiedlichen Ergebnissen führt (Schuhen/Schürkmann 2014).

3 Perspektiven einer financial literacy Der Umgang mit financial literacy in PISA 2012 zeigt, dass neben dem Messmodell besonders der inhaltliche Aufbau von elementarer Bedeutung für eine Studie ist, die Kompetenzen erfassen und messen soll. In PISA ist der Bereich Content signifikant für die Entwicklung der Testaufgaben. Doch konnten gerade in diesem Bereich kritische Aspekte identifiziert werden, welche die Konzeption einer internationalen Studie für financial literacy erschweren. Das Konstrukt financial literacy unter Berücksichtigung der Kompetenzmessung ist nur oberflächlich erfasst und für die Zielpopulation der Schüler nicht ausreichend formuliert, wenn die bisherige Forschungssituation betrachtet wird.15 Die Aktualität und Signifikanz von financial literacy ist in der Forschung unbestritten. Doch mangelt es bisher an einem validen Konstrukt, welches nationale Datenerfassungen und Analysen ermöglicht, um financial literacy zu messen und analysieren zu können (Schuhen/Schürkmann 2014). Durch die Komplexität, die mit financial literacy verbunden ist, entwickelte sich eine Vielzahl von Studien, deren Initiatoren unterschiedliche Intentionen verfolgen. Der nachfolgend aufgeführte Forschungshintergrund kategorisiert daher die Begriffe financial literacy, finanzielle (Allgemein-)Bildung und Finanzkompetenz in unterschiedliche Perspektiven, aus denen financial literacy in den verschiedenen Forschungsarbeiten betrachtet wird. Folgende Perspektiven werden betrachtet, die durchaus fließende

15 Vgl. Kapitel II.

3 Perspektiven einer financial literacy

21

Übergänge besitzen und sich auf Grundbildung, Verbraucherbildung, ökonomische Bildung, ökonomische Lebenskontexte und PISA beziehen. Die erste Perspektive stellt den Bildungsgedanken ins Zentrum und die mittleren beiden Perspektiven resultieren aus der domänenspezifischen Betrachtung des Forschungsfeldes. PISA steht als domänenunabhängiges Konstrukt für eine eigene Domäne financial literacy. Der Forschungsüberblick gibt innerhalb dieser Perspektiven einen Einblick über verschiedene nationale und internationale Studien zur financial literacy, die exemplarisch für eine Vielzahl von Forschungsarbeiten stehen. Der Forschungsüberblick dient einer späteren Kategorisierung eines financial literacy Begriffs für FILS und einer Systematisierung der inhaltlichen Ausgestaltung von FILS. Denn bevor inhaltliche konkrete Konzepte entwickelt werden können, muss die Perspektive, aus der eine financial literacy betrachtet werden kann definiert sein.

3.1 financial literacy aus der Perspektive der Grundbildung financial literacy wird in vielen Forschungsarbeiten aus der Perspektive der Grundbildung betrachtet. Es existiert kein Konsens über allgemeine Mindeststandards und Anforderungen, die der Begriff Grundbildung in unterschiedlichen Domänen erfüllen muss. Eine allgemeingültige Definition von Grundbildung gibt es nicht, da der Begriff stark mit gesellschaftlichen Rahmenbedingungen und Vorstellungen verknüpft ist. Das Konzept von Grundbildung ist im ökonomischen und speziell im finanziellen Themenspektrum für die verschiedenen Forschungsvorhaben spezifisch zu definieren. Im internationalen Diskurs wird der Begriff der Grundbildung oft mit dem literacy-Begriff gleichgesetzt. Mit literacy ist vordergründig die Fähigkeit, Texte lesen zu können, gemeint (Kilian 2011, 3). Dadurch konzentriert sich Grundbildung allein auf das Problem des (funktionalen) Analphabetismus (Kress 2005, 115). Der Begriff des funktionalen Analphabetismus grenzt sich vom primären bzw. totalen Analphabetismus ab. Es wird von funktionalem Analphabetismus gesprochen, wenn die Betroffenen trotz Schulbesuchs nur über so geringe Schriftsprachkompetenzen verfügen, dass diese nicht funktional im Alltags- oder Berufsleben eingesetzt werden können. Der primäre oder totale Analphabetismus bezieht sich darauf, dass eine Person Lesen und Schreiben nicht gelernt hat (Grotlüschen/Riekmann 2011). Diese stark eingeschränkte Auffassung des Literalitätsbegriff führt in Verbindung mit der Bedeutung des financial literacy Begriffs dazu, dass diesem die Kernaussage entzogen wird. Um diese Problematik zu umgehen, muss der literacyBegriff hinsichtlich des Kontextes konkretisiert und erweitert werden (UNESCO Institute for Education 2005, 1, 4). In jeder Gesellschaft existieren in unterschiedlichen Lebensbereichen auch verschiedene Literalitäten (Barton/Hamilton 2012, 8). So unterliegt Alphabetisierung (und damit auch der funktionale Analphabetismus) einem zeitlichen Wandel, der mit wachsenden Anforderungen verbunden ist. Alphabetisierte Individuen sind Personen, die sich an sämtlichen Aktivitäten ihrer Lebenswelt, bei denen Lesen, Schreiben und Rechnen erforderlich sind, und eben-

22

II Forschungsüberblick und Entwicklung von financial literacy

so an der weiteren Teilhabe dieser Kulturtechniken für die eigene Entwicklung und die der Gesellschaft beteiligen kann (UNESCO 1962). Für die Orientierung in einer europäischen Gesellschaft ist literacy nicht nur beschränkt auf Lesen, Schreiben und Rechnen, sondern es ist auch ein gewisses Maß an zum Beispiel Medienkompetenz (media literacy) und finanzieller Kompetenz (financial literacy) erforderlich, damit Individuen am gesellschaftlichen Leben vollumfänglich teilnehmen können. Grundbildung umfasst damit die Kompetenzen, die für die Zielgruppe in ihren verschiedenen Lebenswelten angemessen sind (Adult Literacy and Basic Skills Unit 1993). Dabei umfassen die Kompetenzen die Auseinandersetzung mit der Gesellschaft, eigene Ziele zu erreichen und zu entwickeln, sowie das eigene Wissen, um die einzelnen Optionen, die mit unterschiedlichen Handlungen verbunden sind (INFE/OECD 2011).16 Dabei bezieht sich ein Großteil der Studien auf Menschen im erwerbsfähigen Alter und deren Teilhabe am gesellschaftlichen Leben. Die Individuen müssen mit Finanzinstrumenten und Finanzprodukten im Alltag uneingeschränkt agieren können. Grundbildung im Zusammenhang mit financial literacy wird im internationalen Diskurs oft unter dem Synonym financial capability diskutiert, wobei die thematische Abgrenzung von Basiskompetenzen und vertiefenden Kompetenzen in den vielen Forschungsarbeiten nicht explizit vorgenommen wird. Im nationalen Kontext mangelt es in Deutschland an wissenschaftlichen Arbeiten zu einer financial literacy aus der Grundbildungsperspektive. So besteht in der Grundbildungsdiskussion ein Defizit in der Ausführung eines Konzeptes zur financial literacy, welches die Facetten und Dimensionen und die Teilkompetenzen explizit definiert und zwischen diesen differenziert (Mania/Tröster 2013, 3). Hummelsheim sieht eine notwendige Expansion in der Forschung zur ökonomischen Grundbildung und schließt die finanzielle Grundbildung in dieses Konstrukt ein. Begründet wird dies durch die zunehmende Eigenverantwortung in verschiedenen Lebenssituationen (bspw. Absicherung im Alter), durch die Finanzkrise und die […] „Pluralisierung der Lebensformen und Erwerbsbiographien“ […] (Hummelsheim 2010, 2). Im Forschungsfeld der ökonomischen Grundbildung und speziell in der finanziellen Grundbildung existieren nur wenige Studien. Die meisten Studien beschränken sich stark auf Erwerbstätige und sind oft durch Finanzinstitute initiiert (vgl. unter anderem Ideenlabor Commerzbank 2004, Bright/Keller 2013). Innerhalb der Grundbildungsperspektive existiert ein marginaler Konsens in wenigen Forschungsarbeiten zum Konstrukt financial literacy. Unter financial literacy werden „[…] elementare Kenntnisse, Fähigkeiten und Fertigkeiten in den Bereichen, ‚Geld verstehen‘, ‚Geld-Management‘, ‚Umgang mit Lebensrisiken‘, ‚Vermögensaufbau und Altersvorsorge‘ und ‚Geld leihen‘ verstanden.“ (Kilian 2011, 11; Hummelsheim 2010, 2; Ideenlabor Commerzbank 2004, 13).

16 Siehe Schlösser/Schuhen 2011.

3 Perspektiven einer financial literacy

23

Diese Auffassung von financial literacy findet sich in der Studie der Commerzbank 2004. Das Ideenlabor der Commerzbank, die diesen Test zur Grundbildung im Finanzwesen bei der NFO Infratest in Auftrag gegeben hat, prüft mittels 29 Leitfragen wesentliche Bestandteile einer finanziellen Grundbildung sowie elementare finanzielle Grundkenntnisse. Aus den Leitfragen geht hervor, dass es sich vordergründig um Selbsteinschätzungsaufgaben handelt, die mittels eines Wissenstests validiert werden (Ideenlabor Commerzbank 2004). Das Ergebnis dieser Studie zeigt, dass die Probanden ihre finanziellen Fähigkeiten meistens höher einschätzten, als diese im Wissenstest wirklich sind. Unklar bleibt, inwieweit die Wissensfragen mit den Einstellungs- und Selbsteinschätzungsfragen korrelieren. Der Durchschnitt der Probanden in Deutschland hat 58 Prozent der Fragen richtig beantwortet, was darauf hindeutet, dass das Finanzwissen in Deutschland defizitär ist (Ideenlabor Commerzbank 2004). Offen bleiben bei der Ergebnisdarstellung das Messinstrument und die Auswertungssystematik sowie Validitäts- und Reliabilitätskriterien. Auch kann nicht erkannt werden, inwieweit die Fähigkeiten, also die Kompetenzen, die in der Definition angeführt sind, mit Methoden der Kompetenzmessung erhoben wurden. Die Kombination von Selbsteinschätzungs- und Wissensfragen kann die Komplexität der Kompetenzmessung bzw. der Messung von Fähigkeiten nicht kompensieren, da nur die Verknüpfung von Wissensstand und eigener Einschätzung gegeben ist.17 Ebenso hat die Bertelsmann Stiftung eine Studie zu Aspekten der finanziellen Bildung im Kontext der Grundbildung durchgeführt. Dabei wurden 30- bis 50-jährige Probanden aus Deutschland im Rahmen einer Vorsorgeerhebung in den Jahren 2002 und 2003 befragt. In dieser Studie bedeutet finanzielle Alphabetisierung bestimmt als „[…] sowohl das abstrakte Wissen über grundlegende finanzielle Zusammenhänge und die Funktionsweise von Finanzprodukten als auch die konkrete Erfahrung im Umgang mit Anlageund Versicherungsprodukten.“ (Leinert 2004, 4)

Als ein Indikator zur Messung der Finanz-Alphabetisierung soll die Erfahrung der Probanden mit der Handhabung eigener Finanzprodukte sein. Dafür wurde die Anzahl der Versicherungen in Abhängigkeit zum jeweiligen Schulabschluss und Bruttoeinkommen gesetzt. Ein Zusammenhang konnte nur bei der Höhe des Einkommens und Anzahl der Versicherungen ausgemacht werden. Die telefongestützten Interviews behandeln einen Block mit fünf Fragen zu Finanzthemen und umfassen Inhalte zu Geld und Rente und Inflation, gesetzliche Rentenversicherung sowie Risiko, Rendite und Kosten verschiedener Finanzprodukte. Dabei setzt die die Studie voraus, dass diese Fragen finanzielles Allgemeinwissen exemplarisch abbilden und finanzieller Analphabetismus dadurch identifiziert werden kann. Die einzel-

17 Die Methode und die Anforderungen an die Messung von Fähigkeiten bzw. Kompetenzen werden in Kapitel III.1 genauer erläutert.

24

II Forschungsüberblick und Entwicklung von financial literacy

nen Fragen beziehen sich auf Einschätzungsfragen zur Rentenhöhe, dem DAX sowie zum Risiko und zum Thema von Anlagemöglichkeiten. Die Antworten der Probanden werden immer in Relation zum Alter und Schulabschluss gesetzt. Aus den jeweiligen Antworten wird ein Ad-hoc-Index gebildet, der sich aus der Anzahl der Versicherungen der Probanden und der Anzahl der richtig beantworteten Wissensfragen zusammensetzt und normiert wird. Aus diesem Gesamtindex wird der Grad der finanziellen Alphabetisierung in Quartile abgelesen und interpretiert. Die Probanden, die den Wissenstest schwierig fanden, haben nach den Ergebnissen der Studie auch den geringsten Finanz-Alphabetisierungsindex und schieben finanzielle Entscheidungen auf, was mit Unsicherheit und Unkenntnis erklärt wird. Fazit der Studie ist, dass die finanzielle Bildung in Deutschland gestärkt werden muss, damit es weniger Finanz-Analphabeten in Deutschland gibt (Leinert 2004, 5 f.). Kritisch betrachtet, ist die Studie der Bertelsmann Stiftung marginal aussagekräftig. Trotzdem deckt diese frühe Forschungsarbeit das Potenzial und Probleme von financial literacy aus der Grundbildungsperspektive auf. Den Anschluss an diese frühen Studien zur Finanzkompetenz unter der Perspektive der finanziellen Grundbildung bildet eine durch Forsa 2010 durchgeführte Studie im Rahmen des Kundenkompasses der Sparkassenfinanzgruppe. Die Motivation zur Studie lag in der Wirtschafts- und Finanzkrise und der damit verbundenen finanziellen Aufgabe privater Nutzer, in einer globalisierten Welt eigenverantwortlich zu handeln. Die Studie verknüpft die Finanzkompetenz und die ökonomische Grundbildung der Individuen und testet junge Erwachsene, die zukünftigen Leistungsträger einer Gesellschaft, auf ihre finanzielle Grundbildung. Die Definition einer Finanzkompetenz18 berücksichtigte korrelative Zusammenhänge zwischen personenbezogenen Faktoren, wie die Einstellung zum Geld, Erfahrung mit Finanzprodukten und finanzieller Bildung. Aufgabe der Studie war es, diese Faktoren zu analysieren und der Frage nachzugehen, wie junge Erwachsene ihre Finanzen im Alltag managen. Die telefon- und computergestützten Umfrage ergab, dass fast ein Fünftel der Befragten 18- bis 39-Jährigen ein mangelndes Finanzmanagement aufweist und Finanzentscheidungen mithilfe von Freunden oder Familien getroffen werden, ohne dass sich die Betreffenden explizit damit über einen längeren Zeitraum auseinandersetzen. So ist das Finanzverhalten stark vom Elternhaus geprägt (FAZ-Inst. für Management-, Markt- und Medieninformationen 2010). Diese Ergebnisse weisen auf informelle Lernprozesse im Rahmen der finanziellen Grundbildung hin. Ein weiteres Ergebnis lautet, dass die Informationssuche nach Finanzprodukten mit dem Interesse an und der Auseinandersetzung mit der

18 „Die wirkliche Finanzkompetenz zeigt sich erst in der Fähigkeit, das kognitive Wissen in entsprechendes Handeln zu übersetzen. Dabei spielen auch nichtrationale Faktoren eine Rolle. Werthaltungen gegenüber Geld und Konsum oder bisherige Erfahrungen etwa können den Umgang mit Geld und Finanzen maßgeblich beeinflussen.“ (FAZ-Inst. für Management-, Markt- und Medieninformationen 2010, 3)

3 Perspektiven einer financial literacy

25

eigenen finanziellen Situation der Probanden zusammenhängt. Bei zunehmendem Interesse versuchen die etwa 1.000 Befragten verstärkt sich selbstständig zu informieren. Das Internet und andere Medien dienen in diesem Prozess in erste Linie als Plattform zur Informationsbeschaffung, doch auch der Bankberater wird von 47 Prozent der Probanden genutzt, um sich zu informieren und finanzielle Entscheidungen zu treffen (FAZ-Inst. für Management-, Markt- und Medieninformationen 2010, 3). Es ist davon auszugehen, dass der konzeptionelle Aufbau der Studie Einstellungs- und Selbsteinschätzungsitems enthält, da sich dies in der Ergebnispräsentation widerspiegelt. Anders als bei der Studie des Commerzbank-Ideenlabors findet in dieser Studie keine Verknüpfung der Selbsteinschätzungsfragen mit Wissensfragen statt. So lautet ein Ergebnis der Studie des Commerzbank-Ideenlabors, dass die Probanden sich überschätzten und das Finanzwissen wesentlich geringer ist, als der Selbsteinschätzungstest ausweist (Commerzbank-Ideenlabor 2004). So konnte auch bei dieser Studie ein Defizit der Erwerbstätigen in der ökonomischen Grundbildung identifiziert werden, das sich speziell bei Entscheidungen in Finanzangelegenheiten zeigt (FAZ-Inst. für Management-, Markt- und Medieninformationen 2010). Im amerikanischen Raum sind diese Studien zur financial literacy wesentlich verbreiteter als in Deutschland. Viele Forschungsarbeiten gehen auf Lusardi zurück, die in der Health-and-Retirement-Studie (HRS) von 2004 (vgl. Lusardi 2008) financial literacy im Kontext einer amerikanisch nationalen Studie zur Vorsorge als eine Komponente mit testeten. Die daraus entwickelten Fragen wurden in vielen Studien von Lusardi et al. und anderen Wissenschaftlern und Instituten genutzt, um financial literacy bei unterschiedlichen Probandengruppen zu messen. Die Teststruktur setzt sich aus drei Kategorien zusammen: financial literacy, retirement planning calculations und planing instrument. Da der Umfang der Studie zur financial literacy einfach und möglichst kurz sein sollte, umfasst das Testinstrument insgesamt neun Items (Lusardi/Mitchell 2011). Daher wurde das bei Kompetenzmessungen übliche Testlet-Design mit einem Stimulus und einer gewissen Anzahl von Einzelaufgaben (vgl. Wainer et al. 2007; Pommerich/Segall 2008; Sireci et al. 1991) in den Studien, die auf die Fragen von Lusardi et al. zurückgreifen, nicht berücksichtigt.19 Die Fragen, die auf financial literacy als erste Kategorie abzielen, behandeln die Themen Zinseszinseffekt, Inflation und Anlageprodukte in Form von Aktien: “1.

Suppose you had $100 in a savings account and the interest rate was 2 percent per year. After 5 years, how much do you think you would have in the account if you left the money to grow: more than $ 102, exactly $ 102, less than $ 102?

19 Es ist anzunehmen, dass die Items von Lusardi et al. im Rahmen der HRS-Untersuchung aus dem Kontext einer großen Studie stammen und die Ergebnisse durch viele andere Items, beispielsweise zum soziodemographischen Hintergrund generiert wurden, was in den Studien, welche die Fragen adaptieren fehlt.

26

II Forschungsüberblick und Entwicklung von financial literacy

2.

3.

Imagine that the interest rate on your savings account was 1 percent per year and inflation was 2 percent per year. After 1 year, would you be able to buy more than, exactly the same as, or less than today with the money in this account? Do you think that the following statement is true or false? ‘Buying a single company stock usually provides a safer return than a stock mutual fund’.” (Lusardi/Mitchell 2006)

Nach Lusardi bilden diese Fragen drei ökonomische Konzepte ab: understanding of interest compounding, understanding of inflation, und understanding of risk diversification. Dabei fokussieren die Fragen die individuelle finanzielle Entscheidungskompetenz: “In designing the questions, we relied on economic models of saving and portfolio choice to identify three economic concepts that individuals should have some understanding of, if they are to use them when making financial decisions.” (Lusardi/Mitchell 2011, 499)

Fraglich ist, ob finanzielle Entscheidungsfähigkeit, die in den aufgeführten Fragen getestet werden soll, auf Wissen oder auf Kompetenzen zurückzuführen ist und ob die Kompetenzen bzw. das Wissen insbesondere beim ersten Item20 zu einer mathematical oder financial literacy gehören (vgl. Schuhen/Schürkmann 2014; Macha/Schuhen 2011). Das erste Item kann durch zwei unterschiedliche Strategien gelöst werden, die zum einen rein mathematisch oder durch ökonomisches Denken geprägt sein können. Wie die Probanden zur Lösung kommen kann hingegen nicht nachvollzogen werden. So ist es in diesem Fall ungewiss, was genau gemessen wird. Die Verbindung von Zins und Inflation im zweiten Item21 hingegen intendiert zwar mathematische Fähigkeiten, erfordert aber einen gewissen Grad an ökonomischem Wissen. Offen bleibt allerdings, ob die Befragten ihr ökonomisches Wissen auch anwenden können. Durch die Vorgabe von Antworten müssen die Probanden keine Zinsrechnung durchführen, sondern können die Antworten abschätzen. Dabei müssen mathematische Operationen nicht zwingend angewendet werden. Das dritte Item in diesem Testlet befasst sich mit Anlagemöglichkeiten, konkret mit Aktien und Aktienfonds. Die Probanden müssen sich entscheiden, ob es sicherer ist, eine einzelne Aktie zu erwerben, als in einen Aktienfond zu investieren. Die Ratewahrscheinlichkeit liegt bei diesem bilateralen Item bei 50 Prozent, was zunächst die Messung erschwert (Bühner 2011). Aus diesen Fragen, die um zusätzliche Selbsteinschätzungs- und Selbstauskunftsfragen ergänzt werden (vgl. Lusardi/ Mitchell 2006), resultieren viele Forschungsergebnisse zur financial literacy. Da kein fundiertes Validitäts- und Reliabilitätsinstrument in den Studien, die auf die-

20 “Suppose you had $100 in a savings account and the interest rate was 2 percent per year. After 5 years, how much do you think you would have in the account if you left the money to grow: more than $ 102, exactly $ 102, less than $ 102?” 21 “Imagine that the interest rate on your savings account was 1 percent per year and inflation was 2 percent per year. After 1 year, would you be able to buy more than, exactly the same as, or less than today with the money in this account?”

3 Perspektiven einer financial literacy

27

sen Fragen basieren, zu Grunde gelegt ist, ist nicht sicher, ob diese Aufgaben financial literacy als Gesamtkonstrukt messen oder ob mathematische und ökonomische Fähigkeiten und Wissensbestände geprüft werden. Exemplarisch für die Studien von Lusardi et al. werden zwei Studien in vorliegenden Forschungskontext betrachtet. Zum einen wird die Studie Financial Literacy and Planning: Implications for Retirement Wellbeing (Lusardi/Mitchell 2011) berücksichtigt, die als Subinhaltsfeld die Vorsorge beinhaltet. Zum anderen wird die Studie Financial Literacy around the World (Lusardi/Mitchell 2011) näher analysiert, da diese Studie repräsentativ für andere länderspezifische Studien von Lusardi ist. Die erste Studie, die betrachtet wird, enthält die neun Aufgaben, die Lusardi et al. für die HRS-Studie entwickelt haben, und unterteilt diese in die drei thematischen Kategorien financial literacy, retirement planning calculations22 und planning instrument 23. Die Fragen zu den beiden letzten Kategorien sind im Gegensatz zu den Fragen zur financial literacy keine Wissensfragen, sondern Selbsteinschätzungsfragen und behandeln verschiedene finanzorientierte Aktivitäten der Probanden, wie die Beschäftigung mit Finanzthemen, mit wem die Probanden über ihre finanziellen Angelegenheiten sprechen und in welcher Intensität diese Gespräche stattfinden. Die Auswertung, der in den USA erhobenen Daten wird durch ein generiertes Gleichungssystem dargestellt. Dabei werden die Antworten der neun Aufgaben in Relation zum Einkommen, zu Sozialleistungen und zur Rente gesetzt. Das Gleichungssystem wird maximiert und als intertemporale Budgetrestriktion zur Auswertung und Analyse der Daten erfasst. So konnten aus 1.296 Datensätzen folgende empirische Ergebnisse gewonnen werden. Die relativen Häufigkeiten zu den financial-literacy-Fragen zeigen, dass zwischen 50 Prozent und 75 Prozent die Probanden diese Fragen richtig beantworten konnten, wobei die letzte Frage den höchsten Schwierigkeitsgrad aufweist und auch nur von der Hälfte der Probanden richtig beantwortet wurde. In der zweiten und dritten Kategorie zur Altersvorsorge und Planung werden verschiedene Profile der Probanden erarbeitet. Die simple planners befassen sich mit ihrer Altersvorsorge und haben versucht diese zu kalku-

22 “Have you ever tried to figure out how much your household would need to save for retirement? Did you develop a plan for retirement saving? How often were you able to stick to this plan? Would you say always, mostly, rarely, or never?” (Lusardi/Mitchell 2011) 23 “Tell me about the ways you tried to figure out how much your household would need. − Did you talk to family and relatives? − Did you talk to co-workers or friends? − Did you talk to co-workers or friends? − Did you use calculators or worksheets that are computer or Internet-based? − Did you consult a financial planner or advisor or an accountant? How often do you keep track of your actual spending: would you say always, mostly, rarely, or never? How often do you set budget targets for your spending: would you say always, mostly, rarely, or never?” (Lusardi/Mitchell 2011)

28

II Forschungsüberblick und Entwicklung von financial literacy

lieren. Die serious planners stellen 58 Prozent der 31 Prozent, die den Versuch eines Planes zur Altersvorsorge auch umgesetzt haben, dar. Ungefähr ein Drittel dieser Probanden war auch in der Lage, diesen Plan einzuhalten, und bildet somit die Gruppe der succesful planners. Die Gesamtergebnisse zeigen, dass financial literacy ein signifikantes Thema ist und dass ein Handlungsbedarf besteht, um die Bevölkerung besser auf die Altersvorsorge vorzubereiten und ihr die Verantwortung, die sie sich selbst gegenüber haben, bewusst zu machen. Dafür wurden die Resultate mit soziodemografischen externen Faktoren gekoppelt. Die Fragen zur financial literacy werden nicht explizit von einer mathematical literacy abgegrenzt, wodurch nicht genau beschrieben werden kann, wie das Konstrukt financial literacy aufgebaut ist (Lusardi/Mitchell 2011). Die Studie Financial literacy around the world wurde ausgewählt, weil sie die Forschungsergebnisse der Fragen von Lusardi aus den verschiedenen Ländern zusammenfassend darstellt. Das Forschungsdesign umfasst die Messung von financial literacy durch die ersten drei Items.24 Lusardi und Mitchell untersuchen wie Individuen informierte Entscheidungen bzgl. ihres eigenen Haushalts treffen. Die geringe Anzahl der Fragen im Messinstrument begründen die Autoren mit vier Schlüsselaspekten: simplicity, relevance, brevity, capacity to differentiate. So sollen die Fragen möglichst einfach sein und sich auf finanzielle Basiskonzepte beschränken. Dabei sollen die Fragen aus dem Alltag der Probanden stammen und Themen beinalten, mit denen die Individuen täglich in Berührung kommen können. Die Kürze der Studie wird legitimiert durch weitere zwei Faktoren. Zum einen soll die Studie zur financial literacy vielfältig einsetzbar sein und in diesem Fall für den internationalen Raum passend konstruiert sein. Das bedeutet, dass keine ethischen, sozialen und nationalspezifischen Aspekte in den Items repräsentiert werden. Der letzte Aspekt bezieht sich auf die Möglichkeit, zwischen den Levels von Finanzwissen zu differenzieren (Lusardi/Mitchell 2011, 498 f.). Die Fragen wurden neben der HRS-Studie 2004 noch in die National Longitudinal Survey of Youth (NLSY 2007–2008, vgl. Lusardi et al. 2010), in die American Life Panel in 2008 und 2009 (Lusardi 2009) und in die Financial Capability Study (FINRA 2010) importiert (Lusardi/Mitchel 2011, 500). Die Ergebnisse der Studie beziehen sich auf die Gegebenheiten der jeweiligen Länder. So lautet ein Ergebnis, dass trotz gut funktionierender Finanzmärkte ein hoher finanzieller Analphabetismus in einigen Ländern, wie Deutschland, Japan und den Niederlanden, existiert. Eine weitere Erkenntnis zeigt hohe Korrelationen zwischen mathematischer Kompetenz und den angeführten financial-literacy-Fragen. Dieses Ergebnis erscheint wenig verwunderlich, da die drei Fragen sehr mathematisch orientiert sind. Menschen, die in einem Land leben, das sich aktuell mit Problemen der Inflation auseinandersetzen muss, beantworten die Frage zur Inflation tendenziell besser als

24 Anzunehmen ist, dass die Ergebnisse dieses Beitrags im Rahmen nationaler Studien erhoben wurden und die drei Items zur financial literacy nun länderübergreifend analysiert werden.

3 Perspektiven einer financial literacy

29

Menschen, die in einem Land mit Deflation leben. Als Beispiele von 2011 werden Italien und Japan angeführt. So schnitten die Japaner schlechter ab als die Italiener. Auch zeigen Lusardi und Mitchell, dass es bei ihrer Studie genderspezifische Unterschiede gibt und Frauen grundsätzlich geringere Werte erreichen als Männer. Als Resultat halten Lusardi und Mitchell fest, dass financial literacy ein signifikanter Faktor für finanzielle Entscheidungen zu Vorsorge und finanzieller Sicherheit ist, wobei es gender- und diversityspezifische Unterschiede gibt, die durch finanzielle Bildungsprogramme entschärft werden sollten (Lusardi/Mitchell 2011, 503 f.). Die Fragen von Lusardi zielen in vielen Studien auf Basiskonzepte einer financial literacy ab und werden deshalb unter dem Gesichtspunkt der Grundbildung betrachtet. Durch die großen Stichproben aller Studien und die vielen Veröffentlichungen werden die Fragen von Lusardi et al. oft in anderen Testinstrumenten eingesetzt, um financial literacy zu messen. So werden zum Beispiel in die Studien der DiBa zwei der neun Fragen von Lusardi et al. integriert. In der Studie zum Finanzwissen von 2012 wurden 11.000 Probanden aus 11 Nationen befragt. Die Ergebnisse der insgesamt fünf Wissensfragen, welche die Studie umfasst, werden anschließend verglichen. In der höchsten Kategorie, in der mindestens vier von fünf Fragen richtig beantwortet werden, liegt Deutschland auf Platz fünf. Die Türkei ist stärkstes Land und Österreich und Polen bilden das Schlusslicht. Die fünf Fragen zum Finanzwissen befassen sich nur mit mathematischen Aspekten der Zinsrechnung, Inflation, Lotterie und Hypothek (Bright/Keller 2012). Es werden die mathematischen Operationen und das mathematische Vorstellungsvermögen, das erforderlich ist, um diese Aufgaben zu lösen, getestet. Ergänzt wird die Studie durch Items, die auf die finanzielle Bildung abzielen und Selbsteinschätzungsfragen sind. So ist der Wunsch nach mehr finanzieller Bildung bei 90 Prozent der Probanden in Deutschland vorhanden und auch auf europäischer Ebene liegen die Prozentzahlen in diesem Bereich. 59 Prozent der deutschen Probanden gaben an, dass sie eine schulische oder private Ausbildung in finanziellen Themen absolviert haben (Bright/Keller 2012). Kontrovers zu dieser Studie beurteilt eine weitere Studie der DiBa 2013 die dargestellten positiven Ergebnisse negativ. So heißt es nun, dass 53 Prozent der deutschen Probanden keine Finanzbildung haben, was in diesem Kontext negativ interpretiert wird. Die Studie von 2013 umfasst vordergründig Selbstauskünfte und kommt ebenfalls zu dem Ergebnis, dass eine Finanzbildung in den Schulen erwünscht ist, wobei nur 18 Prozent der Befragten diese Ausbildung in der Schule hatten. Hochgerechnet haben sich laut der Studie 40 Mio. Menschen eine Finanzbildung in der Schule gewünscht, diese aber nicht bekommen (INGDiBa 2013). So zeigen die Studien aus der Sicht der Grundbildung viele weitere Perspektiven auf, da unterschiedliche Konzepte einer financial literacy in den Studien verwendet werden. Ebenso unterscheiden sich die Messdesigns und Studiendesigns erheblich voneinander. Wissenstest, Selbsteinschätzungs- und Selbstauskunftstests sowie Ansätze von Kompetenztests lassen das Resultat zu, dass es der Grundbildungsforschung an einem Konzept zur Förderung der Finanzkompetenz

30

II Forschungsüberblick und Entwicklung von financial literacy

und zur Verringerung des finanziellen (An-)Alphabetismus mangelt, sodass keine aussagekräftigen Forschungsergebnisse zu erzielen sind.

3.2 financial literacy aus Sicht der Verbraucherbildung Neben der Grundbildungsperspektive, die stark durch den Finanzsektor geprägt ist, haben sich auch Verbraucherzentralen und der Verbraucherschutz der Themen Finanzkompetenz und finanzielle (Allgemein-)Bildung angenommen. Fokussiert wird hier der Verbraucher unter den Aspekten der Aufklärung, der Informationsbeschaffung und -verarbeitung im Kontext von financial literacy. Grundsätzlich sind beide Begriffe (Verbraucherbildung und finanzielle (Allgemein-)Bildung) stark miteinander verbunden und werden oft zusammen verwendet. Die Verbraucherbildung baut Interventionsmaßnahmen in Bildungsprozessen auf den Ergebnissen von Grundbildungsstudien auf. So befasst sich ein großer Teil der Verbraucherbildung mit der Erstellung und Evaluation von Unterrichtsmaterialien über Finanzthemen. Denn eine schwach ausgeprägte finanzielle (Allgemein-)Bildung schadet nicht nur den Betroffenen, sondern auch dem ökonomischen Geschäftspotenzial einer Gesellschaft. Hieraus werden innerhalb der Verbraucherbildung Maßnahmen und Strategien zur Verbesserung der finanziellen (Allgemein-)Bildung hergeleitet und entwickelt (Hoffmann 2007, 275). Daher steht die Verbraucherbildungsperspektive auch unter einem starken öffentlichen bzw. medialen Einfluss. In Deutschland hat der WDR im Jahr 2011 eine repräsentative Einstellungsstudie zum Thema Finanzen unter dem Titel Ohne Moos nix los – Wie junge Menschen über Geld und Finanzen denken vorgestellt. Die Studie wurde im Zuge der Finanzkrise erstellt und befasst sich nicht direkt mit Finanzkompetenz bzw. finanzieller (Allgemein-)Bildung, zeichnet aber als repräsentative Telefonumfragestudie ein Bild von der Einstellung zum Thema Geld. Insgesamt 1.017 junge Erwachsene aus Nordrhein-Westfalen nahmen an der Studie des WDR teil, die sich inhaltlich auf das Sparverhalten, den Umgang mit Schulden und Risikobewusstsein sowie Vertrauen in Finanzinstitute befasst. Die Ergebnisse zeigen, dass sich gerade einmal jeder Vierte wirklich für Finanzthemen interessiert, obwohl diese Themen gleichzeitig für sehr wichtig gehalten, aber auch als belastend und schwierig empfunden werden. Entsprechend wird das eigene Wissen über Finanzen in den jeweiligen Altersstufen als weniger gut eingeschätzt. Die Hauptinformationsquelle der jungen Menschen, die befragt wurden, sind die Eltern. Weitere Informationsquellen, bei denen sich die Probanden über Finanzprodukte und -themen informieren, sind Banken und das Internet. Die Verbraucherzentralen und andere Institute werden nur selten genannt. Im Gegensatz zu den jungen Menschen stehen andere Altersgruppen den Banken und Finanzberatern als verlässlichen Informationsquellen eher kritisch gegenüber. Im Umgang mit Schulden und Anlageprodukten zeigt sich ein gemischtes Bild. Männliche Probanden gehen gelöster mit Schulden um als weibliche und die am weitesten verbreiteten Anlageprodukte zum Sparen sind das Girokonto und das Spar-

3 Perspektiven einer financial literacy

31

buch. Auch die Möglichkeit eines Dispositionskredits beim Girokonto ist vielen Probanden bekannt und wird von vielen wahrgenommen. Dass dieses aber kostenpflichtig ist und mit einem hohen Zinssatz belastet wird, wissen nur wenige Konsumenten. So geben 45,4 Prozent der Probanden an, die Höhe der Zinsen nicht zu kennen, auch wenn sie ihr Konto regelmäßig oder gelegentlich überziehen (Oehler 2012). Studien aus der Perspektive der Verbraucherbildung messen in erster Linie nicht die Finanzkompetenz, sondern analysieren bzw. evaluieren Ist-Situationen von Bevölkerungsschichten und zeigen Probleme auf, bei denen Handlungsbedarf besteht. Diese Studien sind daher meist als Einstellungs- oder Selbstauskunftsstudien konzipiert. Im amerikanischen Raum sind Studien mit Blick auf die Verbraucherbildung unter den Stichworten consumer education, consumer competence und consumer policy zu finden. 2005 erschien die Studie Consumer-Finance Myths and other Obstacles to Financial Literacy, die auf einer nationalorientierten Studie zur financial literacy in den USA basiert. In diesem Testdesign wird von Basiskompetenzen ausgegangen, welche die Grundlage für Aussagen zum Stand der finanziellen (Allgemein-)Bildung amerikanischer Haushalte bildet. Aus den Ergebnissen der nationalangelegten Studie werden Thesen, sogenannte Mythen, abgeleitet, die anschließend vor dem Hintergrund von Bildungskonzepten diskutiert werden. Das Ergebnis dieser Analyse zeigt, dass zunehmende Investitionen in Zeit, Informationen und Ausbildungsinitiativen dazu führen, dass der finanzielle Analphabetismus zwar abgebaut, das Problem aber nicht behoben werden kann. Gefordert wird dazu eine Verbraucherschutzordnung, die den Konsumenten auch vor Finanzdienstleistern, die rein gewinnmaximierend für ihr Finanzinstitut und nicht kundenorientiert arbeiten, schützt und sie informiert (Emmons 2005). Aus dieser Perspektive lässt sich auch eine Studie von Lusardi et al. finden, die financial literacy bei jungen Menschen erforscht und die Konsequenzen für die Verbraucherpolitik darstellt. Die Studie Financial Literacy among the Young: Evidence and Implications for Consumer Policy greift auf eine nationalorientierte vorangegangene Studie, die National Longitudinal Survey of Youth (2007–2008), zurück und verfolgt drei Leitziele. Zum einen wird die Ausgangssituation, also der Stand einer financial literacy bei jungen Menschen dargestellt und zum anderen sollen spezifische Faktoren identifiziert werden, welche die Zielgruppe für die Entwicklung einer Finanzkompetenz benötigen. Das dritte Ziel befasst sich mit politischen und bildungsrelevanten Interventionen, um financial literacy bei jungen Menschen zu stärken. Die Analyse ergab, dass 27 Prozent der Probanden Basiskenntnisse von Finanzkonzepten besitzen und einfache numerische Operationen, wie eine Zinsrechnung, durchführen können. Bei diesem Ergebnis gibt es einen Zusammenhang zwischen dem Wissen der Probanden und ihrem kulturellen, genderspezifischen bzw. familiären Hintergrund.25 Das Ergebnis dieser Studie besagt, 25 Auch an dieser Stelle soll darauf hingewiesen werden, dass die Basiskompetenzen von financial literacy in dieser Studie über die o.g. drei Fragen von Lusardi et al. gemessen werden.

32

II Forschungsüberblick und Entwicklung von financial literacy

dass verschiedene Gruppen, aufgeteilt nach ihrem kulturellen und familiären Hintergrund sowie differenziert nach ihrem Bildungshintergrund, Schwierigkeiten beim Treffen von finanzrelevanten Entscheidungen in ihrem Lebensumfeld haben. Dieses Resultat wird mit der steigenden Eigenverantwortung für die finanzielle Gestaltung des eigenen Lebens verbunden, um Intervention von Finanzbildungsprogrammen für die Verbraucherbildung bei Jugendlichen zu unterstützen (Lusardi/ Mitchell 2009a). Unter dem Titel Financial Literacy and Retirement Planing in Germany wurde eine auf Deutschland bezogene Studie unter dem Fokus der Verbraucherbildung von Lusardi und Bucher-Koenen durchgeführt. Unter dem politischen Aspekt des Rentensystems und der Finanzkrise wird mit den o. g. Fragen von Lusardi und der SAVE-Studie financial literacy in deutschen Haushalten analysiert. Die SAVE-Studie ist eine vom Mannheim Research Institute for the Economics of Aging (MEA) angelegte Panelstudie, mit der seit 2001 deutsche Haushalte zum Sparverhalten und weiteren unterschiedlichen finanziellen Themen befragt werden (Börsch-Supan et al. 2009). Integriert in den sehr umfangreichen Fragebogen sind die Fragen von Lusardi et al. So können in diesem Forschungsdesign die Fragen zur Selbsteinschätzung und Selbstauskunft im Umgang mit Finanzen und soziodemographischen Daten der 2.000 Probanden in Verbindung gebracht werden. Bei den Fragen zu Zinsen, Inflation und Risikoeinschätzung konnten über 80 Prozent der Probanden die erste Frage richtig beantworten, was mit der Behandlung dieser Thematik im deutschen Schulsystem erklärt wird. Auch die Frage zur Inflation wurde von 78 Prozent der Testteilnehmer richtig beantwortet. Nur die Frage zum Risiko bei Aktien und Aktienfonds konnte von wenigen Probanden richtig beantwortet werden. So schafften 62 Prozent die richtige Antwort, was ebenfalls mit dem Bildungssystem in Deutschland erklärt wird, weil diese Thematik nicht im Curriculum vorgesehen ist. Die Antworten der Probanden wurden noch nach Alter, Geschlecht sowie nach geographischen Gegebenheiten (Ost- und Westdeutschland) analysiert, wobei die betreffenden Gruppen nur marginale Unterschiede aufweisen (BucherKoenen/Lusardi 2011). Die wachsende Bedeutung einer financial literacy für die Teilhabe am gesellschaftlichen Leben wird auch von Aprea unter dem Fokus der Verbraucherbildung betrachtet (Aprea 2012). So analysieren die australischen Studien der beiden Banken Australia and New Zealand Banking Group (ANZ) sowie die Commonwealth Bank Foundation (CBF) das Finanzverhalten von Erwerbstätigen (ANZ) und von Schülern (CBF) unter Berücksichtigung von Verbraucherrechten und finanzpolitischen Grundlagen. Während die ANZ-Studie aus 26 Selbsteinschätzungsfragen und zusätzlich aus einem Block zum Online-Banking besteht, umfasst die schülerorientierte CBF-Studie einen Multiple-Choice Test zu Themen wie Einkommenszusammensetzung und -verwendung, dem alltäglichen Umgang mit Geld, Kaufentscheidungen, Verbraucherrechte, Business und Technologie sowie geld- und der finanzpolitischen Grundlagen (Aprea 2012, 3 f.; ANZ 2008; CBF 2006). In der ANZStudie wird financial literacy definiert als:

3 Perspektiven einer financial literacy

33

“The ability to make informed judgements and to take effective decisions regarding the use and management of money.” (ANZ 2008, 6)

Aus den 26 Items, die sich mit mathematischen Operationen, Finanzwissen und Finanzkompetenz sowie mit der finanziellen Verantwortung der Probanden befassen, wird ein Score ermittelt, der financial literacy misst. Die Fragen zur Finanzkompetenz beziehen sich auf die Themen Sparen, Risikoverhalten, Versicherungen und Renten. Die Ergebnisse dieser Studie zeigen, dass sowohl altersbedingte wie auch genderspezifische signifikante Unterschiede bei der financial literacy nachgewiesen werden konnten. Die Studie AFLA (Australian Financial Literacy Assessment) des CBF befasst sich 2006 ebenfalls mit financial literacy und fokussiert australische Schüler, die hinsichtlich ihrer persönlichen Finanzsituation, Verbraucherentscheidungen, Verbraucherrechten, Anlagemöglichkeiten und des Managements ihrer Finanzen in Bezug auf Einkommen und Ausgaben geprüft werden. Ungefähr 25.000 Schüler im Alter zwischen 14 und 16 Jahren beteiligten sich an der Studie, deren Ergebnis die Schüler motivieren soll, sich mehr mit finanziellen Aspekten auseinanderzusetzen. So ist ein Resultat der Studie, dass die Schüler zwar aktive Konsumenten sind, aber Defizite in ihrem Finanzwissen und in ihren mathematischen Fähigkeiten aufweisen. Unterteilt werden die Ergebnisse nach den Basiskompetenzen Lesen, Schreiben und mathematische Fähigkeiten. Genderspezifische Unterschiede sind in diesen Bereichen marginal erkennbar, wobei die weiblichen Probanden besser abschneiden als die männlichen Schüler. Die AFLA-Studie ist eine der wenigen nationalorientierten Schülerstudien zur financial literacy, die versuchen das Konstrukt zielgruppenspezifisch zu erfassen und zu messen (CBF 2006). Insgesamt betrachtet wird financial literacy oft im Zusammenhang mit der Verbraucherbildung genannt, besonders, wenn das Finanzwissen und -verhalten sowie verbraucherpolitische Aspekte behandelt werden. Eindeutig abzugrenzen von der Perspektive der Grundbildung ist die Perspektive der Verbraucherbildung nicht. Die Übergänge beider Standpunkte sind partiell fließend und berücksichtigen in vielen Fällen sowohl Aspekte der Grundbildung wie auch Aspekte der Verbraucherbildung. In beiden Perspektiven sind zusätzlich Züge der ökonomischen Bildung vereint, stellen diese aber nicht in den Vordergrund. Eine reziproke Betrachtung einer financial literacy aus einer rein ökonomischen Bildungsperspektive führt dazu, dass Aspekte der Verbraucherbildung und Grundbildung inkludiert werden, diese aber nicht das Zentrum der Forschung bilden, wobei diese Aussage äquivalent zu verstehen ist.

3.3 financial literacy als Teil ökonomisch geprägter Lebenskontexte Grohmann et al. haben im Kontext ökonomisch geprägter Strukturen thailändische Schüler hinsichtlich financial literacy, financial socialization und Kindheitserfah-

34

II Forschungsüberblick und Entwicklung von financial literacy

rungen mit finanziellen Themen analysiert. Ein zentrales Ergebnis der Studie ist, dass Kindheitserfahrungen durch das familiäre Leben geprägt sind (Grohmann/ Menkhoff 2015). Die ökonomische Bedeutung von financial literacy für eine Gesellschaft wurde von Lusardi und Mitchell (2014) dargestellt und analysiert. Lusardi und Mitchell stellen in ihrem Beitrag verschiedene Studien vor, die auf Basis der Fragen von Lusardi et al. verschiedene Ergebnisse aus ökonomischer Perspektive beschreiben und diese auf ökonomische Situationen beziehen (Lusardi/Mitchell 2014). In diesem Kontext wird die steigende finanzielle Eigenverantwortung der Individuen in den USA betrachtet. “This trend toward disintermediation is increasingly requiring people to decide how much to save and where to invest, and during retirement, to take on responsibility for careful decumulation so as not to outlive their assets while meeting their needs.” (Lusardi/Mitchell 2014, 2)

So diskutieren Lusardi und Mitchel das Thema financial literacy in diesem Beitrag aus einer mikroökonomischen Perspektive heraus und stellen die individuelle financial literacy innerhalb des Lebenszyklus dar. In diesem multiperiod dynamic live circle model wird neben den Entscheidungen, die eine Person auf den Kapitalmärkten und in Bezug auf Kapitalprodukte trifft, auch die Verpflichtung zur Investition in das eigene Finanzwissen berücksichtigt und dargestellt. Das Modell basiert auf mathematischen Operationen, welche verschiedene Faktoren, wie das Einkommen und das Finanzwissen, in unterschiedlichen regelmäßig auftretenden Perioden beschreibt. Hintergrund der verschiedenen Variablen ist das etablierte Konzept von Lusardi zu den Themen Inflation, Risiko, Anlage und Zinsen.26 Das erste Ergebnis dieser Analyse ist, dass nur ein Drittel der Befragten die ersten drei Fragen richtig beantworten kann. Dieses Resultat wird mit zahlreichen anderen Ergebnissen aus den Studien von Lusardi et al. und Studien zur financial literacy, in denen die drei Fragen von Lusardi et al. enthalten sind, verglichen. So wurden die Fragen in Schweden nur von 35,2 Prozent der Probanden richtig beantwortet (Almenberg/ Säve-Söderbergh 2011), während Crossan et al. 2009 in Neuseeland 86,0 Prozent (Crossan et al. 2011) richtige Antworten in ihrer Studie verzeichnen (Lusardi/Mitchell 2014). Den Bezug zur Wirtschaft finden Lusardi und Mitchell, indem die Ergebnisse ihrer Fragen aus den verschiedenen Ländern und Kontexten auf die Finanzkrise bezogen werden. Es wird auch versucht die Kosten zu erklären, die eine financial illiteracy in einer Gesellschaft mit sich bringt. Lusardi und Mitchell verknüpfen financial literacy mit ökonomischen realen Kontexten und projizieren so die ökonomische Bildung auf financial literacy im Kontext von internationalen wirtschaftlichen Strukturen. In weiteren Forschungsarbeiten zur financial literacy gibt es auch Studien, die sich auf einen einzelnen Aspekt einer financial literacy beziehen. So haben Disney

26 Siehe Kapitel II.3.2.

3 Perspektiven einer financial literacy

35

und Gathergood eine Studie in Großbritannien zum Themenschwerpunkt Financial Literacy and Indebtness durchgeführt. Dabei wird in dieser Studie die debt literacy bei Haushalten im Kontext einer financial literacy untersucht. Das Messinstrument basiert auf die von Lusardi et al. etablierten Fragen. Die Ergebnisse dieser Untersuchung zeigen, dass der Umgang mit Schulden und die Gefahr, sich zu verschulden, von verschiedenen charakteristischen Eigenschaften der jeweiligen Haushalte abhängen. So sind der Bildungshintergrund, die Mobilität auf den Kreditmärkten und das Benutzen von Kreditkarten der im Haushalt lebenden Personen ausschlaggebende Kriterien, ob die Probanden stark oder schwach in diesem Test abschneiden (Disney/Gathergood 2011). financial literacy aus der ökonomischen Perspektive betrachtet unterscheidet sich in zwei Formaten. Zum einen gibt es Studien, die ihr Konstrukt einer financial literacy aus einer ökonomischen Bildung heraus diskutieren und darstellen, zum anderen gibt es viele Studien, wie die von Lusardi et al., die ihre Ergebnisse auf aktuelle finanzpolitische bzw. wirtschaftliche Probleme beziehen und diese vor dem jeweiligen Hintergrund diskutieren.

3.4 financial literacy als Teil der ökonomischen Bildung Die ökonomische Bildung27 fokussiert ökonomische Denkweisen, Theorien und Modelle, die sich in alltäglichen Handlungssituationen zeigen. So beschreiben Kaminski und Friebel in ihrer Definition28, dass Aspekte der Verbraucherperspektive und der Unternehmerperspektive zu einer finanziellen (Allgemein-)Bildung gehörten, die inhaltlichen Aspekte aber der ökonomischen Bildung zuzuordnen seien. Daraus lässt sich ableiten, dass auch Aspekte der Verbraucherbildung ein Teil der ökonomischen Bildung sind. Die Verortung einer finanziellen (Allgemein-)Bildung im Sinne von Kaminski und Friebel bezieht sich auf die Definition ökonomischer Bildung als „[…] die Gesamtheit aller erzieherischen Bemühungen in allgemeinbildenden Schulen, Kinder und Jugendliche von der Grundschule bis zum Abitur mit solchen

27 Der Begriff der ökonomischen Bildung wird mit dem Begriff economic literacy gleichgesetzt. 28 „[…] den Prozess zur Entwicklung von Finanzkompetenz. Diese wird als die Summe von Einstellungen, Motivationen, Wertvorstellungen, Kenntnissen, Fähigkeiten und Fertigkeiten verstanden, die es einem Individuum ermöglichen, sich kompetent und mündig auf dem Finanzdienstleistungsmarkt zu orientieren, es befähigen, seine privaten Finanzen zu organisieren, entsprechend zu handeln und sich an der Analyse und Gestaltung der institutionellen Rahmenbedingungen des Finanzdienstleistungsbereichs zu beteiligen. Finanzielle Allgemeinbildung umfasst neben der Verbraucherperspektive auch die Unternehmensperspektive und die ordnungspolitische Dimension, um eine multiperspektivische Auseinandersetzung mit dem Finanzwesen, den Finanzprodukten und den darauf bezogenen institutionellen Rahmenbedingungen zu ermöglichen.“ (Kaminski/ Friebel 2012,6)

36

II Forschungsüberblick und Entwicklung von financial literacy

− − −

Kenntnissen, Fähigkeiten, Verhaltensweisen und Einstellungen auszustatten, die sie befähigen, sich mit den ökonomischen Bedingungen ihrer Existenz und deren sozialen, politischen, rechtlichen, technischen, ökologischen und ethnischen Dimensionen auf privater, betrieblicher, volkswirtschaftlicher und weltwirtschaftlicher Ebene auseinanderzusetzen.“ (Kaminski/Friebel 2012, 25)

Diese offen gehaltene Definition betrachtet die ökonomische Bildung aus dem Blickwinkel des schulischen Bildungssystems. Ökonomische Aspekte werden durch Kenntnisse, Handlungen und Einstellungen in einer ökonomisch geprägten Gesellschaft unter der Berücksichtigung verschiedener externer Dimensionen, die einen sozialen, rechtlichen oder auch politischen Charakter haben, dargestellt. Dabei geht es darum, dass Schüler in der Lage sind, sich in dieser Umgebung handlungsfähig zu bewegen und sich mit den ökonomischen Inhalten auseinanderzusetzen. Kaminski und Friebel formulieren die Definition zielgruppenspezifisch und konzentrieren sich auf Schüler aller Altersgruppen. Dies zeigt, dass die definitorischen Auseinandersetzungen mit dem Konzept der ökonomischen Bildung und somit auch mit der finanziellen Bildung zielgruppenspezifisch zu konstruieren ist. So ist die Integration einer finanziellen Bildung in eine weit gefasste Definition der ökonomischen Bildung ohne Probleme zu vollziehen. Wenn die finanzielle Bildung im Kontext einer ökonomischen Bildung nach Kaminski und Friebel betrachtet wird, umfasst sie vier Inhaltsfelder, welche die Dimensionen der ökonomischen Bildung aufgreifen und die finanzielle (Allgemein-)Bildung umfassen: (1) Umgang mit Geld, (2) Umgang mit Lebensrisiken, (3) Vermögensaufbau und Altersvorsorge, (4) Umgang mit Darlehen/Krediten (Kaminski/Eggert 2008, 36). Die Handlungsfelder stammen aus der Lebenswelt eines Individuums und betreffen die persönliche Situation der Probanden. Anders als in der Definition der ökonomischen Bildung umfasst die finanzielle (Allgemein-)Bildung nach Kaminski und Friebel nicht die weltwirtschaftliche Ebene, weshalb diese auch nicht in die Handlungsfelder integriert wird. Es werden vielmehr die Perspektiven der privaten Haushalte und deren alltäglicher Umgang mit Finanzprodukten und Finanzinstrumenten berücksichtigt. Schlösser et al. betrachten ebenfalls die finanzielle Bildung unter der Perspektive der ökonomischen Bildung (Schlösser et al. 2011). Die inhaltlichen Konzepte können für unterschiedliche Zielgruppen adaptiert und entsprechend der Ausrichtung angepasst werden. Schlösser et al. sehen die finanzielle Bildung als Teilkonstrukt einer ökonomischen Bildung an und identifizieren die Kernbereiche Vermögen bilden, mit Schulden umgehen, sich versichern und täglich mit Geld umgehen (Schlösser et al. 2011). Auch Reifner und Schellhowe verlegen die finanzielle Bildung in die ökonomische Bildung und geben für finanzielle Bildung folgende Definition: “Financial education is therefore the addition of financial competence to the goals of economic education. Much of the current discussions around economic education in Germany and NorthAmerica revolve around exactly this issue: including financial knowledge, financial literacy and financial capability as goals for economic education.” (Reifner/Schelhowe 2010, 33)

3 Perspektiven einer financial literacy

37

Reifner und Schellhowe verstehen Finanzkompetenz als Zusatz der ökonomischen Bildung, die maßgeblich dafür ist, dass die Ziele der ökonomischen Bildung erreicht werden können. Sowohl bei Kaminski und Friebel, Schlösser et al. als auch bei Reifner und Schellhowe ist eine inhaltliche Auseinandersetzung mit finanzpolitischen und globalen Themen der Geldpolitik nicht ausdrücklich dokumentiert. Um die Perspektive der Geldpolitik erweitert, sehen Gnan et al. eine finanzielle (Allgemein-)Bildung. So gehören ein Verständnis von finanzpolitischen Inhalten sowie den Aufgaben und Zielen der Geldpolitik, besonders der Zentralbanken, zur finanziellen (Allgemein-)Bildung. Die Finanzinstitute versuchen diese aktiv zu unterstützen, damit es zu einer Stärkung der Wirtschaftspolitik und der Arbeit an den Finanzmärkten kommen kann. Dadurch wird auch das Maß der Reputation und der Akzeptanz der Geldpolitik und Finanzwirtschaft in der Gesellschaft gefördert und möglicherweise erhöht (Gnan et al. 2007). In diesem Kontext können auch die Jugendstudien des Bankenverbands der deutschen Banken betrachtet werden. In den Jugendstudien 2009, 2012 und 2015 wurde unter anderem der Zusammenhang zwischen Wirtschaftswissen und der Einschätzung der eigenen Finanzkompetenz untersucht. Beide Komponenten beruhen auf Selbsteinschätzungsfragen der Schüler. So ergab sich, dass sich Schüler, die ihr Wirtschaftswissen zwar als gut einschätzen, sich aber oft überfordert fühlen von der Komplexität der Finanzwelt. Es zeigte sich auch, dass Jugendliche 2012 im Vergleich zu Schülern aus der Studie 2009 weniger Spaß daran hatten, sich mit eigenen Finanzangelegenheiten zu beschäftigen. 2015 konnte allerdings ein gegenläufiger Trend dokumentiert werden, es konnte eine leichte Zunahme derjenigen, die sich gerne mit ihren eigenen Geldangelegenheiten beschäftigen, verzeichnet werden (BdB 2015). Ein weiterer negativer Trend zeigte sich, wenn die Jugendlichen gefragt werden, ob sie wissen, was an der Börse passiert. Eine klare Überforderung im Umgang mit Anlageprodukten zeichnet sich in diesem Bereich ab, da Zweidrittel der Befragten die Anlagemöglichkeiten als zu komplex einstufen und sich auf diesem Gebiet nicht mehr sicher in ihrer Entscheidungsfindung fühlen (BdB 2009; BdB 2012; BdB 2015). Die Jugendstudien messen mit diesen Fragen zwar keine Finanzkompetenz der Schüler, zeigen aber, wie die Schüler ihr eigenes Wissen einschätzen. Damit wird eine Ist-Situation aus Schülerperspektive aufgezeigt, die klare Defizite im Finanzwissen darstellt. Eine vergleichbar große Studie wird in den USA von verschiedenen Unternehmen und Finanzinstituten in regelmäßigen Abständen durchgeführt. Die Jump$tart-Studie untersucht financial literacy bei jungen Amerikanern. Sie enthält konkrete Wissensaufgaben und keine reinen Selbsteinschätzungsfragen wie die Jugendstudien. Die Items zur financial literacy sind Multiple-Choice-Fragen zur Inflation, zu Kreditmöglichkeiten und Anlageprodukten. Zusätzlich sind weitere Fragen auf das persönliche Umfeld gerichtet, auf das Elternhaus, die eigenen Erfahrungen und die schulische Laufbahn. Ein Ergebnis dieser Studie besagt, dass Schüler, deren Elternhaus ein hohes Einkommen aufweist, bessere Resultate in diesem Test erzielen. Ein ähnliches Ergebnis kann in

38

II Forschungsüberblick und Entwicklung von financial literacy

Verbindung mit dem Bildungshintergrund der Eltern dokumentiert werden. Auch scheint das Spielen von Börsensimulationen einen positiven Einfluss auf financial literacy bei Schülern zu haben. So sind die Ergebnisse der Schüler, die an einem Börsenspiel teilgenommen haben, signifikant besser als bei Schülern, die diese Möglichkeit nicht genutzt haben (Mandell 2008).

4 financial literacy nach PISA 2012 – Ein Fazit Das Forschungsfeld befindet sich im Wandel. financial literacy vor PISA 2012 war geprägt durch die Finanzkrise und Versuche, Defizite und Erklärungen der Krise aufzudecken und das menschliche Verhalten eines Individuums wie auch des Kollektivs zu verstehen. Durch PISA sind Schüler in den Fokus gerückt. Schüler bilden diejenige Gruppe in der Gesellschaft, deren Verhalten noch verändert und beeinflusst werden kann. Nach der PISA-Studie werden nun stärker Studien fokussiert, die Ansätze dazu liefern, was und wie etwas verändert werden muss, damit Individuen zukünftig kompetent im Umgang mit Finanzen sind.29 Forschungsarbeiten nach PISA 2012 existieren nur marginal, weisen aber in einigen Fällen ähnliche Diskrepanzen hinsichtlich des Konstrukts financial literacy aus wie frühere Arbeiten. In Österreich wurden 2015 Ergebnisse einer Studie zur financial literacy bei Schülern veröffentlicht, die auf einem Messinstrument der OECD basieren (Atkinson/Messy 2012). Insgesamt 2.000 Schüler wurden zu ihrem Finanzwissen und Finanzverhalten befragt. Die Resultate zeigen Lücken in diesen beiden Bereichen auf und finden zusätzlich genderspezifische Unterschiede, denen durch verstärkte Bildungsmaßnahmen entgegengewirkt werden soll (Silgoner et al. 2015). Neuere Studien, die sich mit Erwerbstätigen befassen, untersuchen beispielsweise die Beziehung zwischen financial literacy und der Nachfrage nach Beratungen zu finanziellen Themen und Entscheidungen. Dabei werden Kriterien, wie die Bezahlung der Finanzberater, die Kompetenz der Nachfrager und soziodemografische Faktoren, berücksichtigt. Ergebnis einer italienischen Studie ist, dass Individuen, die einen hohen Grad an financial literacy aufweisen, auch dazu neigen, sich von Finanzberatern unterstützen zu lassen, die Nachfrage aber von dem System der Bezahlung der Finanzberater abhängt. Menschen, deren financial literacy niedriger ist, agieren oft anonym und nehmen weniger oft Beratungsangebote in Anspruch (Calcagno/Monticone 2015). Der Zusammenhang zwischen der Kompetenz und der Nachfrage bzw. Inanspruchnahme von Beratungsangeboten könnte einen Hinweis darauf liefern, dass Menschen, die eine niedrige financial literacy aufweisen, sich der vielschichtigen Angebote nicht immer bewusst sind. Denn auch das

29 So werden auch Studien nach PISA 2012 betrachtet, um die Ergebnisse von FILS vor dem Hintergrund des aktuellen Forschungsdiskurses zu thematisieren.

4 financial literacy nach PISA 2012 – Ein Fazit

39

Wissen, wo man sich informieren und beraten lassen kann, gehört zum Umgang mit Finanzen und zu einer financial literacy. Eine der wenigen Studien, die sich im aktuellen Forschungsdiskurs mit Kindern befasst, ist das Projekt Childhood Roots of Financial Literacy, in dem 500 Kinder in Thailand hinsichtlich ihrer schulischen und familiären Sozialisation untersucht wurden. Die Merkmale wurden differenziert in drei Gruppen betrachtet und in Beziehung zur financial literacy gesetzt. So haben schulrelevante, familiäre und erfahrungsbasierte Faktoren Einfluss auf die Entwicklung von financial literacy. Das Testinstrument dieser Studie basiert auf den Fragen von Lusardi et al., die Studie weist nach, dass durch diese Merkmale die Entwicklung von financial literacy beeinflusst werden kann (Grohmann et al. 2015). Studien zur financial literacy im Post-PISA-Kontext sind noch jung und versuchen spezifischere Erklärungsmuster für divergente Entwicklungen einer Finanzkompetenz zu erörtern. Dabei spielen Einflussfaktoren im Rahmen der Sozialisation eine signifikante Rolle. Doch fehlt es noch an Studien, die financial literacy als Gesamtkonstrukt erheben und den komplexen Anforderungen gerecht werden. Fazit zum Forschungsdiskurs Die in dieser Arbeit angeführten Studien befassen sich mit der financial literacy, wobei die Grenze zwischen dem literacy-Begriff und dem Wissensbegriff fließend ist. So heißt es bei Lusardi30 zur PISA-Zusatzstudie financial literacy 2012: “Accordingly, 15-years-olds around the world will be able to compared with regard to their financial knowledge. In so doing, PISA has taken the position that financial literacy should be recognized as a skill essential for participation in today´s economy.” (Lusardi/Mitchell 2014, 14 f.)

Das Konstrukt der PISA-Zusatzstudie 2012 zur financial literacy hat allerdings eine andere Terminologie und stellt den Unterschied zwischen knowledge und literacy explizit in der Definition heraus: “Literacy is viewed as an expanding set of knowledge, skills and strategies, which individuals build on throughout life, rather than as a fixed quantity, a line to be crossed, with illiteracy on one side and literacy on the other. Literacy involves more than the reproduction of accumulated knowledge, although measuring prior financial knowledge is an important element in the assessment. It also involves a mobilisation of cognitive and practical skills, and other resources such as attitudes, motivation and values.” (OECD 2012, 13)

Der Vergleich des Wissenstandes von 15-jährigen Schülern, den Lusardi beschreibt, bildet ein anderes Konstrukt als das literacy-Konzept der PISA-Zusatzstudie. So

30 Chair in der financial literacy Experten Gruppe der OECD für PISA – financial literacy 2012 (OECD 2013a, 260).

40

II Forschungsüberblick und Entwicklung von financial literacy

wird in PISA der Begriff literacy explizit vom Wissensbegriff abgegrenzt und die Bedeutung des literacy-Begriffs geht über den reinen Wissensbegriff hinaus. Damit umfasst das literacy-Konzept Wissen und Faktoren sowie Fähigkeiten, Strategien, Einstellungen, die Motivation und die Fähigkeit, das Wissen in bestimmten Lebenssituationen anwenden zu können. Es geht schließlich darum, dass Kompetenzen ermittelt werden können (OECD 2012, 13). Kompetenzen sind ganz nach Chomsky (1965) und Weinert (2001) im dem testtheoretischen Fokus als kognitive Leistungsdispositionen zu verstehen, die sich auf einen übergeordneten, sinnstiftenden, thematischen Handlungskontext beziehen. Werden diese kognitiven Leistungsdispositionen zur Aufgabenbearbeitung herangezogen, wird von Performanz gesprochen. Die Dispositionen zeigen sich dann in der konkreten Aufgabenbearbeitung auf der performativen Ebene. So kann im Umkehrschluss von der Performanz auf die Kompetenz zurückgeschlossen werden (Winther/Achtenhagen 2009). Folglich sind die typischen Handlungsannahmen und -abfolgen, wenn sie in ein Testdesign eingebunden werden, um später Rückschlüsse durch das Enkodieren der beobachtbaren Performanz auf die Kompetenz zu ermöglichen, im Vorfeld sehr genau zu analysieren und zu validieren (vgl. Klieme/Leutner 2006). Im PISA-Framework zur financial literacy wird dieser Umstand zwar erkannt: „Process categories relate to cognitive processes“ (OECD 2013a, 151), aber nicht ausformuliert. Dabei stellt ein so entwickeltes Kompetenzmodell das Bindeglied zwischen dem Konstrukt Kompetenz und den realen Aufgaben dar, weshalb unter anderem auch die Diskussion um financial literacy als eigenständige Kompetenz relevant und notwendig ist (OECD 2005; Aprea 2012; Schürkmann/Schuhen 2013). Um Kompetenzen zu erfassen, sind Kompetenzstruktur und Kompetenzniveaumodelle (Hartig/Klieme 2006, 133) notwendig, damit später Aussagen zu differenzierteten Kompetenzniveaus unterschiedlicher Probanden möglich sind. Werden unter diesem Fokus die verschiedenen Studien31 zur financial literacy im Vergleich zur PISA-financial-literacy-Studie betrachtet, so wird deutlich, dass besonders die Frage der Handlungsaspekte nicht differenziert betrachtet und ausgewiesen wird. In einigen Studien ist es deshalb nicht ersichtlich, ob überhaupt Kompetenzen getestet werden oder ob es sich nicht nur um Wissen und Einstellungen handelt (Schürkmann/Schuhen 2013). In der PISA-Zusatzstudie wird dies durch die dreigliedrige Beschreibung von financial literacy als Domäne und die darin ausgewiesenen Fähigkeiten verdeutlicht. Die Zielpopulation vieler Studien zur financial literacy sind junge Erwachsene im erwerbsfähigen Alter und potenzielle Kunden von Finanzinstituten. Studien, die explizit schülerorientiert sind, gibt es hingegen nur selten (OECD 2012). Programme und Evaluationen von Materialien zur finanziellen Bildung an Schulen gibt es hinreichend (vgl. Mandell 2008, EFEP 2013). financial literacy bei Schülern zu erheben und international zu vergleichen wurde erstmalig durch die OECD in PISA 2012 vorgenommen (OECD 2012).

31 Zu den Studien siehe Kapitel II.

4 financial literacy nach PISA 2012 – Ein Fazit

41

In vielen der angeführten Studien werden zur Messung von financial literacy unterschiedliche Messinstrumente eingesetzt. Neben Wissenstests werden vordergründig Selbsteinschätzungstests zur Messung von financial literacy eingesetzt. Oft fehlen eine Beschreibung und eine Begründung der Wahl des jeweiligen Messinstruments. Das gleiche Muster zeichnet sich auch bei der Metaanalyse von Huston ab. Die untersuchten Studien basieren auf telefongestützten Interviews oder PaperPencil-Fragebögen und unterscheiden sich ebenfalls durch inhaltlich divergierende Schwerpunkte. Auch die Anzahl der Items variiert stark in den Studien und schwankt zwischen 3 und 68 Items. Insgesamt konnte Huston aus den analysierten Studien vier Hauptinhaltsfelder identifizieren: money basics (Inflation, Kaufkraft, persönliche Finanzsituation), borrowing (Vorsorge, Kreditkarten, Verbraucherkredite und Hypotheken), investing (Vorsorge, Anlage, Aktien, Anleihen Investmentfonds) und protecting resources (Versicherungsprodukte und Risikomanagement) (Huston 2010, 296 ff.). Ein ähnliches Bild zeichnet sich in den in dieser Arbeit aufgeführten Studien ab. Die identifizierten Inhaltsfelder von Huston können im skizzierten Forschungsüberblick noch durch debt (Schulden) (vgl. Disney/Gathergood 2011) und Geldpolitik (vgl. Gnan et al. 2007) als finanzwirtschaftliches Feld ergänzt werden. Auch die nicht in der Auflistung von Huston befindlichen neueren Studien (vgl. Tab. 1) zeigen ein recht heterogenes Feld und kaum Ansätze von Definitionen zum Forschungsgegenstand (Schürkmann/Schuhen 2017). Bei genauerer Betrachtung der PISA-financial-literacy-Studie kommt die Frage auf: Haben Schüler ausreichend hohe Kompetenzen und sind sie in der Lage, diese im Lebenszeitprozess auszubauen, um finanziell eigenständig in der Gesellschaft agieren und globale Zusammenhänge beurteilen zu können? Weiter muss beachtet werden, in welchen Bereichen die Schüler Stärken und Defizite haben, um intervenierende Maßnahmen entwickeln zu können und die bildungsrelevante Perspektive in den Vordergrund zu stellen. Durch dieses offene Feld ergibt sich die Ausgangslage der nachfolgenden Forschung. Das skizzierte Forschungsfeld wird vertiefend analysiert, um den Kern dieser Arbeit – das Konstrukt financial literacy bei Schülern in Deutschland – zu untersuchen, zu strukturieren und zu analysieren. Der internationale Anspruch wird an FILS nicht gestellt, um eine notwenige Reduktion des Messinstruments auf international kompatible Kriterien zu verhindern. Unter Berücksichtigung der Methodik der Kompetenzforschung ist es sinnvoll, das Konstrukt, welches zur Datenerhebung und Thesenformulierung verwendet wird, offen zu diskutieren und auf die interne Güte zu testen. Die Basis der Datenerhebung bildet eine Studie zur financial literacy. FILS wurde 2012 an allgemeinbildenden Schulen in Teilen Deutschlands durchgeführt und implementiert das für diese Arbeit relevante Konstrukt einer financial literacy, welches sich unter anderem aus dem skizzierten Forschungsbe-

42

II Forschungsüberblick und Entwicklung von financial literacy

Tab. 1: Klassifikation von Studien zur financial literacy in Anlehnung an Huston 2010.32 Studien

Definition

FK = FL

Inhaltliche Schwerpunkte

Childhood Roots of Financial Literacy 2015, Grohmann et al. 2015

Nein

Nein

financial knowledge, financial socialization, childhood experience

500

N

Wirtschaftsverständnis und Finanzkultur, Jugendstudie 2015, Bundesverband deutscher Banken 2015

Nein

Nein

Einstellungen, Sparen, Benutzung von Finanzprodukten, Banken

651

Financial literacy gaps of the Austrian population, Silgoner et al. 2015

Ja

Nein

financial knowledge, financial behavior

2.000

ING International Survey-Saving, Bright 2015

Nein

Nein

Sparen und Schulden

12.743

PISA 2012 Financial Literacy Framework, 2012

Ja

Nein

money and transaction, planning and managing finances, risk and reward und financial landscape

510.000

ING International Survey results on financial competence, Bright/ Keller, 2012

Nein

Ja

Finanzielle Bildung, Zinsen, Inflation, Aktien, Hypotheken

11.077

Financial Literacy around the World: An overview, Lusardi/ Mitchell, 2011

Nein

Ja

Zinsen, Inflation, Aktien, Hypotheken



Financial Literacy and Indebtness, Nein Disney/Gathergood 2011

Nein

Finanzielle Bildung, Zinsen, Kredit, Ausgaben, Einstellungen

2.439

Measuring Financial Literacy: Questionnaire and Guidance Notes for Conducting an Internationally Comparable Survey of Financial Literacy, OECD INFE 2011

Ja

Nein

Einstellungen, Vorsorge, Sparen, Kredit, Versicherungen

1.700

Financial Literacy and Subprime Mortgage Delinquency, Geradi et al. 2010

Nein

Nein

Mathematik, Zinsen, Inflation, Aktien, Hypotheken

349

reich ableitet und die angesprochenen Merkmale (Inhalte, Wissen, Fähigkeiten, Zielgruppenspezifität, Domänenzugehörigkeit, Zeitraum, Einstellungen und Motivation) implementiert.

32 Exemplarisch sind zehn Studien aus den Jahren 2010 bis 2015 aufgeführt. Geprüft wurde, ob die exemplarisch ausgesuchten Studien eine Definition der financial literacy ausweisen, die Begriffe financial knowledge (FK) und financial literacy (FL) gleichsetzten (FK = FL), welche inhaltlichen Schwerpunkte berücksichtigt werden und wir groß die Stichprobe ist.

5 Financial Literacy Study (FILS)

43

5 Financial Literacy Study (FILS) Die unterschiedlichen Perspektiven, die im Forschungsüberblick (siehe Kapitel I.3) dargestellt wurden, verdeutlichen, dass kein eindeutiger Konsens über die Inhalte von financial literacy besteht. Deshalb ist es wichtig, das Konstrukt financial literacy für FILS erstens inhaltlich und zweitens testtheoretisch zu entwickeln. Grundlage für das Studiendesign der Financial Literacy Study bilden sowohl gesetzte Annahmen (Kapitel I.5.1) als auch der internationale und nationale Forschungsdiskurs sowie eine schülerorientierte Perspektive (vgl. Kapitel I.5.2).

5.1 Anspruch und Ziele für die Konzeption von FILS Die Grundidee des Studiendesigns in FILS resultiert aus vier Annahmen, die bei der Erstellung der Studie gesetzt wurden, um darauf aufbauend ein inhaltliches Konstrukt zu entwickeln. 1. In FILS sollen Aussagen darüber getroffen werden, wie finanziell gebildet Schüler in Deutschland sind. Dazu wird die Testpopulation auf 15- bis 16-Jährige begrenzt, um u. a. Vergleiche zur PISA-Testpopulation herstellen zu können. Ein weiterer Grund für die Wahl dieser Population besteht darin, dass Schüler dieser Altersklasse vor neuen Herausforderungen stehen, wenn sie beispielsweise nach Abschluss der neunten oder zehnten Jahrgangsstufe in ein Ausbildungsverhältnis übergehen oder in diesem Alter ihr erstes Girokonto eröffnen. So werden die Jugendlichen mit Gehältern, Steuern und Versicherungen, möglicherweise mit Mieten und ersten Ausbildungskrediten sowie finanziellen Unterstützungsangeboten konfrontiert. 2. FILS soll deutschlandweit einsetzbar sein und daher keine curricular verankerten Inhalte prüfen. Das bedeutet, dass die inhaltliche Erschließung des Testdesigns nicht an curriculare Lernziele und Lerninhalte gekoppelt ist. Vielmehr sollen lebensweltbezogene Inhalte geprüft werden, die im Nachgang mit den curricularen Vorgaben abgeglichen werden, um Einflüsse informeller und formeller Lernprozesse zu identifizieren und gezielt Maßnahmen formulieren zu können. 3. Die Aufgabenkontexte werden mit Problemstellungen verbunden, die sowohl die aktuelle Lebenssituation wie auch zukünftige Lebenskontexte der Schüler betreffen. Auch an dieser Stelle können wieder Parallelen zu PISA gezogen werden, denn in der Zusatzstudie zur financial literacy in PISA werden die Schüler in den Aufgaben auch mit lebensweltbezogenen Problemen konfrontiert (OECD 2013a). 4. Das Studiendesign in FILS wird als Kompetenztest konzipiert. Das bedeutet, dass die Aufgabenkonstruktion den Anforderungen eines Kompetenztests genügen muss. So sollen die Antworten problemorientiert und handlungsauffor-

44

II Forschungsüberblick und Entwicklung von financial literacy

dernd sein. Die Antworten der Probanden müssen dichotomisierbar sein, um mit der Methodik des Rasch-Modells die Kompetenzen messen zu können. Ausgehend von diesen vier Annahmen wird die inhaltliche (siehe Kapitel II.5.2) und testtheoretische (siehe Kapitel III) Konzeption des Studiendesigns von FILS vorgenommen.

5.2 Erschließung des inhaltlichen Konstrukts Die Inhalte in FILS werden aus drei Perspektiven generiert. Dazu werden die inhaltlichen Strukturen aus internationalen sowie nationalen Studien betrachtet, zusätzlich wird die Schülerperspektive zur finanziellen Bildung mit eingebunden. Um den Lebensweltbezug zu berücksichtigen, werden die möglichen Inhaltsfelder mit verschiedenen Lebenskontexten der Schüler in Verbindung gebracht, um die inhaltliche Basis für FILS zu fundieren. Internationale Perspektive Im internationalen Raum ist financial literacy mit den Konzepten der economic literacy stark verknüpft (bspw. Lusardi/Mitchell 2007; Sellers 2015), wobei beide Konzepte nicht immer explizit voneinander abgegrenzt werden. In verschiedenen Forschungsarbeiten und Studien vermischen sich die Begriffe, wodurch im Rahmen von einzelnen Studien financial literacy vollständig in das Konzept der economic literacy übergeht. Japelli beginnt beispielsweise seinen Forschungsüberblick über economic literacy mit den Worten: “Economic literacy is increasingly important for households’ decisions about on how to invest wealth and how much to borrow in financial markets. Literacy also has far-reaching consequences for the stability of the overall economy.” (Japelli 2010, 430)

Japelli bezieht die Bedeutung von financial literacy auf das Konzept der economic literacy und beschreibt die enge Verzahnung beider Konstrukte. Auch in anderen Forschungsarbeiten wird der enge Zusammenhang zwischen beiden Konstrukten hervorgehoben. So stellte Stigler schon 1970 die Bedeutung von economic literacy für die amerikanische Gesellschaft heraus und sieht den Zusammenhang zwischen finanziellen Inhalten und deren ökonomischer Relevanz (Stigler 1970). financial literacy im Kontext von economic literacy wird oft in Verbindung mit einzelnen spezifischen Inhalten, wie Hypotheken, Krediten, Vorsorge oder Finanzkrisen, verwendet (vgl. unter anderem Lusardi/Mitchell 2011; van Rooij et al. 2011; Klapper et al. 2011; Disney/Gathergood 2013). In den jeweiligen Studien werden einzelne inhaltliche Segmente untersucht und im Kontext von financial literacy betrachtet. Das Konzept der economic literacy im englischsprachigen Forschungsraum umfasst somit Inhalte, die financial literacy zugeordnet werden können. Es

5 Financial Literacy Study (FILS)

45

gehören Fragen zum Haushaltsbudget, zu Anlage- und Vorsorgeprodukten sowie Rentenpläne zur economic literacy, die darin das Konzept einer financial literacy abbilden (Japelli 2010). Insgesamt lassen sich folgende Inhalte im internationalen Kontext identifizieren und klassifizieren. So werden Inhalte wie Schulden (Disney/ Gathergood 2011; Kilian 2011), Kredit und Schulden (Geradi et al. 2010; Lusardi/ Mitchell 2006; Lusardi/Tufano 2009), Anlegen und Sparen (Guiso/Japelli 2008; Kilian 2011), Finanzpolitik (Bucher-Koenen/Ziegelmeyer 2011), Geldpolitik (Gnan et al. 20007) sowie Vorsorge (Lusardi/Mitchell 2006; Lusardi/Tufano 2009; Kilian 2011) im Forschungsdiskurs financial literacy behandelt.33 Deutschsprachige Perspektive Im deutschsprachigen Forschungsraum können die Inhalte einer financial literacy ebenfalls unter das Konstrukt der ökonomischen Bildung subsumiert werden. Nach Beck ist der Begriff der ökonomischen Bildung als dreidimensionales Konstrukt definiert, „[…] das sich über den Elementen (a) ökonomisches Wissen und Denken, (b) Einstellung zur ökonomischen Sichtweise und (c) ökonomiebezogene moralische Reflexionsfähigkeit konstituiert.“ (Beck, 1989, 581)

Inhaltlich umfasst das Konzept der ökonomischen Bildung „[…] Kenntnisse und Fähigkeiten hinsichtlich grundlegender ökonomischer Ideen, mikro- und makroökonomischer Fragestellungen sowie internationaler Wirtschaftsbeziehungen.“ (Beck 1989, 584)

Das Gesamtkonstrukt der ökonomischen Bildung diskutiert Fragestellungen aus den Bereichen der Verbraucherbildung und der finanziellen Bildung und integriert diese in das Konzept der ökonomischen Kompetenz. Werden die einzelnen Bereiche isoliert analysiert, stehen unterschiedliche Schwerpunkt im Vordergrund. Bei der ökonomischen Kompetenz werden ökonomische Handlungen dokumentiert, bei der Verbraucherkompetenz steht der kritische Konsument im Fokus und bei der finanziellen Bildung werden finanzgeprägte Handlungen spezifisch betrachtet. Diese drei Bausteine, die unter dem Deckmantel der ökonomischen Bildung stehen, sind keineswegs in Abgrenzung zueinander zu sehen. Die Übergänge zwischen ihnen sind fließend, sie stehen in Verbindung miteinander (vgl. hierzu auch Kaminski/Friebel 2012). So gehören Macha und Schuhen zufolge Geld, Markt und Arbeit zu den big ideas der ökonomischen Kompetenz. Innerhalb der big idea Geld können Inhalte, wie Gehalt, Kontoführung und finanzpolitische Aspekte, ausgemacht werden, die als Subinhalte in das Konstrukt financial literacy eingehen (Macha/ Schuhen 2011, 22).

33 Siehe Kapitel II.

46

II Forschungsüberblick und Entwicklung von financial literacy

Die inhaltliche Verortung im deutschsprachigen Raum orientiert sich an den identifizierten Inhaltsfeldern durch Schlösser et al. (2011), Kaminski und Friebel (2012) sowie Macha und Schuhen (2011) und wird dort im Kontext Geld verankert (Mache/Schuhen 2011). Der kategoriale Ansatz34 wird bei Schlösser et al. berücksichtigt, die folgende Inhaltsfelder für finanzielle Bildung erarbeiten konnten: (1) täglich mit Geld umgehen, (2) Vermögen bilden, (3) sich versichern und (4) mit Verschuldung umgehen (Schlösser et al. 2011, 23 f.). Damit ähneln diese Inhaltsbereiche den von Kaminski und Eggert identifizierten inhaltlichen Komponenten der finanziellen (Allgemein-)Bildung. Kaminski/Eggert verweisen dabei auf Inhaltsfelder wie Umgang mit Geld, Umgang mit Lebensrisiken, Vermögensaufbau und Altersvorsorge und Umgang mit Darlehen und Krediten zu einer finanziellen (Allgemein-)Bildung (Kaminski/Eggert 2008, 36). Auch Piorkowsky nennt in seinen Konzepten zur Alltags- und Lebensökonomie Inhalte wie Vermögen und Geld und bezieht u. a. den Ansatz der kategorialen Wirtschaftsdidaktik in seinen Ausführungen mit ein (vgl. Piorkowsky 2011). Andere Ansätze versuchen Inhalte durch eine Definition der finanziellen (Allgemein-)Bildung zu identifizieren. Weber und Schürz extrahieren so vier Komponenten: Finanzinformationen, Finanzwissen, Finanzbildungsprogramme sowie Finanzverhalten, die in der dargestellten Reihenfolge aufeinander aufbauen und gleichzeitig voneinander abhängig sind (vgl. Schürz/Weber, 2005). Die Inhaltsfelder in diesen vier Komponenten bilden affine Bereiche zu den genannten Inhalten bei Schlösser et al. (2011) und Kaminski/Eggert (2008). So können aus nationaler Perspektive insgesamt folgende Inhaltsfelder identifiziert und klassifiziert werden (vgl. Tab. 2):

Tab. 2: Nationale Perspektive des Konstrukts. Nationale Perspektive

Inhaltsfelder

Schürz/Weber 2005

Finanzinformationen Finanzwissen Finanzbildungsprogramme Finanzverhalten

Kaminski/Eggert 2008

Umgang mit Geld Umgang mit Lebensrisiken Vermögensaufbau und Altersvorsorge Umgang mit Darlehen und Krediten

Schlösser et al. 2011

täglich mit Geld umgehen Vermögen bilden sich versichern und mit Verschuldung umgehen

34 Zum kategorialen Ansatz siehe Dauenhauer 1997, Kruber 1997, 2000, 2010 sowie Sutor 1984.

5 Financial Literacy Study (FILS)

47

Schülerorientierte Perspektive Um die Schülerperspektive auch in den Prozess der inhaltlichen Konzeption einzubinden, ist die Methode der Mindmaps in einer Vorstudie zu FILS berücksichtigt worden. Durch die Erstellung der Mindmaps wird versucht die Vorstellung von Schülern von finanzieller (Allgemein-)Bildung zu erfassen. Einer Gruppe von Schülern, die zwischen 15 und 16 Jahren alt waren, wurde kommentarlos ein Blatt mit dem Begriff finanzielle Bildung vorgelegt. In Einzelarbeit notierten die Schüler ihre Ideen zu diesem Begriff. Durch das Prinzip der Mindmap können Schüler ihre Vorstellungen visualisieren. Für den Betrachter ergibt sich dann ein strukturiertes, unvoreingenommenes Bild von den Schülervorstellungen (Lutter 2010, 100). Die Analyse der Mindmaps zeigt divergierende Vorstellungen mit einzelnen inhaltlichen Überschneidungen. Zwei Schüler hatten zu dem Begriff keine Assoziationen. Andere Schüler assoziierten mit dem Begriff die Finanzierung des Bildungssystems, verwiesen auf Schulgebühren bei Privatschulen und Studiengebühren oder bezogen den Begriff auf Ausbildungen im Dienstleistungsbereich, beispielsweise Schuldnerberater. Neben den bildungsrelevanten Faktoren lassen sich auch konkrete Inhalte dem Begriff zuordnen. So nannten Schüler in diesem Kontext Wörter wie Banken, Baufinanzierung, Finanzen der Familie, Aufklärung der Schulden, Steuersätze, Zinsen für Kredite, Investmentfonds und Finanzkrise (vgl. Abb. 2). Die Perspektive der Schüler ergibt im Hinblick auf financial literacy somit folgende Inhaltsfelder: Finanzierung des Bildungssystems, Bank, Beruf, Steuern, Konsum, Finanzierung, Versicherungen sowie Wirtschaftspolitik und Finanzkrisen.

Finanzielle Bildung

Abb. 2: Mindmaps zum Begriff „finanzielle Bildung“ (2) (originale Darstellungen der Schüler).

48

II Forschungsüberblick und Entwicklung von financial literacy

5.3 Die Inhaltsfelder in FILS In den verschiedenen Mindmaps liegen die zentral genannten Inhalte in einer Schnittmenge mit den Inhalten, die aus der nationalen und internationalen Perspektive identifiziert werden konnten. Werden die identifizierten und klassifizierten Inhaltsfelder aus den drei Perspektiven (international-, national- und schülerorientiert) gemeinsam betrachtete, kann das Konstrukt financial literacy inhaltlich erstellt werden (vgl. Tab. 3). Aus den dargestellten Inhalten werden nun die Inhaltsfelder für FILS bestimmt. Besonders im internationalen Diskurs können vielfältige inhaltliche Komponenten identifiziert werden, (vgl. Tab. 3). Einzelne inhaltlicher Elemente, wie Kredit, Hypothek, debt literacy (internationale Perspektive), Verschuldung (nationale Perspektive) und Finanzierung (Schülerperspektive) können kategorisiert zusammengefasst werden und bilden das Inhaltsfeld Schulden. Auch die genannten Felder Vorsorge, Anlageprodukte, Sparen (internationale Perspektive), Vermögen bilden, Vermögensaufbau und Vermögen (nationale Perspektive) können so zu einem gemeinsamen Inhaltsfeld Vermögensbildung zusammengeschlossen werden. Weitere Inhaltsfelder, die so identifiziert werden können, sind Versichern (Rente, internationale Perspektive), sich versichern, Umgang mit Lebensrisiko (nationale Perspektive) und Versicherungen (Schülerperspektive)), Zahlungsverkehr (Haushaltsbudget, Geld und Transaktionen, finanzielle Planung und Management (internationale Perspektive), täglich mit Geld umgehen, Umgang mit Geld, Geld (nationale Perspektive) und mit Geld umgehen (Schülerperspektive). Ein letztes Inhaltsfeld besteht aus den Elementen Finanzkrise, Inflation, Zins, Finanzlandschaft (internationale Perspektive), Wirtschaftspolitik, Finanzkrise und Finanzierung des Bildungssystems (Schülerperspektive), welches als Geldpolitik bezeichnet wird. Das Feld Steuern, welches von den Schülern mehrfach mit finanzieller Bildung assoziiert wurde, wird in FILS zusammen mit dem Bereich Versichern betrachtet. Gerechtfertigt ist dies durch die enge Verzahnung beider Bereiche, wenn diese unter dem Aspekt Arbeit und Beruf betrachtet werden und zukünftige Lebenskontexte der Schüler betreffen. Auch das Feld Risiko und Anreiz wird in die identifizierten Inhaltsfelder aufgenommen und findet Berücksichtigung im Feld Versichern und Steuern. So können folgende Hauptinhaltsfelder aus den drei Perspektiven für FILS erschlossen werden:

täglich mit Geld umgehen

Geradi et al. 2010

Disney/Gathergood 2001

Crossan et al. 2011

Klapper et al. 2011

Japelli 2010

Hypotheken

Kredit

Vorsorge

Finanzkrise

Haushaltsbudget

Vermögensaufbau Altersvorsorge Umgang mit Darlehen/Krediten

Disney/Gathergood 2011

OECD 2012; Lusardi et al. 2009

Lusardi et al. 2009

OECD 2012

Rente

Schulden (debt literacy)

Zins Inflation

Aktien

Sparen Bankkonto Geld und Transaktionen finanzielle Planung und Management Finanzlandschaft Risiko/Anreiz

Vermögen Geld

Umgang mit Lebensrisiken

Anlageprodukte

Umgang mit Geld

Verschuldung

sich versichern

Vermögen bilden

Inhalte (national)

Inhalte (international)

Tab. 3: Inhaltliche Herleitung des Konstrukts financial literacy.

Piorkowsky 2011

Kaminski/ Eggert 2008

Schlösser et al. 2011

Steuern

Bank

Finanzierung des Bildungssystems

mit Geld umgehen

Wirtschaftspolitik und Finanzkrisen

Versicherungen

Finanzierung

Inhalte (Schüler)

Geldpolitik

Zahlungsverkehr

Versichern und Steuern

Vermögensbildung

Schulden

FILS

5 Financial Literacy Study (FILS)

49

50

II Forschungsüberblick und Entwicklung von financial literacy

Die einzelnen Inhaltsfelder werden in einem weiteren Schritt unter Berücksichtigung des Lebensweltbezugs detaillierter betrachtet, um ausgehend davon die Itemkonstruktion für FILS vornehmen zu können. 5.3.1 Inhaltsfeld Schulden: Beschreibung der Lebenswelt Das Inhaltsfeld Schulden befasst sich mit unterschiedlichen Belegungen des Begriffs Schulden und gehört zu einem der für Schüler relevanten Themenbereiche. Im internationalen Raum befassen sich Studien mit debt literacy als eigenständigem Konstrukt innerhalb von financial literacy. Lusardi und Tufano verstehen unter debt literacy “a component of financial literacy, defining it as the ability to make simple decisions regarding debt contracts, in particular how one applies basic knowledge about interest compounding, measured in the context of everyday financial choices.” (Lusardi/Tufano 2008)

Das Inhaltsfeld Schulden wird als Subkomponente dem Konstrukt financial literacy zugeordnet und befasst sich mit alltäglichen Situationen und Entscheidungen, in denen Individuen mit Schulden in Kontakt kommen können. In diesem Kontext ist die begrifflichen Konzeption differenzierter Schuldenbegriffe zu erläutern. Lange und Fries (2006) legen in ihren Ausführungen zur Verschuldung von Kindern und Jugendlichen für die Begriffe der Verschuldung und Überschuldung ein Modell zu Grunde, das auf dem deutschen Insolvenzrecht basiert. So wird unter dem Begriff Schulden eine akute Zahlungsunfähigkeit verstanden, die sich auf einen kurzen Moment auswirkt. Das bedeutet, dass es sich um kurzfristig geliehenes Geld handelt, welches theoretisch sofort zurückgezahlt werden kann, aber durch fehlende unmittelbare Verfügbarkeit erst zu einem späteren Zeitpunkt durch den Schuldner an den Gläubiger gezahlt wird. Gründe dafür können örtliche und zeitliche Faktoren sein, die eine direkte Zahlung ausschließen (Lange/Fries 2006; InsO 2014, § 17, 18, 19). Unter dem Begriff Verschuldung wird eine drohende Zahlungsunfähigkeit verstanden. Das geliehene Geld kann vom Schuldner kurz- bis langfristig, aber definitiv erst zu einem späteren Zeitpunkt an den Gläubiger zurückgezahlt werden. Möglich sind in diesem Kontext auch mehrere Gläubiger, die erst im Zuge einer Ratenzahlung oder einer zeitlich begrenzten Zahlung bedient werden können (Lange/Fries 2006; InsO 2014, § 17, 18, 19). Der dritte Begriff im Inhaltsfeld Schulden ist Überschuldung, er bezeichnet die Zahlungsunfähigkeit des Schuldners. Dies betrifft die Situation, in der sich der Schuldner langfristig Geld leiht, welches erst später zurückgezahlt werden kann, den anfangs geforderten Konditionen aber nicht entspricht. Das bedeutet, dass eine Geldschuld gesplittet wird, weil die eigentliche komplette Tilgung nicht möglich ist und die monatlichen verfügbaren Mittel übersteigt (Lange/Fries 2006; InsO 2014, § 17, 18, 19). Der Hauptgrund für kurzfristige Schulden bei Schülern sind technische Geräte, Essen, Kleidung und Ausgehen sowie Computerspiele, Autos, Ausbildung und Studium sowie Reisen. Auch die kurzfristige Verschuldung wegen zu hoher Handykos-

5 Financial Literacy Study (FILS)

51

ten hat in den letzten Jahren bei den Jugendlichen zugenommen (Fries et al. 2007, BdB 2015). Die Einstellungen der Schüler zur Verschuldung ergeben ein differenziertes Bild. So ist es den meisten Jugendlichen wichtig, das Geld schnell zurückzuzahlen, allerding geben auch 73 Prozent der 10- bis 17-Jährigen an, dass sie kein Problem damit haben, sich Geld zu leihen, weil sie es zurückzahlen werden. Die Gefahr einer möglichen Zahlungsunfähigkeit wird größtenteils ausgeblendet. Dies ist möglicherweise dadurch bedingt, dass ungefähr ein Viertel der Jugendlichen sicher ist, dass bei eigener Zahlungsunfähigkeit die Eltern die Schulden übernehmen (Fries et al. 2007, 150 f.). In seltenen Fällen tritt eine Überschuldung bei jungen Erwachsenen ein. So waren 2012 ungefähr 2 Prozent der Schüler im Alter von 14 bis 17 Jahren überschuldet. Der Anteil ist zwar sehr gering, steigt aber auf 8 Prozent bei den 18- bis 24-Jährigen an (BdB 2012, 60). Es heißt, dass eine frühe Verschuldung oft den Weg in eine lang andauernde Schuldensituation bedeutet (Bender/ Breuer 2011, 45). Die Anzahl früh verschuldeter Menschen unter 30 Jahren liegt im Jahr 2015 bei 14,86 Prozent und ist mit einer stagnierenden Prognose ein Signal, dass sich Schüler mit diesem Themenaspekt auseinandersetzen müssen (Schuldneratlas 2015, 31; Bender/Breuer 2011, 45). Laut Schuldneratlas 2014 waren in diesem Jahr in Deutschland 1,75 Mio. Menschen unter 30 Jahren überschuldet (Schuldneratlas 2014). Bei der Alterskohorte der 14- bis 17-Jährigen liegt der Anteil derer, bei denen eine Verschuldung vorliegt, bei 3 Prozent. 2009 lag der Anteil der verschuldeten jungen Menschen in diesem Altersbereich bei 6 Prozent, womit eine abnehmende Tendenz der Überschuldungssituation zu verzeichnen ist (BdB 2015). Die Studien des BdB und des Schuldneratlas dokumentieren eine Zunahme der Schuldensituation bei jungen Erwachsenen in den letzten Jahren. Dass die Anzahl der überschuldeten Individuen vom Jugendlichen (14 bis 17 Jahre) zum jungen Erwachsenen (18 bis 24 Jahre) um 6 Prozentpunkte zunahm, ist ein deutlicher Hinweis darauf, dass junge Erwachsene im Umgang mit Schulden überfordert sind. Die zu entwickelnden Items zum Inhaltsfeld Schulden werden mit der dargestellten begrifflichen Differenzierung vorgenommen. Es wird verdeutlicht, inwieweit die Bedeutung des Schuldenbegriffs von den Schülern verstanden wird und ob die Schüler die Risiken und Gefahren erkennen und selbstständige Entscheidungen treffen können. Auch wenn viele Schüler mit einer Überschuldung noch nicht in Berührung gekommen sind (vgl. BdB 2012, 60), kann eine solche Situation mit dem Beginn einer Ausbildung bzw. eines Studiums eintreten, wenn beispielsweise Ausbildungs- und Studienkredite in Anspruch genommen werden oder monatlich feste Ausgaben, wie Miete, Handyvertrag oder Mitgliedschaften das verfügbare Budget überschreiten. Rückzahlungspläne und die Vorstellung der Rückzahlungsdauer sind in den Schülervorstellungen verzerrt dargestellt. Der rationale und verantwortungsvolle Umgang mit Geld und einem Kredit gehört in diese Kategorie, nicht zuletzt, weil eine frühe Verschuldung spätere Probleme nach sich zieht und Folgen für die gesamte Volkswirtschaft haben kann, wenn die Anzahl verschuldeter junger Erwachsener steigt (Bender/Breuer, 2011, S. 45). In FILS bilden die Items Handlun-

52

II Forschungsüberblick und Entwicklung von financial literacy

gen im Umgang mit Schulden ab. Es müssen Entscheidungen getroffen werden, welcher Kredit unter gegebenen Konditionen gewählt werden soll, was passieren kann, wenn das Konto überzogen ist, wie man sich in einer Situation verhält, in der Zahlungen (bspw. das Gehalt) ausbleiben und Kosten nicht mehr gedeckt sind. Auch soll geprüft werden, wie Schüler mit einer Kreditkarte umgehen und Ratenkäufe tätigen. Insgesamt kann das Inhaltsfeld Schulden somit in drei Subinhaltsfelder gegliedert werden: Geld leihen, verschulden und überschulden.

5.3.2 Inhaltsfeld Vermögensbildung: Beschreibung der Lebenswelt Das Sparverhalten von Kindern und Jugendlichen steht in einem engen Zusammenhang mit dem Themenbereich Schulden. Die Studie Jugend und Geld (2007) hat das Sparverhalten von Jugendlichen untersucht und die durchschnittliche Höhe des Gesparten sowie die Gründe für das Sparen aufgezeigt. Insgesamt 84 Prozent der Jugendlichen gaben an, ein Sparguthaben zu besitzen, wobei 40 Prozent nicht wussten, wie hoch ihr aktuelles Guthaben war (Lange et al. 2007, 134). Dass Sparen als signifikantes Thema wahrgenommen wird, zeigt sich auch in der Entwicklung des Sparverhaltens. 19 Prozent der Schüler, die zwischen 14 und 17 Jahre alt sind sparen regelmäßig. Bei der nächst höheren Alterskohorte, den 18- bis 24-Jährigen hat sich der Anteil der regelmäßigen Sparer bereits mehr als verdoppelt und liegt bei 46 Prozent. Der durchschnittliche monatliche Sparbetrag liegt zwischen 4 und 25 Euro. Altersabhängig betrachtet nimmt der monatliche Sparbetrag stark zu. So legen die 14- bis 17-Jährigen 36 Euro, die 18- bis 20-Jährigen 97 Euro und die 21- bis 24-Jährigen 236 Euro im Durchschnitt monatlich zurück. Ein gegenläufiger Trend kann bei der Wahl der Finanzprodukte zum Sparen ausgemacht werden. Mit zunehmendem Alter wird das Zurücklegen des Geldes auf dem Sparbuch unattraktiv. Die Jugendlichen sparen ihr Geld stärker auf ihrem Girokonto (BdB 2015). Zu vermuten ist, dass dieses mit der schnellen Verfügbarkeit des Geldes und der Nutzung der EC-Karte zusammenhängt. Neben Möglichkeiten der Vermögensverwaltung auf dem Spar- und Girokonto werden in FILS auch der verantwortungsvolle Umgang und Kenntnisse über Anlageprodukte zum langfristigen Sparen und zur Vorsorge berücksichtigt (vgl. Schlösser et al. 2011). Das Sparverhalten Jugendlicher wird differenziert betrachtet und unterliegt im Konstrukt financial literacy einer eng an den Schuldenbegriff angelehnten Aufteilung. So ist auf der untersten Stufe die kurzfristige Vermögensbildung angesiedelt. Darunter wird ein zeitlich eng begrenztes Sparverhalten verstanden, welches das Sparziel in absehbar kurzer Zeit ermöglicht. Dazu gehören zum Beispiel Sparziele, die leicht zu erreichen sind, indem Teilbeträge des Taschengeldes wöchentlich zurückgelegt werden. Zinsen spielen in diesem Zusammenhang keine wesentliche Rolle. Vielmehr bezeichnet der Begriff das Sparen in einer häuslichen Situation. Dagegen steht der Begriff der Vermögensbildung unter dem Aspekt einer langfristigen Anlage. So ist unter diesem Aspekt das Sparen mit der Möglichkeit einer effizienten Geldanlage zu verstehen. Zinsen und andere

5 Financial Literacy Study (FILS)

53

Kostenfaktoren spielen eine zusätzliche Rolle, damit ein angestrebtes Sparziel erreicht werden kann. Die dritte Intention umfasst den Begriff der spezifischen Vermögensbildung. Dazu zählt zum Beispiel die direkte Geldanlage in der Form von Bausparverträgen, die einer bestimmten Vermögensbildung mit einem explizit definierten Ziel dienen. Inhaltlich erstreckt sich das Feld der Vermögensbildung auf Kenntnisse und den Umgang mit verschiedenen Möglichkeiten des Sparens. Dazu gehören das Girokonto, das Sparbuch und alternative Sparmöglichkeiten. Zinsrechnung, Tagesgeldkonten sowie Lockangebote und Werbeanzeigen von Banken spielen eine große (vgl. Piorkowsky 2011, 41). Die Sparziele der Jugendlichen zwischen 10 und 17 Jahren sind der Führerschein mit 34 Prozent, ein eigenes Fahrzeug (Auto, Mofa oder Motorrad), Kleidung sowie das Handy und Computersoftware und -spiele. Dabei wird als häufigste Sparmethode das häusliche Sparen angewendet. Dies verändert sich allerdings mit zunehmendem Alter der Schüler, später werden Sparbuch und Girokonto für die Jugendlichen wichtiger. Auch Bausparverträge, Investmentfonds und Lebensversicherungen werden von einigen Jugendlichen genannt, wobei die Zahlen zwischen 1 Prozent und 4 Prozent liegen (Fries et al. 2007, 138 f.). Die Bereitschaft zum und das Interesse am Sparen steigen mit zunehmendem Alter, ebenso die Höhe des gesparten Geldes (BdB 2015). Im Vergleich zum Inhaltsfeld Schulden kann festgestellt werden, dass sich Jugendliche mit dem Feld Sparen auseinandersetzen. Dieses Inhaltsfeld setzt sich aus den drei Bereichen langfristiges Sparen, kurzfristiges Sparen sowie weiteren Möglichkeiten zur Geldanlage zusammen.

5.3.3 Inhaltsfeld Versichern und Steuern: Beschreibung der Lebenswelt Das dritte Inhaltsfeld umfasst das Gebiet der Versicherungen und Steuern. Beide Subinhaltsfelder wurden zusammengefasst, da sich dieses Themengebiet stark auf den Berufsbereich im Lebensumfeld der Schüler konzentriert. Im Bereich der Steuern und Versicherungen bilden die Sozialversicherungen und Steuerarten einer Lohnabrechnung, mit denen Schüler vor allem in zukünftigen Situationen umgehen müssen, die inhaltliche Struktur. Auch Möglichkeiten zur privaten Altersvorsorge werden in dieses Feld implementiert. Über 96 Prozent der Jugendlichen geben an, dass sie die Altersvorsorge für sehr wichtiges Thema halten, allerdings haben sich nur 32 Prozent der Jugendlichen mit diesem Thema schon einmal befasst (BdB 2012, 46 f.). Die Diskrepanz zwischen dem, was Schüler wichtig finden, und dem, womit sie sich aus eigener Intention heraus beschäftigen, ist groß. Da schulische Strukturen die angeführten Inhalte nur sehr wenig tangieren (siehe Kapitel IV), müssen sich die Schüler die Inhalte und Kompetenzen durch informelles Lernen aneignen. Die Jugendstudien zeigen, dass die Motivation bei den Schülern vorhanden ist, die Volition aber wesentlich niedriger ist und der Effekt des informellen Lernens ausbleibt (BdB 2012). So müssen die Schüler zum Beispiel einschätzen, wie hoch eine monatliche Einzahlung über einen bestimmten Zeitraum sein

54

II Forschungsüberblick und Entwicklung von financial literacy

muss, damit im Rentenalter ein gewünschter Betrag über einen zeitlich begrenzten Auszahlungszeitraum gezahlt werden kann. Die Schüler schätzen und berechnen die Höhe der monatlichen Einzahlung, wodurch ein Verständnis des Versicherungsprinzips entsteht. Das Subinhaltsfeld Steuern wurde in den Bereich Versicherung aufgenommen, da die Schüler auch hiermit in Verbindung kommen können, wenn sie beispielsweise in ein Ausbildungsverhältnis übergehen und steuerpflichtig sind. Die Relevanz dieser beiden Themen für Schüler ergibt sich somit aus dem Lebensumfeld nach der schulischen Ausbildung, wenn die Schüler eigenverantwortlich entscheiden, welche Versicherungen sie beispielsweise abschließen oder wie viel Steuern sie für ein eigenes Auto bezahlen müssen. So befassen sich weitere Bereiche in diesem Themenfeld mit gängigen Versicherungen, die im Alltag und im Haushalt wichtig sind. Dabei werden die Schüler vordergründig gefragt, ob sie bestimmte Versicherungen und ihren Zweck kennen, also, ob sie mit diesen schon einmal konfrontiert wurden und wissen, welche Versicherungen für sie relevant werden. Um in diesem Inhaltsfeld die Themenvielfalt einzugrenzen und den Lebensweltbezug zu berücksichtigen, werden folgende Subinhaltsfelder berücksichtigt: Lohnabrechnung, allgemeine Versicherungen, Rente.

5.3.4 Inhaltsfeld Zahlungsverkehr Das Inhaltsfeld Zahlungsverkehr umfasst in erster Linie den Bankensektor. Kinder und Jugendliche verfügen über Geld, das sie aus Einnahmen, wie Taschengeld Vergütungen von Nebentätigkeiten, erwirtschaften. Insgesamt besitzen 83 Prozent der Jugendlichen ein Girokonto, 67 Prozent ein Sparbuch und 17 Prozent eine Kreditkarte (BdB 2012, 66). Dementsprechend agieren Schüler mit Finanzprodukten, haben Einnahmen und Ausgaben und können eigenständige Entscheidungen in Bezug auf ihre Finanzen treffen. Schüler haben schon im frühen Kindesalter mit der Einwilligung der Eltern die Option, ein Konto bei einer Bank zu eröffnen (Verbraucherzentrale NRW 2014). So ist das Kind schon längst von Finanzinstituten als potenzieller Bankkunde erkannt worden. Die Banken werben mit kostenlosen Girokonten und attraktiven Zinsen um Kinder und Jugendliche und richten diesen ggf. sogar einen Dispositionskredit und eine Prepaidkreditkarte ein, die sie bereits mit 14 Jahren erhalten können. Banken präsentieren den jungen Kunden ganze Pakete rund um ein Konto und bieten oft zahlungspflichtige Zusatzleistungen, wie Handyversicherungen und Langzeitsparverträge in Kombination mit dem Girokonto, an. Die kostenlosen Konten sind meistens bis zum 25. oder 30. Lebensjahr garantiert, wenn ein Ausbildungsverhältnis nach dem 18. Lebensjahr besteht (Czycholl 2012). Wie oben genannt agieren die Schüler mit Girokonten, Prepaidkreditkarten und andern Finanzprodukten von Finanzinstituten. Die Banken locken sie mit Angeboten, wie hohen Zinsen, Gutscheinen von Fastfood-Ketten und Kinos, um eine

5 Financial Literacy Study (FILS)

55

frühe Kundenbindung herzustellen (Sommerfeldt 2014). Ein sicherer Umgang mit den Produkten und ein Verständnis der Tätigkeiten des Bankensektors gehören ebenso zu einer financial literacy und werden bei Schlösser et al. unter die Kategorie des Umgangs mit Geld gefasst. Es geht darum, ob die Schüler das Prinzip und die Arbeitsprozesse einer Bank verstehen und zum Beispiel eine Vorstellung haben, was eine Bank mit dem Geld, welches die Jugendlichen auf ihrem Girokonto einzahlen, macht. Beim Zahlungsverkehr wird die Fähigkeit des Online-Bankings berücksichtigt. Eigenständig Transaktionen auszuführen, Rechnungen zu begleichen und nachvollziehen zu können, ist elementar, wenn Schüler schon früh in Kontakt mit Finanzprodukten kommen. Angefangen beim Ablesen eines Kontostandes von einem Kontoauszug bis hin zur konkreten Anwendung mehrerer Transaktionen bei einer Online-Banking-Simulation, bei der die Reihenfolge und die Transaktionsart beachtet werden müssen. Online-Banking hat in den letzten Jahren in Deutschland stark zugenommen. 43 Prozent der 18- bis 24-Jährigen nutzen Online-Banking und führen Transaktionen im Internet durch. Insgesamt nutzten im Jahr 2015 29 Prozent der jungen Menschen Online-Banking und 15 Prozent Mobile-Banking. Allerdings denken nur 16 Prozent der Jugendlichen, dass die Bankfiliale und damit der Bankberater nicht mehr notwendig sind (BdB 2015). In FILS ist neben Items zu Kontoauszügen und dem Umgang mit der EC-Karte auch eine Simulationsaufgabe zum Online-Banking integriert, in der die Schüler Transaktionen durchführen und die Kontenbewegungen verfolgen sollen. Sie müssen im Menü eines Online-Bankingportals eigenständig navigieren, unterschiedliche Überweisungen (Sofortüberweisung, Dauerauftrag, Terminüberweisung) vornehmen, mit dem Ziel, im laufenden Monat das Konto nicht zu überziehen. Auch in diesem Inhaltsfeld können drei zentrale Aspekte als Subinhaltsfelder identifiziert werden. So werden in FILS vordergründig Aufgaben zu den Bereichen Girokonto, Online-Banking und rund um das Thema Kontoauszug, also Kontrolle über Ein- und Ausgaben sowie Gebühren, berücksichtigt.

5.3.5 Inhaltsfeld Geldpolitik Das Inhaltsfeld der Geldpolitik gehört nicht zum direkten Umfeld der Schüler. In diesem Feld soll analysiert werden, inwiefern sich die Schüler mit finanzpolitischen Ereignissen auseinandersetzen. Unter Berücksichtigung der individuellen financial literacy (vgl. Gnan 2007; Bender/Breuer 2011) können die Schüler in ihrer zukünftigen Lebenssituation auch das nationale und europäische Geschehen aktiv mitgestalten (zum Beispiel durch Wahlbeteiligungen). Dafür müssen die jungen Erwachsenen als mündiger (Wirtschafts-) Bürger Entscheidungen treffen und vertreten können, die auch finanz- und geldpolitische Konsequenzen haben. Der Blick über die individuelle Situation hinaus und das damit verbundene bekundete Interesse an gesamtwirtschaftlichen und besonders finanzwirtschaftlichen Aspekten wird in diesem Inhaltsfeld festgehalten. Auch aktuelle Themen zum Wissensstand

56

II Forschungsüberblick und Entwicklung von financial literacy

von Schülern, zum Beispiel die Auswirkungen der letzten Finanzkrise, werden bewusst in diesem Inhaltsfeld untergebracht. Auch die Bedeutung unterschiedlicher Währungen und ein Verständnis der Wechselkurse im internationalen Raum gehören zum Inhaltsfeld Geldpolitik. Die Schüler treffen eigene Entscheidung und schätzen verschiedene Wechselkurse und den Wert ihres Geldes. In Anbetracht aktueller Themen werden in diesem Inhaltsfeld die Neuverschuldung und die Finanzkrise als Subinhaltsfelder berücksichtigt. 5.3.6 Inhaltsfeld finanzielle Online-Service-Angebote Ein weiterer Bezug zur Lebenswelt der Schüler wird durch die Nutzung des Internets repräsentiert. So nimmt ab dem sechsten Lebensjahr die Nutzung des Internets als Medium zu. Bereits 58 Prozent der 12- bis 13-Jährigen nutzen das Internet jeden Tag für mehr als 30 bzw. 60 Minuten. Dabei suchen die Kinder mindestens einmal pro Woche nach Hilfe bei den schulischen Hausaufgaben, nach Gütern, die sie sich kaufen möchten, oder nach Hilfen und Beratungsangeboten bei Problemen. Auch Anleitungen zum Kochen oder Basteln werden von den Kindern im Internet gesucht (Feierabend et al. 2013, 33 ff.). Im Umgang mit Finanzen kommt auch dem Internet eine immer stärkere Bedeutung zu. Online-Banking, Finanzberater und Ratenrechner werden immer öfter zu Hilfe genommen, um finanzielle Entscheidungen treffen zu können (vgl. u. a. BdB 2015). Da das Internet zum Alltagsgegenstand bei Kindern und Jugendlichen geworden ist, muss angenommen werden, dass Schüler sich auch im Internet über Finanzprodukte informieren und beispielsweise Online-Rechner für Sparraten oder Laufzeiten einsetzen, um Informationen über Sparziele zu erhalten. Daher muss als letztes Inhaltsfeld die Nutzung von Online-Service-Angeboten35 berücksichtigt werden. Online-Service-Angebote stellen das sechste und letzte Inhaltsfeld einer schülerorientierten financial literacy in FILS dar. Es handelt sich um eine Kategorie, die eine konkrete Handlung im Rahmen einer financial literacy darstellt und quer zu den anderen fünf Inhaltsfeldern liegt. So sind in den spezifischen fünf Inhaltsfeldern in FILS einzelne Items so konzipiert, dass diese Online-Rechner enthalten. Der Zweck dieser Instrumente liegt darin begründet, dass gemessen werden soll, ob Schüler in der Lage sind, relevante Informationen in die Online-Instrumente einzugeben und verwertbare Informationen zu erhalten, die ihre finanziellen Entscheidungen beeinflussen können. Zum Einsatz kommen diese Instrumente auf Internetseiten von Finanzinstituten und Vergleichsportalen. So können Interessenten Sparverträge und Kreditraten online berechnen und sich über geeignete Finanzprodukte informieren. Um eine sachgerechte Information zu erhalten, bedarf es einer

35 Die Online-Service-Angebote umfassen verschiedene Online-Instrumente, die im finanziellen Kontext zum Einsatz kommen können, bspw. Online-Banking oder verschiedene Online-Rechner.

5 Financial Literacy Study (FILS)

57

korrekten Nutzung von Online-Service-Angeboten. In FILS müssen die Informationen aus dem Aufgabentext systematisiert werden und die Beträge in die richtigen Felder des Online-Rechners transferiert werden. Die Rechner, die in den verschiedenen Inhaltsfeldern in FILS implementiert sind, zielen auf die Nutzung im finanziellen Kontext ab. Es wird eine möglichst realistische Situation, die aus dem Alltag der Schüler stammt und den Umgang mit Finanzprodukten von Finanzanbietern fokussiert, konstruiert (Schürkmann/Schuhen 2013). Finanzinstitute sehen sich mit einem stark veränderbaren Markt konfrontiert. Der technologische Wandel führt dazu, dass potenzielle Kunden verstärkt virtuelle Kanäle zur Informationsbeschaffung und Entscheidungsfindung nutzen. Bereits 2010 nutzten mehr als 60 Prozent der Bankkunden onlinebasierte Informationsquellen und 20 Prozent davon schlossen online Verträge zum Kauf von Finanzprodukten ab. Die Finanzinstitute reagieren auf diese Entwicklung und nutzen die virtuellen Kanäle zur Informationsbereitstellung und Werbung, wodurch der Verbraucher mit Angeboten und Informationen überschüttet wird (Locher/Krotsch 2011). Dieser Sachverhalt legitimiert Online-Service-Angebote als Inhaltsfeld einer financial literacy. Denn um bewusst Entscheidungen auf der Ebene der virtuellen Kanäle treffen zu können, müssen Verbraucher in der Lage sein, relevante Informationen zu filtern, eigenständig relevante Informationen zur Entscheidungsfindung zu beschaffen und Verträge abzuschließen. Die Implementierung von Online-Service-Angeboten in die einzelnen Aufgaben beinhaltet verschiedene Anforderungen, die von den Schülern zur Lösung der Aufgabe ausgeführt werden müssen. Zum einen muss der Schüler die Aufgabe verstehen und die Werte in den Online-Rechner eingeben. Thematisch beziehen sich die Online-Rechner auf Ratenberechnungen, Sparbeträge und die Rentenhöhe, wobei unterschiedliche Schwierigkeitsstufen sowohl in den Aufgaben wie auch in der Bedienung der Online-Rechner berücksichtigt werden. Die Verknüpfung von Wissen, Verstehen und Anwendung wird mittels dieser Aufgaben gemessen und als Handlungsvariable (Ψ − PSI) festgehalten, um zu zeigen, dass die Bedienung von Online-Service-Angeboten eine signifikante Messdimension im Konstrukt financial literacy darstellt (Schürkmann/Schuhen 2013). Das Inhaltsfeld ist somit aus der Lebenswelt der Schüler konzipiert. Die OnlineService-Angebote finden ihre Legitimation darin, dass der Bankensektor verstärkt auf Onlineangebote setzt. Informationen und Konten können online abgeschlossen und Kredite und Sparverträge online berechnet werden. Die Nutzung dieser Instrumente zur Informationsbeschaffung ist daher elementar für eine financial literacy und muss mitberücksichtigt werden (Schürkmann/Schuhen 2013). Im Rahmen der Nutzung mit Online-Service-Angeboten werden Aufgaben konzipiert, in denen die Schüler mit Rechnern zu den Themen Sparen, Kredit und Rente umgehen müssen. Dabei wird nicht die mediale Auseinandersetzung der Schüler mit onlinebasierten Instrumenten fokussiert, sondern die Nutzung von Online-Service-Angeboten im finanziellen Kontext betrachtet. Das bedeutet, dass die Nutzung

58

II Forschungsüberblick und Entwicklung von financial literacy

eine inhaltliche Abhängigkeit zu finanzrelevanten Faktoren, wie Informationen und Angaben hat. 5.3.7 Das inhaltliche Konstrukt von FILS Für das Testinstrument in FILS sind nun sechs Inhaltsfelder identifiziert und durch weitere Unterteilungen in die aufgeführten Subinhaltsfelder ausdifferenziert worden (vgl. Abb. 3).

Versichern und Steuern

Zahlungsverkehr

Geldpolitik

OnlineService Angebote

Girokonto

Finanzkrise

Sparen

Neuverschuldung

Kredit

Geld leihen

Sparen Lohnabrechnung (kurzfristig)

Verschulden

Sparen (langfristig)

Allgemeine Versicherungen

OnlineBanking

Überschulden

Geldanlage

Rente

Kontoauszug

Inhalte

Vermögensbildung

Subinhalte

Schulden

Test

FILS Financial Literacy Study

Rente

Abb. 3: Inhaltsfelder und Subinhaltsfelder in FILS.

5.4 Einstellungstest zum Umgang mit Geld Zusätzlich zu den Inhaltsfeldern gehört die Einstellung zum Umgang mit Geld zu einer financial literacy. Denn die Situationen, denen die Schüler ausgesetzt sind, erfordern Interesse und einen kompetenten Umgang mit Finanzprodukten im Bereich des Zahlungsverkehrs. Allerdings geben gerade einmal 24 Prozent der Jugendlichen zwischen 14 und 24 Jahren an, dass es ihnen Spaß macht, sich um ihre eigenen Finanzangelegenheiten zu kümmern. Festgestellt wurde, dass mit steigendem Alter die Relevanz von Finanzinformationen und das Interesse zunehmen und Jugendliche verstärkt ihren Informationsbedarf bei Finanzinstituten decken. Dabei geben gerade einmal 9 Prozent der Probanden an, dass sie sich in Finanz- und Geldfragen gut auskennen und die Vielfalt an Finanzprodukten oft zu komplex finden. Angenommen wird, dass Schüler, die eine positive Einstellung gegenüber dem Umgang mit Geld und Interesse an den eigenen Finanzen haben, auch bessere Kompetenzen in den Inhaltsbereichen aufweisen. In vielen Studien bilden Einstellungs- und Selbsteinschätzungsfragen sogar den Hauptbestandteil der empirischen Forschungsarbeit (vgl. BdB 2012, 2015; SCHUFA 2013; Fries et al. 2007).

5 Financial Literacy Study (FILS)

59

Um die Güte einer financial literacy zu messen, ist es wichtig, die Einstellung gegenüber dem eigenen Umgang mit Geld zu berücksichtigen. Es wird angenommen, dass die Motivation und die Einstellungen zum Umgang mit Geld einen Einfluss auf den Grad einer financial literacy eines Probanden haben (vgl. OECD INFEE 2011). Dies ist besonders für Interventionen relevant, die aus den Ergebnissen von Studien zur financial literacy geschlossen werden können. So ist es vorstellbar, dass eine niedrige financial literacy nicht unbedingt mit mangelndem Fachwissen oder einer mangelnden Fähigkeit im Umgang mit Finanzen erklärbar ist, sondern auch durch negative Einstellung und Motivation, sich mit dieser Thematik auseinanderzusetzen. Daher wird im Konstrukt einer schülerorientierten financial literacy in FILS die Einstellung zum Umgang mit Geld und deren Einfluss auf die financial literacy integriert und analysiert. Im Gegensatz zum Messinstrument zur financial literacy wird der Einstellungstest aus einem etablierten Messinstrument übernommen. Der Test zum Umgang mit Geld wird von Barry (2014) adaptiert, die aus verschiedenen englischsprachigen Testitems ein deutschsprachiges Testinstrument entwickelt und validiert hat. Die Entwicklung des Testinstruments fügt sich aus insgesamt drei Testkomponenten nach Yamauchi und Templer (1982), Furnham (1984) sowie Tang (1995) zusammen. Die Items sind in insgesamt fünf Faktoren geclustert, die inhaltlich unterschiedlich ausgerichtet sind. Faktor 1 behandelt Selbsteinschätzungsfragen zum Ansehen und zur Macht durch Geld. Faktor 2 befasst sich mit der Einstellung zur finanziellen Planung. Der dritte Faktor zielt auf die Beziehung zwischen Qualität und Kosten ab. Der vierte Faktor misst den Grad der Bedeutung, den Schülern dem Geld beimessen, und der letzte Faktor untersucht den Geiz bzw. das Festhalten am Geld (Barry 2014).36 Für FILS werden alle fünf Faktoren übernommen und stellen einen Teil des Einstellungstests dar. Zusätzlich zu den Fragen von Barry wurden noch weitere Items zur Motivation abgefragt. Diese beziehen sich auf eine Selbsteinschätzung der Einnahmen- und Ausgabensituation des Probanden und fragen eine Einschätzung des Zeitaufwands für die Beschäftigung mit finanziellen Themen ab. So beinhaltet das Konstrukt des Einstellungstests für FILS insgesamt 32 Items, die auf einer fünf- und vierstufigen Skala die Antworten der Probanden erfasst.

5.5 Definition financial literacy in FILS Die inhaltlich konzeptionelle Entwicklung des Konstrukts financial literacy für FILS ist mit den vorangegangenen Erörterungen abgeschlossen. So ergeben sich für das

36 Barry hat 2014 Schüler hinsichtlich dieser Items getestet. Die Ergebnisse und die Entwicklung des Testinstrumentes sind bei Barry (2014) nachzulesen.

60

II Forschungsüberblick und Entwicklung von financial literacy

Einstellungen

Inhaltsfelder Schulden

Ansehen/Macht

Qualität durch Geld Bedeutsamkeit von Geld

Financial Literacy

Vermögensbildung Finanzielle Planung

Versichern und Steuern Zahlungsverkehr Geldpolitik

Geiz/Festhalten am Geld Online-Service Angebote

Abb. 4: Das Konstrukt financial literacy in FILS.

Gesamtkonstrukt zwei Seiten, bestehend aus den Einstellungskriterien auf der linken Seite und den Inhaltsfeldern der financial literacy auf der rechten Seite (vgl. Abb. 4). Ausgehend von den Vorstellungen der Schüler, der internationalen und nationalen Perspektive sowie den lebensweltbezogenen Beschreibungen der Inhaltsfelder kann eine Definition des Begriffs financial literacy in FILS formuliert werden. Definition des Begriffs financial literacy in FILS financial literacy in FILS ist definiert als Fähigkeiten und Fertigkeiten, die Schüler benötigen, um in ihrem zukünftigen beruflichen und privaten Umfeld monetär bewusst zu agieren und fundierte Entscheidungen in den Bereichen Schulden, Vermögensbildung, Versichern und Steuern, Zahlungsverkehr und in finanzpolitischen Fragen zu treffen. Dazu gehört auch die Nutzung von Online-Service Angeboten, um Informationen zu erhalten und auf dessen Grundlage Finanzentscheidungen zu bewerten. Geprägt sind die Fähigkeiten durch individuelle Einstellungen und die Motivation, sich mit (eigenen) finanzorientierten Themen auseinanderzusetzen.

III Entwicklung des Kompetenz- und Messmodells für FILS Die Fähigkeit, mit Geld umzugehen, das eigene Leben finanziell zu planen und in bestimmen Situationen finanziell zu agieren, umfasst Merkmale, die in FILS analysiert werden sollen. Die Idee dabei ist es, dass für jedes der identifizierten Inhaltsfelder eine spezifische Kompetenz gemessen werden soll. So wird der Umgang mit Schulden, die Fähigkeit zum Sparen, der Umgang mit Versichern und Steuern, Fähigkeiten im Bereich des Zahlungsverkehrs und der Geldpolitik sowie die Fähigkeit, mit Online-Instrumenten umzugehen, bei Schülern inhaltsabhängig gemessen. Im Zuge dieser inhaltlichen Messung in FILS ist eine Auseinandersetzung mit dem Kompetenzbegriff und den Methoden der Item-Response-Theorie (IRT) erforderlich. Die Entwicklung des Kompetenz- und Messmodells sollte dabei in ein Rahmenmodell eingebettet werden, das wichtige Phasen der Entwicklung berücksichtigt.

1 Die TMT-Methode in FILS Sonntag hat im Rahmen des Human-Ressource-Managements den Prozess der Kompetenzmodellierung schematisch dargestellt (Sonntag 2007, 274). Ähnlich wie bei Sonntag wird der gesamte Prozess (Entwicklung, Durchführung, Validierung und Analyse) für FILS aufgebaut. Der erarbeitete Prozess der Kompetenzmodellierung gliedert sich in 5 Phasen, die chronologisch aufeinander aufbauen (vgl. Abb. 5). Die erste Phase der Exploration verfolgt den Ansatz, dass die Entwicklung eines Kompetenzmodells damit beginnt, den Kompetenzbegriff unter Berücksichtigung des Forschungsdesiderates herauszufiltern. Neben einer domänenspezifischen Analyse muss der Forschungsgegenstand differenziert und spezifiziert werden. In der Konzeption (zweite Phase) werden das Desiderat und die domänenspezifische Analyse aufgegriffen, um daraus eine Studie zu entwickeln, die sowohl inhaltlich wie auch konzeptionell dargestellt werden kann. Das bedeutet, dass zum einem die Aufgaben unter Berücksichtigung domänenspezifischer und kompetenzbezogener Kriterien konzipiert werden, und zum anderen ein gesamtes Design, inhaltlich wie auch konzeptbezogen, aufgestellt wird. Das Resultat aus dieser Phase spiegelt sich in einem Kompetenzmodell im Sinne von Klieme und Hartig wider (Hartig/Klieme 2006). Die Implementation bezieht sich auf die verschiedenen Durchführungsphasen der konzipierten Studie. Dazu gehören Interviews, Pretests und die Durchführung der Hauptstudie sowie anschließend an Pretests Reliabilitätsanalysen und mögliche erste Rasch-Modellierungen, welche die Itemkriterien validieren und das https://doi.org/10.1515/9783110555622-003

62

III Entwicklung des Kompetenz- und Messmodells für FILS

5 Phasen-Methode im Prozess der Entwicklung von Kompetenztests Phase

Methode

Resultat

1. Exploration

2. Konzeption

3. Implementation

4. Analyse

5. Evaluation

Domänenspezifische Analyse des Forschungsgebietes

Entwicklung eines Aufgabenkonzeptes

Interview zur Studie

Erstellung des spezifischen Messmodells

Theoretische und empirische Validitätsprüfung

Differenzierung und Spezifizierung des Untersuchungsgegen -standes

Entwicklung des Studiendesigns (inhaltlich und konzeptionell) Theorieentwicklung

Forschungsdesiderat

Studiendesign

Pretest und Reliabilitätsanalyse Durchführung der Hauptstudie

Analyse der kompetenz- und soziodemographischen Datenstrukturen

Datengenerierung

Ergebnisse

Kompetenzmodell

Valide Ergebnisse

Valides Konstrukt

Theorie-Modell-Test(TMT)

Abb. 5: TMT-Modell: Fünf-Phasen-Methode im Prozess der Kompetenzmodellierung (in Anlehnung an Sonntag 2007, 274).

endgültige Studiendesign etablieren. Die Analyse berücksichtigt eine Auswertung der Daten nach dem Rasch-Modell, um Personenfähigkeiten und die Itemschwierigkeiten zu berechnen (siehe Kapitel V.3). Die letzte Phase, Evaluation und Validierung, findet besondere Beachtung. So wird das Forschungsdesiderat aus der ersten Phase, der Exploration, durch einen Theorie-Modell-Test (TMT) validiert. Die Vorüberlegungen aus der Exploration und der Konzeption, die neben der theoretischen Herleitung auf empirisch und konzeptionell etablierten Vorgaben aus der bisherigen Forschung resultieren, werden zudem durch gängige Messverfahren validiert. Durch den zusätzlichen Schritt des TMT können so theoretisch begründete Kompetenzkonstrukte und empirische Ergebnisse kombiniert werden. Das Kompetenzmodell bzw. -konstrukt wird zusätzlich überprüft und dargestellt, um die Forschungsergebnisse fundiert darlegen zu können. Der nächste Schritt im TMT-Verfahren orientiert sich an den Methoden der Kompetenzmessung und dem Kompetenzmodell einer economic literacy im Projekt ECOS (Economic Competencies Studie) (Macha/Schuhen 2011). Dazu wird zunächst ein Blick auf den Kompetenzbegriff geworfen, um darauf aufbauend Kriterien festzulegen, die der Entwicklung der Aufgaben dienen.

1.1 Kompetenzen in der empirischen Bildungsforschung „Die Empirische Bildungsforschung untersucht die Bildungsrealität in einer Gesellschaft, wobei der Schwerpunkt auf der institutionalisierten Bildung liegt. Bildungsforschung fragt im

1 Die TMT-Methode in FILS

63

Kern, wie Bildungsprozesse verlaufen, wer welche Qualifikationen und Kompetenzen im Bildungssystem erwirbt, wovon dieser Qualifikations- und Kompetenzerwerb abhängig ist, und welche Auswirkungen er hat.“ (Gräsel 2011,13)

Die Empirische Bildungsforschung umfasst verschiedene Bezugsdisziplinen, wie erziehungswissenschaftliche, politische und soziologische, philosophische, psychologische und ökonomische Bereiche. Genauso umfassend wie die inhaltlichen Bezugsdisziplinen der Bildungsforschung sind die schulische Bildung und Erwachsenenbildung, Familie und gender- bzw. diversityspezifische Gruppierungen sowie die Berufsbildung (Tippelt 2010). Im Kontext dieser allgemeinen Darstellung des Begriffs der (empirischen) Bildungsforschung werden drei spezifische Merkmale in die Methodologie implementiert: (1) Problemorientierung, (2) Interdisziplinarität sowie (3) Verwendung empirischer Forschungsmethoden (Gräsel 2011, 13). Im Rahmen ihrer Untersuchungen und Analysen befasst sich die Empirische Bildungsforschung mit einer Reihe von Messverfahren und Messinstrumenten. Differenziert werden quantitative und qualitative Methoden, die sich in Fragebogentechniken, Beobachtungsmethoden und Interviewtechniken ausdifferenzieren (Reinders/Ditton 2011, 45 f.). So sind die Methoden der Kompetenzforschung, wie die RaschModellierung, den quantitativen Analyseverfahren in der Empirischen Bildungsforschung zuzuordnen. Auch für FILS wird die Rasch-Modellierung in das Messinstrument integriert, da es sich um eine Kompetenzstudie handelt. Die Konstruktion des Modells einer schülerorientierten financial literacy muss daher den Anforderungen, welche die Bildungsforschung an die Kompetenzmessung stellt, genügen.

1.2 Anforderungen an die Kompetenzmessung Die Kompetenzmessung nimmt in der empirischen Bildungsforschung einen besonderen Stellenwert ein. So werden Fähigkeiten, Einstellungen und der Wissenserwerb der Schüler als Produkte von Bildungsprozessen gesehen, deren Output in der Bildungsforschung durch Kompetenzen dargestellt wird (Klieme/Leutner 2006, 876). Die Erhebung des Bildungsoutputs, der durch Messung von Kompetenzen erfasst wird, ist stark geprägt durch internationale Vergleichsstudien wie PISA, TIMSS und IGLU. Seit 2000 werden die Kompetenzen der Schüler in den Bereichen Lesen und Schreiben, Naturwissenschaften und Mathematik erhoben (Deutsches PISA-Konsortium 2001), um auf dieser Grundlage Reformansätze und Strategien zur Verbesserung der nationalen Bildungssysteme zu entwickeln. Die Kompetenzforschung ist geprägt durch den PISA-Schock im Jahr 2000, wodurch, neben der Klieme-Expertise, die Forderung nach allgemeinen Bildungsstandards aufkam. Im Rahmen dieser Forderung formulierte die Kultusministerkonferenz (KMK) für die spezifischen Domänen unter Berücksichtigung der Klieme-

64

III Entwicklung des Kompetenz- und Messmodells für FILS

Expertise allgemeine Anforderungen an Bildungsstandards. So sollen die domänenspezifischen Standards abschlussbezogen formuliert sein und den Aspekt der Kumulativität beinhalten, also zum Kompetenzaufbau beitragen, ausgehend von einem für die Domäne gefestigten Kompetenzmodell. Weiter müssen Bildungsstandards domänenspezifisch formuliert und ausgerichtet sein, kognitive Fähigkeiten umfassen sowie domänenverbundene Fähigkeiten berücksichtigen. Die Standards sollen ausschließlich Ziele beinhalten, die mittels standardisierter Lernstandserhebungen überprüft und durch Aufgabenbeispiele illustriert werden sollen (KMK 2010). Aus diesen Rahmenvorgaben entwickelte sich letztlich eine Reihe von Schulleistungs- und Kompetenzstudien, die im Sinne der Kompetenzdefinition nach Weinert (Weinert 2001) Kompetenzen domänenspezifisch als ein komplexes Konstrukt behandeln. Ausgehend von den Ergebnissen dieser Studien werden oft Maßnahmen entwickelt, um Kompetenzen vor allem der Problemlösefähigkeit von Schülern an allgemeinbildenden Schulen zu steigern (Leutner et al. 2005). So befasst sich die Kompetenzforschung letztendlich damit, dass Humanressourcen und die Produktivität des nationalen Bildungssystems validiert werden (Klieme/Leutner 2006, 877 f.), um die Effektivität von Bildung zu steigern. Schulleistungsstudien wie PISA, TIMMS und IGLU dienen unter anderem dazu, Maßnahmen zur Verbesserung der Qualität in der schulischen Ausbildung zu implementieren. Daneben besteht ein breites Interesse an einer internationalen Vergleichbarkeit der Effektivität und Funktionalität von Schulsystemen, Fähigkeiten und Leistungen der inländischen Schüler (OECD 2013b, 11). Ausgehend von der Intention der Empirischen Bildungsforschung, durch die Kompetenzmessung den individuellen Bildungsoutput zu steigern, nahmen die Anforderung an die Messund Validierungsinstrumente der jeweiligen Studien im Verlauf der Erhebungen zu (Schladitz et al. 2013).

1.3 Der Kompetenzbegriff Die Idee des Kompetenzbegriffs mit all seinen Facetten resultiert aus den schulischen Lehr- und Lernprozessen und deren Zielsetzungen, die in den spezifischen Bildungsstandards in Deutschland festgelegt sind (Klieme 2004, 10). Die Überprüfung der Ziele, die nicht rein kognitiver Natur sein können, sondern aus handlungsspezifischen Komponenten bestehen, wird mit verschiedene Testverfahren durchgeführt und mittels der Kompetenzmessung gesichert. Dabei steht der Kompetenzbegriff dem allgemeinen klassischen Intelligenzbegriff, wie er in der Psychologie verwendet wird, gegenüber. Kompetenzen beschreiben spezifische Fähigkeiten, die zur Bewältigung einer Anforderung in einer bestimmten Situation nötig sind. Die klassische Intelligenz hingegen bezieht sich auf kontextfreie Bereiche. Das bedeutet, der Kompetenzbegriff kann definiert werden als „[…] kontextspezifische kognitive Leistungsdisposition, die sich funktional auf Situationen und Anforderungen in bestimmten Domänen bezieht.“ (Klieme/Leutner 2006, 879)

1 Die TMT-Methode in FILS

65

Der Gebrauch des Kompetenzbegriffs hat in den letzten Jahren verstärkt zugenommen. Schon Weinert sieht 2001 den Gebrauch des Begriffs als konzeptuelle Inflation (Weinert 2001a). Durch die Schulleistungsstudien wie PISA, TIMSS und IGLU wird der Begriff Kompetenz in weiteren zahlreichen Forschungsgebieten angewendet (Hartig/Klieme 2006, 127). Die Komplexität des Begriffs findet ihren Ursprung in den frühen Arbeiten von Chomsky und in den Feldern der Berufs- und Wirtschaftspädagogik, die das Konzept der beruflichen Handlungskompetenz analysieren (Klieme/Hartig 2008, 12). Die erziehungs- und bildungswissenschaftliche Perspektive ist vordergründig durch Schulleistungsstudien und Bildungsstandards geprägt und versucht einen allgemeinen Kompetenzbegriff zu erfassen, wobei die Komplexität des Begriffs die Empirische Bildungsforschung vor große Herausforderungen stellt (Klieme/Hartig 2008, 11). Erpenbeck und Rosenstiel schreiben in ihrem Vorwort zum Handbuch der Kompetenzmessung folgenden Konsens vieler Wissenschaftler zur Definition des Kompetenzbegriffs. Es handelt sich um die „[…] Grundanschauung, wonach Kompetenzen nicht beliebige Handlungsfähigkeiten in allen nur denkbaren Lern- und Handlungsgebieten (Domänen) sind, sondern solche Fähigkeiten oder Dispositionen, die ein sinnvolles und fruchtbares Handeln in offenen, komplexen, manchmal auch chaotischen Situationen erlauben, die also ein selbstorganisiertes Handeln unter gedanklicher und gegenständlicher Unsicherheit ermöglichen.“ (Erpenbeck/Rosenstiel 2011, XI).

Demnach umfassen Kompetenzen Aspekte wie Wissen, Fertigkeiten und Qualifikationen und stehen zusätzlich in einer Abhängigkeit bzw. unter dem Einfluss von Regeln, Werten und Normen einer Gesellschaft oder Umgebung. Erst die Situation mit all ihren spezifischen Gegebenheiten, in der die Kompetenz erfasst werden soll, lässt die Formulierung eines domänenspezifischen Kompetenzbegriffs als Handlungsfähigkeit zu. Diese Formulierung bzw. Definition ist nur gültig unter den Gegebenheiten und Anforderungen, die neben dem Wissen, den Fertigkeiten und den Qualifikationen durch Regeln, Normen und Werte festgelegt sind und mitberücksichtigt werden. Daher lassen sich nicht alle domänenspezifischen Kompetenzbegriffe verallgemeinern (Erpenbeck/Rosenstiel 2011, XI f.). Eine der häufigsten Definitionen geht auf Weinert zurück. In einem Gutachten zur Konzeption des Kompetenzbegriffs differenziert Weinert verschiedene Begriffsvarianten (vgl. Tab. 4). Diese verschiedenen Facetten des Kompetenzbegriffs von Weinert, die sich von reinen kognitiven Strukturen bis Meta-, Handlungs- und Schlüsselkompetenz erstrecken und teilweise miteinander verknüpft sind, führten 2001 schließlich zu einer Definition des Begriffs, der in der Wissenschaft und Forschung große Popularität genießt. So sieht Weinert Kompetenzen als „[…] die bei Individuen verfügbaren oder durch sie erlernbaren kognitiven Fähigkeiten und Fertigkeiten, um bestimmt Probleme zu lösen, sowie die damit verbundenen motivationalen,

66

III Entwicklung des Kompetenz- und Messmodells für FILS

Tab. 4: Der Kompetenzbegriff nach Weinert (2001) (in Anlehnung an Hartig/Klieme 2006, 127 f.). 1. Kompetenzen als generelle kognitive Leistungsdispositionen 3. Kompetenzen im Sinne der für die Bewältigung von anspruchsvollen Aufgaben nötigen motivationalen Orientierungen 5. Metakompetenzen als das Wissen, die Strategien oder die Motivationen, welche sowohl den Erwerb als auch die Anwendung spezifischer Kompetenzen erleichtern

2. Kompetenzen als kontextspezifische kognitive Leistungsdispositionen (Kenntnisse, Fertigkeiten, Routinen) 4. Handlungskompetenz als eine Integration der drei erstgenannten Konzepte, bezogen auf die Anforderungen eines spezifischen Handlungsfeldes, zum Beispiel eines Berufes 6. Schlüsselkompetenzen als Kompetenzen im unter 2. genannten funktionalen Sinn, die aber für einen breiten Bereich von Situationen und Anforderungen relevant sind

volitionalen und sozialen Bereitschaften und Fähigkeiten, um die Problemlösungen in variablen Situationen erfolgreich und verantwortungsvoll nutzen zu können.“ (Weinert 2001, 27 f.)37

Die sozialwissenschaftliche Verwendung des Begriffs hat nach Klieme und Hartig drei Fundamente: 1. die Soziologie nach Max Weber, 2. die Linguistik nach Chomsky und 3. die pragmatisch-funktionale Psychologie im amerikanischen Raum. Max Webers Theorie der Herrschaft nutzt den Kompetenzbegriff im Sinne von Zuständigkeit und Verfügung über Zwangsmittel, während bei Chomsky und in der Psychologie der Begriff mit Fähigkeiten und Bereitschaft der Individuen konnotiert ist (näher hierzu: Klieme/Hartig 2008, 14 f.). Aus diesen drei Basiskonzepten entwickelte sich der heute verbreitete Gebrauch des Begriffs in den Sozial- und Erziehungswissenschaften mit der Absicht, die Qualität menschlichen Denkens und Handelns zu analysieren und zu messen (Klieme/Hartig 2008, 12).

1.4 Ausgewählte bestehende Kompetenzmodelle und Konzeptionen der ökonomischen Bildung Das Kompetenzmodell in FILS orientiert sich an den Ansprüchen und Maßstäben zur Kompetenzmessung im Bereich der ökonomischen Bildung. Die Idee des Kompetenzmodells wird von einigen Forschungsarbeiten zur ökonomischen Bildung getragen. So existieren zwar verschiedene Konzepte ökonomischer Kompetenz, die allerdings inhaltlich und formal Divergenzen aufweisen. Die meisten Konzepte sind theoriebasierte Konstrukte, die nicht analysiert werden und auch noch nicht empirisch im Bereich der Kompetenzmessung eingesetzt wurden. An dieser Stelle

37 Im weiteren Verlauf der Arbeit wird auf diese von Weinert 2001 gegebene Definition des Kompetenzbegriffs unter Berücksichtigung domänenspezifischer Faktoren im Bereich der ökonomischen Bildung verwiesen.

1 Die TMT-Methode in FILS

67

sollen ausgewählte wichtige Kompetenzmodelle und Konzeptionen der ökonomischen Bildung kurz vorgestellt werden. Bildungsstandards in der ökonomischen Bildung Ein umfassendes Werk, welches das selektive Bildungssystem in Deutschland berücksichtigt, veröffentlichte die Deutsche Gesellschaft für ökonomische Bildung (DeGÖB). Sein Verständnis einer allgemeingültigen ökonomischen Kompetenz beruht darauf, dass Lernende „[…] Kompetenzen erwerben, die sie befähigen, sich in ökonomischen Lebenssituationen sicher zu orientieren, gesellschaftliche und ökonomische Entwicklungen angemessen zu beurteilen und sie verantwortlich im Bewusstsein der Konsequenz mitzugestalten.“ (DeGÖB 2004, 2)

Der Kompetenzbegriff wird auf drei Ebenen entfaltet. Der Lernende soll sich orientieren, im Sinne des Zurechtfindens in einer ökonomisch geprägten Situation, beurteilen, d. h. sich eine Meinung zu einem ökonomischen Sachverhalt bilden, und verantwortlich mitgestalten: „[…] das lernende Individuum soll befähigt werden, in ökonomisch geprägten Situationen und Strukturen des gesellschaftlichen Zusammenlebens angemessen zu entscheiden und zu handeln sowie an deren Gestaltung mitzuwirken, um eine lebenswerte Gesellschaft zu sichern und weiter zu entwickeln.“ (DeGÖB 2004, 5)

In dieser sehr allgemein gehaltenen Erklärung werden die konkreten ökonomischen Fähigkeiten nicht angesprochen. Diese ergeben sich erst durch die Betrachtung der definierten Kompetenzbereiche: – Handlungssituationen ökonomisch analysieren – Ökonomische Systemzusammenhänge erklären – Rahmenbedingungen der Wirtschaft verstehen und mitgestalten – Konflikt perspektivisch und ethisch beurteilen – Entscheidungen ökonomisch begründen (DeGÖB 2004). Die aufgeführten Kompetenzbereiche beschreiben ökonomische Handlungen. Sachverhalte ökonomisch zu begründen ist ein Resultat von Entscheidungen, die aus verschiedenen Rollen (Verbraucher, Erwerbstätiger oder Berufswähler) heraus getroffen werden. Die Entscheidungen beruhen auf der Fähigkeit, Handlungssituationen ökonomisch zu analysieren, Anreizsysteme zu erkennen, Restriktionen wahrzunehmen sowie als Marktteilnehmer zu agieren und in diesem Sinne auch ökonomische Systemzusammenhänge im Kontext der Wirtschaftsordnung zu erklären. Diese mitzugestalten gehört ebenfalls zur ökonomischen Kompetenz im Verständniskonstrukt der DeGÖB. Dabei muss das Individuum unterschiedliche Perspektiven berücksichtigen, um Konflikte ethisch und zusammenhängend beurteilen zu können, zum Beispiel bei Verteilungsproblemen von Gütern (DeGÖB 2004,

68

III Entwicklung des Kompetenz- und Messmodells für FILS

6 f.). Aus diesen Kompetenzbereichen entwickelte die DeGÖB für die Grundschule und die Sekundarstufe I und II Bildungsstandards nach den Vorgaben der Kultusministerkonferenz (KMK). Die entwickelten Standards und darin implementierten Kompetenzen zur ökonomischen Bildung sind nicht durch einen Leistungstest geprüft worden. So können keine Aussagen darüber getroffen werden, welche Fähigkeiten die Schüler besitzen und wie ausgeprägt die ökonomische Kompetenz ist. Ökonomische Bildungsstandards nach Seeber et al. Seeber et al. entschieden sich, die Rahmenvorgaben der KMK zu übernehmen und weitere Bildungsstandards der ökonomischen Bildung (DeGÖB) zu verfassen. Die Standards enthalten Felder des privaten Haushalts, Unternehmen, das Ausland und den Staat. Die lehrbuchaffinen Inhaltsfelder entstehen im Rahmen der bisher etablierten Lehrpläne und sind stark am Wirtschaftskreislauf orientiert. Die drei rahmengebenden Kompetenzbereiche werden in jeweils drei weitere Subkompetenzen unterteilt, wobei sie stark einer allgemeinen, ökonomisch unabhängigen Kategorisierung entsprechen und die Subkompetenzen die jeweiligen Handlungen und Fähigkeiten beschreiben, die bis auf den Kompetenzbereich C ebenfalls sehr allgemeingültig gehalten sind (siehe Tab. 5). Die Konzeption der Teilkompetenzen scheint stark an den Taxonomiestufen nach Bloom38 orientiert zu sein. Auch dieses Konstrukt ökonomischer Bildungsstandards ist nicht empirisch geprüft.

Tab. 5: Kompetenzbereiche ökonomischer Bildung nach Seeber et al. 2012. Kompetenzbereiche

Teilkompetenzen

A

Entscheidung und Rationalität

A.1 A.2 A.3

Situationen analysieren Handlungsalternativen bewerten Handlungsmöglichkeiten gestalten

B

Beziehung und Interaktion

B.1 B.2 B.3

Interessenkonstellationen analysieren Kooperationen analysieren, bewerten und gestalten Beziehungsgefüge analysieren

C

Ordnung und System

C.1 C.2 C.3

Märkte analysieren Wirtschaftssysteme und Ordnungen analysieren Politik ökonomisch beurteilen und gestalten

WBT und TEL Andere Testverfahren wurden in Deutschland durch den Wirtschaftskundlichen Bildungstest (WBT) generiert. Der WBT ist ein vom englischen Test of Economic

38 Siehe Bloom 1956.

1 Die TMT-Methode in FILS

69

Literacy (TEL) adaptiertes deutsches Testinstrument, welches in den letzten Jahren vielfach angewendet wurde (vgl. Beck/Wuttke 2004; Rosendahl/Straka 2011 sowie Förster et al. 2012). Der WBT soll die Effekte der economic literacy eines Individuums auf die eigene Lebenssituation und das persönliche Wohlbefinden sowie auf die Gesellschaft darstellen. Beck und Krumm sprechen in diesem Zusammenhang auch von “[…] effects of economic literacy on macro-economic outcomes […]” (Beck/Krumm 1998, 3). Mögliche Probanden des WBT sind Schüler mit betrieblichen und kaufmännischen Ausbildungen sowie Studierende wirtschaftswissenschaftlicher Studiengänge. Das Testinstrument des WBTs umfasst Inhalte zum ökonomischen Denken und Wissen in den vier Bereichen Internationale Beziehungen, Mikroökonomie, Makroökonomie sowie Grundlagen der Volkswirtschaftslehre (Beck/ Krumm 1989, Förster et al. 2012, 4). Förster et al. haben in dem Forschungsprojekt ILLEV (Innovativer Lehr-Lernortverbund) den tertiären Bildungssektor betrachtet und den WBT als Teiltestinstrument eingesetzt. Ergänzt wurde das als Längsschnittstudie konzipiertes Forschungsdesign durch weitere Items, die wie der WBT als Multiple-Choice-Aufgaben konstruiert sind (Förster et al. 2012, 3 f.). Das Testinstrument deckt volkswirtschaftliche Inhalte ab und bezieht betriebswirtschaftliche Inhalte, die zu einer ökonomischen Kompetenz gehören, nicht mit ein, was dem amerikanischen Verständnis von economic literacy geschuldet ist (Beck 2000; Schumann et al. 2010, 3). So ist das adaptierte inhaltlich amerikanisch orientierte Testdesign nur schwer auf andere Gesellschaften mit abweichenden Vorstellungen zum Konstrukt economic literacy zu transferieren (Schumann et al. 2010, 3). Auch ist weder im TEL noch im WBT dargestellt, wie Kompetenzen gemessen werden und was die economic literacy bzw. ökonomische Kompetenz umfasst. Der WBT ist als wirtschaftskundlicher Wissenstest anzusehen, der nach heutigen Standards den Anforderungen an einen validen Kompetenztest nicht erfüllt. Die Intention, die der TEL bzw. der WBT mit sich führen, bildet einen ersten Schritt hin zu einem vergleichbaren internationalen Testinstrument zur Messung der ökonomischen Kompetenz. Im Kontext der vorangegangenen Diskussion des Kompetenzbegriffs in der Empirischen Bildungsforschung hat sich auch die fachdidaktische Betrachtungsweise fachspezifischer Kompetenztests verändert.

OEKOMA Angestoßen von der Definition von Weinert (2001) wurden Kriterien, die dem Anspruch eines Kompetenztests genügen, in ersten Forschungsprojekten zur der ökonomischen Bildung aufgeführt. Im deutschsprachigen Raum wurde nach dem WBT kaum ein Testinstrument zur Messung einer ökonomischen Kompetenz entwickelt. Lediglich im deutschsprachigen Raum der Schweiz wurde im Projekt OEKOMA (Ökonomische Kompetenz von Maturandinnen und Maturanden) ein Kompetenztest zur Messung ökonomischer Kompetenz entwickelt. Dazu wurden volkswirtschaftliche und betriebswirtschaftliche Inhalte aufgegriffen, die zusammen mit Bausteinen des WBT, der Aufgabenmodellierung und dem Anforderungsniveau ein

70

III Entwicklung des Kompetenz- und Messmodells für FILS

dreidimensionales Konstrukt ökonomischer Kompetenz berücksichtigen (Schumann et al. 2010; Macha/Schuhen 2011, 8). ECOS In Deutschland wurde durch das Projekt ECOS (Economic Competencies Study) das Fundament einer ökonomischen Kompetenz analysiert. ECOS zielt auf die Entwicklung eines validen Testinstruments ab, welches in einem ersten Forschungsschritt die Bestandteile ökonomischer Bildung versucht zu identifizieren. Dazu wurde eine Definition im Sinne von Weinert entwickelt, die zusätzlich Aspekte der Volition und Motivation berücksichtigt. So heißt es: „Im ‚Siegener Kompetenzmodell zur ökonomischen Kompetenz‘ fassen wir ökonomische Kompetenz wie folgt auf: Ökonomische Kompetenz lässt sich definieren als die Fähigkeit, in verbal und mathematisch geprägten Situationen, Rollen und Kontexten (1) ökonomische Fragestellungen zu erkennen, (2) ökonomische Phänomene zu beschreiben und ökonomische Schlussfolgerungen zu ziehen, (3) ökonomisches Wissen in unterschiedlichen Handlungssituationen anzuwenden, (4) sich mit ökonomischen Ideen und Themen zu beschäftigen und sich reflektierend mit ihnen in einer Weise auseinander zu setzen, die den Anforderungen des gegenwärtigen und künftigen Lebens einer Person als konstruktivem, engagiertem und reflektierendem Bürger entspricht, sowie die damit verbundenen motivationalen, volitionalen und sozialen Bereitschaften und Fähigkeiten, um die Problemlösungen in variablen Situationen erfolgreich und verantwortungsvoll nutzen zu können“. (Macha/Schuhen 2012, 21)

Das Konstrukt einer ökonomischen Kompetenz beinhaltet acht Facetten, die bei der Itemkonstruktion und bei der Entwicklung des Testdesigns berücksichtigt werden. Das Kompetenzoktagon stellt somit die Anforderungen an die Messung einer ökonomischen Kompetenz dar.39 Die erste Dimension (A) stellt einen signifikanten Faktor von Kompetenztests, das Problemlösen, dar. Dies bezieht sich explizit auf Handlungen, die zu einem bestimmten Zielzustand führen. Die Handlungsaspekte (B) umfassen die Teilkonstrukte in einem Kompetenzmodell und die jeweiligen Subkategorien, die gebildet werden, damit die übergeordnete Kompetenz greifbar und messbar werden kann. Angeschlossen daran befasst sich das Kompetenzmodell mit der Messung von Anforderungsniveaus eines Testinstruments und wird im Kompetenzoktagon unter der Dimension der Anforderung (C) gesetzt. Zusammen mit der Inhaltsdimension (D), welche die fachspezifischen Inhalte erfasst, bilden diese drei Dimensionen den klassischen Weg in der Kompetenzforschung. Macha und Schuhen erweitern diesen auf acht Dimensionen, um ein fundiertes Bild einer ökonomischen Kompetenz zu erlangen. So gehören auch die Aufgabenformate (E) nach Macha und Schuhen

39 Eine detaillierte Darstellung des Kompetenzoktagons findet sich bei Macha/Schuhen (2011) sowie bei Macha (2015).

1 Die TMT-Methode in FILS

71

als eigene Dimension zur ökonomischen Kompetenz. Neben Multiple-Choice-Aufgaben werden auch offene oder teiloffene Aufgaben konstruiert. Zum Problemlösen gehört der Anspruch, dass die Handlungen in variablen Situation (F) erfolgen und die Aufgaben unterschiedliche Situationen berücksichtigen, mit denen sich die Probanden auseinandersetzen müssen. Dazu zählt auch, dass die Probanden verschiedene Rollen (G) annehmen und in unterschiedlichen domänenspezifischen Rollen (zum Beispiel Arbeitnehmer, Arbeitgeber, Konsument) agieren. Die letzte Dimension bezieht sich auf die Motivation und die Volition (H) und berücksichtigt neben den kognitiven und kompetenzorientierten Elementen auch Einstellungen und die Bereitschaft, sich mit den entsprechenden Inhalten zu beschäftigen. Inhaltlich konzentriert sich ECOS auf drei Bereiche, die big ideas: Markt, Arbeit und Geld. Damit werden sowohl die betriebswirtschaftlichen wie auch die volkswirtschaftlichen Perspektiven berücksichtigt (Macha/Schuhen 2011). Eine Aufgabe im Projekt ECOS ist es, das Kompetenzoktagon zu prüfen und die Dimensionen sowie deren gegenseitige Beeinflussung zu analysieren. In ECOS werden zur Identifikation eines Kompetenzmodells mehrere Rasch-basierte Modelle berechnet und miteinander verglichen. In Anlehnung an vorangegangene Forschungsarbeiten von Achtenhagen und Winther (2010) wird ECOS auch auf unterschiedliche Dimensionen hin untersucht. Diese unterscheiden sich durch mathematische und verbale ökonomische Kompetenz, die zur latenten Variable ökonomischer Kompetenz gehören. Ein zweidimensionales Konstrukt scheint nach den Fit-Statistiken geeigneter zu sein, ökonomische Kompetenz abzubilden. So ist festzustellen, „[…] dass mit dem zweidimensionalen Modell die tatsächliche empirische Prävalenz eines zweidimensionalen Konstrukts ‚in den Köpfen‘ der Schülerinnen und Schüler nachgewiesen werden konnte.“ (Macha 2015, 150)

Eine weiterführende Differenzierung wird durch die Betrachtung eines vierdimensionalen Konstrukts vorgenommen. Es wird differenziert zwischen den vier Dimensionen mathematisch – wissen, mathematisch – handeln, verbal – wissen und verbal – handeln. In ECOS zeigt sich, dass das vierdimensionale Modell das Konstrukt der ökonomischen Kompetenz signifikant besser erklären kann als das einfache Basismodell. Allerdings ist die Reliabilität der Dimensionen im zweidimensionalen Modell stimmiger, weshalb zur Erlangung weiterer Ergebnisse ökonomische Kompetenz als zweidimensionales Konstrukt behandelt wird (Macha 2015).

1.5 Entwicklung eines Kompetenzmodells für FILS Für FILS wird eine adaptive Vorgehensweise aus dem Projekt ECOS auf theoretischer Basis gewählt. Das bedeutet, um ein Kompetenzmodell für financial literacy entwickeln, validieren und die Ergebnisse analysieren zu können, wird in einem ersten Schritt das Kompetenzmodell festgelegt und theoretisch begründet. Die Vor-

72

III Entwicklung des Kompetenz- und Messmodells für FILS

Inhaltliche Ebene Schulden

Vermögensbildung

Versichern und Steuern

Zahlungsverkehr

Geldpolitik

Online-Service-Angebote

Aufgabenformat

Problemlösen

Kompetenzorientierte Ebene Rolle

Handlungsaspekt

Situation

Anforderung

Individuelle Ebene Motivation/Volition

Einstellungen

Abb. 6: Konstrukt einer financial literacy für FILS.

gehensweise orientiert sich am Aufbau von ECOS, adaptiert die Elemente des Kompetenzoktagons und transferiert diese auf das Konstrukt financial literacy für FILS (vgl. Abb. 6). Die Konstruktion von financial literacy für FILS wird in drei Hauptkategorien unterteilt und beinhaltet neben den Dimensionen des Kompetenzoktagons aus ECOS weitere, für dieses Konstrukt relevante Faktoren. Die inhaltliche Ebene stellt sechs Inhaltskategorien dar, welche die Themen Schulden, Vermögensbildung, Versichern und Steuer, Zahlungsverkehr, Geldpolitik und die Online-Service-Angebote umfassen.40 Die kompetenzorientierte Ebene beinhaltet sieben der acht Dimensionen aus dem Kompetenzoktagon aus ECOS (Macha/Schuhen 2011) und zielt auf die Item- und Testkonstruktion ab.41 Die letzte Ebene beinhaltet die individuelle Position der Probanden. Es werden Einstellungen zum Umgang mit Geld 42 sowie die Motivation abgebildet.43 Die kompetenzorientierte Ebene umfasst die Handlungsaspekte, der für financial literacy definiert werden müssen. In Anlehnung an vorangegangene Definitionen von financial literacy werden Kompetenzen beschrieben, die ein Individuum haben muss, um finanziell agieren zu können. Innerhalb des Testinstruments müssen verschiedene domänenspezifische Handlungsaspekte in die Items integriert werden. Zur financial literacy gehören die Suche und Auswahl relevanter Informationen, das Spar- und Verschuldungsverhalten, der Umgang mit Instrumenten der Finanzinstitute, beispielsweise Überweisungen, Kreditkartenbenutzung sowie die Nutzung von Online-Service-Angeboten (Online-Banking und Online-Rechner), und der Umgang mit Versicherungen, einer Lohnabrechnung und Steuern. Zusätzlich können auch Basishandlungen, wie Lesen eines Kontoauszugs und mathematische Operationen, zum Beispiel Zinsrechnung und Prozentrechnung, unter den Handlungsaspekt gefasst werden. Die Ebene der Handlungen resultiert aus der ak40 41 42 43

Siehe Siehe Siehe Siehe

Kapitel Kapitel Kapitel Kapitel

II.5.3. III.1.4. II.5.4. II.5.2.6.

1 Die TMT-Methode in FILS

73

tuellen und zukünftigen Situation, in der sich Schüler befinden können, und aus den erforderlichen Fähigkeiten in den Inhaltsfeldern.44 Die zweite Kategorie der Rollen konzentriert sich auf die verschiedenen Positionen, die ein Proband während der Durchführung des Tests einnimmt. So werden Items aus der eigenen Perspektive oder aus der Fremdperspektive gestellt. Im Rollenkonzept muss der Schüler Handlungen und Entscheidungen aus der jeweiligen Perspektive treffen. Eng verbunden mit den Rollen ist die Kategorie der Situationen, die unterschiedliche Sinnzusammenhänge und Kontexte in den Items fordert. So sind die Probanden zum einen mit ihrer eigenen Lebenssituation in den Aufgaben konfrontiert, in anderen Items müssen sie sich mit zukünftigen und fremden Lebenssituationen befassen. Die 15- bis 16-jährigen Schüler werden eventuell noch nicht in einer Überschuldungssituation gewesen sein oder vor der Entscheidung stehen, bei welcher Bank sie ein Kreditangebot wahrnehmen möchten, könnten sie aber in der Zukunft erleben. Wichtig sind die Entscheidungen und die Handlungen der Probanden in den Situationen und in den unterschiedlichen Rollenkonzepten. Angelehnt an die ersten drei Kategorien ist auch das Problemlösen, welches eine wichtige Anforderung an kompetenzorientierte Aufgaben stellt. Integriert in die Situation und in die Rolle muss ein Kontext sein, der den Probanden mit einem aktuellen Problem konfrontiert. Die Lösungsvorschläge müssen so konzipiert sein, dass das Antwortverhalten mit einer konkreten und dennoch fiktiven Handlung verbunden ist. So wird der Proband mit verschiedenen Problemen konfrontiert, welche aus wechselnden Rollen heraus bewertet werden müssen. Das Zusammenspiel dieser vier Kategorien erfordert ein komplexes Design der Aufgaben und stellt an den Probanden unterschiedlichen Anforderungen. Das Anforderungsniveau in FILS ist in den einzelnen Aufgabenkontexten in abgestufter Form aufgestellt. Es gibt einfache Aufgaben, die ein gewisses Mindestmaß an Wissen und Fähigkeiten der Probanden erfordern. Aufgaben, die ein höheres Anforderungsniveau aufweisen, sind in einen Kontext eingebunden, der mehrere Aufgaben umfassen kann. So können Abstufungen durch Teilaufgaben generiert werden. Dazu gehört auch, dass die Probanden Informationen selektieren, Ergebnisse erst schätzen und anschließend konkret berechnen müssen. Der letzte Aspekt behandelt die Aufgabenformate. In FILS kommen in erster Linie Multiple-Choice-Aufgaben zum Einsatz. Diese werden ergänzt durch halboffene Antwortformate in Form von Begründungen zu einer getroffenen Wahl. Weitere Aufgabenformate umfassen die Handhabung und Nutzung von Online-Rechnern und einer Online-Banking-Simulation. Das Kompetenzmodell in FILS basiert auf Kriterien zur Itemkonstruktion, ist inhaltlich erschlossen, implementiert Fähigkeiten und berücksichtigt individuelle Einstellungen. Die Fähigkeiten werden mithilfe des Rasch-Modells dargestellt und die Beziehung zwischen Einstellungen und Fähigkeiten kann auf dieser Grundlage untersucht werden.

44 Siehe Kapitel III.5.3.

74

III Entwicklung des Kompetenz- und Messmodells für FILS

1.6 Methoden der Kompetenzmessung „Die Messverfahren bedürfen dazu der Verankerung in empirisch geprüften kognitionspsychologischen bzw. fachdidaktischen Kompetenzmodellen, die Struktur, Graduierung und Entwicklungsverläufe der Kompetenzen abbilden. Die Kompetenzmessung muss sich darüber hinaus auf psychometrische Modelle stützen, die gewissermaßen zwischen Messoperation und Kompetenzmodell vermitteln, das heißt begründen, wie ein Messergebnis (z. B. Anzahl und Art der gelösten Aufgaben) im Sinne des Kompetenzmodells zu interpretieren ist.“ (Klieme/Leutner 2006, 877).

Die empirisch kognitionspsychologische Darstellung der Kompetenzdimension ist angelehnt an die Messinstrumente aus der Intelligenzforschung. Die Dimensionen werden durch reine Korrelationswerte festgelegt. Hochkorrelative Zusammenhänge werden einer Dimension zugeordnet unabhängig von inhaltlichen Faktoren (Hartig/Klieme 2006, 132). Die inhaltlich begründete Dimensionalität eines Kompetenzmodells ist sowohl theoretisch wie auch empirisch darstellbar und liefert in diesem Zusammenhang spezifische Ergebnisse für ein Kompetenzmodell. In der Konzeption von FILS wird das inhaltlich begründete Konstrukte auf ihre Dimensionalität geprüft. Das bedeutet, dass die inhaltlichen Vorüberlegungen aus dem Kompetenzmodell validiert und die Dimensionalität vorab festgelegt werden, wobei sich die Güte des Modells danach richtet, ob die Dimensionen letztendlich auch durch das Kompetenzmodell abgebildet werden können und mittels der Validitätsprüfung auf eine latente Dimension, financial literacy, laden. Beide Analysen, theoretisch und kognitionspsychologisch, bedürfen der Instrumenten und der Methoden der psychometrischen Modelle (Klieme/Hartig 2006, 877).

Psychometrische Modelle Zur Leistungsmessung im Bereich der Kompetenzmessung werden psychometrische Modelle verwendet, die eine Verbindung zwischen dem Kompetenzmodell und den zugehörigen Messoperationen bilden. In diesem Sinne geben die psychometrischen Modelle eine Erklärung ab, wie das Messergebnis im Kontext des Kompetenzmodells zu interpretieren ist (Klieme/Hartig 2006, 877). Eines der ersten Modelle entwickelte Fischer 1974 als Spezialfall des RaschModells, indem er Denk- und Lernprozesse von bestimmten Gruppen modellierte (Rost 2004a, 664). Psychometrische Modellen finden ihre Anwendung vor allem in der Einzelfalldiagnose und der forensischen Psychologie (Hommers 1992, 206). In der Bildungsforschung werden in psychometrischen Tests differenzierte spezifische Persönlichkeitsmerkmale gemessen und zur Leistungsmessung bei Schülern eingesetzt. Die Leistungsmessung wird durch Messmodelle zu spezifischen Fähigkeiten generiert und grenzt sich von reinen kognitiven Testmodellen ab. Die Testverfahren sind meist wissenschaftlich etablierte Routineverfahren, die expliziten Gütekriterien in der klassischen oder probabilistischen Testtheorie genügen (Bühner 2011, 38). Diese Idee wird auch für FILS adaptiert. Es wird kein

1 Die TMT-Methode in FILS

75

Wissenstests generiert, sondern ein problemorientierter Kompetenztest, der die Fähigkeiten der Schüler im Umgang mit finanziellen Strukturen darstellt und entsprechend der Inhaltsfelder klassifiziert.

Item-Response-Theory Psychometrische Modelle dienen im bildungsorientierten Kontext dem Zweck, Personenmerkmale bei Schülern zu messen. Die Messmodelle bedienen sich der Methodik der Item-Response-Theorie (IRT) (bspw. Embretson/Steven 2013; Weiss/Yoes 1991). Kontrovers diskutiert wird, ob die IRT zur klassischen Testtheorie als eine Erweiterung oder als Gegenstück, angesiedelt in der probabilistischen Testtheorie, angesehen wird (Moosbrugger 2012, 228). Psychometrische Modelle werden in Bezug auf die Methoden der IRT in der probabilistischen Testtheorie implementiert. Ausgehend von festgelegten Antworten (Response) für jede spezifische Aufgabe (Item) versuchen die Modelle der IRT Einstellungs-, Persönlichkeits- bzw. Fähigkeitsmerkmale zu messen. Die Analysen können dabei auf zwei Variablentypen, den manifesten (beobachtbar) und den latenten (nicht direkt beobachtbar) Variablen basieren (Moosburger 2012, 228). Im Gegensatz dazu fokussiert die klassische Testtheorie die Antworten und nicht die Aufgaben (De Ayala 2009, 5). Um Rückschlüsse auf ein Personenmerkmal vornehmen zu können, werden in einem Testverfahren mehrere Items einem Merkmal zugeschrieben und bei der Datenauswertung gebündelt erfasst. Damit unterschiedliche Stufen des Personenmerkmals gesichert werden, sind die Items mit spezifischen Schwierigkeitsgraden belegt. Für dieses Verfahren muss eine genügend große Stichprobe vorhanden sein (Wright/ Stone 1979, 9). Die Methoden der IRT suchen nach einer mathematischen Relation, die den Zusammenhang zwischen Personenfähigkeit und Schwierigkeitsgrad im Hinblick auf das Antwortverhalten darstellt (Wright/Stone 1979). Dabei werden die latenten Charakterisierungen der Personen und Items als Prädiktoren für die beobachtete Reaktion, also das Antwortverhalten, genutzt (Ayala 2009, 5).

Das Rasch-Modell Eine häufige Verwendung der IRT in den Bildungswissenschaften findet sich durch Analysen mit Hilfe des Rasch-Modells, welches zu den ein-parametrisch-logistischen (1PL) Modellen gehört, wieder (Rost 2004b, 133; Ayala 2009, 19; Wright/ Stone 1979). Die Messung erfolgt mittels der manifester Variablen. Das Antwortmuster ist dichotomer Art und wird durch eine 0-1-Matrix wiedergegeben, die nSpalten (v = 1, …, n Personen) und m Zeilen (i = 1, …, m Aufgaben) aufweist. Die Konstrukte der latenten Variablen basieren auf den einzelnen Testitems, welche durch manifeste Variablen beschrieben werden und unterschiedliche Kontingenzen erklären. Die entstandene Matrix besteht somit aus den Werten xvi, wobei der Matrix die Datenstruktur von Personen (v) × Items (i) zugrunde liegt (Strobl 2012, 6 f.). So werden die dichotomisierten Ergebnisse in einer 0–1-Matrix beschrieben.

76

III Entwicklung des Kompetenz- und Messmodells für FILS

Die Informationseinheit, die sich aus dem Testverfahren ergibt, wird in der Einheit bit (binary digit) gemessen. Dabei entspricht 1 bit einer mit 1 codierten Antwort, die ein richtiges Ergebnis eines Items darstellt (Rost 2004b, 91). In der IRT ist es relevant, dass das Antwortverhalten des Probanden auch vom Zufall abhängt und nicht nur mit einer Fähigkeit erklärt wird. Daher wird im Rasch-Modell der Zusammenhang zwischen Fähigkeit und Zufall betrachtet. Eine fähige Person besitzt somit eine hohe Wahrscheinlichkeit, ein spezifisches Item lösen zu können. Dadurch ergeben sich neben den dichotomen Daten in der Antwortmatrix die Ausprägung der Antwortvariablen Xvi, mit v = Zeilenindex, i = Spaltenindex n. Es wird die Situation rekonstruiert, bevor ein Proband die Aufgabe bearbeitet. So kann die Wahrscheinlichkeit, dass ein Proband v bei der Beantwortung der Aufgabe i das Ergebnis xvi erzielt, geschätzt werden, welches durch die Wahrscheinlichkeit P(Xvi = xvi ) beschrieben wird (Strobl 2012, 7). Die Wahrscheinlichkeit, dass der Proband fähig ist, ein Item zu lösen, ist abhängig von der individuellen Fähigkeit und von dem Schwierigkeitsgrad des Items. Beide Faktoren spielen eine elementare Rolle bei der Berechnung der Modellgleichung. Die Fähigkeit der Person v wird durch die latente Variable θv beschrieben und die Schwierigkeit des Items i durch σi . Je fähiger die Person ist, desto höher ist ihre Lösungswahrscheinlichkeit. Das Rasch-Modell enthält diese Bedingungen:

p​ (x​v​i​ ) =

exp(x​v​i​ (θ​v​ − σ​i​ ))

.

1 + (exp(θ​v​ − σ​i​ )) Die Herleitung der Modellgleichung resultiert aus den Annahmen der kumulativen Normalverteilung und erschließt sich aus unterschiedlichen Faktoren und mathematischen Operationen. Betrachtet werden der Itemscore ∑N​v​ = 1 x​v​i​ = n​i,​ also die Leichtigkeit eines Items, und der Personenscore ∑k​i​ = 1 x​v​i​ = r​v​ bzw. Summenscore, die sich beide aus der dichotomen Matrix berechnen lassen. Um statistische Nachteile der kumulativen Normalverteilung zu mindern, wird diese mithilfe der Berechnung der Lösungswahrscheinlichkeiten in eine adaptive Modellgleichung p​ (X​v​i​ = 1) , die eine Art lop​ (X​v​i​ = 0) garithmierte Wettquotienten darstellen und somit eine Aussage über die Chance treffen, dass ein Proband das Item löst.45 Grafisch lassen sich die Wahrscheinlichkeiten durch Item Characteristic Curve (ICC) abbilden, diese visualisieren die Wahrtransformiert. Dazu werden die Logits betrachtet, l​o​g​

45 Das Logarithmieren dient hierbei dem Zweck, dass die Asymmetrie der Quotienten, die im Bereich [0; ∞] abgebildet werden, behoben wird und sich symmetrisch auf das Intervall [−∞; ∞] bezieht. Wird dies nun in eine lineare Verbindung zur Personenvariable, also der Differenz aus Personenfähigkeit und Itemparameter, gesetzt (θv − σi ), erhält man durch Umformulieren der Gleichung die Modellgleichung des Rasch-Modells.

1 Die TMT-Methode in FILS

77

scheinlichkeit einer richtigen Itemantwort mit P(Xvi = 1) = f(θv), wobei θ die latente Personenvariable ist (Rost 2004b, 91, 115 ff.; Hartig/Klieme 2006).46 Um im Bereich der Kompetenzmessung mit dem Rasch-Modell agieren zu können, müssen zwei Parameter zur Berechnung geschätzt werden, die Item- und Personenparameter.47 Die Maximum-Likelihood-Funktion stellt die Funktion der unbekannten Parameter unter Berücksichtigung der schon bekannten Wahrscheinlichkeitsfunktion des Rasch-Modells: P​ (X​v​i​ = 1 | θ​v,v​ ​ i​ ) =

exp(θ​v​ − σ​i​ )

.

1 + (exp(θ​v​ − σ​i​ ))

Um eine möglichst genau Schätzung der Parameter zu erreichen, hat sich gezeigt, dass konsistente Schätzer durch ein zweistufiges Schätzverfahren expliziter ausgegeben werden können. Dies wird durch die marginale Maximum-Likelihood-Methode als Schätzverfahren der Aufgaben- und Personenparameter dargestellt. Die Abfolge der Schätzung bezieht sich auf die Vorgehensweise, die sich auch im Ablauf der Studie zeigt. So werden erst die Aufgabenparameter und anschließend die Personenparameter geschätzt. Dies impliziert, dass die Schätzer konsistent bleiben auch wenn sich die Stichprobe verändert. Bei diesem Verfahren werden die Aufgabenparameter unabhängig von den Personenparametern geschätzt und hängen von den jeweiligen Randsummen ri ab. Die Aufgabenparameter werden mittels folgender Likelihood-Funktion und durch iterative Verfahren geschätzt 48: n​

L​u​ (r​,υ​) =

e​ − ∑i​ = 1 s​j​ υ​j​ ∏n​i​ = 1 γ​ri​​ (υ​)

.

Die durch iterative Verfahren geschätzten Aufgabenparameter können nun in die gemeinsame Likelihood-Funktion eingesetzt werden, um die noch zu schätzenden Personenparameter für das Rasch-Modell zu schätzen:

46 Zu einer expliziten Herleitung siehe Rost 2004b, 91, 115 f. 47 Die Ansätze zur Schätzung beider Parameter im Rasch-Modell unterscheiden sich in der zeitlichen Ausführung der jeweiligen Schätzung, die nacheinander oder gleichzeitig vollzogen werden kann. Durch die Testkonstruktion folgen die meisten Schätzer dem Prinzip, dass zuerst die Aufgaben- und anschließend die Personenparameter geschätzt werden. Begründet wird dieses Verfahren mit der psychologischen Struktur des Testaufbaus und der -durchführung. So werden erst die Aufgaben bei der Durchführung getestet und anschließend in den weiteren analytischen Schritten die Personenfähigkeit mittels der erhobenen Daten geschätzt. Beide Schätzverfahren benutzen die Methode der Maximum-Likelihood-Funktion (Rost 2004 b). 48 γri ist eine elementarsymmetrische Funktion, die sich bei der Herleitung der Schätzer ergibt. Für die genaue Herleitung siehe Strobl 2010 S. 30 ff.

78

III Entwicklung des Kompetenz- und Messmodells für FILS

m​

L​ui​​ (θ​i,υ​ ​ ) =

e​ r​i​ θ​i​ − ∑j​ = 1 u​i​j​ υ​j​ θ​i​ − υ​j​ ∏ m​ ) j​ = 1 (1 + e​

.

Im Rasch-Modell können die Personen- und Aufgabenparameter auch noch über andere Verfahren, wie die marginale Maximum-Likelihood-Schätzung, generiert werden (Strobl 2010, 27 ff.). Aus den Fähigkeiten und Schwierigkeiten können anschließend Intervalle zur Testauswertung konstruiert werden, die eine spezifische Darstellung der Kompetenz zulassen. Kompetenzmessung in FILS In FILS werden Kompetenzen ebenfalls mittels der Methodik der IRT gemessen. Die Merkmale der Inhaltsbereiche Schulden, Vermögensbildung, Versichern und Steuern, Zahlungsverkehr und Geldpolitik sowie des Feldes der Online-Instrumente werden mithilfe der Rasch-Modellierung dargestellt. Die Wahl des Rasch-Modells für FILS liegt in seiner Eignung für psychologische Testverfahren begründet. Es soll ein objektives und faires Testinstrument für financial literacy ausformuliert werden, welches die einzelnen Elemente durch das Rasch-Modell validiert und die Möglichkeit der Fähigkeitsmessung für financial literacy darstellt. Präzise betrachtet werden für FILS sechs singuläre Tests entwickelt, die den Inhaltsbereichen genügen. In erster Linie geht es bei der Überprüfung der einzelnen Tests darum, dass Items ausgeschlossen werden, die nicht dem Modell entsprechen und möglicherweise andere Zwecke verfolgen als die darzustellende Fähigkeit des entsprechenden Inhaltsfeldes. Um die Idee der inhaltsabhängigen Messung in FILS abbilden zu können, muss für financial literacy ein Kompetenzmodell entwickelt werden, welches den Ansprüchen der Kompetenzmessung genügt. FILS umfasst Inhaltsbereiche, in denen unterschiedliche Teilfähigkeiten gemessen werden sollen und die Bereich Schulden, Vermögensbildung, Versichern und Steuern, Zahlungsverkehr, Geldpolitik und Online-Instrumente umfassen. Diese Inhaltsbereiche können in weitere Subinhaltsfelder ausdifferenziert werden, die sich auf kleinere inhaltliche Komponenten beschränken (vgl. Abb. 7). Zu jedem Subinhaltsfeld gehören eine oder mehrere Aufgaben, die wiederum in Items ausdifferenziert werden können. Das Item bildet die kleinste Einheit im Test, wobei dies eine Frage sein kann oder eine Antwortoption. Unterschiedliche Items haben einen gemeinsamen Aufgabenkontext und die Aufgabe ist in eine Subskala implementiert, die zu einer der sechs Skalen gehört. Das Testinstrument umfasst nach der Konzeption insgesamt 69 Items. Die Verständlichkeit der entwickelten Aufgaben wurde vor dem Pretest überprüft. Zu diesem Zweck wurde der onlinebasierte Fragebogen als Papierversion an zwei leistungsstarke Schüler der 9. Jahrgangsstufe ausgehändigt. Die Schüler fingen an sich über jedes einzelne Item und über die Aufgabenstellungen zu unterhalten und erzählten, wie sie die jeweilige Aufgabe verstehen. Der Interviewer protokollierte Unterschiede zwischen dem intendierten Sinn der Aufgabe und dem Verständnis, das von den Schülern geäußert wurde. Das think-

79

1 Die TMT-Methode in FILS

Geldpolitik

OnlineService Angebote

Girokonto

Finanzkrise

Sparen

Neuverschuldung

Kredit

Geld leihen

Sparen Lohnabrechnung (kurzfristig)

Verschulden

Sparen (langfristig)

Allgemeine Versicherungen

OnlineBanking

Überschulden

Geldanlage

Rente

Kontoauszug

Aufgabe(S)

Aufgabe(V)

Aufgabe(VS)

Aufgabe(Z)

Aufgabe(GP)

Aufgabe(O)

Item 1

Item 1

Item 1

Item 1

Item 1

Item 1

Item 2

Item 2

Item 2

Item 2

Item 2

Item 2

Inhalte

Zahlungsverkehr

Subinhalte

Versichern und Steuern

Rente Aufgaben

Vermögensbildung

Items

Schulden

Test

FILS Financial Literacy Study

***

Abb. 7: FILS – Hierarchische Testkonstruktion.

aloud-Verfahren ermöglicht es, die Wahrscheinlichkeit verzerrter Ergebnisse, die durch missverständliche Aufgaben entstehen, zu minimieren (Prüfer 1996). Darauf aufbauend ist das finale onlinebasierte Testinstrument erstellt worden, welches von 42 Schülern einer Realschule getestet wurde. Dadurch konnte jedes Item auf die eigene Reliabilität geprüft werden. Items, die eine schlechte Reliabilität, also ein Cronbachs Alpha von unter ,60 aufwiesen, wurden vom Test ausgeschlossen. Einzelne Antwortkriterien werden ebenfalls dann ausgeschlossen bzw. überarbeitet, wenn die Korrigierte Item-Skala-Korrelation unter ,20 liegt. Insgesamt liegt die Verteilung der Reliabilitätswerte für die finalen Items zwischen ,61 und ,89. Durch die Vorarbeiten ist ein reliables Testinstrument entwickelt worden, welches für die Hauptuntersuchung verwendet wird (Schürkmann/Schuhen 2017). Bevor die inhaltlichen Ergebnisse analysiert werden können, muss das Testinstrument bzw. Konstrukt in FILS valide sein. Dafür muss festgelegt werden, mit welchen Methoden die inhaltliche Seite und die Einstellungskriterien gemessen werden sollen und mit welcher Methodik beide Komponenten integrativ validiert werden können. Die Fähigkeit, mit Geld umzugehen, das eigene Leben finanziell zu planen und in bestimmen Situationen finanziell zu agieren, sind Merkmale, die in FILS analysiert werden sollen. Die Idee dabei ist, dass für jedes Inhaltsfeld die Kompetenz

80

III Entwicklung des Kompetenz- und Messmodells für FILS

spezifisch gemessen wird. So soll der Umgang mit Schulden, die Fähigkeit zum Sparen, der Umgang mit Versichern und Steuern, Fähigkeiten im Bereich des Zahlungsverkehrs und der Geldpolitik sowie die Fähigkeit, mit Online-Instrumenten umzugehen, gemessen werden. Im Zuge der internen Messung in FILS muss eine Auseinandersetzung mit dem Kompetenzbegriff und den Methoden der Item-Response-Theorie (IRT) erfolgen. Um die Zusammengehörigkeit der Testkomponenten des Einstellungstests und der inhaltlichen Elemente zu prüfen, wird die Methode der Strukturgleichungsmodellierung angewendet. Damit wird geprüft, ob alle Segmente zu dem latenten Konstrukt financial literacy gehören.49 Für FILS konnten aus dem Forschungsdiskurs, der Lebensweltorientierung und aus dem Ansatz der kategorialen Wirtschaftsdidaktik sechs Inhaltsfelder erschlossen werden. Zusätzlich ist ein etabliertes Testinstrument zur Einstellung im Umgang mit Geld in das Studiendesign implementiert worden. Aus diesen Strukturen kann für FILS die Definition abgeleitet werden, die financial literacy im Kontext einer schülerorientierten Studie betrachtet.

1.7 Rasch-Modellierung in FILS Das entwickelte Kompetenzmodell in FILS unterliegt einer theoretischen inhaltlichen Dimensionalisierung. Insgesamt sechs Inhaltsdimensionen (Schulden, Vermögensbildung, Versichern und Steuern, Zahlungsverkehr, Geldpolitik, Online-Instrumente) spannen die latente Variable financial literacy auf. Für jede Dimension werden Personenfähigkeitsparameter und Itemschwierigkeitsparameter aus den inhaltlich zugehörigen Items geschätzt. Dazu werden alle Dimensionen auf ihre interne Konsistenz geprüft, indem für jedes Inhaltsfeld ein singuläres Rasch-Modell berechnet wird. Der erste Schritt unterliegt also der Annahme, dass die inhaltlich strukturierten Items genau auf eine Dimension laden und die Items entsprechen der inhaltlichen Intention gebündelt werden können. Die Zusammenführung zu einem Konstrukt und die Hypothese, dass alle Fähigkeitsausprägungen auf das latente Konstrukt financial literacy laden, erfolgt dann durch die anschließende Testvalidierung. Fähigkeitsparameter im Inhaltsfeld Schulden Insgesamt 14 Aufgaben sind dem Themenfeld Schulden zugehörig, aus denen 37 Items generiert werden können. Die dichotom codierten Antworten der Schüler werden in das Rasch-Modell implementiert, um die interne Konsistenz und damit die Validität dieser Komponente zu ermitteln sowie die Parameter schätzen zu können. Die Modellgüte des Rasch-Modells wird mithilfe des Likelihood-Ratio-

49 Siehe Kapitel IV.

1 Die TMT-Methode in FILS

3 2 1 0 –1 –2

beta item.27 beta item.10

beta item.5

beta item.2 beta item.8

–3

Graphical Model Check

Beta for Group: Raw Scores >= Mean

Beta for Group: Raw Scores >= Mean

Graphical Model Check

81

3 beta item.37

2 1

beta item.7 beta item.21

0 –1

beta item.9

–2 –3

0 –2 2 4 Beta for Group: Raw Scores < Mean

–2 0 2 4 Beta for Group: Raw Scores < Mean

Abb. 8: Itemverteilung im Rasch-Modell für Schulden.51

Tests dargestellt und mögliche Abweichungen vom Modell werden anhand des Wald-Tests überprüft (Andersen 1973; Kodde/Palm 1986). Das Ergebnis des Likelihood-Ratio-Tests der ersten Modellschätzung für den Inhaltsbereich Schulden zeigt, dass mit einem p = 0,006 die Daten signifikant vom Rasch-Modell abweichen, was gegen die Modellannahme spricht. Die Identifikation der einzelnen Items, die signifikant vom Rasch-Modell abweichen wird durch den Wald-Test generiert. Nachdem die Items, die das Modell verletzen, aus dem Datensatz ausgeschlossen wurden, können die restlichen Items erneut in das Rasch-Modell übertragen und mit dem Likelihood-Ratio-Test auf interne Validität geprüft werden.50 Die Überprüfung der Items mittels des Wald-Tests kann visualisiert dargestellt werden, um die Items, die das Rasch-Modell signifikant verletzen, ausschließen zu können (vgl. Abb. 8). Der grafische Modelltest für das Rasch-Modell teilt die Aufgaben-Parameter in zwei Gruppen von Personen ein. Wenn das Rasch-Modell gültig ist, dann müssten die Werte beider Gruppen übereinstimmen und auf der Winkelhalbierenden liegen. Für Schulden werden die Gruppen nach niedrigen und hohen Rohwerten, also Personen-Randsummen ri kategorisiert. Durch zufällige Stichprobenziehungen und zufällige Schwankungen in den Schätzungen der Parameter kann von einer perfekten Anpassung an die Winkelhalbierende nicht ausgegangen werden. Daher sind geringe Abweichungen der Gruppenwerte von der Winkelhalbierenden im Toleranzbereich und verletzen das Rasch-Modell nicht signifikant. Das Ausmaß der Abweichung wird mithilfe der zweidimensionalen Konfidenzintervalle in Form von Ellipsen, die das Item umgeben, dargestellt. Berühren oder schneiden sich die Konfidenzregionen mit der Winkelhalbierenden,

50 Dieses Verfahren wird wiederholt, bis die Items dem Modell genügen und nicht mehr signifikant vom Rasch-Modell abweichen. 51 Vgl. Abb. 8 links: Abgebildet sind die Items 5, 27, 10, 2 und 8.

82

III Entwicklung des Kompetenz- und Messmodells für FILS

* Du überlegst dir, dass du dir gerne eine neue Digitalkamera kaufen möchtest. Dafür muss du allerdings noch ein paar Monate sparen. In einer Zeitung liest du folgendes Angebot: Finanzierung auf alles!*

*24 Monate Laufzeit. Keine Zusatzkosten. Alle Produkte ab einem Warenwert von 490 €. Unter welchen Bedingungen kannst du das Finanzierungsangebot annehmen und dir die Kamera jetzt schon kaufen? Entscheide dich für richtig oder falsch. Richtig

Falsch

Weiβ ich nicht

Ich darf das Angebot ohne Einschränkungen annehmen. Ich dürfte das Angebot erst annehmen, wenn ich mindestens 18 Jahre alt bin. Die Digitalkamera muss mindestens 490 € kosten. Ich muss ein regelmäβiges Einkommen nachweisen können. Ich kann das Angebot nur annehmen, wenn mir ein Verkäufer diesen Finanzierungsvorschlag anbietet Ich darf keinen negativen SchufaEintrag haben. Die Digitalkamera darf höchstens 490 € kosten.

Abb. 9: Ausgeschlossene Items für die Komponente Schulden.

liegt keine signifikante Modellverletzung vor (Wright/Stone 1999). Die Größe der Intervallregionen ist abhängig von der Größe der Stichprobe und nimmt mit zunehmender Stichprobe ab (Strobl 2012, 40 f.). Dargestellt sind die Items, die im ersten und im zweiten Modelltest gegen das Rasch-Modell verstoßen und im weiteren Verlauf aus der Auswertung ausgeschlossen werden (vgl. Abb. 8: links: erster Modelltest, rechts zweiter Modelltest). Als Splitkriterium wird der Mittelwert der Rohwerte verwendet und die Überprüfung erfolgt mittels des 95-Prozent-Konfidenzintervalls (Koller et al. 2012). Für die Komponente Schulden werden keine ganzen Itemstämme ausgeschlossen, sondern nur einzelne Antwortmöglichkeiten, die bei den Items gewählt werden können. In diesem Fall werden von den Aufgaben 3, 5 und 10 insgesamt fünf Items ausgeschlossen. Im grafischen Modelltest entspricht dies den Items 2, 5, 8, 10 und 27, deren Konfidenzintervalle keinen gemeinsamen Punkt mit der Winkelhalbierenden haben und diese auch nicht tangieren. Um nicht willkürlich Items zu exkludieren, damit das Rasch-Modell passt, werden die inhaltlichen Folgen für die Kompo-

1 Die TMT-Methode in FILS

83

nente der Schulden berücksichtigt. Beispielhaft dafür zeigt Abb. 8, welche Items der Modellanpassung nicht genügen (abgebildet sind die Items 2, 5 und 8) und welche Auswirkungen das auf die inhaltliche Struktur der Aufgabe hat (vgl. Abb. 9). Durch die inhaltliche Überprüfung kann gewährleistet werden, dass der Sinn einzelner Items nicht verloren geht und eine inhaltliche Interpretation der Fähigkeiten der Schüler erhalten bleibt. Für das Inhaltsfeld Schulden verstoßen drei von sieben möglichen Antworten gegen das Rasch-Modell und können aus dem Datensatz herausgenommen werden. Für das Inhaltsfeld Schulden ist nach zwei Iterationen der Andersen-LR-Test mit einem p = 0,117 nicht signifikant und kein weiteres Item verletzt das Modell. Fähigkeitsparameter im Inhaltsfeld Vermögensbildung Für das zweite Inhaltsfeld werden die dichotomen Antworten der Schüler ebenfalls mittels des Rasch-Modells berechnet und mithilfe des Likelihood-Ratio-Tests validiert. Die erste Anwendung des Rasch-Modells zeigt bei vier Items signifikante Abweichungen vom Modell (vgl. Abb. 10, links). Dies betrifft, wie auch beim Inhaltsfeld Schulden, einzelne Antwortmöglichkeiten bestehender Aufgaben. So müssen die Schüler zum Beispiel bei einer Aufgabe verschiedene Konditionen von Girokonten vergleichen und bewerten. Es wurde festgestellt, dass der Vergleich der Konditionen des Dispozinses kein gutes Vergleichsmerkmal in dieser Aufgabe ist. Weitere einzelne Antwortoptionen können durch dieses Verfahren ausgeschlossen werden. Die inhaltlichen Kernelemente werden dadurch nicht verzerrt und das Inhaltsfeld Vermögensbildung ist mit den bestehenden Items inhaltlich konsistent. Die erneute Prüfung der Anpassung an das Rasch-Modell zeigte wieder signifikante Abweichungen einzelner Items vom Modell. Der grafische Modelltest verdeutlich, dass die Items 1 und 6 vom Modell abweichen. Auch die Konfidenzintervalle berühren nicht die Winkelhalbierende (vgl. Abb. 10, rechts). Diese beiden

beta item.7

beta item.13

1 beta item.12 0 beta item.14

–1 –2 –3 –3

–1 –2 0 1 2 Beta for Group: Raw Scores < Mean

Graphical Model Check

Beta for Group: Raw Scores >= Mean

Beta for Group: Raw Scores >= Mean

Graphical Model Check

beta item.6 1 0

beta item.1

–1 –2

–2 –1 0 1 2 Beta for Group: Raw Scores < Mean

Abb. 10: Grafischer Modelltest für die Modellanpassung der Komponente Vermögensbildung.

84

III Entwicklung des Kompetenz- und Messmodells für FILS

Items werden zur weiteren Datenverarbeitung aus dem Subinhaltsfeld genommen. Item 6 ist durch eine Antwortoption charakterisiert. Item 1 ist eine komplette Teilaufgabe, bei der die Schüler sich zwischen zwei Girokontenangeboten entscheiden müssen, die sich nur durch wenige Merkmale unterscheiden. Die Antwortmöglichkeit ist durch eine bipolare Multiple-Choice-Struktur gegeben. Erst in der anschließenden Teilaufgabe wird die Entscheidung der Schüler genauer hinterfragt. So bleibt für dieses Subinhaltsfeld der Sinn erhalten und die Teilstudie für das Inhaltsfeld der Vermögensbildung bleibt in sich konsistent, sodass explizite Interpretationen auf der inhaltlichen Ebene möglich sind. Nach der Eliminierung dieser beiden Items weichen die Aufgaben nach einer erneuten Modellierung mit p = 0.997 nicht mehr signifikant vom Rasch-Modell ab. Fähigkeitsparameter in den Inhaltsfeldern Versichern und Steuern sowie Geldpolitik Die Inhaltsfelder Versichern und Steuern sowie Geldpolitik sind, gemessen am Umfang der Studie, die Subfelder mit den niedrigsten Items.52 Für das Inhaltsfeld Versichern und Steuern werden insgesamt acht Items verwendet, die in das RaschModell eingepflegt werden. Diese Items beziehen sich vordergründig auf den Bereich Versichern und Sozialabgaben bei einer Gehaltsabrechnung. Der AndersonLikelihood-Ratio-Test zeigt, dass keines der acht Items gegen das Rasch-Modell verstößt und das Modell somit angenommen werden kann. In FILS umfasst das Inhaltsfeld Geldpolitik insgesamt neun Items, die einer ersten Rasch-Modellierung zugrunde liegen. Die Antworten der Schüler wurden auch für dieses Inhaltsfeld dichotomisiert und ins Rasch-Modell implementiert. Mit p = 0,526 zeigt der Likelihood-Ratio-Test, dass das Rasch-Modell ohne Ausschluss einzelner Items angenommen werden kann. Fähigkeitsparameter im Inhaltsfeld Zahlungsverkehr Im Inhaltsfeld Zahlungsverkehr können 21 Items identifiziert und in das RaschModell implementiert werden. In einer ersten Modellanpassung weichen die Daten signifikant vom Rasch-Modell ab und acht der 21 Items verstoßen gegen die Annahme des Rasch-Modells. Es handelt es sich auch im Inhaltsfeld Zahlungsverkehr um einzelne Antwortoptionen unterschiedlicher Aufgaben, die gegen die Modellannahmen verstoßen, sodass der Sinn der Stammaufgabe nicht verletzt wird, wenn diese Items ausgeschlossen werden. Lediglich das Item 19 wird als vollständiges Item eliminiert, da es in diesem Zusammenhang gegen das RaschModell verstößt und signifikant davon abweicht. Die Aufgabe umfasst das Ablesen des Kontostandes beim erstmaligen Einloggen in das simulierte Online-Banking-Portal (vgl. Abb. 11).

52 Geschuldet ist dies zum einen den marginalen Berührungspunkten in der aktuellen Lebenssituation der Schüler und zum andern der zeitlichen Begrenzung der Studie.

1 Die TMT-Methode in FILS

85

Graphical Model Check

Beta for Group: Raw Scores >= Mean

tem.13 tem.14

2

tem.11 0

tem.19

tem.12 tem.17

tem.5 tem.15

–2

–4

–6 –6

–2 –4 0 2 Beta for Group: Raw Scores < Mean

4

Abb. 11: Plot der Ergebnisse des LR-Tests für die Rasch-Modellierung im Bereich Zahlungsverkehr.

Auch die letzte Teilaufgabe der Online-Banking-Simulation ist nicht mit in das Rasch-Modell eingeflossen. Dieses Item haben insgesamt nur sieben Schüler richtig lösen können. Es ist auf Grundlage des Stichprobenumfangs und der Komplexität des Items nicht möglich, die erforderlichen Parameter durch das Rasch-Modell zu schätzen. Die generierten Daten sind nach dem ersten Modellierungsversuch erneut in das Rasch-Modell eingeflossen. Da hierbei kein Item mehr vom Rasch-Modell mit p = 0,429 im LR-Test abweicht, kann das Modell als gültig angesehen werden.

Fähigkeitsparameter im Inhaltsfeld Online-Instrumente Im Inhaltsfeld der Online-Instrumente, welches in den anderen fünf Feldern liegt, zeigt die Überprüfung der einzelnen Items mittels des Wald-Tests, dass drei der insgesamt acht Items signifikant gegen das Modell verstoßen. Der grafische Modelltest zeigt ebenfalls, dass sich zwei der drei Items außerhalb des 95-prozentigen Konfidenzbandes befinden. Das dritte Item liegt auf der äußeren Grenze des Konfidenzbandes, weicht aber mit p = 0,048 signifikant vom Modell ab. Diese drei Items werden für eine erneute Berechnung durch das Rasch-Modell ausgeschlossen (vgl. Abb. 12). Inhaltlich befassen sich die Items mit Online-Instrumenten, die als Kredit-, Sparraten- und Tagesgeldrechner fungieren. Nach Ausschluss der Items kann das Rasch-Modell mit einem p = 0,129 angenommen werden und die Daten weichen nicht mehr signifikant vom Modell ab, sodass die Modellparameter geschätzt werden können.

86

III Entwicklung des Kompetenz- und Messmodells für FILS

Graphical model check 1,5

Beta for group: raw scores >= mean

beta Sparratenrechner 1 1,0

0,5 beta Tagesgeldrechner 0,0

beta Kreditrechner

–0,5

–1,0

–1

0 1 Beta for group: raw scores < mean

2

Abb. 12: Grafischer Modelltest für die Komponente der Online-Service-Angebote.

Das Rasch-Modell wird für alle Felder angenommen und es werden für alle Bereiche die Personenfähigkeitsparameter und die Schwierigkeitsparameter geschätzt und ausgegeben (vgl. Tab. 6). Die unabhängige Betrachtung der einzelnen Inhaltsfelder und die singuläre Implementierung der Daten in das Rasch-Modell führen dazu, dass insgesamt sechs verschiedene Modelle gerechnet wurden, aus denen nun die Itemschwierigkeits- und Personenfähigkeitsparameter geschätzt werden können. Die geschätzten Personenfähigkeitsparameter unterscheiden sich in ihrer Anzahl und in ihrem numerischen Wert. Ein unmittelbarer Vergleich der unabhängig voneinander geschätzten Paramater ist auf dieser Ebene nicht möglich. Für jedes Inhaltsfeld (Dimension) wird durch das Rasch-Modell eine bestimmte Anzahl an Personenfähigkeitsparametern generiert. Die Anzahl der Parameter ist abhängig von der Anzahl der Items in den jeweiligen Inhaltsfeldern (Strobl 2012).

Tab. 6: Modellgüte im Rasch-Modell. Inhaltsbereich

LR-value

Chi-square

p-value

Schulden η1 Vermögensbildung η2 Versichern und Steuern η3 Zahlungsverkehr η4 Geldpolitik η5 Online-Service-Angebote η6

35,907  2,257  8,176 11,133  3,195  7,129

27 11  7 15  4  4

0,117 0,997 0,317 0,743 0,526 0,129

2 FILS in der Kompetenzforschung – Zwischenfazit

87

Für jeden einzelnen Schüler ist es nun möglich, in jedem Inhaltsfeld die spezifische Fähigkeitsausprägung durch einen Rasch-generierten Wert zu darzustellen. Die Annahme, dass die abbildbaren Fähigkeitsausprägungen der jeweiligen Inhaltsfelder nun auf ein gemeinsames Konstrukt, die latente Variable financial literacy, laden und durch diese, aufgefasst als Finanzkompetenz, erklärt werden können, muss in einem weiteren Schritt, der Validitätsprüfung untersucht werden. Für diese Prüfung werden die geschätzten Personenfähigkeitsparameter als Rohdaten der inhaltsspezifischen Fähigkeitsausprägung betrachtet und anschließend in ein Strukturgleichungsmodell implementiert.

2 FILS in der Kompetenzforschung – Zwischenfazit Unter Berücksichtigung der Kompetenzforschung ist für jeden Inhaltsbereich in FILS ein Modell entwickelt worden, welche Items enthält, die domänenspezifischen Kriterien und dem Rasch-Modell genügen. Die Items basieren auf einem inhaltlichen Konstrukt, das aus der Theorie und Forschung hergeleitet ist und sechs Inhaltsbereiche umfasst. In die Inhalte Schulden, Vermögensbildung, Versichern und Steuern, Zahlungsverkehr und Geldpolitik sind zusätzlich Online-Instrumente implementiert, die als Hilfestellung und Informationsangebot in einzelnen Aufgaben bereitgestellt werden. Die jeweiligen Inhaltsbereiche werden unabhängig voneinander gemessen, die Messung berücksichtigt die Parameterschätzungen und das Verfahren des Rasch-Modells. Die singulär betrachteten Rasch-Modelle können für alle Inhaltsfelder angenommen werden, sodass die Personenfähigkeits- und Itemschwierigkeitsparameter unabhängig voneinander geschätzt werden können. Dadurch besteht die Möglichkeit, die Fähigkeitsausprägungen der Schüler inhaltsspezifisch darzustellen. Um die Hypothese zu analysieren, dass diese einzelnen Fähigkeiten durch die latente Variable financial literacy erklärt werden, muss die Validität der unabhängig betrachteten Inhaltsfelder geprüft werden. Damit wird gezeigt, dass die Fähigkeiten aus einer gemeinsamen Kompetenz resultieren und auf ein Konstrukt laden. Zusätzlich muss in FILS der Einstellungstest und dessen Wirkung auf das latente Konstrukt financial literacy berücksichtigt und in einem gemeinsamen Modell implementiert werden. So wird ein Validitätinstrument entwickelt, welches basierend auf den inhaltsspezifischen Fähigkeitsausprägungen und den Kriterien des Einstellungstests durch die latente Variable financial literacy in einen gemeinsamen Kontext gebracht werden kann.

IV Validierung des Konstrukts in FILS Um die Elemente von FILS zur verbinden und in Beziehung zueinander zu setzen, damit ein zusammengehöriges Konstrukt entsteht, wird auf die Technik der Strukturgleichungsmodellierung zurückgegriffen. Mithilfe dieser Methode können die einzelnen Bereiche der Studie miteinander verbunden werden und es kann validiert werden, ob das theoretische Konstrukt auch empirisch belegbar ist. Im TMT-Modell entspricht dies der 5. Phase, der Evaluation. Die Exploration (1. Phase), die Konzeption (2. Phase), die Implementation (3. Phase) und die Spezifizierung des Messmodells (Anfang 4. Phase) sind abgeschlossen, sodass das Konstrukt in FILS validiert werden kann, bevor in der 4. Phase die Analyse stattfindet (vgl. Abb. 13). 5 Phasen-Methode im Prozess der Entwicklung von Kompetenztests Phase

Methode

Resultat

1. Exploration

2. Konzeption

3. Implementation

4. Analyse

5. Evaluation

Domänenspezifische Analyse des Forschungsgebietes

Entwicklung eines Aufgabenkonzeptes

Interview zur Studie

Erstellung des spezifischen Messmodells

Theoretische und empirische Validitätsprüfung

Differenzierung und Spezifizierung des Untersuchungsgegen -standes

Entwicklung des Studiendesigns (inhaltlich und konzeptionell) Theorieentwicklung

Forschungsdesiderat

Studiendesign

Pretest und Reliabilitätsanalyse Durchführung der Hauptstudie

Datengenerierung

Analyse der kompetenz- und soziodemographischen Datenstrukturen

Ergebnisse

Kompetenzmodell

Valide Ergebnisse

Valides Konstrukt

Theorie-Modell-Test(TMT)

Abb. 13: Phase 5 im TMT-Modell.

Um dem Theorie-Modell-Test gerecht zu werden und das Kompetenzmodell in FILS zu validieren, wird zunächst ein Blick auf die Systematik der Strukturgleichungsmodelle geworfen, um anschließend das erarbeitete Modell zu überprüfen.

1 Strukturgleichungsmodelle in der Kompetenzforschung Strukturgleichungsmodelle finden in vielen verschiedenen wissenschaftlichen Bereichen eine Anwendung (Weiber/Mühlhaus 2010, 3). Schon frühe Entwicklungen in der Forschung erlaubten es, dass dichotome und polytome beobachtbare Variablen https://doi.org/10.1515/9783110555622-004

90

IV Validierung des Konstrukts in FILS

in mathematischen Modellen geschätzt und deren Beziehungen zueinander gemessen werden (Muthén 1984, 115). Strukturgleichungsmodelle werden meist im betriebswirtschaftlichen Forschungsfeld und in spezifischen Bereichen der Mathematik und Naturwissenschaften (bspw. Curdes 2004) angewendet. Ebenso ergibt sich ein großes Anwendungsgebiet in der Psychologie (Raykov/Marcoulides 2000) und in der Soziologie (Bielby/Hauser 1977). In sozialwissenschaftlichen Forschungsbereichen werden die Methoden der Strukturgleichungsmodelle durch die Hilfe der Psychometrie, Soziometrie und Ökonometrie ermöglicht (Bollen/Long 1993, 1; Muthén 1983, 43 f.). Die statistischen Verfahren, die diesen Disziplinen entspringen, bilden die Basis der Strukturgleichungsmodellierung und umfassen meist einen varianzbzw. kovarianzanalytischen Ansatz (Reinecke 2014, 3 f.; Muthén 1983, 45 f.). Im Kontext der Kompetenzforschung können nur eingeschränkt Studien bzw. Untersuchungen gefunden werden, die das Verfahren von Strukturgleichungsmodellen in eine spezifische Ergebnisinterpretation implementieren. Einzelne Forschungsprojekte der vergangenen Jahre machten sich die Systematik dieser Methode nutzbar und untersuchten verschiedene Einflussfaktoren und Dimensionalitäten von Kompetenzen und Einstellungen. In der ökonomischen Bildung sind derartige Forschungszusammenhänge weder national noch international erkennbar. Auch im spezifischen Bereich financial literacy gibt es keine Forschungsansätze, welche die Methode von Strukturgleichungsmodellen anwendet. Im deutschsprachigen Raum werden Strukturgleichungsmodelle in mathematischen und sprachlichen Forschungsbereichen angewendet. So haben Winkelmann et al. mathematische Kompetenzen von Grundschülern getestet und die Struktur, Validität und die Beziehung zu kognitiven Fähigkeiten analysiert (Winkelmann et al. 2012). Besonders hat man versucht, die Dimensionalitäten inhaltlicher und prozessbezogener Kompetenzen abzubilden. Der Nachweis durch gute Model-Fit-Indizes über verschiedene Kompetenzdimensionen implementiert die Darstellung der Validität der Studie mittels Faktor- bzw. Strukturgleichungsmodellen. Die Autoren schätzen inhaltsspezifische eindimensionale Rasch-Werte und integrieren diese zusammen mit den Daten über kognitive Fähigkeiten in ein Strukturgleichungsmodell (Winkelmann et al. 2012). Andere Forschungsfelder im Bereich der Kompetenzforschung und der nachhaltigen Entwicklung weisen ebenfalls darauf hin, dass die Verzahnung von RaschModellen mit linearen Strukturgleichungsmodellen eine sinnvolle Kombination ist. So beschreibt Rost die Vorteile des Einsatzes von Strukturgleichungsmodellen und der Kompetenzmessung dadurch, dass „Testmodelle auf der Basis des Rasch-Modells und der latent-class Analyse […] die Möglichkeit [bieten], die psychometrische Struktur der betreffenden Kompetenz zu überprüfen oder sie datengeleitet zu modifizieren.“ (Rost 2008)

Auch im sprachlichen Bereich gibt es Studien, die dieses Verfahren anwenden, um beispielsweise die Beziehung verbaler Kompetenz mit mathematischen Leistungen sowie der Rechtschreib- und Leseleistungen bei Grundschülern zu untersuchen. In

1 Strukturgleichungsmodelle in der Kompetenzforschung

91

diesem Forschungssegment werden vor allem Hypothesen mittels Strukturgleichungsmodellen überprüft (Chudaska 2012, 223 f.). Weiter werden im sprachlichen Bereich auch Selbstkonzepte untersucht und auf ihre Dimensionen hin überprüft. So konnte das Leseselbstkonzept als eine latente Größe mit einem gesplitteten Konzept, welches sich in literarisches und faktuales Leseselbstkonzept teilt, mithilfe von Strukturgleichungsmodellen geprüft werden (Henschel et al. 2013). Auch wenn in den beiden letzten vorgestellten Studien keine Rasch-Modelle eingesetzt wurden, zeigt dieser Einblick in der Kompetenzforschung, dass es bereits Ansätze gibt, beide Verfahren bzw. Messmethoden zu vereinen. So finden sich Ansätze dieser Kombination in Forschungsbereichen der Wirtschaftspädagogik bei dem Versuch, eine kaufmännische Kompetenz zu spezifizieren und darzustellen (Tramm/Seeber 2006). Andere ökonomische Inhalte tendieren in die Richtung financial literacy und weisen das Zusammenspiel von psychometrischen Modellen und Strukturgleichungsmodellen als Ausblick auf (vgl. u. a. Aprea 2012). Die Methoden der Strukturgleichungsmodelle unterscheiden sich nicht nur in den mathematischen Operationen der Softwareprogramme, die einzelnen Modelle beinhalten zusätzlich eine Vielzahl von Möglichkeiten, einfache und komplexe Datenstrukturen zu analysieren. Neben Modellen, die ausschließlich auf manifesten Variablen basieren, können auch Modelle beschrieben werden, die latente und manifeste Variable integrativ umfassen (Bollen/Long 1993, 1). In diesen Modellen wird zwischen Struktur- und Messmodell differenziert (Weiber/Mühlhaus 2010, 35 ff.), wobei die Spezifizierung von Messmodellen der latenten Variablen im Forschungskontext dieser Arbeit besonders fokussiert wird. Es werden auf empirisch erhobene Daten Modelle angewendet, die versuchen, ein vorab theoretisch begründetes Konstrukt zu erklären und die Daten dem Modell anzupassen. Die Güte der Modellanpassung wird berücksichtigt und in spezifischen Modellfit-Indizes ausgegeben (Wang/Wang 2010, 17 f.). Diese Methode bietet sich für die noch voneinander unabhängigen Komponenten in FILS an. So kann die abschließende kompetenzorientierte Ergebnispräsentation vorab in einen validierten Zusammenhang gestellt werden. So können theoretische Wirkungsgefüge mittels der Methodik von Strukturgleichungsmodellen durch die Formulierung latenter Variablen dargestellt werden. Strukturgleichungsmodelle „[…] bilden a priori formulierte und theoretisch und/oder sachlogisch begründete komplexe Zusammenhänge zwischen Variablen in einem linearen Gleichungssystem ab und dienen der Schätzung der Wirkungskoeffizienten zwischen den betrachteten Variablen sowie die Abschätzung von Messfehlern.“ (Weiber/Mühlhaus 2010, 6)

Es ist möglich, dass auf der latenten Ebene Relationen zwischen kontinuierlichen Variablen analysiert werden und simultan gerichtete Zusammenhänge zwischen multiplen abhängigen (endogenen) und unabhängigen (exogenen) Variablen dargestellt und analysiert werden. Die exogenen Variablen werden im eigentlichen Modell nicht erklärt, sondern wirken von außen oder versuchen ein Konstrukt zu erklären. Sie sind unabhängige Variablen. Endogene Variablen hingegen werden

92

IV Validierung des Konstrukts in FILS

durch das Modell erklärt, dies kann durch eine oder durch mehrere Variablen der Fall sein (Geiser 2010, 41). Im Folgenden wird das reflektive Modell 53 für die Konzeption in FILS betrachtet, da dieses den vorab gestellten Überlegungen zur Zusammensetzung und Beeinflussung von financial literacy entspricht. Zur weiteren Spezifikation von Strukturgleichungsmodellen haben Bollen und Long fünf Schritte der Charakterisierung spezifischer Anwendungsbereiche von Strukturgleichungsmodellen identifiziert (Bollen/Long 1993, 2 f.): (1) model specification, (2) identification, (3) estimation, (4) testing fit, (5) respecification. Die fünf Schritte von Bollen und Long beschreiben eine Vorgehensweise zur Analyse theoretischer Modelle durch die Methodik der Strukturgleichungsmodelle. So wird ein Modell zuerst spezifiziert und theoretisch formuliert, bevor es mithilfe der konfirmatorischen Faktorenanalyse im Strukturgleichungsmodell identifiziert wird und die Parameter geschätzt werden. Die model-fit-Indizes dienen dann zur Interpretation des Modells und der Modellgüte. Erst im letzten Schritt werden die Annahmen des Ausgangsmodells reflektiert und weiter spezifiziert (Bollen/Long 1993, 1 f.). Basierend auf der kausalen Beziehung zwischen abhängigen und unabhängigen Variablen können die einzelnen Methoden von Strukturgleichungsmodellen erklärt werden. Notwendige Bedingung der Anwendung von Strukturgleichungsmodellen ist die statistische Abhängigkeit der betrachteten Variablen, während es eine hinreichende Bedingung ist, dass die Variablen und deren Zusammenhänge bzw. das Wirkungsgefüge auf einem theoretisch fundierten und sachlogischen Gerüst ruht (Weiber/Mühlhaus 2010). Konzeptuell wird in den einzelnen Methoden zwischen endogenen und exogenen sowie manifesten und latenten Variablen unterschieden. Endogene Variablen sind Kriteriumvariablen, die über den Einfluss anderer Größen erklärt werden. Daneben sind exogene Variablen Prädiktorvariablen, die nicht durch das Modell erklärt werden, sondern der Erklärung der endogenen Variablen dienen (Weiber/Mühlahaus 2012; Byrne 2012, 5). Unabhängig von der Wahl des Faktormodells müssen die latenten Variablen mithilfe der manifesten Variablen geschätzt werden, da keine empirischen Befunde für die latenten Variablen vorliegen. Die Gleichung der Messmodelle der latenten endogenen Variablen nimmt folgende Gestalt an (in Anlehnung an Wang/Wang 2010, 7 f.; Brown 2006, 19; Weiber/Mühlhaus 2012, 40 f.): 53 Die beiden unterschiedlichen Vorgehensweisen basieren auf anderen Kausalhypothesen. Die Entscheidung für ein Messmodell muss im Vorfeld getroffen werden und hängt stark von der Fragestellung bzw. Hypothesenbildung zum Strukturgleichungsmodell ab. Wenn die Ausprägung einer manifesten Variable eine Veränderung der latenten Variable bewirkt, dann handelt es sich um ein formatives Messmodell. Bewirkt stattdessen die Ausprägung der latenten Variable eine Veränderung einer Messvariablen, dann liegt ein reflektives Modell vor. Diese Beziehung muss begründet feststehen, wenn das Strukturgleichungsmodell aufgestellt wird (Weiber/Mühlhaus 2010, 36 f.). Die gebräuchlichste Anwendung in wissenschaftlichen Forschungsprojekten ist das reflektive Messmodell, wobei vielmals unbedachte Fehlschlüsse zwischen formativ und reflektiv getroffen werden (Zinnbauer/Eberl 2004).

1 Strukturgleichungsmodelle in der Kompetenzforschung

93

y​i​ = Λy​i​ η​j​ + ε​i​ Λz​ = M​a​t​r​i​x​ d​e​r​ P​f​a​d​k​o​e​f​f​i​z​i​e​n​t​e​n​, R​e​s​i​d​u​e​n​ ε​ = M​e​s​s​f​e​h​l​e​r​a​n​t​e​i​l​e​ η​ = V​e​k​t​o​r​ d​e​r​ e​n​o​g​e​n​e​n​ l​a​t​e​n​t​e​n​ V​a​r​i​a​b​l​e​n​ Die Gleichung der Messmodelle der latenten exogenen Variablen sieht äquivalent dazu folgendermaßen aus (in Anlehnung an Wang/Wang 2010, 7 f.; Brown 2006, 19; Weiber/Mühlhaus 2012, 40 f.): x​i​ = Λx​i​ ξ​j​ + δ​i​ Λx​ = M​a​t​r​i​x​ d​e​r​ P​f​a​d​k​o​e​f​f​i​z​i​e​n​t​e​n​, δ​ = R​e​s​i​d​u​e​n​ / M​e​s​s​f​e​h​l​e​r​a​n​t​e​i​l​e​ ξ​ = V​e​k​t​o​r​ d​e​r​ e​x​o​g​e​n​e​n​ l​a​t​e​n​t​e​n​ V​a​r​i​a​b​le​ ​n​ Damit bilden die yi und xi die manifesten Variablen, die durch die latenten exogenen und endogenen Variablen im Strukturgleichungsmodell erklärt werden. Die Koeffizientenmatrizen Λyi und Λyi zeigen die Beziehung, die zwischen den latenten und manifesten Variablen bestehen, welche die Faktorladungsmatrizen abbilden (Reinecke 2005, 134 f.). Bei der Strukturgleichungsanalyse werden die formulierten Hypothesen des Pfaddiagrams in ein Gleichungssystem transferiert. Dafür muss für jede endogene Variable genau eine Gleichung formuliert werden, welche die zugehörigen exogenen Variablen als abhängige Größe enthält. Dabei werden lineare Beziehungen zwischen den Gleichungen unterstellt. Die lineare Gleichung für das Strukturmodell eines Modells lautet (Wang/Wang 2010, 7 f., Weiber/Mühlhaus 2010 40 f.): η​ = Βη​ + Γξ​ + ζ​ Β​ / Γ​ = K​o​e​f​f​i​z​i​e​n​t​e​n​m​a​t​r​i​z​e​n​. Neben den Matrizen Β und Γ sowie denen in den Messmodellen Λx und Λz werden bei der Schätzung des Gleichungssystems auch noch die Kovarianz bzw. Korrelationsmatrix der latenten exogenen Variablen (ϕ) und die Kovarianzmatrizen der Messfehlervariablen (ψ, Θε und Θδ) geschätzt. Ein vollständiges Strukturgleichungssystem besteht somit aus acht Parametermatrizen, die eindeutig bestimmt bzw. aus den empirischen Befunden geschätzt werden müssen. Differenziert wird zwischen den freien Parametern (sind zu schätzen) und den Null-Parametern (nicht relevante Parameter, die auf einen Wert fixiert werden (Weiber/Mühlhaus 2010, 39 f.). Dabei unterscheiden sich die Parameter in feste Parameter (konstanter Wert), restringierte Parameter (werden geschätzt, entsprechen aber in ihrem Wert genau

94

IV Validierung des Konstrukts in FILS

einem weiteren Parameter) und freie Parameter, die aus den manifesten Variablen geschätzt werden müssen. Sie spiegeln die postulierte kausale Beziehung und zu schätzenden Messfehlergrößen sowie die Kovarianzen zwischen den Variablen wider (Weiber/Mühlhaus 2012, 46). Ein Modell ist dann eindeutig identifiziert und auch berechenbar, wenn die Anzahl der empirisch hergeleiteten Varianzen und Kovarianzen (s) größer als die Anzahl der zu schätzende Parameter (t) ist. Das Modell besitzt eine positive Anzahl an Freiheitsgraden (df) und für jeden Parameter kann im Modell eine Schätzung berechnet werden. Somit gilt für ein identifizierbares Modell (Moosbrugger/Schermelleh-Engel 2007, 318 f.): d​f​ = s​ − t​ > 0 . Da die konfirmatorische Faktorenanalyse auf dem kovarianzanalytischem Ansatz basiert (vgl. Weiber/Mühlhaus 2012, 47), müssen die Varianzen der latenten Variablen bestimmt werden. Dies kann durch die Fixierung der Varianzen oder der Faktorladungen (meist auf den Wert eins) der latenten Variablen erfolgen (Moosbrugger/Schermelleh-Engel 2007, 318). Mplus setzt zur Schätzung die erste unstandardisierte Faktorladung der manifesten Variablen für jedes Konstrukt auf den Wert eins fest, um das Modell eindeutig zu identifizieren und die Parameter zu schätzen (Geiser 2010, 66). Die Schätzung der freien Parameter wird bei der konfirmatorischen Faktorenanalyse häufig mithilfe der Maximum-Likelihood-Methode durchgeführt (Moosbrugger/Schermelleh-Engel 2007, 319). Bei diesem Verfahren wird durch eine Maximum-Likelihood-Funktion versucht die Differenz der Matrizen der empirisch basierten Kovarianzmatrix (S) und der modellimpliziten zu schätzenden Kovarianzmatrix (Σ) zu minimieren. Die fit-function hat folgende Form (Reinecke 2005, 109; Wang/Wang 2012, 14): F​M​L​ = log​ | Σ(Θ) | + t​r​ (S​ Σ− 1 (Θ)) − log​ | S​ | − (p​ + q​) . Das Prinzip beinhaltet neben den Kovarianzmatrizen Σ und S die Spur tr bzw. die Summe der Hauptdiagonalen der Matrix und die Größe bzw. Anzahl der manifesten Variablen p + q (zu nähere Ausführungen siehe Reinecke 2005, 109). Die geschätzten bzw. modellimpliziten Kovarianzmatrizen sollen möglichst genau die empirischen Werte wiedergeben (Reinecke 2005, 109). Die Matrix der beobachteten Kovarianzen (S) werden dazu genutzt, die Werte der freien Parameter zu schätzen, welche die erhobenen Daten möglichst genau reproduzieren. Es wird das Minimum der Differenz der beobachteten Kovarianzen (S) und der zu schätzenden Kovarianzmatrix Σ(Θ) berechnet bzw. geschätzt, d. h. (S − Σ(Θ)). Das Ziel der Fit-Function FML ist es, eine Funktion zu generieren, die mittels der Kovarianzen die Diskrepanz

1 Strukturgleichungsmodelle in der Kompetenzforschung

95

zwischen den beobachteten und geschätzten Kovarianzen der erhobenen Daten minimiert. Eine perfekte Modellidentifikation würde vorliegen, wenn FML(θ) = 0 ist und durch die erhobenen Daten wiedergegeben wird bzw. die erhobenen Daten perfekt durch das Strukturgleichungsmodell reproduziert werden (Wang/Wang 2010, 14). Somit wird durch das Prinzip des Maximum-Likelihood-Schätzers die Wahrscheinlichkeit maximiert, dass die Parameter die manifesten Variablen wiedergeben. Über die Güte dieser Schätzung und Berechnung des Modells innerhalb des Strukturgleichungsmodells geben die Model-Fit-Indizes oder Modellgütekriterien Aufschluss.54 Die Modellgütekriterien oder auch die sogenannten Model-Fit-Indizes werden bei der Strukturgleichungsanalyse mit Mplus in der Ergebnisdarstellung mit ausgegeben und dienen neben der Identifizierung des Strukturgleichungsmodells auch zur Konstruktvalidität. Das Ziel ist, dass die geschätzte Kovarianzmatrix (Σ) möglichst genau die gemessene Kovarianzmatrix (S) wiedergibt. Hier steht die ModelFit-Information im Vordergrund. Das erste Kriterium umfasst die χ2-Statistik, der Chi-Square-Test of Model Fit (Wang/Wang 2012, 17; Brown 2006, 83 f.): χ2 = f​M​L​ (N​ − 1),

mit f​M​L​ = F​ (S​,Σ̂ ) .

Die Anzahl der Freiheitsgrade und die Signifikanz des Chi-Square-Test of Model Fit spielt bei der Modellidentifizierung eine Rolle. Die χ2-Statistik ist allerdings nur ein mäßiges Validitätskriterium, da strikte Bedingungen mit diesem Gütemaß verbunden sind. So müssen beispielsweise die Daten multinormalverteilt sein und die Stichprobe der empirischen Untersuchung muss hinreichend groß sein (Reinecke 2005, 117 f.). Der χ2-Wert wird meistens dennoch betrachtet und sollte im Idealfall nicht signifikant sein und über einem Wert von 0,005 liegen. So wird der χ2-Index im Kontext der Strukturgleichungsmodelle auch als badness-of-fit-Kriterium angesehen werden, in dem Sinne, dass ein hoher χ2-Wert als schlechte und ein niedriger χ2-Wert als gute Anpassung gilt. Ist der χ2-Wert null, liegt eine perfekte Anpassung vor (Wang/Wang 2012, 17). Geprüft wird beim χ2-Test die Differenz der Stichprobenkovarianzmatrix (S) und der zu schätzenden Kovarianzmatrix Σ(Θ), also der Populationskovarianzmatrix, die aus (S) geschätzt und aus der Diskrepanzfunktion fML berechnet wird (Reinecke 2005, 116). Je geringer nun die Differenz zwischen (S) und Σ(Θ), desto besser ist die Schätzung Σ(Θ) aus den Daten bzw. aus der Stichprobe (S) gelungen. Daher sind kleine χ2-Werte ein guter Indikator für die Modellanpassung, wenn die Bedingungen des χ2-Test berücksichtigt werden (Reinecke 2014, 116 f.; Wang/Wang 2012, 17). Ein weiteres Kriterium umfasst den Wert, der durch χ2/df beschrieben wird und kleiner als zwei bzw. noch akzeptabel, wenn dieser

54 Detaillierte Berechnungen sowie die Herleitungen der dargestellten Formeln siehe Mplus Users Guide 2012; Brown 2006 sowie Byrne 2012.

96

IV Validierung des Konstrukts in FILS

kleiner als drei ist. Weitere relevante Werte für die Modellgüte sind der Root Mean Square Error Of Approximation (RMSEA), der unterhalb von 0,05 liegen sollte: R​M​S​E​A​ = √

F​0̂ d​f​

b​z​w​. R​M​S​E​A​ = √

( χ​ S2 ​ − d​fS​ ​ ) / N​ ( χ​ S2 ​ / d​fS​ ​ ) − 1 =√ d​fS​ ​ N​

(siehe hierzu Reinecke 2005, 120 f.; Wang /Wang 2010, 19; Brown 2006, 83 f.) Die beiden letzten Kriterien sind der Comparativ Fit Index (CFI) und der TuckerLewis-Index (TLI) (Tucker/Lewis 1973), sie gehören den goodness-of-fit-Indizes an. Der CFI sollte mindestens größer als 0,90 sein und der TLI mindestens größer als 0,90 (Wang/Wang 2010, 19) bzw. einen Wert größer als 0,95 annehmen (Ullmann/ Bentler 2003). C​F​I​ =

d​n​u​l​l​ − d​s​p​e​c​i​f​i​e​d​ , d​n​u​l​l​

m​i​t​ d​ = (χ​ 2 − d​f​ ) ,

wobei dnull und dspecified nichtzentralisierte Werte der Parameter des Null-Modells und des zu spezifizierenden Modells bilden (näher hierzu Wang/Wang 2010, 18 sowie Brown 2006, 83 f.). Der Modell-Fit-Index TLI wird folgendermaßen gebildet:

T​L​I​ =

χ​ 2 χ​ 2 ( n​u​l​l​ − s​p​e​c​i​f​i​e​d​ ) d​f​n​u​l​l​ d​f​s​p​e​c​i​f​i​e​d​

.

χ​ 2 ( n​u​l​l​ − 1) d​f​n​u​l​l​ 2 /dfnull und χ2specified /dfspecified des TLI stellen in dem Zusammenhang Die Werte χnull das Verhältnis der χ2-Statistik zwischen dem Null-Modell und dem zu spezifizierenden Modell dar (näheres hierzu Wang/Wang 2010, 19; Brown 2006, 83 f.). Diese Indizes geben die Güte an, d. h. wie gut oder wie schlecht das beobachtete Modell dem Zielmodell genügt. Die Vorgaben bzw. Grenzen für die Werte der verschiedenen Indizes kann auch von unterschiedlichen Autoren abhängen (Brown 2006, 87; Byrne 2012, 71; Ullmann/Bentler 2012).55

2 Strukturgleichungsmodell für FILS Für FILS gilt es nun, die Methodik der Strukturgleichungsmodellierung mit den einzelnen Rasch-Modellen der Inhaltsfelder und dem Einstellungstest zu verbinden. So kann für das Konstrukt in FILS folgende Hypothese aufgestellt werden:

55 Zu detaillierten Informationen siehe Byrne 2012; Brown 2006.

2 Strukturgleichungsmodell für FILS

97

financial literacy setzt sich inhaltlich aus den Elementen Schulden, Vermögensbildung, Versichern und Steuern, Zahlungsverkehr und Geldpolitik zusammen. Zusätzlich wird die Fähigkeit der Bedienung von Online-Instrumenten erfasst. Beeinflusst werden kann financial literacy durch unterschiedliche Einstellungen im Umgang mit Geld, also den nichtrationalen Faktoren, die einen äußeren Einfluss auf die Fähigkeit nehmen. Dabei spielen die Motivation und der eigene Umgang mit Geld eine wichtige Rolle. Um die Beziehungen und Beeinflussungen der Fähigkeiten und Einstellungskriterien untereinander und miteinander zu analysieren, müssen diese Faktoren ein valides Konstrukt ergeben und die Hypothese muss bestätigt werden. Der Aufbau und die Logik der Hypothesenprüfung in FILS erfolgt nach den vorangestellten Kriterien für Strukturgleichungsmodelle. Unterschieden wird zwischen dem exogenen und endogenen Messmodell.

Messmodell der manifesten exogenen Variablen in FILS Das exogene Messmodell stellt die Wirkung von äußeren Faktoren auf die latente Variable financial literacy dar und umfasst in FILS die Items zur Einstellung und zum Umgang mit Geld. Um die einzelnen Einstellungsvariablen im Strukturmodell zu erfassen, werden die Variablen ihrer thematischen Ausrichtung entsprechend gebündelt. Zusätzlich wurde die Richtung der Items gleichgepolt, damit negativ gepolte Items einen vergleichbaren Wert bei einer Zustimmung bzw. Ablehnung erhalten (Bühner 2010). Die Bündelung der Items wird mittels Cronbachs Alpha validiert, damit die Reliabilität der Itembündel konstatiert ist (vgl. Tab. 7) (Cortina 1993).56

Tab. 7: Reliabilität der Einstellungskriterien. Reliabilitätsstatistik

Macht/Ansehen Finanzielle Planung Qualität durch Geld Bedeutsamkeit von Geld Geiz/Festhalten an Geld Motivation

Cronbachs-Alpha

Cronbachs-Alpha für standardisierte Items

Anzahl der Items

,817 ,833 ,842 ,788 ,756 ,560

,817 ,838 ,843 ,789 ,759 ,604

8 7 5 4 4 4

56 Die ausführliche Dokumentation der jeweiligen Reliabilität ist bei Schürkmann/Schuhen (2017) zu finden.

98

IV Validierung des Konstrukts in FILS

„Macht/Ansehen“

ξ1

„Finanzielle Planung“

ξ2

„Qualität durch Geld“

ξ3

γ11 γ12 ζ7 γ13

„Bedeutsamkeit von Geld“

ξ4

γ14

η7

γ15 „Geiz/Festhalten an Geld“

ξ5

„Motivation“

ξ6

γ16

Messmodell der manifesten exogenen Variablen

Abb. 14: Messmodell der manifesten exogenen Variablen in FILS.

So können anschließend Mittelewerte für jedes Einstellungskriterium generiert werden, die das Maß der Ausprägung für jeden Probanden auf einer festgelegten Skala zwischen 0 und 1 reproduzieren. Insgesamt sind so sechs Variablenbündel entstanden, die sich auf Macht und Ansehen (1), finanzielle Planung (2), Qualität durch Geld (3), Bedeutsamkeit von Geld (4), Geiz (5) und Motivation (6) beziehen. Die gebündelten Variablen werden auf der linken Seite des zu konzipierenden Strukturgleichungsmodells angelegt. Sie bilden das Messmodell der manifesten exogenen Variablen (vgl. Abb. 14). Dabei bilden die mittleren Durchschnittswerte der Probanden, entsprechend der Zugehörigkeit des jeweiligen Einstellungskriteriums, genau eine Variable ab, die als manifeste Variable von außen auf die latente Variable einwirkt. So bilden die Einstellungs- und Motivationskriterien das Messmodell der manifesten exogenen Variablen und bestehen insgesamt aus sechs gebündelten Elementen.57

57 Vgl. hierzu Kapitel II.5.4: Beschreibung der 5 Faktoren im Einstellungstest zum Umgang mit Geld nach Barry (2014).

2 Strukturgleichungsmodell für FILS

99

Die sechs gebündelten Variablen werden durch die Bezeichnung ξn (n = 1, …, 6) wiedergegeben. In diesem Fall bleiben die Messmodelle für die Einstellungskriterien manifest, da alle Variablen beobachtbar sind und keine latenten Konstrukte generiert wurden. Erst η7 bildet als ovales Konstrukt die latente Variable financial literacy ab.58 Auf dieser Ebene des Strukturgleichungsmodells werden die Faktorladungen γn analysiert, die Aufschluss darüber geben, wie stark und auf welche Weise, positiv oder negativ, die Einstellungen der Probanden im Umgang mit Geld financial literacy als latentes Konstrukt beeinflussen. financial literacy als latente Variable wird hingegen nicht von den Variablen des manifesten exogenen Messmodells erzeugt. Die linke Seite des Strukturgleichungsmodells gibt nur Aufschluss über die externen Faktoren, von denen angenommen wird, dass sie financial literacy bei Schülern beeinflussen. Messmodell der manifesten endogenen Variablen für FILS Das Messmodell der manifesten endogenen Variablen ist auf der rechten Seite des Strukturgleichungsmodells angeordnet und ähnlich aufgebaut wie das Messmodell für die manifesten exogenen Variablen. Auch hier steht die Bezeichnung η7 wieder für das latente Konstrukt financial literacy, die das Zentrum des Gesamtmodells bildet und beide Seiten miteinander verbindet. Die geschätzten Personenfähigkeitsparameter ηi (i = 1, …, 6) werden durch die manifesten Variablen zi generiert (vgl. Abb. 15).59 Die inhaltlich selektiv generierten Personenfähigkeitsparameter fließen somit, ihren Inhaltsfeldern entsprechend, gebündelt in das Strukturgleichungsmodell für FILS ein. Die Fähigkeitsausprägungen, die in jedem Inhaltsfeld für die Schüler geschätzt werden, können nun rekursiv durch ein gemeinsames latentes Konstrukt, die Finanzkompetenz bzw. financial literacy η7, dargestellt und erklärt werden. Nur wenn alle gemessenen Fähigkeiten zur latenten Variable financial literacy gehören, kann davon ausgegangen werden, dass diese das Konstrukt financial literacy in FILS auch aufspannen und diesem Inhalt geben. Das Strukturgleichungsmodell der financial literacy für FILS Die gebündelten Items aus dem Einstellungstest und die inhaltsabhängigen Personenfähigkeitsparameter werden nun gemeinsam in das Strukturgleichungsmodell implementiert (vgl. Abb. 16). Die latente Variable financial literacy (η​7) wird von den manifesten exogenen Variablen beeinflusst und erklärt die manifesten endogenen Variablen. So wird

58 Die Darstellung zeigt einen Ausschnitt (entspricht der linken Seite) des vollständigen Strukturgleichungsmodells (vgl. Abb. 16). 59 Die jeweiligen drei manifesten Variablen zi stehen symbolisch für die Anzahl an Variablen, die zu den jeweiligen Inhaltsfeldern gehören.

100

IV Validierung des Konstrukts in FILS

ζ1 η1 ζ2 η2 ζ3 η3

ζ7 ζ4 η7

η4 ζ5 η5 ζ6 η6

Strukturgleichungsmodell

λ11 λ21 λ31 λ42 λ52 λ62 λ73 λ83 λ93

z1

ε1

z2

ε2

z3

ε3

z4

ε4

z5

ε5

z6

ε6

z7

ε7

z8

ε8

z9

ε9

λ104 λ114 λ124

z10

ε10

z11

ε11

z12

ε12

λ135 λ145 λ155

z13

ε13

λ166 λ176 λ186

z14

ε14

z15

ε15

z16

ε16

z17

ε17

z18

ε18

„Schulden“

„Vermögensbildung“

„Versichern und Steuern“

„Zahlungsverkehr“

„Geldpolitik“

„Online-Service-Angebote“

Messmodell der manifesten endogenen Variablen

Abb. 15: Messmodell der latenten endogenen Variablen für FILS.

gezeigt, wie hoch der Anteil an financial literacy in den einzelnen Inhaltsbereichen ist, der die Ausprägung der Personenfähigkeitsparameter erklärt. Das Strukturgleichungsmodell verbindet die beiden Seiten der Messmodelle zu den manifesten exogenen Variablen und den manifesten endogenen Variablen und bildet das gesamte theoretisch fundierte Konstrukt financial literacy für FILS ab. Es werden alle Komponenten, die vorab theoretisch erschlossen wurden, berücksichtigt. Valide ist das Konstrukt financial literacy, wenn die Modellgütekriterien des Strukturgleichungsmodells in einem annehmbaren Bereich liegen. Die Model-FitInformationen zeigen einen Chi-Square-Wert von 49,901 mit 39 Freiheitsgraden und 24 freie Parameter (number of free parameters) auf. Das Strukturgleichungsmodell ist mit einem Wert von p = 0,1133 nicht signifikant und der RMSEA liegt bei 0,028. Der CFI nimmt einen Wert von 0,937 an. Damit liegen die Gütekriterien in einem annehmbaren guten bis sehr guten Bereich und das Konstrukt financial literacy für FILS wird angenommen (Wang/Wang 2010, 19; Brown 2006, 83 f.). Die Ergebnisse des Strukturgleichungsmodells in Form der Ladungen auf und ausgehend von der latenten Variable financial literacy geben erste Hinweise auf das Wirkungsgefüge der singulären Elemente.

2 Strukturgleichungsmodell für FILS

ζ1

„Macht/Ansehen“

η1

ξ1

ζ2

„Finanzielle Planung“

ξ2

η2

γ11

ζ3

γ12 „Qualität durch Geld“

„Bedeutsamkeit von Geld“

ξ3

ξ4

ζ7 γ13 γ14 γ15

„Geiz/Festhalten an Geld“

ξ5

η3

ζ4 η7

ζ5 η5

ζ6

„Motivation“

ξ6

Messmodell der manifesten exogenen Variablen

λ42 λ52 λ62 λ73 λ83 λ93 λ104

η4

γ16

λ11 λ21 λ31

λ114 λ124 λ135 λ145 λ155 λ166

η6

λ176 λ186

Strukturgleichungsmodell

z1

ε1

z2

ε2

z3

ε3

z4

ε4

z5

ε5

z6

ε6

z7

ε7

z8

ε8

z9

ε9

z10

ε10

z11

ε11

z12

ε12

101

„Schulden“

„Vermögensbildung“

„Versichern und Steuern“

„Zahlungsverkehr“

z13

ε13

z14

ε14

z15

ε15

z16

ε16

z17

ε17 ε18 „Online-Service-Angebote“

z18

„Geldpolitik“

Messmodell der manifesten endogenen Variablen

Abb. 16: Strukturgleichungsmodell der financial literacy in FILS.

Die niedrigen Faktorladungen auf der linken Seite des Modells implizieren, dass die Einstellungskriterien nur einen marginalen Einfluss auf das latente Konstrukt financial literacy nehmen (vgl. Abb. 17). Das bedeutet, dass die Einstellung zum Umgang mit Geld die latente Variable financial literacy zwar beeinflusst, der Grad der Auswirkungen aber nur Nuancen in der Fähigkeitsausprägung bei den Schülern bewirkt. Die höchste Ladung hat das Kriterium Bedeutsamkeit von Geld mit einer Faktorladung von 0,240. So sind die Einstellungs- und Motivationskriterien nicht unbedeutend, da diese einen signifikanten Anteil am Gesamtmodell haben. Dieser wird sich daher in der nachfolgenden Ergebnisanalyse nur schwach ausgeprägt zeigen. Dabei muss analysiert werden, auf welche spezifischen Fähigkeiten die Einstellungskriterien einen Einfluss ausüben und wie dieser gerichtet ist. Signifikant für das Modell in FILS ist es, dass mithilfe der singulären Fähigkeitsmessungen in den Inhaltsfeldern diese Beeinflussung kompetenzspezifisch untersucht werden kann. Die Ergebnisse der rechten Seite des Modells, also der Personenfähigkeitsparameter aus den Inhaltsbereichen, werden durch die latente Variable financial literacy bzw. die Finanzkompetenz erklärt. Die Fähigkeiten in den Inhaltsfeldern Schulden, Vermögensbildung sowie Zahlungsverkehr werden relativ hoch durch die latente Variable financial literacy erklärt. Fähigkeiten im Umgang mit Versicherungen und Steuern können nur durch einen geringen Wert (0,279) erklärt werden, was durch die niedrige Itemanzahl in diesem Bereich zu erklären ist. Die Nutzung

102

IV Validierung des Konstrukts in FILS

,625 Ansehen/ Macht

Schulden

Vermögensbildung

,603

Finanzielle Planung

Versichern und Steuern

,922

,119 Qualität durch Geld

Bedeutung von Geld Geiz/ Festhalten an Geld

,919

,065 ,036 ,240

,612 ,630

Financial Literacy

,279 ,539

,065

,417

,118

,229

Motivation

,709 Zahlungsverkehr

,826 Geldpolitik

OnlineServiceAngebote

,948

Abb. 17: Ergebnis des Strukturgleichungsmodells (in Mplus erstellt).

von Online-Service-Angeboten weist ebenfalls eine niedrige Faktorladung (0,229) auf. Dies ist allerdings auch bedingt durch die thematische Implementierung der Online-Service-Angebote zur financial literacy. Denn die Fähigkeit, mit Online-Instrumente umzugehen, ist nicht vordergründig bedingt durch financial literacy. Diese Fähigkeit ist eher einer media literacy zu zuordnen, da es in erster Linie darum geht, mit einem Computer oder einem ähnlichen Medium umgehen und innerhalb dieses Mediums Online-Instrumente zur Informationsbeschaffung bedienen zu können. Der Teil, der sich mit financial literacy befasst, ist inhaltlich orientiert, d. h. die Probanden müssen die Informationen aus dem Item verarbeiten und richtig im Online-Instrument wiedergeben. Da dieses Gebiet stark durch andere Kompetenzen beeinflusst wird, erklärt dies die niedrige Faktorladung von 0,229 in diesem Bereich. Dennoch kann gezeigt werden, dass die Fähigkeit, mit derartigen Instrumenten umzugehen, zu einer financial literacy in FILS gehört. Die quadrierten Faktorladungen geben nun Aufschluss darüber, zu wie viel Prozent die jeweiligen Inhaltsbereiche bzw. die Fähigkeit, mit Online-Instrumente umzugehen, erklärt werden (Wang/Wang 2010, 19; Brown 2006, 83 f.). Abgebildet ist dies durch die Werte des R-Square, die in Tab. 8 dargestellt werden. Die relativen Werte geben den Fähigkeitsanteil im jeweiligen Inhaltsfeld wieder, der durch

3 Strukturgleichungsmodell in FILS – Zwischenfazit

103

Tab. 8: R-Square-Ergebnisse des Strukturgleichungsmodells von FILS. R-Square Variable

Estimate

S.E.

Two-Tailed EST/S.E.

p-value

Schulden Vermögensbildung Versichern und Steuern Zahlungsverkehr Geldpolitik Online-Service-Angebote

0,375 0,400 0,078 0,285 0,173 0,056

0,069 0,077 0,036 0,063 0,060 0,420

5,403 5,189 2,155 4,554 2,903 1,341

0,000 0,000 0,031 0,000 0,004 0,180

die Finanzkompetenz bei Schülern erklärt werden kann. So wird das Inhaltsfeld Vermögensbildung zu 40 Prozent mit der latenten Variable financial literacy erklärt. Schulden werden zu 37,5 Prozent konstatiert und die Online-Instrumente nur zu 5,6 Prozent durch das Konstrukt der Finanzkompetenz in FILS erklärt. Die Ergebnisse zeigen deutlich, dass die Inhaltsfelder durch ein gemeinsames Konstrukt erklärt werden. Dieses latente Konstrukt wird als financial literacy oder Finanzkompetenz bei Schülern bezeichnet und vereint die Inhaltsbereiche und deren spezifischen Kompetenzen.

3 Strukturgleichungsmodell in FILS – Zwischenfazit Die Ergebnisse zeigen, dass sechs Bestandteile einer financial literacy in FILS nachgewiesen werden konnten und Einstellungskriterien die Finanzkompetenz beeinflussen können. Anzunehmen ist, dass es noch weitere Komponenten gibt, die einer financial literacy zugehörig sind oder einen Einfluss auf diese ausüben können. So müssen rein verbale und mathematische Fähigkeiten berücksichtigt werden, da diese elementar sind, um überhaupt finanziell agieren zu können.60 Das Modell in FILS unterliegt damit nicht der Vollständigkeitsannahme in der Darstellung einer financial literacy, sondern zeigt, dass das Messinstrument financial literacy bei Schülern misst und ein valides Konstrukt für FILS bildet. Damit ist auch gemeint, dass das Konstrukt in FILS zwar valide ist, es aber nicht bedeutet, dass keine weiteren Faktoren dem Konstrukt zugesprochen werden können. Basierend auf den theoretischen Vorüberlegungen zur Kompetenzmessung, zur Konstruktvalidität und der inhaltlichen Auseinandersetzung mit einer schülerorientierten financial literacy können nun die spezifischen Auswertungen der Kompetenzen und Einstellungen in Bezug auf einfache soziodemografische Faktoren er-

60 Für diese Analyse müssen beispielsweise Testinstrumente für mathematische und verbale Kompetenz in den Test einer financial literacy integriert werden, was aus zeitlichen Gründen nicht möglich war.

104

IV Validierung des Konstrukts in FILS

schlossen werden. So können die durch das Strukturgleichungsmodell offenbarten externen Faktoren hinsichtlich ihrer Stärke und der inhaltsabhängigen Beeinflussung analysiert werden. Auch die Kompetenzbausteine der Inhaltsbereiche können zunächst singulär und anschließend gemeinsam als Finanzkompetenz bei Schülern analysiert und dargestellt werden. So wird die Ergebnisdarstellung dem eingangs genannten Anspruch gerecht, financial literacy als mehrdimensionales Konstrukt zu betrachten, das aus verschiedenen Kompetenzen besteht, die dem breiten inhaltlichen Spektrum geschuldet sind. Basierend auf diesem Anspruch können durch die Validierung des theoretisch fundierten Konstrukts financial literacy in FILS Defizite und Stärken der Schüler identifiziert und analysiert werden, um mögliche Interventionen für das Bildungssystem zu formulieren.

V Auswertung in FILS Durch die erschlossene Validität des Konstruktes financial literacy in FILS ist es nun möglich, die spezifischen Kompetenzen der Inhaltsfelder singulär und gemeinsam zu analysieren und die Einflussstärke der exogenen Faktoren auf financial literacy bei Schülern zu untersuchen. Dazu wird zunächst die Testkonstruktion unter Berücksichtigung einzelner Pretests fokussiert. Um mögliche Zusammenhänge zwischen den Einstellungskriterien und den Fähigkeitsausprägungen in FILS zu interpretieren, werden in einem ersten Schritt die Einstellungen zum Umgang mit Geld bei den Schülern ausgewertet. In einem zweiten Schritt werden die spezifischen Kompetenzen der einzelnen Inhaltsfelder erschlossen und zuletzt als gemeinsame Fähigkeitsausprägung financial literacy bei Schülern betrachtet. Die Konstruktvalidität des Messinstruments ist bereits erschlossen, sodass die Schritte eins (Exploration)61 und zwei (Konzeption)62, drei (Implementation)63 sowie Schritt fünf (Evaluation) der TMT-Methode abgeschlossen sind. Offen bleibt in Schritt vier die Analyse der kompetenzspezifischen und soziodemografischen Datenstrukturen (vgl. Abb. 18). 80%

74% 67%

70% 57%

60% 50%

43%

40%

33%

30%

26%

20% 10% 0%

Gymnasium

Realschule Männlich

Berufskolleg

Weiblich

Abb. 18: Zwischenfazit zum TMT-Modell.

1 Die Stichprobenverteilung Die Hauptuntersuchung von FILS umfasst allgemeinbildende Schulen in Rheinland-Pfalz und Nordrhein-Westfalen. Neben Realschulen und Gymnasien sind auch 61 Siehe Kapitel II.1–3. 62 Siehe Kapitel II.5. 63 Siehe Kapitel III.1. https://doi.org/10.1515/9783110555622-005

106

V Auswertung in FILS

5 Phasen-Methode im Prozess der Entwicklung von Kompetenztests Phase

Methode

Resultat

1. Exploration

2. Konzeption

3. Implementation

4. Analyse

5. Evaluation

Domänenspezifische Analyse des Forschungsgebietes

Entwicklung eines Aufgabenkonzeptes

Interview zur Studie

Erstellung des spezifischen Messmodells

Theoretische und empirische Validitätsprüfung

Differenzierung und Spezifizierung des Untersuchungsgegen -standes

Entwicklung des Studiendesigns (inhaltlich und konzeptionell) Theorieentwicklung

Forschungsdesiderat

Studiendesign

Pretest und Reliabilitätsanalyse Durchführung der Hauptstudie

Datengenerierung

Analyse der kompetenz- und soziodemographischen Datenstrukturen

Ergebnisse

Kompetenzmodell

Valide Ergebnisse

Valides Konstrukt

Theorie-Modell-Test(TMT)

Abb. 19: Stichprobenverteilung auf die Schulformen.

Berufsschulen aus beiden Bundesländern in die Stichprobe integriert. Insgesamt konnten 346 vollständige Datensätze generiert werden. 62,1 Prozent der Schüler sind weiblich und 37,9 Prozent der Schüler sind männlich. Während am Gymnasium eine tendenzielle paritätische Verteilung mit einem Verhältnis von 43,2 Prozent zu 56,8 Prozent herrschte, nimmt die Disparität der Geschlechterverteilung bei den Schulformen der Realschule und den Berufsschulen zu. So ist an der Realschule ein Drittel der Probanden männlich, während an den Berufsschulen der Anteil auf ein Viertel zurückfällt (vgl. Abb. 19). Innerhalb dieser Schulformen konnte FILS nur im Berufsvorbereitungsjahr (BVJ) bzw. Berufsgrundschuljahr durchgeführt werden, wodurch die Stichprobe der Berufsschulen nicht repräsentativ für die möglichen Bildungsgänge des Schulsystems ist. Die Verteilung der Geschlechter hängt stark mit der Anzahl der getesteten Schüler der jeweiligen Schulform zusammen. Am Gymnasium wurden 199 Schüler getestet, an den Realschulen 93 Schüler und an den beiden Berufskollegs insgesamt 54 Schüler.64 Auf Grundlage der Stichprobenverteilung werden in den nachfolgenden Kapiteln die einzelnen Ergebnisse zu FILS vorgestellt. Ausgehend von den Einstellungskriterien werden die Rasch-modellierten Ergebnisse der Inhaltsfelder analysiert, um abschließend die Beziehungen zwischen den einzelnen Fähigkeitsausprägungen einer schülerorientierten financial literacy darzustellen und ein Gesamtbild von financial literacy zu konzeptionieren.

64 Es ist anzunehmen, dass mit einer größeren Stichprobe auch die Verteilung der Geschlechter innerhalb der Schulformen näher an eine paritätische Verteilung herankommt.

2 Individuelle finanzielle Einstellungen

107

2 Individuelle finanzielle Einstellungen Die Einstellung der Schüler sind durch den Einstellungstest zum Umgang mit Geld von Barry erhoben worden.65 Das Testinstrument besteht aus den fünf Komponenten: Ansehen und Macht (E_1), Finanzielle Planung (E_2), Qualität durch Geld (E_3), Bedeutsamkeit von Geld (E_4) sowie dem Feld Geiz/Festhalten an Geld (E_5) (Barry 2014, 105). Skaliert sind die Items im Intervall von 1 bis 5, entsprechend der zugrunde gelegten Likertskala (von „trifft nicht zu“ bis „trifft voll zu“) im Testinstrument. Negativ orientierte Kriterien, wie Ansehen und Macht und Geiz/ Festhalten an Geld, werden positiv gepolt, sodass ein niedriger Wert eine Ablehnung dieses Einstellungskriteriums zur Folge hat. Um zu prüfen, ob die Items der jeweiligen Komponenten einheitlich einen Faktor messen, wurden fünf Reliabilitätsanalysen durchgeführt (Bühner 2010). Die Werte für Cronbachs Alpha liegen alle in einem annehmbar guten Intervall zwischen ,756 für das Einstellungskriterium Geiz/Festhalten an Geld und ,842 für das Kriterium Qualität durch Geld (vgl. Tab. 9) (Cortina 1993). Auch die Korrigierte-Item-Skala-Korrelation zeigt keine Werte, die zu einem Ausschluss einzelner Antwortmöglichkeiten führen würden, da die Werte meist weit über ,200 liegen und die interne Konsistenz der jeweiligen Items damit gegeben ist (Bühner 2010). Die mittlere Itemkorrelation bzw. die Inter-Item-Korrelation (vgl. Tab. 10) gibt Aufschluss über die Homogenität der Items. Im Idealfall liegen die Werte zwischen ,200 und ,400. Für den Einstellungstest in FILS liegen die Homogenitätsindikatoren für die Faktoren E_2 bis E_5 leicht über diesem Wert (Bühner 2011). Lediglich E_1 weist eine entsprechende Homogenität auf. Auch bei Barry liegen die Homogenitätswerte für die Kriterien E_2, E_3, E_4 leicht über dem Idealwert (Barry 2014, 101). Die einzelnen Items sind mit zunehmender Zustimmung des Items von eins bis fünf codiert. Entsprechend zeigen die Mittelwerte, die über einer neutralen Haltung bei einem Wert von 2,5 liegen, dass das jeweilige Einstellungskriterium eher von den Schülern angenommen wird. Werte unterhalb dieser Grenze deuten auf die Ablehnung des jeweiligen Einstellungskriteriums hin. Bei der ersten Betrachtung zeigt sich, dass die Schüler vier von den fünf Kriterien tendenziell zustimmen. Lediglich das Kriterium Ansehen und Macht wird durchschnittlich stärker abgelehnt. Die Kriterien Qualität durch Geld und Geiz/Festhalten an Geld überschreiten die Grenze zur Zustimmung nur sehr knapp, wodurch auch die Tendenz der Neutralität und die Unentschlossenheit der Schüler gegenüber diesen beiden Einstellungsitems geäußert werden. Beide Kriterien zeigen keine hohe Relevanz bei den Schülern und sind ihnen nicht wichtig bei finanziellen Entscheidungen. Werden die Einstellungskriterien nach der Schulform und nach dem Geschlecht selektiert, können die Unterschiede zwischen den einzelnen Gruppierun-

65 Siehe Kapitel II.5.4.

108

V Auswertung in FILS

Tab. 9: Reliabilitäten des Einstellungstests. Item-Skala-Statistik Mittelwert skalieren, wenn Item gelöscht

Varianz skalieren, wenn Item gelöscht

Korrigierte Item-SkalaKorrelation

Quadrierte multiple Korrelation

CronbachsAlpha, wenn Item gelöscht

E_1_1 E_1_2 E_1_3 E_1_4 E_1_5 E_1_6 E_1_7 E_1_8

14,12 14,82 14,81 14,53 15,25 14,89 15,32 14,75

17,610 17,744 18,234 17,954 19,289 17,321 18,601 17,148

,574 ,605 ,489 ,530 ,379 ,600 ,521 ,585

,398 ,413 ,266 ,351 ,212 ,406 ,309 ,379

,791 ,787 ,803 ,797 ,817 ,787 ,799 ,789

,817

E_2_1 E_2_2 E_2_3 E_2_4 E_2_5 E_2_6 E_2_7

20,40 20,39 20,09 20,70 20,81 20,92 21,15

19,800 19,688 20,560 18,449 19,345 19,602 19,297

,627 ,655 ,570 ,632 ,596 ,543 ,489

,611 ,628 ,373 ,440 ,384 ,373 ,298

,804 ,800 ,813 ,801 ,808 ,816 ,828

,833

E_3_1 E_3_2 E_3_3 E_3_4 E_3_5

10,68 11,11 11,79 10,46 11,15

 7,970  6,892  7,903  7,768  7,471

,640 ,740 ,636 ,612 ,617

,449 ,564 ,418 ,389 ,412

,813 ,783 ,813 ,819 ,819

,842

E_4_1 E_4_2 E_4_3 E_4_4

10,90 10,92 10,99 11,52

 3,911  4,061  3,655  3,537

,607 ,552 ,584 ,648

,415 ,357 ,401 ,461

,732 ,758 ,744 ,709

,788

E_5_1 E_5_2 E_5_3 E_5_4

 7,92  7,75  8,51  8,94

 5,087  5,053  4,836  5,387

,545 ,493 ,675 ,512

,308 ,279 ,457 ,300

,703 ,735 ,633 ,720

,756

gen verdeutlicht werden (vgl. Abb. 20). Für die gruppenspezifische Analyse sind die Items der jeweiligen Einstellungskriterien gebündelt und als Mittelwert berechnet worden.66 Es zeigt sich, dass die Schüler bis auf das erste Einstellungskriterium die Kriterien annehmen. So spielen Ansehen und Macht bei den Schulformen keine große Rolle. Wenn die Geschlechter betrachtete werden, ist eindeutig zu erkennen, dass die männlichen Probanden stärker dazu neigen, diesem Kriterium zuzustimmen als die weiblichen Schüler (männliche Probanden: 0,4632, weibliche Proban-

66 Die Itembündelung ist legitimiert durch Cronbachs Alpha (siehe Tab. 9). So sind die Werte auf das Intervall zwischen 0 und 1 skaliert, wobei die Grenze zwischen den Kriterien Ablehnung und Zustimmung bei 0,5 liegt.

109

2 Individuelle finanzielle Einstellungen

Tab. 10: Die mittlere Itemkorrelation der Einstellungsfaktoren. Mittelwert

Minimum

Maximum

Bereich

Maximum/ Minimum

Varianz

ItemMittelwerte Inter-ItemKorrelation

2,116

1,607

2,812

1,205

1,75

0,146

E_1

0,358

0,154

0,499

0,345

3,238

0,008

ItemMittelwerte Inter-ItemKorrelation

3,439

2,928

3,983

1,055

1,36

0,131

E_2

0,426

0,269

0,758

0,489

2,813

0,014

ItemMittelwerte Inter-ItemKorrelation

2,76

2,003

3,335

1,332

1,665

0,263

E_3

0,518

0,411

0,605

0,194

1,472

0,004

ItemMittelwerte Inter-ItemKorrelation

3,694

3,257

3,879

0,622

1,191

0,086

E_4

0,483

0,394

0,613

0,219

1,555

0,008

ItemMittelwerte Inter-ItemKorrelation

2,76

2,104

3,292

1,188

1,556

0,299

E_5

0,44

0,31

0,519

0,209

1,672

0,007

Anzahl der Items

8

7

5

4

4

den: 0,3988). Dieses Bild ist auch auf die Einstellungskriterien Finanzielle Planung, Qualität durch Geld und Bedeutsamkeit von Geld übertragbar. Lediglich beim Kriterium Geiz/Achten auf Geld zeigen die Mädchen eine größere Zustimmung, wobei der Unterschied sehr gering ist. Die beiden Kriterien Finanzielle Planung und Bedeutsamkeit von Geld sind die Kriterien, denen beide Geschlechter am stärksten zustimmen und sich mit den Einstellungsitems identifizieren können. Ein ähnliches Bild zeigt sich auch bei der differenzierten Betrachtung nach Schulformen. Diese beiden Einstellungskriterien beinhalten die im Testdesign verstärkt positiv wahrgenommen Items. Die Bedeutung und der Wert von Geld sowie eine gut strukturierte finanzielle Planung scheinen den meisten Schülern sehr wichtig zu sein. Ansehen und Macht ist negativ konnotiert und stößt bei den Schülern auf Ablehnung. Die Bedeutsamkeit von Geld hat auch im Strukturgleichungsmodell (vgl. Abb. 17) den höchsten Einfluss auf die latente Variable financial literacy mit einer Faktorladung 0,24. Das bedeutet, dass die Wertschätzung des Geldes einen Einfluss auf die Kompetenz im Umgang mit den inhaltlichen Fragen und dem Antwortverhalten der Schüler in FILS hat. Eine analoge Verteilung ist auch bei der Betrachtung der Einstellungskriterien differenziert nach unterschiedlichen Schulformen zu verzeichnen. Die finanzielle Planung ist bei den Realschülern prägnanter als bei den gymnasialen Schülern und den Schülern des Berufskollegs, während die Bedeutsamkeit von Geld bei den Berufskollegschülern wesentlich niedriger ausfällt als bei den Gymnasiasten und

110

V Auswertung in FILS

,9000 ,8000

,7649

,7000

,6765

,5838

,6000

,5588 ,5408

,5325

,5000 ,4000

,7230

,7064

,4632 ,3988

,3000 ,2000 ,1000 ,0000

Weiblich Männlich

Ansehen/ Macht

Finanzielle Planung

Qualität durch Geld

Bedeutsamkeit von Geld

Geiz

,3988 ,4632

,6765 ,7064

,5325 ,5838

,7230 ,7649

,5588 ,5408

Weiblich

,8000

,6000 ,5000

,7618 ,7177

,7146 ,6879 ,6418

,7000

,4000

Männlich

,6907 ,5972 ,5446 ,5432

,5638 ,5505 ,5104 ,4069 ,4328 ,4121

,3000 ,2000 ,1000 ,0000

Ansehen/ Macht

Finanzielle Planung Gymnasium

Qualität durch Geld Realschule

Bedeutsamkeit von Geld

Geiz

Berufsschule

Abb. 20: Verteilung der Mittelwerte im Einstellungstest nach Geschlecht und Schulform.

Realschülern. Für die Schüler des Berufskollegs spielt allerdings das Einstellungskriterium Geiz/Festhalten am Geld eine bedeutende Rolle. Der Mittelwert liegt mit 0,5972 relativ stark im zustimmenden Bereich, woraus geschlossen werden kann, dass die getesteten Schüler des Berufskollegs ein stärkeres Empfinden für das Festhalten am Geld zeigen als Schüler anderer Schulformen.67 67 Am Berufskolleg wurden nur Berufsgrundschulklassen/Berufsvorbereitungsjahrgänge getestet. Es müssten weitere soziodemografische Faktoren berücksichtigt werden, die in FILS aufgrund des Studiendesigns nicht miterhoben werden konnten. Des Weiteren müssten weitere Schüler des Berufskollegs an der Studie teilnehmen, damit ein heterogenes Bild entsteht, was in der Erhebungsphase 2012 nicht möglich war. Die Verteilung der Antworten der Schüler zu den einzelnen Items des Einstellungs- und Motivationstests sind im Anhang detailliert aufgeführt.

2 Individuelle finanzielle Einstellungen

111

70,0% 62,1% 58,1%

60,0% 48,0%

50,0% 40,0% 30,0%

35,8% 26,9%

26,0% 19,7%

20,0% 11,0%

10,0%

5,5%

5,5% 0,9%

0,6%

0,0% Hast du einen Überblick über deine tatsächlichen Ausgaben? Immer

Setzt du dir selber eine Höhe für deine Ausgaben fest? Meistens

Selten

Hast du einen Überblick über deine Einnahmen? Nie

60,0% 49,7%

50,0% 40,0%

Mehr als 20 Stunden 30,0%

Mehr als 10 Stunden 23,4%

Mehr als 5 Stunden

20,0% 11,6%

Weniger als 5 Stunden 11,0%

10,0% 4,3%

0,0%

Ich beschäftige mich mit finanziellen Themen nicht

Schätze wie viel Zeit du dich im Monat mit finanziellen Themen beschäftigst

Abb. 21: Auswertung der Motivationskriterien in FILS.

Neben den Einstellungskriterien im Umgang mit Geld ist für die finanzielle Bildung auch die Motivation der Schüler relevant. Aus der Analyse der Einstellungskriterien kann folgende Annahme abgeleitet werden: Wenn Schüler sich intensiv mit finanziellen Themen auseinandersetzen, sich der eigenen Finanzsituation bewusst sind, diese einschätzen und beurteilen können, dann ist davon auszugehen, dass sich diese Motivation positiv auf die individuelle financial literacy auswirkt. Zusätzlich zu dem adaptierten Testinstrument von Barry wurden weitere Motivationskriterien erhoben. Die Schüler sollten einschätzen, wie viel Zeit sie sich eigenständig mit finanziellen Themen beschäftigen und ob sie eine Übersicht über ihre eigenen Einnahmen und Ausgaben haben. Insgesamt beschäftigen sich 88,1

112

V Auswertung in FILS

1,00 0,90 0,80 0,70

0,77

0,87

0,81 0,71

0,90

0,70

0,60 0,49 0,50

0,50 0,40 0,30 0,20 0,10 0,00 Hast du einen Überblick Setzt du dir selber über deine tatsächlichen eine Höhe für Ausgaben fest? Ausgaben? weiblich

Hast du einen Überblick über deine Einnahmen?

Schätze, wie viel Zeit du dich im Monat mit finanziellen Themen beschäftigst.

männlich

Abb. 22: Geschlechtsspezifische Analyse der Motivation im Umgang mit eigenen finanziellen Mitteln.

Prozent der befragten Schüler immer bzw. meistens mit ihren aktuellen Ausgaben, wobei der Anteil derjenigen, die angeben, immer einen Überblick über ihre Ausgaben zu haben, nur knapp ein Viertel (26 Prozent) beträgt. Im Vergleich dazu haben 58,1 Prozent der Schüler immer einen Überblick über ihre finanziellen Einnahmen, woraus ersichtlich ist, dass den Einnahmen eine wesentlich größere Bedeutung zukommt als den tatsächlichen Ausgaben (vgl. Abb. 21). Nur ein Fünftel der Befragten setzt die Höhe der eigenen Ausgaben fest. Mehr als 30 Prozent der Schüler machen dies nur sehr selten oder überhaupt nicht. Die unterschiedliche Wahrnehmung von Einnahmen und Ausgaben könnte mir dem Umfeld der Schüler zusammenhängen. Das Taschengeld der Eltern ist eine sichere und regelmäßige Einnahmequelle für die Schüler. Anzunehmen ist, dass sich Schüler auch Geld von den Eltern leihen, wenn sie höhere Ausgaben tätigen möchten und die Eltern diesem Wunsch eventuell nachgekommen werden. So kommt der Beschaffung von Geld eine höhere Bedeutung zu und die Ausgabe des Geldes wird als weniger prägnant wahrgenommen.68 Schulformbezogene Ergebnisse können diesbezüglich nicht identifiziert werden. Auch geschlechtsspezifische Unterschiede sind nur in einem geringen Maß festzustellen (vgl. Abb. 22). Die männlichen Probanden scheinen eher dahin zu tendieren, auf ihre tatsächlichen Ausgaben zu achten und auch einen etwas besseren Überblick über ihre tatsächlichen Einnahmen zu haben. Die Unterschiede divergieren aber nur in einem sehr kleinen Spektrum, sodass keine extrem auffälligen Divergenzen zwischen den Geschlechtern festgestellt werden können.

68 Dies ist nur ein möglicher Erklärungsansatz der Wahrnehmung. Um spezifische Aussagen treffen zu können, müssten diesbezüglich weitere Studien durchgeführt werden.

3 financial literacy von Schülern

113

Auch die Motivation zeigt im Strukturgleichungsmodell (vgl. Abb. 17) nur eine geringe Auswirkung auf die latente Variable financial literacy von 0,118 und beeinflusst damit das Verhalten der Schüler nur gering. Dennoch kann angenommen werden, dass die Motivation, ebenso wie die anderen Einstellungskriterien Einflussfaktoren bilden, die eine marginale Wirkung auf das Finanzverhalten von Schülern haben.

3 financial literacy von Schülern FILS wurde inhaltlich und konzeptionell hergeleitet und das Konstrukt validiert. Die inhaltlichen und handlungsorientierten Segmente in FILS wurden mithilfe des Rasch-Modells berechnet und können im Weiteren analysiert werden. Aus dem erschlossenen Kompetenzmodell und dem zugrundeliegenden Testdesign wird financial literacy in FILS nun als eigenständige Kompetenz betrachtet, welche Fähigkeitsausprägungen von financial literacy im Kontext der ökonomischen Bildung aufweist. FILS beinhaltet zentrale Komponenten, die eine financial literacy aus ökonomischer Perspektive inkludieren und die durch eine Kompetenz erklärt werden können. Diese Fähigkeit ist financial literacy, die durch die Konstruktvalidität legitimiert ist. Die erarbeitete Definition von financial literacy aus ökonomischer Perspektive fasst diese Darstellung einer Finanzkompetenz für Schüler zusammen als Fähigkeiten und Fertigkeiten, die Schüler benötigen, um in ihrem zukünftigen beruflichen und privaten Umfeld monetär bewusst zu agieren und fundierte Entscheidungen in den Bereichen Schulden, Vermögensbildung, Versichern und Steuern, Zahlungsverkehr und in finanzpolitischen Fragen zu treffen. Dazu gehört auch die Nutzung von Online-Service-Angeboten, um Informationen zu erhalten und auf dessen Grundlage Finanzentscheidungen zu bewerten. Geprägt sind die Fähigkeiten durch individuelle Einstellungen und die Motivation, sich mit (eigenen) finanzorientierten Themen auseinanderzusetzen.

Die Fähigkeitskomponenten, die durch das financial-literacy-Verständnis in FILS dargestellt sind, werden nun spezifisch ausgewertet, um Schwächen und Stärken zu identifizieren und Rückschlüsse auf das Verhalten der Probanden zu ziehen. Dabei werden zu jedem Inhaltsfeld Hypothesen anhand der Kompetenzauswertung geprüft, die sich aus den Vorüberlegungen zur Studie ergeben haben. Abschließend wird financial literacy im Ganzen betrachtet und als sechsdimensionales Kompetenzkonstrukt analysiert, in dem sich verschiedene Typisierungen einer financial literacy abbilden lassen.

3.1 Fähigkeitskomponente Schulden Weil die im Forschungsdiskurs betrachteten Studien den Umgang junger Erwachsener mit Schulden als Problemfeld umrissen, wonach schon Schüler Schulden

114

V Auswertung in FILS

haben oder sich in einer Verschuldungssituation befinden, die zur Überschuldung führen kann, wird angenommen, dass Schüler im Umgang mit Schulden Defizite aufweisen. Dafür spricht auch, dass insgesamt nur 26 Prozent der Schüler in FILS angeben, immer einen Überblick über ihre Ausgaben zu haben. Um diese Fähigkeiten der Schüler im Umgang mit Schulden zu prüfen, werden die Personenfähigkeitsparameter und Itemschwierigkeitsparameter, die durch das Rasch-Modell für diesen Kompetenzbereich in FILS geschätzt wurden, betrachtet. Anhand dieser Parameter werden die Schüler hinsichtlich ihrer Fähigkeitsausprägungen im Umgang mit Schulden analysiert. Für den Umgang mit Schulden sind 24 unterschiedliche Personenfähigkeitsparameter durch das Modell geschätzt worden. Die Personenfähigkeitsparameter können selektiv betrachtet werden. Parameter mit einem negativen Vorzeichen weisen auf eine geringe Personenfähigkeit hin und Parameter mit positivem Vorzeichen auf eine hohe Fähigkeit.69 Im Inhaltsfeld Schulden sind 12 Personenfähigkeitsparameter im unteren Segment anzuordnen und 12 Parameter im oberen Bereich. So hat ein Schüler, der 15 Items lösen konnte, einen Fähigkeitsparameter von 0,15296782 und ein Schüler, der nur drei korrekte Antworten gegeben hat, ein Fähigkeitsparameter von −2,69384406. Um eine Zuordnung der Items zur jeweiligen Personenfähigkeit zu erhalten, müssen für die einzelnen Items die Schwierigkeitsparameter geschätzt werden. Ziel der Zuordnung ist es, dass exakt analysiert werden kann, welcher Schüler mit welcher Fähigkeitsausprägung in der Lage ist, bestimmte Items zu lösen. Items mit einem niedrigen Schwierigkeitsgrad haben in diesem Zusammenhang ebenfalls ein negatives Vorzeichen und die positiven Parameter stellen Items mit einem höheren Schwierigkeitsgrad dar. Es zeigt sich, dass von den insgesamt 28 Items im Bereich Schulden 16 Items einen niedrigen Schwierigkeitsgrad aufweisen und 12 Items einem höheren Schwierigkeitsgrad besitzen. Deutlich wird, dass einzelne Items denselben Schwierigkeitsparameter haben können. Dies ist durch die Schätzung der Parameter bedingt, die von den Antworten der Probanden abhängt. Aus den Itemschwierigkeitsparametern und den jeweils zugehörigen Standardabweichungen werden zusätzlich noch die eta-Parameter für jedes Item berechnet. Diese Parameter zeigen an, dass der wahre Wert eines Schwierigkeitsparameters mit 95-prozentiger Sicherheit in einem bestimmten Bereich liegt. Dabei bilden die niedrigen (lower CI) und höheren (upper CI) die Grenzwerte des Konfidenzintervalls (CI) ab. So liegt der wahre Wert von Item 32 mit 95-prozentiger Sicherheit in einem Schwierigkeitsintervall von 2,777 und 3,746 und wurde auf 3,261 geschätzt (Koller et al. 2012, 52). Um nun die Itemschwierigkeiten und die Personenfähigkeiten zu verknüpfen, bietet das Rasch-Modell den Vorteil, dass beide Schätzungen auf einer gemeinsa-

69 Items, die von allen oder von keinem der Probanden beantwortet wurden, werden nicht geschätzt. So sind es für den Bereich insgesamt 24 Personenfähigkeitsparameter, die geschätzt werden konnten.

3 financial literacy von Schülern

115

men Skala abgebildet werden können (Strobl 2012). So kann die Verteilung der Personenfähigkeitsparameter in Abhängigkeit vom Itemschwierigkeitsparameter dargestellt werden (vgl. Abb. 23 oben links). Die Verteilung der Personenfähigkeitsparameter nähert sich im Inhaltsfeld Schulden einer Normalverteilung an. Auch die Verteilung der Items ist breit gestreut und deckt fast alle Personenfähigkeitsparameter ab. Ausgenommen ist die höchste Fähigkeitsausprägung, für die kein Item mehr vorhanden ist, dass diese Fähigkeit weiter differenzieren kann. Daraus kann geschlossen werden, dass die Aufgaben für die Fähigkeitskomponente Schulden ein breites Fähigkeitsspektrum abdecken und die Schüler hinsichtlich der individuellen Fähigkeitsausprägung in unterschiedliche Kompetenzstufen geclustert werden können. Dieses Bild zeigt sich auch, wenn die ICCs (Item Characteristic Curve) betrachtet werden (vgl. Abb. 23, oben rechts). Durch die Modellgleichung des Rasch-Modells, die für jedes Item nur einen Parameter, die Schwierigkeit βj als Veränderliche, vorsieht, haben alle ICCs die gleiche Steigung und verlaufen parallel. Versetzt sind sie nur durch unterschiedliche Ausprägungen des zu schätzenden Schwierigkeitsparameters. So werden Wahrscheinlichkeiten dargestellt, mit der eine Person mit einer bestimmten Fähigkeit eine Aufgabe lösen kann; zum Beispiel kann eine Person mit der Fähigkeit von Θi = 2 das Item 32 (24)70 mit einer Wahrscheinlichkeit von 20 Prozent lösen. Ein Schüler mit einer Fähigkeit von 4 hat hingegen schon eine Lösungswahrscheinlichkeit von über 60 Prozent. Daher gilt auch, dass, je weiter die Lage der ICCs nach rechts verschoben ist, desto schwieriger das Item zu lösen ist. Die Steigung der ICCs zeigt die Trennschärfe der Items an, d. h. wie gut die Items zwischen den Probanden mit unterschiedlichen Fähigkeiten differenzieren. Eine hohe Steigung zeigt somit größere Unterschiede zwischen Probanden, deren Fähigkeit nah beieinander liegt (Strobl 2012, 11 f.). Die Items mit dem höchsten Schwierigkeitsgrad, beispielsweise Item 32 (24) weisen eine niedrige Trennschärfe auf und werden von den Schülern mit der höchsten Fähigkeit nur mit einer Wahrscheinlichkeit von ungefähr 65 Prozent gelöst.71 Es ist anzunehmen, dass diese Aufgaben für die Probanden zu schwierig sind. Dies betrifft die Items 28 (20), 31 (23) und 32 (24), die im Rahmen der Erstellung eines Finanzplans aufgestellt wurden. Die Itemschwierigkeit liegt für diesen Bereich zwischen 2,169 und 3,261. Die Schüler müssen in dieser Aufgabe mehrere Faktoren berücksichtigen. Zum einen fällt das monatliche Einkommen durch den Nebenjob weg und zum anderen müssen die Schüler von alleine darauf kommen, dass es das Ziel ist, keinen negativen Saldo zu erreichen und sich in eine Verschuldungssituation zu bringen. Das bedeutet, die Schüler müssen

70 Durch die Notation in R beginnt die Nummerierung nach dem Exkludieren einzelner Items wieder bei 1. Werden die einzelnen Items betrachtet, bleibt die ursprüngliche Bezeichnung bestehen (bspw. Item 24 (ICC gesamt) entspricht in FILS Item 32 (ICC einzeln)). 71 Durch die gemeinsame Skala kann die Personenfähigkeit auf der Abszissenachse abgetragen werden, um auf der Ordinatenachse die Lösungswahrscheinlichkeit abzulesen.

116

V Auswertung in FILS

ICC plot

0,8

Person parameter dsistribution

1,0

Person-item map

0,0

0,2

Probability to solve 0,4 0,6

Item 1 Item 3 Item 4 Item 6 Item 11 Item 12 Item 13 Item 14 Item 15 Item 16 Item 17 Item 18 Item 19 Item 20 Item 22 Item 23 Item 24 Item 25 Item 26 Item 28 Item 29 Item 30 Item 31 Item 32 Item 33 Item 34 Item 35 Item 36

–4 –2

–1

0 1 2 Latent dimension

3

Item 22 Item 21 Item 18 Item 3

4

0 Latent dimension

Item 4 Item 16 Item 12 Item 2

Item 25 Item 19 Item 9 Item 15

2

Item 1 Item 11 Item 26 Item 7

Item 14 Item 10 Item 27 Item 28

4 Item 5 Item 20 Item 23 Item 24

ICC plot for item item.32

ICC plot for item item.30 1,0

1,0

0,8

0,8

Probability to solve

Probability to solve

–2 Item 6 Item 8 Item 17 Item 13

0,6 0,4 0,2 0,0

0,6 0,4 0,2 0,0

–4

–2 0 2 Latent dimension

4

–4

–2 0 2 Latent dimension

4

Abb. 23: Verteilung der Personenfähigkeitsparameter und Schwierigkeitsparameter für die Komponente Schulden.72

Einsparungsmöglichkeiten erkennen und angeben. Dabei muss der Proband zwischen fixen und variablen monatlichen Kosten unterscheiden und den Endbetrag berechnen können. Da keine Hilfsmittel zur Verfügung stehen, fällt diese komplexe Aufgabe vielen Schülern schwer. Für die Fähigkeitskomponente Schulden ist das Rasch-Modell durch die dargestellten Modellgütekriterien und die inhaltliche Interpretation gültig und die Personen- sowie Itemschwierigkeitsparameter sind durch das Modell geschätzt. So konnten insgesamt 24 Personenfähigkeitsparameter generiert werden, die die Fähigkeiten der Schüler beschreiben und darstellen. Die Eigenschaft des Rasch-Modells, dass die

72 Die unteren beiden Abbildungen zeigen Ausschnitte der Abbildung oben rechts. Unten links ist das Item mit dem höchsten Schwierigkeitsgrad und unten rechts ist das Item mit dem niedrigsten Schwierigkeitsgrad abgebildet.

3 financial literacy von Schülern

117

Itemschwierigkeits- und Personenfähigkeitsparameter auf einer gemeinsamen Skala abgebildet werden können, lässt eine Bündelung unterschiedlicher Items entsprechend ihrem Fähigkeitsparameters zu. Anhand der ICC lässt sich so erkennen, welche Person mit welcher Fähigkeit welche Items lösen kann. Kann ein Schüler mit einer Wahrscheinlichkeit von 50 Prozent ein Item lösen, entspricht die Lösungswahrscheinlichkeit der Fähigkeit eines Probanden und gilt Θi = βj. Da 50 Prozent Lösungswahrscheinlichkeit gleich der Ratewahrscheinlichkeit in einem zweistufigen Antwortverfahren ist, wird wie in PISA auch von einer 65-Prozent-Lösungswahrscheinlichkeit für jedes Item ausgegangen (Hartig 2007). Das bedeutet, dass jedem Item ein Itemschwierigkeitsparameter von 65 Prozent zugeordnet wird und jeder Proband, der nun einen höheren Fähigkeitswert als den Itemschwierigkeitsparameter hat, in der Lage ist, dieses Item zu lösen. Somit erhält man eine direkte Zuordnung zwischen Items und Personenfähigkeit (Hartig 2007; Hartig/Klieme 2006). Die unterschiedlichen Abstufungen der Fähigkeitsparameter werden unter der Berücksichtigung der Schwierigkeitsparameter in sechs Kompetenzstufen unterteilt. Die Personenfähigkeitsparameter und die Itemschwierigkeitsparameter werden auf einer Skala abgebildet. Die Schwellen zwischen den Kompetenzniveaustufen können durch unterschiedliche Verfahren generiert werden. Externe Faktoren, wie Leistungsmittelwerte aus Schuljahresnoten, können für die Kompetenzen in FILS nicht zur Differenzierung genommen werden, da es kein einheitliches Schulfach gibt, in dem die Kompetenzen verankert sind (Hartig/Klieme 2006). Für FILS wurde ein modellgeleitetes Vorgehen gewählt. In der Konstruktion der Aufgaben sind unterschiedliche Schwierigkeitsstufen berücksichtigt worden, die sich nun durch die geschätzten Parameter definieren lassen. Die Personenfähigkeitsparameter sind in etwa gleichen Abständen in unterschiedliche Stufen differenziert worden. Die zugehörigen Itemschwierigkeitsparameter, die unterhalb der jeweiligen Fähigkeit liegen, formulieren den Inhalt der Kompetenzniveaustufe. Die Basisstufen ergeben sich aus den Fähigkeiten, die die Schüler mindestens besitzen sollten. So umfasst die Basisstufe die Grundlage aller notwendigen Handlungen, die für die Fähigkeit relevant sind und sich in den oberen Kompetenzniveaustufen nur in der jeweiligen Ausprägung unterscheiden.73 Fünf dieser Stufen beziehen sich auf die lösbaren Items und die daraus abgeleiteten Kompetenzen. Die erste Stufe 0 wird den Schülern zugeordnet, deren Fähigkeitsausprägung niedriger ist als der niedrigste Itemschwierigkeitsparameter und die somit aufgrund ihrer Fähigkeit keine Items lösen können74 (siehe Tab. 11). Stufe 2 ist die Basisstufe der Kompetenzausprägung im Bereich Schulden. Sie kann auch als Mindeststandard angesehen werden, die dem Alter entsprechend die niedrigste Kompetenz zuordnet, die ein 15- bis 16-jähriger Schüler haben sollte.

73 Dieses Vorgehen wird auch bei den anderen Fähigkeitsanalysen berücksichtigt. 74 Wenn Schüler keine Items lösen können, bedeutet das in diesem Zusammenhang, dass ihre Personenfähigkeitsparameter unterhalb der 65-prozentigen Lösungswahrscheinlichkeit liegen.

118

V Auswertung in FILS

Tab. 11: Kompetenzstufen für die Komponente Schulden. Kompetenstufe

Beschreibung der Kompetenzstufe

Stufe 0

Die Probanden der Stufe 0 besitzen nur sehr geringe Fähigkeiten im Bereich Schulden. Diese Fähigkeiten reichen nicht aus, um Kreditangebote zu verstehen, zu wissen, wann ein Finanzierungsangebot angenommen werden kann oder wie ein Sparplan aufzustellen ist, wenn das monatliche Budget verringert wird.

Stufe 1

Die Stufe 1 umfasst erste einfache Fähigkeiten im Umgang mit Schulden. So können die Probanden einfache Strukturen eines Finanzplans erkennen und mit fixen Kosten kalkulieren. Sie kennen sich bei Finanzierungskäufen mit Mindestpreisen aus und wissen, dass Kreditkarten in der Regel ein Limit haben. Auch kennen sie einzelne Zahlungsmodalitäten, um die Belastung einer Kreditkarte auszugleichen.

Stufe 2 (Basisstufe)

Die Stufe 2 beinhaltet die Fähigkeiten, dass die Probanden sich mit einem einfachen Finanzierungsplan auskennen und Einsparungen ausmachen, damit das Budget nicht überzogen wird. Sie können mit Zinseszinsen kalkulieren und kennen die Grundfunktionen und Grundbedingungen einer Kreditkarte. Zusätzlich können die Probanden unterschiedliche Kreditangebote vergleichen und das beste Angebot auswählen. Sie können bei privaten Krediten die Rückzahlungsrate mit Hilfe eines Online-Rechners berechnen. Darüber hinaus kennen die Probanden die Aufgaben eines Inkassounternehmens.

Stufe 3

Die Stufe 3 beinhaltet die Fähigkeiten, dass die Probanden sich mit einem einfachen Finanzierungsplan auskennen und Einsparungen ausmachen können, damit das Budget nicht überzogen bzw. erweitert wird. Sie können mit Zinseszinsen kalkulieren und kennen komplexe Funktionen und Bedingungen einer Kreditkarte. Zusätzlich können die Probanden sich zwischen unterschiedlichen Kreditangeboten entscheiden und das beste Angebot auswählen. Sie können bei privaten Krediten die Rückzahlungsrate mit Hilfe eines Online-Rechners berechnen. Darüber hinaus kennen die Probanden die Aufgaben eines Inkassounternehmens.

Stufe 4

Die Stufe 4 beinhaltet die Fähigkeiten und Fertigkeiten der Stufe 3. Zusätzlich kennen sich die Probanden mit der Funktionsweise eines Inkassounternehmens aus und Wissen wie Sie sich im Falle von Zahlungsschwierigkeiten verhalten können.

Stufe 5

Probanden der Stufe 5 verfügen über den höchsten Kompetenzgrad und haben neben den Fähigkeitsausprägungen der Stufe 4 größere Fähigkeiten im Umgang mit einer Kreditkarte und deren Beschaffungsmodalitäten. Sie wissen, wie sich die Rückzahlungsmodalitäten bei einer Belastung der Kreditkarte zusammensetzen, und können ihr Wissen auf Handlungssituationen übertragen. Zusätzlich können die Probanden einen Finanzplan neu kalkulieren, wenn es aufgrund von Einkommensausfällen zu einer Budgetminderung kommt.

Der Mindeststandard berücksichtigt somit für die Komponente Schulden Fähigkeiten und Kenntnisse über Kredite, einfache Rückzahlungsmodalitäten und Zinseszinsen.

3 financial literacy von Schülern

119

Wird die Verteilung der Probanden auf die Kompetenzstufen nach spezifischen Merkmalen, wie Geschlecht, Schulstufe und Alter, betrachtet, zeigen sich marginale Unterschiede. So weisen die Ausprägungen, gebündelt nach Geschlecht und Schulform, marginal signifikante Unterschiede auf. Die Zusammenhänge sind mit -,247 (Schulform) und ,178 (Geschlecht) auf einem Niveau von 0,01 (zweiseitig) hoch signifikant, wobei die Stärke der Abhängigkeit nur schwach ausgeprägt ist. Die Verteilung, differenziert nach Schulformen zeigt, dass der Großteil der Schüler, die ein Gymnasium oder eine Realschule besuchen, die zweite Kompetenzstufe erreicht haben. Insgesamt 50 Prozent aller Berufsschulschüler erreichen die Kompetenzstufe 1 und bilden die stärkste Gruppe innerhalb dieser Kohorte. Damit hat die Mehrheit der Schüler, die eine Berufsschule besuchen, ein Kompetenzniveau unterhalb der Basiskompetenzstufe erreicht und lieht auf einer Stufe unterhalb der beiden anderen Schulformen.75 Mit 7,54 Prozent und 0,5 Prozent sind die Gymnasiasten diejenigen, die die beiden höchsten Kompetenzstufen erreichen, neben den Berufsschülern, die mit 1,85 Prozent die vorletzte Kompetenzstufe erlangen. Der leicht signifikante Zusammenhang zwischen Kompetenzstufe und Schulform lässt sich mit der homogenen Probandenstruktur der Berufsschule erklären.76 Auch für das Merkmal Geschlecht können leichte Divergenzen ausgemacht werden. Es zeigt sich, dass die weiblichen Schüler auf der Kompetenzstufe 1 mit 36,28 Prozent (aller weiblichen Schüler) die stärkste Kohorte bilden, während auf Stufe 2 und Stufe 3 die männlichen Probanden stärker vertreten sind. Das erreichte Kompetenzniveau der weiblichen Probanden (Mittelwert: 1,79) ist leicht unter dem der männlichen Probanden (Mittelwert: 2,08), allerdings muss berücksichtigt werden, dass mit 0,47 Prozent nur weibliche Probanden die höchste Kompetenzstufe erreichen. Somit ist die Streuung der Fähigkeiten der weiblichen Schüler etwas größer als bei den männlichen Probanden. Der Zusammenhang zwischen Geschlecht und Kompetenzstufe ist aber mit ,178 nur marginal und daher nicht besonders aussagekräftig (Bühner, 2010). Insgesamt zeigen sich für die Fähigkeitsausprägungen im Bereich Schulden nur schwach signifikante Zusammenhänge bei diesen beiden Merkmalen, die anhand einer repräsentativen Stichprobe überprüft werden müssten. Für das Merkmal Alter konnten keine signifikanten Unterschiede ausgemacht werden. Es zeigt sich, dass der Großteil der Schüler Fähigkeitsausprägungen aufweist, die nicht über die Basisstufe hinauskommen (vgl. Abb. 24). So kann die Hypothese teilweise bestätigt werden. Denn die Schüler dieser Kompetenzstufe kennen sich mit den Grundlagen im Bereich Schulden aus und können ihre Fähigkeiten in be-

75 Beachtete werden muss, dass die Probanden der Berufsschulen nicht repräsentativ sind. Die Stichprobe ist nicht gleichverteilt aus den unterschiedlichen Bildungsgängen gezogen worden. Die Probanden sind zufällig von den Schulen ausgewählt worden. 76 Da die Stichprobe aber nicht repräsentativ ist, können keine weiteren Erkenntnisse dargelegt werden, da diese sich dann lediglich auf Vermutungen stützen würden.

120

V Auswertung in FILS

38,28%

50,00%

55,73%

49,77%

60,00%

40,00%

15,27%

20,61%

30,00%

0,76%

0,00%

0,00%

0,47%

0,93%

2,79%

10,00%

7,63%

9,77%

20,00%

Weiblich Stufe 0

Stufe 1

Männlich Stufe 2

Stufe 3

Stufe 4

Stufe 5

50,00%

47,24%

60,00%

50,00%

46,30%

65,59%

70,00%

26,63%

26,88%

40,00%

Gymnasium Stufe 0

Realschule Stufe 1

Stufe 2

Stufe 3

1,85%

0,00%

0,00%

0,00%

0,00%

0,00%

0,00%

0,05%

1,01%

10,00%

7,53%

7,54%

20,00%

1,85%

17,09%

30,00%

Berufskolleg Stufe 4

Stufe 5

Abb. 24: Kompetenzstufen der Komponente Schulden nach Geschlecht und Schulform.

stimmten Situationen einsetzen, um ein Problem zu lösen. Probleme ergeben sich im Zusammenhang mit zukünftigen Lebenssituationen, in denen die Schüler mit Schulden konfrontiert werden. Ausgehend davon ist es wichtig, dass die Kompetenzen weiter ausgebaut werden und die Mehrheit der Schüler mit dem Ausscheiden aus dem Schulleben auch höhere Kompetenzstufen erreicht, damit sie als mündiger Bürger effektiv agieren können. Problematisch ist allerding, dass 31,2

3 financial literacy von Schülern

121

Prozent aller Probanden nur die Kompetenzstufe 1 erreichen. Damit bleibt ein Drittel der Schüler unterhalb der Basiskompetenzen und kann demnach gar nicht bzw. nur schwer mit Schulden umgehen. Diese Schüler verfügen nur über geringe Fähigkeiten, die in Problemsituationen nicht ausreichen, um handlungsfähig zu sein. Fast Dreiviertel der Schüler, die diese Kompetenzstufe erreichen, sind weiblich, wohingegen mehr als 60 Prozent der Schüler, die eine Kompetenz der Niveaustufe 4 aufweisen, männlich sind. Da diese deutliche Divergenz auf den anderen Kompetenzstufen nur marginal ist, gibt es keinen aussagekräftigen korrelativen Zusammenhang. So bleibt für die Fähigkeitsausprägungen im Bereich Schulden festzuhalten, dass der Großteil der Schüler die Basiskompetenzstufe erreicht und es marginale genderspezifische Differenzen gibt, deren Defizit behoben werden müssten.

3.2 Fähigkeitskomponente Vermögensbildung Zum Vermögensaufbau sind insgesamt acht unterschiedliche Aufgabenkontexte konstruiert worden, aus denen 19 Items für die Auswertung gewonnen werden können. Die Intention der Aufgaben ist unterschiedlich angelegt. Die Schüler sollen in den einzelnen Aufgaben mit Spar- und Anlageprodukten umgehen, diese vergleichen und eine Entscheidung unter Berücksichtigung der jeweiligen Informationslage treffen. Dabei setzen die Probanden sich mit Tagesgeldkonten, Sparbüchern und einfachen Berechnungen zu Sparzielen und -raten sowie Laufzeiten auseinander. Auch in diesem Inhaltsfeld sind wieder Online-Instrumente implementiert, die den Schülern helfen Sparraten und -ziele zu berechnen. Zweck dieser Aufgaben ist es, dass die Schüler mit Texten und Informationen umgehen, versteckte Informationen bewerten und Entscheidungen treffen. Grundlage dieser Fähigkeit bilden vorangegangene Studienergebnisse, die belegen, dass Sparen als signifikantes Thema von den Jugendlichen wahrgenommen wird (vgl. BdB 2012, 2015) sowie die Resultate aus dem Einstellungstests in FILS. 58,1 Prozent der befragten Schüler geben an, dass sie immer einen Überblick über ihre Einnahmen haben. Daraus kann geschlossen werden, dass Erfahrungen und die Lebenssituation der Schüler stärker auf den Bereich Sparen ausgerichtet ist als beispielsweise auf den Umgang mit Schulden. So kann angenommen werden, dass auch dem Sparen eine höhere Bedeutung zukommt. Zusätzlich wird angenommen, dass Schüler Sparen durch informelle Lernprozesse in der häuslichen Umgebung erlernen. Auch diese Annahme kann durch die oben angeführten Studienergebnisse begründet werden. Dadurch, dass auch für die Komponente der Vermögensbildung das Rasch-Modell gültig ist und die inhaltliche Struktur erhalten bleibt, können die Personenfähigkeits- und Itemschwierigkeitsparameter geschätzt werden. Insgesamt sind für das Inhaltsfeld Vermögensbildung 14 unterschiedliche Personenfähigkeitsparameter durch das Rasch-Modell geschätzt worden.

122

V Auswertung in FILS

Die ersten sieben Werte geben niedrige Fähigkeiten der Schüler an und sind mit einem negativen Vorzeichen versehen. Die Verteilung zeigt ein ausgewogenes Verhältnis und differenziert die Probanden entsprechend ihren Fähigkeiten. Die Person-Item-Map visualisiert die Verteilung der Probanden auf die unterschiedlichen Niveaustufen der Personenfähigkeitsparameter im oberen Bereich. Der untere Teil der Abbildung gibt die Verteilung der Itemschwierigkeitsparameter auf der latenten Dimension wieder (vgl. Abb. 25, oben links). Die Personenparameterverteilung (Person-Parameter-Distribution) im oberen Segment der Person-Item-Map zeigt, dass ein großer Teil der Schüler keine Schwierigkeiten mit der Beantwortung der Items in diesem Testabschnitt hat und die Verteilung von der Normalverteilung abweicht und nach rechts verschoben ist. Trotzdem sind die Items über ein großes Spektrum der Personenfähigkeit verteilt, sodass der Testteil im unteren und mittleren Niveaubereich der Vermögensbildung zwischen den Probanden differenzieren kann und deren Fähigkeit wiedergibt. Einzig in der höchsten latenten Dimension können die Items nicht mehr zwischen den Schülern differenzieren. Das bedeutet, dass der Test zur Vermögensbildung in FILS die Schüler hinsichtlich ihrer unteren und mittleren Fähigkeit gut erfassen kann. Höhere Fähigkeitsausprägungen können nur durch einige Items abgebildet werden, wodurch eine stärkere Differenzierung nicht möglich ist. So werden Randwerte im rechten Teil der Person-Item-Map durch die Items nicht mehr erfasst. Für diesen Testteil müssen weitere Items mit einem höheren Schwierigkeitsgrad konzipiert werden, damit auch die Kompetenzen der Schüler mit einer sehr hohen Fähigkeit im Teilbereich Vermögensbildung differenzierter dargestellt werden können (vgl. Abb. 25). Wird dieses Ergebnis nun zusammen mit den inhaltlichen Anforderungen betrachtet, kann davon ausgegangen werden, dass die Schüler in dem Bereich der Vermögensbildung fähiger sind als zum Beispiel im Umgang mit Schulden. Denn das Anforderungsprofil, welches innerhalb der Itemkonstruktion berücksichtigt wurde, hat das gleiche inhaltliche Niveau wie der Teilbereich Schulden. Die Streuung der Schwierigkeitsparameter umfasst ein Intervall von −1,402 bis 1,493. Damit kann ebenfalls mithilfe der Items zwischen unteren und mittleren Fähigkeiten der Schüler differenziert werden (vgl. Abb. 25, oben rechts). Insgesamt fünf Items haben einen einfachen Schwierigkeitsgrad, während die weiteren acht Items mit positiven Vorzeichen auf einem höheren Schwierigkeitsniveau liegen. Visualisiert lassen sich die Itemschwierigkeitsparameter wieder als ICC-Plot darstellen. Der ICC-Plot von Item 19 zeigt eine hohe Anpassung der relativen Lösungshäufigkeiten für die jeweiligen geschätzten Fähigkeitsparameter (Punkte) an die Kurve des ICC (vgl. Koller et al. 2012, 56). Die Darstellung der ICCs verdeutlicht, dass ein Schüler mit einer Fähigkeit von 2,815 bzw. 3,713 mit einer Wahrscheinlichkeit von ungefähr 80 Prozent alle Items im Testteil Vermögensbildung lösen kann (vgl. Abb. 25 unten rechts: ICC-plot for item 19). Auch an dieser Stelle zeigt sich, dass die Schwierigkeitsniveaustufen der Items nur gering zwischen den Schülern mit einem sehr hohen Fähigkeitsparameter differenzieren. Die

3 financial literacy von Schülern

ICC plot

0,8

1,0

Person parameter distribution

Person-item map

0,0

0,2

Probability to Solve 0,4 0,6

Item 2 Item 3 Item 4 Item 5 Item 8 Item 9 Item 10 Item 11 Item 15 Item 16 Item 17 Item 18 Item 19

–4 –3

–2

–1

0 1 Latent dimension

2

–2

Item 3 Item 2 Item 1

3

0 2 Latent dimension Item 6 Item 11 Item 8 Item 12 Item 5 Item 10 Item 4 Item 7 Item 9

4 item 13

ICC plot for item item.19

ICC plot for item item.3 1,0

1,0

0,8

0,8

Probability to solve

Probability to solve

123

0,6 0,4 0,2 0,0

0,6 0,4 0,2 0,0

–4

–2 0 2 Latent dimension

4

–4

–2 0 2 Latent dimension

4

Abb. 25: Verteilung der Personenfähigkeitsparameter und Schwierigkeitsparameter für die Komponente Vermögensbildung.

Resultate aus den geschätzten Parametern führen auch für diese Fähigkeitskomponente dazu, dass die Rasch-modellierten Items geclustert werden und entsprechend ihrer inhaltlichen Intention sechs Kompetenzstufen gebildet werden können (vgl. Tab. 12). Die Verteilung der Subgruppen auf die jeweiligen Kompetenzstufen ist im Vergleich zur Komponente Schulden divergent. So gibt es keine genderspezifischen Unterschiede, lediglich für die Gruppen Schulform und Alter können signifikante Zusammenhänge dargestellt werden. Die signifikanten Zusammenhänge für die Gruppe Schulform hebt sich auf, wenn die Daten des Berufskollegs nicht mit in die Korrelation einbezogen werden. Da die Probanden des Berufskollegs nicht repräsentativ sind und verstärkt aus den Berufsvorbereitungsjahren kommen, soll dieser Zusammenhang nicht ausführlicher interpretiert werden (vgl. Abb. 26).

124

V Auswertung in FILS

Tab. 12: Kompetenzstufen für die Komponente Vermögensbildung. Kompetenzstufe

Beschreibung der Kompetenzstufe

Stufe 0

Die Probanden der Stufe 0 besitzen nur sehr geringe Fähigkeiten im Bereich Vermögensbildung. Diese Fähigkeiten reichen nicht aus, um Sparziele zu bestimmen, Unterschiede bei Angeboten von Girokonten zu erkennen und zu analysieren, Anlageprodukte zu kennen und einfache mathematische Operationen in diesem Bereich durchzuführen.

Stufe 1

Die Personen der Stufe 1 kennen sich mit einfachen Modalitäten eines Girokontos aus und können Unterschiede bei einem Vergleich zweier Girokonten erkennen. Sie verfügen über die Fähigkeit, nach einfachen Kriterien (bspw. Kosten für die Disponutzung und für Barabhebungen, monatliche Grundgebühren) aus verschiedenen Angeboten ein Girokonto mit guten Konditionen zu wählen. Des Weiteren können sie Konditionen von Tagesgeldkonten vergleichen und analysieren und sich für das günstigere Angebot entscheiden.

Stufe 2 (Basisstufe)

Stufe 2 umfasst einfache Kenntnisse über Girokonten und über Unterschiede bei einem Vergleich zweier Girokonten. Die Probanden verfügen über die Fähigkeit, nach einfachen Kriterien aus verschiedenen Angeboten ein Girokonto mit guten Konditionen zu wählen. Des Weiteren können sie Konditionen von Tagesgeldkonten vergleichen und analysieren und sich für das günstigere Angebot entscheiden. Zusätzlich kennen sich diese Personen mit einfachen Anlageprodukten aus.

Stufe 3

Die Personen der Stufe 3 verfügen über die Fähigkeiten der vorangegangenen Kompetenzstufe. Zusätzlich kennen sich diese Personen mit Anlageprodukten und Tagesgeldkonten aus.

Stufe 4

Auf Stufe 4 können die Probanden neben den Fähigkeiten der Stufen 3 noch komplexere Angebotsstrukturen bei einem Vergleich zweier Girokonten erschließen und verstehen. Sie können darüber hinaus mit Online-Rechnern umgehen und einfache wie auch komplexe Handlungssituationen lösen. So verfügen die Probanden zusätzlich über mathematische Fähigkeiten, um Laufzeiten zu berechnen bzw. umzurechnen. Sie kennen sich mit dem Festgeld als Anlageprodukt aus und können das Risiko verschiedener Anlageprodukte für sich einschätzen.

Stufe 5

Die Personen der Stufe 5 verfügen über hohe Fähigkeiten und können durch Analysieren verschiedener Kriterien aus verschiedenen Girokontenangeboten das beste Angebot wählen. Sie können Sparziele bestimmen und mit unterschiedlichen Anlagelaufzeiten und Anlageprodukten umgehen. Des Weiteren verfügen Sie über gute Kenntnisse bei Anlageprodukten, wie Versicherungen, Festgeld, Tagesgeldkonten und Bausparverträgen. Sie beherrschen einfache mathematische Operationen und können beispielsweise Laufzeiten berechnen und umrechnen.

Ein ähnliches Bild zeigt sich auch hinsichtlich einer Differenzierung nach dem Alter. Es besteht zunächst ein signifikanter Zusammenhang zwischen den Kompetenzstufen und dem Alter, welcher sich allerdings auf die Randgruppen der 14- und 17Jährigen konzentriert. Die Probandenanzahl der 14-Jährigen beträgt 23 und die der 17-Jährigen 46. Ein signifikanter Zusammenhang zwischen Kompetenzstufe und Al-

28,2%

35,0%

0,0%

14 Jahre Stufe 0

15 Jahre Stufe 1

Stufe 2

13,0% 6,5% 4,3%

5,0%

2,4% 0,0%

10,0%

0,0% 0,0% 4,3%

15,0%

13,0%

20,0%

6,1% 3,8% 8,4%

17,4%

25,0%

19,6%

18,1% 21,3% 14,2%

30,0%

26,1%

40,0%

30,4%

34,8%

45,0%

125

40,5%

43,5%

50,0%

44,1%

3 financial literacy von Schülern

16 Jahre Stufe 3

17 Jahre Stufe 4

Stufe 5

Abb. 26: Kompetenzstufen der Komponente Vermögensbildung.

ter kann bei der Hauptprobandengruppe der 15- bis 16-Jährigen nicht mehr nachgewiesen werden. Trotzdem sind die altersabhängigen Ergebnisse interessant. Während es bei den 15- und 16-Jährigen zu ähnlichen Verhaltensstrukturen kommt, weisen die Randgruppen leicht abweichende Verteilungen auf. So sind die 14-Jährigen auf den höheren Kompetenzstufen stark über- und auf den unteren Kompetenzstufen stark unterrepräsentiert. Bei den 17-Jährigen ist eine gegenteilige Struktur zu erkennen. Ein Großteil der Probanden dieser Altersgruppe erreicht die dritte, aber nicht die höchste Kompetenzstufe, wie es in den anderen altersabhängigen Subgruppen der Fall ist. Dadurch, dass die höchste Kompetenzstufe in fast allen Subgruppen erreicht wird, zeigt sich zum einen, dass die Items teilweise zu einfach für die Probanden sind, zum anderen ist aber auch zu erkennen, dass die Schüler sich mit dem Feld der Vermögensbildung auskennen und Fähigkeiten im Umgang mit Sparen und Finanzprodukten haben. Denn die inhaltliche Ausrichtung und Konzeption der einzelnen Items orientiert sich stark an der Lebenswelt und dem Umgang mit Geld bei den Schülern. Auch zukünftig eintretende Situationen spielen eine Rolle. So kann die Hypothese 2 bestätigt werden. Die Schüler haben ausreichende Kenntnisse und Fähigkeiten im Umgang mit dem Inhaltsfeld Vermögensbildung. So erreichen mehr als 80 Prozent der Schüler eine höhere Kompetenzstufe als die Basisstufe und fast die Hälfte kann in der oberen Kompetenzstufe zugeordnet werden.

3.3 Fähigkeitskomponente Versichern und Steuern Schüler kommen bis zu ihrem 15. bzw. 16. Lebensjahr nur in einem geringen Ausmaß mit Versicherungen oder Steuern in Berührung. Von Bedeutung werden diese

126

V Auswertung in FILS

Themen aber, wenn die Jugendlichen in ein Ausbildungsverhältnis oder Studium übergehen. Dann sollen sie mit diesen Inhalten eigenständig umgehen können und Versicherungen abschließen, unterscheiden, welche Versicherung für ihre Lebenssituation passend ist, Beratungsgespräche beurteilen und die steuerlichen Abgaben verstehen und mit ihnen kalkulieren können. Aus diesen Gründen ist es wichtig, dass die Schüler frühzeitig Kompetenzen auf diesem Gebiet erwerben, auf denen sie später die Fähigkeiten ausbauen können. Insgesamt umfasst die Komponente sieben Aufgaben, die in 15 Items unterteilt werden können. Da sich dieses Inhaltsfeld eher auf die zukünftigen Lebenssituationen beschränkt, wurde eine Aufgabe als Selbsteinschätzungsaufgabe gestellt. Die Probanden sollen einschätzen, mit welchen Arten der Vorsorge sie sich auskennen oder ob sie von den jeweiligen Arten, wie Lebensversicherung, Rentenversicherung, Riester- und Rürup-Rente etc. schon einmal etwas gehört haben. Es ist anzunehmen, dass die Schüler die Einschätzungen ihres Kenntnisstandes zum großen Teil auf der Grundlage außerschulischer Erfahrungen vornehmen, da diese Thematik nur sehr begrenzt im schulischen Kontext behandelt wird. So ist zum Beispiel im Lehrplan für die gymnasiale Sekundarstufe I in Nordrhein-Westfalen kein Bezug zum Versicherungs- und Vorsorgesystem zu finden (Lehrplan NRW, Gym 2007). Zwischen 61 Prozent und 74 Prozent der Schüler geben an, dass sie von den einzelnen Produkten schon einmal etwas gehört haben, sich aber mit diesen nicht gut auskennen. Einzige Ausnahme ist die Rürup-Rente, von der die meisten Schüler noch nichts gehört haben und sich dementsprechend auch nicht damit auskennen (vgl. Abb. 27).77 Kritisch anzumerken ist, dass 13 Prozent der Schüler angeben, noch nie etwas von der gesetzlichen Rentenversicherung gehört zu haben, und 21 Prozent angeben, die gesetzlichen Pflegeversicherung nicht zu kennen. Daraus kann geschlossen werden, dass auch ähnlich viele Schüler keine Kenntnisse über Brutto- und Nettoeinkommen, obwohl diese Thematik unterrichtliche Relevanz hat. Doch auch Schüler können sozialversicherungspflichtig werden, wenn sie einer regelmäßigen Nebentätigkeit nachgehen bzw. über den Status eines geringfügig Beschäftigten hinaus arbeiten. Dass zum Beispiel die Einzahlungen in die Rentenversicherung dann auch anteilig für die Rentenjahre geltend gemacht werden können, ist wahrscheinlich vielen Schülern nicht bewusst. So gibt nur ein Viertel der Schüler an, dass sie sich nach ihrem eigenen Ermessen gut mit der gesetzlichen Rentenversicherung auskennen. Offen bleibt allerdings, ob den Schülern das deutsche Rentensystem bekannt ist.

77 Diese Aufgabe dient neben Darstellung der Analyse des Kenntnisstandes der Jugendlichen auch als Kontrollindikator. Da zu erwarten ist, dass sich nur wenige Schüler mit dieser Rentenversicherungsart auskennen bzw. davon gehört haben, kann durch dieses Item die Aufmerksamkeit bei der Beantwortung der Fragen geprüft werden. Die Bestätigung des zu erwartenden Ergebnisses ist ein Hinweis darauf, dass die Mehrheit der Schüler die Selbsteinschätzungsitems durchdacht beantwortet haben.

127

3 financial literacy von Schülern

80,0% 73,6% 70,0%

70,8%

69,9% 66,5%

66,0%

63,2%

60,5%

60,0% 50,0% 40,0% 30,0% 23,4%

25,2%

23,7%

22,5%

20,0%

18,8%

16,7% 13,1%

10,0%

5,2%

18,5%

21,0%

15,2%

9,7%

7,6%

4,0%

0,0% Lebensversicherung

Private Renten versicherung

Gesetzliche Renten versicherung

Damit kenne ich mich gut aus

RiesterRente

RürupRente

Ich habe davon schon gehört

Private Pflegeversicherung

Gesetzliche Pflegeversicherung

Ich habe noch nie davon gehört

Abb. 27: Selbsteinschätzung zur Kenntnis über verschiedene Vorsorgeprodukte.

Insgesamt acht unterschiedliche Personenfähigkeitsparameter können durch das Modell geschätzt werden. Die geschätzten Personenfähigkeitsparameter für die Komponente Versichern und Steuern liegen paritätisch verteilt im unteren (negativen) und oberen (positiven) Bereich. Die Verteilung der Probanden auf die Personenfähigkeitsparameter nähert sich einer Normalverteilung an, ist aber leicht nach links verschoben. So sind mehr Probanden auf den unteren Fähigkeitsstufen, zwischen denen die verfügbaren Items nicht mehr ausreichend differenzieren können. Fünf der acht Items differenzieren die Probanden im oberen Sektor der Fähigkeitsausprägungen, während die anderen drei Items im mittleren und unteren Bereich zwischen den Schülern und ihren spezifischen Fähigkeiten unterscheiden (vgl. Abb. 28, links). Insgesamt umfasst dieser Testteil zu wenig Items, die sich auf Versicherungen und Steuern beziehen, und könnte weiter ausgebaut werden. Dies zeigt sich auch, wenn die einzelnen ICCs betrachtet werden (vgl. Abb. 28, rechts). Die Itemschwierigkeitsparameter liegen zwischen den geschätzten Werten −3,36 und 1,38. Werden die Randwerte mit den geschätzten Personenfähigkeitsparametern in Beziehung zueinander gesetzt, zeigt sich, dass im unteren und oberen Bereich nicht alle Personenfähigkeitsparameter durch die Items beschrieben werden können, da deren Randwerte bei −4,34 und 2,59 zu finden sind. So ist zu erkennen, dass es hinsichtlich dieser Werte mehr Items bedarf, um die spezifischen Fähigkeitsausprägungen erfassen und differenzieren zu können. Die unterschiedliche Ausprägung zwischen den Probanden wird auch durch die Lage der ICCs verdeutlicht. Während für die unteren Schwierigkeitsausprägungen nur einzelne ICCs dargestellt

128

V Auswertung in FILS

ICC plot

Item 3 Item 4

0,2

Item 5

0,6

Item 1 Item 2

0,4

Probability to solve

0,8

1,0

Person parameter distribution

Person-item map

Item 6 0,0

Item 7 Item 8

–4 –3

–2

–1 0 Latent dimension

1

2

–2 Item 4 Item 1

0 2 Latent dimension Item 3 Item 6 Item 8 Item 5

4 Item 7 Item 2

Abb. 28: Verteilung der Personenfähigkeitsparameter und Schwierigkeitsparameter für die Komponente Versichern und Steuern.

werden können (siehe Item 4, Item 3 und Item 1), deren Abstand zueinander relativ groß ist, liegen die ICCs für die höheren Ausprägungen wesentlich enger beieinander und erfassen daher die Fähigkeitsausprägungen der Schüler besser. Die interne Konsistenz der Items ist für das Inhaltsfeld Versichern und Steuern heterogen verteilt und unterscheidet sich bei den schwierigen und leichten Items stark. Aus den Antworten der Probanden können auch für das Inhaltsfeld Versichern und Steuern Fähigkeitsstufen gebildet werden. Die Schwierigkeitsausprägungen werden auf das 65-Prozentniveau angehoben und mit den Fähigkeitsausprägungen kombiniert. So entstehen für die Fähigkeitskomponente sechs unterschiedliche Kompetenzstufen, wobei die untere Stufe 0 wieder die Probanden repräsentiert, die keine Items richtig beantworten können (vgl. Tab. 13). Für die Fähigkeitsausprägungen im Inhaltsfeld Versichern und Steuern wird die zweite Niveaustufe der Fähigkeiten als Basisstufe gewählt, da auf dieser Stufe die Schüler schon grundlegende Kenntnisse im Bereich Versichern und Steuern vorweisen und diese auch schon teilweise anwenden können. Die Verteilung der Probanden auf die einzelnen Kompetenzstufen zeigt, dass es keine signifikanten genderspezifischen Unterschiede gibt. So weist die Mehrheit der Schüler eine Fähigkeitsausprägung auf, die der zweiten Kompetenzniveaustufe entspricht. Dabei erstreckt sich die Verteilung der weiblichen Schüler über alle Kompetenzstufen, während die männlichen Probanden Fähigkeitsausprägungen auf den ersten vier Stufen, aber keine der beiden höheren Stufen erreichen (vgl. Abb. 29). Die Kompetenzen der Schüler in dem Inhaltsbereich Versichern und Steuern sind altersentsprechend als noch ausreichend anzusehen. Die Mehrheit der Schüler erreicht die Basisstufe, viele Schüler bleiben aber auch unterhalb dieser Stufe und nur wenige weisen höhere Kompetenzen als die Basisstufe auf. Dies sind eindeuti-

3 financial literacy von Schülern

129

Tab. 13: Fähigkeitsstufen der Komponente Versichern und Steuern. Beschreibung der Kompetenzstufe

Stufe 0

Die Probanden der Stufe 0 besitzen kaum Fähigkeiten im Umgang mit Versicherungen oder Steuern. Sie haben fast keine Kenntnisse über einzelne Versicherungstypen und haben keine Vorstellung von einer Lohnabrechnung.

Stufe 1

Auf Stufe 1 kennen die Probanden verschiedene Versicherungstypen wie Lebensversicherungen, Pflegeversicherungen und unterschiedliche Rentenversicherungsmöglichkeiten. Von einer Lohnabrechnung und den entsprechenden Abzügen haben die Probanden keine Vorstellung.

Stufe 2 Basisstufe

Stufe 2 umfasst neben den Kenntnissen aus Stufe 1 zusätzliche Fähigkeiten im Bereich Versichern und Steuern. So können die Probanden eine mögliche Rentenhöhe bei gegebenen Gehalt einschätzen und mithilfe eines Rentenrechners die monatliche Einzahlungsrate berechnen, die notwendig ist, um später eine gewünschte Rente zu erhalten.

Stufe 3

Die Probanden, die die Stufe 3 erreichen, haben neben den Fähigkeiten der Stufe 2 einfache Kenntnisse im Bereich der Sozialabgaben und speziell bei der Arbeitslosenversicherung.

Stufe 4

Stufe 4 beinhaltet neben den vorangegangenen Fähigkeiten der Stufe 3 tiefere Kenntnisse und Fähigkeiten im Umgang mit einer Lohnabrechnung. Die Probanden können die Höhe der Sozialabgaben einschätzen und können mit den Begriffen der Pflegeversicherung und Krankenversicherung umgehen.

Stufe 5

Die Probanden, die die höchste Fähigkeitsstufe aufweisen, können mit einer Gehaltsabrechnung umgehen und die Höhe der einzelnen Abgaben einschätzen. Sie haben die Fähigkeit, die Höhe der Einzahlung in eine Rentenversicherung richtig einzuschätzen, wenn ihnen die Laufzeit und die Auszahlungsmodalität bekannt sind.

Versichern und Steuern

50,0%

70,0% 60,0% 50,0%

60,2%

Kompetenzstufe

Stufe 1

0,0%

0,0%

weiblich Stufe 0

11,4%

18,7%

9,8% 0,5%

0,0%

1,5%

10,0%

7,8%

20,0%

15,7%

30,0%

24,5%

40,0%

männlich Stufe 2

Stufe 3

Stufe 4

Stufe 5

Abb. 29: Verteilung auf die Kompetenzstufen im Inhaltsbereich Versichern und Steuern.

130

V Auswertung in FILS

ge Anzeichen dafür, dass dieses Inhaltsfeld den Schülern eher fremd ist und sich viele mit dieser Thematik weder im schulischen noch im außerschulischen Bereich beschäftigt haben.78

3.4 Fähigkeitskomponente Zahlungsverkehr Die vierte Fähigkeitsausprägung wird in einem Inhaltsfeld gemessen, welches den Schülern in ihrem Lebensumfeld in alltäglichen Situationen begegnet. Schüler besitzen ein Girokonto, Sparbuch und andere Finanzprodukte und agieren mit diesen eigenständig. Sie benutzen in diesem Kontext Bankkarten, bezahlen ihre Einkäufe mit der EC-Karte und können mit Kreditkarten im Internet einkaufen und ihre Konten durch Online-Banking-Portale bearbeiten. Der alltägliche Umgang mit der Systematik des Zahlungsverkehrs verlangt hohe Kompetenzen, damit die Schüler diesbezüglich richtig handeln können. Denn Schüler dürfen Verträge auch ohne die Einverständniserklärung des gesetzlichen Vertreters abschließen, wenn sie diese mit den ihnen zur Verfügung stehenden Mitteln selbstständig erfüllen können (§ 110 BGB). Um derartige Verträge bedienen zu können, müssen Schüler in der Lage sein, mit verschiedenen Zahlungsmodalitäten zu agieren. Daher wurde in einer Selbsteinschätzungsaufgabe überprüft, ob Schüler sich mit bestimmten gängigen Zahlungsmodalitäten, wie sich bei einem Online-Einkauf auftreten können, auskennen (vgl. Abb. 30). Das Ergebnis zeigt, dass sich die meisten Schüler mit der Vorkasse und der Überweisung auskennen und ihnen diese Art des Bezahlens bekannt ist. Auch Zahlungsmodalitäten von Drittanbietern wie PayPal, die Kreditkarte oder Zahlung per Rechnung sind zwei Dritteln der Schüler bekannt. Weniger bekannt sind die Nachnahme und der Bankeinzug sowie das GiroPay-Verfahren, das zum Erhebungszeitraum auch noch nicht weit verbreitet war. Es zeigt sich, dass die gängigen Zahlungsmodalitäten, die bei Online-Portalen oft verwendet werden, auch den Schülern bekannt sind. Es wird allerdings auch deutlich, dass die Schüler noch nicht mit allen Zahlungsmodalitäten Erfahrungen gemacht haben und einige noch unbekannt sind. Nachnahme und Bankeinzug sind den Schülern weniger bekannt, es sind aber auch gängige Zahlungsmittel im Internet und außerhalb des Internets. Um zu analysieren, ob die Einschätzungen der Schüler auch mit den Kompetenzen der Schüler korrespondieren, werden die kompetenzorientierten Aufgaben mittels des Rasch-Modells analysiert. In diesem Bereich sind 10 Aufgaben mit insgesamt 21 Items vorhanden, von denen drei Items als interaktive Aufgabe konzipiert sind. Dabei müssen die Schüler mehrere Transaktionen in einer Online-Banking-Simulation tätigen. Zum einen muss der Kontostand erfasst werden und zum anderen müssen Transaktionen in Form von Einzel- und Terminüberweisungen sowie Daueraufträgen eingerichtet werden. Zu beachten ist 78 Um diese Vermutung zu festigen, bedarf es genauerer Untersuchungen und weiterer Studien, die dieses Inhaltsfeld durch mehr Items analysieren.

3 financial literacy von Schülern

80,0%

131

75,7% 71,4%

70,0%

69,4% 65,3%

65,3% 59,0%

60,0%

59,0%

61,3%

50,0% 41,0%

40,0% 30,0%

34,7% 28,6%

41,0%

38,7%

34,7%

30,6% 24,3%

20,0%

Mir ist diese Zahlungsart bekannt

GiroPay

Bankeinzug

Nachnahme

Zahlung bei Abholung

Kreditkarte

PayPal

Vorkasse/ Überweisung

0,0%

Rechnung

10,0%

Mir ist diese Zahlungsart unbekannt

Abb. 30: Ergebnis Zahlungsverkehr – Zahlungsmodalitäten.

bei dieser Aufgabe, dass die einzelnen Überweisungsarten zugeordnet und entsprechend so terminiert werden müssen, dass die Schüler das Konto nicht überziehen. Die Überprüfung der Handlung der Schüler wurde durch den Kontostand nach jeder Aufgabe sowie durch die Aufzeichnung einzelner Eingaben festgehalten. Für die Komponente Zahlungsverkehr werden 10 unterschiedliche Fähigkeitsparameter geschätzt, von denen vier geschätzte Parameterwerte im unteren (negativen) Bereich angeordnet sind. Die Personenfähigkeitsparameter sind nicht paritätisch verteilt, sondern konzentrieren sich verstärkt auf den positiven Bereich. Dies ergibt sich auch aus der Person-Item-Map. Mit Ausnahme der kleinsten geschätzten Personenfähigkeit zeigt sich eine angenäherte Normalverteilung bei der Verteilung der Personenfähigkeitsparameter auf die einzelnen Items (vgl. Abb. 31 oben links). Die Items differenzieren im oberen Fähigkeitsbereich ausreichend zwischen den unterschiedlichen Fähigkeitsausprägungen, während im unteren Bereich zu wenig Items zwischen den Probanden und ihren Fähigkeiten selektieren können. So gibt es wenige Items, die Schüler mit niedrigen Fähigkeiten in diesem Inhaltsfeld erfassen können, und genügend Items, die die oberen Ausprägungen darstellen können. Dieses Bild zeigt sich auch, wenn die einzelnen ICCs für die Komponente Zahlungsverkehr betrachtet werden (vgl. Abb. 31 oben rechts). Die Verteilung der ICCs veranschaulicht, dass im mittleren und oberen Bereich der Fähigkeitsausprägungen die Items ausreichend zwischen den Probanden differenzieren, im unteren Bereich aber nur zwei Items (Item 9 und Item 10, ICC: Item 8 und Item 9) die niedrigen Fähigkeitsparameter erfassen. Diese Items zeigen im Ver-

132

V Auswertung in FILS

ICC plot

0,8

1,0

Person parameter distribution

Person-item map

0,0

0,2

Probability to solve 0,4 0,6

Item 1 Item 2 Item 3 Item 4 Item 6 Item 7 Item 8 Item 9 Item 10 Item 16 Item 18 Item 20

–4 –3

–2

–1

0

1

2

–2 Item 9 Item 8 Item 3

3

Latent dimension

Item 11 Item 4 Item 5

2

Item 2 Item 1 Item 6

4 Item 7 Item 10 Item 12

ICC plot for item item.20

ICC plot for item item.9 1,0

1,0

0,8

0,8

Probability to solve

Probability to solve

0 Latent Dimension

0,6 0,4 0,2 0,0

0,6 0,4 0,2 0,0

–4

–2 0 2 Latent dimension

4

–4

–2 0 2 Latent dimension

4

Abb. 31: Verteilung der Personenfähigkeitsparameter und Schwierigkeitsparameter für die Komponente Zahlungsverkehr.

lauf ihrer Kurve, dass sie zu einfach für die Probanden sind, da schon Schüler mit einer Fähigkeitsausprägung von −1,5823723 beide Items mit einer Wahrscheinlichkeit von 70 Prozent lösen können. Auch das schwierigste Item (Item 20, ICC: Item 12) belegt, dass Schüler mit der höchsten Fähigkeitsausprägung dieses Item noch mit einer Wahrscheinlichkeit von ungefähr 50 Prozent lösen können (vgl. Abb. 31 unten). Die Itemschwierigkeitsparameter zeigen, dass fünf Items auf dem unteren Niveau liegen und sieben Items im positiven Bereich, also schwieriger sind und ein breites Spektrum abdecken. Durch die gemeinsame Skala der Itemschwierigkeits- und Personenfähigkeitsparameter können für die Komponente Zahlungsverkehr insgesamt sechs Kompetenzstufen entwickelt werden, die die Schüler hinsichtlich der individuellen Fähigkeitsausprägung differenzieren. Inhaltlich setzen sich die einzelnen Stufen mit

3 financial literacy von Schülern

133

Tab. 14: Kompetenzstufen für die Komponente Zahlungsverkehr Kompetenzstufe

Beschreibung der Kompetenzstufe

Stufe 0

Die Probanden der Stufe 0 besitzen nur sehr geringe bis keine Fähigkeiten im Bereich des Zahlungsverkehrs. Diese Fähigkeiten reichen nicht aus, um sicher mit Finanzprodukten zu agieren und im Alltag mit den Formen des Zahlungsverkehrs zurechtzukommen.

Stufe 1

Die Schüler der Stufe 1 haben nur geringe Fähigkeiten und Fertigkeiten im Bereich des Zahlungsverkehrs. Sie haben grundlegende Vorstellungen davon, was passiert, wenn sie ihre EC-Karte verlieren und jemand Fremdes Geld abhebt. Um im Alltag mit den Finanzprodukten umgehen zu können und ihr Girokonto zu bedienen, fehlt es ihnen aber an Verständnis und Kompetenz.

Stufe 2

Auf der Stufe 2 haben die Schüler neben einer geringen Kompetenz im Bereich des Zahlungsverkehrs wie auf Stufe 1 erste Vorstellungen von der Funktion eines Girokontos für einen Schüler. Sie sind sich bewusst, dass für den Schüler gesonderte Konditionen bei Girokonten gelten und sie beispielsweise keine Kontoführungsgebühren zahlen müssen.

Stufe 3 (Basisstufe)

Die Schüler der Stufe 3 zeigen schon deutlich höhere Kompetenzen im Bereich des Zahlungsverkehrs. Neben den grundlegenden Ideen und Fähigkeiten der Stufe 2 können die Schüler einen Kontoauszug richtig lesen und die enthaltenen Informationen richtig zuordnen. Sie können unterschiedliche Zahlungsvarianten bewerten und zwischen Angeboten unterscheiden. Dabei können sie auch versteckte Informationen zu den Zahlungsmodalitäten verarbeiten und richtig interpretieren, um eine Entscheidung zu treffen.

Stufe 4

Die Stufe 4 umfasst die Fähigkeiten und Fertigkeiten der Stufe 3. Zusätzlich wissen die Schüler, was ein Girokonto ist und was die Banken mit ihrem Geld machen, wenn sie es auf ihr Girokonto überwiesen haben. Darüber hinaus sind die Schüler in der Lage, mit einem Dispositionskredit bei einem Girokonto umzugehen, und wissen, was passiert, wenn sie ihr Konto überzogen haben.

Stufe 5

Die Schüler der höchsten Stufe im Bereich Zahlungsverkehr verfügen über die Fähigkeiten der Stufe 4 und können darüber hinaus mit einem Online-BankingPortal umgehen. Sie können Überweisungen tätigen, den Kontostand ermitteln und zwischen verschiedenen Überweisungsformen unterscheiden. Zusätzlich verfügen die Schüler über das Wissen, welches sie benötigen, um bei einem Verlust der EC-Karte richtig zu handeln.

unterschiedlichen Themenfeldern auseinander, die Schüler in aktuellen Lebenssituationen betreffen. Die Simulation des Online-Bankings umfasst die höchste Stufe der Kompetenzmessung, da die Schüler in diesen Aufgaben simultan eine Handlung ausführen und verschiedene Transaktionen durchführen müssen. Schüler, welche die unterste Kompetenzstufe (Stufe 0) erreichen, können keine der geforderten Fähigkeiten vorweisen. Diese Probanden haben sehr geringe Fähigkeiten und Fertigkeiten und verfügen über kein ausreichendes Wissen im Bereich des Zahlungsverkehrs, um dieses anzuwenden (vgl. Tab. 14).

134

V Auswertung in FILS

Zahlungsverkehr 50,0% 45,0%

44,3%

42,8%

40,0% 35,0% 30,0% 25,0% 20,5%

20,0% 15,0% 10,0%

16,8% 14,0% 11,6%

18,3%

9,9%

9,8%

6,9% 3,8%

5,0% 1,4% 0,0% weiblich Stufe 0

Stufe 1

männlich Stufe 2

Stufe 3

Stufe 4

Stufe 5

Abb. 32: Ergebnis der Kompetenzstufen für die Komponente Zahlungsverkehr.

Die Basisstufe der aufgeführten Kompetenzstufen ist bei der dritten Stufe angesetzt. Begründet wird dieses durch den Umfang der Kompetenzen, die erforderlich sind, um mit einem Konto umgehen zu können und einfache Transaktionen zu leisten. Diese Fähigkeiten und Fertigkeiten sind auf den niedrigeren Stufen noch nicht gegeben. Erst Schüler, die die dritte Stufe erreicht haben, sind in der Lage, die Informationen eines einfachen Kontoauszuges mit Buchungen zu verstehen und zu lesen. Auch die Differenzierung von Zahlungsmöglichkeiten und die Entscheidung für eine Zahlungsmodalität kann erst Schülern zugesprochen werden, welche die dritte Kompetenzstufe erreicht haben. Die Mehrheit der Schüler erreicht die vierte Kompetenzstufe und befindet sich oberhalb der Basisstufe. Diese Verteilung ist sowohl bei den weiblichen wie auch bei den männlichen Schülern zu beobachten (vgl. Abb. 32). Trotz der hohen Zahlen beider Geschlechter auf der vierten Stufe muss berücksichtigt werden, dass 35,4 Prozent der weiblichen Schüler und 33,6 Prozent der männlichen Schüler unterhalb der Basisstufe liegen und die grundlegenden Kompetenzen nicht aufweisen. Die höchste Kompetenzstufe, die auch den Umgang mit einem Online-Banking-Portal beinhaltet, wird nur von einzelnen Schülern erreicht, obwohl die Kontoführung durch Online-Banking-Systeme zunimmt (Krotsch/Locher 2012) und auch Schüler zukünftig damit konfrontiert werden. Genderspezifische sowie schulformspezifische Unterschiede können nicht festgestellt werden. Die leichte signifikante Korrelation bei schulformspezifischen Unterschieden ist auch für dieses Inhaltsfeld mit der homogenen Stichprobe am Berufskolleg zu erklären. Wird das Berufskolleg aus der Stichprobe genommen, gibt es keine signifikanten schulformspezifischen Unterschiede mehr.

3 financial literacy von Schülern

135

Die Ergebnisse der Fähigkeitskomponente Zahlungsverkehr zeigen, dass viele Schüler schon gelernt haben, mit Konten umzugehen, Transaktionen durchzuführen, und die Funktionen eines Girokontos kennen sowie zwischen Angeboten mit unterschiedlichen Zahlungsmodalitäten zu unterschieden. Diese Resultate deuten auf informelle Lernprozesse hin, in denen die Schüler Fähigkeiten im Bereich des Zahlungsverkehrs erwerben. Doch zeigt sich auch, dass fast ein Drittel der Schüler in diesem Themenfeld erhebliche Kompetenzschwächen aufweist, die weder durch Bildungseinrichtungen noch durch informelle Lernorte behoben werden.

3.5 Fähigkeitskomponente Geldpolitik Die Komponente Geldpolitik ist die letzte der fünf inhaltlich ausgerichteten Felder, deren Personenfähigkeitsparameter und Itemschwierigkeitsparameter mittels des Rasch-Modells geschätzt werden. Die Aufgaben dieses Inhaltsfeldes sind auch im Testdesign die letzten Aufgaben. Angelehnt an globalwirtschaftliche Zusammenhänge orientiert sich der Aufbau an aktuellen finanzpolitischen Geschehnissen im Erhebungszeitraum. Zum Testzeitpunkt wurden deshalb Themen zur Neuverschuldung und zur Finanzkrise gewählt.79 Zusätzlich bestehen Items aus Inhalten zum Umgang mit Wechselkursen und unterschiedlichen Währungen. Die aufgeführten Strukturen des Feldes Geldpolitik bilden einen Teil von financial literacy, betreffen aber nicht direkt das Lebensumfeld der Schüler. Trotzdem muss dieser Komponente eine hohe Signifikanz zugesprochen werden, da Schüler nur dann rational politisch und mündig handeln können, wenn sie die nationalen und internationalen geldpolitischen Geschehnisse verstehen und bewerten können. Da geldpolitische Ereignisse auch Gegenstand des schulischen Unterrichts sind und dem Schüler in Nachrichtensendungen und Zeitschriften bzw. Online-Portalen begegnend, ist anzunehmen, dass die Schüler in dieser Komponente grundlegende Kenntnisse und Fähigkeiten besitzen. Es stellt sich aber die Frage, ob Schüler erkennen, dass der geldpolitische und wirtschaftspolitische Rahmen, in dem sie leben, ihre individuelle Lebenssituation beeinflussen kann. Ausgehend davon können neun Personenfähigkeitsparameter für die Komponente Geldpolitik durch das Rasch-Modell geschätzt werden. Insgesamt fünf der neun geschätzten Fähigkeitsparameter liegen im negativen Bereich und dokumentieren niedrige Fähigkeitswerte bei den Probanden. Die Verteilung der Schüler über die Personenfähigkeitsparameter nähert sich einer Normalverteilung an, wobei im unteren Segment die Probanden mit den jeweiligen Parametern konzentrierter sind, als im oberen Ausprägungsbereich (vgl. Abb. 33).

79 http://www.spiegel.de/politik/deutschland/schaeuble-drueckt-neuverschuldung-2013-auf-20milliarden-euro-a-821721.html

136

V Auswertung in FILS

ICC plot

Probability to solve 0,4 0,6

0,8

1,0

Person parameter distribution

Person-item map

Item 1 Item 2 Item 3 Item 4 Item 5

0,2

Item 6 Item 7

0,0

Item 8 Item 9

–4 –4

–3

–2

–1

0

1

2

–2

0 2 Latent dimension Item 1 Item 6 Item 5 Item 2 Item 3 Item 7 Item 8 Item 4 Item 9

3

Latent dimension

ICC plot for item item.9

ICC plot for item item.1 1,0

1,0

0,8

0,8

Probability to solve

Probability to solve

4

0,6 0,4 0,2 0,0

0,6 0,4 0,2 0,0

–4

–2 0 2 Latent dimension

4

–4

–2 0 2 Latent dimension

4

Abb. 33: Verteilung der Personenfähigkeitsparameter und Schwierigkeitsparameter für die Komponente Geldpolitik.

Insgesamt gibt es nur wenige Items, die die Fähigkeitsausprägungen der Probanden im unteren Fähigkeitsbereich ausreichend erfassen. Daraus kann geschlossen werden, dass mehr Items im niedrigen Niveaubereich konstruiert werden müssen, um noch spezifischer zwischen den einzelnen Schülern zu differenzieren. Dies ist auch am Item 1 zu beobachten, welches das einfachste Item im Inhaltsfeld Geldpolitik ist (vgl. Abb. 33 unten links). Die ICC-Kurve für dieses Item ist weit vom Ursprung entfernt und kann schon mit einer der untersten Fähigkeitsparameter mit einer Wahrscheinlichkeit von ungefähr 70 Prozent gelöst werden. Die Lage der einzelnen ICCs ist breit gefächert. So ist das schwierigste Item (Item 9 in der Abb. 33 unten rechts) bis in den positiven Fähigkeitsparameterbereich nahe null und kann erst mit den oberen Fähigkeitsausprägungen gelöst werden. Der Großteil der Items konzentriert sich um den Bereich nahe 0 und erfasst so die Personen, die eine

3 financial literacy von Schülern

137

mittlere Fähigkeitsausprägung aufweisen, ausreichend. Im oberen Segment sind nur wenige Probanden, die ebenfalls zufriedenstellend durch die Items und deren Schwierigkeitsniveau erfasst werden. Die geschätzten Itemschwierigkeitsparameter können alle Ausprägungen der Personenfähigkeiten erfassen und sind ebenfalls annähernd paritätisch verteilt. Die Konfidenzintervalle weisen im oberen und unteren Beriech der Schwierigkeitsparameter eine wesentlich größere Streuung auf als bei den mittleren Parametern. Dies hängt unter anderem damit zusammen, dass dieses Item sehr wahrscheinlich einen zu niedrigen Schwierigkeitsgrad aufweist und eine Schätzung nur sehr schwer ist. Beide Items weisen eine schlechtere Trennschärfe auf als die restlichen Items aus dem Bereich Geldpolitik. Item 1 kann von fast allen Probanden gelöst werden. Auch die Schüler, deren Fähigkeiten im unteren Bereich liegen, können zu mehr als 60 Prozent dieses Item richtig lösen. Im Vergleich dazu zeigt das Item 9 einen deutlich höheren Schwierigkeitsgrad. Dieses Item wird von fast keinen Probanden gelöst. Auch die Schüler mit den höchsten Fähigkeitsausprägungen können nur mit einer Wahrscheinlichkeit von 60 Prozent dieses Item lösen (vgl. Abb. 33 unten). Bei diesen Items handelt es sich um zwei offene Textfelder. In Item 1 sollen die Schüler angeben, welche Länder von der Wirtschaftskrise betroffen sind. Dabei ist auch fast allen Schülern ein entsprechendes Land eingefallen, sodass dieses Item insgesamt zu einfach für die Probanden ist. Die Lösung des Items 9 ist schwieriger. Die Schüler müssen aus einem Textabschnitt heraus Informationen selektieren und durch mathematische Operationen zusammenfassen. Dieses Item scheint schwieriger zu sein als andere rein textbasierte Items. Zusätzlich ist dieses Item das letzte Item in FILS, wodurch die relativ niedrigen Ergebnisse auch auf die nachlassende Motivation zurückzuführen werden können. Insgesamt umfasst das Inhaltsfeld wenige Items, die zwischen den unterschiedlichen Fähigkeitsparametern diskriminieren können. Die Person-Item-Map zeigt, dass zwar für jede Fähigkeitsstufe auch mindestens ein Item zur Verfügung steht, jedoch sollten mehr Items mit unterschiedlichen Schwierigkeitsparametern zwischen den Probanden differenzieren.80 Trotzdem können anhand der Items und der Ergebnisse auch für das Inhaltsfeld Geldpolitik sechs Kompetenzstufen identifiziert werden, die unterschiedliche Fähigkeitsausprägungen bei den Schülern darstellen. Die untere Stufe 0 ist wieder die Kompetenzstufe, auf der kein Item durch einen Schüler mit einer Wahrscheinlichkeit von 65 Prozent gelöst werden kann. Stufe 3 bildet die Basiskompetenzstufe, also die Stufe, die die Mindestanforderungen an die Probandengruppe darstellt. Die Schüler haben mindestens fünf Items gelöst und können zum einem mit unter-

80 Durch den Testumfang und die Prioritätensetzung war dies für die Komponente Geldpolitik nicht in diesem Verhältnis möglich.

138

V Auswertung in FILS

Tab. 15: Kompetenzstufen für die Komponente Geldpolitik. Kompetenzstufe

Beschreibung der Kompetenzstufe

Stufe 0

Die Schüler haben keine Kenntnisse und Fähigkeiten im Bereich Geldpolitik. Sie kennen sich nicht mit aktuellen geldpolitischen Diskussionen aus und können diesbezüglich keine eigenen Entscheidungen treffen oder sich eine eigene Meinung bilden. Sie können nicht mit verschiedenen Währungen umgehen und haben kein Verständnis von Wechselkursen.

Stufe 1

Die Stufe 1 umfasst erste Kenntnisse über Wechselkurse. Die Schüler können mit unterschiedlichen Währungen umgehen und haben ein Verständnis von Wechselkursen und verschiedenen Einheiten. Kenntnisse im Bereich von geldpolitischen Zusammenhängen fehlen den Schülern und sie können sich keine eigene Meinung zu aktuellen geldpolitischen Geschehnissen bilden.

Stufe 2

Neben den Kenntnissen und Fähigkeiten der Stufe 1 in Bezug auf Währungen und unterschiedliche Wechselkurse können die Schüler, die die Stufe 2 erreichen, einfache globale geldpolitische Zusammenhänge benennen.

Stufe 3 (Basisstufe)

Die Stufe 3 umfasst neben den Fähigkeiten im Umgang mit anderen Währungen umfassendere Kenntnisse über geldpolitische Zusammenhänge. Die Schüler können mit Fachbegriffen umgehen, sie verstehen und anwenden. Sie haben eine Vorstellung von geldpolitischen Geschehnissen und verstehen aktuelle Nachrichten zu diesen Inhalten.

Stufe 4

Die Schüler, die die Stufe 4 erreichen, weisen dieselben Kenntnisse und Fähigkeiten auf, wie die Schüler der Stufe 3. Allerdings haben sie ein tieferes Verständnis aktueller geldpolitischen Ereignisse.

Stufe 5

Die höchste Fähigkeitsstufe umfasst die Fähigkeiten und Kenntnisse der vorangegangenen Stufen. Die Schüler haben darüber hinaus vertiefende Kenntnisse über Begriffe der Geldpolitik, verstehen Nachrichten und können die Informationen nutzen, um sich ein eigenes Meinungsbild zu erstellen, und über geldpolitische Zusammenhänge sprechen.

schiedlichen Währungen umgehen und zum anderen mit geldpolitischen Kontexten arbeiten. Der Umgang mit unterschiedlichen Währungen wird deshalb gewählt, weil die Schüler, seit der Einführung des Euros nicht mehr unbedingt und unmittelbar im europäischen Ausland, also in ihrem Lebenskontext, mit anderen Währungen in Berührungen kommen. Doch gehören Handlungen mit unterschiedlichen Wechselkursen und Währungen zum einen zu einem Verständnis von geldpolitischen Nachrichten und zum anderen zum Lebensfeld der Schüler, in der sie sich zurechtfinden müssen, wenn sie in Länder kommen, die nicht in der Währungsunion sind. Der Umgang mit Wechselkursen ist von vielen Schülern, die die Stufe 1 erreichen, schon vorhanden und gehört zum grundlegenden Verständnis bei den Schülern (vgl. Tab. 15).

3 financial literacy von Schülern

139

Geldpolitik 40,0% 37,1% 35,0% 31,8% 30,0% 25,0%

22,7%

20,0% 15,0%

18,5%

19,9% 17,2% 15,5%

12,6%

12,4%12,4%

10,0% 5,0% 0,0%

weiblich Stufe 0

männlich Stufe 1

Stufe 2

Stufe 3

Stufe 4

Abb. 34: Ergebnis für die Komponente Geldpolitik.

Die Mehrheit der Schüler erreicht die dritte Kompetenzstufe und knapp 20 Prozent erreichen sogar die vierte Stufe. Doch fast 45 Prozent der Schüler liegen unterhalb der Basisstufe und haben nur sehr geringe Kenntnisse und Fähigkeiten in diesem Bereich. Bei den weiblichen Schülern sind dies sogar 51 Prozent der Befragten, die nicht über die Kompetenzstufe 2 hinauskommen (bei den männlichen Schülern entspricht dieser Anteil 40 Prozent). Ungefähr 14 Prozent der Schüler können keine Items mit entsprechender Lösungswahrscheinlichkeit richtig beantworten und damit beispielsweise nicht mit anderen Währungen und Wechselkursen umgehen (vgl. Abb. 34). Die Verteilung der Ergebnisse zeigt keine genderspezifischen oder schulformspezifischen Unterschiede.81 Im direkten Lebensumfeld haben Schüler über verschiedene Medien die Möglichkeit, in Kontakt mit geldpolitischen Zusammenhängen zu kommen. Die Fähigkeitsausprägungen im Bereich Geldpolitik scheinen auf informelle Lernprozesse zurückzuführen sein und sind stark von Interesse und Motivation abhängig. Doch muss die Anzahl derjenigen beachtet werden, die unterhalb der Basisstufe liegen. Bei den weiblichen Schülern haben mehr als die Hälft eine zu niedrige Kompetenz und bei den männlichen Probanden sind 40 Prozent zu verzeichnen, die zu schwache Kompetenzen zeigen.

81 Leicht schulformspezifische Unterschiede sind auch hier auf die homogene Stichprobe der Berufskollegs zurückzuführen. Werden diese bei den Analysen herausgenommen, können keine signifikanten Unterschiede ausgemacht werden.

140

V Auswertung in FILS

3.6 Fähigkeitskomponente Online-Service-Angebote Die Komponente Online-Service-Angebote bildet eine Fähigkeit ab, die erforderlich ist, damit der Proband sich in den anderen fünf Inhaltsbereichen informieren, Planungen erarbeiten und Problemlösungsstrategien finden kann. So werden verschiedene Online-Instrumente in den Inhaltsfeldern Schulden, Vermögensbildung, Versichern und Steuern und dem Zahlungsverkehr implementiert und setzen sich mit Themen wie Spar- und Kreditraten, Laufzeiten und Zinsen sowie Versicherungsbeiträge und -erträge auseinander. In diesem Kontext sollen die Schüler die relevanten Informationen aus der Aufgabenstellung heraussuchen und mithilfe der Online-Service-Angebote die erforderlichen mathematischen Operationen ausführen. Die Komplexität der Online-Service-Angebote ist in den Aufgaben unterschiedlich gestaltet und erstreckt sich von einfachen Aufgaben, in denen die Schüler nur das Sparziel und die monatliche Rate eintragen müssen, um zum Beispiel die Laufzeit zu berechnen, bis hin zu anspruchsvollen Aufgaben, wie zur Berechnung der monatlichen Renteneinzahlungsrate, damit ein festgesetzter Rentenbetrag im Alter gezahlt werden kann (vgl. Abb. 35). Insgesamt acht Online-Service-Angebote wurden in die Items in FILS implementiert. Die Skala ist inhaltlich unabhängig, da nur die Nutzung bzw. die Bedienung derartigen Instrumenten mit finanzorientierten Themen erfasst wird. Das bedeutet, dass die Skala rein die Fähigkeit diese Instrumente im finanziellen Kontext

Stell dir vor, du bist berufstätig und du verdienst monatlich 3.200 € brutto. Insgesamt musst du noch ungefähr 40 Jahre arbeiten bevor du Rente beziehen kannst. Um im Rentenalter 1.000 € monatlich zu der gesetzlichen Rente dazu zu bekommen, zahlst du 40 Jahre lang in eine private Rentenversicherung ein. Die Rendite in der Einzahlungsphase beträgt 2,0% und in der Auszahlungsphase 2,0%. Insgesamt beläuft sich deine Auszahlungsphase auf 20 Jahre. Berechne nun die Rate mit Hilfe des Rentenrechners und trage das Ergebnis in das Kästchen unten links ein. Rendite in der Einzahlungsphase Höhe der gewünschten monatlichen Rente Anzahl der Jahre in der Einzahlungsphase Rendite in der Auszahlungsphase Anzahl der Jahre in der Auszahlungsphase

% €

Jahre % Jahre berechnen

Höhe der monatlichen Einzahlungsrate



In dieses Feld dürfen nur Zahlen eingegeben werden.

Abb. 35: Beispielaufgabe für die Komponente Online-Instrumente.

3 financial literacy von Schülern

141

Tab. 16: Fehleranalyse bei den Online-Service-Angeboten (Schürkmann/Schuhen 2013). Typische Fehler

Ursache

Beispiel

Es werden die falschen Werte Aufgabe nicht verstanden; dem aus dem Text eingesetzt Text/Angebot wurden die falschen Werte entnommen

Mindestpreis statt Kaufpreis

Falsche Zahlen wurden in ein- Begriffe der Felder (bspw. Rendite) zelne Felder übernommen sind nicht bekannt oder werden mit anderen Begriffen in Verbindung gebracht.

Rentenrechner Laufzeiten Rendite Ein- und Auszahlungsphase

Punkt- und Kommasetzung

Trennzeichen im Text werden direkt übernommen, bzw. durch andere Zeichen ausgetauscht

1.415 → 1,415

Umrechnungsfehler

Im Text sind Jahre angegeben, Monate müssen in den Rechner eingetragen werden. Es werden jedoch Jahre übertragen oder eine falsche Monatsanzahl ausgerechnet. Zum Teil kann dies auch auf Überlesen zurückgeführt werden.

3 Jahre werden mit 3 angegeben und nicht mit 36 Monaten

nutzen zu können, misst. Die richtigen und falschen Eingaben in den Feldern der einzelnen Online-Rechner und das Gesamtergebnis werden dementsprechend codiert.82 Neben einer Rasch-modellierten Auswertung wird somit in einem ersten Schritt die Nutzung der Online-Service-Angebote durch die Schüler auf Fehler hin ausgewertet (vgl. Tab. 16 / Schürkmann/Schuhen 2013). Insgesamt vier prägnante Fehler können identifiziert werden, die Rückschlüsse auf die Fähigkeitsausprägungen der Schüler erlauben. Als falsch codiert wurden Eingaben eingestuft, die keinen eindeutigen Bezug zur Aufgabenstellung hatten, zum Beispiel einzelne fehlende Eingaben oder einzelne falsche Angaben. Unterschieden wird zwischen falsch und ungültig. Eingaben werden als ungültig identifiziert, wenn zu erkennen ist, dass die Schüler in jedes Feld eines OnlineInstruments Zahlenkombinationen eingegeben haben, die keinen sinnvollen Zusammenhang mit Aufgabenkontext ergeben. Eine fehlerhafte Bedienung liegt vor, wenn der Schüler aufgrund von fehlerhaften Eingaben (siehe Tab. 16) zu einem falschen Ergebnis gelangt ist. Die Daten zeigen, dass viele Schüler in der Lage sind, mit derartigen Online-Instrumenten im finanziellen Kontext umzugehen, allerdings durch fehlerhafte Eingaben falsche Ergebnisse erzielen. Ein großer Teil der Probanden befindet sich daher auf einem mittleren bis hohen Niveau. Typische Fehler führen zu falschen Ergebnissen (siehe Tab. 16: Fehler 3 und 4) (Schürkmann/

82 Codierung: richtig mit einer 1, falsch mit einer 0, fehlerhaft mit einer 0,5.

142

V Auswertung in FILS

ICC plot 1,0

Person-item map

Probability to solve 0,4 0,6 0,8

Person parameter distribution

Finanzierungsrechner Sparratenrechner 2

0,2

Sparratenrechner 3

0,0

Sparbuchrechner Rentenrechner

–4

–2

0

2

4

Latent dimension –1

0 Latent dimension

1 Item 1

Item 2

Item 3

Item 4

Item 5

Abb. 36: Verteilung der Personenfähigkeitsparameter und Schwierigkeitsparameter für die Komponente Online-Service-Angebote.

Schuhen 2013). Die erste Analyse der Nutzung von Online-Service-Angeboten hat ergeben, dass die Schüler in der Lage sind, einfache Instrumente zur Informationsbeschaffung zu nutzen. Die Fähigkeit, Online-Service-Angebote in Anspruch zu nehmen, entwickelt sich vermutlich durch informelle Lernprozesse im häuslichen Umgang mit technischen Anforderungen. Um die Erkenntnisse aus der Fehleranalyse auch durch das Rasch-Modell analysieren zu könne, werden die Ergebnisse der Online-Instrumente dichotomisiert und in das Rasch-Modell eingepflegt. Insgesamt ergeben sich sechs verschiedene Personenfähigkeitsparameter, die in einem Intervall von −2,59 bis 2,62 verteilt liegen. Es zeigt sich, dass die Verteilung positiver und negativer Items paritätisch ist und dadurch niedrige und hohe Fähigkeitsausprägungen abgebildet werden kann. Es ist zu erkennen, dass drei Items einen niedrigen und zwei Items einen hohen Schwierigkeitsgrad haben, die allerdings nicht alle Personenfähigkeitsparameter erfassen können. Denn die geschätzten Itemschwierigkeitsparameter liegen unterhalb der Randwerte der geschätzten Personenfähigkeitsparameter und umschließen damit auf einer gemeinsamen Skale nicht alle Fähigkeitsausprägungen. Dies zeigt sich auch in der Person-Item-Map, welche die Verteilung der Personenfähigkeitsparameter auf die Itemschwierigkeitsparameter wiedergibt. So streuen die Items hinsichtlich der jeweiligen Schwierigkeit nicht über den gesamten Bereich der latenten Dimension (vgl. Abb. 36). Durch die asymmetrische Verteilung der Personenparameter kann zunächst vermutet werden, dass die Items der Online-Service-Angebote zu leicht für die Schüler konstruiert sind und viele Probanden einen hohen Fähigkeitsparameter erreichen. Doch muss beachtet werden, dass es bei den Randwerten im unteren und oberen Fähigkeitsbereich keine Items gibt, die zwischen diesen Probanden diskriminieren können. Im weiteren Verlauf des mittleren Bereichs diskriminieren

3 financial literacy von Schülern

143

die Items hingegen ausreichend zwischen den Fähigkeiten der Schüler (vgl. Abb. 36). Der Verlauf der ICCs zeigt die Disparität zwischen den Items. Die drei Items mit dem niedrigsten Schwierigkeitsgrad liegen sehr dicht beieinander, während die beiden Items mit einem höheren Schwierigkeitsgrad eine größere Distanz voneinander haben. Die Trennschärfe der Items ist somit sehr heterogen. Wird das Item mit dem höchsten Schwierigkeitswert betrachtet, so kann die asymmetrische Verteilung der Fähigkeitsparameter im oberen Bereich erklärt werden. Das Item Sparbuchrechner weist mit einem Wert von 0,969 den höchsten Schwierigkeitsparameter auf. Wird der Itemschwierigkeitsparameter auf der latenten Dimension der Merkmalsausprägung bzw. der Personenfähigkeit verortet, kann dies kriteriumsorientiert interpretiert werden. So zeigt sich, dass die Schüler, die einen der beiden höchsten Fähigkeitswerte (1,491 und 2,61) aufweisen, dieses Item mit einer Wahrscheinlichkeit von mehr als 60 Prozent bzw. über 90 Prozent richtig bearbeiten können. Eine weitere Diskriminierung durch weitere Items wird nicht vorgenommen, müsste aber in weitere Tests einbezogen werden (vgl. Abb. 36). Ein ähnliches Bild zeichnet sich auch beim Item mit dem niedrigsten Schwierigkeitsgrad (−0,588) ab. Schüler, die einen Fähigkeitsparameter von −2,583 haben, weisen eine Wahrscheinlichkeit von 0 Prozent bis 10 Prozent auf, das Item lösen zu können. Aufgrund der geringen Itemanzahl und der thematischen Schwierigkeit, eine Subskala zu konzipieren, die in anderen Subskalen verortet ist, lassen sich hier nur vier Niveaustufen abbilden. Es hat den Anschein, dass bei Schülern, welche die Fähigkeit besitzen, mit Online-Instrumente umzugehen, die Fähigkeitsausprägung unabhängig von der Komplexität der Online-Instrumente ist. Bedingt durch die Itemanzahl ergeben sich für die Komponente Online-Instrumente insgesamt vier Kompetenzstufen (vgl. Tab. 17). Die Kompetenzstufe 1 bildet die Basisstufe. Um die relevanten Informationen erlangen zu können, müssen die Schüler in der Lage sein einfache Online-ServiceAngebote im finanziellen Kontext zu nutzen. Nur so können Finanzprodukte verglichen, Sparpläne erstellt, Laufzeiten berechnet und Ratenhöhen dargestellt werden, um finanziellen Entscheidungen zu treffen. Insgesamt 42,5 Prozent aller Schüler erreichen die dritte und höchste Kompetenzstufe. Auch die zweite Kompetenzstufe, auf der schon einfache Fähigkeiten in der Nutzung von Online-Service-Angeboten vorhanden sind, wird von 27 Prozent der Probanden erreicht. Damit sind mehr als zwei Drittel der Schüler im oberen Fähigkeitsbereich und können gut im finanziellen Rahmen mit Online-ServiceAngebote agieren. Es ist anzunehmen, dass dies besonders dem alltäglichen Umgang mit Computern und anderen technischen Medien sowie dem medialen Wandel der Gesellschaft geschuldet ist (vgl. Steinmaurer 2003). Insgesamt zeigt sich eine asymmetrische Verteilung über die Kompetenzstufen hinweg (vgl. Abb. 37). Angenommen wird, dass ein Proband, der in der Lage ist, mit Online-Instrumenten umzugehen, auch keine großen Probleme hat, diese Fähigkeit auf den Umgang mit finanzorientierten Online-Service-Angeboten zu transferieren, unabhängig von der

144

V Auswertung in FILS

Tab. 17: Kompetenzstufen für die Komponente Online-Service-Angebote. Kompetenzstufe

Kompetenzbeschreibung

Stufe 0

Die Probanden haben keine Fähigkeiten und Fertigkeiten Online-Service-Angeboten zu nutzen. Sie können die Instrumente nicht benutzen, um Sparziele, Laufzeiten oder Raten zu berechnen. Damit sind sie nicht in der Lage, Informationen zu Finanzprodukten und Anlage- bzw. Finanzierungsmöglichkeiten zu generieren.

Stufe 1 Basisstufe

Die Probanden, die die Stufe 1 erreichen, haben einfache Fähigkeiten in der Nutzung von Online-Service-Angeboten im finanziellen Kontext. Sie können einfache Instrumente bedienen und zum Beispiel einen Finanzierungszeitraum berechnen. Komplexere Online-Instrumente, bei denen mehrere Faktoren eingegeben werden müssen, können von den Probanden nicht bedient werden.

Stufe 2

Die Stufe 2 umfasst die Fähigkeiten der Stufe 1. Zusätzlich sind die Probanden in der Lage, verfügbare Informationen neu zu strukturieren und innerhalb der Online-Instrumente richtig anzuwenden.

Stufe 3

Die Probanden, welche die höchste Kompetenzstufe erreichen, können komplexen Online-Service-Angebote nutzen und die relevanten Informationen richtig in die Felder der Online-Instrumente einsetzen. Sie verstehen die Systematik und können mithilfe der Online-Instrumente Informationen generieren, Sparpläne erstellen, Laufzeiten berechnen und Ratenhöhen darstellen.

50,0% 45,6% 45,0% 40,0%

38,4% 35,1%

35,0% 30,0% 25,0%

23,3%

20,0%

18,9%

17,9%

15,0% 10,0%

12,2% 8,6%

5,0% 0,0% Weiblich Stufe 0

Männlich Stufe 1

Stufe 2

Stufe 3

Abb. 37: Ergebnis für die Komponente Online-Service-Angebote.

3 financial literacy von Schülern

145

Komplexität der Online-Instrumente. Dabei spielen Erfahrung und Routine eine wichtige Rolle. Um diese Vermutung zu bestätigen, bedarf es weiterer Tests zu dieser Thematik. Signifikante genderspezifische und schulformspezifische Unterschiede können auch für diese Komponente nicht festgestellt werden. Die Resultate verdeutlichen, dass ein großer Teil der Schüler ausreichende bis hohe Kompetenzen im Nutzen von Online-Service-Angeboten ausweist.

3.7 Kompetenz financial literacy financial literacy ist im Zusammenhang mit FILS als sechsdimensionales Konstrukt konzipiert worden. Die einzelnen Dimensionen spiegeln Subkompetenzen wider, die zu einem latenten übergeordneten Konstrukt gehören. In den Inhaltsfeldern können individuelle Fähigkeitsparameter und Itemschwierigkeitsparameter generiert werden. Die Validitätsprüfung mittels des Strukturgleichungsmodells zeigt, dass alle Skalen durch die latente Dimension financial literacy verbunden sind. Um financial literacy in FILS genauer zu analysieren, sind für alle Dimensionen unterschiedliche Kompetenzniveaustufen entwickelt worden, die zeigen, in welchen Bereichen die Probanden Schwächen und Stärken aufweisen. Neben einer individuellen Betrachtung und Analyse der einzelnen Komponenten, kann financial literacy auch als Ganzes betrachtet werden. Die Ergebnisse der einzelnen Fähigkeitskomponenten finden immer noch Berücksichtigung, können nun aber als ein gemeinsames Konstrukt gesehen werden. Durch diese Systematik ist es möglich, inhaltsabhängige Defizite zu identifizieren und daraus bildungsrelevante Interventionen abzuleiten (vgl. Abb. 38).

Gesamtergebnis Schulden 52,0% Online-ServiceAngebote

80,1%

70,1%

46,8% Geldpolitik

53,8% 45,7%

Vermögensbildung

Versichern und Steuern

Zahlungsverkehr unter der Basisstufe

Basisstufe

Abb. 38: Ergebnis financial literacy.

über der Basisstufe

146

V Auswertung in FILS

Für die gemeinsame Struktur wurden die Fähigkeitsausprägungen in den einzelnen Inhaltsfeldern gebündelt. Zusammengefasst wurden jeweils die Kompetenzstufen, die unterhalb und oberhalb der Basisstufe liegen. Die Basisstufe der Fähigkeitskomponenten ist erhalten geblieben, um einen gemeinsamen Basislevel für financial literacy abbilden zu können. In den Inhaltsbereichen Vermögensbildung und Online-Instrumente erzielen die Probanden die höchsten Fähigkeitsausprägungen. So erreichen 80,1 Prozent der Probanden im Bereich der Vermögensbildung und 70,1 Prozent der Probanden im Umgang mit Online-Service-Angebote Kompetenzwerte, die sich oberhalb der Basisstufe befinden. Gegensätzlich dazu sind die Ergebnisse im Bereich Geldpolitik. Insgesamt 46,8 Prozent der Schüler weisen Fähigkeitsausprägungen auf, die unterhalb der Basisstufe liegen. Auch in den Bereichen Versichern und Steuern sowie Schulden erreichen mehr als die Hälfte der Schüler die Basisstufe. Allerdings weisen auch 31,2 Prozent der Probanden im Inhaltsfeld Schulden Fähigkeiten auf, die unterhalb der Basisstufe liegen. Im Inhaltsbereich Versichern und Steuern beträgt der Anteil der Schüler, die unterhalb der Basisstufe liegen, 35,8 Prozent. Der Inhaltsbereich Zahlungsverkehr spaltet die Probanden. Während 45,7 Prozent der Probanden Fähigkeitsausprägungen erreichen, die oberhalb der Basisstufe liegen, sind für 34,7 Prozent der Schüler Werte unterhalb der Basisstufe zu verzeichnen. Ausgehend von diesen Ergebnissen, können nun gemeinsame Kompetenzstufen entwickelt werden, die sich aus den jeweiligen Kompetenzstufen der einzelnen Komponenten83 ergeben. Die Differenzierung in Kompetenzstufen wird kompatibel zu der Ergebnisdarstellung in Abbildung 38 gewählt, um financial literacy bei Schülern beschreiben zu können. Aus den einzelnen Beschreibungen der Kompetenzstufen der jeweiligen Komponenten sind nun Kompetenzbeschreibungen für die drei Hauptstufen unter der Basisstufe, Basisstufe und über der Basisstufe formuliert. Insgesamt ergeben sich so 18 Kompetenzbeschreibungen (vgl. Tab. 18), aus denen die inhaltliche Interpretation der in Abbildung 38 dargestellten Ergebnisse resultiert. Für die finale Ergebnisdarstellung werden die Kompetenzstufen betrachtet, welche anteilmäßig prozentual von dem größten Teil der Schüler in den einzelnen Komponenten erreicht werden. In allen Fähigkeitskomponenten können die Beschreibungen der jeweiligen Basisstufe übernommen werden. Um die globalen Ergebnisse aus FILS nun strukturiert zusammenzufassen, werden sie anhand von Leitfragen analysiert, um anschließend Interventionen ableiten zu können.84 Welche Kompetenzen besitzen die Schüler im Umgang mit finanziellen Themen? Es kann als kompetenzorientiertes Ergebnis von FILS festgehalten werden, dass sich viele Schüler mit einem einfachen Finanzierungsplan auskennen und Einspa-

83 Siehe Kapitel V.3.1−3.6. 84 Siehe Kapitel 3.8.

unterhalb der Basisstufe

Die Probanden unterhalb der Basisstufe besitzen einfache Fähigkeiten im Umgang mit Schulden. Einfache Strukturen eines Finanzplans werden erkannt und fixe Kosten können kalkuliert werden. Die Probanden kennen sich bei Finanzierungskäufen mit Mindestpreisen aus und wissen, dass Kreditkarten in der Regel ein Limit haben. Auch kennen Sie einzelne Zahlungsmodalitäten, um die Belastung einer Kreditkarte auszugleichen.

Schulden

Die Probanden, die Fähigkeitsausprägungen unterhalb der Basisstufe aufweisen, kennen sich mit einfachen Modalitäten eines Girokontos aus und können Unterschiede bei einem Vergleich zweier Girokonten erkennen. Sie verfügen über die Fähigkeit, nach einfachen Kriterien, wie den Kosten für die Disponutzung und für Barabhebungen sowie die monatlichen Grundgebühren eines Girokontos aus verschiedenen Angeboten ein Girokonto mit guten Konditionen zu wählen. Des Weiteren können sie Konditionen von Tagesgeldkonten vergleichen und analysieren und sich für das günstigere Angebot entscheiden.

Vermögensbildung

Tab. 18: Kompetenzbeschreibungen der financial literacy.

Unterhalb der Basisstufe kennen die Probanden verschiedene Versicherungstypen, wie Lebensversicherung und Rentenversicherung. Von einer Lohnabrechnung und den entsprechenden Abzügen haben die Probanden allerdings keine Vorstellung.

Versichern und Steuern Die Probanden, die Fähigkeiten unterhalb der Basisstufe aufweisen haben eine allgemeine Idee davon, was passieren kann, wenn sie ihre EC-Karte verlieren. Zusätzlich haben sie eine Vorstellung von der Funktion eines Girokontos und kennen sich mit schülerspezifischen Konditionen beim Girokonto aus.

Zahlungsverkehr

Unterhalb der Basisstufe können die Schüler mit unterschiedlichen Währungen umgehen und besitzen ein Verständnis von Wechselkursen und verschiedenen Währungseinheiten. Zusätzlich können die Schüler einfache geldpolitische Zusammenhänge erkennen.

Geldpolitik

Probanden, mit Fähigkeiten unterhalb der Basisstufe weisen niedrige Kompetenzen bei der Nutzung von OnlineService-Angebote im finanziellen Kontext auf. Sie können einfache Online-Instrumente bedienen und beispielsweise einen Finanzierungszeitraum berechnen.

Online-Instrumente

3 financial literacy von Schülern

147

Basisstufe

Die Basisstufe beinhaltet die Fähigkeiten, dass die Probanden sich mit einem einfachen Finanzierungsplan auskennen und Einsparungen ausmachen können, damit das Budget nicht überzogen wird. Sie können mit Zinseszinsen kalkulieren und kennen die Grundfunktionen und Grundbedingungen einer Kreditkarte. Zusätzlich können die Probanden sich zwischen unterschiedlichen Kreditangeboten entscheiden und das beste Angebot auswählen. Sie können bei privaten Krediten die Rückzahlungsrate mit Hilfe eines Online-Rechners berechnen. Darüber hinaus kennen die Pro-

Schulden

Tab. 18 (fortgesetzt)

Die Basisstufe umfasst einfache Kenntnisse über Girokonten und über Unterschiede bei einem Vergleich zweier Girokonten. Die Probanden verfügen über die Fähigkeit, nach einfachen Kriterien, wie die Kosten für die Disponutzung und für Barabhebungen sowie die monatlichen Grundgebühren eines Girokontos, aus verschiedenen Angeboten ein Girokonto mit guten Konditionen zu wählen. Des Weiteren können sie Konditionen von Tagesgeldkonten vergleichen und analysieren und sich für das günstigere Angebot entscheiden. Zusätzlich kennen sich diese Personen mit Anlageprodukten, wie Versicherungen, aus.

Vermögensbildung

Die Basisstufe umfasst Fähigkeiten im Bereich Versichern und Steuern. So können die Probanden eine mögliche Rentenhöhe bei gegebenem Gehalt einschätzen und mithilfe eines Rentenrechners die monatliche Einzahlungsrate berechnen, die notwendig ist, um später eine gewünschte Rente zu erhalten.

Versichern und Steuern Die Schüler der Basisstufe zeigen schon deutlich höhere Kompetenzen im Bereich des Zahlungsverkehrs. Neben den grundlegenden Ideen und Fähigkeiten der Stufe 2 können die Schüler einen Kontoauszug richtig lesen und die erarbeiteten Informationen richtig zuordnen. Sie können unterschiedliche Zahlungsvarianten bewerten und zwischen Angeboten unterscheiden. Dabei können sie auch versteckte Informationen zu den Zahlungsmodalitäten verarbeiten und richtig interpretieren, um eine Entscheidung zu treffen.

Zahlungsverkehr

Die Basisstufe umfasst neben den Fähigkeiten im Umgang mit anderen Währungen umfassendere Kenntnisse über geldpolitische Zusammenhänge. Die Schüler können mit Fachbegriffen umgehen, sie verstehen und anwenden. Sie haben eine Vorstellung von geldpolitischen Geschehnissen und verstehen aktuelle Nachrichten zu diesen Inhalten.

Geldpolitik

Die Basisstufe umfasst die Fähigkeiten der Stufe 1. Zusätzlich sind die Probanden in der Lage, verfügbare Informationen neu zu strukturieren und diese innerhalb der OnlineInstrumente richtig anzuwenden.

Online-Instrumente

148 V Auswertung in FILS

oberhalb der Basisstufe

Probanden, die Fähigkeitsausprägungen oberhalb der Basisstufe erreichen, können mit Budgetplänen umgehen, Einsparungen vornehmen und mit dem Zinseszins kalkulieren. Sie können verschiedene Kreditangebote vergleichen und die Rückzahlungsraten mithilfe von Online-Instrumenten berechnen. Zusätzlich weisen die Probanden einen sicheren Umgang mit Kreditkarten auf, können einen neuen Finanzplan entwerfen, wenn Budgetänderungen eintreten.

banden die Aufgaben eines Inkassounternehmens.

Probanden, die Fähigkeiten aufweisen, die oberhalb der Basisstufe anzuordnen sind, können mit Girokonten umgehen und Konditionen von verschiedenen Anbietern eines Tagesgeldkontos miteinander vergleichen. Sie können mithilfe von Online-Instrumenten Anlagelaufzeiten berechnen, kennen das Festgeld als Anlageprodukt und können das Risiko verschiedener Anlageprodukte abschätzen.

Die Probanden, die die höchste Fähigkeitsstufe aufweisen, können mit einer Gehaltsabrechnung umgehen und die Höhe der einzelnen Abgaben einschätzen. Sie haben die Fähigkeit, die Höhe der Einzahlung in eine Rentenversicherung richtig einzuschätzen, wenn die die Laufzeit und Auszahlungsmodalität bekannt sind. Zusätzlich kennen sie unterschiedliche Versicherungen und können mit Online-Instrumenten umgehen.

Probanden mit Fähigkeitsausprägungen oberhalb der Basisstufe kennen die Funktionsweise eines Girokontos, wissen und sind in der Lage, mit den Konditionen eines Dispositionskredits umzugehen. Zusätzlich können die Schüler Online-Überweisungen ausführen und zwischen verschiedenen Überweisungsformen differenzieren. Auch bei einem Verlust der EC-Karte können die Probanden überlegt handeln.

Probanden, die Fähigkeiten aufweisen, die oberhalb der Basisstufe liegen, haben ein tieferes Verständnis über aktuelle geldpolitische Ereignisse. Sie können sich im Rahmen von Nachrichten ein eigenes Meinungsbild erstellen und über geldpolitische Zusammenhänge sprechen.

Die Probanden können komplexen Online-ServiceAngebote nutzen und die relevanten Informationen richtig in die Felder der Online-Instrumente einsetzen. Sie verstehen die Systematik und können mithilfe der OnlineInstrumente Informationen generieren, Sparpläne erstellen, Laufzeiten berechnen und Ratenhöhen darstellen.

3 financial literacy von Schülern

149

150

V Auswertung in FILS

rungen vornehmen können, damit das Budget nicht überzogen wird. Sie können mit Zinseszinsen kalkulieren und kennen die Grundfunktionen und Grundbedingungen einer Kreditkarte. Zusätzlich können die Schüler sich zwischen unterschiedlichen Kreditangeboten entscheiden und das beste Angebot auswählen. Sie können bei privaten Krediten die Rückzahlungsrate mithilfe eines Online-Rechners berechnen. Darüber hinaus kennen die Probanden die Aufgaben eines Inkassounternehmens (Schulden). Des Weiteren können die Schüler mit Girokonten umgehen (Vermögensbildung) und sind in der Lage, mithilfe der Konditionen die Folgen der Inanspruchnahme eines Dispositionskredits zu reflektieren (Zahlungsverkehr). Zusätzlich kennen die Schüler Konditionen von verschiedenen Anbietern eines Tagesgeldkontos und können diese miteinander vergleichen. Sie können mithilfe von Online-Instrumenten Anlagelaufzeiten berechnen, kennen das Festgeld als Anlageprodukt und können das Risiko verschiedener Anlageprodukte abschätzen (Vermögensbildung). Die Schüler können Online-Überweisungen ausführen und zwischen verschiedenen Überweisungsformen differenzieren. Auch bei einem Verlust der EC-Karte können die Probanden überlegt handeln. Die Schüler haben eine Vorstellung über die Höhe der gesetzlichen Rente, bei einem fixen monatlichen Gehalt und können diese auch mit Hilfe eines Rentenrechners berechnen. Sie können mit unterschiedlichen Einund Auszahlungsphasen umgehen und die potenzielle Höhe der monatlichen Auszahlungsbeiträge schätzen (Versichern und Steuern). Im Umgang mit unterschiedlichen Währungen weisen die Schüler einen sicheren Umgang auf. Ebenso haben sie eine Vorstellung von Wechselkursen. Einfache geldpolitische Zusammenhänge werden von den Schülern wahrgenommen (Geldpolitik). Besonders viele Schüler zeigen große Kompetenzen in der Nutzung von verfügbaren Online-Service-Angeboten im finanziellen Rahmen. Sie verstehen die Systematik und können mithilfe der Online-Instrumente Informationen erlangen, Sparpläne erstellen, Laufzeiten berechnen und Ratenhöhen darstellen (Online-Instrumente). Die Schüler weisen somit eine vielschichtige Kompetenzstruktur im Umgang mit finanziellen Themen auf. Sie finden sich in vielen Lebenslagen zurecht und können überlegte Handlungen treffen, um Probleme selbstständig und unter Berücksichtigung von möglichen Hilfen zu bewältigen. Doch zeigen sich auch Defizite in der Kompetenzstruktur, die in den weiteren Ergebnisinterpretationen mit bedacht werden müssen.

Welche Defizite im Umgang mit finanziellen Themen können bei den Schülern identifiziert werden? Die aufgeführten Kompetenzen sind besonders in den Bereichen Vermögensbildung (80,1 Prozent über der Basisstufe) und in der Nutzung von Online-ServiceAngeboten (70,1 Prozent über der Basisstufe) stark ausgeprägt, sodass bei der Interpretation der Gesamtergebnisse bei diesen beiden Komponenten nur schwach ausgeprägte Defizite identifiziert werden können. So erreichen nur 6,4 Prozent der Schüler nicht die Basiskompetenzen im Bereich Vermögensbildung und zeigen Defizite auf. Ausbaufähig sind auch die Kompetenzen der 13,5 Prozent der Schüler,

3 financial literacy von Schülern

151

die zwar die Basisstufe im Umgang mit Vermögensbildung aufweisen, aber Probleme haben, das Risiko verschiedener Anlageprodukte einzuschätzen und Finanzprodukte, wie Tagesgeldkonten und Girokonten, zu bewerten. In der Nutzung von Online-Service-Angeboten im finanziellen Kontext sind bei 10 Prozent der Schüler Defizite zu verzeichnen. 19,9 Prozent erreichen die Basisstufe. Beide Gruppen sind nicht sicher im Umgang mit Online-Service-Angeboten. Die Schüler, die unterhalb der Basisstufe liegen, können gegebene Informationen, wie Sparziele, Zinsen und Laufzeiten, nicht verarbeiten und in einen Online-Rechner eingeben. Dadurch fällt es den Schülern schwer, online Informationen einzuholen, Konditionen von Girokonten zu vergleichen, Sparziele oder Kreditraten zu berechnen und diese Informationen zu verarbeiten. Dies spiegelt sich auch im Bereich des Zahlungsverkehrs wider. Es erreichen zwar 45,7 Prozent der Schüler Fähigkeiten, die oberhalb der Basisstufe liegen, allerdings weisen 34,7 Prozent der Schüler Fähigkeiten auf, die unterhalb der Basisstufe sind. Mit einem Girokonto können die Schüler beider Gruppen umgehen, allerdings fällt es den Schülern schwer, einen Kontoauszug zu lesen und zu verstehen, sie können nicht mit unterschiedlichen Zahlungsmodalitäten umgehen und kennen sich nicht mit verschiedenen Überweisungsarten aus. Noch wesentlich stärkere Defizite sind in den Komponenten Versichern und Steuern sowie Schulden festzustellen. 35,8 Prozent der Schüler erreichen im Bereich Versichern und Steuern nicht die Basiskompetenzstufe. Diese Schüler haben zwar von verschiedenen Versicherungsbegriffen schon gehört, kennen sich aber mit einer Lohnabrechnung, den steuerlichen Abzügen und Sozialabgaben nicht aus. Sie können mit Pflichtversicherungen nicht umgehen und wissen nicht, wie sich eine Lohnabrechnung zusammensetzt. Die 53,8 Prozent der Schüler, die in diesem Feld die Basisstufe erreichen, sind ebenfalls nicht in der Lage, mit einer Lohnabrechnung umzugehen. Diese Schüler haben im Umgang mit Versicherungen, insbesondere mit der gesetzlichen Rentenversicherung, aber schon höhere Kompetenzen und können so beispielsweise abschätzen, wie hoch ihre spätere Rente unter gegebenen Lohnbedingungen und Laufzeiten sein wird. Für die Komponente Schulden können bei 31,2 Prozent der Schüler große Defizite festgestellt werden. Die Schüler haben Fähigkeitsausprägungen, die unterhalb der Basisstufe liegen. Sie können zwar einen Finanzplan verstehen, ihn aber nicht anpassen, wenn sich externe Bedingungen, wie Taschengeld oder Lohn, ändern. Sie haben keine Vorstellung davon, was die Aufgabe eines Inkassounternehmens ist, und können zwischen verschiedenen Schuldenarten differenzieren. So ist ihnen nicht bewusst, dass es geplante Schulden in Form von Investitionen gibt und eine Überschuldung bzw. eine Zahlungsunfähigkeit ein Problem darstellt. Auch können die Schüler nicht mit einer derartigen Problemsituation umgehen und haben keine Idee von einer möglichen Handlungsstrategie, wenn jemand in die Situation einer Überschuldung gerät. Als ebenfalls problematisch wird der Umgang mit Zinsen und dem Zinseszinseffekt bei Krediten, Darlehen und Dispositionskrediten gesehen. Die Schüler sind sich dessen nicht bewusst und kalkulieren mögliche Schuldensituationen

152

V Auswertung in FILS

ohne Zinsen und Zinseszinsen. Dieser Aspekt wird von den 52 Prozent der Schüler, welche die Basisstufe erreichen, berücksichtigt. Diese Schüler sind schon erheblich sicherer im Umgang mit Schulden. Ihnen fehlt es aber an Ideen und Umsetzung von Handlungsstrategien, um Schulden zu vermeiden, Finanzpläne zu überarbeiten und das Budget nicht zu überschreiten. Im Inhaltsfeld Geldpolitik zeigen die Schüler (46,8 Prozent der Schüler befinden sich unterhalb der Basisstufe) die niedrigsten Kompetenzwerte und die stärksten Defizite. Die Schüler kennen zwar unterschiedliche Währungen und haben eine Vorstellung von Wechselkursen, zeigen aber keinen sicheren Umgang mit unterschiedlichen Währungseinheiten im konkreten Anwendungsfall. Geldpolitische Zusammenhänge werden nicht erkannt und können nicht eigenständig reflektiert betrachtet und bewertet werden. So fällt es diesen Schülern schwer, Nachrichten zu geld- und finanzpolitischen Themen zu verstehen und sich eine eigene Meinung zu bilden. Die angeführten Defizite sind in den einzelnen Komponenten unterschiedlich stark ausgeprägt. In zwei Bereichen (Vermögensbildung und Nutzung von OnlineService-Angeboten) sind die Defizite bei den meisten Schülern als gering einzustufen, da in diesen Fällen mehr als 70 Prozent der Schüler die oberen Kompetenzstufen erreichen. In anderen Feldern, wie Geldpolitik, Schulden, der Zahlungsverkehr sowie Versichern und Steuern, sind die identifizierten Defizite ausgeprägter.

Welche Auswirkungen haben Einstellungs- und Motivationskriterien auf financial literacy bei Schülern? In einem weiteren Schritt wird herausgearbeitet, inwiefern nun die Einstellungskriterien einen Einfluss auf das Gesamtergebnis haben. Werden die Kompetenzstufen zu den drei Hauptstufen (siehe Tab. 18) zusammengefasst, ergibt sich kaum noch eine Beeinflussung des Testergebnisses durch einzelne Einstellungskriterien. Lediglich zwischen der Bedeutsamkeit von Geld und den Inhaltsfeldern Schulden sowie Zahlungsverkehr können schwach, aber dennoch hoch signifikante Korrelationen festgestellt werden. Bei genauer Betrachtung der Zusammenhänge ist zu erkennen, dass Schüler, die Geld eine große Bedeutung beimessen, auch besser mit Schulden umgehen können. Gleiches gilt für den Zusammenhang zwischen der Bedeutsamkeit von Geld und den Fähigkeitsausprägungen im Bereich des Zahlungsverkehrs (vgl. Abb. 39). Die Korrelationen sind allerdings mit ,147 (Bedeutsamkeit von Geld und Zahlungsverkehr) und ,163 (Bedeutsamkeit von Geld und Schulden) marginal. Doch in den oben abgebildeten Balkendiagrammen ist eine leichte Verschiebung der Verteilung nach rechts zu erkennen. Werden die einzelnen Kompetenzstufen in den jeweiligen Inhaltsfeldern differenziert betrachtet, ergeben sich zusätzlich noch stark signifikante Korrelationen zwischen der finanziellen Planung und den Fähigkeiten im Bereich Vermögensbildung, der Qualität von Geld und dem Umgang mit OnlineService-Angeboten sowie zwischen der Bedeutsamkeit von Geld und den Fähigkeiten im Inhaltsfeld Versichern und Steuern. Die Auswirkungen der Einstellungs-

153

3 financial literacy von Schülern

Balkendiagramm

Balkendiagramm 30

40

30 Anzahl

Anzahl

20 20

10 10

0 ,35 ,40 ,45 ,50 ,55 ,60 ,65 ,70 ,75 ,80 ,85 ,90 ,95 1,00

,35 ,40 ,45 ,50 ,55 ,60 ,65 ,70 ,75 ,80 ,85 ,90 ,95 1,00

0 Bedeutsamkeit_von_Geld

Bedeutsamkeit_von_Geld

Schulden

,00

1,00

2,00

Zahlungsverkehr

,00

1,00

2,00

Abb. 39: Zusammenhang zwischen Einstellung und Inhaltsfeldern (Legende: 0 bedeutet Unterhalb der Basisstufe, 1 bedeutet Basisstufe, 2 bedeutet über der Basisstufe).

kriterien sind bei diesen drei Zusammenhängen parallel zu den jeweiligen Korrelationen zu sehen. Die jeweiligen Korrelationswerte (Finanzielle Planung und Vermögensbildung: ,152, Qualität von Geld und Online-Instrumente: ,167 sowie Bedeutsamkeit von Geld und Versichern und Steuern: ,178) zeigen, dass, je stärker die Schüler den Einstellungskriterien zustimmen, sie auch höhere Fähigkeitsausprägungen in den genannten Inhaltsfeldern erreichen. Dies kann als Hinweis darauf verstanden werden, dass Einstellungen im Umgang mit Geld die Fähigkeiten in den einzelnen Inhaltsfeldern beeinflussen können.

Gibt es genderspezifische oder schulformspezifische Merkmalsunterschiede bei Ausprägungen der financial literacy bei Schülern? Neben den unterschiedlichen Einstellungen und deren Beeinflussung der einzelnen Kompetenzen werden auch genderspezifische Unterschiede herausgefiltert. Es zeigt sich, dass es lediglich bei den Fähigkeitsausprägungen im Themenfeld Schulden zu hoch signifikanten genderspezifischen Unterschieden kommt. Mit ,184 ist dieser Zusammenhang allerdings sehr schwach und kaum interpretierbar. Zu erklären ist diese schwache Divergenz dadurch, dass etwas mehr weibliche Schüler (37,2 Prozent weibliche und 21,4 Prozent männliche Schüler) auf den unteren beiden Kompetenzstufen und weniger weibliche Schüler auf den beiden höchsten Kompetenzstufen (3,3 Prozent weibliche und 7,6 Prozent männliche Schüler) vertreten sind. Diese Divergenz kann allerdings auch durch die Stichprobengröße und -verteilung (251 weibliche Schüler und 131 männliche Schüler) entstanden sein. Für alle weiteren Kompetenzen, die durch FILS identifiziert werden konnten, sind keine

154

V Auswertung in FILS

Tab. 19: Korrelationen: Kompetenzen und Schulformen.

Schulform Schulden Vermögensbildung Versichern und Steuern Zahlungsverkehr Geldpolitik Online-Instrumente

Schulform

Schulden

1 −,247** −,302** −,323** −,382** −,228** −,254**

1  ,340**  ,325**  ,350**  ,215**  ,103

Vermögensbildung

VersiZahchern und lungsSteuern verkehr

Geldpo- Onlinelitik Instrumente

1  ,256**  ,444**  ,165*  ,506**

1  ,355**  ,232**  ,281**

1  ,022

1  ,245**  ,315**

1

genderspezifischen Disparitäten entstanden. Damit ist FILS ein (fast) genderneutrales Testinstrument zur Messung von financial literacy. In einer weiteren Analyse wird untersucht, ob schulformspezifische Unterschiede bei den Fähigkeitsausprägungen in den einzelnen Inhaltsfeldern in FILS vorliegen. So ist die Schulformzugehörigkeit ein hochsignifikanter Faktor, der auf alle Inhaltsfelder und die spezifischen Kompetenzen in FILS Einfluss hat (vgl. Tab. 19). Die Werte der signifikanten Korrelationen zwischen Schulform und den gemessenen Fähigkeiten in den einzelnen Komponenten sind auf einem schwachen bis mittleren Niveau.85 Demnach nehmen die Fähigkeiten der Schüler mit der Reihenfolge der Schulform Gymnasium, Realschule, Berufskolleg ab. Allerdings ist die Stichprobe in diesem Fall nicht repräsentativ und das Berufskolleg nicht in allen Facetten in der Stichprobe vertreten.86 Die Unterschiede bei den Schulformen Gymnasium und Realschule werden im nächsten Kapitel 3.8 unter Berücksichtigung der inhaltlichen Auseinandersetzung mit den Lehrplänen der jeweiligen Bundesländer analysiert.

3.8 Interventionen für das Bildungssystem Die durch FILS identifizierten Kompetenzen und Defizite der Schüler in den jeweiligen Fähigkeitskomponenten müssen hinsichtlich ihrer Entstehung und Entwicklung vor einem bildungspolitischen Hintergrund diskutiert werden. Dabei muss kritisch gefragt werden, ob durch das Bildungssystem die dargestellten Kompetenzen gefördert und geschult werden und ob die Defizite durch die begrenzte The-

85 Die negativen Zusammenhänge resultieren aus der Codierung der Schulformen (Gymnasium entspricht der 1, Realschule entspricht der 2 und Berufskolleg entspricht der 3). 86 Aus diesem Grund wird auf eine intensivere Interpretation bzgl. des Berufskollegs verzichtet.

3 financial literacy von Schülern

155

menvorgabe im Bildungssystem zu erklären sind. Die Probandengruppe in FILS ist auf Nordrhein-Westfalen und Rheinland-Pfalz konzentriert. Aus diesem Grund werden die Kernlehrpläne für die Schulformen Realschule und Realschule plus (RLP), Gesamtschule und Gymnasium in beiden Bundesländern betrachtet.87 Dabei wird sich die systematische Auseinandersetzung mit den Lehrplänen auf die Fächer Politik (Realschule) und Politik/Wirtschaft (Gymnasium) der Stufen 9 und 10 in Nordrhein-Westfalen sowie auf die Fächer Sozialkunde und ökonomische Bildung (schulformübergreifend) in Rheinland-Pfalz beschränken. Die Interventionen werden schulformspezifisch betrachtet und orientieren sich an den Richtlinien der jeweiligen Lehrpläne der beiden Bundesländer.88 Interventionen für die Realschulen und Realschulen plus In NRW ist in der Sekundarstufe I an den Realschulen das Fach Politik als Kernfach für politische und ökonomische Bildung verantwortlich. Ziel der kumulativ aufgebauten Lernstruktur des Faches ist es, „Kompetenzen zu entwickeln und auszubauen, die Schülerinnen und Schüler dazu befähigen, die anspruchsvolle Rolle als mündige Bürgerinnen und Bürger in politischen, ökonomischen und gesellschaftlichen Zusammenhängen wahrnehmen und ausfüllen zu können.“ (Lehrplan NRW, RS 2011)

Ausgehend vom Leitziel des Lehrplans kann angenommen werden, dass auch Kompetenzen im Bereich der finanziellen Bildung und der tägliche Umgang mit finanzrelevanten Themen zur Aufgabe des Faches Politik an Realschulen in Nordrhein-Westfalen gehört. Die spezifischen Kompetenzen, die durch das Fach erworben und gefördert werden sollen, können in die vier Kompetenzbereiche Sachkompetenz, Methodenkompetenz, Urteilskompetenz und Handlungskompetenz integriert werden. Um dem Anspruch eines mündigen Bürgers gerecht zu werden, steht insbesondere die Handlungskompetenz im Fokus. Diese befähigt zum produktiven Gestalten und zum simulativen wie auch realen Handeln (Lehrplan NRW, RS 2011). Mit Blick auf den Beriech financial literacy können an dieser Stelle das Umgehen mit Online-Instrumenten verknüpft werden. Um dies zu gewährleisten, müssen die Inhalte des Lehrplans dementsprechend ausgerichtet sein. Im Inhaltsfeld Grundlagen des Wirtschaftens und Wirtschaftsgeschehen heißt es, dass die Schüler „Einblicke in ökonomische Gesetzmäßigkeiten und Prozesse gewinnen, die für die Steuerung des eigenen Verhaltens als mündiger Akteur in Marktprozessen sowie für die Ausbildung von Finanzkompetenz bedeutsam sind.“ (Lehrplan NRW, RS 2011)

87 Das Berufskolleg findet an dieser Stelle keine Berücksichtigung, da die Probandengruppe zu homogen und zu gering ist. 88 Für eine schulformspezifische und länderspezifische Darstellung ist die Substichprobe zu klein, um sachgemäße Interventionen formulieren zu können.

156

V Auswertung in FILS

Damit besteht ein Basisanspruch darauf, dass den Schülern Werkzeuge bereitgestellt werden, die zur Ausbildung der Finanzkompetenz beitragen und die Schüler dazu befähigen, informell auch nach der Schulzeit die eigene Finanzkompetenz auszubauen und zu fördern. Inhaltlich spezifischer wird es in den Inhaltsfeldern Einkommen, Verteilung und soziale Sicherung, Beruf und Arbeitswelt sowie Europäische und internationale Politik im Zeitalter der Globalisierung. Im ersten Inhaltsfeld ist unter anderem die Bedeutung der privaten Vorsorge ein Themenschwerpunkt. Auch die soziale Sicherung spielt eine Rolle und lässt sich in den Inhaltsfeldern in FILS wiederfinden. In das Inhaltsfeld Beruf und Arbeit müssen auch der Umgang mit einer Lohnabrechnung und das Planen mit unterschiedlichen Einkommen (Budget- bzw. Haushaltsplanung) integriert werden. Im zuletzt aufgeführten Inhaltsfeld sind geldpolitische und finanzwirtschaftliche Themen zu verankern, die sich ebenfalls in FILS wiederfinden lassen. Der Lehrplan des Faches Gesellschaftslehre für die Realschulen plus in Rheinland-Pfalz unterscheidet sich stark von den Rahmenvorgaben des Faches Politik in Nordrhein-Westfalen. In Rheinland-Pfalz wird für das Fach Gesellschaftslehre in der Sekundarstufe I ein lebensweltbezogener Ansatz gewählt. Auch die Kompetenzbereiche gliedern sich anders auf und umfassen die Bereiche Wissen erwerben, Mit Wissen Handeln und (Mit) Wissen bewerten/beurteilen/reflektieren. Die Gestaltung des Unterrichts und die inhaltliche Auseinandersetzung mit verschiedenen Themenfeldern finden unter Berücksichtigung des Konzepts der Schlüsselfragen in Anlehnung an Klafki statt. Innerhalb der einzelnen Schlüsselfragen, denen differenzierte Inhaltsfragen zugeordnet sind, können Strukturen der Inhalte einer financial literacy aus FILS verortet werden. So bezieht sich die dritte Schlüsselfrage: Welche Möglichkeiten und Grenzen einer selbstbestimmten Lebensgestaltung im Spannungsfeld ökonomischer, gesellschaftlicher und privater Interessen gibt es? unter anderem auf Themen wie Bezahlung von Arbeit, wirtschaftende Menschen, Jugendliche als Konsumenten, Ursachen, Formen und Folgen von Verschuldung sowie Jugendliche auf dem Weg zum Beruf. Unter der vierten Schlüsselfrage: Wie gehen Gesellschaften mit Heterogenität um? können im weiteren Sinne Aspekte des Sozialstaatsprinzips und Inhalte aus dem Bereich Versichern und Steuern zu finden sein. Auch die sechste Schlüsselfrage: Wie erhalten wir die Lebensgrundlage für zukünftige Generationen? behandelt relevante Themenstrukturen. So ist unter dem Aspekt des selbstverantwortlichen ökonomischen Handelns auch der verantwortliche Umgang mit finanziellen Ressourcen zu etablieren (Lehrplan RLP, RS). Die aufgeführten Inhaltsfelder, bei denen eine inhaltliche Überschneidung mit den Fähigkeitskomponenten in FILS festgestellt werden konnte, werden mit Resultaten aus FILS konfrontiert. Dazu wurden die erreichten Kompetenzstufen der Schüler in jedem Inhaltsfeld aus FILS gemittelt (vgl. Tab. 20).89 89 Da hauptsächlich Realschulen aus Rheinland-Pfalz in der Stichprobe sind, werden die nachfolgende Analyse und die Intervention für das Bildungswesen auf den Kernlehrplan für Realschulen plus in Rheinland-Pfalz ausgerichtet sein.

3 financial literacy von Schülern

157

Tab. 20: Vergleich Lehrplan RLP mit FILS. Vorhandene Inhaltsfelder

Themen aus FILS90

Ergebnis in FILS (Mittelwerte)91

Bezahlung von Arbeit

Versichern und Steuern

1,6629 / 0,7640

Wirtschaftende Menschen

Vermögensbildung

3,6129 / 1,7419

Jugendliche als Konsumenten

Zahlungsverkehr

2,8602 / 1,1183

Ursachen, Formen und Folgen von Verschuldung

Schulden

1,8065 / 0,8650

Jugendliche auf dem Weg zum Beruf

Versichern und Steuern

1,6629 / 0,7640

Wie gehen Gesellschaften mit Heterogenität um?

Versichern und Steuern

1,6629 / 0,7640

Selbstverantwortliches ökonomischen Handeln

Schulden, Vermögensbildung, Online-Instrumente

1,8065 / 0,8650 (Schulden) 3,6129 / 1,7419 (Vermögensbildung) 2,0300 / 1,6622 (OnlineInstrumente)

Wie entstehen Internationale Konflikte und wie gehen Gesellschaften damit um?/ Wie kann man Globalisierung nachhaltig und solidarisch gestalten?

Geldpolitik

2,1646 / 0,6709

In die oben beschriebenen Inhaltsfelder können im Wesentlichen alle in FILS Kreditkarten in der Regel ein Limit haben. Auch kennen sie einzelne Zahlungsmodalitäten im Rahmen des Zahlungsverkehrs. Dem inhaltlichen Anspruch des Lehrplans – Ursachen, Formen und Folgen von Schulden – werden die Schüler damit aufgeführten Inhaltsbereiche implementiert werden. Explizit benannt werden allerdings nur die Bereiche Schulden und geldpolitische Themen im Lehrplan der Realschule plus in Rheinland-Pfalz. In beiden Inhaltsfeldern erreichen die Schüler durchschnittliche Kompetenzwerte, die im unteren Niveausegment liegen (Schulden: 1,8065 von 5 Punkten und Geldpolitik: 2,1646 von 5 Punkten). Um die Werte in Bezug zueinander zu setzen und direkt vergleichbar zu machen, werden die

90 Kursiv geschriebene Wörter bedeuten, dass Themen dieses Inhaltsfeld nicht explizit genannt werden, durchaus aber Teil dieses Inhaltes im Lehrplan sein könnten. 91 Der Maximalwert, der erreicht werden konnte, beträgt 5. Ausnahme bildet der Inhalt OnlineInstrumente, der nur aus vier Kompetenzstufen besteht und den Maximalwert 3 hat. Die zweiten Werte, beziehen sich auf die durchschnittlich erreichten Kompetenzwerte der in Tab. 18 dargestellten drei Kompetenzstufen: unterhalb der Basisstufe (0 bis >1), Basisstufe (1 bis 2).

158

V Auswertung in FILS

durchschnittlich erreichten Kompetenzwerte der zusammengefassten Kompetenzniveaus der einzelnen Inhaltsfelder in FILS genommen. So erreichen die Schüler mit einem Wert von 0,8650 im Bereich Schulden ein Niveau, welches knapp unterhalb der Basisstufe anzuordnen ist. Ein ähnliches Bild zeichnet sich für den geldpolitischen Inhaltsbereich ab. Die Tendenz der Fähigkeitsausprägungen ist mit einem durchschnittlich erreichten Wert von 0,6709 in diesem Inhaltsfeld allerdings noch stärker in Richtung unterhalb der Basisstufe. Inhaltlich bedeutet das, dass die Schüler erste einfache Fähigkeiten im Umgang mit Schulden besitzen. Sie können einfache Strukturen eines Finanzplans erkennen und mit fixen Kosten kalkulieren. Sie kennen sich bei Finanzierungskäufen mit Mindestpreisen aus und wissen, dass nicht gerecht. Behandelt wird das Thema Schulden in der Jahrgangsstufe 9 im Inhaltsfeld 5: Grundlagen ökonomischen Handelns.92 Die Schüler konnten aber nicht zwischen verschiedenen Schuldenarten unterscheiden und haben nur eine grobe Vorstellung von den Ursachen und Folgen einer Verschuldung. Denn die Schüler kennen sich nicht mit dem Prinzip des Zinseszinses aus, erkennen also nicht, dass Schulden durch den Zinseszinseffekt weiter ansteigen, sie können noch nicht mit variablen Kosten kalkulieren, um Schulden zu vermeiden, und erkennen bei einer Budgetänderung nicht die Ursachen einer Verschuldung. Es bleibt festzuhalten, dass der Themenkomplex Schulden zwar im Lehrplan für Realschulen plus in Rheinland-Pfalz aufgeführt ist, es den Schülern der untersuchten Schulen aber schwerfällt, mit Schulden umzugehen oder Strategien im Umgang mit Schulden zu entwickeln und die erforderlichen Kompetenzen, die notwendig sind im Umgang mit Schulden, zu erwerben.93 Daraus resultiert auch, dass die Schüler noch keine Erfahrungen im Umgang mit Schulden bzw. der Überschuldung gemacht haben und diese Thematik anscheinend auch in der informellen Lernumgebung nicht wahrgenommen wird. Doch das bedeutet auch, dass Schüler nicht auf derartige Situation vorbereitet werden und die Gefahr einer frühen Ver- bzw. Überschuldung besteht, wenn die Schüler eigenständig finanziell agieren können. Auch für den Bereich Geldpolitik, also finanzwirtschaftliche Themen, können ähnliche Ergebnisse dokumentiert werden. Die Schüler erkennen geldpolitische Zusammenhänge bei einzelnen Themen, sie wissen, dass es unterschiedliche Währungen gibt, und haben ein einfaches Verständnis von Wechselkursen. Im Umgang mit (globalen) geld- und finanzpolitischen Themen haben die Schüler Probleme, die Inhalte zu verstehen, zu interpretieren und sich eine eigene Meinung zu bilden, die sie auch argumentativ vertreten können. So sind aktuelle Themen dieses Inhaltsfeldes möglicherweise unterrepräsentiert im Schulalltag der Sekundarstufe I

92 Testzeitraum Ende des 9. bzw. 10. Schuljahres. Die Probanden mussten diesen Themenkomplex zum Testzeitpunkt schon behandelt haben. 93 Da die Stichprobe in FILS nicht repräsentativ ist, können nur Vermutungen aufgestellt werden. Die Resultate sind nicht allgemeingültig, sondern beziehen sich nur auf die in FILS untersuchten Schülergruppen. Die Ergebnisse müssten repräsentativ untersucht werden.

3 financial literacy von Schülern

159

an den Realschulen plus in Rheinland-Pfalz. Da dieses Inhaltsfeld von seiner Aktualität lebt, ist es sehr schwer, die ermittelten Kompetenzen zu pauschalisieren. Daher müsste dieses Themenfeld sehr breit und umfassend über einen längeren Zeitraum erfasst und anhand einer repräsentativen Stichprobe geprüft werden. Die restlichen vier Inhaltsfelder in FILS können einzelnen Kategorien des Lehrplans zwar zugeordnet werden, allerdings konnte keine explizite Beschreibung im Lehrplan gefunden werden. So erreichen die Schüler im Feld Versichern und Steuern ebenfalls Fähigkeitsausprägungen, die unterhalb der Kompetenzstufe liegen. Es ist zu vermuten, dass innerhalb der Lehrpläne in den Inhaltsfeldern: Bezahlung von Arbeit, Jugendliche auf dem Weg zum Beruf sowie Wie gehen Gesellschaften mit Heterogenität um? die in FILS geprüften Inhalte, wie die Zusammensetzung einer Lohnabrechnung, private Vorsorge (bspw. private Rentenversicherung) oder Wissen über unterschiedliche Versicherungen zur Vorsorge und Kapitalaufbau, nicht schwerpunktmäßig thematisiert werden. Die Inhalte des Lehrplans beziehen sich möglicherweise auf die gesellschaftlichen Strukturen und die Etablierung des Rentensystems in Deutschland, vertiefen aber die individuelle Ebene nicht. Die Inhalte Vermögensbildung, Zahlungsverkehr und Nutzung von mit OnlineService-Angeboten im finanziellen Kontext werden zwar ebenfalls nicht explizit im Lehrplan genannt, lassen sich aber dennoch grob in diesen verordnen (vgl. Tab. 20). In allen drei Disziplinen können bei den Schülern Fähigkeitsausprägungen festgestellt werden, die der Basisstufe entsprechen oder die Tendenz zeigen, dass die Kompetenzen der Schüler oberhalb der Basisstufe liegen. Dies gilt besonders für den Bereich Vermögensbildung (1,7419), der den Inhalten Wirtschaftende Menschen und Selbstverantwortliches ökonomisches Handeln zugeordnet wird. Kompetenzen in diesem Bereich wie auch der Umgang mit Schulden und die Nutzung von Online-Instrumenten (1,6622) gehören zum selbstverantwortlichen ökonomischen Handeln. Vermögen muss selbst aufgebaut werden. Die Schüler können mit Girokonten und Tagesgeldkonten umgehen, Sparraten und Anlagezeiträume berechnen und das Risiko unterschiedlicher Anlageprodukte abschätzen. Auch die Nutzung von Online-Service-Angeboten kann diesem Themenfeld zugeordnet werden, wird aber nicht im Lehrplan benannt. Das Themenfeld Zahlungsverkehr (1,1183) ist im Lehrplan in den Inhalt Jugendliche als Konsumenten implementiert. Ein Konsument muss sich mit unterschiedlichen Zahlungsmodalitäten auskennen und mit diesen umgehen können sowie unter anderem Kontoauszügen lesen können. Da keines dieser Inhaltsfelder oder deren Subinhalte im Lehrplan genannt wird, ist zu vermuten, dass die Fähigkeiten in den Komponenten Vermögensbildung, Zahlungsverkehr und die Nutzung von Online-Service-Angeboten durch informelle Lernstrukturen erworben werden. So ist es oft die Aufgabe der Eltern, den Kindern ein Girokonto einzurichten, sie zum Sparen anzuhalten und ihnen später mehrere Optionen der Vermögensbildung zu erklären. Im Feld Versichern und Steuern, welches ebenfalls nicht im Lehrplan explizit vorkommt, können informelle Lernstrukturen nicht erkannt werden. Da Schüler mit diesen Inhalten nicht

160

V Auswertung in FILS

direkt in Kontakt kommen, scheinen Themen, wie die Zusammensetzung einer Lohnabrechnung, der Umgang mit privaten Rentenversicherungen und anderen Versicherungen, nicht von Bedeutung im familiären Umfeld zu sein.

Interventionen für die Gymnasien Für die gymnasialen Teilnehmer in Nordrhein-Westfalen wird der Kernlehrplan Politik/Wirtschaft (Sekundarstufe I) betrachtet. Die Perspektive des Faches bezieht sich unter anderem auch darauf, dass die Schüler „ökonomische Prozesse aktiv mitgestalten“ (Lehrplan NRW, Gym 2007) können. Die zu erwerbenden und aufbauenden Kompetenzen gliedern sich, wie schon im Realschulwesen, in die vier Kernkompetenzen Sachkompetenz, Methodenkompetenz, Urteilskompetenz sowie Handlungskompetenz. Zu den Aufgaben und Zielen des Faches gehört auch, dass „zentrale Aspekte ökonomischer Bildung thematisiert werden und den Schülerinnen und Schülern ermöglicht wird, sich im wirtschaftlichen Dasein zu orientieren, dieses zu verstehen, es zu beurteilen sowie dieses mündig, sachgemäß und verantwortungsvoll mitzugestalten.“ (Lehrplan NRW, Gym 2007)

Das wirtschaftliche Dasein verantwortungsvoll mitzugestalten impliziert, dass die Schüler sich in finanzabhängigen Situationen zurechtfinden und handeln können. Somit kann auch financial literacy als ökonomische Bildung im Lehrplan der Sekundarstufe I am Gymnasium im weitesten Sinne gefunden werden. Im weiteren Verlauf des Lehrplans heißt es, dass die Schüler am Ende der Sekundarstufe I über folgende Kompetenzen verfügen sollen: Grundsätze des Sozialstaatsprinzips, also auch das Thema Rente, Armutsrisiken, worunter der Aspekt der Schulden gefasst werden kann, sowie die Funktion des Geldes, was mit dem Inhaltsfeld des Zahlungsverkehrs kompatibel ist. Im Inhaltsfeld 8 Grundlagen des Wirtschaftsgeschehens erwerben die Schüler zusätzlich noch Kompetenzen in den Bereichen des Marktgeschehens, des Wettbewerbs und sie lernen die Rolle des Unternehmers kennen. In dieses Inhaltsfeld können Strukturen der Inhalte Zahlungsverkehr und Versichern und Steuern integriert werden, da auch die Funktion des Geldes wieder eine konkrete Rolle spielt. Zum Inhaltsfeld 9 Zukunft von Arbeit und Beruf in einer sich verändernden Industrie-, Dienstleistungs- und Informationsgesellschaft gehören Aspekte der Lohnabrechnung, der Budgetplanung und Steuern und Versichern. Auch werden neue Technologien angesprochen. Im weiteren Sinne könnten hier auch Online-Systeme und Online-Instrumente zur Informationssuche gemeint sein. Das Inhaltsfeld 11 Einkommen und soziale Sicherung zwischen Leistungsprinzip und sozialer Gerechtigkeit vereint ebenfalls Themenstrukturen der Lohnabrechnung und des Themenfeldes Versichern und Steuern. Im letzten Themenfeld des Lehrplans Internationale Politik im Zeitalter der Globalisierung (Lehrplan NRW, Gym 2007) werden zudem noch die Aspekte angesprochen, die in FILS im Inhaltskomplex der Geldpolitik verankert sind.

3 financial literacy von Schülern

161

In Rheinland-Pfalz ist das Fach Sozialkunde dem Lernbereich Gesellschaftslehre in der Sekundarstufe I zugeordnet. Zusammen mit Erdkunde und Geschichte werden fächerübergreifende Themen behandelt. Das Fach Sozialkunde ist stark auf die politische Bildung ausgelegt, enthält aber auch Aspekte der ökonomischen Bildung. In der Sekundarstufe II kommen dann noch Fächer wie Gesellschaftslehre und Gemeinschaftslehre für die Integration von Inhalten einer financial literacy in Frage. Für die Sekundarstufe I bleibt nur die Integration in das Fach Sozialkunde. Inhaltlich können Themen von financial literacy in den allgemeinen Qualifikationen für das Fach Sozialkunde identifiziert werden. In der dritten Qualifikation Fähigkeit und Bereitschaft zur Teilnahme und zur angemessenen Wahrnehmung und Vertretung von Interessen in der Wirtschafts- und Arbeitswelt unter der Berücksichtigung ökologischer, sozialer und ökonomischer Fragestellungen sind Aspekte der Lohnabrechnung, des Sozialstaatsprinzips und des Umgangs mit finanziellen Ressourcen im weiteren Sinne zu verstehen. Die vierte Qualifikationsstufe umfasst die Fähigkeit und Bereitschaft, sich für die Sicherung der natürlichen Lebensgrundlage in regionalen und globalen Zusammenhängen einzusetzen. Dies könnte implizit Fähigkeiten im Umgang mit Schulden bedeuten. Im Sinne des Lehrplans kann das Themenfeld der Online-Instrumente zur Informationsbeschaffung dem Themenkomplex 5 Umgang mit Massenmedien zugeordnet werden. So wird in diesem Feld zum Beispiel das Telebanking direkt angesprochen, was sich durchaus auf OnlineBanking und Online-Instrumente erweitern lässt. Im sechsten Themenkomplex Wirtschaft und Umwelt lassen sich weitere Inhalte aus FILS verorten. So wird beispielsweise der Jugendliche als Konsument und kritischer Verbraucher betrachtet. Darunter könnten im weiteren Sinne der Zahlungsverkehr bzw. verschiedene Zahlungsmodalitäten im Zusammenhang mit Konsum thematisiert werden. Explizit angesprochen werden Themen des Bereichs Tarifautonomie. Dazu gehören die Darstellung und die Zusammensetzung des Lohnes, auch wenn dieses nicht direkt angesprochen wird. Im Bereich der Sozialen Marktwirtschaft sind die sozialen Sicherungssysteme angelegt. Hieran können Inhalte aus dem Bereich Versichern und Steuern gekoppelt werden. Ein weiterer Hinweis auf kompatible Themen ist im achten Feld Der Prozess der europäischen Einigung zu finden. Unter anderem wird die Währungsunion thematisiert. Geldpolitische Entscheidungen und Auswirkungen könnten in diesem Kontext ein zentrales Thema im weiteren Sinne bilden (Lehrplan RLP, Gym). Neben den jeweiligen fachspezifischen Lehrplänen gibt es in Rheinland-Pfalz einen schulform- und fachübergreifenden Lehrplan für ökonomische Bildung. Dieser soll die Handlungsfelder Privater Haushalt, Betrieb und Unternehmen, Staat, Internationale Wirtschaftsbeziehungen sowie Berufsorientierung fächerintegrativ stärken, sodass auch an dieser Stelle finanzgeprägte Themen verortet sind. So beschreibt das Handlungsfeld Privater Haushalt, dass „der Umgang mit Geld und Kredit sowie die Entwicklung eines verantwortungsbewussten Konsumstils Aufgabe von Schule und Unterricht“ (Lehrplan ÖB RLP 2003, 14) ist. Dazu gehört auch das eigene Einkommen planvoll zu verwenden, Strategien des

162

V Auswertung in FILS

Tab. 21: Vergleich der Inhalte im Lehrplan NRW für das Gymnasium und in FILS.94 Vorhandene Inhaltsfelder

Themen aus FILS

Ergebnis in FILS (Mittelwerte)

Fehlende Inhalte

Ergebnis FILS (Mittelwerte)

Grundlagen des Wirtschaftsgeschehens

Zahlungsverkehr, Geldpolitik

3,1457 / 1,3166 (Zahlungsverkehr), 2,4932 / 0,8219 (Geldpolitik)

Vermögensbildung

3,918 / 1,8361

Zukunft von Arbeit und Beruf in einer sich verändernden Industrie-, Dienstleistungs- und Informationsgesellschaft

Versichern und Steuern

1,7897 / 0,8308

OnlineInstrumente

2,19 / 1,6797

Einkommen und soziale Sicherung zwischen Leistungsprinzip und sozialer Gerechtigkeit

Versichern und Steuern, Schulden

1,7897 / 0,8308 (Versichern und Steuern) 2,0503 / 0,9749 (Schulden)

Sparverhaltens zu entwickeln, Voraussetzungen und Folgen von Privatkrediten kennen und Schuldenfallen zu vermeiden, soziale Sicherungssysteme zu kennen und individuelle Vorsorgestrategien zu entwickeln. Im zweiten Handlungsfeld Betrieb und Unternehmen wird zusätzlich noch die Funktion des Internets als Markt kennen und nutzen zu lernen erwähnt. Dies bedeutet auch, den Umgang mit Online-Service-Angeboten im finanziellen Bereich zu schulen. Das Handlungsfeld Staat fordert zudem, dass die Schüler sich nach den Aufgaben eines Kreditinstitutes erkundigen (Lehrplan ÖB RLP 2003).95 Um Interventionen für die gymnasiale Bildung ableiten zu können, wird der Lehrplan Politik/Wirtschaft der Sekundarstufe I aus Nordrhein-Westfalen für das Gymnasium mit den Inhaltsfeldern aus FILS und den ermittelten Kompetenzergebnissen verglichen (vgl. Tab. 21). Im Lehrplan Politik/Wirtschaft der Sekundarstufe I des Gymnasiums in Nordrhein-Westfalen kann nur das Inhaltsfeld Versichern und Steuern deutlich mehrfach identifiziert und in den Themenfeldern Zukunft von Arbeit und Beruf in einer sich verändernden Industrie-, Dienstleistungs- und Informationsgesellschaft sowie Einkommen und soziale Sicherung zwischen Leistungsprinzip und sozialer Gerechtig-

94 Siehe zum Inhalt der Tabelle auch die Fußnoten 58, 59, 60. 95 Da der Lehrplan für Ökonomische Bildung in Rheinland-Pfalz fachübergreifend strukturiert ist und nicht nachvollzogen werden kann, wann und ob welche Inhalte unterrichtet werden, wird der Kernlehrplan für die schulformspezifische Interpretation nur am Rand berücksichtigt.

3 financial literacy von Schülern

163

keit zugeordnet werden. Auch Themen der sozialen Marktwirtschaft sind in diese Inhaltsfelder inkludiert. Es ist anzunehmen, dass in diesem Kontext auch Subthemen aus dem Bereich Versichern und Steuern angesprochen werden. Diese werden aber sehr wahrscheinlich auf gesellschaftlicher und nicht auf individueller Ebene diskutiert werden. Die Schüler erreichen in diesem Bereich Fähigkeitswerte, die unterhalb der Basisstufe liegen (0,8308). Versichern und Steuern kann auch dem Themenfeld Einkommen und soziale Sicherung zwischen Leistungsprinzip und sozialer Gerechtigkeit zugeordnet werden. Doch auch hier können die Schüler anscheinend keine Kompetenzen erwerben, die oberhalb der Basisstufe in FILS liegen. Dies kann, wie schon bei den Schülern der Realschule, daran liegen, dass die schulischen Themen nicht die individuelle, sondern eventuell nur die gesellschaftliche Ebene tangieren. Auch durch informelle Lernstrukturen werden anscheinend bei den 15- bis 16-jährigen Schülern keine weiteren Kompetenzen im Umgang mit Versicherungen und Steuern vermittelt. Das Themenfeld Geldpolitik kann unter Grundlagen des Wirtschaftsgeschehens und dem darin implementierten Inhalt Funktion des Geldes zugeordnet werden. Die Schüler erreichen in diesem Feld Fähigkeitswerte, die knapp unter der Basisstufe liegen (siehe Tab. 21). Damit erkennen die Schüler einfache geldpolitische und finanzwirtschaftliche Zusammenhänge und sind in der Lage, mit Währungen umzugehen, und haben eine Vorstellung davon, was Wechselkurse sind. Fachbegriffe verstehen und diese anwenden ist noch sehr schwierig für die Schüler in Nordrhein-Westfalen. Auch fällt es ihnen schwer, sich über aktuelle Ereignisse eine Meinung zu bilden und dieses argumentativ zu vertreten.96 Die Ergebnisse in FILS können aber als Hinweis auf ein Defizit im Umgang mit internationalen geldpolitischen Geschehnissen verstanden werden. Weitere drei Inhaltsfelder aus FILS können im Lehrplan vermutet werden. So kann auch der Zahlungsverkehr dem Feld Grundlagen des Wirtschaftsgeschehens zugeordnet werden. Denn zu diesem Inhalt gehört nach Lehrplan die Funktion des Geldes, worunter auch Aspekte der Zahlungsverkehr verortet werden können. Die Fähigkeitsausprägungen der Schüler in diesem Bereich sind leicht über der Basisstufe auszumachen (1,3166). So sind die Schüler in der Lage, versteckte Informationen in Zahlungsmodalitäten zu identifizieren, sie können mit verschiedenen Zahlungsmodalitäten umgehen und einen Kontoauszug lesen. Ob die Kompetenzen der Schüler durch das Lehrangebot des Gymnasiums ausgebildet werden und auch durch informelle Lernstrukturen aus dem familiären Umfeld geschult werden, ist offen. Es ist zu vermuten, dass beide Parteien einen Einfluss auf die Kompetenzentwicklung ausüben. Im Bereich Schulden haben die Schüler des Gymnasiums ebenfalls schwach ausgeprägte Fähigkeiten. In diesem Inhaltsfeld erreichen sie einen Kompetenzwert,

96 Es soll auch an dieser Stelle darauf hingewiesen werden, dass die Fähigkeitsmessung in diesem Themenfeld sehr schwierig ist, weil sie immer an die Aktualität der geldpolitischen und finanzwirtschaftlichen Geschehnisse gebunden ist.

164

V Auswertung in FILS

der sehr knapp unterhalb der Basisstufe liegt (0,9749). Im Lehrplan wird das Feld Schulden nicht explizit angesprochen. Eine mögliche Verortung ist im Bereich Einkommen und soziale Sicherung zwischen Leistungsprinzip und sozialer Gerechtigkeit möglich, bleibt aber eine Vermutung. So entsprechen die Fähigkeiten der Schüler einem Umgang mit fixen Kosten, sie wissen, dass Kreditkarten in der Regel ein Limit besitzen, und können einfache Finanzpläne erstellen, um Schulden entgegenzuwirken. Schulden zu vermeiden, mit variablen Kosten umzugehen, um einen neuen Finanzplan aufzustellen, fällt den Schülern sehr schwer. So können anscheinend auch die Schüler des Gymnasiums auf keine Erfahrungswerte im Umgang mit einer Verschuldung bzw. Überschuldung zurückgreifen und der Themenbereich Schulden scheint kein Bestandteil des schulischen Alltags und des informellen Lernalltags zu sein. Daraus resultiert eine ähnliche Gefahrensituation, wie für Realschüler. Sollten die Schüler in eine Verschuldungssituation geraten, könnte die Gefahr einer Überschuldung erhöht sein, da die Schüler nur niedrige Kompetenzen im Umgang mit Schulden haben, Entscheidungen nicht aufgrund von Vorerfahrungen treffen können und so möglicherweise unvorteilhafte bzw. fehlerhafte Handlungen ausführen. Die Inhaltsfelder Vermögensbildung (1,8361) und Nutzung von Online-ServiceAngeboten (1,6797) können nicht im Lehrplan verortet werden, obwohl die Schüler in diesen beiden Bereichen die höchsten Fähigkeitsausprägungen erreichen. Im Bereich Vermögensbildung nähert sich dieser Wert sogar stark der Kategorie oberhalb der Basisstufe an. Somit sind auch die Schüler am Gymnasium in der Lage, mit einem Girokonto umzugehen, Konditionen verschiedener Anbieter eines Tagesgeldkontos miteinander vergleichen, und kennen sich mit unterschiedlichen Anlageprodukten und deren Risikostufen aus. Im Umgang mit Online-Service-Angeboten in finanziellen Bereichen weisen die Schüler ebenfalls hohe Fähigkeitsausprägungen auf. Auch für diese beiden Inhaltsfelder kann angenommen werden, dass sie stark informell durch das familiäre und technische Umfeld der Schüler erschlossen werden. Die Analyse der Lehrpläne zeigt, dass das schulische Bildungssystem einzelne Fähigkeitskomponenten von financial literacy abdeckt, in denen aber auch teilweise niedrige Resultate dokumentiert werden. Wird das Gesamtergebnis betrachtet, zeigen sich leichte Unterschiede zwischen den Schulformen und den einzelnen Fähigkeitsausprägungen in den jeweiligen Inhaltsfeldern (vgl. Abb. 40). Im Vergleich zum Gesamtergebnis (vgl. Abb. 40 oben links) erreichen die Schüler der Realschule (vgl. Abb. 40 oben rechts) ein vergleichbares Ergebnis ohne große Abweichungen. Auch die Strukturen am Gymnasium (vgl. Abb. 40 unten links) zeigen ein ähnliches Bild. Lediglich die Ergebnisse der Schüler am Berufskolleg (vgl. Abb. 40 unten rechts) weichen von den Gesamtergebnissen deutlich ab. Werden die drei Schulformen miteinander verglichen, zeigt sich, dass die Ergebnisse der Schüler am Berufskolleg unterhalb der Basisstufe am stärksten in den jeweiligen Inhaltsfeldern vertreten sind. Besonders in den Bereichen Geldpolitik

3 financial literacy von Schülern

Gesamtergebnis

165

Realschule Schulden 65,6%

Schulden OnlineServiceAngebote Geldpolitik

52,0% 80,1% 70,1%

46,8%

53,8% 45,7%

Vermögensbildung Versichern und Steuern

OnlineServiceAngebote

Geldpolitik

49,4%

unter der Basisstufe

Gymnasium

Basisstufe

47,2%

Geldpolitik

75,8%

86,9%

41,1%

57,4% 55,3%

Vermögensbildung Versichern und Steuern

Basisstufe

OnlineServiceAngebote

Geldpolitik

51,9% 56,9%

48,7%

73,9%

67,4% 77,8%

Vermögensbildung

Versichern und Steuern

Zahlungsverkehr

Zahlungsverkehr unter der Basisstufe

über der Basisstufe

Berufskolleg Schulden

Schulden OnlineServiceAngebote

Versichern und Steuern

Zahlungsverkehr über der Basisstufe

Basisstufe

56,2% 45,2%

Zahlungsverkehr unter der Basisstufe

Vermögensbildung

79,6%

71,6%

über der Basisstufe

unter der Basisstufe

Basisstufe

über der Basisstufe

Abb. 40: Schulformspezifisches Gesamtergebnis.

(73,9 Prozent), Zahlungsverkehr (77,8 Prozent) sowie Versichern und Steuern (67,4 Prozent) weichen die Resultate der Schüler am Berufskolleg von den Ergebnissen der anderen Schulformen und vom Gesamtergebnis deutlich ab. In allen drei Inhaltsfeldern erreichen zwei Drittel der Schüler Fähigkeitsausprägungen, die unterhalb der Basisstufe liegen. Auch im Inhaltsfeld Schulden zeigen mehr als die Hälfte der Schüler am Berufskolleg Kompetenzen, die unterhalb der Basisstufe in FILS liegen. Die Probandengruppe des Berufskollegs bildet zwar keinen Durchschnitt der Schülerschaft an einem Berufskolleg, dennoch zeigen diese Ergebnisse, dass bildungsrelevante Interventionen nötig sind, um derartige Defizite einzuschränken. So hat ungefähr die Hälfte der Schüler Fähigkeitsausprägungen, die oberhalb der Basisstufe liegen, in den Inhaltsfeldern Vermögensbildung (56,9 Prozent) und die Nutzung von Online-Service-Angeboten (48,7 Prozent), allerdings ist dieses Ergebnis in Relation zu den anderen Ergebnissen der anderen Schulformen zu setzen. Die Disparitäten zwischen den Resultaten am Berufskolleg und den beiden anderen

166

V Auswertung in FILS

Schulformen schwanken in diesem Bereich zwischen 20 und 30 Prozentpunkten. So bleibt festzuhalten, dass am Berufskolleg Themen, die die financial literacy betreffen stärker, vielleicht praxisnäher und individueller im Lehrplan aufgenommen und in den Unterricht integriert werden müssen, um derartige Defizite und Rückstände aufzuarbeiten. Die Ergebnisse der Schüler an Realschulen und Gymnasien weisen ein ähnliches Bild auf. Die Schüler der Realschule erreichen in den Bereichen Schulden (28,88 Prozent) und die Nutzung von Online-Service-Angebote (7,8 Prozent) die niedrigsten Werte unterhalb der Basisstufe, wobei die Abweichungen von den Resultaten der Schüler am Gymnasium marginal sind. Diese sind im Kompetenzbereich oberhalb der Basisstufe in allen Inhaltsfeldern am stärksten vertreten. Besonders im Feld Vermögensbildung schneiden 86,9 Prozent der Schüler mit Fähigkeitsausprägungen oberhalb der Basisstufe ab. Stärkere Diskrepanzen zwischen den Ergebnissen der beiden Schulformen sind auf dem Kompetenzniveau unterhalb der Basisstufe zu finden. Im Beriech Zahlungsverkehr beträgt die Differenz knapp 10 Prozentpunkte. So haben am Gymnasium 23,62 Prozent der Schüler Fähigkeiten in diesem Inhaltsfeld, die unterhalb der Basisstufe in FILS liegen, während an der Realschule 33,3 Prozent der Schüler diese Stufe erreichen. Die Abweichung von etwa 10 Prozentpunkten kann ein Hinweis darauf sein, dass mehr Schüler der Realschule im Umgang mit Themen des Zahlungsverkehrs unsicher sind und dass diese Inhalte stärker in den Schulalltag eingebunden werden müssen. Ein vergleichbares Bild zeichnet sich auch für den Bereich Geldpolitik auf dem unteren Kompetenzniveau ab. Hier beträgt die Differenz ungefähr acht Prozentpunkte (Gymnasium: 41,1 Prozent und Realschule: 49,4 Prozent). Innerhalb des Kompetenzbereichs der Basisstufe können nur marginale Unterschiede zwischen den beiden Schulformen ausgemacht werden. Lediglich im Inhaltsfeld Schulden sind die Schüler der Realschulen am stärksten vertreten (65,6 Prozent), während die Schüler des Gymnasiums nur mit 47,2 Prozent in dieser Kategorie zu finden sind. Dies ist aber dadurch begründet, dass wesentlich mehr Schüler des Gymnasiums (25,1 Prozent) die höchste Kompetenzstufe im Bereich Schulden erreichen (Realschule: 7,5 Prozent). Dies könnte bedeuten, dass die Schüler am Gymnasium höhere Kompetenzen im Umgang mit Schulden haben als die Schüler der Realschule, obwohl dieses Themenfeld nicht im Lehrplan verortet ist, während der Lehrplan der Realschule dieses explizit ausgewiesen hat. Generell müssen die Inhaltsfelder Schulden, Versichern und Steuern, Geldpolitik sowie Zahlungsverkehr stärker in den Schulalltag an jeweiligen Schulformen implementiert werden, denn der Anteil der Schüler, die in diesen Inhaltsfeldern Fähigkeiten unterhalb der Basisstufe aufweisen, ist mit Werten zwischen 31,2 Prozent (Schulden) und 46,8 Prozent (Geldpolitik) zu hoch (Versichern und Steuern: 35,8 Prozent, Zahlungsverkehr: 34,7 Prozent). Anhand des dargestellten Ampelsystems können die Ergebnisse für die Schulformen zusammengefasst werden (vgl. Tab. 22). Die hellen Kreise zeigen gute Fähigkeitsausprägungen der Schüler in dem entsprechenden Inhaltsfeld an. So ist zu erkennen, dass Vermögensbildung bei mehr

4 financial literacy – Ein Fazit

167

Tab. 22: Inhaltsabhängige Ergebnisse in FILS nach Schulformen (Ampelsystem). Realschule

Gymnasium

Berufskolleg

Schulden Vermögensbildung Versichern und Steuern Zahlungsverkehr Geldpolitik Online-Service-Angebote Hell: über der Basisstufe, mittel hell: Basisstufe, dunkel: unter der Basisstufe.

als 50 Prozent der Schüler aller Schulformen gut ausgeprägt ist, während in der Komponente Geldpolitik an keiner Schulform ausreichend hohe Fähigkeiten nachgewiesen werden konnten.97 Die hellgrauen Punkte suggerieren Fähigkeitsausprägungen auf einem mittleren Basisniveau bei den meisten Schülern der entsprechenden Schulform. Deutlich zu erkennen ist, dass wenn financial literacy selektiv betrachtet wird und die Fähigkeiten singulär entsprechend der inhaltlichen Ausrichtung analysiert werden, divergierende Ergebnisse berücksichtigt werden müssen, die durch einen Wert für financial literacy nicht darstellbar sind.

4 financial literacy – Ein Fazit Die vorangestellten Ergebnisse aus FILS dokumentieren einschlägig, dass financial literacy bei 15- bis 16-jährigen Schülern inhaltsabhängig vorhanden sind, wobei die Fähigkeitsausprägungen nach Subkompetenzen differenziert zu betrachten sind. Schulformunabhängig haben die Schüler nur schwach ausgebildete Kompetenzen in den Bereichen Versichern und Steuern, Schulden und Geldpolitik. Die Fähigkeiten in den Inhaltsfeldern Vermögensbildung und der Nutzung von Online-ServiceAngeboten sind hingegen bei einem Großteil der Probanden stark ausgeprägt. Es kann vermutet werden, dass der Umgang mit Online-Service-Angeboten im finanziellen Bereich und Vermögensbildung durch informelle Lernstrukturen expliziert werden kann. Die 14- bis 17-Jährigen sparen jeden Monat durchschnittlich 36 Euro (BdB 2015, 27). Eltern sparen für ihre Kinder und das Thema Sparen gehört anscheinend zum Erziehungsstil (Feil 2003). Die Nutzung von Online-Service-Angeboten

97 Die dunklen Punkte stehen dafür, dass der Großteil der Schüler über Fähigkeiten unterhalb der Basisstufe verfügt.

168

V Auswertung in FILS

im finanziellen Lebensumfeld wird wahrscheinlich durch die zunehmende Präsenz von Smartphones, Tablets und dem Arbeiten im Internet eigenständig geschult. Diese Annahmen können getroffen werden, da beide Inhaltsfelder nicht explizit im Lehrplan ausgewiesen sind und daher Kompetenzen nur durch informelle Lernumgebungen erworben werden können. Doch Kompetenzen im Inhaltsfeld Schulden scheinen weder durch schulische noch durch informelle Lernstrukturen gefördert zu werden, auch wenn Teile dieser Thematik im Lehrplan behandelt werden. So werden Schüler im häuslichen Umfeld zum Sparen angehalten, um Schulden zu vermeiden, erlenen aber nicht den Umgang mit Schulden und sind in derartigen Situationen überfordert. Um einen genaueren Einblick in die Möglichkeiten des Kompetenzerwerbs zu bekommen, müssen die informellen Lernstrukturen berücksichtigt werden. Es muss geklärt werden, wie viel das schulische Bildungssystem und welchen Anteil informelle Lernumgebungen zum Kompetenzerwerb in den einzelnen Feldern beitragen. Die eingangs beschriebenen Studien zur Messung von financial literacy präsentieren ihre Ergebnisse durch einen einzigen Wert (siehe Kapitel III.2). Wenn es in FILS auch nur einen Wert für financial literacy gegeben hätte, der den Schülern eine hohe oder niedrige Kompetenz zuweist, so hätte es keine inhaltliche differenzierte Betrachtung geben können. Die Konzeption und Konstruktion von FILS ist immer unter der Berücksichtigung der identifizierten Fähigkeitskomponenten vorangeschritten. Um ein möglichst breites Konstrukt der financial literacy abzubilden, wurden zusätzlich noch Einstellungskriterien berücksichtigt. Um ein valides Messinstrument aus dem theoretischen Konstrukt in FILS zu erhalten, wurden die einzelnen Komponenten und die Einstellungskriterien mithilfe der Methodik der Strukturgleichungsmodellierung validiert (siehe Kapitel IV). Auf diesem Weg konnten die einzelnen Kompetenzen in den Komponenten Schulden, Vermögensbildung, Versichern und Steuern, Zahlungsverkehr, Geldpolitik sowie Online-Instrumente generiert und gleichzeitig als ein Konstrukt validiert werden. Die Ergebnisse zeigen so Defizite und Stärken der Schüler, die einzeln und gemeinsam analysiert wurden. Im Gegensatz zu PISA und dem darin implementierten financial-literacy-Test, der einen Wert für jeden Schüler wiedergibt, ist in FILS eben die inhaltsspezifische Analyse innerhalb der financial literacy möglich. Es hat sich aber auch gezeigt, dass ein international vergleichbares Testinstrument nur schwer zu entwickeln ist. In FILS besteht dazu der Anspruch, dass länderspezifische, gesellschaftliche und kulturell geprägte Rahmenbedingungen berücksichtigt werden müssen. Denn eine Aussage über die Kompetenz kann nur getroffen werden, wenn die Probanden sich in ihrer Umgebung finanziell zurechtfinden und finanziell agieren können. Die Ergebnisse in FILS können direkt auf die spezifischen schulischen Bildungsgegebenheiten angewendet werden. Dafür war es wichtig, dass die in FILS erarbeiteten Inhaltsfelder aus der Lebenswelt der Schüler generiert wurden und nicht aus den Lehrplänen hervorgegangen sind. So zeigt sich, dass Schüler in lehrplanrelevante Felder (zum Beispiel Schulden an den Realschulen in Rheinland-Pfalz) nur unzureichende Kompetenzen erwerben. FILS leistet ei-

4 financial literacy – Ein Fazit

169

nen Beitrag zur bildungspolitischen Debatte über die Implementation von mehr ökonomischer Bildung in den Schulsystemen. Dabei stellt sich die Frage, ob alle Themen in den Schulalltag integriert werden müssen oder ob Inhalte, wie Vermögensbildung, informell ausreichend gelehrt werden. Um allerdings der Chancengleichheit gerecht zu werden und die Schüler zu mündigen Mitgliedern einer Gesellschaft zu führen, sollten die Grundlagen aller Inhaltsfelder in das Schulleben aufgenommen werden. Nur so kann die Schule als Bildungsort gewährleisten, dass die Schüler auf das eigenständige Leben nach der Schule vorbereitet werden. Um weitere länder- und lehrplanspezifische Interventionen für das Bildungssystem in Deutschland ableiten zu können, bedarf es einer repräsentativen Stichprobe und eines zusätzlichen Testinstruments, das die informellen Lernstrukturen und Lernumgebungen aufdeckt. Diese Arbeit hat den Weg und die Vorgehensweise gezeigt, wie FILS länderspezifisch financial literacy bei Schülern misst und welche Konsequenzen für die Schüler und das schulische Bildungssystem sich daraus ergeben.

Literaturverzeichnis Adult Literacy and Basic Skills Unit, London (1993): Parents and their children The intergenerational effect of poor basic skills. SCHUFA Holding AG (2013): SCHUFA Kredit-Kompass 2013: Empirische Untersuchung der privaten Kreditaufnahme in Deutschland Finanzverhalten von Jugendlichen und jungen Erwachsenen: FAZ-Institut. Almenberg, Johan; Säve-Söderbergh, Jenny (2011): Financial literacy and retirement planning in Sweden. In: Journal of Pension Economics and Finance 10(04), S. 585–598. Andersen, Erling B. (1973): A goodness of fit test for the Rasch model. In: Psychometrika 38(1), S. 123–140. Aprea, Carmela (2012): Messung der Befähigung zum Umgang mit Geld und Finanzthemen: Ausgewählte Instrumente und alternative diagnostische Zugänge. In: Berufs- und Wirtschaftspädagogik – online 22. Atkinson, Adele; Messy, Flore-Anne (2012): Measuring financial literacy. Ayala, Rafael Jaime de (2009): The theory and practice of item response theory: Guilford Publications. ANZ, Bank (2008): Survey of adult financial literacy in Australia. BdB, Banken, Bundesverband Deutscher (2009): Jugendstudie 2009. In: Wirtschaftsverständnis und Finanzkultur. Ergebnisse repräsentativer Meinungsumfragen im Auftrag des Bundesverbandes deutschen Banken, Berlin. BdB, Banken, Bundesverband Deutscher (2012): Jugendstudie 2012. In: Wirtschaftsverständnis und Finanzkultur 10, S. 2013. BdB, Banken, Bundesverband Deutscher (2015): Jugendstudie 2015 – „Wirtschaftsverständnis, Finanzkultur und Digitalisierung“. Online verfügbar unter https://bankenverband.de/ newsroom/meinungsumfragen/jugendstudie-2015-wirtschaftsverstaendnis-finanzkultur-unddigitalisierung/, zuletzt geprüft 2016. Barry, Daniela (2014): Befähigung zum Umgang mit Geld im Blick wirtschaftspädagogischer Forschung. In: Die Einstellung zu Geld bei jungen Erwachsenen: Springer, S. 15–30. Barton, David; Hamilton, Mary (2012): Local literacies: Reading and writing in one community: Routledge. Beck, Klaus (2000): Krumm. In: V./Dubs, R.: Wirtschaftskundlicher Bildungstest (WBT). Göttingen. Beck, Klaus (1989): „Ökonomische Bildung“ – Zur Anatomie eines wirtschaftspädagogischen Begriffs. In: Zeitschrift für Berufs- und Wirtschaftspädagogik 85(7), S. 579–596. Beck, Klaus; Krumm, Volker (1989): Economic Literacy in German Speaking Countries and the United States. First Steps to a Comparative Study. Beck, Klaus; Krumm, Volker (1998): Wirtschaftskundlicher Bildungs-Test (WBT): Hogrefe, Verlag für Psychologie. Beck, Klaus; Wuttke, Eveline (2004): Eingangsbedingungen von Studienanfängern–Die prognostische Validität wirtschaftskundlichen Wissens für das Vordiplom bei Studierenden der Wirtschaftswissenschaften. In: Zeitschrift für Berufs-und Wirtschaftspädagogik 100(1), S. 116–123. Bender, Nina; Breuer, Klaus (2011): Junge Menschen und frühe Schulden–Finanzielle Handlungskompetenz im Fokus wirtschaftspädagogischer Forschung. In: Krisen und Schulden: Springer, S. 45–62. BGB, § 110 (1901): Bürgerliches Gesetzbuch (BGB). In: München: Verlag CH Beck, aktuelle Ausgabe. Bielby, William T.; Hauser, Robert M. (1977): Structural equation models. In: Annual review of sociology, S. 137–161. Bloom, Benjamin Samuel (1956): Taxonomy of educational objectives: The classification of educational goals. https://doi.org/10.1515/9783110555622-006

172

Literaturverzeichnis

Blum, Kassel (2006): Der Modellierungskreislauf unter kognitionspsychologischer Perspektive. Bollen, Kenneth A.; Long, J. Scott (1993): Testing structural equation models: Sage. Börsch-Supan, Axel; Coppola, Michela; Essig, Lothar; Eymann, Angelika; Schunk, Daniel (2009): The German SAVE Study. In: Design and Results. Mea Studies 6. Bright, Ian; Keller, Robert (2012): Overview of ING International Survey results on financial competence. In: ING Bank. Brown, Timothy A. (2006): Confirmatory factor analysis for applied research. 2006. In: Confirmatory factor analysis for applied research. S. xiii. Bucher-Koenen, Tabea; Lusardi, Annamaria (2011): Financial literacy and retirement planning in Germany. In: Journal of Pension Economics and Finance 10(04), S. 565–584. Bucher-Koenen, Tabea; Lusardi, Annamaria (2011): Financial literacy and retirement planning in Germany. In: Journal of Pension Economics and Finance 10(04), S. 565–584. Bucher-Koenen, Tabea; Ziegelmeyer, Michael (2011): Who lost the most? Financial literacy, cognitive abilities, and the financial crisis. Bühner, Markus (2011): Einführung in die Test-und Fragebogenkonstruktion: Pearson Deutschland GmbH. Byrne, Barbara M. (2012): A primer of LISREL: Basic applications and programming for confirmatory factor analytic models: Springer Science & Business Media. Calcagno, Riccardo; Monticone, Chiara (2015): Financial literacy and the demand for financial advice. In: Journal of Banking & Finance 50, S. 363–380. CBF (2006): Australian financial literacy assessment (2012). Online verfügbar unter http:// www.commbank.com.au/about-us/download-printed-forms/AFLA-2006-report.pdf. Chakravorti, Sujit (2003): Theory of credit card networks: A survey of the literature. In: Review of Network Economics 2(2). Chomsky, Noam; Halle, Morris (1965): Some controversial questions in phonological theory. In: Journal of linguistics 1(02), S. 97–138. Christ, Oliver; Schlüter, Elmar (2012): Strukturgleichungsmodelle mit Mplus: eine praktische Einführung: Walter de Gruyter. Chudaske, Jana (2012): Sprachliche Kompetenz von Grundschülern der dritten Klassenstufe und deren Einfluss auf die Lese-, Rechtschreib- und Mathematikleistungen. In: Sprache, Migration und schulfachliche Leistung: Springer, S. 223–317. Colorado Department of Education (2005): Financial Literacy (2006). Online verfügbar unter http:// www.cde.state.co.us/action/Financial_Literacy/index2.htm. Ideenlabor, Commerzbank (2004): Kanon der finanziellen Allgemeinbildung – Ein Memorandum: Frankfurt/Main: Commerzbank AG. Cortina, Jose M. (1993): What is coefficient alpha? An examination of theory and applications. In: Journal of applied psychology 78(1), S. 98. Crossan, Diana; Feslier, David; Hurnard, Roger (2011): Financial literacy and retirement planning in New Zealand. In: Journal of Pension Economics and Finance 10(04), S. 619–635. Curdes, Beate (2004): Unterschiede in den Einstellungen zur Promotion bei Mathematikstudentinnen und -studenten. In: Journal für Mathematik-Didaktik 25(1), S. 81–82. Czycholl, Harald (2012): Des besten Kontos für Kinder und Jugendliche. In: Die Welt, zuletzt geprüft in 05/2016. Dauenhauer, Erich (1997): Kategoriale Wirtschaftsdidaktik. 1. Anregungen zur inhaltlichen Neugestaltung: Walthari. DeGÖB (2004): Kompetenzen der ökonomischen Bildung für allgemeinbildende Schulen und Bildungsstandards für den mittleren Schulabschluss. Online verfügbar unter http:// degoeb.de/uploads/degoeb/04_DEGOEB_Sekundarstufe-I.pdf. Pisa-Konsortium, Deutsches (2001): PISA 2000. In: Basiskompetenzen von Schülerinnen und Schülern im internationalen Vergleich. Opladen.

Literaturverzeichnis

173

Disney, Richard; Gathergood, John (1969): Financial literacy and indebtedness: new evidence for UK consumers. Disney, Richard; Gathergood, John (2011): Financial literacy and indebtedness: new evidence for UK consumers. In: The University of Nottingham. Disney, Richard; Gathergood, John (2013): Financial literacy and consumer credit portfolios. In: Journal of Banking & Finance 37(7), S. 2246–2254. Dombret, Andreas R. (2012): Die aktuelle Finanzkrise – Ursachen, Folgen und Herausforderungen. In: Ursachen und Konsequenzen der Finanzkrise: Springer, S. 63–70. EFEP, European Financial Education Partnership (2013): National Financial Education Gap and Needs Survey Germany. Online verfügbar unter http://www.efep-project.eu/files/bulletin/ EFEP-WP2 %20National%20Report%20GERMANY-090611_%20final.pdf. Embretson, Susan E.; Reise, Steven P. (2013): Item response theory. Psychology Press. Emmons, William R. (2005): Consumer-finance myths and other obstacles to financial literacy. In: Louis U. Pub. L. Rev. 24, S. 335. Erpenbeck, John; van Rosenstiel, Lutz (Hg.) (2007): Handbuch Kompetenzmessung. Erkennen, verstehen und bewerten von Kompetenzen in der betrieblichen, pädagogischen und psychologischen Praxis. 2., überarb. und erw. Aufl. Stuttgart: Schäffer-Poeschel. FAZ-Inst. für Management, Markt-und Medieninformationen (2010): Kundenkompass Finanzkompetenz: Aktuelle Befragung junger Erwachsener; Einstellungen zu Geld: Erfahrungen im Elternhaus prägend; finanzielle Ziele und Finanzplanung: Zielsetzung nicht immer systematisch; Finanzmanagement: Haushaltsbuch hilft beim Sparen; Nachhaltigkeit lernen − Bildung für nachhaltige Entwicklung. Frankfurt, M. Feierabend, Sabine; Karg, Ulrike; Rathgeb, Thomas (2013): JIM-Studie 2013. Jugend, Information, (Multi-) Media [JIM study 2013 th Youth, Information, (Multi-) Media]. In: Stuttgart: Medienpädagogischer Forschungsverbund Südwest. Feil, Christine (2003): Kinder, Geld und Konsum: Juventa. Förster, Manuel; Happ, Roland; Zlatkin-Troitschanskaia, Olga (2012): Valide Erfassung des volkswirtschaftlichen Fachwissens von Studierenden der Wirtschaftswissenschaften und der Wirtschaftspädagogik – eine Untersuchung der diagnostischen Eignung des Wirtschaftskundlichen Bildungstests (WBT). In: Berufs- und Wirtschaftspädagogik – online (bwp@) (22). Fries, Karin R.; Göbel, Peter H.; Lange, Elmar (2007): Teure Jugend: wie Teenager kompetent mit Geld umgehen: Barbara Budrich. Furnham, Adrian (1984): Many sides of the coin: The psychology of money usage. In: Personality and individual Differences 5(5), S. 501–509. Geiser, Christian (2010): Datenanalyse mit Mplus: Springer. Gerardi, Kristopher; Goette, Lorenz; Meier, Stephan (2010): Financial literacy and subprime mortgage delinquency: Evidence from a survey matched to administrative data. In: Federal Reserve Bank of Atlanta Working Paper Series (2010-10). Gnan, E.; Silgoner, M. A.; Weber, B. (2007): Volkswirtschafts-und Finanzbildung: Konzepte, Ziele, Messung. In: Geldpolitik & Wirtschaft Q 3, S. 30. Gräsel, Cornelia (2011): Was ist empiriche Bildungsforschung? In: Empirische Bildungsforschung. 1. Aufl. Wiesbaden: VS-Verl (Lehrbuch). Grohmann, Antonia; Kouwenberg, Roy; Menkhoff, Lukas (2015): Childhood roots of financial literacy. In: Journal of Economic Psychology 51, S. 114–133. Grohmann, Antonia; Menkhoff, Lukas (2015): School, parents, and financial literacy shape future financial behavior. In: DIW Economic Bulletin 5(30/31), S. 407–412. Grohmann, Antonia; Menkhoff, Lukas (2015): Schule, Eltern und finanzielle Bildung bestimmen das Finanzverhalten. In: DIW-Wochenbericht 82(28), S. 655–661.

174

Literaturverzeichnis

Grotlüschen, Anke; Riekmann, Wibke (2011): Konservative Entscheidungen – Größenordnung des funktionalen Analphabetismus in Deutschland. In: Report. Zeitschrift für Weiterbildungsforschung 34, S. 24–35. Guiso, Luigi; Jappelli, Tullio (2008): Financial literacy and portfolio diversification. Haas, Stefanie (2013): Angespannte Gelassenheit. In: Psychotherapie-Wissenschaft 2(1), S. 7–12. Hartig, Johannes (2007): Skalierung und Definition von Kompetenzniveaus. Klieme, Eckhard (Hrsg.); Beck, Bärbel (Hrsg.): Sprachliche Kompetenzen. Konzepte und Messung. DESI-Studie (Deutsch Englisch Schülerleistungen International). Weinheim u. a.: Beltz 2007, S. 83-99. Hartig, Johannes; Klieme, Eckhard (2006): Kompetenz und Kompetenzdiagnostik. In: Leistung und Leistungsdiagnostik: Springer, S. 127–143. Hempel, Carl G.; Oppenheim, Paul (1948): Studies in the Logic of Explanation. In: Philosophy of science 15(2), S. 135–175. Henschel, Sofie; Roick, Thorsten; Brunner, Martin; Stanat, Petra (2013): Leseselbstkonzept und Textart: Lassen sich literarisches und faktuales Leseselbstkonzept trennen? In: Zeitschrift für Pädagogische Psychologie. Hoffmann, Markus (2007): Die Reform der Verbraucherkredit-Richtlinie (87/102/EWG): eine Darstellung und Würdigung der Entwürfe für eine neue Verbraucherkredit-Richtlinie unter besonderer Berücksichtigung des deutschen und englischen Rechts: Walter de Gruyter. Hommers, Wilfried (1992): Psychometrische Modelle für die Einzelfalldiagnostik in der Forensischen Psychologie. Hummelsheim, Stefan (2010): Ökonomische Grundbildung tut not. Empirische Studien weisen auf erhebliche Defizite in der ökonomischen und finanziellen Grundbildung hin. Hung, Angela; Parker, Andrew M.; Yoong, Joanne (2009): Defining and measuring financial literacy. Huston, Sandra J. (2010): Measuring financial literacy. In: Journal of Consumer Affairs 44(2), S. 296–316. INFE, OECD (2009): Financial Education and the Crisis: Policy Paper and Guidance: OECD Publishing. INFE, OECD (2011): Measuring Financial Literacy: Questionnaire and Guidance Notes for conducting an Internationally Comparable Survey of Financial Literacy. In: Periodical Measuring Financial Literacy: Questionnaire and Guidance Notes for conducting an Internationally Comparable Survey of Financial Literacy. ING-DiBa (2013): ING-DiBa Studie 2013: Deutsche mit geringster Finanzbildung in Europa. Frankfurt am Main. Online verfügbar unter https://www.ing-diba.de/pdf/ueber-uns/presse/ publikationen/ing-diba-studie-2013.pdf, zuletzt geprüft am 2016. InsO (2014): Insolvenzordnung (InsO) § 17, 18, 19. Unter Mitarbeit von Eberhard Braun, Rüdiger Bauch, Elke Bäuerle, Andreas J. Baumert, Andreas Beck, Holger Blümle et al.: CH Beck. Jappelli, Tullio (2010): Economic Literacy: An International Comparison*. In: The Economic Journal 120(548), F429–F451. Jöreskog, Karl G. (1969): Efficient estimation in image factor analysis. In: Psychometrika 34(1), S. 51–75. Kaminski, Hans; Eggert, Katrin (2008): Konzeption für die ökonomische Bildung als Allgemeinbildung von der Primarstufe bis zur Sekundarstufe II. In: Im Auftrag des Bundesverbandes deutscher Banken, Berlin/Oldenburg. Kaminski, Hans; Friebel, Stephan (2012): Arbeitspapier ‚Finanzielle Allgemeinbildung als Bestandteil der ökonomischen Bildung ‘, hrsg. vom Institut für ökonomische Bildung an der Universität Oldenburg. Kilian, Lars (2011): Report Grundbildung: Definitionen, Konzepte, Didaktik & Methodik. Klafki, Wolfgang (1964): Didaktische Analyse: Schroedel. Klapper, Leora; Lusardi, Annamaria; Panos, Georgios A. (2011): Financial literacy in view of the financial crisis: evidence from Russia. Working paper.

Literaturverzeichnis

175

Klieme, Eckhard (2004): Was sind Kompetenzen und wie lassen sie sich messen? na. Klieme, Eckhard; Hartig, Johannes (2008): Kompetenzkonzepte in den Sozialwissenschaften und im erziehungswissenschaftlichen Diskurs. In: Kompetenzdiagnostik: Springer, S. 11–29. Klieme, Eckhard; Leutner, Detlev (2006): Kompetenzmodelle zur Erfassung individueller Lernergebnisse und zur Bilanzierung von Bildungsprozessen. Beschreibung eines neu eingerichteten Schwerpunktprogramms der DFG. In: Zeitschrift für Pädagogik 52(6), S. 876– 903. Kline, R. B. (1998): Software Review: Software Programs for Structural Equation Modeling: Amos, EQS, and LISREL. In: Journal of Psychoeducational Assessment 16(4), S. 343–364. DOI: 10.1177/073428299801600407. Knorr-Cetina, Karin D. (1980): Die Fabrikation von Wissen: Versuch zu einem gesellschaftlich relativierten Wissensbegriff. In: Kölner Zeitschrift für Soziologie und Sozialpsychologie: Sonderheft 22, S. 226–245. Kodde, David A.; Palm, Franz C. (1986): Wald criteria for jointly testing equality and inequality restrictions. In: Econometrica: journal of the Econometric Society, S. 1243–1248. Koller, Ingrid; Alexandrowicz, Rainer; Hatzinger, Reinhold (2012): Das Rasch Modell in der Praxis: Eine Einführung in eRm: UTB. Kress, Gunther (2005): Before writing: Rethinking the paths to literacy: Routledge. Krotsch, Steffen; Locher, Christian (2012): Banking News-Datenbasiertes Multikanal-Marketing: Signale für den Vertrieb. In: Bank-Zeitschrift fur Bankpolitik und Bankpraxis (11), S. 30. Kruber, Klaus-Peter (1997): Stoffstrukturen und didaktische Kategorien zur Gegenstandsbestimmung ökonomischer Bildung. In: Konzeptionelle Ansätze ökonomischer Bildung, Bergisch Gladbach, S. 55–74. Kruber, Klaus-Peter (2000): Kategoriale Wirtschaftsdidaktik – der Zugang zur ökonomischen Bildung. In: GWP – Gesellschaft. Wirtschaft. Politik 49(3). Kruber, Klaus-Peter (2006): Ökonomische Bildung – ein Beitrag zur Allgemeinbildung? Eine immer wieder neue Frage an den Wirtschaftsunterricht. In: Politik und Wirtschaft unterrichten: Springer, S. 187–202. Kultusministerkonferenz, KMK. (2010): Konzeption der Kultusministerkonferenz zur Nutzung der Bildungsstandards für die Unterrichtsentwicklung. In: Beschluss der Kultusministerkonferenz vom 10, S. 2009. Lammer, Thomas; Stroborn, Karsten (2006): Internet-Zahlungssysteme in Deutschland und Österreich: ein Überblick. In: Handbuch E-Money, E-Payment & M-Payment: Springer, S. 57– 72. Lange, Elmar; Fries, Karin R. (2006): Jugend und Geld 2005. In: Eine empirische Untersuchung über den Umgang von, S. 10–17. Leinert, Johannes (2004): Finanzieller Analphabetismus in Deutschland: Schlechte Voraussetzungen für eigenverantwortliche Vorsorge. In: Bertelsmann Stiftung. Vorsorgestudien 25. Leiß, Dominik; Blum, Werner (2006): Beschreibung zentraler mathematischer Kompetenzen. In: Bildungsstandards Mathematik: konkret, S. 33–50. Lusardi, Annamaria (2008): Household saving behavior: The role of financial literacy, information, and financial education programs. National Bureau of Economic Research. Lusardi, Annamaria; Mitchell, Olivia S. (2011): Financial literacy around the world: an overview. In: Journal of Pension Economics and Finance 10(04), S. 497–508. Lusardi, Annamaria; Mitchell, Olivia S. (2006): Financial literacy and planning: Implications for retirement wellbeing. In: Michigan Retirement Research Center Research Paper No. WP 108. Lusardi, Annamaria; Mitchell, Olivia S. (2009): How ordinary consumers make complex economic decisions: Financial literacy and retirement readiness. National Bureau of Economic Research.

176

Literaturverzeichnis

Lusardi, Annamaria; Mitchell, Olivia S. (2014): The economic importance of financial literacy: Theory and evidence. In: Journal of Economic Literature 52(1), S. 5–44. Lusardi, Annamaria; Mitchell, Olivia S.; Curto, Vilsa (2009): Financial literacy among the young: Evidence and implications for consumer policy. National Bureau of Economic Research. Lusardi, Annamaria; Mitchell, Olivia S.; Curto, Vilsa (2010): Financial literacy among the young. In: Journal of Consumer Affairs 44(2), S. 358–380. Lusardi, Annamaria; Mitchelli, S. Olivia (2007): Financial Literacy and Retirement Preparedness: Evidence and Implications for Financial Education. In: Business Economics 42(1), S. 35–44. DOI: 10.2145/20070104. Lusardi, Annamaria; Tufano, Peter (2008): Debt literacy, financial experiences, and overindebtedness. Dartmouth working Papers. Lusardi, Annamaria; Tufano, Peter (2009): Debt literacy, financial experiences, and overindebtedness. National Bureau of Economic Research. Lusardi, Annamaria; Tufano, Peter (2015): Debt literacy, financial experiences, and overindebtedness. In: Journal of Pension Economics and Finance 14(04), S. 332–368. Lutter, Andreas (2010): Methoden zur Diagnose und Evaluation von Schülervorstellungen im sozialwissenschaftlichen Unterricht. In: Was passiert im Klassenzimmer? Methoden zur Evaluation, Diagnostik und Erforschung des sozialwissenschaftlichen Unterrichts. (Hrsg.) Zurstrassen, Bettina. Schwalbach am Taunus: Wochenschau-Verlag (Sozialwissenschaften unterrichten). Macha, Klaas (2015): Ökonomische Kompetenz messen. Theoretisches Modell und Ergebnisse der Economic Competencies Study (ECOS). Berlin: LIT Verl. (Ökonomische Bildung, 8). Macha, Klaas; Schuhen, Michael (2011): Modellierung ökonomischer Kompetenz in einer Pilotstudie zu ECOS. In: Siegener Beiträge zur Ökonomischen Bildung 2, S. 2011. Mandell, Lewis (2008): The financial literacy of young American adults. In: Retrieved on January 13, S. 1013. Mania, Ewelina; Tröster, Monika (2013): Finanzielle Grundbildung. Wege einer partizipativen Didaktik im DIE-Projekt CurVe. In: Magazin Erwachsenenbildung. at (20). Moore, Danna L. (2003): Survey of financial literacy in Washington State: Knowledge, behavior, attitudes, and experiences: Washington State Department of Financial Institutions. Moosbrugger, Helfried (2012): Testtheorie und Fragebogenkonstruktion: Mit 66 Abb. und 41 Tab.n. 2. Aufl. Berlin: Springer (Springer-Lehrbuch). Moosbrugger, Helfried; Schermelleh-Engel, Karin (2007): Exploratorische (EFA) und Konfirmatorische Faktorenanalyse (CFA). In: Testtheorie und Fragebogenkonstruktion, S. 325– 343. Muthén, Bengt (1983): Latent variable structural equation modeling with categorical data. In: Journal of Econometrics 22(1), S. 43–65. Muthén, Bengt (1984): A general structural equation model with dichotomous, ordered categorical, and continuous latent variable indicators. In: Psychometrika 49(1), S. 115–132. Neubäumer, Renate (2008): Ursachen und Wirkungen der Finanzkrise – eine ökonomische Analyse. In: Wirtschaftsdienst 88(11), S. 732–740. OECD (2014): PISA 2012 Results: Students and money. Financial literacy skills for the 21 st century. OECD (2013b): OECD Skills Outlook 2013: First Results from the Survey of Adult Skills. Paris: OECD Publishing. OECD (2013a): PISA 2012 assessment and analytical framework: Mathematics, reading, science, problem solving and financial literacy. Paris: OECD (PISA). OECD: PISA 2012 results: Students and money. Financial literacy skills for the 21 st century. OECD (2009): Literacy, Financial; Protection, Consumer Overlooked Aspects of the Crisis. In: June. OECD (2005): Improving financial literacy: analysis of issues and policies: Organisation for Economic Co-operation and Development.

Literaturverzeichnis

177

Oehler, Andreas (2012): Typen für die „Sendung“: Empirische Analyse der Daten aus der WDRStudie Finanzwissen „Ohne Moos nix los – Wie junge Menschen über Geld und Finanzen denken“ (inkl. der begleitenden Daten aus dem WDR-Radiotrend); Schlussbericht Mai 2012. Pedhazur, Elazar J.; Schmelkin, Liora Pedhazur (2013): Measurement, design, and analysis: An integrated approach: Psychology Press. Piorkowsky, Michael B. (2011): Gute Praxis – schlechte Praxis in finanzieller Allgemeinbildung. In: Finanzielle Bildung in der Schule. Mündige Verbraucher durch Konsumentenbildung (S. 31– 45). Schwalbach/Ts.: Wochenschau Verlag. Pommerich, Mary; Segall, Daniel O. (2008): Local dependence in an operational CAT: Diagnosis and implications. In: Journal of Educational Measurement 45(3), S. 201–223. Prüfer, Peter; Rexroth, Margrit (1996): Verfahren zur Evaluation von Survey-Fragen: Ein Überblick: ZUMA Mannheim. Raykov, Tenko; Marcoulides, George A. (2000): A method for comparing completely standardized solutions in multiple groups. In: Structural equation modeling 7(2), S. 292–308. Reifner, Udo; Schelhowe, Anne (2010): Financial education. In: JSSE – Journal of Social Science Education 9(2). Reinders, Heinz; Ditton, Hartmut; Gräsel, Cornelia; Gniewosz, Burkhard (2011): Empirische Bildungsforschung: Springer. Reinecke, Jost (2005): Strukturgleichungsmodelle in den Sozialwissenschaften: Walter de Gruyter GmbH & Co KG. Reinecke, Jost (2014): Strukturgleichungsmodelle in den Sozialwissenschaften: Walter de Gruyter GmbH & Co KG. Rheinland-Pfalz, Kultusministerium (1998): Lehrpläne Lernbereich Gesellschaftswissenschaften: Erdkunde, Geschichte, Sozialkunde. Hauptschule, Realschule. In: Gymnasium, regionale Schule (Klassen 7–9/10). Mainz. Rosendahl, Johannes; Straka, Gerald A. (2011): Effekte personaler, schulischer und betrieblicher Bedingungen auf berufliche Kompetenzen von Bankkaufleuten während der dualen Ausbildung. Ergebnisse einer dreijährigen Längsschnittstudie. Rosendorfer, Tatjana (1997): Kinder und Geld. Zur Konsum-und Gelderziehung von Heranwachsenden. In: Diskurs 7(2), S. 68–75. Rost, Jürgen (2008): Zur Messung von Kompetenzen einer Bildung für nachhaltige Entwicklung. In: Kompetenzen der Bildung für nachhaltige Entwicklung: Springer, S. 61–73. Rost, Jürgen (2004a): Lehrbuch Testtheorie-Testkonstruktion (2., vollständig überarbeitete und erweiterte Aufl.). In: Bern: Huber. Rost, Jürgen (2004b): Psychometrische Modelle zur Überprüfung von Bildungsstandards anhand von Kompetenzmodellen. In: Zeitschrift für Pädagogik 50(5), S. 662–678. Sälzer, C.; Prenzel, M. (2014): Financial Literacy im Rahmen der PISA-Studie. In: Ökonomische Allgemeinbildung in der Sekundarstufe I und Primarstufe. Schwalbach/Ts.: Wochenschau Wissenschaft, S. 15–31. Schladitz, S., Rott, B., Winter, A., Wischgoll, A., Groß Ophoff, J., Hosenfeld, I., Leuders, T., Nückles, M., Renkl, A., Stahl, E., Watermann, R., Wirtz, M., Wittwer, J. (2013). LeScEd − Learning the Science of Education. Research Competence in Educational Sciences. In S. Blömeke & O. Zlatkin-Troitschanskaia (Eds.). The German funding initiative “Modeling and Measuring Competencies in Higher Education”: 23 research projects on engineering, economics and social sciences, education and generic skills of higher education students. (KoKoHs Working Papers, 3) (S. 82-84). Berlin & Mainz: Humboldt University & Johannes Gutenberg University. Schlösser, Hans Jürgen; Neubauer, Maria; Tzanova, Polia (2011): Finanzielle Bildung. In: Aus Politik und Zeitgeschichte 12(2011), 21.03. Schuhen, Michael; Kunde, Fabian (2016): Informelles Lernen und ökonomische Bildung. In: Handbuch Informelles Lernen, S. 455.

178

Literaturverzeichnis

Schuhen, Michael; Schürkmann, Susanne (2017): Erstellung eines validen Messinstrumentes für financial literacy, Siegener Beiträge für ökonomische Bildung, im Erscheinen. Schuhen, Michael; Schürkmann, Susanne (2014): Construct validity of financial literacy. In: International Review of Economics Education 16, S. 1–11. Schuldneratlas 2015: Überschuldung von Verbrauchern. Hg. v. Boniversum, Microm, Creditrefom. Online verfügbar unter http://www.creditreform.de/fileadmin/user_upload/crefo/download_ de/news_termine/wirtschaftsforschung/schuldneratlas/Analyse_SchuldnerAtlas_2015.pdf, zuletzt geprüft in 09/2016. Schulministerium, NRW. (1999): Richtlinien und Lehrpläne für die Sekundarstufe II – Gymnasium/ Gesamtschule in Nordrhein-Westfalen. Sozialwissenschaften: Ritterbach Verlag GmbH. Frechen. http://www. standardsicherung.schulministerium.nrw.de/lehrplaene/upload/ lehrplaene_download/gymnasium_os/4717.pdf [Stand: 30. 8. 2012]. Schumann, Stephan; Eberle, Franz; Oepke, Maren; Pflüger, Michael; Gruber, Cyrill; Pezzotta, D. (2010): Inhaltsauswahl für den Test zur Erfassung ökonomischen Wissens und Könnens im Projekt „Ökonomische Kompetenzen von Maturandinnen und Maturanden (OEKOMA)“. In: Universität Zürich: Institut für Gymnasial-und Berufspädagogik. Schürkmann, Susanne; Schuhen, Michael (2013): Kompetenzmessung im Bereich financial literacy. In: Zeitschrift für ökonomische Bildung Heft Nr. 1, S. 73–89. Schürz, Martin; Weber, Beat (2005): Finanzielle Allgemeinbildung – ein Lösungsansatz für Probleme im Finanzsektor. In: Kurswechsel 3(2005), S. 55–69. Seeber, Günther; Retzmann, Thomas; Remmele, Bernd; Jongebloed, Hans-Carl (2012): Bildungsstandards der ökonomischen Allgemeinbildung. In: Kompetenzmodell – Aufgaben – Handlungsempfehlungen. Schwalbach/Ts. Sellers, Danel (2015): Financial Literacy in Ireland, England and Scotland. A Comparative Analysis of Policy, Practice, Access, and Engagement. Online verfügbar unter www.die-bonn.de/doks/ 2015-grundbildung-01.pdf, zuletzt geprüft am 4. 8. 2016. Silgoner, Maria; Greimel-Fuhrmann, B.; Weber, R. (2015): Financial literacy gaps of the Austrian population. In: Monetary Policy & the Economy Q 2, S. 35–51. Sireci, Stephen G.; Thissen, David; Wainer, Howard (1991): On the reliability of testlet-based tests. In: Journal of Educational Measurement 28(3), S. 237–247. Sommerfeldt, Nando (2014): Die Jugend startet naiv in die Arbeitswelt. In: Die Welt, 2014. Sonntag, Karlheinz (2007): Kompetenzmodelle im Human Resource (HR-) Management. In: Arbeitsleben, S. 264–279. Stigler, George J. (1970): The case, if any, for economic literacy. In: The Journal of Economic Education 1(2), S. 77–85. Strobl, Carolin (2012): Das Rasch-Modell: Eine verständliche Einführung für Studium und Praxis: Rainer Hampp Verlag. Tang, Thomas Li-Ping (1995): The development of a short money ethic scale: Attitudes toward money and pay satisfaction revisited. In: Personality and individual Differences 19(6), S. 809–816. Tippelt, Rudolf (Hg.) (2010): Handbuch Bildungsforschung. 3. Aufl. Wiesbaden: VS, Verl. für Sozialwiss. Tramm, Tade; Seeber, Susan (2006): Überlegungen und Analysen zur Spezifität kaufmännischer Kompetenz. In: Berufs- und wirtschaftspädagogische Grundlagenforschung. Lehr-LernProzesse und Kompetenzdiagnostik, S. 273–288. Ullman, Jodie B.; Bentler, Peter M. (2003): Structural equation modeling: Wiley Online Library. UNESCO (1962): Statement of the International Committee of Experts on Literacy. UNESCO (2005): Institute for Education: UIE Nexus, 5. (1). van Rooij, Maarten; Lusardi, Annamaria; Alessie, Rob (2011): Financial literacy and Stock market participation. In: Journal of Financial Economics 101(2), S. 449–472.

Literaturverzeichnis

179

NRW, Verbraucherzentrale (2014): Bankgeschäfte mit Minderjährigen: Eltern müssen meistens zustimmen. Online verfügbar unter http://www.verbraucherzentrale-sachsen.de/ Gesundheit+Pflege/bankgeschaefte-minderjaehrig. Vitt, Lois A.; Anderson, Carl (2001): Personal finance and the rush to competence: Financial literacy education in the US: A national field study commissioned and supported by the Fannie Mae Foundation: ISFS, Institute for Socio-Financial Studies. Wainer, Howard; Bradlow, Eric T.; Wang, Xiaohui (2007): Testlet response theory and its applications: Cambridge University Press. Wang, Jichuan; Wang, Xiaoqian (2010): Structural equation modeling: Applications using Mplus: John Wiley & Sons. Weiber, R.; Mühlhaus, D. (2010): Strukturgleichungsmodellierung [Structural equation modeling]: Berlin: Springer. Weinert, Franz E. (1999): Concepts of competence: Citeseer. Weinert, Franz Emanuel (2001): Vergleichende Leistungsmessung in Schulen – eine umstrittene Selbstverständlichkeit. In: Leistungsmessungen in Schulen: Beltz, S. 17–32. Weiss, David J.; Yoes, Michael E. (1991): “Item response theory.” Advances in educational and psychological testing: Theory and applications. Springer Netherlands, S. 69–95. Winkelmann, Henrik; Robitzsch, Alexander; Stanat, Petra; Köller, Olaf (2012): Mathematische Kompetenzen in der Grundschule. In: Diagnostica. Winther, Esther (2010): Kompetenzmessung in der beruflichen Bildung: W. Bertelsmann Verlag. Winther, Esther; Achtenhagen, Frank (2009): Measurement of vocational competencies – a contribution to an international large-scale assessment on vocational education and training. In: Empirical Research in Vocational Education and Training 1(1), S. 85–102. Wright, Benjamin D.; Stone, Mark (1999): Measurement essentials. In: Wilmington. Wide Range Inc, S. 221. Wright, Benjamin D.; Stone, Mark H. (1979): Best Test Design. Rasch Measurement. Yamauchi, Kent T.; Templer, Donald J. (1982): The development of a money attitude scale. In: journal of Personality Assessment 46(5), S. 522–528. Zinnbauer, Markus; Eberl, Markus (2004): Die Überprüfung von Spezifikation und Güte von Strukturgleichungsmodellen: Verfahren und Anwendung: Inst. für Organisation, EFOplan.

Register Basiskompetenz 6, 13, 18–19, 22, 31, 33, 121, 150 Basiskompetenzstufe 119, 121, 137, 151 Bildung 3, 5 FILS VII, IX, XIV, 3–4, 12, 18, 21, 38, 41, 43–44, 47–52, 55–61, 63, 66, 71–74, 78–80, 84, 87, 89, 91–92, 96–107, 109–111, 113–115, 117, 121–122, 137, 140, 145–146, 153–163, 165–169 financial literacy VII, IX, XIII, 1–15, 17–45, 47– 50, 52, 55–60, 63, 71–72, 74, 78, 80, 87, 90–92, 97, 99–106, 109, 111, 113, 135, 145–147, 152–156, 160–161, 164, 166–169 finanzielle (Allgemein-)Bildung 8–9, 20, 30, 36–37 finanzielle Bildung VII, XIII, 24, 29, 36, 42, 46–47, 111 Finanzkompetenz 2, 9–11, 13, 20, 24, 29–31, 33, 35, 37, 39, 87, 99, 101, 103–104, 155– 156 formeller Lernprozess 4, 43 Geldpolitik VII–IX, 37, 41, 45, 48–49, 55–56, 58, 60–61, 72, 78–80, 84, 86–87, 97, 100–103, 135–139, 145–148, 150, 152, 154, 157–158, 160, 162–168 Handlungskompetenz 8 informeller Lernprozess 4, 12, 24, 43, 121, 135, 139, 142 Inhaltsbereich 86 Kernkompetenz 6 Kompetenz IX, XIII, 2–4, 8, 12–15, 17, 20, 22– 23, 26, 28, 38, 40–41, 44–45, 53, 58, 61– 72, 74, 78, 87, 90–91, 102–105, 109, 113, 117–118, 120–122, 124, 126, 128–130, 133–134, 138–139, 145–146, 150–151, 153– 155, 158–160, 163–168 Kompetenzlevel 18–19 Kompetenzmessung XIII, 18, 20, 23, 25, 62– 66, 74, 77–78, 90, 103, 133 Kompetenzmodell VII, 40, 61–62, 64, 66–67, 70–71, 73–74, 78, 89, 106, 113

https://doi.org/10.1515/9783110555622-007

Kompetenzmodellierung VII, 62 Kompetenzniveau 1, 40, 119 Kompetenzniveaustufe 117, 128, 145 Kompetenzstufe VII, IX, 17, 115, 117–121, 123– 125, 128–129, 132–134, 137–139, 143–144, 146, 152–153, 156–157, 159, 166 Kompetenztest VII, 29, 43, 62, 69–70, 75, 89, 106 ökonomische Allgemeinbildung 8–9 ökonomische Bildung 21, 34–36, 67, 155, 160– 162 Online-Service-Angebot VII–IX, 56–57, 72, 86, 100–103, 113, 140–146, 150–152, 159, 162, 164–167 PISA 3, 5, 12–16, 18–21, 38–43, 63–65, 117, 168 Schulden VII–IX, 6, 12, 18, 30, 35–36, 41–42, 45, 47–53, 58, 60–61, 72, 78–83, 86–87, 97, 100–103, 113–123, 140, 145–148, 150– 154, 157–168 Steuer VII–IX, 20, 43, 47–49, 53–54, 58, 60– 61, 72, 78–80, 84, 86–87, 97, 100–103, 113, 125, 127–129, 140, 145–148, 150–154, 156–157, 159–163, 165–168 Strukturgleichungsmodell VII, IX, 87, 89–93, 95–104, 109, 113, 145 Strukturgleichungsmodellierung 4, 80, 89–90, 96, 168 Vermögensbildung VII–IX, 48–49, 52–53, 58, 60, 72, 78–80, 83–84, 86–87, 97, 100– 103, 113, 121–125, 140, 145–148, 150–154, 157, 159, 164–169 Versichern VII–IX, 36, 46, 48–49, 53, 58, 60– 61, 72, 78–80, 84, 86–87, 97, 100–103, 113, 125, 127–129, 140, 145–148, 150–154, 156–157, 159–163, 165–168 Zahlungsverkehr VII–IX, 48–49, 54–55, 58, 60–61, 72, 78–80, 84–87, 97, 100–103, 113, 130–135, 140, 145–148, 150–154, 157, 159–163, 165