152 94 21MB
German Pages 453 [456] Year 1828
A u s w a h l medicinisch - gerichtlicher
G u t a c h t e n d e r
K ü u i g l . wissenschaftlichen Deputation für das Medicinalwesen, mit
G e n e h m i g u n g
Eines hohen Ministerii der GeistlichenUnterrichts- und MedicinalAngelegenheiten herausgegeben von
Dr.
Fr.
K l
Ktinigt. Geheimen Medicinal - Rathe
u g,
und Professor,
Her K ö n i g ! , w i s s e n s c h a l t l i c h e n D e p u t a t i o n wesen,
Mitdireclor
Coramission,
der
Konigl.
mehrerer
für
d«>
Ober - Examinations-
gelehrten
Gesellschaften
Mitgliede.
E r s t e r
B
e
r
l
i
G e d r u c k t bei
n
Band.
,
und
Director Medicinal-
1 8 2 8 .
v e r l e g t
G . I i e i in e r .
Vorwort des Herausgebers.
w ie allen Erfahrungswissenschaften durch Aufstellung aus dem Leben entnommener Beispiele vorzüglich genützt wird, so ist dieses auch der Fall mit der Medicin, besonders der gerichtlichen, welche eine nur auf Anschauung und Erfahrung gegründete, alles , was hypothetisch ist, verbannende Doctrin im strengsten Sinne ist. Mittheilungen medicinisch - gerichtlicher Verhandlungen haben in dieser Hinsicht, schon als treue Darstellungen von Ereignissen im Fache der betreffenden Lehre, ihren unleugbaren und bleibenden Werth, welcher einestheils
IV
durch das Interesse und die Belehrung, welche an sich ein Fall vorzugsweise g e w ä h r t , anderntheils durch eine fleifsige und ausführliche Begutachtung desselben erhöhet wird. S a m m l u n g e n solcher Fälle sind verschiedentlich, vorzüglich in f r ü h e r e n Zeiten, veranstaltet, doch auch aufserdem nicht wenige O r i m i n a l - Berichte und Gutachten in periodischen, entweder ausschliefslich der chen Medicin, oder der
gerichtli-
Criminalrechtslehre
gewidmeten, oder allgemein ärztlichen Schriften bekannt gemacht worden, und
dürfte es
daher wohl s c h e i n e n , als wären dergleichen n u n m e h r in hinreichender Anzahl im Druck erschienen, zumal die Verschiedenheit der Fälle überhaupt mehrere und
so
grofs
jeder
Art
Schriften
nicht in
leicht
ist ,
jenen
dafs
nicht
Sammlungen
aufgefunden
werden
könnten. W e n n indefs die gerichtliche Medicin, als Wissenschaft betrachtet, in den neueren Zeiten rasch vorgeschritten
ist
und
alljährlich
sich m e h r ausbildet, die Forderungen an Arbeiten in diesem Fach
in eben
dem Maafse
steigen und eine gröfsere Ausführlichkeit und Vollständigkeit derselben hierdurch
nothwen-
V
dig herbeigeführt wird, wenn aufserdem kein Fall genau dem andern gleich ist, vielmehr, bedingt durch die unendliche Verschiedenheit der einwirkenden Umstände, wie der betroffenen Organismen, ein jeder sich anders gestaltet, jeder auch einer mehrseitigen Betrachtung und Begutachtung fähig ist, so werden Sammlungen der erwähnten A r t , und sollten auch neue und unerhörte Fälle darin nicht beleuchtet werden können, dennoch so wenig des Interesse als der Belehrung entbehren und die Zahl der unnützen Bücher keineswegs vermehren. Hiervon überzeugt, hatte ich bereits vor sechs Jahren den Entschluls gefafst, eine Sammlung der von der Königl. wissenschaftlichen Deputation für das Medicinalwesen verfafsten Gutachten herauszugeben, auch die Genehmigung Eines hohen vorgesetzten Ministerii hierzu nachgesucht und erhalten. Ich habe aber lange mit der Ausführung gezögert, hauptsächlich, weil mir die Mufse mangelte, mich dem sehr mühsamen und Zeit raubenden Geschäfte, unter der vorhandenen nicht geringen Anzahl der Gutachten eine zweckmäfsige Auswahl zu treffen, hin zu ge-
VI
ben, theils auch, weil es an einem besondern Antriebe
unter
sonst
wenig
begünstigenden
Umständen fehlte. Dieser Antrieb ist inde£s neuerdings dadurch gegeben w o r d e n ,
dafs der Deputation
selbst an der Bekanntwerdung des von ihr erstatteten Gutachtens, lung das erste i s t , stände erlaubten
welches in der S a m m gelegen
war.
Die
Um-
die Hinzufügung von noch
mehreren Gutachten, wodurch die gegenwärtige S a m m l u n g entstanden i s t , von der
ich
nur w ü n s c h e , dafs sie den ihr gegebenen Titel einer „ A u s w a h l " vollständig und überall rechtfertigen möge. Es dürfte hier am passenden
Orte sein,
in der Kürze das Verfahren anzugeben, w e l ches
die
Deputation
in
den
verschiedenen
Zeiträumen seit ihrer Entstehung bei Abfassung ihrer Gutachten, namentlich der Criminal-Gutachten, befolgt hat. Seitdem dieselbe i m Jahre 1810 in
der
Medicinal - Abtheilung des damaligen Departements der allgemeinen
Polizei eingerichtet
worden ist, um einen Theil der bis dahin von dem Ober - Collegio medico et sanitatis
ver-
walteten Geschäfte zu übernehmen, sind auch
die von den Gerichtshöfen in Fällen, wo die von den Médicinal - Collégien der Provinzen erstatteten ihnen nicht genügten, verlangten Gutachten in Criminal- und andern Angelegenheiten im Auftrage des gedachten Departements und nachher Eines hohen Ministerii der Geistlichen- Unterrichts- und MedicinalAngelegenheiten, wie früher von dem OberCollegio medico, so von der Deputation ertheilt vrorden. Letztere behielt hierbei anfänglich noch das bisher üblich gewesene Verfahren des Votirens bei, indem nach den Votis der einzelnen Mitglieder nach einer gewissen Reihefolge von e i n e m Mitgliede das Gutachten ausgearbeitet, dann vorgetragen und von sämmtlichen Mitgliedern unterschrieben wurde. Aber noch in dem nemlichen Jahre wurde hierin eine Aenderung getroffen, und zwar dahin, dafs der Director der Deputation zur Ausarbeitung solcher Gutachten i m m e r zwei Mitglieder, den einen zum Referenten, den andern zum Correferenten ernannte, und w a r es vornemlich die Pflicht des ersteren, das Gutachten auszuarbeiten. Der Correferent durfte sich begnügen, dem Gutachten des Referenten bei-
VIII
zutreten und dieses durch seine Mitunterschrift zu erkennen zu geben. Von dieser Erlaubnis machten die Mitglieder jedoch nur selten Gebrauch und es unterschieden sich die Correlationen von den Relationen mehrentheils nur dadurch, dafs ersteren die ausführliche Geschichtserzählung nicht, wie den letzteren vorangeschickt war. Die Arbeit des Correferenten konnte daher nicht allein zur Vervollständigung der Relation, sondern auch in geeigneten Fällen für sich als Gutachten benutzt werden. Mit dem Anfange des Jahres 1817 wurden, gemäfs der i m Januar dieses Jahres von Einem hohen vorgesetzten Ministerium ertheilten Instruction, jedesmal zwei Referenten ernannt, so dafs jeder derselben ein vollständiges Gutachten auszuarbeiten hatte, welches der erste Referent versiegelt unmittelbar dem Director der Deputation überschickte. Die Akten gelangten hierauf an den zweiten Referenten, welcher sie nebst der von ihm angefertigten zweiten Relation ebenfalls dem Director Behufs des Vortrages beider Relationen aushändigte, deren eine demnächst von den Mitgliedern angenommen und unterschrieben
IX
w u r d e , nachdem die etwa noch für nöthig erachteten Abänderungen waren getroffen und hinzugefügt worden. Das eben beschriebene ist das auch noch in diesem Augenblick geltende Verfahren und ist hierdurch nicht allein eine Ausführlichkeit der Geschichtserzählung, sondern auch eine Vollständigkeit der Beurtheilung, wie sie sonst nicht leicht zu erlangen gewesen wäre, erreicht worden. Dafs auch die Ausarbeitung einer species facti ihren grofsen Werth hat, und nicht etwa, wie hin und wieder wohl geäufsert v,-orden, eine vergebliche und überflüfsige Mühe ist, hiervon ist Jeder, welcher die Bearbeitung von Criminal-Gutachten je selbst übernommen h a t , ohnehin überzeugt. Aber es unterliegt auch keinem Zweifel, dafs eigentlich die A r t , wie die species facti niedergeschrieben worden, uns den Gang der Ideen bezeichnet, welcher den Verfasser des Gutachtens geleitet h a t , die Punkte angiebt, auf welche er bei der Beurtheilung einen besondern W e r t h gelegt und worauf der erkennende' Richter nur zurückzugehen hat, wenn er Zweifel erledigt oder andere Funkte in ein helleres Licht gestellt wissen will, ja,
X
dafs selbst eine sorgfältige Ausarbeitung jener species facti Gewähr leistet dafür, dafs auch der Gegenstand gehörig erwogen worden ist. Aus
dem
Zeiträume
nach
1816 rühren denn auch fast
dem
Jahre
sämmtliche in
gegenwärtige Sammlung aufgenommene Gutachten her, indem sowohl in dieser längeren Zeit die meisten, als auch, zufolge des eben beschriebenen Verfahrens, die ausführlicheren Gutachten erstattet worden sind. Schliefslich bemerke ich, dafs, wie überall, wo collegialische Verhältnisse
herrschen,
so auch in der Deputation bei den Berathungen
abweichende
Meinungen
geglichen und vereinigt
entweder aus-
werden, oder
nach
Mehrheit der Stimmen der Beschlufs gefafst wird, welchen die Deputation als solche vertritt.
Die Deputation hat es sich aber in Cri-
minalsachen vorzüglich zum Gesetz gemacht, da, wo ihr Gewifsheit nicht einleuchtet, ihr Urtheil
zweifelhaft
zu
stellen
und
Wahr-
scheinlichkeit nach ihren verschiedenen Graden jederzeit da gelten zu lassen, wo das Factum nicht streng zu beweisen war. W a s die Gestalt betrifft, unter
welcher
ich die Gutachten der Oeffentlichkeit
iiberge-
XI
ben habe, so ist denselben,
mit
Ausnahme
einiger Abkürzungen und unwesentlicher Aenderungen überall
die ursprüngliche
Fassung
geblieben. Alle Andeutungen auf Personen- und Ortsverhältnisse sind, um nirgend Anstofs zu geben, von mir sorgfaltig vermieden, auch die Verfasser der Gutachten nicht genannt worden. Ich bin bemüht gewesen, vorzüglich solche Gutachten auszuheben,
die von
irgend
einem besondern Interesse entweder in Hinsicht ihres Inhalts oder der A r t der Bearbeitung waren. ist i m m e r
Die Z a h l der frappanten Falle nur gering
und
im
Verhältnifs
•wenige waren nach Inhalt und Bearbeitung in gleichem M a a f s j zur öffentlichen Bekanntmachung geeignet. In Betreff der bearbeiteten
Gegenstände
habe ich möglichst f ü r Abwechselung gesorgt, doch hat in dieser Beziehung mein Bestreben nicht so
vollkommen
manche an sich
gelingen
sehr wichtige
können,
da
Gegenstände
selten, andere dagegen, z. B. die zweifelhaften Todesarten neugeborner Kinder, unverhältnifsm ä f s i g oft bei den Criminalgerichtshöfen zur Sprache kommen.
XII
Sollte meinem Unternehmen eine günstige Aufnahme zu Theil werden, so dürfte mich solches zur Fortsetzung dieser Sammlungen bestimmen, und werde ich dann eine sorgfältige und zweckmässige Auswahl mir immer mehr angelegen sein lassen. Berlin, im November 1828.
Dr, Fr. Klug.
I n h a l t .
I. G u t a c h t l i c h e A e u f s e r u n g ü b e r eine von dem P r o f e s s o r Heinroth zu L e i p z i g herausgpgebene Schrift: „ U e b e r das falsche ä r z t l i c h e V e r f a h r e n bei c r i m i „ n a l - gerichtlichen Untersuchungen zweifelhafter „Gemiithszustände." Seite 1 II. Gutachten ü b e r den G e m ü t h s z u s t a n d e i n e s wegen Veruntreuung im D i e n s t zur U n t e r s u c h u n g g e z o g e nen B e a m t e n —
67
IIL Gutachten ü b e r den G e m ü t h s z u s t a n d und die rechnungsfähi^lteit e i n e r j u n g e n B r a n d s t i f t e r i n , bei die F r a g e aufgeworfen w o r d e n : ob u n d in weit, besonders b e i dem M a n g e l aller nufseren tive zur T h a l , bei der I n c u l p a t i n n ein s o l c h e r perlicher o d e r S e e l e n z u s t a n d a n z u n e h m e n s e i , ihre Z u r e c h n n n g s f ä h i g k e i t in casu c o n c r e t o oder zum T h e i l a u s s c h l i e f s t
85
Ztiwowie Mokörder ganz —
IV. Gutachten ü b e r den G e m ü t h s z u s t a n d des E i g e n k ä t h ner M . W . , als e r den I a n d r e u t e r G . e r s c h l a g c n hatte, u n d B e a n t w o r t u n g der F r a g e : o b es w a h r scheinlich s e i , dafs Inrjuisit zur Z e i t der x e r ü b t e n Tliat n i c h t i m n o r m a l e n G e m i i t h s z u s t ä n d e sich befunden h a b e , u n d e r a l s o n i c h t im S t a n d e gewesen sei, m i t F r e i h e i t und U e b e r l e g u n g zu h a n d e l n . — 109 V.
Gutachten ü b e r den G e m ü t h s z u s t a n d e i n e r F r a u , welche i h r e beiden K i n d e r , das eine t ö d t l i c h , v e r wundet h a l t e —
147
V I . Gutachten ü b e r die U r s a c h e n und die T ö d t l i c h k e i t verschiedener in e i n e m r ü c k s i c h l l i c h S i a i t g e f u n d e ner T ö d t u n g zweifelhaften F a l l e v o r g e f u n d e n e r V e r letzungen —
177
xir Vif.
Gutachten letzung.
—
über die Tödtlichkeit
einer
KopfverSeite 195
VIII. Gutachten darüber, ob in dem erzähllen Falle a m dem Leichenbefund« auf eine siatt gefundene Vergiftung zu schlielsen. . . . , . —
209
I X . Gutachten über das Alter und die Todesart einer heimlich gebornen F r u c h t , wobei die Frage aufgestellt worden: Ob mit Gewifsheit anzunehmen sei, dafs das Kind, von dem die unverehelichte B. zu S . in der Nacht vom 23sten zum 24sten März 1819 niedergekommen ist, eine F r u c h t von mehr als 3 0 W o c h e n gewesen sei, und in der Geburt gelebt habe. — 221 X . Gutachten über Vollständigkeit, Leben nach der G e burt und Ursache des Todes eines neugebornen Kindes — 243 X I . Gutachten über die Lebensfähigkeit, das statt gefundene Leben und die Ursache des Todes des von der unverehelichten G . H. zur W e l t gebrachten Kindes. — 275 X I I . Gutachten d a r ü b e r : „ O b das von der P . W . i n S t . heimlich geborne K i n d noch während der G e b u r t gelebt h a b e ? " — 313 X I I I . Gutachten über die Todesart eines neugebornen Kindes.
335
X I V . Gutachten über das bei der Geburt statt gefundene Leben eines heimlich gebornen Kindes. . . — 359 XV.
Gutachten über die Todesart eines neugebornen Kindes, und die Entstehung der am Halse vorgefundenen Verletzungen. . . . . . — 3/3
X V I . Gutachten über die Todesart eines neugebornen Kindes und die Tödtlichkeit der vorgefundeuen Verletzungen.
I.
Gutacht-
I.
Gutachtliche
Aeufserung
über ein« von dem P r o f e s s o r Ii einrot h zu Leipzig herausgegebene Schrift: , Ueber das falsche ärztliche Verfahren bei ,criminal-gerichtlichen Untersuchungen zweif e l h a f t e r Gemüthszustände."
Hing Gutachten.
1
A ^ o n E i n e m hohen Ministerin in der Geistlichen- Unterrichts- und Medicinal-Angelegenheiten ist der u n terzeichneten
wissenschaftlichen Deputation f ü r das
Medicinalwesen unterm 31slen J a n u a r d. J . befohlen worden,
eine
von
dein
Professor
Leipzig verfafsle, aus H i t z i g ' s Criininal-Kechtspflege
in
den
Heinroth
zu
Zeitschrift f ü r die
Preufs.
Staaten
etc.
.lahrgaug 1828. Bd. I. S. 95 f. besonders abgedruckte, mit einem Vorworte des Herausgebers versehene und von demselben mittelst eines Schreibens vom lsten Jan. d. J . bei Einem hohen vorgesetzten Ministerium eingereichte Schrift: ,,Ueber das falsche ärztliche Verfahren bei criminal-gericbtlichen
Untersuchungen zweifelhaf-
ter Gemiithszustände" welche bei der neuen R e d a c tion der gegenwärtig im §.18. T h . II. Tit. 20. A . L . R . und im
230. der Criin. Ordn.
enthaltenen
Vor-
schriften in Betracht kommen k ö n n t e , gründlich
zu
beurtheilen und sich gutachtlich darüber zu äufsern. — Diesem Auftrage hat die unterzeichnete Deputation nach
reiflicher E r w ä g u n g
des Inhalts besagter 1 *
4 Schrift u u d nach
den
E r g e b n i s s e n der
medicinischen
E r f a h r u n g im F o l g e n d e n zu geniigen g e s u c h t . Der Professor
Hein rot h
z w e i A b s c h n i t t e gelheilt. antwortung
mehrerer
von
hat
seine Schrift in
In d e m ersten ist die ihm
Be-
aufgestellten F r a g e n
e n t h a l t e n , wodurch er die „ K r i t e r i e n f ü r die P r ü f u n g und die R e s u l t a t e psychisch-ärztlicher G u t a c h t e n ü b e r haupt"
festzustellen
gesucht
hat;
findet sich eine Beurlheilting v o n
in d e m drei
in
zweiten
Hitzig'»
Zeitschrift f ü r die Cri/ninal-Ilechtspflege a b g e d r u c k t e n Gutachten. B e v o r aber die u n t e r z e i c h n e t e D e p u t a t i o n u r l h e i l u n g des ersten
und
hauptsächlich
kommenden Abschnitts übersehet, üigen W o r t e n den S t a n d p u n k t zu m ü s s e n ,
in
Betracht
glaubt sie m i t ei
überhaupt
bezeichnen
v o n w e l c h e m II e i n r o t Ii d e n
s t e h e n d e n Gegenstand
eurße-
in R e d e
betrachtet.
Das P r i n c i p des menschlichen L e b e n s , sagt er, ist die V e r a u n f t, so w i e das M a t e r i e l l e n u r die Basis ist. — D e r I n h a l t der V e r n u u f t aber ist das
Gebot
der H e i l i g k e i t . — D u r c h den Besitz der V e r n u n f t ist der M e n s c h f r e i d . h . zur S e l b s t b e s t i m m u n g fähig. — Der
Mensch kann
a b e r eben d e s h a l b , weil e r f r e i
ist, n i c h t g e z w u n g e n w e r d e n , w e n n er nicht selbst in den Z w a n g einwilligt.
Diese m o r a l i s c h e
Freiheit
des Menschen w i r d aber gestört durch seinen H a n g z u m Bösen.
D a d u r c h , dafs er sich diesem hingiebt,
wird
e r u n f r e i , m i t h i n w i r d nie die Unschuld w a h n s i n n i g , sondern nur die Schuld.
Der
Verlust der V e r n u n f t
und F r e i h e i t ist d e s h a l b nicht das E r z e u g n i f s k ö r p e r licher K r a n k h e i l s z u s t a n d e ,
sondern nur der
Hinge-
5 bang cum Böten und die Seele kann daher eben
se
gut und zwar nur moralisch erkranken, als der L t i b es kann. In diesen Sätzen sind die Grundleiiren der H e i n r o t h ' s c l i e n Theorie enthalten steht nur in Folgerungen
und alles übrige
be-
aus diesen Prämissen.
—
Allein gerade in d i e s e n P r ä i n i s s e n l i e g t a u c h d a s FalschederganzenLehre.
Wenn nämlichHein-
r o t l i 1 ) behauptet, das Princip des menschlichen L e bens sei die Vernunft, so wie das Materielle nur die Basis sei, so ist dies in solern richtig, als die V e r nunft
dasjenige
menschliche
ist,
durch
dessen
Besitz sich da*
Leben vor jedem anderen
auszeichnet.
W e n n er ferner 2 ) behauptet, der Inhalt der V e r nunft sei das Gebot der Heiligkeit, so ist dies, wenn auch nicht unrichtig, doch einseitig; denn der Inhalt der Vernunft, um H e i n r o t h s W o r t e zu gebrauchen, ist nicht blos die Idee des Gulen und Rechten , sondern
es
sind dieses
ebensowohl auch
die anderen
höchsten Ideen, des W a h r e n , Schönen u. s. w., w e l che der Mensch, vermöge seiuer Anlagen in sich zu entwickeln fällig ist.
Diese Einseitigkeit ist aber hier
nicht ohne Folgen, indem H e i n r o t h damit übereinstimmend
die
Unheiligkeit
als das der
Vernuuft
gradezu Entgegengesetzte und dieselbe Aufhebende betrachtet. — W e n n er ferner 3 ) behauptet, durch den Besitz der Vernunft sei der Mensch frei, d. h.
zur
Selbstbestimmung fähig, so ist dieses allerdings richt i g , insofern der Mensch beim Mangel der Vernunft unfrei i s t , sich nicht nach derselben zu vermag,
bestimmen
da sie überhaupt nicht vorhanden ist.
AI-
lein es ist nicht so zu verstehen, als bestände menschliche
Freiheit
eben
in
die
der Vernunft selbst,
vielmehr ist die Freiheit das Vermögen s i c h s e l b s t f r e i z u b e s t i m m e n , entweder n a c h der V e r n u n f t oder auch n i c h t
n a c h der Vernunft, und ist dieses
um deswillen hier zu bemerken, weil
Heinroth,
oft wenig g e n a u , Vernunft, Freiheit, Heiligkeit, Seeligkeit als
gleichbedeutende Begriffe gebraucht
— W e n n er aber sagt:
hat.
der Mensch kann eben des-
halb, weil er frei ist, nicht gezwungen werden, w e n n er nicht selbst in den Zwang einwilligt, — so ilndet dies natürlich n u r auf den noch mit Vernunft begabten Menschen seine Anwendung, nicht aber auf den u n freien. W e n n ferner 4) behauptet w i r d : die moralische Freiheit w ü r d e gestört durch seinen Hang zum B ö s e n ; d a d u r c h , dals er sich diesem hingäbe, würde er u n frei , 60 ist eben diefs der falsche Satz, um den sich alles drehet und aus welchem alle die anderen falschen Folgerungen hergeleitet sind.
Denn die mensch-
liche Freiheit ist ja eben das Vermögen sicli frei zu bestimmen,
den Geboten der
oder ihnen nicht zu folgen.
Vernunft zu
folgen,
Folgt der Mensch
selben, so wird er ein tugendhafter, folgt er nicht, so wird er ein lasterhafter werden.
denihnen
Das sind
die unmittelbaren und nolhwendigen Folgen und es können daher aus einer Nichtbeachtung der V e r n u n f t gebote zunächst immer nur moralische chen hervorgehen.
Wenn
Geistesgebre-
aber auch — was freilich
in der Regel durchaus nicht der Fall ist — als entferntere und mittelbare
Folgen
Geisteskrankheiten
durch den Hang zum Bösen sollten
hervorgebracht
w e r d e n kÖDDeii, so erscheint dieser H a n g doch i m m e r nur Als die e n t f e r n t e U r s n c h e der S e e l e n s l ö r u n g , su dafs z w i s c h e n beiden k e i n n o l h w e n d i g e r
und
un-
mittelbarer Z u s a i n m e n l i a n g S t a t t findet, und über d a s W e s e n , die s o g e n a n n t e nächste Ursache der krankheiten
Geistes-
d. 1). über die Natur des dabei im M e n -
schen S t a t t findenden k r a n k h a f t e n Z u s t a n d e s , ob d e r selbe m e h r iin Geistigen oder K ö r p e r l i c h e n begründet ist, durchaus kein A u f s c h l u ß g e w o n n e n
wird.
E s erscheint aber auch die A n n a h m e als in sich ungereimt, dafs der Mensch dadurch, dafs er der V e r nunft nicht F o l g e l e i s t e t ,
diese vernichten
selbst derselben berauben k ö n n e ,
sich
und
da i h m doch
eben
die Freiheit gegeben ist, sich nach derselben zu richten oder nicht zu richten.
Wie
soll d e r SIensch e i -
nen Tlieil seiner eigenen S e e l e t ö d l e n , a n sich selbst z u m theilweisen psychischen Mörder w e r d e n k ö n n e n ? W i e ist eine solche A n n a h m e
mit den L e h r e n einer
gelhulerten P s y c h o l o g i e nur irgend vereinbar u n d welchen , wirklich heillosen Folgerungen
würde
selbe f ü h r e n , w e n n s i e w e i t e r verfolgt w ü r d e ?
zu die-
—
Aber auch von der S e i t e der E r f a h r u n g betrachtet zeigt sich, w i e unten naher nachgewiesen w e r d e n wird, j e n e B e h a u p t u n g als völlig unrichtig, indem der H a n g z u m B ö s e n k a u m einmal
als entfernte occasio-
nelle Ursache der S e e l e n s t ö r u n g e n in Betracht k ö m m t , geschweige
denn
als ihre nächste
und
unmittelbare
U r s a c h e , w o r a u s die Natur derselben hergeleitet w e r den könnte.
Und w i e dieser S a t z sich a l s
scher zeigt, so sind e s deun natürlich a u s abgezogenen Folgerungen
„dafs
ein
fal-
a u c h die
dar-
n i e m a l s die U u -
—
8
tchnld wahnsinnig w ü r d e ,
—
sondern nur die S c h u l d ;
dafs der Verlust der Vernuofl und Freiheit nicht das Erzeugnifs körperlicher Krankheilszustände s e i , dafs die
Seele eben so gut (moralisch)
und
erkranken
k ö n n e , als der Leib es k a n n . " — Auf diese allgemeine Auseinandersetzung lassen w i r nun die Untersuchung der einzelnen Fragen folgen, w e l c h e H e i n r o t h in seiner Schrift aufgeworfen hat.
Von diesen
ist aber die e r s t e folgende: „ K ö n n e n die sogenannten G e m ü l h s - oder Geisteskrankheilen (Seelenstörungen) von
den
Aerzten
als
organische Uebel ihrem
Ur-
sprünge, Sitze und W e s e n nach dargethan w e r d e n ? " ( S . 10 der oben gen. S c h r i f t . ) Die M e d i a n ,
sagt H e i n r o t h ,
habe nur vier
Quellen, aus denen sie die organische Natur der S e e lenstörungen ableiten könne, nämlich die Anatomie, P h y siologie, Fathologie und Therapie. — Von diesen zeige uns die A n a t o m i e und z w a r die p a t h o l o g i s c h e allerdings mannigfache k r a n k h a f t e Veränderungen und Destructionen in allen Tlieilen des Organismus, w e l che aber nicht als die Ursachen der
Seelenstörungen
betrachtet werden könnten, sondern vor deren E n t s t e hen thälig
schon eine zerstörende und umbildende K r a f t gewesen
sein
müsse,
welche zugleich
Grund der Krankheilserscheinungen
iin Gebiete
den der
Vorslellkraft enthalte. — W a s zerstört und k r a n k haft umgebildet s e i , sei aus dem Kreise der gesunden oder krankhaften organischen Thntigkeiten getreten und so könne uns denu keine Ausartung des Gehirns oder seiner Umgebungen f ü r eine gleichsam sichtbare Ursache der Seelenslörungen gelten.
—
9
—
Allerdings erhalten w i r durch die pathologische Anatomie allein keinen befriedigenden Aufschluß über die nächste Ursache der Seelenstörungen , über den ihnen unmittelbar zum Grunde liegenden krankhaften Zustand des Seelenorgans, allein in manchen Fällen giebt sie uns doch einiges Licht und weiset uns wenigstens die entfernteren Ursachen nach, die wahr* scheinlich der Seelenstörung zum Grunde gelegen h a ben, und weon auch nicht behauptet werden kann, dafs die nach dem Tode gefundenen krankhaften V e r änderungen und Destructionen in allen Theilen des Organismus grade in der aufgefundenen Beschaffenheit, Ursachen der im Leben Statt gefundenen Krankheiten gewesen sind, so ist es doch sehr wohl möglich und selbst wahrscheinlich, dafs der im O r g a n i s c h e n w u r zelnde Krankheitsprozefs, der die aufgefundenen Mifsbildungen hervorgebracht h a t , auch auf die Statt g e fundene Seelenstörung einen Einflufs behauptet und eine o r g a n i s c h e A n I n g e zu derselben begründet habe. Die Häufigkeit des Vorkommens organischer Fehler, besonders des Gehirns und seiner Umgebungen bei Geisteskranken, scheint auf einen hier Statt findenden ursachlichen Zusammenhang hinzuweisen. Warum fände man sonst so häufig Abflachungen des Schädels, Unregelinäfsigkeit der Durchmesser der Schädelhüle bei Blödsinnigen? W a r u m so oft ungewöhnliche Dicke und Starke der Hirnschale, Entartungen der Hirnhäute von mannigfacher Art, Wasseransammlungen zwischen den Hirnhäuten, zwischen ihnen und dem Gehirn, iin Gehirn selbst? W a r u m die speciflsche Schwere des Gehirns verrück ter Personen oft verschieden
10
—
von seiner S c h w e r e im gesunden Z u s t a n d e ?
Warum
die Consistenz des Gehirns oft auffallend verändert, die Adergeflechte mifsfarbig, d i c k , g e s c h w o l l e n ,
verhiirtel
und voller W a s s e r b l a s e n ? Die Zirbeldrüse grüfser, k l e i ner als g e w ö h n l i c h , verhärtet und sonst auf v e r s c h i e dene W e i s e entartet? W a r u m so oft Knochenconcremente der h a r t e n Hirnhaut bei Menschen, die nach tobsüchtigen Anfällen, nach vorhergegangenen Erscheinungen von S c h w i n d e l , Schlaflosigkeit, Kopfschmerz u. s. w . vom Schlage getroffen w u r d e n , oder i Ii rem L e h e n durch Selbstmord ein Ende m a c h t e n ? Es ist bekannt, dafs ein Druck auf das entblüfste Gehirn Schläfrig k e i t , ein s t ä r k e r e r , A u f h ö r e n der Besinnung und den Tod hervorbringen kann.
Ergufs des Blutes in das Ge-
hirn m a c h t blutigen Schlagilufs und man kann z u w e i l e n im Gehirn die Spuren früherer Schlaglliisse n a c h w e i s e n . W e g n a h m e grüfserer Massen des grofsen Gehirns macht Unempfindliclikeit und Mangel an aller G e h i r n t h ä l i g k e i t ; E r w e i c h u n g des Gehirns V e r s t a n d e s s c h w ä c h e ,
Ver-
gefslichkeit u. s. w . W e n n man sagt, ein Gehirnleiden oder eine Gelnülhsstürung u. s. w . findet sich z u w e i l e n bei einer k r a n k h a f t e n Beschaffenheit im Gehirne ein, ein anderes Mal Dicht, so zeugt dies oft vou der F l ü c h t i g k e i t der Betrachtung.
W e n n grofse V e r k n ü c h e r u n g e n an
der harten Hirnhaut vorhanden sind und das Indivi duuin, in w e l c h e m sie v o r k o m m e n , lebt innfsig
und
in G e i n ü t h s r u h e ,
so kann es alt w e r d e n ,
erst
nach
erkennt
d e m Tode
man
etwas
und
Fehlerhaftes.
L e b t e es hingegen in G e m ü t s b e w e g u n g e n , iin Mil'sbrauch geistiger
Getränke,
k u r z ist Cougeslion
da,
—
11
—
«];ina w i r k e n jene Verknöcherungen höchst nachtheilig. So ist es auch mit den Ergiefsungen zwischen der A r a rhnoidea und pia inaler, wie man sie bei den melirsten "Wahnsinnigen
findet,
die bei ('ongestionen c?en
W a h n s i n n vielleicht grüfsteutheils unterhalten,
wäh-
rend lichte Z e i t e n ,
Tode
besonders kurz
vor dem
dann eintreten, w e n n keine Congestion, sondern vielleicht gar Collapsus
statt findet.
Daher das W o h l -
thalige des Ausbruchs der K a t a m e n i e n ,
der H ä m o r -
rhoiden u. s. w . W a r u m finden w i r ferner so o f t , nachdem der Eulwicklung von partiellem W a h n s i n n , Melancholie u. s. w. jahrelang die unverkennbarsten einer geslörlen
Verdauung
Symptome
vorher gingen, bei den
endlich nach langen Leiden Verstorbenen, die deutlichsten Metamorphosen von L e b e r , Milz,
Pankreas,
die auffallendsten Verschiebungen und
Verwachsun-
gen der Gedärme untereinander?
soll es e n d -
Wie
lich z u g e h e n , dafs nach mechanischen Verletzungen des Schiidels und Gehirns nicht blofs N e r v e n k r a n k heiten,
Epilepsie u. s. w . ,
sondern auch
Blödsinn,
Raserei e n t s t e h e n , da hier doch die äufsere Gewalt nicht mehr fortdauert, also nicht als gleichzeitige W i r kung
auch
die Seelenstürung hervorzubringen
m a g , sondern
ver-
nur allein die durch diese hervorge-
brachte organische Verletzung als w i r k e n d e Ursache in Betracht k o m m e n k a n n ? In allen diesen Fällen ist nicht entfernt darzut h u n , dafs diese organischen Verletzungen in einem ursächlichen Verhältnisse zu den im Leben statt gefundenen Seelenslüruugen n i c h t gestanden haben k ö n -
— nen; gen
r,» —
das Gegentlieil ist v i e l m e h r , wegen des häufiZusammentreffens beider, sehr
wahrscheinlich,
und die Annahme, dafs die vor dem Entstehen dieser organischen Abnonnilnten ihätig gewesene zerstörende und umbildende Kral't nur nebenher diese und
zu-
gleich und unabhängig davon die Seelenstörung bewirkt habe, bleibt eine, in den meisten Fällen unerweisliche, Hypothese. W ä r e dies aber auch der Fall, so wird ja eben dadurch, dafs diese zerstörende K r a f t im Organischen ihre W i r k u n g e n äufsert, die organische Natur der Geisteskrankheiten erwiesen. Dagegen dürfen w i r aber keinesweges
erwarten
und verlangen, dafs die pathologische Anatomie uns in jedem Falle einen k r a n k h a f t e n Zustand der bilde
nachweise.
Denn
wie
w i r in vielen
Ge-
Fällen
selbst von anerkannt körperlichen Krankheiten keine regelwidrige Beschaffenheit des Materiellen mit u n seren Sinnen e r k e n n e n ,
so können w i r auch nicht
behaupten, dafs hei Individuen,
in deren
Leichnam
sich keine Mifsbildungen auffinden lassen, die vorhergegangene, oft lange dauernde Seelenstörung nicht organischen Ursprunges gewesen sei und eine Behauptung dieser A r t w ü r d e eben so unbegründet s e i n , als w e n n man behaupten w o l l t e , dafs der nervöse Schlagflufs,
das bösartige Nervenfieber, die Hirnerschütte-
rung u . s . w . nicht organisch gewesen seien, weil man, w i e es häufig genug der Fall ist, in den Leichen der an diesen K r a n k h e i t e n Verstorbenen, nicht die m i n deste Spur von organischer Veränderung aufzufinden vermochte.
—
13
—
W e n n H e i n r o t h ferner b e h a u p t e t : stört und k r a n k h a f t
umgebildet
sei,
„ W a s zersei aus
dem
K r e i s e der gesunden oder k r a n k h a f t e n Thäligkeit ge treten und keine A u s a r t u n g des Gehirns oder seiner Umgebungen k ö n n e uns daher f ü r eine gleichsam sichtbare Ursache der Seelenstörungen g e l t e n ; "
— so ist
es e i n l e u c h t e n d , dafs w e n n ein Organ zerstört ist, allerdings w e d e r von einer g e s u n d e n , noch von einer krankhaften Thäligkeit desselben,
sondern
von
gar
k e i n e r m e h r die R e d e sein k a n n ; also bei einein z e r störten Seelenorgan, w e d e r von g e s u n d e r ,
noch
k r a n k e r S e e l e n t h ä t i g k e i t , ja von gar keiner thäligkeil m e h r .
Ist aber ein
von
Lebens-
Organ k r a n k h a f t
um-
gebildet, so ist es eben k r a n k h a f t t b ä t i g , nicht
aber
nnlhatig, welches T o d sein w ü r d e und keine K r a n k heit. Z u m Beweise d i e n e n die häufigen Fälle von B l ö d sinn mit chronischem W a s s e r k o p f , dessen Dasein schon w ä h r e n d des L e b e n s e r k a n u t wird und der viele J a h r e fortdauern k a n n .
H i e r k a n n natürlich nicht
behaup-
tet w e r d e n , dafs das k r a n k e , mit W a s s e r
umgebene
G e h i r n aus d e m
Thäligkeit
herausgetreten sei.
K r e i s e der organischen
E s fuugirt schlecht, k r a n k , blöd-
sinnig, aber es f u n g i r t doch.
I s t dies keine sichtbare
Ursache einer S e e l e n s t ö r u n g ?
A u c h ist niemals
Fall einer gelungenen H e i l u n g dieses Blödsinns gekommen,
bei
Fortdauer
der
der vor-
Wasseransammlung.
Die z w e i t e Quelle, aus w e l c h e r nAch H e i n r o t h die A e r z t e die organische Natur der Seelenstörungen sollen herleiten k ö n n e n , die P h y s i o l o g i e nämlich, hat es allerdings init a b n o r m e n Lebenserscheinungen nicht
— zu t h i m ;
—
14
einige Dala zur Entscheidung
der obigen
Krage aber giebt sie doch an die H a n d ,
durch die
N a c h w e i s u n g der genauen Verbindung z w i s c h e n L e i b und S e e l e in ihrer gesunden Thätigkeit und der nicht geringen A b h ä n g i g k e i t der Letzteren stande des Ersteren.
von dem
Zu-
Die Erfahrung l e h r t , dafs A b -
s t a m m u n g , T e m p e r a m e n t , Organisation, A l t e r u. s. w . einen entschiedenen
Geschlecht,
Einilufs auf die
Beschaffenheit des psychischen C h a r a k t e r s haben.
Es
ist namentlich k e i n e m Z w e i f e l u n t e r w o r f e n , dafs die Verschiedenheit der T e m p e r a m e n t e ihren Grund i m Körperlichen habe und nicht mit Unrecht hat
man
b e h a u p t e t , dafs manches Irresein nur e i n e , über eiu g e w i s s e s Maafs hinausschweifende S t e i g e r u n g des T e m peraments s e i , das Irresein
w o r a u s denn h e r v o r g e h t , dafs aucli
in körperlicher A b w e i c h u n g
begründet
sein könne. — liebrigens ist es s c h w e r begreiflich, w i e biblische sein,
S p r ü c h e z. B.
denn ich
G o t t ! — ferner:
,,lhr
bin heilig, Innerlich
H i m m e l r e i c h . " u. s. w .
sollt
der in
euch
hier e i n e
heilig
Herr, ist
Stelle
euer das finden
konnten, und es ist nicht zu v e r k e n n e n , dafs mit den mannigfach gebrauchten W o r t e n :
, , Gesetz der F r e i -
heit, Heiligkeit, Gebundensein, und Nichtgebundensein durch das Gesetz, eigentlich nur allbekannte und bedingt w a h r e Sachen auf e i n e andre A r t gesagt w o r den sind.
S o heilst es unter a n d e r n :
also durch das G e s e t z
„Wir
sind
(der Freiheit nämlich) n i c h t
g e b u n d e n , nicht Naturwesen, sondern zur Freiheit bestimmt und f r e i , so w e i t w i r es e r f ü l l e n .
Das Ge-
setz bindet uns, d. h . beraubt uns der Freiheit, d. h .
— macht uns unselig,
15
—
nur sobald und so weit wir es
nicht erfüllen u. s. w . Die Pn t h o l o g i e ferner soll nach H e i n r o t h den organischen Ursprung der Seelenstörungen nicht nachweisen können
1 ) weil die Symptome theils in den
Kreis des psychischen Lebens gehörten , theils wenn sie organischer Natur sind, ebensowohl auch
sntnint-
lich vorhanden sein könnten, o h u e dafs die mindeste psychische Störung mit denselben verbunden wäre. 2 ) W e i l die Ursachen häufig sowohl in psychischen Dispositionen als Einwirkungen bestünden und weil von den angeblichen ursachlichen Momenten organischer Art die Beweise fehlten, dafs sie wirklich ursächliche Momente der Seelenslörungen sind. Aus der Ij.ofsen Aufeinanderfolge könne dies nicht geschlossen werden und noch weniger aus dem gleichzeitigen Beisammensein organischer und psychischer Störungen. Die Erfahrung aber, die hier allein entscheiden kann, spricht deutlich für das Gegentheil.
Den m e i -
s t e n Seelenstörungen gehen krankhafte o r g a n i s c h e Erscheinungen voraus, anderen folgen sie oder begleiten sie, vervielfältigen sich bei ihrer Fortdauer und dauern oft so lange f o r t , als jene bestehen. — Dadurch wird ein inniger Zusammenhang beider m e h r als wahrscheinlich.
Eine bestimmte Reihe von p h y -
sischen Krankheitserscheinungen
ist hier nicht erfor-
derlich; grade wie bei andern organischen K r a n k h e i ten finden auch
hier mannigfache
und Variationen Statt.
Abwechselungen
Zwar können, wie
Hein-
r o t h ganz richtig bemerkt, alle die gewöhnlich
als
Begleiter psychischer Krankheiten angeführten Symp-
—
16
—
t o m e allerdings vorbandet» s e i n , o h n e dals die deste psychische S t ö r u n g damit verbunden w ä r e ;
min' al-
lein auch hei anderen, a n e r k a n n t organischen K r a n k heiten k o m m t Aehnliches vor.
Der F i e b e r k r a n k e h a t
H i t z e , Durst, Schlaflosigkeit, V e r ä n d e r u n g seiner S e c r e t i o n e n , w e l c h e S y m p t o m e Niemand als nicht
we-
sentlich zum Fieber gehörend betrachten w i r d ;
und
doch k o m m e n auch alle diese Erscheinungen solchem V e r h ä l t n i s s e zu einander K r a n k e nicht lieherkrank ist.
vor,
in eben
obwohl
der
Dasselbe findet bei den
psychischen K r a n k h e i l e n Statt.
Mau k a n n appetitlos,
verstopft sein, Ausleerungen k ö n n e n u n t e r d r ü c k t , das Gesicht k a n n roth, blafs und sonst verändert sein, o h n e dafs sich eine S p u r , on Seelenstüruug findet.
Dagegen
a b e r f i n d e t man hei vielen Seelengestürten u n v e r k e n n b a r e M e r k m a l e eines damit io Verbindung s t e h e n d e n organischen
Uebelbelindens.
Manche
Nervenkrankheiten,
Schlagilüsse, welche unvollständig eintraten, nicht e i n m a l L ä h m u n g e n der Glieder b e w i r k t e n ,
Epilepsieen,
Hysterieen, Hypocliondrieen, nachdem sie R e i h e n von J a h r e n o h n e eine S p u r von Seelenstörung u n d verliefen, gehen
endlich
über io
bestanden
Geisteskrank-
heilen, verbinden sich mit diesen, bald als W a h n s i n o , bald als periodische oder p e r m a n e n t e T o b s u c h t , als Blödsinn,
und b e h a u p t e n diese V e r b i n d u n g ,
bald so
maDcben Abwechselungen dieselbe auch u n t e r w o r f e n sein mag, bis zain Tode. dein moralischen hierbei
Irgend eine B e z i e h u n g zu
W e r t h e der
nicht auffinden.
Eben
Iudividuen lafst sich so
gehöreu
manche
a n d e r e häufig v o r k o m m e n d e S y m p l o m e offenbar einer k r a n k h a f t thätigen O r g a n i s a t i o n a u , w i e z u m Beispiel der
der
eigentümliche
Ausdruck
der Augen
und des
Blickes bei fielen Seelengestörten, ihre Gestikulation e n , ihre Haltung und Stellung, ihr Gang und die seltsamen Bewegungen ihrer Glieder, die «in
deut-
lichsten und auffallendsten erscheinen, wenn sie unbemerkt beobachtet werden. — Bei vielen Geisteskranken bemerkt man einen unangenehmen
Geruch
ihrer Ausdünstung, eine auffallende Trockenheil, Unthätigkeit und Uneinpfindlichkeit ihrer H a u t ,
Unord-
nungen und Veränderungen der natürlichen Ausleerungen, erliühete K r a f t und Ausdauer ihrer Muskeln, die durch die gewöhnlichen, oft heftigen Anstrengung gen gar nicht zu ermüden sind, häufig eine Unempfind« lichkeit gegen epidemische Einflüsse der Atmosphäre, denen sie in der Regel viel schwerer als Nichtgemüthskranke unterliegen; gegen Hitze und K ä l t e ,
ferner
Unempfindlichkeit
einen grofsen Torpor ihrer
Verdauungswerkzeuge, wobei die 4 , 6 and 12fachen Gaben drastischer Arzneimittel ohne alle wahrnehmbare Wirkung und Reaction gereicht werden können. Beweisen diese
eigentümlichen
Krankheitserschei-
nungen nicht, dafs die organische Seite des Menschen, die einen wesentlichen Theil der Person,
wiewohl
nicht in dem Sinne und in der Vorstellungsweise des Prof. H e i n r o t h ausmacht, bei diesen Krankheiten die vorzugsweise leidende sei ?
Und geht nicht dar-
a u s , dafs dieselben Erscheinungen nicht selten auch bei anderen Nervenkrankheiten ohne Verbindung mit Seelenstörungen angetroffen werden, deutlich hervor, dafs sie nicht erst als die Wirkungen von diesen hervortreten können, dafs die Seelenstörungen Klug Gutachten.
2
nicht
—
18
—
als die Ursachen derselben a n g e s e h e n w e r d e n d ü r f e n ? — W e n n aber auch k e i n e einzige K r a n k h e i t s e r s c h e i n u n g dieser A r t sich d a r b ö l e , so w ü r d e
daraus
doch
nicht folgen, dafs die psychische K r a n k h e i t k e i n e o r ganische sein k ö n n t e , da es selbst tüdlliche organische K r a n k h e i t e n gieht, deren U r s a c h e n durch d i e oft ganz u n e r w a r t e t e n Resultate der L e i c h e n ö f f n u n g e n erst e n t deckt w e r d e n ;
so k ö n n e n
vasa
varicosa im G e h i r n
d u r c h i h r e Z e r r e i f s u n g plötzlich den T o d so die H e r z w ä n d e
v e r d ü n n t sein u n d
verursachen,
rupturn
cordis
e n t s t e h e n , so vomicae p l a t z e n , deren Dasein sich w ä h rend
des L e b e n s nicht verrieth u. s. w .
Durch die
grofse V e r s c h i e d e n h e i t der S e e l e n s t ö r u n g e n w i r d auch eine grofse
Mannigfaltigkeit
tome h e r b e i g e f ü h r t .
der
organischen
Eine bestimmte
Symp-
R e i h e von Z u -
fällen giebt es d a h e r nicht, so w i e dasselbe auch
bei
a n d e r e n N e r v e n k r a n k h e i t e n , z . B. H y p o c h o n d r i e oder H y s t e r i e , der Fall ist.
Wie
hier,
so auch bei
S e e l e n s t ö r u n g e n , treten sie nicht selten ganz
den
zurück,
i n t e r m i t t i r e n , reinittiren u n d exacerbiren. M a n k a n n d a h e r nicht das V o r k o m m e n scher K r a n k h e i l s s y m p t o m e halb leugnen,
weil
bei Seelenstörungen
sie eine grofse
d a r b i e t e n , w e i l sie nicht i m m e r weil
sie m a n c h e n
A r t e n von
abzugeben s c h e i n e n ,
organides-
Mannigfaltigkeit
dieselben sind
Seelenstörungen
und ganz
nicht b e s t i m m t bei i h n e n e r -
kannt werden. W e n n aber H e i n r o t h b e h a u p t e t , die S y m p t o m e gehörten
zum
T h e i l in den
K r e i s des
L e b e n s , w i e f e r n sie sich auf I r r g e f ü h 1,
psychischen Irrwahn
u n d I r r t r i e b bezögen, w e l c h e s ä m m t l i c h , auch w e n n
— sie
wirklich
sollten,
aus
doch
19
organischen
— Leiden
offenbar k r a n k h a f t e
entspringen
Affectionen
des
empfindenden, vorstellenden und handelnden Wesens, k u r z , der Ferson nach seinem Begriff wären, — so wird hierdurch ja
eben zugegeben, dafs organische
Leiden die Ursachen seien oder wenigstens sein k ö n n t e n , welche die irrigen G e l ü h l e , Vorstellungen
und
Triebe hervorbrächten, so w i e eine gesunde Organisation normale Gefühle u. s. w . zur Folge h a t ; dafs mithin der Causalnexus nicht ein umgekehrter sein könne. W a s denn ferner die U r s a c h e n der Seelenstörungen betrifft, so behauptet H e i n r o t h , dafs zuvörderst die Anlage meistens, weun nicht immer in einer p s y c h i s c h e n Disposition bestehe, und dafs die Behauptung e r b l i c h e r Anlage nur etwas tisches sei.
hypothe-
Daraus, dnl's mehrere Glieder derselben
Familie seelengestüi t seien, folge noch nicht, dafs die Anlage erblich sei.
Der Grund des gemeinsamen Lei-
dens könne ebensowohl moralisch als organisch sein, z. B. in Erziehungsfehlern, in Familienunglück bestehen.
Aber auch angenommen, es gebe organische A n -
lagen zu Seelenstörungen, so seien sie doch f ü r sich allein nicht hinreichend,
diese K r a n k h e i t e n zu er-
zeugen. In der T h a t kann nur eine grofse Befangenheit, eine entschieden vorgefafste Meinung,
oder ein gro-
fser Mangel an Erfahrung zu solchen
Behauptungen
führen. Jeder psychische A r z t , der seine praktisch ausübt,
Wissenschaft
wird gewifs oft gefunden haben, o *
—
dafs die e r b l i c h e
20
—
Anlage eine leider seht häufig
v o r k o m m e n d e , prädispouirende Ursache der Seelenstürungen abgiebt.
So w i e zu N e r v e n - und
andern
organischen Krankheiten die Anlage sich fortpflanzt, so erzeugen
wahnsinnige
Väter
und Mütter
nicht
selten Kinder, bei denen nach der geringfügigsten V e r anlassung, oft ohne alle w a h r n e h m b a r e GelegenheitsUrsacbe, die Geisteskrankheit ausbricht.
In manchen
Familien theilten Base, O h e i m , Vettern u. s. w . mehr oder
weniger
dieselbe Anlage
und diese
ging auf
nachkommende Zweige desselben Stammes über.
Die
Krankheit entwickeile sich unter Umstanden, wo von Erziehungsfehlern, Familienunglück die Rede sein konnte.
u. dgl. gar nicht
W e n n diese moralischen Ein-
flüsse f ü r die Bildung von Seelenstürungen so entscheidend w ä r e n , wie viel gröfser w ü r d e dann Zahl
dieser
Kranken sein
und
welche
die
Anstalten
miifsten vorhanden sein, um nur den geringsten Theil derselben zu fassen.
K a u m müchte es ein D o r f , -ein
Städtchen geben, w o diese moralischen — Erziehungsfehler
und
häufig genug v o r k ä m e n .
Verhältnisse
Familienunglück —
nicht
Die Erfahrung lehrt viel-
mehr, dafs bei einem gesunden K ü r p e r , der eine gesunde Seele bedingt, die härtesten Schläge des Schicksals ertragen werden, ohne Zerrüttung des Geistes hervorzubringen,
w ä h r e n d bei zerrüttetem K ö r p e r ,
bei
verstimmtem Nervensystem, oft unter den günstigsten Aufsenverhaltnissen sich Seelenstörungen
unabwend«
bar entwickeln. Die erbliche Anlage m u f s
aber eine
a t h » s e i n , wenn auch das anatomische
organiMesser
sie
nicht nachzuweisen
vermag,
denn sie erreicht ihre
Entwickelung uod begünstigt die Entstehang von S e e leuslürungen
unter den verschiedensten
Einflüssen in allen Ständen
psychischen
und unter den mannig-
fachsten Verhiiltnissen, ohne dafs man eine p s y c h i s c h e S c h ä d l i c h k e i t , die sie veranlagt hätte, entdecken k ö n n t e . Ein gewisses A l t e r , eine sitzende
Lebensweise,
eine bequeme, geschäftslose L a g e , der blofse Eintritt des Wochenheltes, sind oft hinreichend, uin diese erbliche Anlage zu Seelenstörungen zur Entwickelung zu bringen.
Aufser
den
Geinülhskranken kommen
ia
solchea Familien auch nicht seilen hysterische, h y p o chondrische, epileptische und sonst Nervenkranke von den verschiedensten Nuancen vor.
Einige sind e n t -
schieden w a h n s i n n i g , andere weniger in die Augen fallend, so dafs eine genaue Bekanntschaft mit ihrer Individualität nüthig ist, um das erbliche Gepräge zu erkennen. heiten
Niemand wird bezweifeln, dafs jene K r a n k -
organische Krankheiten sind.
W e n n sie es
aber s i n d , sollten denn die Seelenstörungen es nicht auch sein , da alle Glieder derselben Familie einem Stamm T a a r e angehören und da die Geisteskranken und Nervenkranken d e n s e l b e n
geistigen, morali-
schen und bürgerlichen Einflüssen ausgesetzt waren ? Aufser dieser angeerbten Anlage giebt es auch noch eine a n g e b o r e n e .
Kinder von geistig gesun-
den Eltern können eine solche A n l a g e mit zur W e l t bringen.
Alle übrigen Kinder derselben Eltern k ö n -
nen gesund, eins aber durch diese Anlage ausgezeichnet sein.
Schon von der frühesten Kindheit an zeigt
sieb ein solches abweichend in s e i n e m B e n e h m e n , seinem G e s i c h t s a u s d r u c k ,
begreift s c h l e c h t , ist
u n r e i n l i c h , b e s c h r ä n k t , a u l f a l l e n d in s e i n e i n
in
sehr
Verhal-
t e n gegen G e s c h w i s t e r und E l t e r n , und so k a n n sicli W a h n s i n n u n d Blüdsinn schon
frühzeitig und
lange
vor d e m E i n t r i t t e der M a n n b a r k e i t e n t w i c k e l n .
Von
Erziehungsfehlern
und
Familienunglück
nichts a u f z u f i n d e n s e i n ;
kann
dieselbe E r z i e h u n g ,
Geschick ist allen geinein
gewesen
und
dabei
dasselbe
doch
unter
vielen a n d e r u ein geistig eigenthüinlichcs K i n d , einer angebomen
Anlage
abhängig.
JUufs h i e r
Ursache nicht organisch s e i n , da der geistig Z u s t a n d in seinein K e i m oder
von
schon
die
kranke
vorhanden
k a n n t w i r d , zu einer Z e i t w o S e e l e u s l i i r u n g e n
er-
durch
psychische Einflüsse noch n i c h t vorbereitet o d e r a u s gebildet
werden k ö n n e n ?
denn
von
einer
morali-
schen E n t a r t u n g k a n u bei K i n d e r n von w e n i g e n J a h r e n nicht die R e d e sein und was in
den ersten f ü n f
J a h r e n d e s L e b e n s sich als A n z i n g des Uebels zeigte, w i r d in den späteren J a h r e n der M a n n b a r k e i t i m m e r deutlicher und m e h r e n t w i c k e l t , Umstände, Trennung
die des
mit
Heinroth
Menschen
von
ohne Hülle „eine der
solcher
freiwillige
Vernunft'*
be-
w i r k e n sollen. Mancherlei a n d e r e k ö r p e r l i c h e Z u s t ä n d e disponir e n a u f s e r d e m besonders
zu
Geisteskrankheiten.
So
w e r d e n M e n s c h e n mit s c h w a c h e n N e r v e n , von h y s t e rischer Constitution, I n d i v i d u e n , die durch ein a n h a l t e n d e n d e s Zimtnerleben g e s c h w ä c h t , d e m Eiuilusse der L u f t u n d der stärkenden
E i n w i r k u n g einer mit
strengung und Thätigkeit der
Muskeln
An-
verbundenen
—
'2i
—
Lebensweise entzogen bind, nach allen bisherigen Erfahrungen viel leichter geisteskrank, als solche, bei denen die entgegengesetzten Verhältnisse Statt linden. Ebenso w i e die körperliche Anlage, sucht H e i a r o t h denn auch die physischen -Schädlichkeiten, als G e l e g e n h e i t s u r s a e h e n der Seelenstörungen z weifelhaft zu machen. Er behauptet, dafs wenn Störungen organischer l'rozesse, der Hämorrhoiden, Menstruation, Lochien u. s. w . als Ursachen von Seelensliirungen angesehen würden, so wäre dies irrig, weil Iiier psychische Erschütterungen vorausgegangen w ä ren , bei deren Einwirkung denn auch diese organischen Frocesse nicht ungestört hätten bleiben können. — Die Erfahrung lehrt aber hiervon vielfach das Gegentheil. Häufig entstehen Seelenslörungen allein durch körperliche Einflüsse, welche Unordnungen in den Verrichtungen des Körpers herbeiführen, ohne gleichzeitige psychische Schädlichkeiten, ohne Gemüthsbew e g u n g e n , ohne fehlerhafte Erziehung oder eigene Verwahrlosung. So entstehen namentlich zur Zeit der Fubertätsentwickelung n e b e n a n d e r e n N e r v e n k r a n k h e i t e n , Veitstanz, Epilepsie u. s. w . , a u c h Seelenstörungen , allein durch uie Einwirkung physischer Schädlichkeiten: Erhitzung, Erkältung des Körpers, Witterungseinflüsse u. s. w . , welche bei oberflächlicher Untersuchung freilich leicht übersehen, durch eine sorgfältige Nachforschung aber entdeckt weiden. Dasselbe vermag die Schwangerschaft für
24
—
—
sich allein zu bewirken , sobald eine a n g e b o r n e
oder
später erworbene Anlage die Entstehung von N e r v e n krankheiten und Seelenstörungeu begüustigt.
E s fehlt
nicht an E r f a h r u n g e n , dafs eine periodische
Melan-
cholie nur
während
bei Personen eintrat,
der
Schwangerschaft
die vor und nachher sich w o h l
befanden, und diefs geschah so oft und w a r so deutl i c h und
zweifelsfrei,
dafs
man
Melancholie für ein Z e i c h e n tenen S c h w a n g e r s c h a f t Einwirkungen
von
die
neubegonnene
d e r wieder
eingetre-
halten k o n n t e .
Geistige
Erheblichkeit
fanden dabei
gar
nicht S t a t t . A u f dieselbe W e i s e k a n n ferner das bett
wirken.
Derselbe
gereizte,
Wochen-
geschwächte
stand des Nerveusystems, der W ö c h n e r i n n e n
Zu-
zu
so
manchen Nervenkrankheiten geneigt m a c h t , begründet auch die Entstehung von Seelenstörungen, die hier so häufig ohne alle wahrnehmbare geistige Einflüsse zu Stande kommen.
Nicht reiten
entsteht in
mehreren
W o c h e n b e t t e n nach e i n a n d e r , zuweilen selbst in len eine Mania oder JUelancholia p u e r p e r a l e ,
al-
häufig
bei z w e c k m ä ß i g e r Hülfe leicht heilbar, zuweilen bei versäumter und u n z w e c k m ä ß i g e r
Hülfe
in eine
un-
heilbare Manie übergehend, wovon sich in jeder grofsen Irrenanstalt Beispiele linden.
—
Manche andere physische Schädlichkeiten bringen n i c h t weniger häufig Seelenstörungen h e r v o r ;
so die
Ursachen der Hypochondrie, Hysterie, der A n o m a l i e e n in den K a t a m e n i e e n , den Hämorrhoiden u. s . w . b e sonders bei schon vorhandener Anlage.
Menschen, die
eine sitzende Lebensart f ü h r e n , wobei die Verdauung
gestört, Hämorrhoiden und Menstruation werden,
inanclie
Handwerker
und
unterdrückt
Fabrikarbeiter,
'weibliche Individuen, die einem stillen, mit
unun-
terbrochenem Sitzen verbundenen Berufe sich hingeben, werden viel leichter geisteskrank, als Individuen von entgegengesetzter Beschäftigungsweise, bei denen viel Bewegung in freier L u f t , Anstrengung der p h y sischen K r ä f t e und Beförderung der Verdauung nicht fehlen.
Bei jener Lebensweise sind oft nur geringe
geistig wirkende Schädlichkeiten, oft auch gar keine o ü t b i g , um selbst geringere Grade organischer Nervenübel bis zur vollendeten gern. — In
Seelenstörung zu stei-
andern Fällen werden
Seelenstörungen
hervorgebracht durch den Mifsbrauch geistiger,
da9
Gehirn erhitzender Getränke; hitzige Fieber mit Entzündungen, Nervenfieber, Ruhren, haben nicht selten o h n e vorhergegangene Einwirkung psychischer E i n flüsse,
Seelenstörungen hervorgebracht und m a n h a t
n i c h t gefunden, dafs irgend ein e t h i s c h e s h ä l t nifs,
ein
Ver-
größerer oder geringerer Grad ¡von
moralischer Bildung und Haltung sich hierbei geltend gemacht hätte. Ueberhaupt wird Jeder, der oft Gelegenheit hatte zu beobachten,
w i e und unter welchen
Umständen
Seelenstörungen
am häufigsten zu Stande k o m m e n ,
gefunden haben, dafs g e i s t i g e Einflüsse hierbei weit weniger entscheiden, als k ö r p e r l i c h e » u n d dafs da, w o die organische Anlage mangelt, die heftigsten Gem ü t s b e w e g u n g e n , die erschütterndsten Einflüsse, u n glückliche L i e b e ,
tief gegründeter Gram und K u m -
m e r über den Verlust geliebter Verwandten, der Ehre,
—
'26
—
des Vermögens elc. e i n w i r k e n , und dauernd
einwir-
ken k o n n e u , ohne d.ifs eine Seelenstörnng die Folge davou wiire; während auf der andern Seite, hei vorhandener Anlnge, besonders augeboroer, ein unbedeutend scheinender EiuQufs h i n r e i c h t , um einen liohen Grad von Seelenslöiung, oft unheilbarer A r t ,
schnell
herbeizuführen. Heinroth
will ferner die organischen Ursachen
der Seelenslürungen deswegen nicht anerkennen, weil der nolhwendige Zusammenhang zwischen der organischen und psychischen Afleclion nicht
nachgewie-
sen werden k ö n n e , so dafa die erstere deutlich als der Grund der letzteren erschiene. langen
ist
aber
beiläufig nur
durchaus
dann von
Ein solches V e r -
unstatthaft
Heinroth
und
würde
m i t Recht ge-
macht we-den können, wenn er uns zuvor in Zusammenhange
dein
des Seelenlebens mit dem organi-
schen Leben nur die Möglichkeit
einer Beeinträchti-
gung des ersteren, ohue Einilufs auf die organische Natur des Menschen nachgewiesen hätte.
Die N o t -
wendigkeit eines Zusammenhanges zwischen der eingewirkt habenden Schädlichkeit und dem danach und ohne
Zweifel dadurch eintretenden
cesse vermögen nachzuweisen.
wir
Krankheitspro-
aber in den wenigsten
Fällen
So h a t die Pathologie nie nachzuwei-
sen vermocht: den tiothwendigen Zusammenhang zwisehen der eingeimpften Kuhpockenlymphe und den, vor der Pockenvergiftung schützenden, Pockenpusteln; zwischeo der Einwirkung der Nord- und Ostwinde im Winter und den dadurch hervorgebrachten Tneumonieen; zwischen der heilenden W i r k u n g des S c h w e -
—
27
—
fels und der Nalur des Krätzgifles u. s. w., und doch sind dies erwiesene Sachen , die nicht
weggeläugnet
w e r d e n k ö n n e n , obwohl ihre Causalerklärung noch mangelt und der nothwendige
Zusammenhang
nicht
begiiffen wird. hier die in
Irrenanstalten
so häufig gemachten Erfahrungen von
Schließlich sind auch
kritischen
Vorgangen,
vom Eintreten kritischer
Furunkeln,
Fleclilen und andern impetiginösen Processen, Häinorrhoidalhlutungen, Drüseneilerungen, Speichelflufs u. s. w . in Erinnerung zu bringen, welche den offenbar eigenmächtig zu Stande gekommenen
Genesungspro-
cels
und
der
Seelenstörung
ankündigten
begleite-
ten, nicht selten bei schon veralteten Fällen, die zur völligen Heilung wenig Hoffnung gaben und die jede V e r m u t h u n g , dals Einwirkungen auf das ethische V e r hältnifs sich geltend gemocht haben k ö n n t e n ,
ganz
ausschlössen. W a s nun endlich viertens die T h e r a p i e
be-
trifft, so giebt H e i n r o t h zu, dafs die somatisch behandelnden Aerzte nach der A n w e n d u n g ihrer Mittel Heilungen hätten zu Stande kommen s e h e n ; aber er bezweifelt, dafs diese Heilungen d u r c h diese physischen Mittel bewirkt worden wären , so w i e er auch die Beobachtungen
anficht,
w o man durch kraftige
Krisen der Natur die Heilung bewirkt gesehen
hat.
E r räumt z w a r ein, dafs der von E s q u i r o l erzählte Fall
einer plötzlichen
Hebung einer
Seelenstörung,
die zehn J a h r e gedauert h a t t e , nach d e m u n e r w a r t e ten Wiedereintreten der K a t a m e n i e e n , in der W a h r heit begründet sein k ö n n e , aber er f r a g t : „ w o d u r c h
—
'28
—
•waren die Regeln des jungen Mädchens u n i e r d r ü c k t ? " wodurch w a r sie verwirrt geworden?
W i e "viele (und
w a r u m auch uicht psychische) Einflüsse liier eingewirkt haben?
konnten
W i e leicht k o n n t e die Un-
terdrückung der Regeln die Folge einer
Gemüthser-
scliütterung s e i u , welche die eigentliche Ursache der Verrücktheit w a r , und welche (organische und psychische ) Veränderungen bewirkten die R ü c k k e h r der Regeln ?"
E r tadeil, dafs von allem diesen in dieser
Krankheits- und Geuesungs-Skizze kein W o r t
vor-
k o m m e und v e r i n u t h e t — denn für weiter nichts, als jedes Beweises enlbehrende Vermuthungen
kön-
nen jene Angaben angesehen werden — dafs bei solchen K u r e n entweder geistig heilsame
Einwirkungen
( von den Aerzlen v e r k a n n t ) sie b e w i r k t ,
oder dafs
es gar keine wirkliche psychische K r a n k h e i t e n , dern nur heftige Angriffe somatischer
son-
Krankheiten
mit psychischen Reflexen ( T y p h u s , Hirnenlzündung, H u n d s w u t h ) gewesen seien. E s kann aber unmöglich angenommen und Prof. H e i n r o t h ,
welcher eigene überzeugende
dem Er-
fahrungen aus dem Gebiete der Psychiatrie wenigstens noch nicht mitgetheilt hat, eingeräumt w e r d e n ,
dafs
alle die Aerzte in England, Frankreich, Deutschland, die sich mancher glücklicher Kuren
Geisteskranker
rühmen, so schlechte Beobachter gewesen wären, dafs sie bei ihrem Verfahren so wesentliche
Gegenstände
hätten übersehen, dafs sie etwanige psychisch-heilsame Einwirkungen hätten unbeachtet l a s s e n , dafs sie T y phus, Hirnentzündung, H u n d s w u t h , gar nicht hätten erkennen sollen.
W e r mit regem Eifer und wahrer
—
29
—
T h e i l n a h m e der Behandlung dieser Unglücklichen sich u n t e r z i e h t , und nach langer tbäliger Bemühung sein W e r k glücklich beendigt sieht, der wird gewifs nicht leicht sich und A n d r e die i h m halfen ungefragt lassen, "was denn hier entschieden, um die Heilung zu vollenden;
welche
Einflüsse
mitwirken
konnten,
welche möglicher, w e l c h e wahrscheinlicher, gewisser W e i s e ?
welche
E s ist nicht anzunehmen, dais der
Therapeut nach vorhergefafster Ansicht, Verinuthungen und W ü n s c h e zur scheinbaren Bestätigung jener in die Geschichte hineinlege, die nicht factisch, nicht ermittelt sind.
E r wird nicht vollständige
tungen liefern w o l l e n , dazu fehlen. quirol
Beobach-
wenn die objektiven Belege
D e r im Beobachten höchst geübte E s -
würde
so wichtige Momente sicher nicht
ignorirt haben, wenn sie sich geltend gemacht, w e n n sie eine besondre Beobachtung verdient hätten. begreiflich ist es aber in der Tliat, wie
Kaum
Heinroth
erfahrnen Aerzten die Beschränktheit und einen so grofsen Mangel an praktischem T a k t und Uebuog hat zutrauen k ö n n e n , dafs sie sich der K u r e n von
Ty-
phus, Hirnentzündung u. s. w., d. h. von K r a n k h e i ten, w i e er sie nennt, mit psychischen Reflexen, r ü h m e n sollten, die sie fälschlich f ü r permanente S e e lenstörungen übergehen,
gehalten.
Während
jene schnell
vor-
dauern diese Reihen von Monaten und
Jahren, andrer augenfälliger Verschiedenheiten
nicht
zu gedenken. Heinroth
behauptet demnach
nicht n u r : die
Aerzte verständen sich nicht auf das W e s e n Seelenstörungen, nicht auf ihre
der
Veranlassungen,
—
30
—
nicht auf ihre B e h a n d l u n g , sie auch nicht einmal
zu
sondern sie w ü f s t e n
erkennen,
indem
Seelenstörungen geheilt zu haben glaubten, sie nur ein T y p h u s f i e b e r ,
sie
während
eine Hirnentzüudung
be-
handelt hätten. W e n n wir aber die E r f a h r u n g
fragen,
durch
•welches Heilverfahren die Genesung der Geisteskrank e n herbeigeführt wird, welches V e r f a h r e n in
Irren-
anstalten, w i e in der F r i v a t p r n x i s ,
Bezie-
in dieser
h u n g ain meisten geleistet h a t , so ergiebt s i c h ,
dafs
sich zunächst als von Wichtigkeit gezeigt h a t :
die
Verfolgung
der
der C a u s a l a n z e i g e ,
die
Entfernung
U r s a c h e n , die Hebung und Ausgleichung von s o m a l i schen Unordnungen ; die Trennung der K r a n k e n von der gewohnten U m g e b u n g ;
die A n w e n d u n g der das
Gemein-Gefühl ansprechenden, S c h m e r z e n erregenden künstlichen
Geschwüre,
Herbeiführung
erschütternder
eines neuen
Mittel;
die
Lebensverhältnisses
mit
ungewohnter, ja aufgedrungener Lebensordnung, eine e t n s t e Z u c h t , fortwährende Beschäftigung ,
angemes-
s e n e r Unterricht, wobei oft ein fortgesetzter, den K r ä f t e n des K r a n k e n
abgemessener
nach
Zwang
zur
A r b e i t Statt finden inufs. — Manche angehende G e i s t e s k r a n k e werden
durch die
wohlthätigen Q u e l l e n
in Carlsbad, M a r i e n b a d , Franzensbrunn u. s. w .
ge-
h e i l t ; viel seltner durch andre Miueralwiisser und B ä der, w i e E m s , A a c h e n , W i e s b a d e n , G a s t e i n , litz; —
Manche durch das
Nord-
und
Toep-
Ost-Seebad
viel leichter und besser, als durch die wärmeren S e e bäder in N i z z a , L i v o r n o ,
Genua.
Vortrefflich
wir-
k e n eiskalte Sturzbäder, wogegen w a r m e aromatische,
—
31
—
Seifen-, Schwefelbäder u. dgl. ungleich weniger n ü tzen. Von grofser "Wirksamkeit sind die Ekel erregenden, Brechen und Purgireu bewirkenden Mittel, die Beschränkungen der Diät u. s. w . , dahingegen bittere, aromatische, stärkende Mittel, eine üppige, nahrhafte Diät häufig nur schaden. W o h e r diese Verschiedenheit der "Wirkung, wenn es hier blofs auf psychischen Verhältnissen nnkäine. Häufig sind schwere Gemüthskranke, die schon versuchten ihr Leben gewaltsam zu enden, von anstrengenden, u n ter angemessener Aufsicht vorgenommenen Fufsreisen, gegen ihren "Willen vorgeschrieben , gesund und froh zurückgekehrt; w a r u m wird dies w i r k s a m e Mittel durch eine gemächliche, bequeme, selbst gewählte "Weise zu reisen durchaus nicht ersetzt ? Durch alle diese Mittel sind, w i e Erfdhrungsmäfsig feststeht, viele vollständige, bleibende Kuren p e r manenter Seelenstörungen bewirkt worden. Ihr« W i r k u n g bezieht sich aber, WAS keiner weiteren A u s einandersetzung bedürfen w i r d , zunächst und vorzugsweise auf den K ö r p e r , nicht auf die Seele, and es ist durchaus nicht abzusehen, w i e alle diese, durch ihre W i r k s a m k e i t berühmt gewordenen Heilmethoden den S ü n d e r , den m o r a l i s c h E n t a r t e t e n , I
den B ö s e n , wieder auf den W e g der Tugend sollten zurückführen können. Das steigende Vertrauen des Publikums giebt den Beweis für die Nützlichkeit des angegebenen Verfahrens. W i e sollte der Zudrang der Kranken zu unseren Irrenanstalten 90 grofs sein, w i e die therapeutische Sorgfalt der Aerzte grade für diese Art von K r a n k -
—
32
—
heiten so häufig in Anspruch genommen werden, wie dieser Glaube zur K u n s t der Aerzte so allgemein, ja in gröfserem Maafse wie f r ü h e r vorhanden sein, w e n n ihre Leistungen nur scheinbar w ä r e n ?
W i e würden
so häufig gelungene Fälle von Heilung, von denen so •viele Bewohner grofser Slädte durch F a m i l i e n Verwandtschaftsverhältnisse
Kenntnifs n e h m e n ,
und zu
Stande gekommen s e i n , w e n n die Grundsätze dieser Therapeutik, obwohl sie mit den Trämissen der H e i n rothschen
L e h r e n ganz unvereinbar s i n d , falsche
gewesen w ä r e n ? Die Behauptung H e i n r o t h s :
es bemühe sich
die somatische Therapie umsonst, Seelenstörungen zu heilen;
was sie h e i l e ,
w ä r e n nur organische Uebel,
aber keine Seelenstörungen, da ein nicht organisches Vebel durch organische H ü l f e nicht beseitigt
werden
könne, — ist daher völlig unvereinbar mit den R e s u l taten vieljähriger Erfahrungen lange beschäftigter Irrenarzte. Diese würden nicht von einein Jahrzehnt in das andere, ihrer glücklichen Erfahrungen eingedenk, den durch
Nachdenke^
einer rationellen
und Versuche gefundenen Empirie
ferner
verfolgen,
Weg wenn
nicht ein häufig glücklicher Erfolg ihrer Bemühungen sie dazu nöthigte; denn welcher A r z t wird eine Heilmethode verlassen, welcher er schon viel v e r d a n k t ? Unbegründet daher in jeder Hinsicht und befremdend ist die Behauptung H e i n r o t h s : die somatische M e d i a n bemühe sich umsonst, Seelenstörungen
zu h e i -
len, und ihre Anwendung zur Ausmittelung v o r h a n dener oder
nicht vorhandener
Seelenstörungen
sei
ein falsches V e r f a h r e n ! — Irrig ist ebenso und
mit den
—
33
—
den Resultaten täglicher Beobachtung im Widerspruch stehend, was H e i n r o t h über die w e s e n t l i c h e V e r s c h i e d e n h e i t der zu körperlichen Krankheiten sich hinzugeselienden Delirien und peimanenter Seelenslörungen 6agt: bei jenen soll die Persönlichkeit (Icliheit) nicht beharren, sondern das Selbstbewußtsein verschwunden sein, weshalb auch die Kranken nach der Genesung nichts mehr von den vergangenen Zuständen wüßten; bei den eigentlichen permanenten Seelenstörungen soll dagegen das Bewußtsein fortdauern, aber als ein Vernunft-beraubtes, der innere Charakter dieser Seelenslörungen soll die u n freie Persönlichkeit sein und die Kranken sollen sich daher auch ihrer vergangenen Zustände sehr wohl erinnern, zum sichern Zeichen, dafs ihnen das Selbstbewußtsein , die Persönlichkeit oder Ichheit blieb. Ein solcher Unterschied zwischen Delirien, die als Reflexe körperlicher Krankheiten auftreten, und permanentem Wahnsinn ist aber durchaus willkührlich ersonnen und läßt sich in der Natur nicht nachweisen. Im acuten Fieberdelirium, wie iin chronischen Wahnsinn können die Kranken gleichviel oder gleichwenig Selbstbewußtsein behalten und nach der Genesung sich gleich deutlich des Vergangenen erinnern oder nicht erinnern; aber in beiden Fällen ist das Bewußtsein ein unfreies, die freie Thäligkeit der Vernunft durch die körperliche Krankheit, die organische Zerrüttung gehemmt. Findet aber eine solche wesentliche Verschiedenheit zwischen den zu somatischen Krankheiten sich gesellenden Delirien und den eigentlichen sogenannten Seelenstörungen nicht Klug Gutuchten. 3
—
34
stall ( d i e Verschiedenheit
—
liegt aber in andern
au-
rserwesenllichen Verhältnissen) und ist die körperliche Beschaffenheit jener Krankheiten
nicht zu be-
zweifeln, so ist auch die organische Natur der permanenten Seelenslürungen erwiesen.
W a s aber H e i n -
v o t h anfuhrt über die A r t , w i e der Seelengestörte, indem er sein Selbstbewußtsein
behalte,
der
Ver-
nunft verlustig gehe, indem nämlich Anfangs e r die Vernunft verlasse, die Sünde sich zur Freundin wähle und so zum Sünder werde, dann aber,
damit die
Seelenstörung zu Stande k o m m e , die Vernunft
ihn
verlasse (gleichsam als wäre 6ie über ihre Hintansetzung ungehalten) so ist dies denn doch in der Thal nichts als ein leeres
Bilderspiel und eine
Erfindung
der Einbildungskraft. Die z w e i t e nun folgende F r a g e lautet: W e l ches ist die N a t u r
der S e e l e n s t ö r u n g e n ,
wer hat über ihr V o r h a n d e n s e i n Vorhandensein zu
entscheiden?
unter
gewissen
oder
und
Niehl
Umstanden
Diese Frage beantwortet H e i n
r o t h d a h i n : die Sünde ist die ursprüngliche Krankheit der Seele. Diese Krankheit der Sünde unterscheidet sich aber von der Seelenstörung dadurch, dal's in der Sünde die Seele gefesselt w i r d , in der Gestörtheit hingegen gefesselt i s t .
Alle Seelenstörung entspringt demnach
aus der Sünde und ist mithin n a c h f o l g e n d e K r a n k heit.
Eine organische Beimischung findet dabei al-
lerdings Statt, aber diese ist Folge, nicht Ursache. — Ueber das
Vorhandensein
oder
Nichtvorhandensein
von Seelenstörungen kann nur entscheiden der p s y c h i s c h e Arzt, der es aber auch im vollen Sinne des
35
—
W o r t s sein, d. Ii. der die Seelenstörungen a l s
sol-
c h e , nicht vom organischen Standpunkte aus beurtheilen und behandeln
mufs, sondern vom ethisch-
psychologischen, indem die eigentliche H e i l m e t h o d e dieser Zustände nur eine e t h i s c h - p s y c h o l o g i s c h e sein kann. Von diesen Prämissen ist, wie schon oben gezeigt worden, die ganze Ansicht des Verfassers ausgegangen.
Die S ü n d e , die m o r a l i s c h e
Entartung,
soll die innere Bedingung jeder Seelenstörung, und diese demnach die Folge und W i r k u n g von
Verbre-
chen sein. Da aber eben diese Prämissen und falsch s i n d ,
erfahrungswidrig
so zerfällt das ganze System des
Verfassers in Nichts, das neue desselben erscheint als irrig und hypothetisch, von allen
Erfahrungsgründen
entblöfst, das Uebrige aber ist längst bekannt und von allen guten Aerzten stets gewürdigt.
Es
erscheint
aber die Hypothese des Verfassers in so hohem Grade gewagt, unwahrscheinlich an sich und gleich bei der ersten Berührung so abstofsend, dafa man kaum begreift, wie ein A r z t , ein öiTentlicher L e h r e r es wagen können,
sie öffentlich auszusprechen.
hat Kein
Arzt, der Irren kennt, sie beobachtete, sie behandelte, und sollte er erst seit Kurzem sich diesem
Geschäft
gewidmet
Glauben
haben,
wird einer Behauptung
schenken, der die Erfahrung so entschieden entgegentritt.
So
wenig die Sünde als solche die
Ursache
eines Wechselfiebers, einer Wassersucht, einer Schwindsucht sein kann, so wenig kann sie auch die Ursa-* che der Seelenstörungen sein, denn sie hat mit den 3 *
—
30
—
Seelenstörungeo nicht m e h r zu thun als mit der Krätze, mit den Flechten, mit der Engbrüstigkeit;
und hier-
mit wird niemand ein ursachliches Verhältnifs nachzuweisen vermögen.
Die Erfahrung, aber, a u f w e i c h e
wir uns berufen l e h r t : 1 ) Dafs eine Menge von Individuen, gegen deren ethische Sinnesart und Moralität im
Denken,
Wol-
len und Handeln nicht der entfernteste Verdacht obwaltet, deren früheres und gegenwärtiges Leben nicht reiner und unbescholtener sein k a n n , dennoch lenstörungen unterliegen. — Ist eine a n g e e r b l e ,
Seenn-
geborne, erworbene Anlage vorhanden, leiden die Menschen an schwachen Nerven, sind sie verzärtelt, verzogen, v e r w ö h n t ,
so reichen geringe
Gemüthsbewe-
g u n g e n , Schrecken, Verdrufs von einiger Heftigkeit u. s. w . schon hin, um sie aus ihren Fugen zu bringen.
Nicht
weniger sind S c h w a n g e r s c h a f t e n , "Wo-
chenbetten, hitzige Fieber, deren Krisen gestört w u r den,
Unordnung in den Verdauungsorganen,
vieles Sitzen herbeigeführt, fortgesetzte
durch
^tastrengun-
gen ihrer Seelenkräfte Behufs schwieriger
Berufsge-
schäfte, bei gleichzeitiger feindseliger Einwirkung u n günstiger Jahreszeilen, Witterungsconstitulionen u. s. w . hinreichend, um solche Individuen seelenkrank zu machen.
Auch
wir bei manchen
darf nicht unbemerkt bleiben, Thieren,
denen
keine
keine Tugend, also auch kein L a s t e r ist, die Analogie der mehrsten
zuzuschreiben
Gemüthskrankheiten,
gleich wie der Temperamente, wieder 2 ) L e h r t die E r f a h r u n g ,
dafs
Vernunft,
finden.
dafs manche
k r a n k e zwar allerdings ihre moralischen
Geistes-
Schwächen
—
37
—
liaben, keine ethische Musler lind, vielmehr der moralischen Besserung bedürftig, oft mit einer Hinneigung zum Egoismus, die sieb bei Manchen findet, welche an einer partiellen Manie leiden, indem sie ihre Bedeutung, ihren W e r t h , ihre Kenntnisse, ihre Macht, ihr Vermögen überschätzen; aber sie sind n i c h t gleich Verbrechern m o r a l i s c h e n t a r t e t . Bei eiuer solchen egoistischen Richtung des Charakters ist die Entstehung einer partiellen Manie nur dann begünstigt, wenn die o r g a n i s c h e A n l a g e vorausgeht und o c c a s i o n e l l e M o m e n t e verschiedener Art hinzukommen. W o diese Anlage, diese Gelegenheilsursachen fehlen, da wird der Erfahrung zufolge diese Charakterrichtung für sich allein nie Seelenstörung bewirken. Denn wer vermag wohl die Selbstsüchtigen und andere Sünder ähnlicher Stufe zu zählen, die, ohne je einer Seelenstörung zu unterliegen , ihr ganzes Leben in einer behaglichen Selbstgenügsamkeit zubringen ? 3 ) Lehrt die Erfahrung, dafs viele tausend V e r brecher ihr ganzes Leben hindurch Verbrecher bleiben, ihre lebenslängliche Zuchtbausstrafe ertragen, ihre groben Versündigungen aller Art fortsetzen, ohne je Seelenstörungen zu unterliegen. W i e wäre dies möglich, wenn die H e i n r o t h s c h e Theorie in W a h r heit begründet w ä r e ? Alle grofsen Zuchthäuser in volkreichen Städten gebeu von jener Thatsache Zeugnifs. Keinen von allen den Verbrechern hat man verrückt werden sehen, es müfste denn zufällig das Vorhandensein jener organischen Bedingungen zusammentreffen mit einer
—
3S
—
solchen Lasterhaftigkeit so gut w i e die phthisische oder apoplektische Architektur zufällig damit
zusammen-
treffen kann. Es gevfinnt nes umgekehrten
-vielmehr
fast
den
Anschein
ei-
Verhältnisses, als das von H e i n -
r o t h hypothetisch angenommene.
Moralische
Entar-
tung scheint in manchen Lagen die Bildung von Seelenstörungen zu erschweren.
Sie f ü h r t nicht selten
zur Vorsicht, Besonnenheit, Aufmerksamkeit auf sich selbst, f ü h r t eine grofse Thäligkeit und Geschäftigkeit herbei, um beabsichtigte Verbrechen
unbemerkt
zu begehen und ihre Entdeckung zu verhüten.
Eine
solche SpannuDg der Seelenkräfte, mag ihre Richtung auch noch so bösartig und verbrecherisch
sein,
ist
gar nicht geeignet, die Entwickelung von Seelenstörungen zu begünstigen, sondern wird sie eher erschweren. Die öffentlichen Mädchen in grofsen Städten b e finden sich zum grofsen Theil auf der höchsten Stufe moralischer E n t a r t u n g ; K r a n k h e i t e n aller Art, Gicht, Schwindsucht, Abzehrung und früher Tod bei vielen, selbst Epilepsie u n d andere Nervenkrankheiten die Folgen ihres G e w e r b e s , höchst selten rungen.
In
solche
fallen dagegen
viele
sind
Seelenstöweibliche
Individuen, die mit unbescholtenem R u f e ihrem stillen häuslichen Geschäft in Zucht und Ehrbarkeit hingegeben waren, Mädchen von reinen Sitten, aber vorgerückten J a h r e n , junge Frauen die ihre Männer f r ü h yerloren, Nonnen u . s . w . — unter Verhältnissen also, welche die Befriedigung des Geschlechtstriebes ausschliefsen, und ohne dafs Schuld oder Sünde im g e w ö h n lichen Sinne dabei im mindesten mitgewirkt hätte.
—
39
—
Da H e i n r o t h übrigens behauptet, die K r a n k heit der Siiade unterscheide sich von der Seelenstörung dadurch, dafs in der Sünde die Seele gefesselt w e r d e , in der Gestörtheit dagegen gefesselt s e i , so folgt daraus, dafs zwischen beiden kein andrer als ein gradweiser Unterschied Statt finde. Denn w a s gefesselt w i r d , i s t auch schon immer, Anfangs w e niger und je länger je mehr gebunden und seiner Freiheit verlustig gegangen. Wodurch w i r d nun der Moment bestimmt, wo das Gefesseltwerden (die blofse Lasterhaftigkeit) aufhört und das Gefessellsein ( d i e Seelenslörung) anfängt? Wodurch wird die Verschiedenheit dieser anerkannt verschiedenen Zustände begründet ? W a s miifs hier hinzutreten, um das Eine in das Andere zu verwandeln ? Eine Störung in den organischen Verhältnissen ist hier das den Ausschlag Gebende, die Seelenslörung Begründende und dieses ist es grade, w a s H e i n r o t h nicht beachtet. W e n n demnach auch Lasterhaftigkeit zur Seelenstörung f ü h ren könnte, so würde sie doch immer nur die entfernte Ursache derselben sein, gleich manchen andern, sehr verschiedenartigen Schädlichkeiten und in Beziehung auf das W e s e n der Seelenstörungen w ü r d e sich daraus nichts folgern lassen. W e l c h e Folgen aber aus einer solchen unbegründeten Ansicht, welche streng genommen keinen Unterschied zwischen Iininoralitat und Geisteskrankheit gestattet, für die bürgerliche Gesellschaft und für die Ausübung der Rechtspflege entstehen w ü r d e n , ist zu einleuchtend, als dafs es einer weiteren Auseinandersetzung bedürfte. —
—
40
Die folgende, d r i t t e
— Frage
lautet: ( S . 3 5 . )
In welchen Fällen können überhaupt
psy-
c h i s c h - ä r z t l i c h e U n t e r s u c h u n g e n und G u t achten
verlangt
und
in
welchen
sie entschieden zurückgewiesen — Der Verfasser behauptet:
müssen werden?
Nicht das Vernunftwi-
drige der That — denn alle Verbrechen wären vernunftwidrig — mache
den Richter und
Sachwaller
zweifelhaft über den Gemüthszustand der Individuen, sondern die Spuren der Vernunftberaubtheit, oder w a s dasselbe sei, der Unfreiheit, die in der gesetzwidrigen That erkennbar sein müfsten, wenn dieselbe zu einem zweifelhaften Gegenstände des richterlichen Urtheils werden solle.
Diese Spuren könnten aber blofs
in der Beschaffenheit des
Impulses zu finden sein.
Der Impuls zur freien That sei jederzeit ein denkbar e r , d. h. sich selbst nicht widersprechender Z w e c k , dahingegen der Impuls zur unfreien That entweder ganz zwecklos sei oder einen tbeils sich selbst, theils im Interesse des Individuums, so wie den Mitteln zur Ausführung
widersprechenden
Zweck
in sich
be-
greife. — Nur bei erwiesenen Spuren der Unfreiheit des Thäters
soll
ein
psychisch-ärztliches
Gutachten
verlangt werden. Der Verf. zeigt sich hier besorgt, dafs die Aerzte zu oft und ohne Nolh gefragt werden und durch ihre Gutachten Zweifel herbeiführen, welche der Strenge der Gesetze und ihrer Anwendung Eintrag thun könnten. — W o der Impuls zur freien That klar vor A u gen liegt, da wird das psychisch-ärztliche allerdings unnötliig sein.
Gutachten
Aber bei jedem, selbst dein
—
41
geringsten Zweifel dagegen, baren Spur, — n i c h t , w i e erwiesenen Spuren — ist echtens erforderlich, nicht fürchten.
—
bei der geringsten, scheinH e i n r o t h will, nur bei das Einholen des Gutüberflüssig und nicht z»
Die sächsischen Gerichte scheinen auch so zu verfahren, w i e das Gutachten des Doctor C l a r u s in Leipzig in der W o y d z e c k s c h e n Sache zeigt, wo, obgleich der Impuls zur freien That klar yor Augen lag, dennoch, — obwohl in diesem psychisch-evidenten Falle ganz überflüssig — ein Gutachten verlangt und gegeben wurde. Gutachten von erfahrnen und unbefangenen A e r z ten gegeben, ohne alle Absicht die Schuld der Inquisilen uiiDder grofs erscheinen zu lassen, vielweniger gegen eigene bessere Ueberzeugung „einen Verbr»< eher absichtlich zu einem Vernunftberaubten stempeln zu w o l l e n " — solche Gutachten, die nur nach Erfahrungsgründen die objektive Wahrheit des z w e i felhaften Vorganges in einein concreten Falle zu finden beabsichtigen und w o sie nicht bis zur Vernichtung jedes Zweifels aufzufinden ist, einen solchen Zweifel fester zu begründen suchen, — solche Gutachten, besonders wenn sie von dem Gepräge gewagter Hypothesen z. B. der H e i n r o t h s c h e n sich möglichst frei erhalten, werden ihren Nutzen nicht verfehlen. Uebrigens ist noch zu bemerken, dafs keinesweges allein in der Beschaffenheit des Impulses zur T h a t die Spuren der Vernunftbeiaubtheit zu finden s i n d , sondern diese sich eben- sowohl aus dem Be»
—
42
—
nehmen des Iqquisiten yor und während
und nach
der T h a l , aus seinem gegenwärtigen Zustande u. s. w« ergeben können.
Wenn
V e r n u n f t und F r e i h e i t
aber H e i n r o t h
früher
und H e i l i g k e i t u. s.
w . als gleichbedeutende Beg/iife genommen h a t , und hier
alle
Verbrechen
als
vernunftwidrig
bezeichnet, die Spuren der Vernunftberaubtheit
oder
Unfreiheit aber dem Seelengestörten Zustande beilegt und dann wieder ( S . 3 0 . )
im geisliggesunden
stande begangene V e r b r e c h e n
für f r e i e
Zu-
Hand-
lungen erklärt, — so liefsen sich hier die auffallendsten Widersprüche nachweisen, wie z. B . wo es bei I l e i n r o t h heilst: ( S . 36. d. a. S e h r . ) Weibsbild,
„ W e n n ein
der ihr K i n d zur L a s t ist, es ermordet,
um es los zu werden, begeht sie eine freie T h a t " — folglich auch eine v e r n ü n f t i g e , — folglich auch eine
heilige
u. s. w . ,
während kurz zuvor alle
Verbrechen als vernunftwidrig bezeichnet sind. Vierte
Frage:
t e s (S. 38.) d u r c h vorgeschriebenes
Giebt
es ein
Vernunft
und
bestimmErfahrung
normales Verfahren
ärztlichen Untersuchungen
—
bei
zweifelhafter
G e m ü t h s z u s t ä n d e ? — Das hier Gesagte ist zwar im Allgemeinen richtig, aber auch allgemein bekannt, nur leider
nicht
überall
ausführbar.
Der ärztliche
Iuijuirent soll zuvörderst prüfen, ob auch der angeblich zweifelhafte Gemüthszustnnd wahrhaft ein Grund für psychisch-ärztliche Untersuchung sein könne und sei;
der Zielpunkt der ärztlichen
Untersuchung soll
kein andrer sein, als die Beschaffenheit des bestimmten Impulses zur bestimmten That an das Licht zu
43
—
—
bringen, defshalb sei nicht blofs durch Nachlesen der Akten die Prüfung der T h a t
nach allen
Umständen
erforderlich, sondern auch ein vollständiges Bekanntmachen init der Individualität des Tbäters und tauglichst genaue Kunde von dessen Leben.
Ohne eine
vollständige Bekanntschaft mit der Person des ters, aus dessen Leben
Thä-
selbst, sei eine genaue
und
gründliche Kunde seines Gemiithszustandes zur
Zeit
der That
nicht
möglich.
Jeder Mensch handle in
seinem Charakter, und der Charakter selbst sei etwas, durch das gut oder schlecht geführte L e b e n
Gewor-
d e n e s , ' — und es müsse defshalb ein normales V e r fahren
bei
ärztlicher
Exploration zweifelhafter
Ge-
mntliszustände nicht blofs in der Gegenwart v e r w e i len, sondern auch in die Vergangenheit
zurückgehen
und theils in der Beschaffenheit und den Umständen der That, theils in der ganzen Persönlichkeit des T h ä ters, wie sie aus seinem Leben hervortritt,
ebenso-
wohl die Spuren des freien, als die des unfreien Z u standes verfolgen, weil die Ausiindung des ersteren Zustandes den Erweis des letzteren nicht blofs unnötliig, sondern sogar unmöglich mache. Dies Alles ist guten Aerzten längst bekannt und nur zu bedauern, dafs das Licht, wonach Jurist und Arzt hier forschen,
gemeiniglich
ist, dafs das frühere Leben
nicht zu erlangen
des Incjuisiten
meistens
unbekannt bleibt, dafs alle Bemühungen, einen tiefein Blick in die früheren menschlichen Inquisiten lieinroth
zu t h u n ,
gewöhnlich
Verhältnisse fruchtlos
sind.
des —
mufs in der T h a t noch nicht häufig iu
dein Falle gewesen sein, gerichtliche Gutachten über
—
u
—
zweifelhafte Gemütszustände selbst abzugeben, sonst w ü r d e er es missen, dafs ungeachtet der allergründlichsten Untersuchungen vollständiger Criminalakten die geistige und moralische E i g e n t ü m l i c h k e i t des Inculpaten fast niemals vollständig — w i e es hier verlangt w i r d . — sich ermitteln läfst. W i e selten ¡st über den Lebenswandel des Thäters, über seine erste Erziehung und Ausbildung oder Verbildung irgend eine Auskunft zu erlangen, w i e selten Mittheilungen von zuverläfsigen Personen, welche Augenzeugen seines Lebenswandels waren.' Aber auch angenommen, dies Bestreben führte zu einem befriedigenden Resultate, so werden w i r doch so häutig dadurch nicht in den Stand gesetzt werden, den k u r z v o r d e r T h a t Statt gefundenen Gemütszustand befriedigend zu würdigen. W a s alles kann hier auf den Menschen eingewirkt haben, um seinen Seelenzustand umzuändern, oder seine organische Gesundheit zu trüben und ihn dadurch seelenkrank zu machen? Mit seinem Charakter, mit seinem früheren Leben braucht dies nicht in Verbindung zu stehen, er kann ein anderer Mensch geworden sein, und nicht immer ein schlechterer, oft auch ein kränkerer. H e i n r o t h hat auch die Iiäudg bestätigte Erfahrung übersehen, dafs Individuen, deren geistige Gesundheit und Moralität bis dahin Niemand bezweifeln konnte, ganz plötzlich und ohne stürmische oder auffallende Veranlassung in Wahnsinn und Tobsucht verfallen, die durch keine Vorläufer sich angekündigt hat, welche den Umgebungen des Kranken wahrnehmbar
45 gewesen wären; ebenso wie auch manche rein k ö r perliche Krankheilen, Schlagflüsse, Eklampsieen u. s. w . plötzlich eintreten, ohne durch die gewöhnlichen Vorboten angekündigt zu sein. — W e n n wir daher auch eine ganz vollständige Lebensgeschichte des I u culpaten, seiner E l t e r n , Erzieher, seiner Jugendzeit, seines Charakters, seiner geistigen Eigentümlichkeit, seiner Neigungen, seiner Schicksale uns zu verschaffen im Stande wären, so würde es doch sehr problematisch bleiben, ob wir dadurch Licht bekommen würden über die Natur und den eigentlichen Charakter eines solchen plötzlichen, oft schnell vorübergehenden Furor und über die Zurechnungsfähigkeit hinsichtlich eines während desselben begangenen Verbrechens. Ebenso möchten auch in jenen Fällen von plötzlich eingetreteneu schweren Krankheiten rein organischer A r t , die genauesten Erkundigungen über die anamnestischen Momente nicht selten eben so w e nig über deren Veranlassung und Beschaffenheit irgend ein Licht verschaffen. Demnach kann denn auch dieser Abschnitt nicht befriedigen, und angehende Aerzte, die ihr Verfahren nur nach diesen Vorschriften einrichten zu können glauben, werden Irrthümer begehen, die um so beklagenswerther erscheinen, je wichtiger die Folgen sein k ö n n e n , die sie herbei« fuhren. Zur folgenden f ü n f t e n F r a g e : Welches sind d i e Hau p t v e r s t ö fse g e g e n ein n o r m a l e s V e r f a h r e n bei der ä r z t l i c h e n U n t e r s u c h u n g z w e i f e l h a f t e r G e m ü t h s z u s t ä n d e ? behauptet der Verf.: der e r s t e Verstofs liege d a r i n , dafs der
—
46
—
Arzt lediglich darauf bedacht s e i ,
Zeichen einer
et-
wanigen Seelenstörung in dem Individuo quaest. aufzufinden, dafs er also nicht frage, o b der Mensch gemiithskrank sei, sondern gleich zu beweisen
suche,
d a f s er es sei. — Sollte aber auch wirklich ein Arzt auf diese W e i s e verfahren, so würde dies doch k e i nesweges immer fehlerhaft sein;
denn wenn die S a -
che selbst schon das o b entschieden haben s o l l t e , so könnte der Arzt recht wohl gleich zu dein Kachweis,
dafs
gehen.
der Mensch gemüthskrank
sei,
über-
W e n n eine richterliche Behörde fragte: Läfst
es sich nach Gründen
der medicinischen
Erfahrung
wahrscheinlich machen, oder gar nachweisen , d a f s u . s. w . , so kann der Arzt es sparen, mit dem o b sein Geschäft zu beginnen. Der z w e i t e Verstofs soll dann geschehen, wenn der Arzt sich mit dem blofsen Erweis der Möglichkeit oder Wahrscheinlichkeit
einer Seelenslöruug
einem bestimmten Falle begnügt, statt ihre l i c h k e i t daizuthun.
in
Wirk-
Hier befindet sich der
Verf.
in einein grofsen Irrthuine und die Beachtung seiner Vorschriften sein.
würde von den nachtheiligsten
Der untersuchende Arzt
sondern auch
Folgen
ist nicht nur befugt,
durchaus verpflichtet, in F a l l e n ,
wo
keine Gewifsheit zu erlangen ist, den gröfseren oder geringeren Grad von Wahrscheinlichkeit
hinsichtlich
des Vorhandenseins einer
anzugeben,
Seelenstörung
da dies augenscheinlich von der gröfsesten Wichtigkeit für die richterliche Beurtheilung des Falles ist.
Oder
sollte etwa der A r z t , der nach seiner besten
Ueber-
zeuguog,
Akten,
nach
sorgfältiger
Benutzung
der
—
47
—
nach strenger Prüfung der Person des Inculpaten, solche ThatsacheD nicht findet, die i h n zu dem Voto der W i r k l i c h k e i t vermochten, lieber gar nichts s a g e n ? Gelten die Aussprüche: möglich, sehr w o h l möglich, wahrscheinlich, sehr wahrscheinlich u . s . w . , nichts in forensischer B e z i e h u n g ? Soll es hier n u r heifsen : J a , oder N e i n ? — Bekommen die Crirninalgerichte nicht sonst auch ärztliche Gutachten, w o es z . B . h e i l s t : Dies Kind hat nach der Geburt g e w i f s dies wahrscheinlich gelebt? u . s . w . — Ein apodictisches A b s p r e c h e n , wie H e i n r o t h es vorschlägt, w ü r d e grade ein Hauptverstofs gegen die Grundsätze der B e weistheorie i m Criminalprozefs sein. Der d r i t t e Verstofs soll s e i n , w e n n der A r z t in dunkeln und zweideutigen F ä l l e n , w o sich nichts Gewisses entscheiden läfst, es unterläßt, dies a n z u z e i gen und mit kräftigen Gründen zu belegen. H i e r g e gen ist nichts zu erinnern, nur steht die Forderung gewissermafsen i m W i d e r s p r u c h mit der vorhergehenden. A l s v i e r t e r Verstofs w i r d angegeben, wenn der A r z t ein unbegründetes oder ungründliches Gutachten abgiebt. Es soll auf überzeugenden Gründen b e ruhen. Hierbei wird vorausgesetzt, dafs die factischen Umstände, die die A k t e n ergeben und die Resultate der Prüfung des Inculpaten überzeugende Gründe z u lassen. A l l e i n häufig sind die Fälle nicht von d i e ser A r t , die A k t e n nicht so vollständig und erschöpfend, der Vorgang selbst nicht so k l a r und z w e i f e l s t frei dargethnn, die A u s k u n f t über den Seelenzustand des Inculpaten nicht so befriedigend, dafs der A r z t
—
48
—
«ine solche Basis zu bilden, seinem Gutachten
(was
Jeder gern so überzeugend wie möglich geben w i r d ) überzeugende Gründe beizugeben vermöchte. Der f ü n f t e
Verslofs ferner soll dann begangen
'werden, wenn der Arzt seine Beweise für das
Da-
sein oder Dagewesensein einer Seelenstörung aus der somatischen Medicin entnehmen w o l l t e ; da die somatische Medicin weder über den Ursprung,
noch über
die Natur der Seelenstörungen Auskunft geben k ö n n e ? der Arzt soll also seine Gründe nicht aus der k ö r perlichen Beschaffenheit, aus irgend einem organischkrankhaften Zustande des Individuums ableiten.
Aber
es giebt gar keine psychische Heilkunde, die nicht zugleich
eine somalische wäre.
Seele
und L e i b
sind nicht getrennt zu denken, bedingen sich
wech-
selseitig, stehen in einem beständigen wechselseitigen Dependenzverhältnisse, und S e e l e n s t ö r u n g e n sind, wie oben gegen H e i n r o t l i ' s
Ansicht entgegenge«
setzter Art nachgewiesen ist, i m m e r z u g l e i c h g a n i s c h e Krankheiten.
or-
Ein gerichtlicher Arzt (oder
nach H e i n r o t Ii ein psychischer A r z t ) , der bei E r gründung eines zweifelhaften Gemülbszustandes psychischen Zustand ganz getrennt
von den
den
organi-
schen Störungen des Inculpaten betrachten, den physischen Zustand aber ignoriren w o l l t e , grofsen Verstofs gegen die Erfahrung begehen.
würde einen
ersten Vorschriften
der
W e n n ein Epileptischer , ein in
der Pubertätsentwickelung Begriffener, eine
Kindbet-
terin, ein eingewurzelter Hypochondrist, ein der T r u n kenheit Ergebener,
eines zweifelhaften
Gemütszu-
standes verdächtig wird, — wie dürfen da diese organischen
—
49
—
nischen Verleihungen unbeachtet bleiben? — Es ist demnach in der T b a t das Gegentheil Ton dem w a s H e i n r o t h sagt das Richtige, und seine Behauptung nur aus seiner irrigen Ansicht über die Nalur
der
Seelenstörungen entsprungen, die ihn überdies in W i dersprüche v e r w i c k e l t , w i e sich unter anderem aus dem gleich Folgenden ergeben wird. Den s e c h s t e n
Verstofs soll nämlich der Arzt
b e g e h e n , wenn er die Zeichen der
Seelenstürungen,
insofern sie sich a m O r g a n i s m u s offenbaren, z . B . Blick, Habitus, R e d e , G e b e h r d e , Stellungen,
Bewe-
gungen des Individuums, aber ungetrennt von ibrer Beziehung a u f das psychische L e b e n , nicht auf das Sorgfältigste beachtet. Das Alles gehört ja aber zum Organischen, bezieht sich ja auf die körperliche Beschaffenheit des Individuums, behauptet,
und doch hat H e i n r o t h
kurz zuvor
der A r z t dürfe seine Gründe nicht
aus
d e r körperlichen Beschaffenheit des Individuums herleiten .' Ein s i e b e n t e r
Verstofs soll ferner entstehen,
wenn der L e b e n s w a n d e l , die Lebensführung des I n dividui quaestionis entweder gar nicht, oder n u r oberflächlich und einseitig berücksichtigt wird. Allerdings unterliegt es keinem Z w e i f e l ,
dafs,
wenn dieser Forderung genügt werden k a n n , der Arzt dadurch häufig manchen erwünschten Aufsdilufs über den Gemüthszustand
des Inculpaten erhalten
Allein eben so gewifs ist e s , dafs der A r z t
wird.
sehr oft
durchaus keine genügenden, keine vollständigen Nachrichten über den Lebenswandel des Inculpaten erlialKltig Gutachten,
4
— ten kann.
50
—
Die Akten geben sie selten, meistens sehr
oberflächlich.
Das Individuum
quaest. ist weit
von
seinem Vaterlande e n t f e r n t , ein F r e m d e r , ohne
El-
tern, Verwandte, F r e u u d e , ohne Umgang, ohne Vertraute.
W e r giebt hier Licht über seine L e b e n s f ü h -
rung? kaum erfahren wir vollständig die L e b e n s f ü h rung in seinem K e r k e r ! Durch die Mehrzahl der Fälle wird das Gesagte belegt, und H e i n r o t h scheint m e h r an fingirte Fälle für die Cathederdemonstration, als an die W i r k l i c h keit gedacht zu haben. Als a c h t e n Verstofs führt derselbe an, das P s y chologisiren nach festen Trincipien, nach der A n n a h m e psychologischer Gesetze, z. B. der Ideen-Associationen, wodurch der Mensch den ten erhallen würde.
Charakter eines Automa-
Der Mensch, sagt H e i n r o t h ,
t n u f s nicht d e n k e n , w a s er d e n k t , er i n u f s
nicht
handeln, wie er handelt; er kann auch trotz aller Veranlassung auf eine bestimmte W e i s e zu denken zu handeln, beides dennoch auf andere W e i s e
und thun.
So verhält es sich aber n u r , so lange der Mensch frei ist, sich selbst bestimmt, sein Geist eines gesunden L«bens sich e r f r e u t ; — keinesweges aber, w e u n der Geist b e f a n g e n , unterdrückt, unfrei, d. h. krank ist.
W e r kann von einem am hitzigen Fieber leiden-
den sagen, w e n n er irre redet:
er i n u f s nicht den-
ken, wie er d e n k t , er m u f s nicht handeln, w i e er handelt?
W e r von einem durch W e i n
berauschten,
an Hirnentzündung leidenden u. s. w . ?
Dergleichen
organische Veranlassungen zu Verletzungen des H i r n lebens und davon abhängigen Seelenstürungen, die das
—
51
—
Individuum hindern, so zu denken, zu wollen, zn h a n deln, w i e dieä iin Zustande der Gesundheit möglich ist, giebt es noch viele.
Durch organisches
Krank-
sein mancher A r t wird die freie Selbstbestirnmbarkeit f ü r k ü r z e r e oder längere Z e i t , oder selbst f ü r immer aufgehoben, und ebenso wie hier ist auch die geistige Freiheit bei den eigentlich sogenannten SeelenstöruDgen vernichtet, w a s grade den Charakter derselben ausmacht.
Der Verf. sagt auch selbst:
Al-
lerdings ist es unstatthaft, die Handlungen des Menschen , s o
lange er
noch
bei V e r n u n f t
ist,
durch Naturgesetze leiten zu lassen. — Aber der Seelengestörte ist eben nicht m e h r bei V e r n u n f t , seine Organisation ist verletzt, die freie Selbstbestimmbarkeit ist, durch den Einilufs neuer abnormer Naturgesetze aufgehoben. — So lüdtet der
Schwermiithige,
der Hypochondrist, dessen besserer Zustand noch vor K u r z e m nach Hülfe zur Erhaltung des in vermeintliche Gefahr gerathenen Lebens sich ängstlich
sehnte,
einige W o c h e n später ¿ich selbst, nachdem die Z u nahme seines organischen Krankseins i h m den
ge-
ringen Rest seiner V e r n u n f t raubte, durch einen psychischen D r a n g dazu entschieden, dessen Abwendung seiner W i l l k ü h r nun entgegen w a r . E s ist daher kaum begreiflich, wie
Heinroth,
mit seinen eigeuea Angaben im graden Widerspruch, eine solche Behauptung wie diese hat aufstellen k ö n nen ; wie er h a t verlangen k ö n n e n , ddfs bei der Untersuchung zweifelhafter Geraüthszustände, die f r e i e W i l l k ü h r stets als vorhanden angenommen müsse.
4
werden
52
—
—
Der folgende n e u n t e V e r s t o ß soll e i n
Haupt-
veratofs s e i n , und darin bestehen, dafs der A r z t nicht zu a l l e r e r s t , vor uem B e g i n n e n seines übrigen
Ge-
schäfts, den Gehalt und W e r t h des Z w e i f e l s und B e d e n k e n s untersucht, w e l c h e überhaupt zur Aurforderung arztlicher Früfung Veranlassung gegeben.
Wenn
sich die Nichtigkeit dieses Z w e i f e l s oder B e d e n k e n s durch psychisch-ärztliche W i s s e n s c h a f t darthnn liefse, so sei alle w e i t e r e Untersuchung
und
Begutachtung
überflüssig, denn das Hindernifs der A n e r k e n n u n g des Verbrechens sei gehoben. Hierin k a n n aber k e i n Ilauptverslofs liegen.
Der
A r z t w ü r d e höchstens e t w a s Ueberflüssiges lliun, w a s man i h m erlassen k ö n n t e , daraus nicht e r w a c h s e n . Untersuchung
schädlich
aber Nachtheile
würden
Wie
sollle eine
genauere
werden
können?
Könnten
Umstände dadurch eine Erläuterung, eine A u f k l ä r u n g g e w i n n e n , die man lieber im Dunkeln gelassen h ä t t e ? Man müfste den A u f w a n d an Zeit und die V e r z ö g e rung der Entscheidung m e i n e n , geführt w e r d e n ,
die dadurch
herbei-
sonst ist es nicht begreiflich, w i e
eine beim ersten Dafürhalten überflüssig scheinende Untersuchung und Begulachtung n a c h t h e i l i g
wer-
den könnte. — Ueberdies w e r d e n aber d e m A r z l e in der R e g e l die Gründe des Z w e i f e l s überhaupt
nicht
und a m w e n i g s t e n in ihren Einzelnheilen milgetheilt, sondern derselbe
nur
i m A l l g e m e i n e n aufgefordert,
über den Gemüthszustand des Inculpaten ein Gutachten abzugeben,
w e i l im V e r l a u f der
Untersuchung
Z w e i f e l über die geistig g e s u n d e Beschaffenheit desselben entstanden w ä r e n .
Und w i e s e i l e n w i r d
es
—
53
—
dem Arzte, wenn er gewissenhaft bandeln will, möglich sein, über den Grund oder Uugrund des Z w e i fels zu urtheilen, ohne in die Sache genau einzugehen d. b. ohne die vollständige Untersuchung zu führen. Der z e h n t e Verstofs endlich entsteht, wenn der ärztliche Inquirent historische Data falsch auslegt, oder gar blofse eigene Erfindungen oder Vermuthungen für historische Data ausgiebt und darauf bauet. H e i n r o t h hat vollkommen recht, wenn er ein solches Verfahren streng rügt. Leider kömmt es häufig genug v o r ; doch hat derselbe seinen Forderungen an Andere ungelreu bei den Prüfungen der Gutachten andrer Aerzte hiergegen selbst gefehlt. Offenbar hat er historische Data falsch ausgelegt, wenn er behauptet: (d. v. a, Schrift pag. 58, 59 elc.) „ W e i l S c h i n o l l i n g 1) den Genufs des Branntweins liebte, weil er 2) in Befriedigung des Geschlechtstriebes liederlich w a r , und w e i l er 3 ) Schulden g e macht, — so lasse sich annehmen, dafs er seine Lehne in einer v e r b r e c h e r i s c h e n Absicht e r m o r d e t h a b e , die jede Vermuthung einer bei ihm Statt gefundenen Gemiilhskrankheit ausscliliefse." — W e r d e n hier nicht historische Data offenbar falsch und ganz w i l l k ü h r l i c h ausgelegt? Giebt es nicht Tausende, die jene Uoregelinäfsigkeiten, welche Niemand tadellos finden wird, ihr ganzes Leben hindurch begehen, und denen man ein schreiendes Unrecht z u f ü gen w ü r d e , wenn man sie deshalb des Mordes für fähig halten wollte ?
— Heinroth thung, und
hat
54
—
hier
offenbar e i n e
dafs S c h m o l l i n g
die L e h n e w o h l böslich
m i t freier S e l b s t b e s t i m m b a r k e i t
könne,
Vermu-
getüdtet
haben
mit einem historischen Dato, nach w e i c h e i n
dies in der T l i a t
gesclielien
sei,
verwechselt,
und
b a t v o l l k o m m e n Recht, w e n n er b e m e r k t : ,,Das F a l sche in dieser A r t des V e r f a h r e n s brauche nicht
er-
w i e s e n zu w e r d e n . " — Es springt in die A u g e n . — Dies
sind
die
von
Hein roth
aufgestellten
zehen
V e r s t ö f s e , deren die A e r z l e sich häufig schuldig m a chen sollen und deren gefährliche Folgen er höchlich beklagt.
E r h ä t t e zu
diesen
zehen Verslüfsen
noch
den wichtigsten e i l f t e n h i n z u f ü g e n k ö n n e n ,
näm-
lich d e n :
nach
einen z w e i f e l h a f t e n G e m i i ü i s z u s t a n d
e i n e r v o r g e f a l l e n , höchst g e w a g t e n , allen bisherigen Erfahrungen entgegentretenden H y p o t h e s e würdigen z u wollen, statt nach den
Resultaten
wahrer
Erfah-
r u n g zu forschen, w e l c h e einen z w e i f e l h a f t e n K r a n k heilszustand allein in sein rechtes L i r h t zu
setzen
vermag. Nach e i n e r H y p o t h e s e aber soll die B e u r t h e i lung
geschehen,
die höchst gefährlich ist in
ihrer
A n w e n d u n g auf die C r i m i n a l j u s t i z , da s i e , w i e aus d e m Folgenden sich noch ergeben w i r d , den A e r z t e n m i t ihrer heilbiingenden K u n s t es verbietet, die S t r a f würdigkeit
geisteskranker
bestes W i s s e n
und
Verbrecher, — wenn
Gewissen
ihr
es g e s t a t t e t , — nach
ärztlichen E r f a h r u n g e n analoger F ä l l e zu m i n d e r n u n d d a f ü r den i n h u m a n e n und falschen G r u n d s a t z geltend macht,
dafs jeder W a h n s i n n e i n e r moralischen E n t -
artung seinen Ursprung v e r d a n k e .
— A n Hinrichtungen
55
—
o h n e genügende B e w e i s e von
Schuld der Inquisiten würde es nicht fehlen, o b w o h l es sehr zweifelhaft bleibt,
ob ein solches Mittel
ihre
moralische Entartung würdiger s t r a f e , oder i h r e S e e lenstörung gründlicher heile. D i e s e c h s t e und letzte F r a g e e n d l i c h , w e l c h e Heinroth
zur eigenen Beantwortung aufgestellt ftat,
ist d i e : ( p a g . 4 7 ) , , Hat das e r w i e s e n e densein
p s y c h i s c h - k r a n k h a ft e r
bestimmter Individuen zur Z e i t setzwidriger
Handlungen
VorhanZustände
ihrer Vorübung
eine
ge-
entschuldigende
K ra f t ?
O d e r h e b t es blofs die B e s t r a f u n g s f ä -
bigkeit
und auch
Weise a u f ?
diese
vielleicht
nur
H e i n r o t h glaubt selbst,
bedingter
dafs man die
hier zum Grunde liegende Ansicht für m e h r als streng, für inhuman, ja für grausam e r k l ä r e n ,
auch
als
vor
das ärztliche F o r u m nicht gehörig zurückweisen würde. Dies
Urlheil ist schonend g e n u g ,
gerecht.
genstande vertrauter A r z t , wird terdrücken ein
aber
vollkommen
K e i n unbefangener, init dein fraglichen G e können
sein
und es g l a u b e n ,
öffentlicher L e h r e r
der
Erstaunen dafs ein
psychischen
Dinge w i e folgende behaupten konnte. Bichler", Salz
heilst es pag. 4 7 ,
anerkennt,
k o m m t es w o h l Salz
dnJ's
„im
Krankheit
dem psychischen
zu l i m i l i r e n ,
wenn
Heilkunde
,,Wenn
der
Allgemeinen
den
entschuldige, Arzte
er zeigen
welche
unArzt,
zu,
kann,
Krankheiten
giebt,
w e i l sie s e l b s t
v e r s c h u l d e t sind."
nicht
so
diesen dafs
es
entschuldigen, ,,Dieser
Be-
w e i s aber ist peführt, indem gezeigt worden ist, dafs jede S e e l e n s l ü n i n g , die es w a h r h a f t i s t , den C'harnk-
—
50
—
ter der V e r n u n f t b e r a u b t h e i t an sich
trögt,
und
der M e n s c h nur durch seioe
seiner
Vernunft
beraubt
werden
kann.
Schuld
Denn
können den KJensclien wohl Veruuult
allein,
w u ß t s e i n , w i e es bei isl.
Einwirkungen
seines B e w u f s t s e i n s und
damit denn auch der V e r n u n f t der
hufsere
dafs
berauben,
aber
nicht
hei forlbestshendem
Selbstbe-
den Seelenstüiungen
der
D a h e r kann der Mensch nur durch
sich
Fall
seihst,
d. h. durch sein eigenes V e r f a h r e n , durch sein H a n deln wider und ohne die Vernunft;', derselben v e r l u stig gehen, i n d e m die Vernunft nicht auf solche W e i s e an ihn gebunden ist, dafs er nicht selbst sich von ihr treonen k ö n n t e , denn er ist frei, d. Ii. er hat das V e r mögen,
der V e r n u n f t zu folgen
nun in der freiwilligen
oder nicht.
Wenn
Trennung des M e n s c h e n von
der V e r n u n f t die einzige Möglichkeit gegeben ist, w i e er derselben verlustig gehen kann, so folgt auch, dafs dieser V e r l u s t nur durch seine Schuld herbeigeführt w e r den k a n n ; E i n e T h a t demnach in dem vernunftberaubten Zustande verübt, ist eine verschuldete T h a t , und kann folglich den T h ä t e r nicht entschuldigen, darum, d a f s und w e i l
er sie in diesem Zustande verübt hat.
Der Geisteskranke, gleicher Stufe m i t
heifst
es f e r n e r , sieht
dem B e t r u n k e n e n .
heit w i r d als Schuld angerechnet,
Die
Akt
des T r i n k e n s ,
Trunken-
w e i l es des
k e r s Schuld ist, wenn er zu viel trinkt. es ist die T h a t
des
welche die Veniunfiberaublheit herbeiruft.
auf
Es
Trinist
der
Menschen, So
lang«
der Mensch über sich waclit, d. h. auf die warnende S t i m m e der Vernunft liort,
wird er nie zu viel trin-
k e n , und folglich sich nie berauschen. — D e r gleiche
—
57
—
Fall soll nun bei den Seelenstörungen Statt
finden«
So lauge der Mensch der Vernunft Gehür giebt, w i r d er sich nicht von der Leidenschaft unterjochen, v o m W a h n bethören und noch viel weniger vom Laster der V e r t h i e r t l i e i t (sie. 1 ) herabziehen lassen.
Es
ist gleichviel, ob sich der Blensch in sogenannten Spirituosen G e t r ä n k e n , oder ob er sich in Leidenschaft, W a h n und Lastern berauscht. schenden
Diese geistigeu berau-
Getränke bemächtigen sich des Menschen
nie ohne sein Z u t b u n , ohne seine Einwilligung, ohne sein eigenes Begehren und W o l l e n , und zwar gans gegen die W e i s u n g der V e r n u n f t , und nur durch Z u rückweisung der Vernunft. Ilichterstuhle
Es
ist mithin vor dem
der V e r n u n f t nicht zu
rechtfertigen,
wenn der Vollbringer gesetzwidriger Handlungen frei« gesprochen, d. b. f ü r schuldlos erklärt wird, aus dein Grunde, weil er die T h a t in einem Zustande von Seelenslürung beging." Eine unglaubliche Selbsttäuschung ist in der That nötliig, um Behauptungen aufzustellen, die bei der e r sten oberflächlichen P r ü f u n g in Nichts zerfallen, und es zeigt sich hier wieder, zu welchen
Ungereimthei-
ten die Folgerungen aus falschen Vordersätzen fuhren können.
So wenig, wie oben ausführlich gezeigt w o r -
den, die Seelenstörungen durch eigene Schuld, durch die Hingebung zur Sünde und Lasterhaftigkeit entstehen k ü u n e n , so wenig statthaft ist diese menstellung
der
Geisteskranken
und
Zusam-
Betrunkenen.
Der Berauschte, der es w u l s l e , dafs der übermäfsige Genufs geistiger Getränke ihu seiuer Vernunft berau-
—
58
—
ben kann und wird, h a t t e diesen Genurs zu
meiden,
um in diesen Zustand der Vernunftberaubtheil
nicht
zu g e r a t h e n ;
nicht
und das Gesetz wird ihn daher
ungestraft l a s s e n , w e n n er in deten
Zustande
diesem
gesetzwidrige
laubte. — W i e ganz anders verhält Geisteskranken!
Sind w o h l
selbstverschul-
Handlungen
es sich mit
die an
leidenden m i t den Veranlassungen
sich
erden
Seelenstörungen
zu ihrer
Geistes-
zerriittung, w i e die Erfahrung sie n a c h w e i s e t , zuvor bekannt g e w e s e n , um ihrer E i n w i r k u n g h e n zu k ö n n e n ? hen?
entzie-
Und wären sie damit bekannt
w e s e n , hätten sie es vermocht ten
sich
S i n d denn
selbst herbeigeführte
und L a s t e r , — diese
geistig
Leidenschaf-
berauschende
l r ä n k e , — hinreichende und g e w ö h n l i c h e sungen zu S e e l e n s t ö r u n g e n ?
ge-
sich ihnen zu entzie-
Thysische
Ge-
Veranlas-
und
psychi-
sche Ursachen sind es vielmehr, die in der Regel ganz unverschuldet sind.
Diese schädlichen
kommen unerwartet, chen Folgen.
Einwirkungen
ungeahnt m i t ihren
D i e Unglücklichen
wissen
sie ihnen begegnen, sie wissen n i c h t ,
fürchterlin i c h t , daTs
dafs und
wel-
che Folgen sie haben w e r d e n , sie wissen nicht ihnen zu entiliehn.
Nicht durch ihr Z u t h u n ,
wie
liein-
r o t h sagt, nicht durch ihre Einwilligung, nicht durch ihr
eigenes
ihnen
Begehren
heimgesucht.
e n t s t e h e n T gleich Alle
und W o l l e n Wie
anderen
wahrnehmbare
der geübteste A r z t ,
manche
sie
von
Seelenslörungen
Nervenkrankheiten,
Veranlassungen,
ohne
ohne dafs
obgleich i h m Alles daran liegt,
sich über die U r s a c h e n L i c h t möchte.
werden
zu verschaffen
ver-
—
59
W e n n daher H e i n r o t h
— behauptet,
nur
durch
seine Schuld werde der M e n s c h s e i n e r V e r n u n f t r a u b t , — so ist dies eine A r t von S c h u l d , mand
e n t d e c k t , Niemand
die
Nie-
ahndet und am wenigsten
der Criininalrichter, w e l c h e r a u f o b j e k t i v e nehmungen
be-
angewiesen i s t ,
zu
constatiren
"Wahrvermag.
Häufig findet sich k e i n e S p u r v o n L e i d e n s c h a f t ,
von
L a s t e r , viel häufiger entstehen iui graden Gegensatze diese K r a n k h e i t e n bei den reinsten, besten, biedersten Mensrhen, denen k e i n O p f e r
zu
grofs gewesen
»ein
w ü r d e , einem solchen Unglück für sie selbst und für ihre Familie zuvorzukommen, w e n n sie das v e r m o c h t hätten.
Halten wir dennoch
zuzurufen: Euer
w o h l das R e c h t ,
ihnen
das Unglück, w a s E u c h trifft, k a m
durch
Zuthun ,
durch
Eure
Einwilligung;
s e l b s t habt es begehrt, h a b t e s
Ihr
gewollt?
Aufserdem sind noch folgende W i d e r s p r ü c h e und Inconsequenzen zu bemerken , die hauptungen H e i n r o t h s
sich aus den B e -
ergeben:
1 ) behauptet derselbe: , , A e u f s e r e E i n w i r k u n g e n , sie mögen nun
als zunächst iin organischen
selbst erzeugte Abnormitäten
Leben
in das psychische
ben eindringen, w i e E p i l e p s i e , A p o p l e x i e ,
Le-
Hirnent-
zündung u. s. w . , oder sie mögen ganz eigentlich von •ufsen,
und als mechanische
oder dynamische
oder
psychische Schädlichkeiten a u f den Menschen e i n w i r ken,
z. B .
mechanische
Verletzungen ,
beigebrachte
Gifte, S c h r e c k u . d g l . , A l l e s dies k a n n w o h l den M e n schen seines B e w u ß t s e i n s berauben, uud dadurch die Bedingung der Yeruuuftersclieiuuug
überhaupt auflie-
—
60
—
ben, als welche ja an d a s B e w u ß t s e i n
geknüpft
¡st;
aber hierdurch wird auch zugleich die Bedingung alles H a n d e l n s a u f g e h o b e n ; denn dieses ist an
den
Willen g e b u n d e n , der W i l l e aber an die Tersünlichkeit oder Ichheit, die ja eben ohne S e l b s t b e w u ß t s e i n nicht
denkbar
ist."
— Die
alltäglichste
lehrt aber, dafs durch diese aufseren die
Fähigkeit zum
Erfahrung
Schädlichkeiten
Handeln überhaupt
häuGg
nicht
aufgehoben wird, sondern nur die Fälligkeit zuin vernünftigen Handeln. D e r Epileptische, der in der Hirnentzündung R a sende,
der durch narkotische Gifte B e r a u s c h t e ,
der
durch Schreck aufser F a s s u n g gebrachte, vermag allerdings zu h a n d e l n , begeht nicht selten
gesetzwidrige
Handlungen in seinem Zustande, aber er handelt nach innerem
blinden
Drange,
denn
seine V e r n u n f t
überwältigt uud vermag nicht, ihn z u leiten. Fähigkeit zu haudeln setzt a b e r ,
ist
Diese
w i e auch
Hein-
r o t h angiebt, das Vorhandensein, des S e l b s t b e w u f s t seins voraus, und es ist daher falsch , wenn
derselbe
behauptet, durch solche äufsere Einwirkungen der Mensch der Vernunft nur dadurch
könne
verlustig
hen, dafs deren nothwendige Bedingung das b e w u ß t s e i n , aufgehoben w ü r d e , die Vernunft
ge-
Selbstallein
aber, und g r a d e z u , bei fortdauerndem S e l b s t b e w u ß t sein, ( w i e es bei den Seelenslörungen der Fall
sei,)
k ö n n e der Mensch nur durch seine Schuld, durch freiwillige
Trennung
von
derselben
verlieren.
Wenn
aber, w i e aus dem Gesagten erhellt, der Mensch durch mancherlei andere rein organische Krankheiten seines
—
61
—
Vernunftgebrauches verlustig gehen k a n n , w a r u m sollen ähnliche Verhältnisse nicht auch bei den Seelenstörungen Statt Notwendigkeit, gene
Schuld
finden können ? dafs
er
verloren,
"Woraus folgt die
sie hier durch seine e i dafs er sie freiwillig v e r -
trieben ? 2)
Trunkenheit kann
bekannter Maafsen auch
ohne Schuld des Menschen entstehen, w a s auch H e i n r o t h zugiebt, denn er sagt:
,, den Betrunkenen b e -
freiet die in der T r u n k e n h e i t begangene Frevelthat nicht einmal von der S t r a f e ,
geschweige denn
von
der Schuld, v o r a u s g e s e t z t , dafs er die Schuld der Trunkenheit trägt, w a s allezeit der Fall ist,
wenn
der Mensch weifs w a s er t r i n k t . " — W e n n
er es
nun aber nicht w e i f s , so k a n n er die Schuld n a t ü r lich nicht tragen, und es wird hier also derselbe v e r nunftberaubte Zustand, das eine Mal durch die Schuld des Menschen, das andre Mal nicht durch seine Schuld, hervorgebracht. — Nun aber soll
der
Mensch dia
Vernunft allein bei fortdauerndem Selbstbewufstsein und hierauf sich gründender Fähigkeit zu ( w i e sie H e i n r o t h
handeln,
bei der Trunkenheit natürlich
annimmt, da er von in derselben begangenen F r e v e l thaten spricht) nur durch seine eigene Schuld verlieren k ö n n e n , w o r a u s denn folgen w ü r d e , dafs, w e n a er n i c h t
durch seine Schuld betrunken
geworden
wäre, er dann die Vernunft entweder überhaupt nicht verlieren w ü r d e , da er sie nur durch seine Schuld soll verlieren k ö n n e n , als welches bekanntlich falsch ist, oder dafs er sie n u r dadurch verlieren
würde,
—
dafs die Bedingung
G2
—
der Vernunfterscheinung
haupt, das Selbstbewufstsein, und
über-
damit denn aucli
die Bedingung alles Handelns, mithin die Fähigkeit h i e r z u , aufgehoben w ü r d e , — als welches ebenfalls falsch ist. 3 ) Hat H e i n r o t h selbst die Frage aufgeworfen: „Wenn
das berauschende Getränk
im
Stande
ist,
dem Menschen die Vernunft zu rauben, w a r u m sollten dies andere äufsere Schädlichkeiten oder innere organische
Abnormitäten
nicht
auch
vermögen?"
Diese Frage aber ist von ihm unbeantwortet
gelas-
sen, w a s um so auffallender ist, da er unmöglich den Grund d a v o n , und
dafs andere äufsere
organische Abnormitäten
den
Schädlichkeiten Menschen
nicht
tollen seiner Vernunft berauben können, darin suchen k a n n , dafs das berauschende Geträuk durch die eigene Schuld des Trinkers auf diesen einwirkt, denn er selbst hat auf derselben Seite zugegeben,
dafs es
auch eine n i c h t v e r s c h u l d e t e Trunkenheit giebt. W e n n aber zugegeben wird , dafs berauschende tränke
Ge-
den Menschen auch ohne seine Schuld der
Vernunft berauben k ö n n e n , und dieser Zustand der Vernunftberaubtheit den Seelenstörungen
gleich ge-
stellt wird, — w i e es H e i n r o t h selbst gethan hat, und
w i e es
auch
wirklich geschehen
m u f s , — so
folgt daraus, dafs andere äufsere Schädlichkeiten und organische Abnormitäten, bei denen ebeufalls keine Schuld des Menschen Statt findet, ebensowohl Vernunft müssen auflieben k ö n n e n ,
die
und mithin —
was eben zu beweisen w a r , — dafs eine Schuld des
—
63
—
Menschen zum Hervorbringen einer solchen Vernunft, beraubtheit nicht erforderlich ist. H e i n r o t h verlangt ferner, dafs der Geisteskranke, der während seiner Krankheit eine gesetzwidrige Handlung beging, bestraft werde, sobald er von s e i n e r Seelenstörung geheilt sei. „ W i e seineThat nicht ungeschehen gemacht werden könne, heifst es pag. 53, so könne auch die Strafe für die Verschuldung nicht ausbleiben , die den Zustand herbeiführte, in welchem die That geschah. Einen solchen Menschen freisprechen würde heifsen: ihm die Schuld nicht anrechnen. Dies könne wohl der ewige Richter, der alle Schuld vergeben k a n n , aber nicht der menschliche, der k e i n e v e r g e b e n d a r f ! Das I n dividuum quaest. dürfe also nicht auf freien Fufs gesetzt werden; es müsse, so lange es lebe, entweder im Irrenhause bleiben, oder an einem anderen Ver*> wahrungsorte. — Der Richter könne aber erst strafen, wenn die Schuldigen straffähig w ä r e n , und sie wären es nach ihrer völligen Genesung. Ihr Nichtzurücktreten in die bürgerliche Gesellschaft sei ihre gerechte Strafe." — Eine solche Grausamkeit üben, hat kein Gerichtshof bisher gewollt, und der Himmel möge ihn vor solchen Verirrungen bewahren. W e r würde ihm das Recht geben, einen Unschuldigen zu strafen, und unschuldig ist der Wahnsinnige, Tobsüchtige, Epileptische, der in einem Anfalle von W u l h , mag die Manie als occulte oder manifeste sich charakterisiren, sein Weib, sein Kind, seinen Freund erschlägt. Das
—
64
—
freie Selbstbewußtsein war ihm entzogen, er hatte das Vermögen verloren, die Folgen seiuer Handlungen zu würdigen, und darum ist das Criminalgesetz auf seine im Zustande der Unfreiheit begangene That nicht anwendbar. W e n n der Staat einen solchen Unglücklichen in eine
Irrenanstalt
oder an einen andern sichernden
Verwahrungsort bringen läfst, so geschieht dies nicht, um ihn nach erlangter Genesung noch hinterher zu strafen, und nicht nach H e i n r o t h „weil der menschliche Richter ihm seine Schuld ( ? ) nicht vergeben darf," sondern, weil auch nach scheinbar völliger Genesung die Unmöglichkeit der Rückkehr eines plötzlichen Recidivs im Zustande der Freiheit hier nicht mit Gewifsheit verheifsen werden k a n n , mithin Erneuerung unglückbringender gesetzwidriger
eine
Hand-
lungen l e i c h t möglich ist.
Erweisen
sich
nach
dieser
Beleuchtung
vom
Standpunkte der Erfahrung aus die Grundsätze von H e i n r o t h s Lehren als falsch und nichtig,
so müs-
sen es auch alle die Folgerungen sein, die aus ihnen hergeleitet sind. Es müssen daher dasselbe Gepräge auch die Revisionen aller der Gutachten über bereits gerichtlich entschiedene und abgemachte Criminalfälle tragen, die der Verf. in dieser Schrift, im 2ten Abschnitte, unter Titel 1 , 2 und 3 pag. 56 seq. bekannt gemacht hat.
— hat.
Wir würden
65
—
daher in materieller Hinsicht die
oben gemachten Ausstellungen nur wiederholen m ü s sen, um tlie leerin Behauptungen und Anmafsungen im Einzelnen nachzuweisen,
und narh Verdienst zu
rügen, welche die formellen E i g e n t ü m l i c h k e i t e n jener Arbeit ausmachen. Unmöglich kann eine solche L e h r e , welche mit den documentirten Resultaten
der Erfahrung
aller
übrigen Aerzte im graden W i d e r s p r u c h e s t e h t , und f ü r sich nur hypothetisch i s t , auch wenn sie nach den Grundsätzen des Strafrechls, — wie w i r jedoch in bescheidenen
Zweifel
z i e h e n , — praktisch
wendbar w ä r e , den G e r i c h t s h ö f e n
an-
Vertrauen
einilöfsen. Der Verf., dem dies nicht entgangen, läfst sich jedoch dadurch nicht irre machet).
Er selbst sagt in sei-
nem System der psychisch-gerichtlichen Medicin.
Leip-
zig 182'i p. 20, 2 1 . : „ E s ist dermalen über die organische Natur der Geisteszerrüttungen nur Eine Stimme! Englische, Französische, Deutsche Aerzte und Nicbta r z l e , Alje behaupten: Der W a h n s i n n ist organische Krankheit!
Nui
der
Verfasser des Lehrbuchs der
Störungen des Seelenlebens steht mit dein
Schwerte
des psychischen Frincips ihnen Allen ganz allein geg e n ü b e r ! " — W e n n der Verfasser dies selbst zugiebt und dennoch verlangt,
dafs man seiner
Hypothese
Glauben schenken, und seiner W e i s e die Natur der Seelenstürungen zu deuten, und die Mittel zu ihrer Beseitigung festzustellen, vertrauen, sogar aus derselben A n w e n d u n g auf die Ausübung der Slrafreclitspflege machen — und künftig nicht blofs die T h a t Klug » Auswahl, I.
^
—
66
—
— sondern auch die geheimnisvolle Quelle und V e r anlassung derselben, die S ü n d e , lich ihm gleich g i l t ,
oder was
die S e e l e n s t ö r u n g
wesentstra-
f e n s o l l ; so dürfen wir wohl fragen: Ob j e ein B e i spiel ähnlichen Selbstvertrauens
unter
Aerzten und
Königl. Wissenschaftliche
Deputation
Naturforschern vorgekommen ist? Berlin, den 31sten Mai 1828.
f ü r das
Medicinal-Wesen.
II. G u t a c h t e n über
den Gemüthszustand eines wegen Veruntreuung i m Dienst zur Untersuchung gezogenen Beamten.
5 *
Geschichtserzählung.
• D e r ehemalige Hospit.il - Verwalte? und Advnknl * * , zurZeit der gegen ihn eröffneten Untersuchung 49 J.ilir alt, war der Sohn eines früher verstorbenen Superintendenten. Er wurde in seinem ällerlichen Hause erzogen, bezog dann die Fürstenschule X . , und später die Universität Z. Nachdem er seine akademische Laufbahn vollendet hatte, wurde er in X . immatriculirter Advokat, und im Jahre 1791 Verwalter des bei seinem Wohnorte gelegenen Hospitals * * Nachdem er seine erste Frau durch den Tod verloren hatte, verheirathete er sich zuin zweitenmal. Er hatte aus der ersten Ehe ein Kind, aus der zweiten drei am Leben. Nicht ganz ohne Vermögen, ist er namentlich Eigenthiimer mehrerer Grundstücke in —. Nachdem eine geraume Zeit hindurch wiederholt Klagen über eigenmächtiges willkührliches Verfahren bei Verwaltung des Hospitals, so wie über Verun-
i r e u u n g e n und Betrügereien des * * erhoben worden, •wurde auf V e r f ü g u n g der vorgesetzten Behörde eine K r i m i n a l - Untersuchung und nach beendigter
g**gen
denselben
Untersuchung w u r d e
nem Erkenntnil's des Kriminal - S e n a t s des
eröffnet, nach
ei-
Königli-
chen K a m m e r g e r i c h t s vom October 1 8 1 6 für
Hecht
e r k a n n t , dals der * * wegen V e r l e t z u n g seiner A m t s pflichten grober nen
bei
der
V e r w a l t u n g des
Veruntreuung
Kasse,
der
Anfertigung
Hospitals * *
i h m anvertraut falscher
gewese-
Privat-Schriften,
Insubordination gegen das Consistoriutn zu W . ,
Wi-
derspenstigkeit gegen die Abgeordneten des letzteren, grober V e r b a l - I n j u r i e n gegen die Inspectoren des Hospitals und
wegen
Hospitaliten,
(junlificirten B e t r u g e s gegen
die
als H o s p i t n l v e r w a l t e r und Advokat zu
c a s s i r e n , und zu allen ferneren öffentlichen A ein lern f ü r unfähig zu e r k l ä r e n , aufserdem mit einer v i e r j ä h rigen Festungs - A r r e s t - S i r a f e zu
b e l e g e n , und
den
durch sein Verbrechen dein Hospital und den Hospit a n t e n verursachten Schaden zu erstatten, i m Fall s e i nes Unvermögens aber den e r s t e m iu einer öffentlichen A n s t a l t abzuarbeiten g e h a l t e n , endlich auch die K o s t e n der Untersuchung zu tragen verbunden sei. Als
dem
Inculpaten
das Erkenntnifs
publicirt
•worden, e r k l ä r t e er sich d a h i n , dafs er g e s t e h e , sich vergangen zu haben, allein seine Gesundheitsuinstände und seine übrige körperliche Beschaffenheit habe ihn dazu veranlafst.
Er bereue sein V e r g e h e n , doch hoffe
er, dafs durch e i n e a n d e r w e i t i g e V e r t e i d i g u n g dieses E r k e n n l n i f s w e r d e gemindert w e r d e n .
In einer von
i h m selbst verfafsten neuen V e r l h e i d i g u n g s - Schrift
—
71
—
führte derselbe am Schlüsse a n : Er hoffe, dafs sein sehr schwächlicher Gesundheitszustand eine Milderung des ihm zuerkannten Festungsarrestes, und zwar nach siichsisclien Gesetzen: tanquam persona miserabilis et inorbo chronico laborans, zu Statten kommen werde. Ein von dem ehemaligen Professor Dr. K . in W . vom April 1802 an den Inculpaten gerichtetes Schreiben bekundet, dais Letzterer damals sich der ärztlichen Hülfe desselben bedient, und dafs er früher am Bluthusten und Verdauungsbeschwerden gelitten habe. Unmittelbar nach Publicirung des Erkenntnisses überreichte die Ehefrau des Inculpaten mit den Schwestern, Brüdern und Kindern desselben eine Bittschrift init dem Antrage: den Verurtheillen der Allerhöchsten Gnade Sr. Majestät des Königs zu empfehlen, ¡•dem derselbe an L e i b und S e e l e krank, gröfstentlieils in düstere Schwermuth versunken, und dafs die fixe Idee bei ihm sich zeige, dafs das, was er sich in seiner Hospital-Verwaltung zu Nutzen gemacht, als ein erlaubtes Accidens um deswillen betrachtet und gerechtfertigt werden müsse, weil er aufserdem nicht vermögend gewesen sei, von seinem übrigen geringen Diensteinkommen seine unentbehrlichsten Lebensbedürfnisse zu bestreiten. Schon über ein Jahr lang sei er einer jeden Gesellschaft ausgewichen, in welcher er die Untersuchungs-Commissarien anzutreffen vermuthet, weil ihm die Vorstellung vorgeschwebt, er könne bei solchen Gelegenheiten von denselben ums Leben gebracht werden | ja er habe sogar die Idee geäufsert, dafs die Untersuchungs-Commissarien beabsichtigten, ihn durch ein bekanntes Haupt einer Spitz-
bubenbande, zu lassen.
der dort gefangen Diefs veranlasse
gesessen,
sie,
darauf
umbringen anzutragen:
den L e i b e s - und G e m ü l h s z u s t a n d des I n c u l p a t e n durch den A m t s - T h y s i k u s D r . H. oder einen a n d e n . approb i r t e n A r z t untersuchen zu lassen. Der A m t s - P h y s i k u s Dr.
H. bezeugte darauf u n -
t e r dein 5ten N o v e m b e r 1 8 1 6 in einem k u r z e n A t t e s t e : dafs d e r * * 6eit l a n g e n J a h r e n mit e i n e m chronischen Brustleiden
behaftet,
seine R e s p i r a t i o n
g e w e s e n s e i , dafs e r häufig
an
sehr
beengt
einem t r o c k n e n ,
oft
a n e i n e m m i t v i e l e m blutigen E i t e r a u s w u r f v e r b u n d e n e n Husten l e i d e , und sein gegenwärtig s e h r abgemagerter
Ivürper alle
entwickelnden wahren
Zeichen
eines
siecher
sich
mehr
Lungenschwindsüchtigen
Zu-
s t a n d e s offenbare, m i t w e l c h e m L e i d e n sich ein buchst hypochondrischer,
p e r i o d e n w e i s e durch eigene
sich v e r r a t h e n d e r ,
s e h r in die A u g e n
Ideen
fallender
Zu-
stand, zufolge d e m i h m m a n c h e D i o g e in e i n e m ganz andern
als dein
wahren
Lichte
erscheinen,
verge-
sellschaftete. H i e r a u f w u r d e von dem K ö n i g l i c h e n
Kammeige-
rxcht unter d e m 2 5 s t e n N o v e m b e r 1 8 1 6 v e r f ü g t , dafs v o n S e i l e n des G e r i c h t s e i n e müthszustandes
Untersuchung
des A n g e s c h u l d i g t e n
s t ä n d i g e Yeraulafst w e r d e n
sollte,
mit
durch
des
Ge-
Sachver-
welchem
Ge-
s c h ä f t d e r A m t s - i ' h y s l k u s D r . H . und der D r . K . in B . beauftragt w u r d e n . Diesem Aerzte,
Auftrage
geinäfs
verfugten
der D r . K . am 1 2 t e n D e c e m b e r ,
sich
beide
der A i n t s -
p h y s i k u s Dr. H . am lOten desselben, zu dem in der d o r tigen A u i t s f r o l i u v e s t e i m A r r e s t s i t z e n d e n
und u n -
—
73
—
terbielten sich mit demselben jeder eiDzeln, um seinen Gemiitliszustand zu prüfen.
Jeder gab sodana
ein besonderes Gutachten hierüber ab, deren w e s e n t licher Inhalt folgender ist.
Der A m t s - P h y s i k u s
Dr.
H. versichert in seinem Gutachten, dafs er den I n culpaten seit 14 Jahren kenne.
Er habe einen langen,
hagern, sehr abgezehrten Körper, einen engen flachen Brustbau, gelbfahle
Gesichtsfarbe,
und habe früher
öfters krampfhafte Zufälle,
Bluthusten
krampf gehabt.
habe derselbe öfters an
Außerdem
und Magen-
Verdauungsschwache, Obstructionen und solchen Z u fällen gelitten, welche eine widernatürliche Reizbarkeit seines Nervensystems bekundeten. Freunde, ja
Gegen seine
gegen seine nächsten Verwandten habe
er immer ein Mifslrauen gezeigt, und bei zu fassen« deu Entschlüssen eine ängstliche offenbaret.
Unentschlossenheit
In grüiseren Gesellschaften
habe er i m -
mer eine eigene Schüchternheit verrathen, seine B e hauptungen habe er immer mit vieler Halsstarrigkeit zu vertheidigen gemacht,
gesucht.
Er habe häufig Diätfehler
viel K a l l e getrunken und immerwährend
Tabr.ck. geraucht.
In Hinsicht seines geistigen
Ver-
mögens sei Inculpat von der Natur etvras stiefmütterlich ausgestattet.
E r sei ein schlaffer D e n k e r ,
fälle
immer schlaffe Urtheile, sein Memorium hingegen habe sich stets als gut bewährt.
Seit der gegen ihn ge-
führten Untersuchung habe er oft geklagt, wie unschuldig er leiden müsse, und habe über die HospitalInspectoren ihn
als seine schrecklichsten Verfolger, die
unschuldiger W e i s e
an den Bettelstab bringen
wollten, laut geklagt, indem er sich unschuldig fühle,
—
74
—
und die V o r t h e i l e , die er b e n u t z t , w o h l hatte lich verlangen k ü n n e n , indem er von stimmt Familie des
gewesenen kleinen sonst nicht
ärztlichen
habe
dem
Dienstgelialle
ihm
mit
leben k ö n n e n .
Besuchs hustete
rechtbe-
seiner
Während
der Inculpat
häufig,
respirirte sehr bewegt, sein A u g e zeigte einige A e n g s t lichkeit und U n r u h e , und a u f die Frage, w i e er sich jetzt b e f ä n d e ? ten
äufserte er sich d a h i n :
Brustbeschwerden
fortdauerten,
dafs sie
disch s c h w ä c h e r und stärker w ü r d e n , terung dafs
er
auf
seinen K ö r p e r
Wit-
mächtigen Einflufs
habe,
kein
h a b e , sein Appetit erträglich s e i , gesunder
perio-
dafs die
seit einigen T a g e n
w e r k z e u g e jetzt
dafs seine a l -
Blut
ausgeworfen
seine
Verdauungs-
schienen,
tionen seltener wie sonst einträten,
seine
Obstruc-
dafs das i m m e r -
w ä h r e n d e S i t z e n ibm nicht b e k o m m e ,
dafs e r
die
K r ä n k u n g , die ihn betroffen, nicht verdiene, und dafs e r unschuldig leiden müsse.
Aus allem diesen schliefst
der V e r f a s s e r , dafs der Inculpat an einer t i e f w u r z e l t e n Hypochondrie, verbunden nicht völlig ausgebildeten
noch
Lungenschwindsucht
leide.
W a s se'nen Seelenzustand betreffe, so sei
besonders
der Umstand w i c h t i g , dnfs der Inculpat gegen letzte Inspection
einge-
init einer
ein halsstarriges
Benehmen
seine bewie-
sen h a b e , und dafs er sich reines Gewissens
fühle,
obgleich
geübt,
er
überwiesen
der V e r u n t r e u u n g e n , worden:
dafs
er
welche
glaube,
er
unverdiente
K r ä n k u n g e n zu erleiden, und dafs er m i t Geduld s e i n e m S c h i c k s a l entgegen s e h e .
Man solle n i c h t g l a u -
b e n , dafs hier irgend eine Verstellung obwalte.
Man
m ü s s e die Nachsicht e r w ä g e n , die i h m seiner K r ä n k -
_
75
—
lichkeit wegen von Seiten seiner Eltern zu Theil geworden. Hiezu käme seine Hypochondrie, deren Ursachen auf seine groise Sensibilität mächtig einwirkten. Bei diesen Umständen könnte der Inculpat leicht zu falschen Ansichten und Begriffen gelangen, die cur nachtheiligsten Reife für ihn gedeihend, irrige und strafbare Handlungen erzeugen. Der Amts-Physihus Dr. H. erklärt sich nach allem diesen dahin, dafs der * * n i c h t b e i v o l l k o m m e n e m V e r s t ä n d e gewesen sei, um das Moralische seiner Handlungsweise zu erkennen. Er sei unter diejenigen zu zählen, die, indem sie sich ihrer gegenwärtigen Verhältnisse bewufst, sich der Vergangenheit erinnern könnten, daher als v e r n ü n f t i g anzusehen seien, aber in Rücksicht eines gewissen Gegenstandes (bei ihm der Handlungsweise im Officio) verrückte Begriffe hegen. Der Dr. K . äufserte sich in seinem Gutachten über das Befinden des * * auf folgende W e i s e : Sein Ansehen sei etwas verstört, sein Blick scheu. Die schwindsüchtige Anlage sei nicht zu verkennen, er huste immerfort und werfe viel eiterartigen Schleim aus. Sein Nervensystem sei überaus reizbar. Er klage übrigens gegenwärtig nicht, esse mit Appetit, und schlafe besser als sonst. Sein Geisteszustand schiene ruhig, und er versichere: dafs er sich über sein Schicksal nicht kränke. Trennung müsse einmal in diesem Leben statt finden, und daher werde er auch wissen sich von seiner Familie zu trennen. Seine Frau müsse denken: er sei gestorben. Ueber den Tod seines vor Kurzem gestorbenen Kindes
—
76
—
schiene er sich nicht zu betrüben.
Der Dr. K . fügt
hinzu, der Inculpat sei sehr mifstrauisch, indem er die Idee hege: seine Familie wolle ihn verrückt inachen.
Er habe mehr Zutrauen gewonnen als er ihm
gesagt, seine ganze Sendung gehe darauf hinaus, seinen Gesundheitszustand zu untersuchen:
ob er auch
werde die Festungsstrafe ertragen können , worauf er geäufsert, dafs das stete Sitzen ihm äufserst nachtheilig sein werde.
Er versichere, in seiner ganzen A m t s -
führung
Pflichten
seine
redlich
erfüllt
h a b e n , sein Dienst sei allerdings von der A r t
zu
gewe-
sen, dafs er nicht davon habe leben können, wenn er nicht anderweit sich was zu verschaffen gesucht, und da er als Hausvater seine Familie habe ernähren m ü s sen , so habe er auch zugleich mit für sich gesorget, wobei er jedoch die Vorlheile des Hospitals nicht aus den Augen gelassen habe.
Er begreife nicht, w i e m a n
so streng mit ihm verjähren könne.
W e n n er dem
Hospitale Subjekte z u f ü h r e , so erlaube i h m die O b servanz , dafs er für seine Bemühuugen sich ordentlich lionoriren lasse, und hätte er das nicht gethan, wovon hätte er mit seiner Familie leben sollen? A n seinen
Vorgesetzten
habe
er sich allerdings durch
"Worte vergangen, allein er sei auch genug gereizt worden.
Der Dr. K . betrachtet als das Resultat seiner
Untersuchung: dafs die stete Kränklichkeit deslnculpa« ten dieAusbildung seines Geistes vermindert, und seine Hypochondrie endlich sein Gehirn und Nervensystem angegriffen habe.
Seine Sensibilität sei am Ende so
hoch gesteigert worden, dafs selbst i m Gehirn falsche Vorstellungen
hervorgegangen.
W e u n - man in den
Akten seine Vergebungen lese, und namentlich sehe, w i e schlau er oft zu W e r k e gegangen, um seine V e r untreuungen zu bemänteln , sc» sollte man wohl g l a u ben, er habe alles mit Bedacht gethan und das Unrecht davon wohl eingesehen. W e n n man aber a l l e s im Zusammenhange betrachte, so sehe man bald w i e der den plumpen, unwitzigen Menschen, der, von f a l schen Grundsätzen irre g e f ü h r t , sich selbst am m e i sten hinterging. Der Verstand sei dem Inculpaten z w a r nicht abzusprechen, da er sich seines Zustande» bewufst s e i , auch alles Vergangenen sich erinnern k ö n n e ; allein w e n n man seine Handlungsweise und sein ganzes Betragen in Erwägung z i e h e , so könne man nicht umhin , i h m in g e w i s s e r Rücksicht richtigen Verstand wegzuleugnen. B e i seiner K r ä n k l i c h k e i t , welche die Ausbildung seines Verstandes v e r hindert, bei seiner Reizbarkeit, seinem Mifs trauen bildeten sich nach und nach i r r i g e Grundsätze, w e l c h e er für Recht e r k a n n t e , und deren Unrichtigkeit er nicht mehr einsehen konnte. Ein V e r n ü n f tiger w ü r d e nicht auf den Gedanken gerathen sein, den er w i r k l i c h oft geäufsert h a b e , dafs die beiden jetzigen Inspectoren i h m nach dein Leben trachteten, und nur eine k r a n k e Phantasie könne ihm vorspiegeln, sie verbänden sich mit dem damals im Arrest befindlichen Spitzbuben-Oberhaupte, um ihn u m b r i n g e n zu lassen. Da Inculpat nun übrigens w o h l bei Verstände s e i ; in Rücksicht seiner Vergehungen aber sich vom begangenen Unrechte nicht überzeugen könne, auch durch k e i n e Belehrung dahin zu bringen sei, dies einzusehen, Verstellung aber sich durchaus Dicht
darlhun lasse, so könne rann wohl nicht in Abreda stehen, dafs er eigentlich unter diejenigen Menschen gehöre, welche die M o r a l i t h t ihrer Handlungen, rücksichtlich gewisser Gegenstände e i n z u s e h e n u n f ä h i g seien. Sein Urtheil lallt daher dahin a u s : dafs Inculpat n i c h t m i t g e h ö r i g e m V e r s t ä n d e begabt gewesen sei, um die Moralität seiner Handlungen einsehen zu können. Der Verfasser fügt hinzu : Es sei allerdings schwierig, über den psychischen Zustand eines Menschen ein Urtheil zu fällen, zumal wenn dieses Urtheil auf die mehrere oder mindere Bestrafung seiner Handlungen Einflufs haben soll. Einmal wolle man sein Gewissen rein erhallen, und •einer rflicht aufs möglichste nachkommen; auf der andern Seite wolle man aber auch dem Inculpnten keinen Schaden zufügen. Er schliefst mit den Worten : Ich gestehe meine Schwäche in Untersuchungen der Art, dafs ich keine Uebung darin habe, und vielleicht getäuscht werden kann. Ich unterwerfe mich daher gerne der Beurtheilung sachverständiger Männer, wenn man mein Gutachten nicht gewichtig genug finden sollte, und werde mich gern belehren und zurechtweisen lassen.
G u t a c h t e n . Nach einer sorgfälligen Vergleicliung der in den Untersuchung?- Akten enthaltenen Thatsaclien mit den
—
79
—
Ansichten und Behauptungen des Kreis-Fhysikus Dr. H. und des Dr. K . in B., hält sich die w. D. für überzeugt, dafs es jenen nicht gelungen sei, es wahrscheinlich zu machen, viel weniger zu beweisen, dafs der * * nicht bei vollkommenem Verstände gewesen , um das Moralische seiner Handlungsweise zu erkennen. Beide Sachverständige sind zuerst bemüht gewesen, darzuthun : dafs der Inculpât als ein Kandidat der Schwindsucht zu betrachten sei. Nach den erzählten Merkmalen, und namentlich nach der Bemerkung über den engen Bau seiner Brust, seiner gelblichen Gesichtsfarbe, oft wiederkehrendem Husten mit Blutspeien und beengter Respiration, mit sogenanntem eiterartigen Auswurf entsteht allerdings der Verdacht, d a b die Organisation der Lungen bereits verletzt sei, und der erste Grad einer knotigen Lungensucht sich entwickelt habe. Aber die Beschreibung dieser Z u fälle ist auf der andern Seite bei weitem nicht vollständig genug, um hierüber so viel Licht, wie leicht zu erhalten gewesen wäre, su verbreiten, indem u. a. nicht bemerkt wurde, ob die äufsere Wärme der Haut von Zeit zu Zeit sich vermehre, um wie viel die Zahl der Inspirationen und der Pulsschläge in einer gegebenen Zeit von der normalen Frequenz ab* weiche, wie der Krankheitszustand des * * zur Morgenzeit sich zu der des Abends verhalte u. s. w . Sodann haben sie gesucht, durch Angabe einer Reihe von Phänomenen nachzuweisen, dafs diese Brustkrankheit mit Hypochondrie verbanden sei. Hierher sind zu rechnen : die Verdauungsschwäche des
—
80
—
K r a n k e n , seine Neigung zu Obstruclionen, die w i d e r natürlich erhöhte R e i z b a r k e i t seines seine ängstliche Unentschlossenheit,
Nervensystems, sein
unnölhiges
Sorgen, seine Schüchternheit, Mifctrauen und Neigung zur E i n s a m k e i t ,
seine
Unordnung in Genüssen etc.
Man k a n n diese Meinung und den Scliluf» i m m e r h i n gelten l a s s e n , dafs die T h ä l i g k e i t des Nervensystems und der Umlauf der S ä f t e in den E i n g e w e i d e n
des
Unterleibes des * * andauernde und w i c h t i g e S t ö r u n gen erlitten h a b e ,
aber diese K r a n k h e i t , w e n n
sie
auch auf den Namen der Hypochondrie Anspruch! m a chen sollte, verdient w e n i g Beachtung f ü r den R i c h ter, w e n n die R e d e davon ist, ob der Angeschuldigte a n einer solchen
Krankheit leide,
die i h n
m a c h e , die Folgen seiner Handlungen zu
unfähig
überlegen,
und namentlich sich seines Verhältnisses als Mensch, a l s Staatsbürger und als B e a m t e r , werden.
klar
bewufst zu
Die Hypochondrie, d. h. die chronische Ner-
venkrankheit
mit
Verletzung der V e r d a u u n g s k r ä f t e
und mit Verstimmung des G e m e i n g e f ü h l s , bei cher der K r a n k e
wel-
unbedeutende Z u f ä l l e für w i c h t i g
hält, seiner nicht gefährlichen K r a n k h e i t stets zu u n terliegen fürchtet und von mannigfaltigen schungen und Einbildungen, eignes Befinden beziehen, Nervenkrankheit,
Sinnestäu-
die sich stets auf
sein
geplagt w i r d , e i n e solche
so lange sie
nicht
zugleich
mit
W a h n s i n n verbunden ist, rauht Niemanden das V e r mögen, die Moralität würdigen.
seiner
Handlungen
d e m er, als A d v o k a t , den üblen A u s g a n g ihn
richtig
Auch a n g e n o m m e n , dafs der * * ,
eröffneten
Untersuchung,
iin
Laufe
zu
nach-
der gegen derselben vor-
— vorhergesehen,
81
wirklich
—
gefürchtet
hätte, dafs die
mit dieser Untersuchung beauftragten Iospectoren des Hospitals, deren persönliche Berührung er ängstlich vermied,
seinem Lehen gefährlich werden,
durch den damals gar umbringen
verhafteten
ja
Dieljesanführer
ihn wohl
lassen würden : so läfst sich l)ieraus
keinesweges s c h l i e f e n ,
dafs derselbe überhaupt
während er jene strafbaren Handlungen
und
begiug, am
Verstände krank und daher unfähig gewesen sei, die moralische Bedeutung der M i e h l e n seines Amtes gehörig zu würdigen.
W e n n man
daher auch anneh-
men wollte, es sei dem Inculpaten mit jener Besorgnifs voller Erust gewesen ; so liefse sich dieselbe unbedenklich als eine Aeufj-erung seiner damaligen h y pochondrischen Verstimmung ansehen, und mit lichen Sinnestäuschungen
und Einbildungen
Hypochondristen, wonach sie ohne allen
ähn-
anderer
objektiven
Grund, jeden Augenblick zu sterben, von jedem
Ge-
witter getroffen, nach jedem Genufs gewisser Speisen durch Schlngflufs getödtet zu werden fürchten,
recht
wohl vergleichen. Endlich sind die Sachverständigen bemüht gewesen , aufser diesen Krankheiten eine wirkliche V e r s t a u d es s c h w ä c h e
des
Inculpaten
anzunehmen,
und zwar von solcher A r t , die auf dem
Vorhanden-
sein einer fixen Idee beruhe, weshalb derselbe nicht bei vollkommenem Verstände
gewesen sein könne,
um das Moralische seiner Handlungsweise zu erkennen. Geist,
Sie
behaupten:
Der
Inculpat
sei ein schlalTer Denker,
falle stets
Urlheile, seine Defensionsschreiben Khii»*» Auswahl. I.
besitze seien für ^
wenig scblaile keine
—
—
besondere Geistesprodukte zu halten etc.
Diesen B e -
hauptungen dari' man immerhin beitreten,
doch -wird
h i e r a u s nicht gefolgert w e r d e n können : dafs der I n culpat an einer k r a n k h a f t e n
Verstnndesschwäche
ge-
litten habe, dafs er sich seines w a h r e n L e h e n s v e r h ä l t nisses nicht k l a r bewirfst g e w e s e n s e i , dafs er seine subjektiven Ueberzeugungen
mit der Objektivität der
Aufsenverliiillnisse verwechselt habe.
Ein Individuum
von w e n i g Geist und von beschränktem
l'itheilsver-
lmigen kann z w a r , unter hefiig einwirkenden c h e n , eben so leicht in w i e ein anderes von
Geisteszerrüttung
Ursa-
verfallen,
höheren Geisteskräften.
Aber
niemand w i r d behaupten können , dafs jenes geistige Naturell als solches schon für k r a n k h a f t zu
halten,
oder dafs gar jene Hypochondrie hinreichend sei, eine solche Beschränktheit des Geistes zu einem p a r t i e l len W a h n s i n n zu steigern.
Diefs in abstracto zu be-
h a u p t e n , ist aller Erfahrung vorliegende k o n k r e t e
Fall
e n t g e g e n , und dafs der eine
solche
Behauptung
nicht r e c h t f e r t i g e , beweist der Inhalt der A k t e n , i n d e m dafür nichts spricht,
w i e die ganz
unerwiesene
Behauptung der eignen unglücklichen Familie des
v
und die von allen faktischen Gründen entblüfste H y pothese der A e r z i e . Der A m t s - T h y s i k u s
Dr. H. v e r s i c h e r t , der
sei unter diejenigen zu z ä h l e n , d i e ,
**
indem sie sich
ihrer g e g e n w ä r t i g e n Verhältnisse b e w u f s t ,
sicli
der
V e r g a n g e n h e i t erinnern können, daher nls V e r n ü n f t i g e anzusehen s i n d ; die aber in Rücksicht eines g e wissen Gegenstandes,
als
bei i h m der H a n d l u n g s -
weise in officio, v e r r ü c k t e Begriffe hegen.
Abge-
—
83
—
seben von dem Widerspruche, der hierin zu liegen s c h e i n t : so spricht diese Ansicht zugleich den Irrt h u m a u s , aui' welchem das Resultat jener Gutachten sich gründet. Der meinen jene A e r z t e , müsse p a r t i e l l v e r r ü c k t sein, weil er nicht begreife, dafs er m e h r e r e "Verbrechen begangen h a b e , weil er sich f ü r unschuldig h a l t e , obgleich er nach dem E r k e n n t nifs 1'ür sehr strafbar erklärt wurde. W e n n aber das Vorgeben einer subjektiven Ueljerzeugnng dieser Art einen partiellen Wahnsinn bekunden k ö n n t e , so würden die meisten Verbrecher für gemülhskrnnk erklärt werden müssen, indem es bekanntlich wenige giebt, die das Maas ihrer Schuld selbst a n e r k e n n e n , und namentlich wenig Fülle von überwiesenen V e r u n t r e u u n g e n , Entwendungen elc. v o r k o m m e n , welche die Verurlheilten nicht mit der N o l h , Nahrungssorgen e t c . , welche die That unvermeidlich zur Folge gehabt, entschuldigt, und sich daher für straflos gehalten hatten. fllit Gewifsheit anzunehmen, dafs der * * die i n nere feste Ueberzeiisung von seiner Unschuld gehabt habe, bleibt übertliel's sehr gewagt, und in den A k t e n befinden sich wichtige Tliatsachen, welche gegründete Zweifel dagegen veranlassen. Seine zum Theil ausweichenden, zum Theil entschuldigenden E r w i e d e r u n gen bei mehreren Vernehmungen, sein Benehmen bei der eigenmächtigen A n n a h m e der Hospitaliten, sein kleimnüthiger Zustand nach Eingang des Erkenntnisses , seine nachträglichen Eingaben, in denen er sich selbst für schuldig erklärt; f e r n e r : nachdem er sich ü b e r z e u g t , dafs seine eigene juristischen Deductionen vor der gesetzlichen Bestrafung ihn nicht schützen w ü r d e n , sein ruhiges Unterwerfen der S t r a f e , dann seine Bereitwilligkeit, den Festungsarrest anzutreten; seine Bilten um Erleichterung und angemessene Ver«i pflegung während dieser .Zeit; alles dies setzt es aufser Z w e i f e l , dafs jene Idee von seiner Schuldlosigkeit gewifs nicht für die Aeufserung eines partiellen W a h n s i n n s gehalten werden könne. Hätte die innere feste Ueberzeugung von seiner Schuldlosigkeit in Hinsicht des wichtigsten Verbrechens, der V e r u n treuungen im A m t e als f i x e r W a h n wirklich statt 0 #
—
84
—
g e f u n d e n ; so •würde er diesen ohne Aufhören in der T h a t geltend gemacht, und ohne G e w a l t z u m Antritt des Arrestes sich nicht bequemt, v i e l w e n i g e r zur Abhüfsung der Festungsstrafe so schnell bereitwillig erk l ä r t haben. Der * * läfst es bei d e m V e r s i c h e r n seiner Schuldlosigkeit bewenden , und sein sogenannter tixer W a h n geht n i c h t , w i e bei w i r k l i c h e n Geis t e s k r a n k e n , ins Leben über. Endlich hat das frühere Leben des Inculpaten und sein Benehmen vor der Untersuchung nirgend e i n e Spur von Geisteszerriiltung an den T a g gelegt, v i e l m e h r erhellet aus den Untersuchungsakten, dafs er bediichtlich genug zu verfahren wuTste, uin überall s e i n e n F r i v n t - V o r t h e i 1, der gerade von Geisteskranken so oft unbeachtet bleibt, zu befordern und e i n e M e n g e von Pflicht Widrigkeiten zu begehen, w i e sie in dieser Dauer und Konsequenz nicht von Individuen von k r a n k e m V e r s t ä n d e , sondern von g e m e i nen Gesinnungen , die den höheren S i n n f ü r Rechtlichkeit ausscbliefsen, zu erwarten sind. Diese Erörterungen w ö g e n h i n r e i c h e n , um das Urtheil zu rechtfertigen: dafs der Geinüthszustand des ehemaligen Hospit a l v e r w a l t e r s und Advokaten * * , so w e n i g auch sein körperliches Uebel v e r k a n n t w e r d e n kann, von der Beschaffenheit nicht g e w e s e n ist, dafs er dadurch aufser S t a n d gesetzt w u r d e , die Moralität seiner Handlungen zu w ü r d i g e n . B e r l i n , den 30sten September 1827.
Königl. Wissenschaftliche Deputation f ü r das M e d i c i n a l - W e s e n .
III. G u t a c h t e n über
den Gemiithszustand und die Zarechnungsfäliigkeit einer jungen Brandstifterinn, wobei die Frage aufgeworfen worden: ob und in wie weit, besonders bei dem Mangel aller äußeren Motive zur That, bei der Inculpatin ein solcher körperlicher oder Seelenzustand anzunehmen sei, der ihre Zurechnungsfähigkeit in Casu concreto ganz oder zum Theil ausschliefst?
GeschicTitserzühlung.
D i e unverehelichte A. S. B . , Tochter de» Häuslers .i. G. B. zu N i e d e r - P . , w u r d e daselbst am 19ten J u lius 1S04 gehören, hat also jetzt ihr 17tes Jalir rückgelegt.
zu-
Von ihrem siebenten Jahre an besuchte
sie die evangelische Schule zu G., in welcher sie L e sen, Schreiben und etwas Rechneu lernte, und che sie erst
wel-
in ihrem 14ten J a h r e wieder verliefs,
nachdem sie von dein dortigeD Prediger den nöthigen Religionsunterricht erhalten hatte und confirmirt w o r den war. "Während ihrer ganzen Schulzeit belrugsie sich nicht nur immer gesittet, got und ileilsig, sondern
machte
sich auch hauptsächlich w ä h r e n d der Zeit des
Con-
lirinanden-Unterrichts des Beifalls und der Liebe i h res Lehrers würdig. Nachdem sie die Schule verlassen halte, sie
von
ihren
wurde
liltern bei dem Bauer R . zu L . als
K u h m a g d vermiethet, in welchem Dienste s i e ,
der
V e r a b r e d u n g g e m ä f s , 32 W o c h e n , Iiis um "Weihnachten 1818 verblieb.
H i e n u f k e h r t e sie zu
tern z u r ü c k , u u d v e r w e i l t e hei diesen vor O s t e r n 1 8 t 9 . um w e l c h e Zeit Bauer
G . B. in
Termiethele.
Grofs-R.,
sie sich
abermals
als
H i e r w u r d e i h r zugleich
des jüngsten K i n d e s ü b e r t r a g e n ,
ihren
bis 14
ElTage
bei
dem
Kuhmagd
die "Wartung
und da s o w o h l
D i e n s t h e r r s c h a f t m i t i h r zufrieden w a r ,
ihre
als auch
sie
nicht die m i n d e s t e V e r a n l a s s u n g h a t t e , ü b e r jene
zu
K l a g e n , so w u r d e i h r e Dienslzeit nach Ablauf derselb e n , gegen "Weihnachten 1 8 1 9 , auf u n b e s t i m m t e Z e i t verlängert.
Ungeachtet
dieses
guten
Verhältnisses,
w e l c h e s ihr k e i n e n Grund gab, sich zu beklagen, g e s c h w e i g e irgend
eine F e i n d s e l i g k e i t oder R o c h e
gen ihre Dieustberrschal't
auszuüben,
legte sie
geden-
noch a m 14ten D e c e i n b e r 1819 in der S c h e u n e ihres D i e u s t h e r r n vorsätzlich F e u e r a n ,
und gab
dadurch
V e r a n l a s s u n g zu d e m A b b r e n n e n nicht n u r des diesem z u g e h ü r e n d e n G e h ü f t e s , s o n d e r n a u c h desjenigen des b e n a c h b a r t e n B a u e r s C. B.
D a s Geständnifs
rer in der Folgezeit von ihr begangenen
und
mehreweiter-
h i n noch besonders zu e r w ä h n e n d e n Diebstähle h a t t e endlich auch das i h r e r B r a n d s t i f t u n g zur F o l g e ,
und
l a u t e n i h r e eignen A u s s a g e n über den dabei statt g e fundenen Vorgang,
so
dazu, folgendermaßen. — ,,dein
unglücklichen
w i e über die „Obngefähr
Brande
erwachte
Veranlassung 14 T a g e ich
vor
einmal
,,plötzlich in der N a c h t , u n d es k a m inir vor, als ob „ m i r j e m a n d z u r i e f e ; trage Feuer in den B a n s e n . — „ I c h e r s c h r a r k d a r ü b e r h e f t i g , und gab mir alle M ü h e , ,, diese E r s c h e i n u n g zu vergessen, u n d den e r s c h r e c k -
—
89
—
„ l i e h e n Gedanken in mir zu unterdrücken.
AHeia
„ s e i t dieser Nacht erwachte e r , so oft ich durch das „ m e i n e r W a r t u n g anvertraute Kind aus dem Schlafe „geweckt
w u r d e , mit mir zugleich immer
wieder,
„ u n d es w a r stets, als ob diese Stimme mir
immer
,,nufs neue zurief, Feuer in den Bansen zu
legen.
„ A u dein unglücklichen Tage, an welchem jener Ge„ d a n k e in mir zur T h a t reifte" ( w o Inquisitinn sich unwohl
befunden, und die seit vorerwähnter Nacht
iimnc-r zunehmende essen
deu
Angst ihr auch
Appetit benommen
beim Mittags-
hatte)
„hatten
wir
,, eben zu Mittag gegessen, als ich eine W e i l e nachher ,, Stroh fürs Rindvieh aus dem niederen Bansen h o ,, len mufste.
Ich hatte eben einige Schütten
zuin
„ K u h s t a l l e getragen, als die Magd A . M. B . mir z u „rief:
ich solle die Töpfe aus der Küche zum A u f -
„ waschen in den Hausflur herbeiholen.
Als ich in
, , d i e K ü c h e t r a t , w a r es wieder, als ob die Stimme, ,,die mich schon seit 14 Tagen gequält h a t t e ,
inir
„ z u r i e f : Nimm eine K o h l e und trage sie in den Bao„sen.
Ich griff daher mit der blofsen Hand in
den
„ O f e n , in weichein noch Kohlenfeuer w a r , nahm eine „glühende Kohle,
kaum von der Länge eines Fio->
„ gers , und steckte sie in ineinen Schubsack,
Hier-
,, auf n a h m ich die Töpfe, die ich der Magd bringen „ sollte, und trug sie derselben hin, ging sodann aber „schnell wieder in den niederen Bansen, n a h m „Kohle,
die schon gröl'sleniheils verglommen
die war,
„ h e r a u s , und steckte sie, m e h r nach der E r d e zu, „ a l s oberwiirls, in das in einem grofsen Haufen lie-. „ gejjde Stroh. " -— Spiiterhiu ,
iu dem
arlikulirlen
—
90
—
V e r h ö r , liat die Inrjuisitinn z w a r eiumal vorgegeben, dal's sie das Teuer o h n e V o r s a t z dadurch verschuldet h a b e , dal's sie den iin Bansen befindlichen S c h w e i n e n F u t t e r in einem T o p f e h i n g e t r a g e n , den sie eben erst und au w e l c h e m
sich defs-
halb eine glühende K o h l e b e f u n d e n h a b e ,
die in das
vom Feuer genommen,
Stroh gefallen sei, jedoch ist sie gleich darauf zu i h rer f r ü h e r e n Aussage z u r ü c k g e k e h r t ,
indem
sie ge-
s t a n d e n , dal's einer i h r e r Mitgefangenen ihr geratheu, i b r f r ü h e r e s Bekenntnil's zu w i e d e r r u f e n , w e i l sie alsd a u n besser w e g k o m m e n , d. h . eine gelindere Strafe erhalten würde.
,, Das Stroh, w e l c h e s ich f ü r s V i e h
„holen
lautet
sollte,"
„ h a t t e ich
mir
dann
schon vorher
i h r e Aussage n a c h der
weiter,
Baiisenthür
„ z u gelegt, und schon w o l l t e ich luit diesem h e r a u s „ g e h e n , als es mich u n w i l l k ü h r l i c h w i e d e r u m z u r ü c k trieb,
uin die K o h l e noch e i n m a l a n z u b l a s e n .
Ich
„ s a h sie bald im S t r o h liegen, b ü c k t e mich, u m mich „ i h r m i t d e m M u n d e zu n ä h e r n ,
und bliel's sie auf.
„ D a v o n fing nun das S t r o h an zu r a u c h e n , und h i e r „ w u r d e mir mit einmal g e w a l t i g bange. „daher
in der grüfsten A n g s t
I c h schlug
mit den H ä n d e n auf
„ d a s r a u c h e n d e S t r o h , allein es half n i c h t s , „ e i l t e d a h e r mit den Schütten
Stroh
und ich
fürs Vieh
„höchster Angst zum Kuhstallc, entschlossen,
in
nach
„ H i n w e r f u n g desselben, im H a u s e L ä r m zu m a c h e n . " I m Specialverhör h a t Intjuisitinn späterhin behauptet, nicht w i e d e r nach der K o h l e g e s e h e n ,
u n d nicht
in
gröfster A n g s t auf das r a u c h e n d e S t r o h mit den H ä n den geschlagen zu haben. — i , K h e ich jedoch
dazu
„ k o m m e n k o n n t e , " fahrt sie dann fort, „ r a n n t e schon
—
91
—
„ m e i n Dienstherr von der oberen Scheunentenue laut „aufschreiend nach
dem niederen Bansen,
,,demselben Augenblicke, „öffnete,
und
in
als er die T h ü r desselben
w a r auch schon die Flamme da.
„Dienstherrschaft schien keinen Argwohn
3Ieine
auf mich
„ g e w o r f e n zu h a b e n , und als ich befragt w u r d e , ob „ i c h nichts vom Feuer bemerkt h ä t t e , da ich doch „ u n m i t t e l b a r vorher in dem Bansen gewesen
wäre,
„ s o gab ich vor, dafs ich bei meiner Anwesenheit i m „ B a u s e n etwas rascheln g e h ö r t , und geglaubt „ dafs Hühner darin wären.
hätte,
Ich that dies deswegen,
„ u m den Verdacht der Brandsliftung von mir a b z u lenken.
Seitdem ich dieses Verbrechen
begangen,
,, habe ich weder Tag noch Nacht R u h e g e h a b t , und „ immer hat mich das böse Gewissen verfolgt. „ sen ungeachtet habe
ich mich späterhin
Des-
verleiten
„ l a s s e n , meiner Dienstherrschaft Geld zu entwenden. ,,Dns
erstemal geschah
diefs im zeitigen F r ü h j a h r .
„ I c h sollte für das Kind Seininel aus d e m L ä d e l her-» ,, ausnehmen, benutzte hierbei die Abwesenheit mei,, ner Dienstfrau, um das Beiladet zu öffnen, und n a h m „ m i r , als ich in diesem Geld liegen s a h , ein Achl„groschen-, ein Viergroschen- und ein Zweigroschen„ s t ü c k davon heraus.
Diese Geldstücke steckte ich
,,noch an demselben Tage im Garten an verschiede„ nen Orten unter den Bäumen in die Erde, und gab „ v o r , dafs ich sie daselbst gefunden.
Zuerst brachte
„ i c h das Zweigroschenstück zum Vorschein, und u m „ die Sache recht glaublich zu machen, nahm ich das „ z w ö l f j ä h r i g e Mädchen meiner Dienstfrau mit in den „ G a r t e n , um mir weiter nach Gelde suchen xu h e i -
— „fen.
: Unruhe, es war, als wenn ich das auf dem Tische liegende Messer nehmen mufste, ich wollte herunter gehen, konnte aber nicht; ich habe wohl bemerkt, dafs beide Kinder wachten, ich bin so zugefahren, und habe erst nach vollbrach» ter That bemerkt, dafs beide Kinder am Halse bluteten. Sie wisse nicht, antwortete s i e , ob das andere Kind geschrieen, nachdem sie das erste verwundet ; übrigens wufste sie sehr w o h l , dafs sie nach vollbrachter That zuerst die Frau B. gesehen. Sie sagte, dafs sie mit ihrem Ehemann in Unfrieden gelebt ; dafs er sie einmal geschlagen, warum ? wisse sie aber nicht; dafs er auf ihre Klagen über Aengstlichkeit geantwortet: du grober Sünder. — Die That sei ihr leid, doch könne sie nicht w e i n e n ; lange vorher habe sie einmal auf dem Bette ihrer Kinder gesessen, das kleinste habe einen Stock gebracht, sie habe den Stock angefafst und er sei zerbrochen. Es
—
153
—
sei ihr der Gedanke eingefallen, sie müsse sterben und nach diesem Vorfalle habe sie keine Nacht Rahe gehabt. In einem späteren Verhör erinnert sie sich dieses Umstandes nicht mehr, auch nicht einmal mehr dieser Erzählung. W e n n ich die Zettel las, welche mein Mann mitbrachte, setzte sie hinzu, wovon der eine rothe, der andre grüne Streifen h a t t e , so pafste das immer so schnakisch, als wenn ich so etwas thun sollte, und je mehr ich las, je bunter wurde alles« In den spätem Verhören sagte sie, es sei ihr vorgekommen, als ob ihr Mann diese Papiere aus Verachtung gegen sie mitgebracht habe. Sonst hat sich über diese Papiere weiter nichts ergeben , als dafs es zwei Blätter aus dem Magdeburgischen Gesangbuche mit Musiknoten zum Singen gewesen, welche der T. sich erinnerte, ohngefähr acht Tage vor der That zu Hause gebracht zu haben. Sie äufserte ferner, dafs sie ein Gebetbuch besitze, und als dieses herbei gebracht w u r d e , schlug sie eine Stelle auf und setzte hinza: W e n n ich die Worte las: „ I c h wache und bin wie ein Vogel auf dem D a c h e " fiel mir immer ein, dafs ich nichts werth sei; las ich weiter die W o r t e „und mische meinen Trank mit Wein, so freuete ich mich wieder. Am Morgen der That habe sie aber in jenem Buche nicht gelesen. Auch dieser Umstände, so wie der ganzen Erzählung erinnert sie sich in einem spätem Verhör nicht wieder. Anfänglich, nemlich in dem Zustande nach dem Aufenthalte zu S., konnte sie nach ihrer Aussage vor Mitternacht nicht schlafen, nachher aber nach Mitternacht nicht. Sie erinnert sich, dafs ihr Mann am Morgen der That ganz früh
— weggegangen
sei
154
Als ihr
— das todte K i n d
gezeigt
•wurde, fiel sie über die L e i c h e her, k ü f s t e diese und inufsie zulelzl noch
mit
G e w a l t davon
losgerissen
•werden, doch w u r d e n k e i n e T h r ä n e n in ihren A u g e n sichtbar, obgleich alle Z e i c h e n des W e i n e n s in i h r e m Gesichte zu s e h e n w a r e n .
Sie
e r k a n n t e das Messer,
w o m i t sie das K i n d getödtet, w u f s l e a h e r nicht zugehen, wozu
sie den S t r i c k in der
Hand
an-
gehabt
h a b e , es m ü s s e d e n n aus A n g s t geschehen sein, l e u g nete aber auf B e f r a g e n , dafs ihr ein Selbstmord eingefallen sei.
Gedanke
von
Sie e r i n n e r t e sich auch iu
einem s p ä t e m V e r h ö r des U m s t a n d e s mit dem S t r i c k e nicht.
A u c h gegen die a l l e r e h e r b e i g e f ü h r t e T o c h t e r
b e n a h m sie sich zärtlich.
S i e f ü h r t e noch
nn,
dal's
sie angstliche T r ä u m e gehabt, dafs sie i m T r a u m i m m e r Ungeziefer uin sich g e s e h e n ,
und in e i n e m s p ä -
t e r e n V e r h ö r setzte sie h i n z u , w o r a u f d i e Besorgnifs bei mir öfter e n t s t a n d e n , als ob die K i n d e r der s c h l e c h ten N a h r u n g w e g e n u m g e k o m m e n w ä r e n .
Doch h a b e
sio iin T r a u m den K i n d e r n n i e nach dein L e b e n g e trachtet.
Sie h a b e vor m e h r e r e n J a h r e n in d e n W o -
chen eine a h n l i c h e B e ä n g s t i g u n g der D r . C. geheilt. setzte h i n z u , habe.
sie
D e r D r . C. erinnerte sich dieses
Umstandes nicht s o g l e i c h , stesverwirrung
gehabt, wovon
nachher
dafs er sie von durch
aber w o h l ,
einer w i r k l i c h e n
zweckdienliche
Der Ehemann T.
sagte a u s ,
n a c h i h r e r R ü c k k e h r von S . ,
31ittel
und Gei-
geheilt
dafs seine
w o sie schlechte
Frau Be-
h a n d l u n g erlitten, über k r a m p f h a f t e Z u s a m m e n z i e h u u g in der Brust u n d Aengstlichkeit geklagt h a b e , b e s o n -
ders sei sie nach dein ersten s e h r starken G e w i t i e r
— sehr
ängstlich gewesen
155
—
und
Tag im Bette geblieben.
den folgenden
ganzen
Er gab ihr damals W e i n
zu t r i n k e n , worin glühender Sia'il abgelüscht
war,
welches ihm eine Frau J . gernthen, worauf sie auch am andern Tage wieder aufgestanden, doch aber niedergeschlagen geblieben sei. w e r d e sich schon geben. schon
um 3 U h r
Er habe geglaubt, dieses
E r sei ain Morgen der T h a t
seioen Geschäften
nachgegangen,
habe bemerkt, dafs seine Frau wachte, aber nicht mit ihr gesprochen.
Der Sohn seines Hauswirthes C. ß .
sei g e k o m m e n , uin i h m die T h a t zu berichten, und ihn zu rufen, da er aber bei seiner A n k u n f t zu Hause noch keiuen Arzt gefunden, sei er sogleich fortgeeilt, um einen solchen
zu suchen.
Er g e s t e h e , dai's er
einmal seine Frau geschlagen, aber dieses habe sich wieder zugezogen und er vtisse sich keiner ten
Behandlung
derselben schuldig.
schlech-
Iii der letzten
Zeit, sagte er, und während meine Frau über Aengstlichkeiten klagte, war ihr Benehineu
etwas sonder-
b a r ; wenn ich von meiner Arbeit Mittags oder Abends zu Hause k a m , so k a m sie oft an mich h e r a n , armte mich, uin vielleicht Trost bei ihrer Angst
umzu
suchen, und ich k a n n nicht läugnen, dafs ich dieses Betragen mitunter falsch verstanden , und sie zurückgewiesen habe.
Ueber dieses Zurückweisen
beklagt
sich auch die Inculpatiun später, doch gesteht sie ein anderes Mal, dafs sie während dieser Zeit, da sie mit ihrem Ehemann in einem Bette geschlafen, den B e i schlaf m i t ihm vollzogen habe.
Der T . setzt h i n z u :
Gänzliche Verslandesabwesenheit habe ich bei dem letztern Zustande meiner E h e f r a u nicht bemerkt, wohl
156
—
aber war sie in den Wochen mit unserm ersten Sohn lünf Wochen lang ganz wirrig, und hat sie damals der Dr. C. wieder hergestellt.
Er gesteht endlich,
dafs seine Ehefrau mehr auf die kleinsten Kinder gehalten, als er selbst, dafs er daher der Schreckenspost nicht glauben wollen, und dafs er sich die That nur in einem Anfalle
Ton Wahnsinn
geschehen
mög-
lich denke. Der Dr. C. ging noch am Tage der That in das Haus, wo diese geschehen war, fand aber nur den T., indem dessen Ehefrau schon in Verhaft gebracht war, wo er sie aber noch an demselben Tage besuchte. Sein Gutachten behielt er sich vor, mufste auch durch Execution es zu liefern angehalten werden, und da eine Verrenkung der Hand ihn hinderte, es selbst zu schreiben, so gab er es erst am lOten December zu Protokoll. Der Dr. C. sprach zuerst mit dem T . , und dieser äufserte, dafs seine Frau seit dem ersten Gewitter, wie inan zu sagen pflegt, ganz durch weg gekommen sei, auch sei es ihm auffallend gewesen, dafs sie so viel über alten Käse geschwatzt, den er zu Hause gebracht, und zwar wie er nochmals angab, ain Abend vor der That, um ihn in Bier eingeweicht zu essen. Die Reden der T . , welche der Dr. C. nachher besuchte, drehten sich unzusammenhängend um den alten Käse, welchen sie, obgleich mietig und in Prummeln, wie sie sich ausdrückt, mit den Kindern essen sollen, so wie um das Gewitter.
Ihr äufseres Anse-
hen war blafs und uiager, die Zunge trocken und mit gelblichen Stoffen Lelegt, der Puls klein, gespannt
—
157
—
und rasch, der Blick stier und schüchtern, sie hatte Durst und sagte, sie habe seit einiger Zeit keinen Appetit gehabt.
Wenn ich zuweilen so zu
Muthe
w a r , als ob ich essen möchte, setzte sie hinzu, so war ich doch gleich wieder satt, wenn ich kaum angefangen hatte zu essen.
Auf ferneres Befragen, ol>
sie guten Schlaf gehabt, antwortete s i e : Mein, oft gar nicht, immer unruhig und seltsam.
Des Morgens
sei sie duselig und matt gewesen, mit Sausen und Brausen im Kopfe,
sie möge wohl immer liegen,
aber die Angst, die Angst.
Der Dr. C. gab ihr küh-
lende, auflösende, gelinde eröffnende, krampfslillende Mittel, Tartarus depuratus und Spiritus nitrico-aetherius, während der Tage, welche sie noch zu G. im Gefangnifs zubrachte. Am 27sten Juni wurde die T . nach St. transporlirt, um dort vor das Königl. Inquisitoriat gestellt zu werden.
Die Inculpatinn
beantwortete alle Fragen
passend und ohne Verwirrung des Verstandes, jedoch war
sie dabei sehr ängstlich und niedergeschlagen.
Betreffend ihr äufseres Ansehen, wird dabei bemerkt, so ; st sie von kleiner Statur, ihre Gesichtsfarbe blafs, und dem Ansehen nach zu urtheilen leidet sie an Auszehrung oder Schwindsucht, wobei jedoch zu bemerken, dafs der Dr. R., welcher sonst den Verhören beiwohnte, noch nicht eingetreten war.
Sie hat,
wird ferner bemerkt, eine ungewöhnlich leise und zarte Stimme, und hielt, während der Vernehmung, ihre Hände beständig gefalten. kommen noch
Ueber die That selbst
folgende Aufklärungen vor.
Die T .
erklärte wiederholt, dafs ihr die That leid sei, dafs
—
158
—
sie ihr mich gleich im ersten Augenblicke leid gewesen, dafs sie sich aber dessen nicht bewufst s e i , was sie in der Angst gethnn, sonst würde es nicht geschehen sein, auch vergofs sie dabei Tliranen.
Von
ih-
rer Angst und Beklemmung seit dem Aulenthalt zu S. sprach sie oft.
Ueber den mietigen lväse, welchen
der Mann zu Hause gebracht, und welchen sie nebst den Kindern essen sollen, beklagte sie sich wiederholt.
Die T . erzählt ferner, dafs sie am Morgen kurz
vor der That vor Angst in der Bibel gelesen und zwar das 14le Capitel des Evangelii Mathaei, wo von der Enthauptung Johannis die llede ist; auch habe sie Gott auf den Knieen gebeten, dafs er sie von dieser Angst befreien mochte.
Sie erinnerte sich des Mes-
sers, womit sie die That verrichtet, als eines solchen, welches sie gewöhnlich beim Essen und in der Haushaltung gebraucht, aber nicht, ob die Kinder noch geschlafen.
Sie
erinnerte sich, dafs sie das
jüngste
Kind zuerst geschnitten, darauf das ältere, aber nicht warum sie das erstere stärker geschnitten, wohl aber, dafs sie das ältere nachher aus dem Bette heben wollen, doch nicht ob es geschehen sei.
Sie betheuert
wiederholt, dafs sie ihr Bewufstsein nicht gehabt; von dem Geschrei, welches die B — sehen Eheleute gehört und von dem w a s sie selbst gesagt
wisse sie nichts.
Sie schiebt die Schuld auf das Betragen des Mannes, seinen Trunk und seine schlechte Lebensart.
Die äl-
teste Tochter erzählt,
jüngere
wie die Mutter ihre
Schwester und sie mit dem Kohlscherber geschnitten; sie habe sich gewehrt, und sei dabei an den Fingern der rechten Hand verwundet, und die Mutter habe
—
159
—
gesagt, der Teufel wollte e s , weil er den
Schmier-
käse nicht gewollt, worauf die Mutter ärgerlich war. Die Mutter habe die Wunde nach dem Schnitte sogleich init einein Tuche verbunden.
Die Mutter selbst
sagte über diesen Umstand, das jüngste Kind
habe
sie nicht verbunden, sie erinnere sich dessen nicht deutlich, aber als sie das älteste geschnitten, und das Blut laufen sehen, sei es ihr leid gewesen, und sie habe die Wunde
verbunden.
Der
fünfzehnjährige
Sohn des T . , ein Schuhinacherlelirling, Abend vor der That die Mutter,
besuchte am
und fand sie still
und seufzend, so dafs er fragte, wefshalb sie so still wäre, worauf sie erwiederte, ich bin ja nicht still. Auch liefs sie ihn in der Bibel und dem Gesangbuche lesen, um zu w i s s e n , ob er noch lesen könne.
Der
nächste Nachbar C. S . kam sogleich nach der That herbei.
E r hörte kein Gebrüll der T . , fand sie aber mit-
ten in der Stube stehen mit wilden Blicken, und auf die Frage, was hat sie gethan? ich inufs es thun.
rief s i e : ich tnufs,
Der Schneidermeister M. lief eben-
falls sogleich herbei, und fand die T . in der
Stube
in leinenen Aermeln, und blofs mit einem Brusttuch und Unterrock bekleidet.
Sie sah ganz verzerrt und
verrückt im Gesichte a u s , sagte e r , und ihr Benehmen war ganz verwirrt, indem sie mit ihren Händen hin und her schlug, und zu den Umsiehenden
noch-
mals die Worte nufserte: Kinder fürchtet euch nicht, ich thue keinem Menschen etwas , diese Angst habe ich schon lange an mir gehabt, und solche auch meinem Manne geklagt, er will aber nichts dafür gebrauchen.
Auf Befragen warum sie ihr K i n d getödtet,
—
160
—
sagte sie: ich mufste es ja thun, denn ich habe solches immer an mir gehabt, und zeigte dabei auf einem nebenstehenden Topf, worin Schmierkäse befindlich w a r , mit den W o r t e n : Hier, verlangte mein Mann, soll ich Bier darauf giefsen, und meinen Kindern davon zu essen geben, wovon sie doch hätten sterben müssen. Der M. sagt, dafs nach seiner Ueberzeugung die T. zu der Zeit ganz verrückt gewesen. Er sah das Messer liegen, womit sie die That verrichtet, gab solches einer Nebenstehenden, damit kein Unglück geschehe, worauf die T. äufserte, sie tliue keinem was. Der Frau des Maurers M., welche ebenfalls herbeigekommen war, erwiederte sie, indem sie mit den Händen hin und her rifs: so rifs es mir immer, und ob ich gleich nach der Scheune gegangen bin und Gott auf meinen Knicen gebeten habe, mich ron dieser Angst zu befreien, so wollte es doch nicht helfen und mufste es doch thun, Hiebei wiefs sie •inen Topf, worin alter Käse w a r , und wobei sie sagte: Mein Mann verlangt, dafs ich solches mit meinen Kindern essen sollte, welches ich doch nicht kann. Sie zeigte übrigens keine Reue über die Tbat. Fast ebendasselbe antwortete sie der Frau des Tagelöhner S., nur war von Schmierkäse keine Rede, und statt dessen sagte sie: Bei dem starken Gewitter und dem starken Schlag, so dabei gewesen, hätte sie es bekommen, ohne cu sagen was sie bekommen. Die T. selbst erinnerte sich dieser Umstände nicht, leugnete, dals sie in der Scheune an dem Morgen gewesen sei, und wufste nicht, dafs sie solches gesagt. A m umständlichsten äufserte sie sich gegen die Mover-
—
161
—
verehelichte Chr. B., der sie auf Befragen, warum sie die That gelhan, sagte: Ich weifs es selbst nicht, warum ich es gelhan habe, es war so als wenn ein Mann mich durch Schütteln dazu aufgefordert und es verlangt halte, weshalb ich auch nach der Scheune gegangen bin, und Gott auf meinen Knieen gebeten habe, mich auf andere Gedanken zu bringen, diefs hat aber nichts geholfen, denn als ich wieder zurück kam und wieder in ein Buch las, so war es noch so, als wenn ich von einem drillen zu dieser Handlung angetrieben wurde. — Sie erinnerte sich auch, dafs die T. dein Bürgermeister B. einen Topf mit allem Käse gezeigt, den sie aus dem Schranke herbeigeholt, und dabei gesagt habe, dafs ihr Mann verlangt habe, dafs sie mit ihren Kindern diesen alten Käse essen sollte, welches doch gar nicht möglich wäre, wobei sie noch hinzugefügt, dafs dieser alte Käse an ihrer Handlang Schuld wäre. Der Vater der Inculpatinn war Tagelöhner zu S . , aber zur Zeit der That lange todt; die Mutter lebte noch und war mit einem Altsitzer zn S., welcher wie der Vater hiefs, seit geraumer Zeit wieder verheirathet. Die Inculpatinn hatte bei einem Küster in S. lesen und beten, aber nicht schreiben gelernt, und war im 13ten Jahre von dem Prediger zu B. wovon S. ein Filial ist, in der evangelischen Religion conürmirt worden. Sie wurde dann ein Jahr Hausmädchen zu G., hierauf diente sie 4 Jahre bei einem Ackermann in S . , und kehrte nun zu ihrer Mutter zurück, wo sie ihren Mann T. kennen lernte. Drei Jahre vor der Ehe bekam sie ein uneheliches Klng'i Auswahl. I.
11
—
162
—
Kind ton einem Ackersmann in S., einen Sohn, welcher zur Zeit der That noch lebte und 20 Jahr alt war. Sie hatte auch einen Procefs mit dein Yater desselben wegen der Alimentation des Kindes. Alle, welche sie in den früheren Zeiten bannten, gestehen, dafs sie wohl bei Verstände gewesen. Kur erzählt die Frau des * * J., sie habe ihr bei einem Federverkauf etwas tuddelig geschienen, indem sie sich gar nicht aus dein Gewicht der Federn vernehmen können, so dafs der Handel 6 Tage gedauert. Auch will der Schneidermeister M. zwar keine Verwirrung des Verstandes , doch nur einen schwachen Verstand an ihr bemerkt haben, denn als sie einst Bücklinge zum Verkauf gebracht, hätten ihr einige umstehende junge Mädchen Bücklinge heimlich aus dem Korbe gezogen, welches sie recht gut hätte merken können. Mit ihrem Manne hatte sie fünf Kinder gehabt. Der älteste Sohn, 15 Jahr alt, lebte noch zur Zeit der That, die beiden folgenden Söhne waren bereits vor mehreren Jahren an der Brustkrankheit gestorben, ohne dafs ärztliche Hülfe dabei gebraucht worden, weil, wie sie sagte, ihr Ehemann nicht die Kosten daran wenden wollen. Die beiden jüngsten waren die Töchter, woran die That geschehen. Mit ihrem Ehemann lebte sie nicht in gutem Verhältnisse, doch ist es schwer auszumitteln gewesen, auf wessen Seite die Schuld war. Der Ehemann gesteht, dafs er init ihr in den ersten Jahren der Ehe zufrieden gelebt, dann aber bemerkt habe, dafs sie das Geld, welches sie mit MüIzenmachen verdient, so wie seinen eigenen Verdienst nicht ordentlich verwandt, worüber er sie geschimpft
—
163
—
habe. Einmal habe er sie auf eine nicht anständige W e i s e , nemlich vor dem blofsen Hintern mit einem Stock geschlagen, weil sie ihn dazu angetrieben, ihre K u h von F., wo das Viehsterben war, nach G., wohin sie damals wieder hineinzogen, heimlich mitzunehmen, worüber e r , als es doch ausgekommen, die K u h verloren und noch Strafe geben müssen. Er gesteht ferner, dafs er zuweilen betrunken gewesen sei, sich aber niemals in der Trunkenheit an ihr thätlich vergriffen, auch dafs er im Anfang der Ehe wohl einmal Karten, aber ein unbedeutendes Spiel und seit 14 Jahren nicht mehr gespielt habe. Dagegen wirft er ihr vor, dafs sie sich heimlich einen Schlüssel machen lassen zu einem Koffer, worin er seine Ersparnisse aufgehoben, und ihm von dem Gelde nach und nach 9 Thaler entwandt, dafs sie für sich allein gut gegessen und getrunken, ihm aber, wenn er des Mittags von der Arbeit zu Hause gekommen, schlechtes Essen gegeben habe, dafs sie nach S M wohin sie der Stiefvater, angeblich um die Mutter zu pflegen, geholt, viel Geld mitgenommen, was sie theils von ihm bekommen, theils vom Handgelde für sein verkauftes Haus zurück behalten, theils für ein verkauftes Schwein erhalten, theils von dem ältesten Sohn in Verwahrung genommen, theils auch für heimlich verkaufte zwei Scheffel Roggen und einen kleinen Kessel eingenommen, dafs sie diese ganze Summe, bestehend in 34 Thlr. 16 Gr. pr. Cour., und 10 Thlr. Gold dort verbraucht, und noch 5 Thlr. 21 Gr., so wie 1 Thlr. 6 Gr. Schulden gemacht habe. Endlich habe sie in S. viele Streitigkeiten und Händel gehabt. 11 *
Der älteste Sohn des T. erzählt allerdings, dafs sie den Kindern in Abwesenheit des Vaters etwas besseres zu essen und zu trinken gegeben. Die T. selbst gesteht, dafs sie das gedachte Geld gröfstentlieils aufgenommen, auch in S. verwandt und die Schulden gemacht, so auch , dafs sie sich einen Schlüssel zu dem Koffer habe machen lassen, und Geld daraus genommen habe. Auch der uneheliche Sohn erzählt, dafs sie seinen Lohn in Verwahrung genommen, und nicht wieder herausgegeben habe. Sie läugnet indessen , geäufsert zu haben, wie ihr vorgeworfen, sie müsse sich schämen, dafs sie das Geld durchgebracht, denn sie habe solches für ihre Mutter und für ihren Mann aufgewandt, welcher oft dort gewesen. Dagegen macht sie dem Manne Vorwürfe, dafs er getrunken und gespielt, auch sie in der Trunkenheit geschlagen, dafs er ihr nicht das üölhige Geld zur Hauswirthschaft gegeben, weshalb sie sich den Schlüssel zum Koffer machen lassen, dafs er nichts verdient, cjafs er betrunken mit dem Säbel zu Hause gekommen, und ihr gedroht, dafs er betrunken mit dem Messer in der Hand geäufsert habe, wie er seines Lebens müde sei. Sie erzählt, dafs sie ihm einmal ausweichen, und mit ihrer jüngsten Tochter allein schlafen müssen, wobei diese so hungrig gewesen, dafs sie sich an der Brust zu sättigen gesucht. Er habe in der Trunkenheit die Kinder oft mifshandelt, sie mit einem Kantschuh aus dem Hause geprügelt, und das Versprechen, mit ihr zum Abendmahle zu gehen, nicht gehalten. Er habe nichts rechts gearbeitet und verdient, und i h r , als sie ihm Vorwürfe
—
165
—
darüber gemacht, plötzlich 'entgegengesetzt, dafs er einen Bruch habe.
Allein die meisten dieser Beschul-
digungen wurden von den selbst von ihr aufgerufenen Zeugen nicht bestätigt, und die Inculpatinn inufste bei der Zusammenstellung nachgeben.
mit denselben
meistens
Sie sagte ferner, ihr Ehemann habe mit
der geschiedenen Ehefrau des S. längst einen vertrauten Umgang gehabt, auch sie mit derselben im Gelangnifs besucht, und als sie noch länger mit ihm reden w o l l e n , sie weggestofsen.
Das letztere Factum
wird zwar bezeugt, aber die Bekanntschaft mit der S. entstand nach der Aussage des T. sowohl, als der S. erst nach der Verhaftnebjnung der T . , auch wird geläugnet, dafs sie unrechtlicli gewesen.
Ueberbaupt
fallen die Zeugnisse günstiger für den T. aus.
Das
Haus, welches die T — srhen Eheleute in G. besessen, hatten sie für 3 5 0 Thlr. v e r k a u f t , weil sie es nicht mehr repariren konnten , 1 5 0 Tlilr. zur Abtragung der Schulden verwandt, noch vorhanden.
und 2 0 0 Thlr. waren
Eben so verwickelt sind die V e r -
hältnisse während des Aufenthalts der T. zu S . bei der Slutter, wohin sie sich , w i e sie selbst gesteht, aus Unzufriedenheit in der Ehe begeben.
Der Stief-
bruder wollte sie nicht auf dem Hof leiden, mifshandelte sie uüd jagte sie weg, worüber ein Trocefs entstand. Der Stiefbruder wirft ihr vor, sie habe heimlich Sachen entwandt und verkauft, auch sei sie einst des Nachts auf dem Hofe mit einer leuchtenden Laterne getroffen, und deswegen dem Schulzen angezeigt worden,
der
sie ain andern Morgen aus der Stube geworfen und thätlich behandelt habe, er selbst habe sie aber
we-
—
106
—
der geschlagen noch mit W a s s e r geklagt.
wie
sie
D i e T . l ä u g n e t e d u r c h a u s d e n V o r w u r f der
Entwendung Laterne.
begossen,
Sie
und
entschuldigt
wohnte
den
nachher
V o r f a l l init
bei
dem
der
Kossäten
H . , mit dessen E h e f r a u sie sich z a n k t e , u n d von d e r selben angeblich e i n e n Stöfs auf die Brust u n d einen T r i t t mit d e m F u f s e e r h i e l t .
Die H. wirft ihr
dars sie i h r e n M a n n zu g e w i n n e n
vor,
gesucht u n d
setzt
h i n z u , dafs sie sich d e s w e g e n mit i h r g e z a n k t ,
ge-
s t e h t a u c h , dafs sie die T . mit der H a n d
die
vor
B r u s t , s o , dafs diese h i n t e n ü b e r f i e l , und u n t e r das K i n n geslofsen, a u c h mit d e m F u f s e nach ihr g e t r e t e n habe. nicht
D i e S l i f s h a n d l u n g e n des Dorfschulzen k o n n t e n gehörig
constatirt
werden.
Nachdem
v o n der H. a u s d e m H a n s e g e w i e s e n ,
hielt
die T . sie
sich
bei dem P a c h t e r G. zu S . , w i e es scheint, r u h i g a u f , i n d e m sie sich v o n nährte.
i h r e m Oelde und
Miilzeninachen
D a f s sie bis zu i h r e m A u f e n t h a l t in S. m u n -
t e r u n d p l n u d e r h n f t g e w e s e n , erhellt a u s den A k t e n ; auch w a r sie es noch zu S., u n d nach dein A u f e n t h a l t zu S. trat erst die V e r ä n d e r u n g ein.
Uebrigens w a r
ihr
Atireise in S.,
Ehemann
noch
kurz
vor ihrer
u n d n a h m sie bei i h r e r R ü c k k e h r nach G. gut auf. V o n ihren G e s u i i d b e i t s u i n s t ä n d e n ist w e i t e r nichts b e k a n n t , als die vorhin e r w ä h n t e W o c h e n mit d e m ältesten hitzige B r u s t k r n n k l i e i t .
Krankheit
ehelichen
Ihre
Sohn
in
und
P e r i o d e , sagte sie d e m
Dr. C . , h a b e sie seil d e m letzten W o c h e n b e t t e 3 J a h r e n unordentlich g e h a b t ,
den eine
und seit e i n e m
habe sie sich fast gnr nicht gezeigt.
Während
vor Jahre mei-
n e s A u f e n t h a l t s in S . , s a g t e sie im ersten V e r h ö r zu
—
167
—
S t . , habe ich zuletzt meine monatliche Reinigung gehabt,
und seit der Zeit
nicht wieder,
solche schon mehrere Monate hindurch
mithin
ist
ausgeblieben,
ohne da Ts ich glaube schwanger zu sein. In dem Gefängnisse zu S t . zeigte sie nach dem Ermessen des Dr. 11. keine Spuren von Verrückung. Nach
dem
Gutachten
des D r . C- führen
alle
Symptome dahin, dafs der Inculpatinn Geist durch die Einflüsse des kranken körperlichen Zustandes an Klarlieit der Vorstellungen
verloren und in eine Melan-
cholie gerathen, worin sie dann durch einen
unwi-
derstehlichen Hang zur That getrieben wurde.
Nach
dein umständlichen Gutachten des Dr. II. litt die I n culputinn au Melancholie und ermordete ihr Kind in einem raptu i'uribuudo.
G u t a c h t e n . Es inufs aulfallen, wenn in der Reihe der zweckmäßigen Handlungen
eines Menschen
ganz zwecklos erscheint.
plötzlich eine
Die Zweckmäßigkeit
IInndlungeu , mit Bewußtsein
derselben
der
als solcher,
ist die Bedingung, unter welcher wir einen Menschen verständig nennen, und unler welcher derselbe allein als ein Mitglied des Staates
zu betrachten ist.
Die
Zvreckinäfsigkeit der Handlungen hingegen ohne B e wusls(*in, da!s sie als zweckmäfsig zu einein Zwecke dienen, ist der I n s t i n k t , welchen Thieren antreffen.
wir auch bei den
Durch jene Zweckmäßigkeit tritt
der Meuscli in eine moralische Weltorduuug,
ist der
—
168
moralischen Beweggründe fähig, welche theils ihn zu einer Handlung antreiben, theils ihn davon entfernnn. Eine ganz zwecklose Handlung,
wenn
sie
zugleich
als ganz unbedeutend und ohne alle Wichtigkeit erscheint,
pflegen wir w o h l eine kindische Handlung
zu n e n n e n , uud das Unvermögen zu Handlungen ist Blödsinn,
zweckmäßigen
welcher in dein völligen
Cretinismus so weit g e h t , dafs sogar ein Unvermögen zu instinktmäfsigen Handlungen eintritt.
Es be-
darf wohl nicht erinnert zu werden, dnfs in dem vorliegenden Falle nicht von einem
Blödsinn,
welcher
sich von Jugend auf zeigt, die Rede sein k a n n , da der Inculpatinn vor Allem ein guter Verstand zugeschrieben w i r d .
Denn die beiden in den Akten a n -
geführten Fälle, dafs sie sich in dem Gewichte der Federn nicht zu finden g e w u ß t , und sich Bücklinge stehlen lassen, sind unbedeutend, und deulen nur auf eine Ungeschicklichkeit
in einzelnen
Verhältnissen,
wie sie oft vorkömmt. Allein
jede
Handlung
hat
einen
Gegenstand,
worauf sie gerichtet ist, uud so bedarf es nicht allein einer Zweckmäßigkeit in der Handlung selbst, sondern auch dafs der Gegenstand derselben richtig e r kannt werde.
W i r nennen es Verriickung, wenn ein
Mensch einen Gegenstand ganz anders auffaßt, als er von der Menschheil überhaupt aufgefaßt w i r d , w e n n er sich z. B. für einen K ö n i g h ä l t , da er es doch nicht i s t , und
von IVieinanden dafür erkannt
wird.
Er begielit sich dndurrh aus dem Staate ganz hinaus, dessen Strafen daher auf ihn nicht inehr anwendbar sind, da er die Gegenstände nicht als solche a n e r -
—
169
—
kennt, wie die Barger des Staates tbun, und der Staat kann ihn nur aus seiner Mitte entfernen. Mit einer solchen Verrückung ist, wie sich aus der eben gegebenen Erklärung ergiebt, oft die gröfste Zweckmäßigkeit der Handlungen und eine solche Folgerichtigkeil verbunden, dafs sie bei Unerfahrnen grofses Erstaunen erregt, welches sogleich wegfallt, wenn man bedenkt, dafs der Fehler nur in dem Auffasita der Gegenstände, nicht in der zweckmäßigen Bestimmung der Handlungen liegt. Eine solche Verrückung kann entweder auf sogenannten fixen Ideen beruhen, oder mit einem Heruinschwärmen der Gedanken verbunden sein, immer ist sie Verrückung der Gegenstände von ihrer wahren Stelle. Oer Zustand der Inculpatinn war nicht völlige Verrückung, näherte sich doch aber diesem Zustande. Sie erkannte noch alle Gegenstände, und ihre Verhältnisse zu denselben, wie sie gewöhnlich in den Lagen, worin sie sich befand, erkannt werden, aber es herrschte doch eine Uebertreibung in ihren Vorstellungen, welche zeigt wie nahe sie jenem Zustande gewesen. Die Vorstellung, dafs ihr Mann sie verachte, ging so weit, dafs sie glaubte, die Tapfere mit Musiknoten habe derselbe mitgebracht, um ihr seine Verachtung zu beweisen. Sie redete von grünen und rolhen Streifen, und setzte gar treffend hinzu, je mehr sie gelesen, je mehr sei ihr alles bunt vor den Au^en geworden. Die Erzählung von dem Stocke, welchen ihr das jüngste Kind gebracht, und welcher zerbrochen, welcher Erzählung sie sich nachher nicht einmal erinnert, so wie die Erzählung von der Wir-
—
170 —
k u n g , welche die Stelle im Gebelhnche auf sie macht :
ge-
Ich w a c h e und bin wie ein Vogel auf dem
Dache u. s. w . ,
deren sie sich gleichfalls nachher
nicht m e h r erinnerte, zeigen, wie geschäftig ihre P h a n tasie
w a r , alles verkehrt zu deuten.
Es ist nicht
wahrscheinlich, dafs sie die Erzählungen,
w i e ihr
Mann mit einein Säbel zu Hause gekommen und ihr gedroht, ein anderes Mal ein Messer g e w e t z t , d;ibei verdächtige
W o r t e geredet,
w i e das
uud
jüngste
K i n d ihr aus Hunger die Brust blutig gesogen,
wie
der Mann die Kinder inifshandelt, und sie mit einem Kantschuh aus dem Hause geprügelt, blofse Erdichtungen w a r e n , sonst in
um ihren Mann zu beschuldigen,
den Akten
von
dergleichen
keine Spuren v o r k o m m e n , sondern
da
Kunstgrillen
es ist vielmehr
sehr wahrscheinlich, dafs sie Vebertreibungen ihrer Phantasie gewesen.
Z w e i Zeugen
sagen a u s ,
dafs
sie gleich nach der T h a t gesagt, sie sei an demselben Morgen in der Scheune gewesen,
und habe Gott auf
den K n i e e n gebeten, ihr die Angst zu nehmen. selbst läugnete dieses und erinnerte sich der
Sie
Erzäh-
lung nicht m e h r , sagte dagegen, dafs sie in der K a m m e r Gott auf den Knieen gebeten, sie von ihrer Angst zu befreien.
Es scheint also auch hier die Phantasie
verwirrt gewesen zu sein.
Selbst
dafs sie das
Mit-
bringen von allein K ä s e so tief f ü h l t e , gebort zu dieser nahe an V e i r ü c k u n g gränzenden Ueberlreibung. Wenn
aber auch ihr Zustand
n a h e an
Verrü-
ckung gränzte, so war sie doch nicht völlig verrückt, denn sie k a n n t e die Kinder als solche, sie kannte das Messer w ; e d e r , w o m i t sie die T h a l
vollbracht,
und
—
171
—
da Ts sie das jüngste K i n d eher geschnitten als das allere,
doch die Zwecklosigkeit der Handlung Hegt
am T a g e .
Man sieht Dicht ein, welchen Vortheil die
Inculpatinn
Ton der T h a t haben oder sich
denken
konnte, auch geschah sie nicht aus Befriedigung
ir-
gend einer Leidenschaff, etwa der Rache gegen ihren E h e m a n n , da dieser selbst gesieht, dafs sie die jüngsten K i n d e r lieber gehabt als er.
S i e benahm
sich
auch nach der Tliat gegen das todte sowohl als noch lebende
Kind
sehr zärtlich.
Es
zeigen die A k t e n
nicht die geringste Spur von einem Versuch zu entfliehen.
Auch Ueberdrufs des L e b e n s ,
der an und
für sich schon Verrückung oder Wahnsinn sein kann, fand hier nicht Statt, denn sie erwähnt dieses lieberdrusses gar nicht, und erklärt selbst, dafs sie daran gedacht sich das Leben zu nehmen.
nicht
W e n n das
Unvermögen zu zweckmäßigen Handlungen Blödsinn i s t , so darf man den positiven Hang zu
zwecklosen
Handlungen Wahnsinn nennen, der entweder init Heiterkeit und Wohlwollen ( f a t u i t a s ) erscheint, Menschenhais,
als
verbunden
als
Albernheit
oder mit Insichgekehrtsein
und
melancholischer Wahnsinn.
Die
zwecklose Handlung entzieht sich AIS solche dem G e biete des Moralisten ganz und g a r , und da sie doch in etwas gegründet sein mufs , so gehört sie ganz in das Gebiet des Physischen und folglich Aerzllichen. E s kann oft schwer sein zu bestimmen, ob eine Handlung von physischen Gründen herrührt, in dem -vorliegenden Fall ist es so schwer nicht.
Die Incul-
patinn spricht den physische» Zwang nach vollbrach' ter Thnt so treffend aus, dafs man ihn selten so leb-
— faafl aasgedruckt
findet.
172 — Ich m u h ,
ich mufs,
ich
inufste es ja thun — so rifs es mir immer — es w a r s o , als w e n n mich ein Mann geschüttelt und dazu aufgefordert hätte, sind ihre W o r t e nach der That. Die Schilderung ihrer A n g s t ,
welche ihr alle ver-
nünftige Besinnung nahm, ist höchst innig dargestellt, und immer k o m m t sie auf diese Angst z u r ü c k , durch ihr
die Besinnung genommen wurde.
woNach
den Schilderungen, welche Alle von ihr machen, w a r ihr Betragen kurz nach der T h a t das einer wahnsinnigen Person, und Alle sprechen ihre Meinung dahin aus, dafs sie müsse zu der Zeit wahnsinnig gewesen sein, selbst der E h e m a n n k a n n sich keine andere Ursache ihrer T h a t denken als W a h n s i n n .
Der Dr. C.
faud ihre Rede noch am Tage der T h a t , aber viele Stunden nachher unzusammenhängend.
Nicht ein ein-
ziger Zeuge tritt a u f , der die T h a t einem boshaften Charakter zugeschrieben hätte. Dieses wird noch m e h r dadurch bestätigt, dafs ein wirklich melancholischer Zustand der T h a t anging.
vor-
Seit dem Aufenthalte zu S. bemerkte man
an der T . eine V e r ä n d e r u n g , sagte die Frau B . , bei welcher die T. im Hause wohnte, indem sie still und in sich gekehrt nur kurze Antworten g a b , und sich nicht
wie
vorher
in ein
langes Gespräch einliefs.
Der B. sagte gerade z u , dafs er eine stille Melancholie an der T. nach dem Aufenthalte zu S. bemerkt habe.
Gegen ihren
Mann beklagte sich
die
T . nach dem Aufenthalt zu S. über k r a m p f h a f t e Z u sammenziehung der Brust und Aengstlichkeit, w e g e n er ihr auch ein Hausmittel gab.
wes-
Sie selbst
—
173
—
beklagte sich oft über ihre Angst und Beklemmung seit dem Aufenthalte zu S . , über ihre zum Theil schlaflosen Nachte und ängstlichen Träume. In einem solchen Zustande machte auch das starke Gewitter einen starken Eindruck auf sie. Der Sohn fragte die Mutter am Abend vor der T h a t , warum sie so stille sei. Der Ehemann T. sagt, das Benehmen der Frau sei ihm in der letzten Zeit sonderbar vorgekommen. K u r z , es erhellt deutlich aus den Akten, dafs ein melancholisches Insichgekehrtsein die T. seit dem Aufenthalt zu S. ergriffen hatte. Die medicinischen Gründe dieses Zustandes sind nicht schwer zu finden. Die T. hatte zum letzten Mal ihre monatliche Reinigung zu S. und seitdem nicht wieder „mithin ist dieselbe mehrere Monate ausgeblieben", sagte sie in dem Verhör zu St , wo sie sich mehr beruhigt hatte, und mehr als bei dem Besuch des Dr. C., auf diese Umstände sich erinnern konnte. Aber auch gegen den Dr. C. äufserte sie, seit dem letzten Wochenbette habe sie ihre Periode unordentlich gehabt, und seit einem Jahre habe sie sich fast gar nicht gezeigt. Die Aengstlichkeit, die krampfhafte Zusammenziehung der Brust, die schlaflosen Nächte, die schweren T r ä u m e , der Mangel an Appetit , das Sausen und Brausen ¡in Kopfe sind Zufälle, welche nach einem solchen Ausbleiben der monatlichen Reinigung nicht selten sind. Das ungewohnte Benehmen gegen den Mann, den sie oft umarmen und küssen wollte, deutet ebenfalls auf einen kranken Zustand aus dieser Ursache. W i e sehr das Nervensystem durch das Ausbleiben der monatlichen
— ReiuiguDg Sache; den
174
oft angegriffen
—
wird,
ist eine
bekannte
ängstliche B i l d e r und P h a n t a s i e n g e h ö r e n zu
gewöhnlichen
Erfahrungen,
Zufällen,
das diese
gesteigert w e r d e n .
und
bis z u m
es fehlt
nicht
an
Wahnsinn
völligen
A u c h ist es nicht u n w a h r s c h e i n l i c h ,
dafs die B e s c h u l d i g u n g e n , w e l c h e die T . gegen ihren M a n n a u s s p r a c h , und w e l c h e sich
als
Uebertreibun-
gen a u s w e i s e n , schon in d e m durch die unordentlich erscheinende
Periode
verursachten
stande ihren Grund h a t t e n . gen
ihres
zarten
kränklichen
Zu-
Die Inculpatinn war w e -
Körperbaues
den
Einwirkungen
schädlicher E i n f l ü s s e a u f das N e r v e n s y s t e m m e h r ausgesetzt als a n d e r e , und der U m s t a n d ,
dafs sie schon
früher i m W o c h e n b e t t e i r r e g e w e s e n w a r , zeigte ihre A n l a g e zu diesem Z u s t a n d e .
A u f den Z u s t a n d ,
wo-
rin s i e der D r . C . nach der T h a t antraf, würden w i r n i c h t viel r e c h n e n , da die E r s c h ü t t e r u n g des G e i n ü t h s nach
jedem. V e r b r e c h e n
bringen
kann.
die T . zu S .
Ob
die
hatte,
an
sundheitszustande
solche
Wirkungen
hervor-
Verdrüfslichkeiten, ihrem
welche
verschlimmerten
Ge-
wenigstens zum T h e i l Schuld
r e n , läfst sich nicht m i t G e w i f s h e i t b e s t i m m e n ,
wa-
wahr-
s c h e i n l i c h ist es allerdings. N o c h w a h r s c h e i n l i c h e r ist es a b e r , m u t h über i h r e n M a n n ,
vorzüglich
nen,
schlechten
mit
den
Kindern
daTs der U n -
über Käse
das
Ansin-
zu
essen,
w e n n auch nicht der G r u n d , doch m i t die V e r a n l a s sung
zu
war.
S i e w i e f s den
dem
Ausbruche
einer wahnsinnigen
Ankommenden
den T o p f mit K ä s e , und i h r e
nach
Phantasie
der
drehte
That That sich
in den R e d e n g e g e n den D r . C. g a n z u m diesen G e -
175 — genstand.
Dafs ihr M a n n sie schlecht hälfe ODd sie
verachte, war ein herrschender Gedanke bei ihr, welcher durch dieses Ansinnen erhielt.
noch mehr Lebendigkeit
A b e r er w a r nur Veranlassung, denn ohne
die körperliche Beschaffenheit der Inculpatinn konnte er nicht zu dem Ausbruche von "Wulh leiten, cher ihr alle Herrschaft über sich nnhin.
wel-
Auch
ist
es sehr möglich, dafs der Zufall, welcher ihr das K a pitel
aus
dein
Evangelio
Matthaei in
die
Hände
spielte, w o von der Ermordung Johannes des Täufers die Rede ist, ihrer Phantasie eine Richtung nach Blut und Mord gegeben habe. Es kann nicht eingeworfen w e r d e n , dafs die I n culpatinn nach der T h a l im Gefängnisse immer lig bei
Verstände w a r .
Anfälle von
völ-
wahnsinniger
W u l h können oft sehr kurz und vorübergehend sein. Aber die Inculpatinn sagte selbst, dafs sie bei Ermordung des ersten Kindes ihr Bewußtsein nicht
hatte,
und dafs es ihr sogleich leid w a r , als sie auch das älteste K i n d
geschnitten.
Vielleicht führte sie das
Abwehren dieses stärkeren Kindes zum Bewufstsein zurück.
Die T h a t und das Schreckliche, was sie an
sich selbst h a t t e , f ü h r t e auch die Thäterinn zur B e sinnung z u r ü c k , und w a r gleichsam selbst die Krise. In einem krampfhaften Zustande befand sie sich noch lange nachher.
Sie stürzte sich voll Zärtlichkeit auf
den Leichnam des K i n d e s , ohne doch eine
Thräna
zu vergiefsen, und erst im Gefängnifs zu St. vergofs sie Thränen.
Die Anwendung der Arzneimittel, so
wie die R u h e im Gefängnisse und Entfernung von
—
176
—
den gewohnten Gegenständen können zu ihrer Herstellung viel beigetragen haben. Nach allen diesen Gründen beantwortet die W i s senschaftliche Deputation für dns M e d i c i n a l - W e s e n die ihr von dem Criminalsenat des Königlichen OberLandes-Gerichts zu M. vorgelegte Frage d a h i n : dafs allerdings nach den durch die Untersuchung festgesetzten Factis über den geistigen und k ö r perlichen Zustand der C. M. gebornen G., verehelichten T. anzunehmen i s t , dafs dieselbe zur Zeit der Verwundung ihrer Töchter sich in einem Anfalle von melancholischem Wahnsinn befunden habe. B e r l i n , den 9ten November 1824.
Königl. Wissenschaftliche Deputation für das Medicinal-Wesen.
VI.
VI
G u t a c h t e n «Iber
die Ursachen und die Tödtlichkeit verschiedener in einem rücksichtlich Statt gefundener Tödtung eweifelhaften Falle vorgefundener Verletzungen.
Kluft's Auswahl. ).
12
ALin Hohes Ministerium der Geistlichen-Unterrichtsund Medicinal-Angelegenheilen
hat nach dem
An-
trage des König]. Hocbpreifsliclien Kammergerichts in der Untersuchungssache wider den N. N. wegen V e r dachts der Tinltung der unverehelichten B. U. init Zuferti* gung von 2 Vol. Untersuchungsakten der Künigl. W i s senschaftlichen Deputation f ü r das Medicinal - W e s e n aufgegeben, i h r Gutachten darüber zu erstatten: 1 ) Ob die an der U. vorgefundenen Verletzungen äufserer Gewalt zuzuschreiben s i n d , oder nicht, und ob sie namentlich durch Faustschläge in den Nacken hervorgebracht w e r d e n konnten? 2 ) Ob die erwähnten Verletzungen an und f ü r sich selbst unbedingt
tödtlich
waren,
oder ob
nur
durch die Individualität der Getödteten nnd durch den Hinzutritt einer andern physischen
Ursache
der Tod herbeigeführt w e r d e n k o n n t e ? Die Deputation genügt hiemit dem erhaltenen B e fehl unter Vorausschickung einer aus den anbei lückerfolgenden A k t e n gezogenen
12 *
zu-
—
1«)
—
Geschichtserzählung.
B. U. im Dienst des Brandweinbrenner M., m i t t leren A l t e r s , obschon von. starkein A n s e h e n ,
doch
k r ä n k l i c h , namentlich zu K r ä m p f e n geneigt, zugleich bös und zanksüchtig, die stets über Unwohlsein klagte, an Fufsschäden litt, und schon m e h r m a l s geboren hatte, •wurde am 26slen Juli Nachmittags nach zwei Uhr in einem von ihr angestifteten W o r t w e c h s e l von dem Brennerknecht N . N. mit der geballten Faust der rechten I i a n d , nachdem er sie mit der linken am
Arm
umgedreht h a t t e , zwei oder dreimal in den Nacken geschlagen.
Sie ergriff nachher einen Kessel, um da-
m i t nach dem N. N. zu werfen , und als dieser ihr den Kessel aus der Hand genommen h a t t e , und die K ü c h e , w o der Streit sich ereignete, verliefs, rief sie i h m noch die W o r t e n a c h : „ R a c k e r , ich werde dich verklagen."
Die bald nachher hinzugekommene C. M.
hat nach ihrer Aussage die U. am
Küchenschrank,
die Hand am Kopf haltend, stehen sehen. tretenden ist sie ohne ein W o r t
D e r Ein-
zu sagen in
ihrem
gewöhnlichen Gange e n t g e g e n g e k o m m e n , und als sie etwa drei Schritte gethan, auf die K n i e und die linke Seite gesunken.
Sie hat die Augen auf und
schlagen, eiu grüner Geifer ist ihr aus dem
zugeMunde
g e k o m m e n und es hat geschienen, als ob sie K r ä m p f e habe.
Sie starb hierauf, und blieb ungeachtet der a n -
gestellten Belebungsversuche todt. beigerufener
Wundarzt
Ein sogleich her-
besichtigte s i e ,
fand offene
—
181
—
Wunden an den Fiifsen, einen auffallend aufgetriebenen Unterleib, von den angeblich erlittenen
Schlägen
aber weder a m K o p f noch an andern Theilen M e r k male.
Die a m
Obduclion g a b
andern T a g e angestellte folgende
Resultate.
gerichtliche
Der
Leichnam
hatte 4 | Fufs L ä n g e , w a r von ungewöhnlich starkem Knochenbau, und wohl beleibt, der K o p f mit kurzen schwarzen Haaren b e d e c k t , das Gesicht bleich,
Au-
gen und Mund geschlossen, und aus der N a s e flofs stinkende Feuchtigkeit.
A m Halse und auf dem N a -
cken waren keine V e r ä n d e r u n g e n , und eben so w e nig dergleichen an der B r u s t und auf dem
Rücken
wahrzunehmen.
an sich
schon sehr
Allein
stark und
der
Unterleib w a r
noch besonders in der regio
mesogastrica in die H ö h e getrieben. iheilen
war
keine
Abweichung.
A n den GeburtsA u f dem
linken
Oberarm sah man Narben von scrophulösen G e s c h w ü ren, und an beiden A r m e n die Medianvenen geöffnet. An beiden Füfsen fanden sich sowohl viele
Narben,
als auch noch viele kleine offene Geschwüre. Fäulnifs hatte schon einen hohen Grad erreicht. Hals -
und Nackenwirbel wurden von ihren
Die Die Bede-
ckungen entblöfst, und es zeigte sich über dem dritten und vierten Halswirbel ein Blutextravasat.
Die Hais-
und Nackenwirbel .waren aber weder verrenkt noch zerbrochen.
S i e wurden geöffnet, um
spinalis in Augenschein zu nehmen.
die
medulla
D i e dura
ma~
•er w a r zart und weifs, als sie aber geöffnet worden, zeigte sich ebenfalls unter dem dritten und Halswirbel coagulirtes und
flüssiges
schwarzes
vierten Blut.
Nach Eröifuuiig des Schädels sahen Obducenten z w a r
—
—
alle Gefafse der harten Hirnhaut u n d
des
Gehirns
m e h r w i e gewöhnlich mit Blut g e f ü l l t , jedoch die der linken Hemisphäre strotzender, selbst in ihren kleineren V e r z w e i g u n g e j , als die der rechten.
Die
Gehirnmasse w a r sehr w e i c h , die Gehirnhühlen e n t hielten blutige Feuchtigkeit, und der plexus choroideus der linken Seite w a r stark geröthet.
Auf der
basis cranii waren die sinus ein wenig mit Blut a n gefüllt.
Nach Entfernung des tentorii und
n a h m e des kleinen
Heraus-
Gehirns aber t a h m a n
deutlich
auf der Basis des letzteren und z w a r auf der linken Seite coagulirtes und extravasales Blut.
In der B r u s t -
h ö h l e waren die Lungen w e i c h , vollkommen gesund und n o r m a l ,
und enthielten in ihrer Substanz nur
w e n i g Blut.
Der Herzbeutel und das Herz
aufserordeutlich mit Fett b e w a c h s e n , Feuchtigkeit.
ersterer
I n beiden H e r z k a m m e r n w a r
zes flüssiges Blut, linken.
waren
in der rechten
mehr
ohne
schwar-
als in der
Im Unierleibe waren die Eingeweide
von
Fäulnifs stark aufgetrieben , der Magen enthielt viel Speisebrei.
Die L e b e r hatte ein bleiches
Ansehen,
enthielt in ihrer Substanz wenig Blut, uud w a r ohne Abweichung.
Dasselbe galt von der Dlilz.
Die G a l -
lenblase w a r ungefärbt, ganz bleich und enthielt eine unzählige Menge kleiner S t e i n e , der Gröfse weifser Erbsen gleich.
Der tractus intestinoruin und die H a r n -
organe boten nichts b e m e r k e n s w e r t e s dar.
Die Ge-
bärmutter war leer , Gröfse und Gestalt zeugten aber von bereits statt gefundener Schwangerschaft. Die Obducenten hielten die Extravasate, die u n ter dein kleinen Gehirn und auf der Dledulla spinalis
—
183 —
gefunden worden, für die Todesursache, nahmen den Grad der Lethalität als absolut a n , behielten sich aber eine weitere Bestimmung und Ausführung in einem besonders einzureichenden Visum repertuin vor. In diesem, welches sie unter dem 3ten August abgaben, nehmen sie ebenfalls die Anhäufung und E x t r a v a s a l e n des Blutes i m Rückenmark and auf der B a sis des kleinen Gehirns als eine anter allen Umständen zureichende Ursache des Todes, und diese Congestion als veranlafst sowohl durch die Gemüthsbewegung, als durch die erlittenen Nackenschläge an, ohne jedoch den Antheil, welchen jede dieser Veranlassungen an der eigentlichen und nächsten Todesursache gehabt, genauer bestimmen zu wollen. — Ein Gutachten des Königl. Medicinal-Collegii zu Königsberg setzt als nächste Ursache des Todes die Blutergiel'suug am verlängerten Mark und dem kleinen Gehirn lest, betrachtet dieselbe aber nicht als nothwendige Folge der Hirnerschütterung durch die init der Faust in den Nacken geführten Schläge» vielmehr als h e r beigeführt unter möglicher Mitwirkung der Schläge durch die Gemüthsbewegung, Kränklichkeit und individuelle Beschaffenheit der Denata.
Gutachten. Ein Königl. Hochpreifsl. Kammergericht hat zueibl zur Beantwortung die Frage gestellt:
—
184
—
Ob die an der U. vorgefundenen Verletzungen äufserer Gewalt
zuzuschreiben sind oder nicht,
und ob sie namentlich durch Faustschläge in den Nacken hervorgebracht werden konnten? I m Obductions-Protokoll geschieht überhaupt nur verschiedener Extravasate Erwähnung, welche in Rücksicht auf die aufgestellte Frage in Betracht gezogen werden können. ten
Zuerst zeigte sich über dem drit-
und vierten Halswirbel ein Blutextravasat.
Es
ist dieses indefs nicht genau beschrieben, und dessen Erheblichkeit
in keiner
Beziehung
zu
erkennen.
Blutextravasate im Zellgewebe unter der Haut oder im Zellstoff, welcher die Muskeln verbindet, entstehen indefs in der R e g e l , und ausgenommen einige Fälle nicht gewöhnlicher Krankheiten, nicht anders als durch äufsere Einwirkung.
An und für sich
ist
es daher wahrscheinlich, dafs das erwähnte Extravasat durch äufsere Gewalt entstanden ist.
Noch mehr ge-
winnt diese Ansicht, wenn wir den Inhalt der Akten berücksichtigen und erfahren, dafs die U. kurz vor ihrem Tode in den Nacken geschlagen worden ist, und mit grofser Wahrscheinlichkeit müssen wir den Ursprung de» Extravasats der Einwirkung jener äußern Gewalt zuschreiben. E s wurden von den Obducenten nachher die Halswirbel geöffnet, um die medulla spinalis in Augenschein zu nehmen, die dura mater erschien dabei zart und w e i f s , als sie aber geöffnet worden, zeigte sich unter dem dritten und vierten Halswirbel tes und flüssiges schwarzes Blut. hätten billig diesen Gegenstand
Die
coagulir-
Obducenten
mit gröfserer Auf-
— lnerksaüikei't
185 —
behandeln
schwierig seiu,
sollen.
die Menge
Es
eines
mag
zuweilen
Extravasais
nach
Maafs und Gewicht genau zu bestimmen, aber ein Coaguluin nach seinem Umfange und seiner Stärke durch Vergleichung mit andern bekannten Gegenstanden deutlich zu machen, oder die Menge eines d ü n n flüssigen
Blutes auf
ähnliche W e i s e zu
sind so wenig schwierige Aufgaben,
schätzen,
dafs sie viel-
mehr überall in guten und genauen Obductionsberichten gelöset angetroffen werden, und scbon der
Voll-
ständigkeit wegen hätte solches auch hier geschehen müssen.
A u s dem Umstände, dafs nach Eröffnung
der W i r b e l die dura mater
zart und weifs geschie-
nen, möchte fast hervorgehen, dafs das darunter gefundene Extravasat von keiner grofsen Erheblichkeit gewesen ist, weil bedeutende Extravasate, besonders wenn sie in einem schwarzen Coaguluin bestehen, die reine weifse Farbe der dura mater gen.
zu ändern pfle-
Es waren auch die Halswirbel unverletzt,
der verrenkt noch zerbrochen.
we-
W e n n wir zugeben
müssen, dafs eine äufsere Gewalt, und ewar dieselbe, welche das Extravasat aufserhalb bewirkte, auch diesem Extravasat höchst wahrscheinlich seine Entstehung gegeben h a t t e , so können
wir jedoch selbst
nach ihrer Einwirkung auf die Wirbelbeine dieselbe nur unsicher schätzen.
Eine wirkliche Beschädigung,
ein Bruch in irgend einem ihrer Theile wäre immer nur durch harte oder feste Körper möglich gewesen. Die höchste K r a f t eines weichen und nachgebenden Körpers hätte eher eine Verrenkung der W i r b e l zur Folge haben k ö n n e n , und sehr wahrscheinlich
dann
—
186
—
ein beträchtliches Extravasat verursacht. W i r haben hier, wo die Spuren einer solchen Gewalt fehlen, keinen Grund, eine bedeutende Ausdehnung des gefundenen Extravasats anzunehmen. Ein drittes Extravasat fand sich in dem Leichnam der U. nach Entfernung des tentorii und Herausnahme des kleinen Gehirns auf der basis des letzteren auf der linken Seite. Es bestand in coagulirtem Blute, dessen eigentliche Lage und Ausdehnung jedoch ebenfalls weiter nicht beschrieben sind. Die Obducenten sahen aufserdem nach Abnahme des Schädels alle Gefäfse der harten Hirnhaut und des Gehirns mehr w i e gewöhnlich mit Blut gefüllt, namentlich die der linken Hemisphäre strotzend selbst in ihren kleinsten Verzweigungen, die Gehirnmasse sehr weich, in den Gehirnhühlen blutige Feuchtigkeit und den plexus choroideus der linken Seite stark geröthet. Blutextravasate können tiberall auf dem Gehirn aus innern Ursachen, sie können aber auch, und namentlich in der basis cranii durch äufsere Gewalt entstehen, und sind dort in Fällen, wo diese bedeutend auf irgend einen Theil des Schädels gewirkt hatte, in der That gefunden worden. Schon wegen der gänzlichen Abwesenheit von Zeichen, welche beweisen, dafs im vorliegenden Fall eine äufsere Gewalt so heftig, um in der basis ein Extravasat hervorzubringen, auf den Schädel eingewirkt hatte, würde die Annahme einer solchen Entstehungsweise nicht zu rechtfertigen sein. B e rücksichtigen w i r aber aufserdem den Inhalt der Untersuchungsnkten, so finden wir auch hier keine sichere Nachricht von einer liehandluug der Denata, woraus uiue Ersthütleruiia des Gehirns bis zu dem Grade nach-
— gewiesen
werden
187
könnte.
—
Die U. ist z w a r mit der
Faust zwei oder dreimal geschlagen worden, aber nach den A k t e n nicht auf den K o p f , cken.
Auch ist von
Merkmal gefunden.
sondern in den N a -
Schlägen auf den Kopf
kein
Vielleicht, dafs selbst nach einem
Schlage mit der Faust kein Zeichen geblieben
wäre.
Aber ein solcher Schlag konnte immer in dein Alter der Verletzten in gewöhnlichen F ä l l e n , und bei fehlerfreier Körperbeschaffenheit kein Extravasat in der hasis rranii b e w i r k e n , und Schläge in den
Nacken,
welche statt gefunden haben, vermochten solches aller Wahrscheinlichkeit nach eben so wenig.
Besonders
aber ist zu berücksichtigen, dafs, sobald wir das E x travasat mit dem übrigen Befunde der Schädelhöhle im Zusammenhange betrachten, die Entstehung
des-
selben , so wie der Blutüberiullung der Gefäl'se des Gehirns, der blutigen Feuchtigkeit in den len
und
der andern vorgefundenen
Hirnhöh-
Veränderungen
deutlich werden als gewöhnliche Folgen und E r s c h e i nungen des blutigen
Schlagilusses.
H i e r , w o es an
inneren Ursachen uud Einflüssen, welche den SchlagHufs begünstigen konnten, nicht fehlte, k o n n t e er aus einer solchen Veranlassung eben s o , w i e unter ä h n lichen Umständen oft geschieht, entstanden sein. werden Gelegenheit
finden,
Wir
diesen Gegenstand noch
einmal und näher zu beleuchten, und begnügen
uns
f ü r jetzt, in Beziehung auf das schon Gesagte zu v e r sichern, dafs von den an der U. vorgefundenen V e r letzungen nur die Extravasate in der Gegend der H a l s wirbel mit Wahrscheinlichkeit äufserer Gewalt z u z u schreiben sind, und namentlich durch Fauslscliläge in
—
188
—
den Nacken hervorgebracht werden konnten, und wir glauben hiermit die erste Frage Eines Königl. Hochpreiisl. Raiumergfirichts beantwortet zu haben. Die zweite Frage heifst: Ob die erwähnten Verletzungen an und für sich selbst unbedingt tödllich waren, oder ob nur durch die Individualität der Getödteten und durch deu Zutritt einer andern physischen Ursache der Tod herbeigeführt werden konnte ? Als Verletzungen können auch hier nur die verschiedenen Extravasate, welche am Leichnam der U. sowohl in der Gegend der Halswirbel, als in der Schädelhöhle unter dem kleinen Gehirn gefunden worden sind, Gegenstände der Beurtbeilung sein. Die Frage hat sie vereinigt, in Rücksicht auf ihre Bedeutung und Beziehung zu dem Tode scheinen aber unter ihnen wesentliche Unterschiede statt zu finden. V e r gleicht man sie nach ihrer L a g e und daraus hervorgehendem Einflufs auf Gesundheit und Leben, so konnte jenes Extravasat in der Gegend der Halswirbel nach längerer Zeit der Gesundheit Dachtheilig und selbst dem Leben gefährlich werden. Und wenn uns gleich zu einer genaueren Würdigung desselben manche Data fehlen, so läfst sich doch annehmen, dafs durch dasselbe der Tod so schnell w i e im vorliegenden Fall nicht hat herbeigeführt werden können. Hier, wo nur von der Würdigung der Verletzungen nach dem Grade ihrer Tödtlichkeit die Rede sein soll, mithin nur von tödlliclien Verletzuugen die Rede sein k a n n , ist das vorerwähnte Extravasat darum, w e i l es nicht tödllich geworden ist, kein Gegenstand
weiterer
Betrachtang.
Anders
verhält
es sich
dein Extravasat unter dein kleinen Gehirn.
mit
Der T o d
verbreitete sich in dem Fall, der uns zur Beurtheilung vorliegt, vom Gehirn aus.
Die Leichenöffnung
bat dies hinreichend dargethan.
Sie hat aufser dem
Extravasat
auch Ueberiullung der
Hirngefäfse, m i t
blutiger Feuchtigkeit gefüllte Hirnhöhlen geröthete plexus nachgewiesen.
und
stark
Die Geschichte der
k u r z e n Krankheit, welche nach den Akten dem T o d e der U. vorhergegangen, erläutert die Entstehung dieser Erscheinungen,
und giebt in
Uebereinstiimnung
mit dem Obductions-Bericht Aufsclilufs Uber die Art des Todes.
Die genannten Erscheinungen hallen mit
A u s n a h m e des Extravasats unter dem kleinen Gehirn den Tod nicht zur n o t w e n d i g e n
und
ren
Gesundheit
Folge
und
Herstellung
schleunige A n w e n d u n g
der
eines passenden
unabwendbadurch
Heilverfah-
rens lieis sich bei Ueberfiillung der Hirngefäfse und selbst blutiger Färbung der Feuchtigkeit in den Hirnh ü h l e n , indem solche Hindernisse einer fähig sind, als möglich denken.
Beseitigung
Nur das Extravasat
oder Blutcoagulum unter dem kleinen Gehirn k o n n t e seiner Lage nach bei keinem Menschen durch irgend eine Kunsthiilfe beseitigt, oder so schnell und vollkommen, als cur Rettung nöthig gewesen wäre, durch die Kraft und Thätigkeit der eignen Natur in seinen Fortschritten aufgehalten und das schon
ausgetretene
aufgelöset und zurückgenommen werden.
Es mufsle
diese Austretung den Tod zur n o t w e n d i g e n und u n abwendbaren Folge h a b e n , und ist hiernach die g a l i t ä t dieser Verletzung
zu beurtheilen,
Le-
und die
—
1 ( K)
—
zweite Frage Eines Hochpreifsl. Kammergerichts zu beantworten. W a s ferner die Gefährlichkeit der Handlung des Inculpaten , und den Einflufs, welchen diese auf den Tod der U. gehabt haben konnte, betrifft, so wird es hierbei zunächst auf eine Bestimmung der eigentlichen Todesart der U. und auf die Entwickelung der Gründe ankommen, nach welchen der erfolgte Tod als Schlagflufs aus inneru Ursachen und die
Hand-
lung des N. N. als eine solche betrachtet werden inufs, welche keinen oder nur einen genügen und zufälligen Antheil an dem Tode der U. gehabt hat. W a s über den Vorfall selbst, die körperliche und Gemüthsbeschaflenheit der Denata, die Erscheinungen der Krankheit, und die Umstände, unter welchen der Tod erfolgte, die Untersuchungsakten Näheres enthalt e n , ist schon in der dem Gutachten
vorausgeschick-
ten Geschiditserzählung uitgetbeilt worden.
Dalier,
ohne solches ausführlich zu wiederholen, wir nur auf einige Tunkte wieder zurückkommen wollen.
Wir
haben hinsichtlich der Person der U. erfahren ,
dafs
sie schon mehrmals geboren hatte, initiieren
Allers,
von starkem Ansehen, doch kränklich und zu Krämpfen geneigt, mit Fufsgeschwüren behaftet, und sehr heftiger Gemüthsart war. Wortwechsel,
Auch wissen wir, daTs der
welchem die Behandlung mit Faust-
schlägen folgte, und der einen so unglücklichen Ausgang nahm, Nachmittags nach zwei Uhr statt fand. Berücksichtigen wir im vorliegenden Fall, um danach die zum Schlagflufs vorhandene Anlage zu beurlheilen, zuerst die körperliche Constitution der Verstorbenen,
—
191
—
so fehlen uns hier manche Data, welche zu erfahren wünschenswerth
gewesen
wäre.
Jedoch
wird
da-
nach, dafs sie von starkem A n s e h e n , aber kränklich, zu K r ä m p f e n geneigt, von sehr heftiger Gemiithsart gewesen ist, auch öfters über Unwohlsein geklagt hat, eine Disposition zum Sclilagflufs nicht unwahrscheinlich.
Vor allem aber hat der E r f o l g , der
wirkliche
Eintritt des Schlagilusses, so wie nur Schädlichkeiten, welche seiner Ausbildung günstig sein k o n n t e n , h i n zukamen , die f r ü h e r vorhandene Disposition chend nachgewiesen.
hinrei-
Als nachtheilige Einflüsse, durch
welche bei schon vorhandener Anlage die Entstehung des Schlagflusses möglich w u r d e , betrachten wir zuerst die im Obductionspvotokoll selbst nachgewiesene Anfüllung des Magens, die bei vielleicht gestörter Verdauung um so nachtheiliger wirken
roufste;
und
dann den heftigen Zorn, in welchen durch den Streit die U. gerathen w a r ,
und
Seiten des N. N. geleisteten
welcher durch den von Widerstand,
durch
die
Ueberwältigung und die Faustschläge zur W u l h gesteigert
wurde.
Nicht mit Unrecht w i r d schon
gemeinen Leben heftiger Aerger nach der
im
Mahlzeit,
w e n n der Magen mit Speisen gefüllt i s t , f ü r schädlich und gefährlich gehalten.
Ueber die Anfüllung
des Magens heifst es im Obductionsprotokoll: „der Magen enthielt viel Speisebrei." Die gestörte Verdauung w i r d wahrscheinlich aus der iin
Obductionsprotokoll
angegebenen Beschaffenheit der L e b e r und blase.
Gallen-
Auch ist die ungemeine Auftreibung des U n -
terleibes und die so f r ü h eingetretene faulichte A u s dehnung der Eingeweide, w o r u n t e r n u r die Gedärine
—
19'.?
—
(intestina) verstanden sein können nicht ganz zu übersehen.
Die Schläge in den Nacken haben, als solche,
-wahrscheinlich höchst wenig zum Ausbruch der K r a n k heit beigetragen, und es k a n n ihnen eine 3[itwirkung z u m Tode mit Wahrscheinlichkeit nur in so lern beigelegt werden, als sie zur Steigerung des Zornes mitgewirkt
haben
können.
Sie haben
und f ü r sich durch Erschütterung
namentlich
des
an
Kückenmarks
und durch L a h m u n g nicht getödtet, d e n n , sollte sich auch durch zwei oder drei einem erwachsenen Menschen mit
geballter Faust in den
Nacken
geführte
Schläge unter gewissen Umständen eine Erschütterung des Rückenmarks bis zur möglich denken l a s s e n ,
tödtlichen
Lähmung
so w ü r d e immer der
als Tod,
dieser Ansicht entsprechend, schnell und fast augenblicklich erfolgen müssen.
Erscheinungen vor
Tode,
F a l l , ein
w i e im gegebenen
scheinbarer
Gesundheit,
wo
noch
dein
Zwischenraum Bewegung
und
Sprache frei bleiben , sind mit solcher A n n a h m e u n verträglich.
Die Art und W e i s e , wie die U. starb,
die Umstände und Zufälle, welche dem Tode vorhergingen und ihn begleiteten, sprechen nicht f ü r Nervenlähmung oder Rückenmarkserschütterung, sondern allein für Extravasat
und Schlagilufs.
Nachdem
U. die Schläge in den Nacken erhalten h a t t e ,
die
ergriff
sie einen Kessel, um mit demselben nach dem N. N. zu w e r f e n .
Der Kessel w u r d e ihr aus der Hand ge-
n o m m e n , und sie äufserte ihren Zorn durch pfen.
Schim-
Sie rief dem N. N. die W o r t e nach: „ R a c k e r
ich w e r d e dich v e r k l a g e n . "
E s k o n n t e daher durch
die Schläge in den Nacken keine L ä h m u n g
erfolgt sein.
— sein.
193
—
Die Erscheinungen des Schlagflusses, der B l u t -
congestion mit deren Folgen, der Blutergiefsung, t r a ten erst nachher ein, und machten dann dem Leben bald ein Ende.
Man hat gesehen, wie die U. den
K o p f mit der Hand hielt.
Nach der Erzählung -von
Augenzeugen stand sie erst still am Kiichenschrank, t h a t dann einige Schritte nach der T h ü r den K o m menden entgegen, sank in die K n i e , darauf auf die l i n k e S e i t e , schlug die Augen auf und z u , aus dem M u n d e trat ein grüner Geifer, und sie schien w i e K r ä m p f e zu haben.
Diese Erscheinungen stehen aber
mit dem Inhalt des Obductionsprotokolls, in so fern er den Befund der Schädelhöhle betrifft, in
so natürli-
chem Z u s a m m e n h a n g e , sprechen gemeinschaftlich so dringend für Schlagilufs als Krankheitsausgang, lassen ihn, als hei vorhandener Disposition ans inneren U r sachen entstanden, so vollständig und
ungezwungen
erklären, dnis damit die erlittenen Mißhandlungen und äufsere Gewalt mit einiger Wahrscheinlichkeit in Verbindung gesetzt werden können.
Wie
nicht nun
endlich Faustscliläge in den N a c k e n , w e n n sie auch mit bedeutender K r a f t geführt w e r d e n , eine Z e r r e i ß u n g von Blutgefiifsen im Gehirn, zugleich mit B l u t iiberfülluug der linken Hemisphäre und blutiger F ä r bung der wässerichten Feuchtigkeit der Hirnhöhlen nicht leicht zur Folge haben k ö n n e n , haben wir f r ü her schon bei Erörterung der ersten Frage bemerkt. W e n n nun aber nachgewiesen ist, dafs Schlagflufs aus innern Ursachen unter den vorhandenen
Umständen
hat entstehen können, w e n n die Erscheinungen, w e l che den Tod der U. theils begleitet haben, theils ihm Kluß'* A u s w a h l . I.
13
— vorhergegangen sind, flusses
m
—
als E r s c h e i n u n g e n des
a n e r k a n n t -worden s i n d , w e n n
Schlag-
auch aus
I n h a l t des Obductionsprotokolls der
dem
T o d d u r c h diese
K r a n k h e i t deutlich h e r v o r g e g a n g e n ist, so ist w o h l a u f s e r Z w e i f e l , dafs w i r k l i c h
die U. an e i n e m
Schlag-
flufs gestorben, nicht aber g e w a l t s a m g e t ö d t e t w o r d e n ist, u n d w i r k ö n n e n d a h e r ,
n a c h d e m w i r alles, w a s
d e n vorliegenden Fall betreifend uns w i c h t i g e r s c h i e n e n , beizubringen b e m ü h t g e w e s e n s i n d , als das R e sultat g e m e i n s c h a f t l i c h e r B e r a t h u n g u n s e r e , den T o d d e r U . , den Eioflufs und die G e f ä h r l i c h k e i t der H a n d l u n g des N. N. und die E n t s t e h u n g d e r V e r l e t z u n g e n in B e z i e h u n g
und T o d t l i c h k e i t
auf die von
Einem
K ö n i g l . K a i n m e r g e r i c h t a u f g e w o r f e n e n Fragen b e t r e f f e n d e Meinung in der K ü r z e dahin w i e d e r h o l e n : 1)
dafs von den an der U. v o r g e f u n d e n e n
Verle-
t z u n g e n die E x t r a v a s a t e in der Gegend der Halsw i r b e l äufserer G e w a l t zuzuschreiben durch Faustschläge in den Nacken
sind,
und
hervorgebracht
w e r d e n k o n n t e n , der B e f u n d in der S c h a d e l h ö h l e aber als Folge einer K r a n k h e i t , n a m e n t l i c h e i n e s Schlagflusses m i t
Wahrscheinlichkeit
betrachtet
w e r d e n mufs. 2 ) dafs von den e r w ä h n t e n V e r l e t z u n g e n das E x t r a v a sat unter dem kleinen G e h i r n an und lur sich u n b e dingt tödllich, die V e r l e t z u n g e n in der Gegend der Halswirbel aber im vorliegenden F a l l nicht t ö d t licli w a r e n . B e r l i n , den 14len J a n u a r 1S21.
Königl. Wissenschaftliche Deputation f ü r das M e d i c i n a l - W e s e n .
VII. G u t a c h t e n über Tödtlichkeit
einer
Kopfverletzung.
13 *
i i i i n Hobes Ministerium der Geistlichen-Unterrichts und Medicinal-Angelegenheiten hat uns 3 Bände Akten in Sachen wider den Lieutenant J. und Couaorten zugesandt, um dein Verlangen des Herrn General-Majors und Divisions-Cominandeurs v. II. geinäfs, nach Vorschrift des 169. der Criminal-Ordnung in dieser Sache ein Gutachten zu geben, weil der gedachte Herr General-Major in den ärztlichen Attesten zu viele W i dersprüche und Undeutlichkeiten findet, als dafs auf den Grund derselben eine richterliche Entscheidung gebaut werden könnte. Dein Hohen Befehl geniigen zu k ö n n e n , senden wir die Species Facti voraus. Der Lieutenant J. und der Lieutenant G . , w e l che in Streitigkeiten gerathen waren, beschlossen ihre Sache durch ein Cuell auf Pistolen auszumachen, und begaben sich mit ihren Secundanten, den Lieutenants L. und Q., ain24sten September 1819 Morgens von C . , wo sie sämintlich in Garnison lagen, nach dein benachbarten Gehölz von K . , in dessen Nähe der Schießplatz der Infanterie befindlich ist.
—
198
—
W i e die gedachten Tier Personen im Holze versammelt waren, -wählten die Secundanten die kleineren Pistolen des J . , luden sie gemeinschaftlich, nachd e m sie das Pflaster von den K u g e l n entfernt hatten, wodurch diese für grüfsere Pistolen eingerichtet r e n , und der. G . ,
ein grofser M a n n ,
wa-
gegen 12 Zoll
haltend, schritt 2 0 Schritte ab, die w o h l 21 g e w ö h n liche betrugen.
Der J . ,
welcher den ersten
h a t t e , trat heran und ohne zu z i e l e n ,
Schufs
auch als
schlechter Schütze b e k a n n t , worüber bei den mehrere Z e u g n i s s e befindlich s i n d , und w e g e n m u n g des
rechten A r m s die Pistole
ein
Akten Läh-
in der
linken
Hand haltend, drückte er los, w o r a u f der G. sogleich, von dem S c h u s s e g e t r o f f e n , niederstürzte. Der Lieutenant Q . lief sogleich zum G. hin, und fand, dafs der Schufs mitten in die Stirne durch den Schirm war. zu,
einer
überzogenen
Czakotmiitze
E r hielt das L o c h mit seinem
gedrungen
Taschentuche
allein er sah schon , dafs der G . nach
einigen
A t h e m z ü g e n im Verscheiden w a r . Der Lieutenant L . war inzwischen nach dem benachbarten Schiefsplatz g e l a u f e n , w o Uebungen
statt
gefunden, und holte den Compaguiechirurgua S .
Die-
ser fand den G . von einem Schufs getroffen
liegen,
der durch den Schirm der M ü t z e gegangen w a r , noch auf dem K o p f e safs.
die
E s athmete derselbe noch
2 — 3 S e c u n d e n , allein ohne S p u r von BewufstseiD, und er verschied unter des Chirurgus H ä n d e n ,
der
e t w a s Charpie in die W u n d e gesteckt halte, ganz r u hig und ohne Zuckungen.
—
199 —
Andere Personen waren bei dem Duell nicht zugegen gewesen. J . sowohl als die beiden Secundanten entfernten sich. Der Chirurgus blieb bei dein Todten zurück, bis ein Unterofficier kam, worauf der Chirurgus wegging. Er kain aber wieder h i n , und überzeugte sich noch einmal von dem Tode des G., worauf ein W a g e n von der Artillerie eintraf, auf, den sie den Todlen legten, und der Chirurgus ging dem W a g e n n a c h , welcher den Leiclinam nach dem L a horatorium brachte, in dem zu der Zeit weder F a i r e r noch andere brennbare Stoffe vorhanden waren. Tags darauf am 25sten Septbr. Morgens um 11 Uhr ward zur Sectioo geschritten. Die obducirenden Aerzte waren die der Artillerie in C. cugetheilten Aerzte, der Garnison-Staabsarzt W . und der Compagnie Chirurgus B., wovon ersterer, als Arzt der K.Önigl. Cominandantur, alle medicinisrli gerichtlichen Actus vorzunehmen, welche zu dem König). Commandantur-Gericht gehören, verpflichtet war. Nach geschehener Recognition des Leichnams ward derselbe überall besichtigt, und aufserder S c h u ß wunde an der Stirn keine Verletzung an demselben gefunden. Zu beiden Seiten des Halses and der Brust fanden sich die gewöhnlichen Todfenilecke, eben so an den Unterschenkeln, und der Rücken vom Nacken bis zu dem Hintern war fast ganz blaurolh, eben so auch die hintere Seite aller vier Extremitäten. Der Leichengeruch war nur in sehr geringem Grade wahrzunehmen. Bei genauer Besichtigung der Stirnwunde, die sich fast genau in der Mille der Stirn , jedoch eiuige
—
2(X)
—
Linien mehr links b e f a n d , w u r d e nach menem
Verbände
eine
den
weggenom-
Knochen
penetrirende
W u n d e von fast ganz regelmäfsiger ruuder
Gestalt
h e m e r k t , die inan für eine von einer F i s t o l e n - oder Musketeukugel gemachte Scliufswunde halten mufste. Nachdem die äufsern Bedeckungen des Schädels und die galea capitis kreuzweise durchschnitten und zurückgelegt
waren,
w a r d an keiner Stelle weiter
eine Spur von Q u e t s c h u n g , Zerreifsuug oder E x t r a vasat
gefunden.
In
der
von
der
Haut
befreiten
K n o c h e n w u n d e fanden sich mit der zugleich eingedrungenen Gehirnsubstanz mehrere kleine Knochenchensplilter v e r m i s c h t , auch w u r d e hier ein
kleines,
einen halben Zoll langes, den achten Theil eines Zolls breites und eine L i n i e dickes Fragment von der K u gel
angetroffen.
Bei Lostrennung der
Hirnschaale,
die ohne Schwierigkeit bewirkt ward, fand sich z w i schen derselben a n d der (Iura inater kein
Extravasat,
aber eine blaue Farbe schimmerte durch die letztere, die ein solches veruiuthen liefs.
Zwei
mige Einschnitte von vorne nach nung des unverletzten dem über das ganze
halbzirkeliür-
hinten mit Scho-
processus falciformis machten Gehirn verbreiteten
Extravasat
R a u m und es mochte dasselbe wohl 2 Unzen gen.
betra-
Bei der genauen Betrachtung der mit der K n o -
c h e n w u n d e correspondirenden Stelle des Gehirns fand sich, dafs es die Spitze des vorderen lobi der linken Hemisphäre w a r , die den Anfang des in der Gehirnsubstanz bildete.
SchuCskanals
Diesen zu verfolgen,
wurden in die Substanz des Gehirns mit Vorsicht h o rizontale
Einschnitte gemacht,
und nach und nach
—
201
—
mehrere dünne Scheiben des Gehirns weggenommen. Aller Behutsamkeit ungeachtet war es nicht möglich, den Lnuf der Kugel mit vollkommener Deutlichk«it zu verfolgen, da vom Eingang derselben bis zu dem Ort wo sie gefunden wurde, derselbe durch kein Extravasat oder Zerreifsung der Substanz bezeichnet war. Nach fortgesetztem Suchen fand sich die K u gel im unteren und hinteren Theii des lobi posterioris der linken Hälfte des grofsen Gehirns und zwar noch innerhalb der harten Hirnhaut, auf dem tentoriutn cerebelli liegend. An diesem so wie am cerebellum selbst war nur ein sehr geringer Grad von Entzündung wahrzunehmen. In den Seitenhöhlen war das Adergeilecht etwas blutreicher als gewöhnlich, sonst aber fand sich bei der genauesten Nachforschung nichts Widernatürliches. Die Obducenten hielten diese Gehirnverletzung für absolut tödtlich, und da der Tod des Denati nach dem erhaltenen Schufs unmittelbar erfolgt w a r , die Todesursache für hinlänglich ausgeinitteli, daher aber auch die OeiToung der beiden andern Höhlen des K ö r pers für überflüssig. Der Richter trat dieser Meinung um so mehr bei, als der Verstorbene vor der That ganz gesund gewesen, und die Tödtung im Duell durch den Lieutenant J. festgestellt war. Gegen diese Obduction werden von dem Defensor mehrere Ausstellungen gemacht. Erstlich tadelt er, dafs der Garnisonstaabsarzt W . bei der Obduction den Compagniecliirurgus B. zugezogen habe, der als dessen blofser Gehülfe anzusehen
—
202
—
sei, stall dessen halle ein anderer vereidigter Militairoder Civil-Arzt zugezogen werden müssen. Zweitens
sei
die
Untersuchung
selbst
fehler-
haft , denn : 1 ) Die Oeffnung, welche die Kugel in dem Kopfe veranlafst h a t , hätle genauer angegeben
werden
sullen, um daraus zu beurtheilen, ob die letztere im Steigen oder Fallen den K o p f getroffen. 2 ) Sei die Stelle, wo die Kugel eingedrungen, nicht genau angegeben, ob über den Stirnhöhlen, oder durch diese, in weichein letzteren Fall die
Ku-
gel leichter hätte gelheilt, und einen Verlust au Kraft erleiden können. 3)
"Wenn die Obducenten
den Schufskanal nicht
im Gehirn hätten finden k ö n n e n , so hätten
sie
wohl bei gehöriger Untersuchung der pia inater und arachnoidea die Ausgangsstelle finden müssen. 4 ) Hätte angegeben werden müssen, ob das corpus collosum verletzt
gewesen
sei oder nicht;
denn wenn das corpus callosum und der obere T h e i l der Yentriculorum cerebri, auch der obere Theil des pons Varolii unverletzt geblieben w ä r e n , so sei die im Obductionsbericht aufgestellte absolute Tüdllichkeit der Verletzung keinesweges als erwiesen anzusehen. 5)
Sei ein
wesentlicher
Mangel
der
Obduclion,
dafs nur der K o p f und nicht die andern Höhlen geöffnet worden.
E r hätte vomicae in den L u n -
gen, eine Herzkrankheit u. s. w. haben
können,
und zählt der Defensor eine grofse Reihe K r a n k heilen auf ; von denen duclionS[>rotokoll
gust 1 8 1 5 gar nirlU e r w ä h n t . veranlafst,
Uutersuchungsakvom
14ten
das K ü n i g l . M e d i c i n a l - C o l l e g i m n
Herzoglhümer
J.,
C. und
Au-
S i e l a n d e n sich daher
B.
um
sachverständiges Gutarhlen über
ein
für
die
anderweitiges
d i e Leiden
im
Ein-
g a n g e b e r e i t s a u s g e h o b e n « « F r a g e n zu e r s u c h e n .
Die
M i t g l i e d e r des M e d i c i n a l - C o l l e g i i reiclilen darauf j e d e r ein b e s o n d e r e s G u t a c h t e n e i n , w o denn in dein l e t z tern
die F r a g e n
der K ö n i g l .
O b e r - Landesgerichts -
Comraission dahin b e a n t w o r t e t
wurden:
1 ) dafs nach der L a g e der A k t e n , und bei den in dem Obdnctionsprotokoll
angeliibrten
Umständen
d i e L e b e n s f ä h i g k e i t des von der G. H. zur W e l t gebrachten
Kindes
als g e w i f s
anzunehmen,
w i r k l i c h e L e b e n desselben nach der G e b u r t blofs h ö c h s t w a h r s c h e i n l i c h
das aber
sei.
2 ) dafs u n g e a c h t e t e i n e u n b e d i n g t e affirmative E n t scheidung
der
ersten F r a g e
nur theilweise statt
finde, d e n n o c h die v e r m u t l i c h e U r s a c h e des T o des des K i n d e s und
ein
von
eine
Erschütterung
ausgetretenem
D r u c k desselben s e i ; lichen Handlung
Blut
des
Gehimr.
herrührender
und d i e s e in e i n e r a b s i c h t -
der I m j u i s i t i n n ,
e i n e m blofsen Z u f a l l i h r e n
nicht
aber
verinuthlichen
in
Grund
haben. D e r R e g i e r u n g s r n t h D . w a r ebenfalls der M e i n u n g , dafs das
wirkliche
Leben
des
Kindes
der H .
der G e b u r t sich z w a r als w a h r s c h e i n l i c h ,
nicht
nach aber
—
'29b
—
a l s g e w i f s a n n e h m e n l a s s e , der T o d des K i n d e s d u r c h die K o p f v e r l e t z u n g veranlafst liclie T ö d t u n g aber zu e r w e i s e n
worden,
aus dein Inhalt
eine
absieht
der Akten
nicht
sei.
G u t a c h t e n .
Nach dem ausdrücklichen Verlangen n a l s e n a t s der K ö n i g ! .
gedachtem
Senat
d i e D a t a des d i e i n den menen aber
auch
wir
aufgeworfenen
Obductionshericht
i m voraus
Umstände rügen,
der C r i i n i n a l -
zur E r ö r t e r u n g beiden
Obductionsprotokolls,
mehreren
Crhni-
Ober-Landesgerichls-Cornmis-
sion und gestützt a u f die Vorschriften Ordnnng werden
des
Fragen
keineswegs
nachträglich benutzen.
dafs
die
der
von nur aber
aufgenom-
Wir
müssen
A e r z l e G . und N . ,
w e n n gleich von i h n e n g e s a g t w i r d , d a f s s i e m i t deu F u n c t i o n e n des K r e i s - P h y s i k a i s h ö h e r e n O r t s tragt
worden,
und
zu
der vorzunehmenden
t i o n in j e d e r H i n s i c h t f ü r cjualificirt tu
beaufObduc-
achten
gewe-
s e n , d o r h i m v o r l i e g e n d e n F a l l e m i t s o grofser N a c h l ä s s i g k e i t und
Unkunde
verfahren
haben,
dafs
d u r c h allein der h i n r e i c h e n d s t e B e w e i s i h r e r l i g k e i t zu
jedem
forensischen
D e n Obductionshericht
Geschäft
hier-
Untüch-
gegeben
h a b e n sie a l l e r d i n g s b e i
r e r e r Blufse und i m B e s i t z
mehrerer
meinschaftlich
können;
ausarbeiten
Hülfsmittel doch
ist
ist. mehge-
dieser,
w e n n g l e i c h weitliiiii'tiger utid s c h e i n b a r v o l l s t ä n d i g e r ,
—
296
sowohl mit dein Protokoll als mit sich in Betreff der wichtigsten
Punkte
so sehr
in Verlegenheit
w i r sogar w i r neben
im
Widerspruch,
gerathen
dem Protokoll auch ihn
zum Grunde legen sollte». chenden Angaben gehört
Zu
würden, uuserin
solchen
namentlich
und
dafs wenn
Urlheil
widersprebesonders,
w a s L a g e , V e r h ä l t n i f s , Farbe und Beschaffenheit der Lungen leuchtung
betrifft, G e g e n s l ä n d e , und
zuverlässige
rechten Orte zur
deren genauere
Auseinandersetzung
Entscheidung der T r a g e :
ob
Beam das
K i n d der H . nach der Geburt gelebt habe, so a u g e n scheinlich wichtig gewesen wäre. W i r wenden uns zur Beantwortung worfenen Fragen.
Was
der
aufge-
zuerst den T u n k t betrifft,
ob das K i n d der II. ein reifes und lebensfähiges K i n d gewesen sei, so dienen zur Erörterung dieses G e g e n standes theils und vorzüglich
die A n g a b e n ,
hierüber das Obductionsprotokoll
welche
enthalt, theils
der
Inhalt der A k t e n , in so weit dieser den Zeitpunkt der Euipfängnifs, der ersten Lebensaufserungen der Frucht und der Geburt angeht. D a s Gewicht des K i n d e s betrug z w a r nicht m e h r als fünf Pfuud (bürgerlich G e w i c h t ) ,
es hatte
dieses K i n d ein L ä n g e n m a a f s von zwanzig
aber
rheinlän-
dischen Zollen, die Schädelknoclien waren nicht leicht verschiebbar, die kleinere Fontanelle beinah ganz v e r wachsen, die Ohren w a r e n knorplicht, die Haut derb und glatt, die Glieder ziemlich
fleischigt
und rund,
lie Nägel h a r t , bis über die Spitzen der Finger und Zehen reichend.
Wenn
gleich die Kennzeichen
der
— 297 — Reife hier nicht säinintlich genannt sind, so läfst sich doch schon nach den angegebenen mit Grund daran nicht z w e i f e l n , dafs das Kind dar H. e i n , wo nicht ganz, doch bis auf sehr kurze Zeit ausgetragenes, •wenigstens lebensfähiges Kind gewesen sei. W e n n w i r daneben die Angaben der Ioquisitinn über das Ausbleiben der Reinigung und die ersten Bewegungen der Frucht, obgleich ihnen an und für sich ein hoher W e r t h nicht beigelegt werden kann, berücksichtigen, so ergiebt sich leicht aus ihnen, verglichen mit dem Zeitpunkt der Niederkunft, ein mit dem des Obductionsprotokolls ziemlich übereinstimmendes R e sultat. Es erfolgte die Wiederkunft in der Nacht vom lOten auf den I l t e n August 1815. Zur Zeit der Essender Herbst-Kirchmefs (gegen den 21sten October) 1814 war die Inculpatinn von dem Knecht W . beschwängert worden, und drei Wochen nachher w a r ihre monatliche Reinigung ausgeblieben, auch von dieser Zeit an ihr Unterleib stärker geworden. Es ist wohl nicht ein eigentlicher Widerspruch zu nennen, wenn die Inculpatinn früher angegeben h a t t e , von dem letzten mit dem W . am Ende des October oder im Anfang des November vollzogenen Beischlaf schwanger geworden zu sein, und seit dieser Zeit ihre Reinigung verloren zu haben. Kurz vor Frohnleichnam ( d e n 25sten M a i ) 1815, späterhin aber nicht weiter, versicherte Inquisitinn, das Leben der Frucht gespürt zu haben. Es wäre aber letzteres, wenn w i r annehmen, dafs die Schwangerschaft Ende Octobers oder in den ersten Tagen des November begonnen hatte, gegen das Ende des sechsten Monats gewesen,
—
298
—
vor Ablauf oder vielmehr in der Mitte des
neunten
Monats aber die Entbindung erfolgt. Der zweite Theil der ersten uns z u r Beantwortung vorgelegten Frage ist von besonderer Wichtigkeit. W e n n sonst darüber, ob ein K i n d nach der Geburt wirklich gelebt h a b e ,
der Erfolg der Lungenprobe
entweder
genügende oder doch wichtige und wesentliche
Auf-
schlüsse g i e b t , so k ü u n e n wir vorliegend darauf nur wenig Rücksicht n e h m e n , weil die hauptsächlichsten zur Lungenprobe gehörenden Versuche gar nicht a n gestellt worden sind. ist nicht gedacht.
Der
Ueber
der Brust müssen
uns
aufseren den
die
Erscheinungen
Befund im
Innern
Versicherung, dafs
Al-
les in seiner natürlichen Lage gewesen sei, und die Angaben,
dafs die
Lungen
der glandula tbyraus 5 j
init
Loth,
dein
Herzen
Skrupel gewogen , und sowohl in erstgedachter bindung
als f ü r
sich
und
in
und
für sich 3 Lotli Stücken
2
Ver-
zerschnitten
auf der Oberfläche des Wassers ceschwoininen hätten , genügen.
Kiclit
einmal
die Ausdehnung
L u n g e n , ihre F a r b e , ihr Aussehen, der Grad Dichtigkeit, ihr V e r h ä l t n i s zu
andern
der ihrer
Eingeweiden
der B r u s t h ö h l e , ist berücksichtigt, nicht ist die W ö l bung des Z w e r g f e l l s beachtet, nicht erforscht den,
ob die L u f t , als blulgemischter S c h a u m ,
wormit
Zischen aus den gemachten Einschnitten hervordrang, und Blut auch in die w a r , nicht nachgesehen,
feinsten Gelafse
eingegangen
ob etwa Luflbläsrhen
am
S a u m e der Lungenlappen am S c h w i m m e n der L u n gen Schuld waren u. s. w .
—
299
—
Die Lungen wogen, vom Herzen und der glandula ihyiniis getrennt drei L o l h
und zwei Skrupel.
Ihr au sich geringes Gewicht stund also iin Verhältn i s zu dein des Körpers wie 1 zu 5 3 oder 2 zu 106. W i r finden aber hierin, wo nicht einen Beweis der
Unsicherheit
doch eine
der
Ploucquelschen
Veranlassung
von
Lungenprobe,
anzunehmen,
wenn
daTs,
nicht vielleicht beim Wiegen die uöthige Genauigkeit nicht beobachtet irgend
einem
worden i s t , das Kind
Grunde
der H. aus
nur unvollkommen
geathinet
haben inufste, so dafs schon diese Annahme mit dein vollkommenen
Schwimmen der Lungen im
spruch zu stehen
scheint.
So
Wider-
viel ist gewifs, dafs
ein zuverlässiger Schlufs sich aus diesen Angaben nicht ziehen läfst. Dafs die Lungen, sowohl iu Verbindung init dem Herzen
und
zerschnitten
der thyinus, auf der
als für s i c h ,
sich
hielten, deutet darauf hin , dafs L u f t in ihnen
ent-
Ein
des
ganz und
Wassere
halten gewesen sei.
Oberfläche
uiehreres läfst sich indefs
hieraus nicht schliefsen, und über die Art, w i e die L u f t in die Lungen g e k o m m e n , ob durch
Athembo-
len oder n i c h t , wegen mangelnder weiterer Beobachtungen und unterlassener besonderen Versuche ein b e stimmter Ausspruch
nicht
wagen.
Möglich
dafs die L u f t , welche die Lungen zum
ist
es,
Schwimmen
brachte, sich durch angehende Fäulnifs in ihnen e n t wickelt hatte, denn es traf s i c h , das die Inculpatinn mitten im Sommer ( i n
der Nacht vom lOten
zum
I l t e n August) entbunden wurde, und es bis zuin 14ten August,
wo das Kind obducirt wurde, wenn
gleich
—
300
—
zufällig nicht sehr h e i i s , doch bei Tage
sowohl als
in der Nacht warin genug war, u m das Fortschreiten der Fäulnifs zu begünstigen.
Der höchste Stand des
Thermometers w a r in hiesiger Gegend ain I l t e n A u gust
63 Fahrenh.
(14 +
76Fahrenh. (19|-j-lleaum.)
Reaum.)
und
am
13len
Hiebei ist zu berücksichti-
gen, Jafs das Kind mehrentheils an einem warmen Ort, in dem Stall, dessen Boden mit Stroh bedeckt war, z u erst unter dem Stroh leicht versteckt, nachher tiefer unter dem
fllist
verscharrt gelegen hatte.
E s sind
aber im Obductionsprotokoll eben so die Zeichen vorhandener Fäulnifs, als d i e , aus welchen das vorhandensein derselben hervorgegangen mit Stillschweigen übergangen. gern zugeben wollen,
Nicht-
sein w ü r d e ,
Und wenn w i r gleich
dafs die
im
Obductionspro-
t o k o l l , obgleich zu gane anderin Z w e c k , angeführten W o r t e „ d i e Haut w a r derb und glatt", dem, dafs der kleine Leichnam von merklicher Fnulnifs ergriffen gewesen, einigermafseti widersprechen, auf der andern S e i t e e s sich auch nicht wohl denken läfst, dafs ü b e r einen Grad der Fäulnifs, der in den Lungen sich geäufsert
und diese
schwiminfahig
gemacht
die Obducenten so gauz sollten geschwiegen
halte, haben,
so müssen wir doch bemerken, dafs sowohl jene W o r t e als dieses Stillschweigen f ü r sich allein nicht hinreichend sind, uin jeden E i n w u r f , welcher aus dem laulichten Zustand der L u n g e n gegen die llichtigkeit der Schwiminprobe hergenommen werden kann, iin V o r aus w i e es billig Italic sein sollen, zu. entkräften. Es
konnte
aber
auch auf eine andere W e i s e ,
neinlich durch Einblusen, die L u f t in die Luugen ge-
— langt sein. dafs die
301
—
Und w e n n gleich nicht Mutter
selbst
dieses sollte
zu glauben ist« versucht
und
nachher darüber geschwiegen, ja sogar es geleugnet haben, so läfst sich doch der E i n w u r f , dafs es m ö g licherweise durch einen Unbekannten
hat
geschehen
k ö n n e n , nicht gänzlich beseitigen. W i r reden hier absichtlich weiter nicht von dein Athemholen des noch nicht
gebornen Kindes,
und
mögen diese sonst beobachtete Erscheinung auf den vorliegenden Fall nicht in A n w e n d u n g bringen, weil, w e n n ein solches Athuien vor der Geburt auch ü b e r haupt nicht zu läugnen i s t , es doch in dein Fall einer so schnellen und ganz durch die K r ä f t e der N a tur vollendeten Entbindung sich durchaus nicht
an-
nehmen läfst. W e n n nun aber aus dem Resultat der Schwiminprobe vorliegend
Lungen-
mit hinreichender
Zuver-
läfsigkeit und Sicherheit nicht hervorgeht, dafs das K i n d der H. nach der Geburt gelebt habe, so mögen w i r es doch nicht v e r h e h l e n , dafs in den A k t e n und namentlich im Obductionsprotokoll andere Thatsachen aufgezeichnet s i n d , welche allerdings dafür zu
spre-
chen scheinen, dafs das K i n d d e r H . ,
auch
wenn
nicht mit deutlichen Lebensäufserungen, doch lebend, vielleicht
scheintodt,
zur W e l t
gekommen sei.
—
V o n geringerem Gewicht, doch der E r w ä h n u n g w e r t b , ist die Aussage der I n q u i s i t i n n ,
d a f s , als sie gleich
nach der Entbindung das K i n d angefafst h a b e , dieses nafs und laulicht w a r m gewesen sei.
Von
besonde-
rer Wichtigkeit und wesentlich der F r a g e , ob das K i n d der H. lebend geboren worden s e i ,
gehörend,
—
302
—
ist abvr das atn K o p f des K i n d e s deutende Extravasat
Torgefundene be-
in V e r b i n d u n g init den
i h m angetroffenen V e r l e t z u n g e n :
unter
,, Nachdem die all-
g e m e i n e n Decken zurückgeschlagen, „ a u f der ganzen rechten S e i t e des
b e m e r k t e man Seitenwaudbeins
„ u n d des ganzen H i n t e r h a u p t b e i n s , schwarzes geronn e n e s Blut, dessen M e n g e über einen Efslöflel voll „betrug.
A m o b e m R a n d e des rechten S e i t e n w . m d -
, , b e i n s fand sich ein beinah z w e i Zoll langer Bruch, „ d e r von der s u t u r a coronaria l j Zoll, von der h i n ,, lern Fontanelle z w e i Zoll entfernt w a r , ,, nach dein Mittelpunkt
hin
ausbreitete.
und sich Ein
zwei-
„ ter kleiner Bruch von der L ä n g e eines halben Zolls ,, befand sich ebenfalls an diesem K n o c h e n , von dem „ v o r i g e n w i e auch von der hinteren Fontanelle „Zoll,
v o n der P f e i l n a i h einen
Zoll e n t f e r n t ,
t| das
„ H i n t e r h a u p t b e i n h a ' l e drei verschiedene Brüche, w o „ von der gröfsere einen Zoll betrug, „ n a c h dem M i t t e l p u n k t „ t e t war. „eines
und
von
oben
dieses K n o c h e n s hin gerirh-
Die z w e i kleineren Brüche von der Gröfse
Vierteizolls befanden sich an beiden
„ E c k e n . " — i>Der grofse Blutbehälter ( s i n u s
untern longi-
„ t u d i n a l i s superior) w a r durch den ¡jrofsen Bruch des „ Seitenwandbeins, welcher bis an die rfeiln;;th rcichte, „ v e r l e t z t , und das Blut quoll beim gelindesten Druck „ i n Menge hervor. „ Knochen zeigte
Nach der A b n a h m e der Scliädel-
sich
das
Gehirn z w a r von
,, C o n s i s t e n z , alle Gefäfse des
grolsen Gehirns
guter aber
„ strotzten von Blut und die Oberfläche desselben w a r „ m i t e x t r a v a s a l e m Blute bedeckt, dessen Menge w e „gen
w e i c h e r Beschaffenheit der Hirnsubstanz
sich
— „ nicht genau
303
—
bestimmen liefs.
In den
„ befand sich das gewöhnliche S e r u m .
HSrnhShlen Die Gefafse
„ d e s kleinen Gehirns waren ebenfalls init Blut über„ f ü l l t , und in basi cranii befand sich ungefähr ein „ F f s l ö f f e l voll extravasales B l u t . " S o vollständig und in den Angaben genau
und
bestimmt, als es nicht allein wünschenswert!), sondern auch möglich gewesen w ä r e , ist freilich die so eben ausgehobeue
Beschreibung
dem Obductionsprotokoll
der Kopfverletzungen nicht.
E s herrschen
in
sogar
W i d e r s p r ü c h e darin, theils da, w o gesagt w i r d , dafs wegen weicher Beschaffenheit des Gehirns sich die Menge des über dasselbe ergossenen Blutes nicht genau habe bestimmen lassen, da doch nach einer f r ü heren Angabe das Gehirn von guter Consistenz wesen;
ge-
theils da w o der grofse Bruch des Seiieh-
wandbeins erst einen und einen halben Zoll von der sutura coronaria e n t f e r n t und dann bis an die Pfeilnath reichend angegeben wird.
Der
gels an
nöthiger
Genauigkeit
triirt aber vorzüglich von dem über das
und
"Vorwurf des ManAusführlichkeit
die Stellen des Protokoll*,
wo
Gehirn verbreiteten
und in basi
cranii extravasalen Blute die Rede ist.
Endlich aber
drücken sich die Obducenten
unbestimmt
und
un-
deutlich namentlich da a u s , w o sie s a g e n , dafs der grofse Bruch im Seitenwandbein sich nach dem Mittelpunkt hin ausgebreitet habe. rügten Mängel ist dennoch tionsprotokolls werlli,
einer
vorzüglichen
und w i r benutzen,
schauung
Ungeachtet der ge-
dieser Theil des Obduc-
dargeboteuen
Berücksichtigung
w a s von dem der
zum gegenwärtigen
An-
Zweck
—
304
—
dienlich die Obducenten aufgefafst und berichtet haben.
unzweideutig
Hierher gehört vor allem der
fund , nachdem die allgemeinen Kopfdecken geschlagen worden.
Unter ibuen bemerkten
Be-
zurück neinlich
die Obducenten auf dem ganzen rechten Seitenwandbein und Hioterhauptsbein schwarzes geronnenes Blut, dessen Menge über einen Efslüffel voll betrug,
lieber
die Entstehungsart dieses Extravasais überhaupt kann wohl nicht leicht ein Zweifel obwalten.
Denn kaum
lafst es sich denken, dafs dieses so ausgedehnte den inneren Verletzungen so angepafste einseitige
Extra-
vasat, Folge des Hergangs der Geburt gewesen mit den Extravasaten zu vergleichen s e i ,
und
welche auf
diese W e i s e entstanden nicht selten sonst bei neugebornen K i n d e r n , besonders Erstgebärender, fen werden.
angetrof-
V i e l wahrscheinlicher ist e s , dafs
die
nemliche Gewalt, welche die Knochenbrüche, namentlich die Brüche des Seitenwandbeins und die V e r l e tzung des sinus longitudinalis b e w i r k t , auch das E x travasat hervorgebracht hatte. E s kömmt aber hier darauf a n , zu bestimmen, ob erstlich, da wir das Extravasat für sich als Folge des Geburtsakts nicht füglich betrachten können, wir nicht
die Verletzungen sammt dem
Extravasat
durch den Hergang der Geburt selbst bewirkt
als
anse-
hen dürfen? oder ob zweitens, es als möglich angenommen werden kann, dafs dem bereits todten Kinde solche Beschädigungen
zugefügt worden sind,
Folge das in der angegebenen
deren
Art vorgefundene E x -
travasat gewesen ist. In
—
305
—
In der ersten Rücksicht fehlt es freilich, wie bekannt , nicht
an Beobachtungen
von
Sugilialionen,
Knocheneindrücken und Knochenbrüchen, welche w ä h rend der Geburtsarbeit da entstanden sind, wo dem Austreten des Kindeskopfs aus den Geburtstheilen der Mutter
sehr beträchtliche
Hindernisse
in den
Weg
traten, und die Entbindung lang dauernd und schwierig
machten.
Aber
so
bedeutende
und
mehrfache
Knochenbrüche, vergesellschaftet mit einem so ansehnlichen blutigen Extravasat,
sind überhaupt auf diese
W e i s e wohl nie entstanden sten da entstehen k ö n n e n ,
und haben am wenigwo die Entbindung, wie
hier, mit ungewöhnlicher Schnelligkeit und, nach allen begleitenden Umständen zu urtheilen, ungemein leicht vor sich gegangen i s t Sollte es sich aber nicht um so eher lassen,
da Ts säinmtliche Verletzungen
Kinde durch irgend eine zufällig heftige
annehmen
dem
todten
Einwirkung
von aufsen, Schlag, Stöfs, T r i t t , oder wie man sich denken will, zugefügt worden sind? U H
sie
sollte
vielleicht bei dieser Gelegenheit Rücksicht verdienen, was die W i t l w e L . behauptet:
es habe die Inquisi-
tinn H. ain Abend des 12ten August im Stalle „ d e r Stelle,
,,an
w o sie vorher etwas vergraben
hatte,
,, etwas, ohne Zweifel das neugehorne todte
Kind,
,, aufgenommen, sei auf einen andern Bebälter in dem „Schweinestall
hingegangen,
und habe
dieses vor
,, sich her weit weggeworfen" und konnten nicht sogar aus
dieser
Handlung die vorbeschriebenen
Be-
schädigungen entsprungen sein ? Dafs Beschädigungen jeder Art dem todten, wie dem lebenden Körper zuKlng's Auswahl. I .
20
—
306
—
gefügt w e r d e n k ö n n e n , •wird n i e m a n d l e i c h t in A b r e d e s t e l l e n , d o c h ist n i c h t zu ü h e r s e h e n , dafs die
beglei-
tenden
Spuren
Erscheinungen
und
hinterbliebenen
u n t e r b e i d e r l e i V e r h ä l t n i s s e n v e r s c h i e d e n sind.
Kaum
dürften w i r im v o r l i e g e n d e n F a l l e e i n r ä u m e n , dafs aus d e m v e r l e t z t e n sinus tongitudinalis, o b g l e i c h aus i h m w ä h r e n d d e r O b d u c t i o n das B l u t b e i d e m gelindesten D r u c k in M e n g e h e r v o r q u o l l , das B l u t so
weit
sich ergossen,
über
die
a u c h nach dein T o d e
Oberfläche
und in so b e t r ä c h t l i c h e r
des
hasis crnuii sich a n g e h ä u f t h a b e n sollte. dem,
dafs dieses
möglich
gewesen,
Gehirns
Menge
in d e r
I n d e s s e n ist
oder
dafs
viel-
m e h r bei der mit der n ö t b i g e n B e h u t s a m k e i t nicht a n gestellten
Obduction
dazu
den
aus
Inhalt
sei,
dem
G e l e g e n h e i t gegeben des
n i c h t s e n t g e g e n zu s e t z e n ,
weil
wor-
Obductionsprotokolls nemlich
die
Obdu-
c e n l e n ü b e r die B e s c h a f f e n h e i t des e x t r a v a s i r t e n B l u t e s sich w e i t e r n i c h t a u s g e l a s s e n h a b e n . verhält
es
sicli m i t
dem
Extravasat,
Anders aber welches
nach
z u r ü c k g e s c h l a g e n e n K o p f d e c k e n a u f dem rechten S e i tenwandbein
und
s i c h t b a r wurde.
n e m B l u t e , flössen helrug.
dem
Hinterhauptsbein
E s bestand Menge
in
aufliegend
schwarzem
über
eiueu
geronne-
Elsltiflel
A u c h dieses E x t r a v a s a t stand allerdings
voll wohl
in V e r b i n d u n g m i t dein v e r l e t z t e n sinus.
A b e r theils
konnte
sinus
liier
d;is
Blut
n a c h aufsen über das
nicht
aus
S c h e i t e l - und
dein
sich
Hinterhauptsbein
ergossen h a b e n , t h e i l s k o n n t e es ü b e r h a u p t nicht nach dem T o d e
erst
iu:.«gelreleii
sein,
denn
es
hätte
in
s o l c h e m !~;d!e ais lodies B i u t und geschieden von der atmosphärischen
Luit,
gleich
dem
B l u t e in dem
si-
— 307
—
nus, wenn auch von Farbe schwarz oder dunkel, doch flüssig
bleiben müssen, und nicht geronnen, w i e es
w a r , erscheinen können.
Alle Gefäfse des grofsen
Gehirns strotzten -von B l u t , so waren auch die Gefäfse
des
kleinen Gehirns
mit Blut überfüllt.
An
und für sich betrachtet konnte eine solche UeberfiiU lung der Gefäfse theils durch mechanische
Einsen-
kung des Bluts nach den Gesetzen der Schwere im todten Körper vor sich gegangen sein, theils konnte sie als Zeichen eines apoplectischen Todes des K i n des während der Geburt gelten.
Aber in Verbindung
mit den vorgefundenen Verletzungen und dem Extravasat unter der Kopfbaut scheint diese Erscheinung mehr auf einen apoplectischen Tod nach der Geburt durch Gehirnerschütterung zu deuten und es zu bestätigen, was das Extravasat dargethan hat, dafs nemlicli die gefundenen Beschädigungen im
Zusammen-
hange dem lebenden, entweder durch wirkliche
Le-
bensäufserungen sich verrathenden oder scheintodten K i n d e , welches beides sich nach dem
Vorgefunde-
nen nicht entscheiden läfst, zugefügt worden sind. Sehen wir uns in den Akten um, so stofsen wir auch hier auf einen Umstand, welcher zur Erläuterung des Gesagten
nicht ganz aus der Acht gelassen
werden darf, und wonach hervorzugehen scheint, dafs Anfangs schon und sogleich nach dem vermuthlichen Absterben des Kindes das Extravasat deutlich vorhanden, und dessen Spur sichtbar gewesen sei. die Inquisitinn hatte am Morgens, mithin
Denn
12ten August um 4 Uhr
wenige Stunden nach der Geburt
des K i n d e s , und a b sie dasselbe zuerst beim Lichte 20 *
— des anbrechenden Ta-ges
30cin zeigte sich Quentchen
schwarzes und
Zoll Länge.
nach dem
coajjulirtos
auf der nemlichen
Schlal'bein
Blut von Stelle 2
chen Gehirn, welches durch die voiLin
etwa \ QUPUI-
beschriebene Knn-
—
353
—
Knochen wunde gedrungen war. Es bedarf keines ausführlichen Beweises, dafs Verletzungen, weichein mehrfachen Frakturen des Scheitelbeins mit Zerreißungen der dura mater verbunden bestanden, an sich als lethal anzunehmen sind. Nun erst können wir die Frage erörtern, ob der Obduclionsbefund ,, mit hinlänglicher Gewifsheit ergebe, dafs die „ genannten Verletzungen bei Lebzeiten des quaest. „Kindes oder erst nach dessen Tode entstanden." Es fand diese Frage im vorliegenden Fall, aufser der Beschaffenheit der Verletzungen eine besondere Veranlassung in der Art, wie nach dein Inhalt der Akten das Kind nach der Geburt behandelt worden war. Die Schachtel nemlich, welche es enthielt, fand sich in einem Loch von mehr als 40 Fufs Tiefe, und war an der einen Seite dicht am Boden so aufgesprungen, dafs man darin das todte Kind sehen konnte, der Boden der Schachtel war in drei Stücke zerbrochen, und die eine Seitenwand zersplittert. Das Kind lag auf dem Rücken und der rechten Seite des Kopfes, das Gesicht von der zersplitterten Steife abgewendet. Die Schachtel war übrigens verhältnifsinäfsig sehr klein, nur eilf rheinländische Zoll lang, sechs Zoll breit und vier Zoll tief. Das Kind, dessen Länge 1 6 J Zoll betrug, fand sich eingedrückt. Die Mutter gab an, bei der Enthindung ohnmächtig geworden zu sein, und beim Erwachen auf dein todten Kinde gelegen zu haben. So konnte daher der Leichnam am Kopfe beschädigt worden sein, sowohl durch Einpressen in den im Verhältnifs sehr engen Raum der Klug's Auswahl. I.
23
—
354
—
Schachtel, als durch den Fall beim E i n s e n k e n in das tiefe L o c h , und endlich durch das Aufliegen der Mutter. Hier kommt es daher vornehmlich auf eine h e r e Betrachtung der Verletzungen a n ,
nä-
und die
Su-
gillationen werden zuerst in Erwägung zu ziehen sein. Niehl immer sind Blutunterlaufungen sichere Zeichen des statt gefundenen L e h e n s .
Nach den Gesetzen der
S c h w e r e senkt sich auch im todten K ö r p e r das B l u t nach den am tiefsten
gelegenen
da» Z e l l g e w e b e der Haut.
Gegenden
zwischen
D e r Anfang fauligter Z e r -
setzung begünstigt solche Blutunterlaufungen. liegenden Fall w a r der K ö r p e r
denn es wird dies im Obductionsprotokoll lich versichert, doch hatte das K i n d in tel bis zur Oliduction
I m vor-
zwar o h n e
überhaupt
Fäulnils, ausdrück-
der
sieben
Schach-
Tage,
fünf
T a g e im Schachtloch, w o es kühl wie in einem K e l und der rechten
ler g e w e s e n , auf dem R ü c k e n des K o p f s
gelegen.
Der
Flecken
das verschwollene und blau
auf dem
gefärbte
rechte
Seile
Backen, Augen-
lied, der blaue S t r e i f vom A u g e bis zur Lippe können als Folgen der Blutinfiltration sehen werden.
nach dem T o d e a n g e -
E i n e nähere Untersuchung dieser a n -
geblichen Sugillationen hat jedoch den. die
M e h r als Entstehung
nicht
statt
gefun-
tie Vermuthung zu geben, und über dieser
Flecke
mit
Sicherheit
urtheilen, fühlen wir uns daher aufser Stande.
zu Wel-
ches die Entstehungsweise des unter dein Halse vorn Brustbein an bis über das Zungenbein b e m e r k t e n , aus mehreren
in
Form
und Grüfte verschiedenen
ten zusammengesetzten
Zoll
cken gewesen sei, läfst sich eben
breiten
grauen
PunkFle-
so wenig e n l s c h e i -
— den.
355
Der L e i c h n a m
—
w a r , als er gefunden
mit Blut, Schmutz und Häckerling bedeckt. befand
sich
wurde,
I m Munde
Schmutz und auf der Z u n g e
Hechsei.
Die Mutler wurde von ihrer Frucht auf dem Futterboden, wohin sie, um Futter für die Pferde zu machen, gegangen war, entbunden. ihr auf den L e h m b o d e n .
Dort schofs das K i n d von S i e will sogleich nach der
Entbindung in einen Zustand von then
sein und
mit
Ohnmacht gera-
dem L e i b e auf dem
todten K i n d e gelegen haben.
angeblich
Diese Umstände k ö n n -
ten die Entstehung jener räthselhaften Flecke germafsen erklären helfen.
eini-
E i n e das Leben des K i n -
des gefährdende Handlung scheint dadurch nicht a n gedeutet zu w e r d e n , wenn auch damals das wahrscheinlich a m L e b e n gewesen ist.
Kind
Von gröfse-
rer Bedeutung ist wahrscheinlich das coagulum von ungefähr § Quentchen schwarzem B l u t ,
welches
die
Obducenten, nachdem sie die äufseren Kopfbedeckungen, die sie als geschwollen bezeichnen,
weggenom-
men hatten, auf dem rechten Scheitelbein,
so
jenes, welches sie an der Vereinigung beider telbeine getroffen haben. sammlungen bei
dein
im
E s können
wie
Schei-
diese
Blutan-
Verhältnifs sehr
kleinen
Kinde nicht w o h l während der G e b u r t , die so leicht von Statten gegangen w a r , entstanden sein.
Wahr-
scheinlich sind sie nachher entstanden, und hier linden wir die natürlichste Veranlassung in dein auf den L e h m b o d e n ,
Sturz
indem die Mutler im Stehen
geboren hat und nur, als das K i n d aus dem Schoofse fallen wollen, ihrer A u s s a g e nach im Begriff sich zu bücken gewesen ist.
Ob
beide coagula 23 *
durch
die-
—
35G
—
selbe äufsere V e r a n l a s s u n g entstanden s i n d , läfst sich nicht bestimmen, da das z w e i t e nicht so genau das erste seiner L a g e und M e n g e nach
wie
beschrieben,
auch der Ort, w o die 31. geboren h a t t e , nicht untersucht, noch angegeben worden ist, ob der Boden glatt oder uneben, ob mit Steinen belegt oder ob sonst K ö r per vorhanden w a r e n ,
durch w e l c h e der Kopf des
K i n d e s beim F a l l e n hätte beschädigt w e r d e n k ö n n e n . In der Gegend der Blutansammlungen Knochenbrüche gefunden.
wurden
noch
Es ist wahrscheinlich, dafs
e i n i g e von i h n e n , aber nirht alle gleichzeitig mit j e nen Blutaustretungen und durch dieselbe Gewalt e n t standen , die bedeutenden Bi-iiche a b e r , ß u n g e n der dura m a t e r , das Austreten
die Z e r r e i des
Gehirns,
erst narh dem T o d e , durch den Fall von einer
be-
deutenden Höhe bewerkstelligt worden sind, denn die B l u t u n t e r l a u f u n g e n w a r e n von verhältnifsmäfsig ringem
Umfang und unter dem
Schädel k e i n
geBlut
a u s g e t r e t e n , da d i e B e m e r k u n g der Obducenten, dafs das k l e i n e Gehirn an seiner Oberfläche blutig g e w e s e n , k e i n e B l u l a u s t r e t u n g unter dem Schädel zu
be-
zeichnen scheint. Ein Königliches Kammergericht unsere
gutachtliche
Aeufserung
verlangt endlich
darüber,
inwiefern
das K i n d der In(|uisitinn l e b e n s f ä h i g , und w i e alt es g e w e s e n ? Die Data der Obduction, w e l c h e hiebei in E r w ä g u n g zu ziehen s i n d ,
betreffen die L ä n g e
das G e w i c h t , in g e w i s s e r Hinsicht die
und
körperliche
Beschaffenheit des Kindes und die Beschaffenheit der Kachgeburt.
Das
Obductionsprotokoll ist i n
dieser
Hinsicht sehr unvollständig geblieben, denn w i r
iln-
den nichts über die Beschaffenheit der
Fontanellen,
der H a a r e , der O h r e n k n o r p e l und der Oberfläche, u n d eigentlich aul'ser der LäDge und Kindes
nur
Gewicht
des
d i e BeschaiFenheit der Nachgeburt
zur
B e u r l h e i l u n g gestellt. w e i c h t das K i n d
dem
A b e r schon in diesen S t u c k e n
der Incjuisitinn sehr von den bei
reifen und ausgetragenen K i n d e r n sonst g e w ö h n l i c h e n V e r h ä l t n i s s e n ab.
S e i n e L ä n g e betrug 1 6 | Zoll R h e i n -
ländisclj, das G e w i c h t 4 f Pfund.
Ein
ausgetragenes
reifes K i n d inifst 19 bis 2 2 r h e i n l ä n d i s c h e Zoll w i e g t g e w ö h n l i c h 6 bis 7 P f u n d .
und
Es k ö m m t i m v o r -
liegenden Fall besonders das G e w i c h t des K i n d e s i n Betracht, da K i n d e r in den letzten an L ä n g e als i m men.
Das
U m f a n g e u n d an
Kind
der Inquisitinn
Monaten w e n i g e r Gewicht konnte
zunehhiernach
durchaus nicht als ein reifes und a u s g e t r a g e n e s gelten.
Es w a r e n auch
Kind
w e d e r an Händen noch
an
Füfsen die Nagel gehörig ausgebildet, v i e l m e h r w e i c h , w i e bei K i n d e r n , w e l c h e die gehörige R e i f e nicht e r langt haben.
Der Blutverlust
aus der
Nabelschnur
hat das Gewicht des K i n d e s nicht so bedeutend v e r « ändern k ö n n e n ,
dais w i r i n R ü c k s i c h t d a r a u f ü b e r
die R e i f e des K i n d e s anders furtheilen sollten.
Das
Gewicht der Nachgeburt betrug
Ge-
Pfund.
Das
w i c h t dieses T h e i l s ändert indefs zu sehr ab, als dafs dieser U m s t a n d bei B e u r t h e i l u n g der R e i f e e i n e s K i n des von besonderem W e r t h w ä r e .
Selten wiegt
Nachgeburt e i n e s ausgetragenen K i n d e s ü b e r
die
Pfund.
Das K i n d der Inquisitinn ist nach M a a f s und G e w i c h t wahrscheinlich
eine
Frucht z w i s c h e n d e m
sechsten
und s i e b e n t e n M o n a t g e w e s e n , so dafs es auch bei der
—
358
—
sorgsamsten Pflege sein L e b e n aufserhalb der Gebärmutter fortzusetzen nicht i m S t a n d e gewesen w ä r e . "Wir fassen nach diesem den Inhalt unters achtens in der K ü r z e
zusammen,
d i e TOD Einem etc. K a m u e r g e r i c h t
und
Gut-
beantworten
uns vorgelegten
Fragen dabin , dafs : 1 ) der Obductionshefund mit hinlänglicher G e w i ß heit nicht e r g e b e , dafs der Tod des K i n d e s der Inquisitinn allein und a u i s e r Verbindung init den a m Kopfe vorgefundenen Frakturen
durch
blutung
Nabelschnur
aus
der
ununterbundenen
Ver-
erfolgt sei, 2 ) die F r a k t u r e n des Scheitelbeins an sich als l e thal a n z u n e h m e n , 3 ) der Obductionshefund init hinlänglicher G e w i f s heit nicht e r g e b e , dais d i e genannten V e r l e t z u n gen bei L e b z e i t e n des quaest. Kindes entstanden und solches nur in R ü c k s i c h t einiger w a h r s c h e i n lich, von andern dagegen zu vermuthen sei, dafs sie erst nach d e m Tode e n t s t a n d e n , endlich 4 ) das K i n d der Inquisitinn w e d e r mit Gewifsheit noch mit W a h r s c h e i n l i c h k e i t für lebensfähig
zu
erklären, und ungefähr sechs 3Ionat alt g e w e s e n sei. B e r l i n , den 21sten M ä r z 1821.
Königl. wissenschaftliche Deputation f ü r das Medicinal-Wesen.
XIV. G u t a c h t e n dber
das bei der Geburt statt gefundene Leben heimlich gebornen
Kindes.
il^io Hohes Ministerium der Geistlichen- Unterrichlsund Medicinal-Angelegenheiten hat unter dem 20sten September d. J. in der Untersuchongs-Sache wider die unverehelichte D. Seh. zu M. wegen verheimlichter Schwangerschaft und Niederkunft dem Antrage Eines Königlichen Hochpreifslichen Kammergerichts vom lOten September d. J . gemäfs und unter Zufertigung eines Bandes Untersuchungsakten uns aufgegeben, ein Gutachten darüber zu entwerfen: 1 ) ob nach dem Obductionsbefund anzunehmen ¡st, dafs das Kind der unverehelichten S. bei der G e burt gelebt habe, 2) welcher Einflute auf die Beantwortung dieser Frage dem Umstände beizumessen, dafs sich bei dem Zerschneiden der Lungen des Kindes kein zischender Laut gezeigt hat, und 3 ) in wie weit sich die Abwesenheit dieses L a u tes durch die bereits eingetretene Fäulnils des Leichnams erklären läfst. W i r genügen jetzt, unter Rücksendung der uns mitgetheilten Akten dem erhaltenen Befehl.
—
362
—
Geschichtserzählung.
Die unverehelichte 22jährige D. S. L . S c b . , teste Tochter der W i t t w e Seh. in JH., wurde nach Pfingsten d verdächtig,
J. der verheimlichten
älbald
Niederkunft
w e i l oian sie nach ihrem A n s e h e n
noch
kurz vor Plingsten für schwanger gehalten hatte.
Eine
auf den Grund dieses Verdachts am 19teii Juni d. J. durch die Dorfhehaimne vorgenommene Untersuchung hatte zwar zu
keiner Entdeckung geführt,
dennoch
wurde die Sch. verhaftet, und legte sehr bald ein Geständnis
folgenden Inhalts ab:
Sie habe
ungefähr
zur Zeit der Erbsenerndte v. J. mit dem S o h n e Bauers S. den Beischlaf vollzogen, schwanger geworden.
und sei
des
hiervon
Sie habe solches daraa bemerkt,
Jafs ihre monatliche Reinigung ihr ausgeblieben, auch ihr Leib stärker geworden wäre, und späterhin geringe B e w e g u n g
der Leibesfrucht, die jedoch
letzt wieder aufgehürt, heiligen
Abend
vor Pfingsten
wirklich erfolgt. habe
sich eingestellt hätte. sei
die
zuAm
Niederkunft
A m Abend dieses Tages um 8 L'lir
sie sich nemlich im Kuhslftll allein
und sei eben
eine
befunden
damit beschäftigt g e w e s e n , Stroh auf
den Boden zu s t r e u e n , welcher dort mit L e h m
be-
deckt und so hart, w i e die Tenne einer Scheune sei. Sie habe Schmerzen in
den Seiten und im
e m p f u n d e n , und an einer
Rücken
von Stroh nicht bedeckten
Stelle sei die Frucht von ibr und mit dem Kopf auf die Erde gestürzt,
auch gleich darauf die Nachgeburt
— gefolgt.
363
Diefs alles sei im
— Stehen geschehen.
Sie
habe hierauf das K i n d vom Doden aufgehoben
und
besehen.
Es
habe jedoch k e i n e n L a u t noch sonst
ein L e b e n s z e i c h e n von sieb g e g e b e n , w e s h a l b sie es sainmt
der
noch daran
befindlichen Nachgeburt in
leinene L a p p e n gewickelt und, nachdem sie noch e i n e k l e i n e W e i l e sich i m S t a l l e niedergesetzt, mit
sich
genommen und zu den Füfsen i h r e s Bettes unter das dort
befindliche
Stroh
versteckt habe.
Uin 4 Uhr
ain andern Morgen, dein ersten Piingsltage habe sie die Frucht in dem K e l l e r in ein L o c h ,
w e l c h e s sie
selbst mit d e m Spaten gemacht, gelegt, mit Erde b e deckt und m i t Erdlöffeln beschüttet. w u r d e das Kind
A i n 20sten J u n i
hier wieder ausgescharrt,
Kirche aufbewahrt,
und am
iu
folgenden T a g e
der
durch
den K r e i s p h y s i k u s Dr. H. und K r e i s c h i r u r g u s K . g e richtlich
obducirt.
Dabei
Protokoll g e g e b e n :
wurde
nachstehendes
Das K i n d w a r weiblichen
zu Ge-
schlechts, von 19 Zoll L ä n g e , circa 7 Pfund G e w i c h t , dichten K o p f h a a r e n ,
Nägeln,
die über das Fleisch
g i n g e n , und ausgestopfter glatter körperlicher Es befand sich a m L e i c h n a m
Haut.
noch eine ganz voll-
k o m m e n e Nachgeburt, die mit d e m K i n d e durch eine mit Blut angefüllte 1 J Fufs lange Nabelschnur bunden w a r .
Aeufserlich a m K ö r p e r fanden sich auch
bei der sorgfältigsten Untersuchung k e i n e gen.
ver-
Verletzun-
Hingegen w a r der K ö r p e r schon dermalen
in
Fäulnifs übergegangen, dafs sich die Oberhaut a l l e n t halben ablöste, und in dein Tuch, w e l c h e s den L e i c h nam e n t h i e l t , sich eine Menge abgegangenes pech
befand.
Als
nun
die
Section
Kinds-
vorgenommen
—
304
—
w u r d e , fand 6ich bei Eröffnung der Höhle des Kopfs, dafs durch die kleine hintere Fontanelle eine Menge geronnenes Blut ausgetreten w a r , welches bei n ä h e rer Untersuchung theils aus den von Blut
strotzen-
den Blutgefäfsen des G e h i r n s , theils vorzüglich
aus
dem grofsen Blutbehälter der harten Hirnhaut geflosDas Cranium w a r übrigens in alleu seinen
sen w a r .
Theilen unverletzt, das Gehirn lullte letzteres
ganz
aus, und war in 6einen Substanzen natürlich, jedoch mit viel wässrigter Feuchtigkeit
in 6einen
Höhlen.
Nach Oeffnung der Brusthöhle fanden sich v o l l k o m men den Brustkasten ausfüllende Lungen und starke
Brustdrüse.
Die
Lungen
wurden
eine
nunmehr
saiumt dem Herzen mit grofser Behutsamkeit h e r a u s g e n o m m e n , dio L u f t - und Blutgefafse sorgfältig v e r bunden , und macht :
sodann folgende Versuche damit ge-
In eine tiefe mit W a s s e r angefüllte Schüssel
warf man die Lungen mit d e m Herzen
verbunden
und fand, dafs nicht nur die L u n g e n oben auf s c h w a m men, sondern auch das ex post mit vielem Blut angefüllt gefundene Herz nicht zu Boden sinken liefsen. Man lösete sodann das Herz a b ,
that die
Lungen
nochmals in das W a s s e r , w o solche natürlich noch m e h r oben auf schwammen.
Iiben diese Probe v e r -
suchte man sodann mit einzeln abgeschnittenen
Stü-
cken, zuerst des rechten und darauf des linken L u n genflügels. dern
Auch diese Versuche ergaben keine
Resultate.
Beim
Zerschneiden
w u r d e kein zischender Ton bemerkt. Vorkammern
und
grofsen
der
Lungen
Das Herz nebst
Gefäfsen w a r
beträchtlichen Menge Blut angefüllt.
an-
mit
einer
In der geöiTne-
—
3l>5
—
teil Bauchhöhle fand man eine ziemlich grofse Leber, die innerhalb schwarzes Blut enthielt, den Magen zum Theil, die dicken Gedärme aber stark mit Kindspech angehäuft, die Urinblase leer. Diesem Befund der Sache gemäfs glauben die Sachverständigen, ohnerachlel die Leiche in Fäulnifs übergegangen war, schliefen zu dürfen, dafs das Kind zwar lebendig zur Welt gekommen, jedoch durch einen Stöfs auf den Kopf, der zuerst eine Ohnmacht und ex post einen Schlag- und Stickflufs verursacht, sein Leben eingebüßt habe, welches sie in einem besondern Obductionsbericht näher auseinander zu setzen sich vorbehielten. Dieser unter dem 30sten Juni ausgestellte Obductionsbericht enthält zuförderst einige im Protokoll fehlende Angaben, nemlich: dafs wegen des starken Geruchs der Leiche die Obduction auf dem freien Kirchhofe habe vorgenommen werden müssen, dafs der Mund des Kindes offen und init etwas Schleim angefüllt, die kleine Fontanelle aber zerrissen g e w e sen sei. Obducenten wiederholen übrigens ihre schon geäufserte Meinung, dafs das Kind bei dem Ausgange aus der vagina gelebt, durch den Fall auf den Kopf bei der Geburt aber, durch welchen wahrscheinlich die Blutgefäfse geplatzt waren und ein Extravasat erzeugt hatten, sein Leben apoplectisch geendigt habe. Zum Beweise dafür, dafs das Kind bei der Geburt gelebt habe, führen sie a n : a ) die vollkommene Reife desselben, b ) die mangelnden Zeichen, dafs dasselbe schon im Uterus todt gewesen,
c ) den Abgang des
raecooii,
d ) die L u n g e n p r o b e , bei welcher, obgleich nicht zu läugnen sei, dafs w ä h rend dem
unbeerdigten
Zustande
L u f t in den offen stehenden
und der
Fäulnifs
Mund gedrungen
k ö n n e , dennoch die Lungen zu sehr mit L u f t
sein ange-
füllt gewesen, als dafs man an dem Leben desselben bei der Geburt zweifeln dürfte. Dafs ein blutiges E x travasat im cranio den Tod bewirken k ö n n e , bedürfe keines Beweises.
Sie müfsten also nach ihrer besten
Einsicht, Pflicht und Gewissen erklären, dafs besagtes Kind der unverehelichten S. per accidens
gestorben,
indem der ihnen zuvor bekannt gewordene Fall
auf
den Kopf ihm den Tod zugezogen, welches bei E r s t gebärenden wegen Mangel an Erfahrung sich m a n c h mal zutrage.
G u t a c h t e n .
Die in neueren der A t h e m p r o b e
Zeiten
gegen
die Beweiskraft
vielfach erhobenen Zweifel
haben
fast allgemein ein vorsichtigeres Benehmen der g e richtlichen Aerzte bei diesem wirbligen
Versuch zur
Folge gehabt, sie mit dem Verfahren dabei vertrauter gemacht, und sie belehrt, wie auch da noch ein folg zu gewinnen sei, wo Umstände die mung m e h r oder weniger erschwerten.
Er-
Wahrneh-
— Im vorliegenden schwieriger,
weil
307 Fall
—
w u r d e die Untersucbung
wahrscheinlich
die
Leichnam bereits ergriffen h;ilte.
Fäulnifs den
Im
Obductionsbe-
richt sind freilich innnclie Zeichen derselben, e n t n o m men
von
der
Consistenz
der
festen
und
flüssigen
Tlieile, der Farbe und Beschaffenheit der Iutegumente u. s. w. nicht angegeben.
Indefs kann deren
handensein nicht wohl in Z w e i f e l gezogen nach der Angabe der allenthalben
Vor-
werden,
abgelösten
Ober-
h a u t , wenn wir dieselbe in Verltindung setzen
mit
dein (freilich nur im Sectionshericht bemerkten) starken Geruch, so dafs die Obduction Kirchhofe hat vorgenommen
auf dem
freien
werden müssen.
Auch
spricht dafür, dafs vom Tage der Entbindung am Pfingstheiligen Abend den 9ten Juni bis zum Tage der O b duction,
dem 21sten J u n i ,
verflossen Kind
im Keller
Umstand bei mäß
waren,
und
verscharrt
mufsten
der
der
von
probe verfahren.
die
hatte.
Tage
Zeit
das
Diesen
Sachverständigen
berücksichtigen
ihnen
zwölf
dieser
gelegen
besonders
Untersuchung
bei
überhaupt
während
und demge-
anzustellenden
Lungen-
Bekanntlich schwimmen faule und
aufgeblasene Lungen gleich denen, welche durch A t h e m holen ausgedehnt worden sind.
Indefs eben so be-
kannt ist es, worin beiderlei Lungen sich unterscheid e n , und für den gegenwärtigen Fall inufste zu allererst festgestellt w e r d e n , ob hier die L u n g e n ,
wie
der übrige Körper, von Fäulnifs ergriffen waren , da solches schieh!.
hinsichtlich
ihrer
in der Regel später
ge-
Dann aber w a r auf die bekannten Eigenhei-
ten der Lungen, die durch FäulniTs z u m Schwimmen
—
368
—
gebracht worden, im Gegensatz derer, die durch Athemholen mit Luft gefüllt werden, geiiau zu achten. Ob solches von den Obducenten geschehen sei, -wird der Verfolg ergeben. Die Lungen konnten im vorliegenden Fall von der Fäulnifs mit ergriffen sein, w e n n gleich dieses nicht nothwendig der Fall sein mufste. Ob das eine oder das andere statt gefunden habe, und ob daher die folgenden Versuche mit faulen oder frischen Lungen angestellt worden sind, bleibt unentschieden, und Dunkelheit nnd Ungewißheit verbreiten sich zuerst von hier aus über die ganze Untersuchung. W i r fragen aber weiter, welche Beobachtungen über die Verhältnisse der Brust, welche Versuche mit den Brusteingeweiden sind von den Obducenten angestellt w o r d e n , und was hätte dagegen uin ihrem Versuch e i n e , w e n n auch nur gewöhnliche Vollständigkeit zo geben, von ihnen geschehen sollen. I n der T h a t haben sie die LuDgen in ihrer Lage beobachtet, aus der Brusthöhle genommen, L u f t - und Blutgefäfse unterbunden, sie mit dem Herzen in eine tiefe mit W a s s e r angefüllte Schüssel geworfen, dann für sich in das W a s s e r gethan und die Frobe mit den in S t ü cken zerschnittenen Lungen wiederholt. Ungleich m e h r aber und wichtigeres ist von ihnen unterlassen worden. Sie haben z. B . versäumt, den U m fang der Brust zu beobachten und die wahrgenommenen Dimensionen zu beschreiben, die W ü l b u n g des Zwerchfells, die Farbe und Beschaffenheit der Lungen so w i e ihr Verhällnifs zum Herzen anzugeben, die Lungen und das K i n d , (denn ein Gewicht von circa 7 F f u n d ist unbestimmt), genau zu wiegen, nach-
— 369 — nachzusehen, ob Luftbläschen an den Rändern der Lungenlappen sich zeigten, beim behutsamen Einschneiden darauf zu merken, ob ein Knistern der entweichenden Luft hörbar s e i , nachzusehen, ob Blut in den feinsten Gefäfsen sich finde und mit der L u f t als gerölheter Schaum austrete, unter dem W a s s e r einzuschneiden und auf die sich verbreitenden L u f t bläschen zu achten, den Schwimmversuch mit ausgedrückten Lungenstücken zu wiederholen, das Herz genauer zu untersuchen und von der Beschaffenheit des ductus Bolalli Nachricht zu geben, endlich auch Stücken des Herzens, der Leber oder der Milz in Hinsicht auf ihre durch die l a u l n i f s etwa erlangte Schwimmfähigkeit zu prüfen. W e n n aber die Atlieinprobe von den Obducenten so unvollständig angestellt worden ist, so hat auch dadurch die Dunkelheit, welche die Ungewißheit über die Beschaffenheit der Lungen gleich Anfangs herbeigeführt hatte, nicht aufgeklärt und überhaupt nicbls einleuchtend gemacht und entschieden werden können. Daraus, dafs die Obducenten nach Eröffnung der Brusthöhle vollkommene , den Brustkasten ausfüllende Lungen gefunden und dafs diese sammt dem Herzen, so w i e für sich und in Stücken zerschnitten auf dem Wasser geschwommen haben, folgt immer nur höchst wenig. Der Ausdruck „vollkommene L u n g e n " , ist unverständlich. Doch hat wohl durch ihn nichts erhebliches angedeutet werden sollen. Bei der A n g a b e , dafs die Lungen die Brusthöhle ausgefüllt haben, wäre aber wichtig und nöthig g e w e s e n , den inneren Raum der Brusthöhle, w i e den ihm entsprechenden äufsern U m Klug'i Aul wähl. I.
24
—
370
—
fang, ferner die Ausdehnung der Lungen im Verhältnifs zum Herzen zunächst anzumerken.
So fehlt die-
ser Beobachtung die erforderliche Bestimmtheit und es w ä r e voreilig, daraus irgend etwas Wichtiges folgern zu wollen.
L u n g e n , die w e d e r geathinet h a -
ben, noch aufgehlasen worden
sind, liegen zwar in
der Regel nach hinten zurückgezogen in der Brusthöhle und füllen sie bei weitem nicht aus. auch nicht nachzuweisen,
Es ist
dafs die F a u l n i f s , so sehr
sie auch andere Theile des K ö r p e r s aufzutreiben vermag , das Volumen der
Lungen bedeutend und in
dem Grade verändern k ö n n e , dafs sie die Brusthöhle ausfüllten.
D e r Fall emphysematischer
Ausdehnung
der Lungen ist selten und k a u m einmal beobachtet.
Ausgenommen
unleugbar
das A t h e m h o l e n ,
sind
k a u m a n d e r s , als durchs Einblasen die Lungen
so
a u s z u d e h n e n , dafs sie die Brusthöhle ganz ausfüllten und es ist nicht wahrscheinlich, dafs im vorliegenden Fall
ein Einblasen
von L u f t statt gefunden
habe,
daher die gedachte W a h r n e h m u n g wohl verdient hätte, n ä h e r bestimmt, weiter verfolgt und durch anderweitige W a h r n e h m u n g e n
unterstützt zu werden.
IVur
ist als solche Stütze die Beobachtung über die Schwimmfähigkeit der L u n g e n ,
wodurch höchstens bewiesen
wird, dafs auf irgend eine W e i s e L u f t in die Lungen gerathen w a r , nicht zu betrachten. das
Unwahrscheinlichere
W o l l e n wir auch
nicht gelten
nemlich jemand dem todten Kinde L u f t
lassen,
dafs
eingeblasen
I t a t i e , und müssen wir selbst die Meinung der d u c e n t e n , dafs w ä h r e n d dein unbeerdigten
Ob-
Zustande
L u f t in den offen siebenden Mund gedrungen
sein
—
371
—
könne, in Beziehung anf die Schwimmfähigkeit der Lungen gestellt, als lächerliche Aeufserung und Folge grober Unwissenheit v e r w e r f e n , so läfst sich doch dem nichts entgegnen, dafs durch die Fäulnifs sich Luft entwickelt haben und die speciiische Leichtigkeit der Luugen daher entstanden sein könne. Das Gewicht der L u n g e n , vorgefundenes Blut und blutiger Schaum, überhaupt die Summe dessen, worin die Lungen und Atheraprobe besteht, konnten allein hier entscheiden unn m e i n e Arbeit, und eine geraume Zeit nachher erschien
ein
Polizei - Coinmissarius , erkundigte
sich
und so w u r d e d a s , was ich gethnn h a t t e , entdeckt. A u f die i h r vorgelegte F r a g e , einem
schneidenden
ob sie nicht mit
Iostruinente etwas dem Kinde
gethan h a b e ? antwortete s i e : N e i n , das ist nicht ges c h e h e n ; ich habe aber mit dem Nagel des Daumens die Gurgel des K i n d e s ganz durchgedrückt, so dafs es geblutet h a t , welches letzlere ich jedoch erst am Nachmittage, als das Kind aus dem Kanale
hervor-
gezogen wurde, bemerkt habe. I n der Folge behauptete jedoch Inculpalinn, gar keine deutliche Erinnerung von dem Vorgange der Geburt, und dem, w a s sie darauf mit dem K i n d e vorgenommen , gehabt zu haben , und versicherte, ihre erste, eben mitgelheille Aussage nur so gemacht zu h a b e n , w i e sie sich vorgestellt h a b e , dafs der Hergang gewesen sei. A m 14ten J u n i wurde sodann zur Section des Kindes
geschritten.
Gommissarius Ol.:
Hierbei bemerkte der
Polizei-
„ I c h k e n n e diese Leiche vorzüg-
lich daran, dafs der vordere Theil des Halses a b g e rissen ment
oder
mit
einem
stumpfen
a b g e s c h n i t t e n zu sein s c h e i n t . "
InstruEben so
äufserteo sich der Dienstknecht II. und das Dienst-
— 381 — roädchen B. dahin, da Ts sie das Kind daran wieder erkannten, dafs der Hals desselben a b g e r i s s e n o d e r a b g e s c h n i t t e n zu sein schiene. Dagegen waren der Dr. IV. und der Stadlwundarzt H . , als sie den Leichnam des Kindes betrachteten, der Meinung, dafs derselbe eine so bedeutende Verletzung am Halse habe, w i e sie n u r mit irgend einem schneidenden W e r k z e u g hervorgebracht werden k ö n n e . Auch schien es schon bei der vorläufigen Besichtigung, dafs wirkliche Schnitte in die Halsknochen gescheheo und dafs die Luftröhre und der Schlund gerades W e ges abgeschnitten wären. Der Dr. N. bemühete sich, d e r L . deutlich zu machen, dafs die grobe Verletzung am Halse des Kindes nicht mit blofsen Hnnden vor sich gegangen sein könne. Er besichtigte den Nagel des linken Daumens der Arrestatinn, welcher e t w a s eingerissen war. Die L . blieb dagegen stets dabei, dafs sie kein scharfes Instrument gebraucht habe. Hierauf wurde denn 1.
zur äufsern
Besichtigung
d e s L e i c h n a m s geschritten, und hierbei Folgendes zu Protokoll gegeben: Der weibliche Leichnam lag entkleidet auf einem Tische, bei gehörigem Lichte, und w a r derselbe noch gar nicht in Fäulnifs übergegangen. An dem behaarten Theile des Kopfes und dem Rücken w a r er mit erdigem Schmutz überzogen, in der Schaamgegend und an den Gelenken der unteren Extremitäten aber mit einer weifsen käsigen Masse. A m After fand sich Meconium vor, und waren in demselben so vre-
— iig als in den Nasenhöhle,
382
-
Gesclilechtstheilen,
fremde Körper
der M u n d -
enthalten.
Der
und Kopf
hatte eine dem Körper angemessene Gröfse, und mafs in seinem Breitendurchmesser 3 Zoll Längendurchmesser 4 | Zoll.
und in
seinem
Auch das Gesicht
war
mit erdigem Schmutz besudelt, Hals, Schultern, Brust und Arme aber init Blut befleckt.
Die Brust
war
gewölbt, und die 15 Zoll lange Nabelschnur war nicht schlaff, sondern war dieselbe
saftreich und ziemlich s t a r k ,
nicht
abgerissen,
gleichmäßig an ihrem Ende begräuzt, befand sich noch einiges Blut.
auch
sondern scharf und in derselben
Die Farbe des ganzen
Körpers war ungemein blafs und fanden sich aulser der unten näher zu
beschreibenden Verletzung
am
Halse durchaus keine Spuren von Verletzungen vor. Die Fontanellen waren eingefallen stiche,
auch das Rückgrath
tzung. —
Es
und fand
sich
wurde
und ohne Nadel-
war ohne alle
nun der Leichnam
derselbe
Verle-
gemessen
Rheinland. Zoll lang,
das Gewicht betrug 6 Pfund 9 J L o t h .
Die Haut am
Körper war nicht geschrumpft, die Gliedmaßen rund, die Oberhaut fest und glatt,
die Nägel an Händen
und Füfsen hart und vollständig gebildet, das bräunliche Haupthaar ziemlich
stark aber k u r z ,
in den
äufseren Ohren fanden sich die Knoipelscheiben fest und hatten die Gliedmafsen
die gehörige
Festigkeit,
Länge, Gröfse, Dicke und Rundung, auch waren dieselben regelmäfsig gebildet und es fanden keine A b weichungen statt.
von
dem
regelmäfsi^en
Naturzustande
A n den äufseren Bedeckungen de9 Kopfs w u r -
den äufserlich keine Sugillationen bemerkt,
das
Ge-
—
383
—
sieht war blak, so wie der übrige Körper, als er abgewaschen war.
Eine Unierbindung der Nabelschnur
fand sich nicht vor, der Mutterkuchen war nicht mit zur Stelle gebracht.
Hiernach wurde also bei der äu-
fseren Besichtigung keine Leichnam bemerkt,
andre Verletzung an dem
als die vorerwähnte atn
Halse.
Hier aber fand sich Folgendes: Der K o p f war durch eiue grofse queerlaufende Verletzung, einen Zoll unter der pars petrosa rechter Seite beginnend und sich queer über den Vorderhals bis gegen den Gelenkkopf des linken
Oberarmbeins
erstreckend, von dein Rumpfe, bis auf die Verbindung, welche die Halswirbelbeine machen,
getrennt.
Haut der Brust hatte sich zurückgezogen bis an oberen T h e i l des Brustbeins,
Mitte derselben, entstand.
dea
so w i e die Haut des
Halses bis dicht unter das K i n n zurückgezogen woraus eine breite W u n d e ,
Die
war,
von voll 1 J Zoll in der In der W u n d e selbst fand
sich nichts, als die durchschnittenen Muskelfasern der vorderen Halsmuskeln vor. mit der glandula
K e h l k o p f und Speiseröhre
thyreoidea hatten sich
dergestalt
zurückgezogen, dafs die Halswirbel ganz blofs lagen, und waren an diesen vier gleich lange Queerschnitte der ganzen Breite der Wirbelkörper nach in der R i c h tung vom rechten Ohrzipfel gegen den des linken Oberarms zu bemerken.
Gelenkkopf
Z w e i derselben,
nemlich: 1 ) der obere, welcher den Körper des dritten Halswirbels queer durchschnitt, drang £ Zoll in denselben ein,
—
^
—
2 ) der dritte aber, einen halben Zoll tiefer als der erste, und den vierten Halswirbel treffend, drang über 5 Zoll in den Körper des Halswirbels ein, •wogegeu 3 ) der in der Milte zwischen beiden liegende zweile, und 4 ) der einen Viertel Zoll tiefer als der erste nach dein Rumpf zu liegende vierte, nur eine geringe Tiefe hatten und nur die Knochenhaut durchschnitten. Es liefen diese vier Schnittwunden, — denn als solche mufsten die Sachversläudigeu dieselben wegen der Schärfe der Wundränder anerkennen, — ganz parallel neben einander fort. An dein rechten Ende der W u n d e w a r dieselbe durch zweimaliges Ansetzen geschnitten; einmal w a r an der schon vorher bezeichneten Stelle der Schnitt vorhanden, ein zweites DIal aber § Zoll höher und | Zoll mehr nach vorn. Dafs die Sclinitte auf der rechten Seite begonnen, schliefsen Obducenten aus der hier vorhandenen grülseren Zerstörung der Weichgebilde des Halses, und dem schnelleren Eindringen des tödtenden Instruments, indem mit dem Beginnen der W u n d e euch ihre Tiefe, welche an dieser Stelle -g- Zoll beträgt, beginnt. Z w i schen den beiden äufsersten Enden der W u u d e rechter Seite findet sich ein dreieckiges Hautstück, w e l ches circa Zoll gegen die Mitte des Halses hin sich erstreckt und durch dessen Existenz sich besonders die Führung z w e i e r Schnitte offenbart. Die W u n d räuder sind säinmtlich scharf. An dem linken Ende der W u n d e verliert sie sich wiederum in zwei verschiedene
—
385
—
schiedene A r m e , welche fast eiuen halben Zoll von einander, parallel mit einander, der eine gegen den vorderen Theil des A n n s , der andere gegen den oberen Theil des Gelenkkopfs des Oberarms hinlaufen, und, einen Hautstreifen von dreieckiger Forin zwischen sich behaltend, gegen das Ende hin ganz flache und simple Hautwunden darstellen.
Der obere Theil der
W u n d e , in welchen sich der Kehlkopf und sechs Knorpelringe der L u f t r ö h r e , so wie die Speiseröhre zurückgezogen hatten, bildete einen förmlichen S a c k , so
dafs hier aufser
Schnitt
noch
eine
der Gewaltthätigkeit mit dem andere obgewaltet
haben muis,
welche aber init einem stumpfen Instrument, vielleicht mit dem Daumen der Hand hervorgebracht ist,
in-
dem die Oberhaut und das Zellgewebe der Muskeln, so wie die Adhäsionen des Kehlkopfs und der Speiseröhre sämmtlich von einander getrennt sich vorfanden.
Die ganze L ä n g e der W u n d e betrug vier Zoll,
von denen y Zoll auf der linken' Seite die vorbeschriebene geringe Hautverletzung bildeten, so daf» also die eigentlich eindringende Wunde nur 3 | Zoll beträgt.
Gleich
bei der äufseren Besichtigung der
Wunde zeigte sich der untere Brustlheil des sternocleidomastoideus § Zoll in die Wunde
hineinragend;
er war hier durchschnitten, und oberhalb dieses Theils noch dreimal durch die vorgenannten Parallelschnitte eingeschnitten. Nach dieser Beschreibung der W u n d e wurde nun zur genauen Untersuchung und Auffindung der bedeutenderen Organe, welche durch die Verwundung Klug » A u s w i h t i.
—
—
verletzt worden, geschritten, und fand sich unier der Haut des Halses, da w o sie auf d e m K e h l k o p f e liegt, eine Sugillalion von der G r ü i s s eines Q u a d r a t - Z o l l s , unler dem Kehlkopfe aber hinter der Speiseröhre eine Blutunlerlaul'ung von
Zoll Breite und | Zoll L a n g e .
Die vena jugularis und
arteria carotis externa r e c h -
ter S e i l e waren beide vollständig durchschnitten, w i e die Hrleria thyreoidea inferior rechter Seite.
so Auf
der linken S e i t e dagegen w a r e n nur die oberen H a u l m u s k e l n des Halses durchschnitten, so w i e der nocleidoinastoideus,
dagegen
ster-
aber alle Gefäl'se und
Nerven unverletzt und w a r unter »lein vorbeschriebenen dreieckigen Hantlappen ebenfalls eine bedeutende Blutunterlaufu-ng Quadrat-Zoll
vorhauden,
grofs,
welche sich,
w i e ein
in den »in Halse befindlichen
Hautlappen hinein erstreckte.
In der Umgegend der
W u n d e fanden sich einige Hautverletzungen von geringerem B e l a n g e , und z w a r rechterseits e i n e ,
wel-
che sich in schräger Richtung von d e m iuneren Ohrw i n k e l gegen das Brustbein hin erstreckte und einen Zoll lang w a r ,
eine andere i n derselben
Richtung
sich e t w a s nach vorn k r ü m m e n d , £ Zoll nach
vorn
gegen den Kehlkopf z u , von 1 J Zoll L ä n g e ;
ihre
Ränder dafs
tfaren
scharf und mit Blut u n t e r l a u f e n , so
sie im L e b e n entstanden
sein müssen.
Eine
ähnliche ganz unbedeutende H a u t v e r l e t z u n g , ^ Zoll l a n g , befand sich auf der l i n k e n Schulter. — Dafs die vorhin beschriebene grofse W u n d e schon i m L e ben
bestanden
habe,
beweist
das
Zurückgezogen-
sein der durchschnittenen Gefäfse des K e h l k o p f s , w i e die Sugillationen in der W u n d e selbs'.
so
— 2.
Innere
387
—
Besichtigung.
a ) O e f f n u n g d e s K o p f e s . — Wach Hinwegnahme der Kopfhaut fand sich selbige, s o w i e s ä t n m t liche Kopfknochen unverletzt.
An den letzteren, und
zwar ain rechten Seilenbein, fand sich eine Rölhung der Knochenhaut, welche über die ganze rechte Seite des Hinterhauptbeins,
und von der Lambdanath
ei-
nen Zoll nach vorn auf dem rechten Seitenbeine sich erstreckte.
An der über dieser Stelle liegenden K o p f -
haut war ebenfalls eine leichte Blutunterlaufung von schwarzrother Farbe zu bemerken, nirgend aber w a ren Verletzungen der Knochen zu und -weiche Hirnhaut zeigten
finden.
Die harte
sich unverletzt,
ihre
Gefäfse, so wie die sinus an der basis cerebri waren blutarm, die Masse des Cehirns weich und weifslich; auch diese, so wie das kleine Gehirn waren in hohem Grade blutarm.
In den grofsen Hirnhöhlen war kein
W a s s e r enthalten, so wie überhaupt in dieser Höhle keine weitere Abnormität vorhanden war. b ) E r ö f f n u n g d e r B a u c h h ö h l e . — In dieser fanden sich alle Eingeweide in ihrer ßen L a g e ,
naturgemä-
die Leber normal von Farbe und S u b -
stanz, die dicken Eingeweide mit Meconium gefüllt, die dünnen normal; die Nieren, die Milz, das Pancreas, der Uterus normal ;
die Harnblase leer;
die
Gallenblase mit einer geringen Portion, grüner Galle augefüllt.
Der
Magen
war von Luft
aufgetrieben,
nicht entzündet, und fand sich blutige Flüssigkeit in demselben.
Durch den Nabelstrang konnte man init
der Sonde noch bis gegen die Lober vorgehen.
25 *
Alle
—
3fiS
—
Eingeweide des Unteileibes waren in hohem
Grade
blutarm. c ) E r ö i f ' n u n g d e r B r u s t h ö h l e. — Der Brustkasten fand sich gewölbt, und das Zwerchfell
mit
seiner oberen Wölbung zwischen der '7ten und 8ten Rippe.
Die
Lungen
lagen
über dein Herzen
füllten die ganze Brusthöhle aus. tes
war
in
Etwas
der Brusthöhle nicht zu
und
Krankhaffinden.
Das
Herz, die glandula tliymus lagen an ihrer gewöhnlichen Stelle
und war nichts
merken.
Abnormes an ihnen zu be-
E s wurden nun die Lungen,
welche von
rosenrotlier Farbe waren , gesaiumt dein Herzen
und
der glandula thyrnus und sogar noch mit einem Theile des Zwerchfells exentrirt, in einen hölzernen,
mit
reinem Bruuneuvvasser einen Fufs hoch gefüllten E i mer,• behutsam gelegt und schwammen dieselben ganz vollständig in dieser Verbindung.
Das Wasser hatte
eine Temperatur von circa 12° Reaum. sonstige
krankhafte
Zustände
Knoten oder
zeigten sich in
Lungen nicht; sie waren vollkommen
den
elastisch, uud
in ihrer ganzen Ausbildung von rosenrother
Farbe;
Luftbläschen waren nirgend auf denselben zu finden, tind überhaupt waren sie noch nicht im Mindesten in Fäulnifs übergegangen.
Das ins Wasser gelegte
ConVolut wurde hierauf heraus genommen, die glandula thyrnus und der kleine Theii des Zwerchfells, welcher daran geblieben war, hinweggenommen, und nun das Herz mit dem Herzbeutel gewogen und wogen diese 5-J Loth.
Es ward nun das Herz von den
Lungen getrennt und wog dasselbe i\ Loth , so dafs also die Lungen an sich
Loth wogen.
Die Lun-
—
389
—
gen aufser ihrer Verbindung schwammen ebenso wie in ihrer Verbindung mit dein Herzen. nun die Lungen
der Länge
Es •wurdet»
nach mit deui Messer
eingeschnitten, und gaben dieselben bei dein Einschneiden einen zischenden Ton von sich, durch das Entweichen
der
in
ihnen
vorhandenen
Die ganzen Lungen waren
durch L u f t
Luflbläschen. ausgedehnt.
Sie wurden nun in einzelne kleine Theile geschnitten, von denen eine jede sechs gab, und alle schwammen auch in diesem zerschnittenen Zustande.
In den
grofsen Gefafsen des Herzens fand sich wenig Blut und beide Herzkammern waren durchaus leer.
Die
Rippen, so wie säuiuitliche Wirt.elbeine des Halses, des Rückens und der Lenden waren unverletzt, >o wie auch das Brustbein. Das von den Obducenten Iiiernächst zu den A k ten gegebene G u t a c h t e n fiel dahin a u s :
dal» das
von der L . geborne Kind ein ausgetragenes, reife» und glie:lm!i^iges gewesen sei, welches ein vollkommenes s e l b s t ä n d i g e s Leben nach der Geburt geführt habe, und dnfs dieses Kind eines gewaltsamen Todes durch Verblutung, zufolge Durchschueidung des K e h l kopfes , der Speiserühre und mehrerer gefäße ain Ilalse, gestorben sei.
grofser Blut-
Durch eine kieh-
none Stange und zwei gebogene Hacken, welche bei dein Herausnehmen des Kindes aus dem K a n a l , in welrlien es die L . geworfen hatte, gebraucht worden, könne die vorgefundene Verwundung nicht entstanden sein, indem sowohl das Kind die Wunden
im
Leben erhallen hülle, als auch die Instrumente sämmtlicli stumpf und dergleichen grofse und in die K n o -
—
yjo
—
chensubstanz eindringende Verletzungen hervorzubringen nicht geeignet wären.
Die ()!>ducenten
halten
die Verletzung für eine solche, welche unbedingt und unter allen Umständen in dein Alter des Kindes für sich allein
den
T o d zur Folge haben
müssen.
Hinsicht der Angabe der L . a b e r , dafs sie die w u n d u n g des Kindes mit dein Dauinen ihrer Hand und dessen Nagel, bewerkstelligt
In
Verlinken
der sich eingerissen fand,
h a b e , erklären
die
Sachverständigen
dieses, dafs neinlich die Verletzung init dein scharfen Nagel des Daumens hervorgebracht sein könne, f ü r ganz unmöglich
und b e h a u p t e n ,
dafs nicht ein
e i n z i g e r , sondern m e h r e r e Schnitte geführt
worden.
Sie halten dafür, dafs augenscheinlich W u n d e n , w e l che i Zoll tief in die Knochensubstanz
der Körper
der Halswirbel eingedrungen, nicht mit dein
Nagel
des Daumen hervorgebracht
gehen
werden k ö n n e n ,
aber gern zu, dafs die I/. nach dein vollführten Schnitte den Daumen
gebraucht haben k ö n n e ,
indem L u f t -
und Speiseröhre nicht nur nach oben geschoben, sondern auch aus ihrer Verbindung mit einander mit den Wirbelbeiuen getrennt
und
vorgefuuden worden.
G u t a c h t e n . Die von der Ciiminal - Deputation des Königl. Stadtgerichts aufgeworfenen Fragen setzen das Leben des K i n d e s
der L . nach
der Geburt als erwiesen
— 391 — voraus.
Ohne diese A n n a h m e , iiir w e l c h e allerdings
ü b e r w i e g e n d e Gründe s p r e c h e n , in Z w e i f e l
zu
zie-
hen, glauben w i r dennoch nicht unbemerkt lassen zu dürfen, dnfs die Ohdiiceiiten überhaupt in ihren A u s drücken uicht genau genug g e w e s e n bind,
besonders
aber unterlassen h a b e n , bei der L u n g e n p r o b e auf die Erscheinung, w e l c h e , w i e allgemein angenommen w e r den inuf«, vorzüglich das nnch der Geburt Atheunholen
bekundet,
begonnene
neinlich den B l u t g e h a l t
der
L u n g e n zu achten, so dafs a l l e an der Brust und i h ren Organen aufserdein beobachteten
Veränderungen
zusammengenommen,
Wölbung
netnlicli:
die
der
Brust, so w i e die A u s d e h n u n g , Farbe und S c h w i m m f ä h i g k e i t der L u n g e n , ebenso bei einem
todtgebor*
nen K i n d e , bei w e i c h e i n ein Versuch, L u f t einzubinden,
vollkommen
können.
geglückt
war,
sich hätten finden
Im vorliegenden Fall w ü r d e jedoch die letz-
tere A n n a h m e aul'ser einem hohen Grade innerer U n w a h r s c h e i n l i c h k e i t noch durch
die Sugillationen
wi-
derlegt w e r d e n , w e l c h e in der verletzten Gegend des Halses in einer solcheu Bedeutung nur w ä h r e n d
des
Lebens entstehen k ö n n e n , obgleich auch die S u g i l l a tionen durch Hinschnitte g e n a u e r hatten
uutersucht
und n a c h g e w i e s e n w e r d e n sollen. Dieses vorausgeschickt müssen w i r , w a s die B e antwortung der von der CriininAl-Deputation
aufge-
worfenen Fragen betriift, z w a r erinnern, dafs die B e schreibung, w e l c h e die Obducenten von der
Verle-
tzung gegeben haben, ebenfalls nicht vollkommen bef r i e d i g t , indem sie nicht überall klang zu bringen ist ;
unter sich in
da es jedoch nur darauf
Einan-
—
392
—
g e k o m m e n , von dieser Verletzung ü b e r h a u p t , Umfange,
üirem
Eindringen und ihrer lieschaffenheit ein
B i l d zu e r h a l t e n , so möge immerhin M a n c h e s , die R i c h t u n g und den V e r l a u f der einzelnen
was Wun-
den und deren gegenseitiges V e r h ä l t n i s betrifft, u n enträlliselt bleiben,
ohne dafs deshalb eine B e a n t -
w o r t u n g der schon gedachten Fragen unmöglich w i r d . "Wir können zuvörderst nicht in A b r e d e
stellen,
dafs die gefundeneu Verletzungen höchst w a h r s c h e i n lich dein lebenden K i n d e zugefügt
worden.
Dafür
sprechen 1 ) verschiedeue
Sugillalionen in der Gegend
der
Verletzung, in der Grüfse eines Zolls und darüb e r , die ungeachtet dessen , w a s vorhin in H i n sicht ihrer erinnert w o r d e n ,
nicht
wohl
anders
als dafür augesehen werden k ö n n e n . 2 ) die mit Blut unterlaufenen R ä n d e r einiger in dem Umfange der eigentlichen V e r w u n d u n g a n getroffenen geringeren oberflächlichen V e r l e t z u n gen.
( W i r erinnern h i e r b e i , dal's die Obducen-
ten die Beschaffenheit der Händer der H a u p t v e r vvundting in Beziehung auf Blutunlcrlaufung oder Entzündung anzugeben
init Unrecht
unterlassen
haben.) 3 ) die blutige Flüssigkeit im W a g e n , w e l c h e nicht leicht anders, als durch Schlingen iin A u g e n b l i c k e der V e r w u n d u n g dort hin hat gelangen
können.
4 ) die ansehnliche Breite der W u n d e , dadurch ents t a n d e n , dafs Haut und M u s k e l n , s a m m t
Kehl«
köpf und Speiseröhre sich stärker, als solches i m L e i c h n a m in der Kegel anzunehmen ist, zurück-
—
393
—
gezogen hatten, die H m t der Brust nemlich l>is an den oberen Theil des Brustbeins, die des Halses bis dicht unter das Kinn. Endlich sprechen, wenn auch die Kennzeichen der Verblutung nicht vollständig im Obductionsprotokoll nachgewiesen 'worden, doch die in dieser Hinsicht erheblichen W a h r n e h m u n g e n : der ungemein blassen Farbe des Körpers und des Gesichts, der weifsen Farbe des Gehirns, verbunden mit dem Blutmangel in den Gefäfsen und sinus der harten Hirnhaut, der ßlutannuth der Eingeweide des Unterleibes und der Blutleere der Gefafse des Herzens und beider Herzkammern , so w i e endlich des im Verhällnifs geringen Gewichts der Lunken, ungefähr w i e 1 zu 50 für eine Verblutung aus den verletzten Gefafsen des Halses, iudem bei der beträchtlichen Länge der Nabelschnur von 15 Zollen eine Verblutung aus derselben nicht wohl anzunehmen ist. Das relative Gewicht der Lungen bei reffend, ist nicht zu übersehen, dafs der Leichnam überhaupt in ähnlichem Verhällnifs durch Olulentciehung hat verlieren müssen. Auch haben die Olxlucenten nicht angegeben, in welchem Zustande sie die Blutgefäfse im Unterleibe getroffen, und ob am Leichnam die eigentliche Wachsfarbe, welche das charakteristische Kennzeichen der Verblutung ist, zugegen gewesen sei, wonach die Verblutung als Todesursache nicht vollkommen erwiesen scheint. W i r wenden uns nun zur Beantwortung der sten Frage:
er-
ob die an dem Kinde der L . gefundenen Einschnitte am Halse, nach der in den Akten be-
— findlichen
394
—
Beschreibung ihrer Beschaffenheit, n o t -
wendig
iuit
einem
scharfen
Metall
oder
sonst
einer
Instruinente
härteren
von
Masse
als
der Nagel eines F i n g e r s i s t , hervorgebracht sein müssen ? D i e Verletzungen
.im
Hülse des K i n d e s
der
L.
sind von den Sachverständigen theils als Trennungen des Zusammenhanges der weichen Eingriffe in K n o r p e l ben worden.
Theile,
theils als
und Knochensubstauz
beschrie-
Aufserdein
haben
auch andere
Perso-
nen, die beim Auffinden des L e i c h n a m s zugegen g e w e s e n , über die Beschaffenheit
dieser
Verletzungen
im Allgemeinen sieb g e ä u f s e r t , letztere in einer der Meinung der Obducenten einigerinafsen widersprechenden A r t .
D e r P o l i z e i - C o m m i s s a r i u s M . , der Dienst-
k n e c h t R . und das Dienstmädchen
B . erkannten am
T a g e der Obduction den L e i c h n a m des K i n d e s an der V e r l e t e u n g am H a l s e ,
und hielt Ersterer den v o r d e -
ren T h e i l des Halses für abgerissen , oder mit einem stumpfen Instrument abgeschnitten, L e t z t e r e aber drüc k e n sich so aus, dafs ihuen der Hals des Kindes abgerissen oder abgeschnitten geschienen.
Nach
diesen
allgemeinen Aeufserungen m ö c h t e es scheinen, als sei iui vorliegenden F a l l e die Trennung des
Zusammen-
h a n g s nicht so g e w e s e n , dafs sie n o t w e n d i g e r W e i s e m i t e i n e m scharfen I n s t r u m e n t von Metall oder soust e i n e r härteren Masse g e s c h e h e n müssen. auch nicht überhaupt ein
Instrument
Aber w e n n
härterer
Masse
als der Nagel eines F i n g e r s i s t , zu einer so a n s e h n lichen Verletzung der W e i c h ^ e b i l d e des H a l s e s ,
wie
—
395
sogleich am Kinde der L .
— aufgefallen, nothwendig
möchte erforderlich gewesen sein, so ist es doch, bei aller Berücksichtigung der Zartheit der Tlieile eines neugebornen K i n d e s , schon an und f ü r sich höchst unwahrscheinlich, dafs die Verletzung i n .einer solchen Ausdehnung mit einem Instrument, ganz i n d e r BeschaiTenheit, Gestalt und Gröfse eines Nagels am Finger, oder nach der L . Behauptung uiit dem
Na-
gel des Daumens, auf irgend eine Art hat gescheiten können.
Nachdem aber diese Verletzung durch Sach-
verständige in Augenschein genommen w o r d e n ,
er-
klären diese im Allgemeinen sich dahin, dafs sie von der Bedeutung sei, w i e sie nur mit einein schneidenden
W e r k z e u g hervorgebracht werden
könne,
und
es schien ihnen schon bei der vorläufigen Besichtigung, dafs wirkliche Schnitte in die Halsknochen geschehen,
und dafs die L u f t r ö h r e und der Schlund
geradeswegs abgeschnitten worden.
Bei näherer U n -
tersuchung fand sich die Verletzung des Halses queer von der pars petrosa rechter Seits, bis gegen den G e lenkkopf des linket. Oberarms fortgesetzt, Kopf vom R u m p f e bis auf die V e r b i n d u n g , die Halswirbelheine m a c h e n , getrennt;
und
der
welche
dabei w a r e n
Speiseröhre und L u f t r ö h r e durchschnitten, und hatten sich
dergestalt
zurückgezogen,
dafs die Halswirbel
ganz blofs lagen, an diesen aber f.inden sich vii r gleich lange Queerschnitte
der ganzen Breite der
Wirbel-
körper nach, zuin Theil in der Tiefe von ¿ Z o l l und darüber, z u m Theil nur durch die Knochenhaut drungen.
ge-
Es ist, wie schon gesagt, an und liir sich
nicht glaublich, dafs auch nur eine
so
ansehnliche
—
396
—
V e r l e t z u n g w e i c h e r T l i e i l a d u r c h das ' w i e d e r h o l t e A n d r ü c k e n und H i n - und H ^ r b e w e g e n e i n e s R a g e l s scliehen k ö n n e n , in
Hinsiebt
a b e r nocli u n g l a u b l i c h e r ist
einer
Durchschneidung
der
D i e L u f t r ü h r e u n d der S c h l u n d w a r e n , Obducenten a u s d r ü c k e n , Bei
genauerer
Luftröhre.
w i e sich d i e
geradeswegs
Untersuchung
dieses
abgeschnitten.
fanden
sich m i t
dem
K e h l k o p f noch sechs K n o r p e l n n g e der L u f t r ü h r e Verbindung.
Die vena jugul.uis,
in
a r t e r i a carotis
ex-
t e r n a und a r t e r i a t h y r e o d e a i n f e r i o r r e c h t e r S e i t e w a ren v o l l s t ä n d i g d u r c h s c h n i t t e n .
Und w e n » gleich die
O b d u c e n t e n nicht a n g e g e b e n h a b e n , ob die Z e r s r h n e i d u n g der L u f t r ö h r e iu den Z w i s c h e n r ä u m e n der H i n g e S t a t t g e f u n d e n o d e r n i c h t , o c e r ob R i n g e sonst gedrückt oder verletzt g e w e s e n , leicht
eine
wenig
eine vollständige
Trennung
so k a n n
der L u f t r ö h r e , Trennung
ein-
doch
nicht
und e b e n
oder,
nach
«o dem
A u s d r u c k d e r Obducenten, D u r c h s c h n e i d u n g b e d e u t e n der B i l l i g t f ä f s e m i t d e m ¡Nagel e i n e s F i n g e r s o d e r e i nem
Instrument
von eben
Hiirte v o l l b r a c h t
werden.
so g e r i n g e r S c h ä r f e Die
Blutgefäfse
und
nament-
lich h ä t t e n d a n n nicht a n d e r s a l s a b g e r i s s e n und m e h r o d e r w e n i g e r h e r v o r g e z o g e n e r s c h e i n e n k ö n n e n , statt dafs sie s i c h n a c h rückgezogen
der A n g a b e
hatten.
Im
der
vorliegenden
a b e r aufseirdem n o c h d i e K ö r p e r der geschnitten.
Obducenten Frille
zu-
waren
Halswirbel
ein-
Z w e i m a l w a r n u r die K n o c h e n h a u t d u r c h -
g e s c h n i t t e n , z w e i a n d e r e S c h n i t t e drangen 5 Z o l l tief in
die
Körper
der
Wirbel.
Stumpfe
Instrumente
von e i n e m M a t e r i a l nicht h ä r t e r a l s der N a g e l Fingers, haben nach uuserem Dafürhalten
weder
eines die
—
397
—
tieferen noch selbst die oberflächliche!) bewirken können, wenigstens wahrscheinlich.
un-
J e länger der Nagel i s t , u m so w e -
niger inüchte er den Widerstand zarten
Verletzungen
ist dieses höchst
Knochen
überwältigen
eines,
wenn
auch
und in die Substanz,
tief eindringen k ö n n e n .
Wenn
nehmen ,
Eindringen eines Nagels in
dafs bei dem
w i r aber selbst an-
einen lockeren K n o c h e n letzlerer einigermaßen
zu-
sammengedrückt werden k a n n , so dafs zu einem Eiuschnitt von der T i e f e eines Viertel Zolls der
Nagel
nicht ganz so tief h a t eindringen d ü r f e u , s o
würde
dieses doch immer nur ein geringer Unterschied sein, und hätte der Nagel i m vorliegenden
Fall
Zoll lang frei hervorstehen m ü s s e n ,
welches
schon
E i n so langer Nagel
hätte
ganz ungewöhnlich
ist.
heinah ~
aber eher einbrechen oder sich umlegen müssen , als einen Schnitt von der T i e f e eines Viertel Zolls z w e i mal vollführen können.
Und w ä r e im äufsersten Fall
ein solcher Schnitt g e l u n g e n , so hätte es
nicht
eiu
fortgesetzter Schnitt sein k ö n n e n , sondern nur eine durch mehrfaches Zudrücken uugleiche und gequetschte Knochenverletzung.
Wai
aber die Einschnitte be-
trifft, durch welche nur die Knochenhaut scharf getrennt,
oder w i e die Obducenten
durchschnitten
worden,
so
sich
dürfte auch
ausdrücken, hierzu
schärferes und härteres Instrument, als ein Nagel sein pflegt, erforderlich gewesen sein.
zu
Uebrigens h ä t -
ten die Sachverständigen den Nagel der mit welchem
eiu
Ioculpatiun,
ie die T h a l vollbracht zu haben ange-
geben, genauer seiner Stärke und L ä n g e nach untersuchen und beschreiben,
nicht mit der blofsen
An-
—
398
—
g a b t , dafs er eingerissen gewesen sei, sich und selbst in
versuchen
den Halswirbeln
sollen,
ihn
anzupassen
den
begnügen
Einschnitten
oder ähnliche
schnitte w i e die gefundenen w a r e n ,
Ein-
damit hervorzu-
bringen. Die z w e i t e F r a g e : ob die gedachte Verletzung durch die von
der L .
möglicherweise auch
ihrem
Kinde
geständlich
zugefügte Behandlung namentlich durch Einschneiden m i t dem
Nagel des Daumens
bewirkt
sein
findet zum T h e i l schon in dem Vorhergehenden
ihre
könne ? Erledigung.
E s ist klar, dafs einige der V e r l e t z u n g e n
der weichen T h e i l e mit stumpfen
Werkzeugen,
mentlich auch m i t dem
und dessen
b e w i r k t sein k ö n n e n .
Daumen Wir
na-
Nagel
glauben jedoch k a u m in
Z w e i f e l ziehen zu k ö n n e n , dafs andere V e r l e t z u n g e n und namentlich die Verletzungen der Gefäfse, der L u f t röhre
und
Weise,
der K ö r p e r
als
die von
der Halswirbel
der Inculpatinn
Behandlung ihres K i n d e s , kömmt,
dafs
schon
auf
andere
eingestandene
bewirkt worden.
die Hauptverletzung
Hierzu der
chen T h e i l e eine bestimmte Richtung h a t t e , derselben R i c h t u n g auch die
Halswirbel
ten waren, dafs vier Trennungen der
wei-
und
in
eingeschnit-
letzteren gleich
lang und gleichlaufend, sämintlich s c h a r f , zum T h e i l beträchtlich tief vorhanden waren, dafs auch die w e i chen
Theile
doppelt w i e
durchschnitten
hier die W u o d r ä n d e r nach den centen scharf w a r e n , nem flachen
und
Angabt.i der
auch Obdu-
die Verletzungen selbst init e i -
Hautschnitt
anfingen, an
Tiefe
zunah-
—
399
—
inen a n d wieder Aach sich endigten,
dais
ee-zwei
nahe, doch nicht überall gleichlaufende Schnitten ähnliche Trennungen g e w e s e n , welche d a , w o sie a n den Enden sich berührten, ein dreieckiges Hautstück zwischen sich liefsen.
Die W a h r n e h m u n g e n
centen scheinen überhaupt nur dadurch
der Obdu-
zu
erklären,
dafs aufser dem Einilufs stumpfer W e r k z e u g e ,
wo-
durch die kleineren H a u t v e r l e t z u n g e n , die Sugillation e n , vielleicht auch die sackl'ürmige Vertiefung im oberen T h e i l e der W u n d e und die in
dem
Obduc-
tionsprotokoll bemerkte L ö s u n g der A d h ä t i o n e n
des
K e h l k o p f s und der Speiseröhre bewirkt worden, auch die E i n w i r k u n g eiues härteren und s c h ä r f e r e n , überhaupt anderen Instruments als des Nagels eines Fingers, angenommen w i r d , welchem geinäis w i r glauben, die von der K ö n i g l .
Criminal- Deputation
uns
vorgeleg-
ten Fragen nur dahin beantworten zu k ö n n e n : 1 ) dafs nach der in den A k t e n nicht durchaus genügenden Beschreibung der Beschaffenheit der an dein K i n d e der L . gefundenen Trennungen sogenannten E i n s c h n i t t e ,
wir
z w a r ein so
oder be-
stimmtes Urtheil, als verlangt wird, zu fällen uns nicht im Stande finden, dafs jedoch höchst w a h r scheinlich die mehrsten angegebenen
und
Verletzungen
bedeutendsten
mit
der
einem scharfen
Instrumente von M e t a l l , oder sonst einer härteren M a s s e , als der Nagel eines Fingers i s t , hervorgebracht worden sind. 2 ) dafs, da hier von dem blols Möglichen nicht wohl die Rede sein kann, wir es dennoch für höchst u n -
—
400
—
wahrscheinlich halten , dais die gedachten Verletzungen durch die von der L . ihrem Kinde geständlicli zugefügte Behandlung, namentlich durch Einschneiden mit dem Nagel des Daumens, bewirkt sein können. Berlin, den 25sten Februar 1824. Königl. wissenschaftliche Deputation f ü r das Medicinal-Wesen.
XVI.
XVI. G u t a c h t
en
über
die Todesarl
eines neugebornen
Kindes
und
die Tödtlichkeit der vorgefundenen Verletzungen.
King's Auswahl. I.
26
I n der Untersuchungs-Sache
wider die des K i n d e r -
mordes beschuldigte W . C. G. aus B. hat unter dem 19len Juli d. J. das Koni gl. Ober -Lande?gericht zu H. sich ein Gutacht?n der wissenschaftlichen
Depu-
tation für das Medicinal-Wesen und namentlich nicht allein die Beantwortung folgender von dem
Inquisi-
toriat zu H. dein König], Bledicinal-CoIIegio zu M. vorgelegten Fragen : 1 ) Sind durch das von der Infjuisitinn eingestandene Abreifsen der Kabelschnur, o h n e deren U n terbindung und durch den Druck mit dem
Dau-
men auf den Hals des Kindes, Verletzungen von der Beschaffenheit entstanden, dai's sie unbedingt und
unter allen Umständen in dein
Alter
des
Kindes für sich allein den Tod zur Folge haben inufsten ? 2 ) Mufsten die Verletzungen in dem Alter des K i n des nach dessen individueller Beschaffenheit f ü r sich allein den Tod zur Folge habeu ? 3 ) Haben dieselben in dem Alter des Kindes entweder aas dem Maogel eines zur Heilung erfor26 *
—
404
—
d e r l i c b e n U m » t a n d e s o d e r d u r c h Zutritt e i n e r äufseren Schädlichkeit
d e n T o d zur F o l g e g e h a b t ?
4 ) Ist die an d e i n L e i c h n a m d e s K i n d e s v o r g e f u n dene Kopfverletzung demselben
im
Leben
oder
nach d e m T o d e beigebracht ? 5 ) Ist e r s t e r e s der F a l l , w i e v e r h a l t sich d a n n d i e n o t h w e n d i g e oder b e r e i t s e r f o l g t e W i r k u n g selben
der-
z u s a m m e n g e h a l t e n m i t den , von der I n -
quisitinn
tiem
Kinde
gestnndlich
beigebrachten
V e r l e t z u n g e n zu d e m T o d e d e s s e l b e n ? 6 ) Ist es m ö g l i c h oder w a h r s c h e i n l i c h ,
dafs
diese
K o p f v e r l e l z u n g bei d e r G e b u r t durch das N i e d e r fallen auf den
Boden
oder d u r c h d e n
von
der
Inquisitinn angegebenen Druck gegen einen P f o sten e n t s t a n d e n ? 7 ) S o l l t e d i e K o p f v e r l e t z u n g erst n a c h
dem
Tode
d e s K i n d e s e n t s t a n d e n s e i n , ist es d a n n m ö g l i c h oder w a h r s c h e i n l i c h , d a f s d i e s e l b e auf die v o n der Inquisitinn
angegebene
Art,
durch
Schlage
mit
e i n e r S c h a u f e l a u f den m i t E r d e b e d e c k t e n K o p f des K i n d e s entstanden ? sondern auch aufserdem eine Begutachtung über nachstehende Tunkte erbeten: 1)
ob und i n w i e f e r n a u s dein s o n s t i g e n I n h a l t d e s Obductionsbefundes U m s t a n d , dafs d i e
es
mit
Lungen
Blut angefüllt g e w e s e n , geschlossen werden zur W e l t gekommen
mit
könne,
auf
den
nicht b e s o n d e r s
Rücksicht
mit
Wahrscheinlichkeit dafs das K i n d
todt
sei?
2 ) ob der a m H a l s e b e f u n d e n e F l e c k e n n u r f ü r e i nen T o d t e n f l e c k e n a n g e s e h e n w e r d e n k ö o n e ?
—
405
—
3 ) ob es wirklich auch gegen die Aussagen der Inquisitinn wahrscheinlich w ä r e , dnfs die Nabelschnur nicht abgerissen , sondern nur in der Geburt unwillkührlich abgebrochen sei? und 4 ) ob in der als möglich nicht ausgeschlossenen Voraussetzung, dafs dein Kinde durch den Sturz aus den Geburtstheilen auf den. Dielenboden der Scliädelkoochen zerschmettert w o r d e n , dasselbe noch wohl bei dem eingestandenen Versuche der Inquisitinn, seinen Hals zuzudrücken, die Glieder habe bewegen können ? Diesem Verlangen zu genügen, lassen wir zunächst eine aus den uns initgetheilten, anbei zurückgehenden Untersuchungsakten entnommene
Geschichtsercählung hier folgen. Die unverehelichte W . C. G., zur Zeit der gegen sie eingeleiteten Untersuchung 27 Jahr a l t , war die älteste Tochter eines noch lebenden Tagelöhners io B. Ihre Mutier hatte s i e , als sie erst acht Jahr alt w a r , verloren, ihre Stiefmutter aber w a r noch am Leben. Sie wurde, als sie 15 Jahr alt w a r , conGrinirt, und trat bald nachher als Viehmagd, zuerst bei dein Ackerwirth I\T. zu B . , dann bei dem Ackerwirth H. zu Ober-M. in Dienst, von dessen angenommenen Sohn sie ein Jahr später geschwängert und im Jahre 1818 von einem Mädchen entbunden wurde. Sie zog drei Wochen nach ihrer Niederkunft zu ihren Eltern, blieb bei diesen ein J a h r , diente
—
4ü(j
d a n n Frieder e i n J a h r bei sechs J a h r e bei dem
—
d e m Ackervvirlh L . ,
Ackerwirth
und
dessen
B. zu B . ,
H o f zu d e r Z e i t die E h e l e u t e Sch. b e w i r t s c h a f t e t e n , w ä h r e n d B. dort auf L e i b z u c h t w o h n t e . tarn
hin
und
wieder
ein
etwa
eine
Z u diesem Viertelstunde
entfernt wohnender v e r h e i r a t e t e r Tagelöhner N.
D e r s e l b e trat n a m e n t l i c h eines
Abends
H.W.
ungefähr
acht T n g e vor W e i h n a c h t e n 1 8 2 5 , als es schon du-ik e l u n d d i e G. in dein L e i b z u c h t s t a l l nilein und mit dein M e l k e n der K u h beschäftigt w a r , und
vollzog m i t i h r liegend den
acht T a g e s p ä t e r w i e d e r h o l t e n Stehen,
derselben
Beischlaf.
im
bei e i n e m zufälligen Z u s a m m e n t r e f f e n
auf
dein
ersten
beide
Etwa
und ? w a r
d e m H o f e , den Beischlaf. nach
zu
D i e G. w i l l
Beischlafe i h r e
einige
monatliche
Tnge Reini-
g u n g z u m l e t z t e n m a l gehabt h a b e n , doch sei dieselbe v o r ü b e r g e w e s e n , als sie den N. z u m z w e i t e n m a l z u gelassen.
Sie
glaubt
indefs
vorn
ersten
Beischlaf
s c h w a n g e r g e w o r d e n zu sein. D i e G. r ä u m t e i n , sogleich nach d e m Ausbleiben i h r e r F e r i o d e eine v o r h a n d e n e S c h w a n g e r s c h a f t
ver»
i n u t h e t , jedoch die völlige U e b e r z e u g u n g d a v o n nicht g e h a b t zu h a b e n .
Sie theilte auch i h r e m S c h w ä n g e -
r e r IV. i h r e V e r m u t h u n g m i t , l e u g n e t e jedoch s o w o h l d a m a l s als später gegen jeden A n d e r n , auch den B . , welcher
gegen
w i e seine Frau V e r d a c h t g e s c h ö p f t
und d i e G. ü b e r ihren Z u s t a n d Schwangerschaft, versicherte,
befragt hatten ,
ihre
dafs sie nicht s c h w a n -
ger sei und dafs das D i c k w e r d e n i h r e s L e i b e s n u r v o n dein A u s b l e i b e n ihrer R e i u i g u u g h e r r ü h r e .
—
407
-
Obsohon die Dienstzeit der G. dem 8 t e n
Mai abgelaufen
war,
bei
dem
B.
so w o l l t e
mit
letzlerer
j e n e doch nicht eher entlassen , als bis e r »ich darüber, o b sie s c h w a n g e r sei oder nicht, Gewifsbeit v e r schafft hatte.
E r ging daher mit i h r nach U. zu dem
Chiiurgus D . , w e l c h e r sie sie bereits die B e w e g u n g
untersuchte und,
obgleich
ihrr;
eine von
da ging ein röthlicher Streifen queer über die
Luft-
röhre zur rechten Seite des Halses,
einen
ungefähr
halben Z o l l lang. Die
— 417 — Di« Nabelschnur war im Nabelringe abgerissen, so dafs nur einige rothe Fasern herausstanden; der NabelriDg w a r etwas hervorgezogen. Man bemerkte sonst, aufser den gewöhnlichen Todlenflecken, äuiserlich keine Verletzungen mehr; nuch in den äulserlithen Höhlen, als Obren, Nase, Mund, offen stehendem After, auch unter den Achseln, längs dem Rückgralh u. «. w . wurde nicht« Normwidriges oder Spuren von Verletzungen bemerkt. Es wurde nun zur S e c t i o n geschritten, und A. Mit E r ö f f n u n g d e r K o p f h ö h l e angefangen. Es wurde die Kopfhaut mittelst eines Kreuzschnittes auf gewöhnliche Weise aufgeschnitten und losgetrennt. Es fand sich unter der Haut ein sehr bedeutendes Extravasat, welches in der Mitte des Stirnbeins anfing und sich bis über die dreieckige Fontanelle erstreckte, und beide Seitenwandbeine, bis zu dem Felsenbeine bedeckte. Das Blut war schwarz, dick und geronnen. Nach Wegnahme des Extravasats und des Pericraninras zeigte sich das rechte Seilenwandbein in vier grofse Stücke gebrochen, welche durch diesen Bruch getrennt waren. Die einzelnen Knochenstück® waren wieder in mehrere kleine, noch zusammenhängende Stücke gebrochen. Nach Abnahme der Schädelknochen fand man in den langen und Queer-Blulleilern viel Blut. Untec Klug'i Aurwahl. I.
27
_ der harten
4U5
—
Hirnhaut IV.nd sich wieder ausgetretenes
geronnenes B l u t , womit das ganze Gelilrn umkleidet war.
Die Geliirnwasse war von gewöhnlicher Farbe,
aber sehr breiicht; die Gehirnliöhlen waren leer, der plexus choroideus
von gewöhnlicher
Beschaffenheit,
in der basis cranii fand sich etwa.' schwarzes, flüssiges Blut.
Sonst wurde nichis
dick-
Bewerkenswer-
thes in der Schädelhöhte vorgefunden. B.
wurde der an der linken
Seite des Halses
befindliche brännlichrothe Fleck untersucht: die Haut wurde durchschnitten die Haut
etwas
und abgelöst.
wenig
gerölhet,
Ks
fand sich
aber unter
der-
selben wurde kein extravasales Blut gefunden.
Zu-
gleich wurde die Mundhöhle und
Luftröhre
eröff-
net, worin nichis Bemerkenswerthes gefunden wurde. E s fanden sich weder geröthele oder in ¡¿»farbige S t e l len, noch schaumigter Schleiin vor. Hierauf wurde C. net.
die
Brusthöhle auf gewöhnliche A r t geöff-
Die glandula
tbymus
Gröfs* und Beschaffenheit.
war
gedehnt, nicht zusammengefallen, rother Farbe.
von
gewöhnlicher
Dia Lungen waren von etwas
Es wurden nun die Lungen mit dem
Her2en und der glandula thymus, fsen Blutgefafse unterbunden
nachdem die grn-
waren,
men und in ein sehr grofses
herausgenom-
Gefäfs mit gewöhnli-
chem kalten Brunnenwasser in hinreichender
Menge
gelegt, wo denn die Lungen mit dem Herzen der
Drüse
aushell-
oben
schwimmend
den mehrmals auf den
blieben.
Sie
und wur-
Boden des Gefäfses nieder-
— gedruckt, fläche
erhoben
419
—
sich aber wieder auf die Ober-
des W a s s e r s , w e n n der Druck nachlieft.
wurde d a r a u f die glandula t h y w o s von
den
Es
Lungen
getrennt, und die Lungen mit dem Herzen ins W a l ser gelegt , w o sie ebenfalls oben s c h w a m m e n ; wurde
ferner das Herz
utad letzter«
von den
getrennt,
allein in das W a s s e r g e l e g t ,
denn ebenfalls schwammen. Wasser
Lungen
die Lungen
es
wo
sie
Es wurden unter dem
eingeschnitten
und
es
zeigten
sich kleinere und gröbere Luftblasen nuf der Ober« Sache
des
Wassers.
Auch
als die L n n g e n
nufser
dem W a s s e r in Stücke geschnitten und diese Stücke in das W a s s e r ben.
Bei
gelegt
dem
wurden t
schwammen
Durchschneiden
der L u n g e n
dem W a s s e r hörte man ein leises Knistern. men zugleich
etwas
von
Knoten
noch
Krankhaftes;
gesundem
ka-
Die
Lungen
waren
Ansehen,
hatten
weder
sonst
etwas
Verhärtungen , sie
auber Es
w e n i g e s Blut und kleine Blut-
bläschen dabei zum Vorschein. übrigens
diesel-
waren
mit
noch Blat
nicht
besonders
angefüllt. I m Herzbeutel fand sich e t w a s W a s s e r , das Herz war von gewöhnlicher Bildung, die linke s o w o h l als die rechte Herzkammer waren blutleer. E s wurde übrigens nichts
Bemerkenswerthes
in
der Brusthöhle vorgefunden. Endlich wurde D. die BauchhShle gleichfalls auf gewöhnliche W e i s e geöffnet.
27 *
—
4-'„>0
—
Dar Magen und der Darmkanal zeigten sich von gewöhnlicher F a r b e , waren von Luft e t w a s ausgedehnt, und der Magen enthielt blofs eine geringe Menge schleimiger Br-ilie. Der Darmkanal enthielt etwas meconium, besonders w a r das colon descendens damit angefüllt. Die Leber war von gesunder brauner Farbe und Consislenz und nichts Normwidriges an ihr zu entdecken. Die Gallenblase enthielt etwas weniges Galle. Die Milz w a r etwas mürbe, übrigens von gewöhplicher Beschaffenheit. Die Harnblase w a r ganz leer, die Mieren waren ebenfalls von ganz gesunder B e schaffenheit und wurde sonst nichts Beinerkenswerthes vorgefunden. Die Obducenten gaben ihr vorläufiges Gutachten dahin a b : 1 ) dafs das obducirte Kind vollständig oder ausgetragen zur W e l t gekommen sei, 2 ) dafs dasselbe lebendig zur W e l t gekommen sei, 3 ) dafs die vorgefundene Zerschmetterung der Hirnknochen an und f ü r sich als absolut tüdtlicb betrachtet werden müsse, 4 ) dafs das Kind eioen Druck am Halse erlitten habe, und z w a r wahrscheinlich mit der Hand und insbesondere neben der Kehle mit dem Daumen, 5 ) dafs dieser Druck bei der Tödtuog des Kindes vielleicht mitwirkend gewesen sei, dafs aber der Tod durch die ad 3 ) erwähnte Kopfverletzung nothwendiger W e i s e habe erfolgen müssen, 6 ) dafs die ad 3) bemerkte absolut tödtlicbe Kopfverletzung durch den Gebäbrungsakt nicht habe
411 — entstehen können, vorausgesetzt, dafs die Geburt so erfolgt eei, da Ts die Mutter dabei auf den Knieen gelegen und das Kind mit dein Kopfe auf eine blofse hölzerne Diele gefallen sei, 7 ) dafs übrigens die ad 3) gedachte tödtliche Kopfverletzung dem Kinde während des Lebens beigebracht worden. Die Gründe ihres Gutachtens stellten die Obdwcenten in dein unterm 21steo September von ihnen eingereichten Obductionsberichte, welcher, was die Data der Obduction betrifft, Dur den im Protokoll nicht befindlichen erläuternden Zusatz enthält, d i ü die Zunge sich nicht vorn zwischen den Lippen, soudern in ihrer gewöhnlichen Lage in der Mundhöhle befunden habe, zusammen. Am Schlüsse gedachten Obductionsberichts bemerkt auberdein der Kreiswundarzt O., dafs nach seinem Dafürhalten möglicherweise auch Folgendes der Fall sein könne: a ) da Ts der Tod des Kindes nur durch Erdrosselung erfolgt sei, b ) dafs die Blutergiefsung auf dem Stirnbein Folge des Aul'sciiiefsens des Kindes aus den Geburtstheilen auf den Boden sein konnte, und dafs, wenn sich auch der Fall denken läfst, dafs den Knochenbrüchen und den Sugillationen verschiedene Ursachen zum Grunde lagen, c ) die Brüche nach dem Tode des Kindes, durch irgend eine heftig einwirkende, durch den Befund nicht ausgemittelte Gewalt yeranlafst sein konnten.
—
4T1
—
Das K ö a i g l . Inquisitoriat zu H. erachtete hierauf die Einholung eines höhern Gutachtens f ü r nothig, Übersandte deshalb unter dem 8len December die A k ten an d?s Königl. M e d i c i n a l - C o l l e g i u i n zu 91., nnd erbat sich dessen Gutachten, namentlich über die b e reits Yorhin im Eingange ausgeworfenen sieben Frag e n , wobei dasselbe jedoch bemerkte, dafs e s , der Vollständigkeit w e g e n , alle auf die S a c h e Einflufs habenden Fragen aufgestellt habe, es aber in der Natur der Sache liege, dafs einige als unerhebli-h w e g f a l l e n , je nachdem die Beantwortung der übrigen a u s f a l l e , es jedenfalls aber die drei ersten Fragen, geeigneten Falls auch in Beziehung auf die Kopfverletzung, beantwortet zu sehen wünsche. Genanntes Medicinal - Collegium schickte unter dem 30sten J a n u a r 1S27 das verlangte Gutachten ein, bestritt in demselben die Richtigkeit der sammllichen Behauptungen der Gerichtsärzle, namentlich auch in Hinsicht nicht sowohl der R e i f e , als der L e b e n s f ä higkeit des K i n d e s und seines Lebens nach der Geburt, glaubte sich hierdurch der Beantwortung der fünf ersten von dem Königl. Inquisitoriat a u f g e w o r fenen Fragen überhoben, und beantwortete die sechste und siebente d a h i n , dafs es gar nicht wahrscheinlich sei, dafs die Kopfverletzung und namentlich die Z e r schmetterung des rechten Seitenwandbeins durch den Sturz des K i n d e s aus den Geburtswegen habe entstehen k ö n n e n , dafs es noch weit unwahrscheinlicher sei, dafs solche durch einen Druck des Kopfes gegen einen Pfosten entstanden sein s o l l t e n , mithin durch« aus nichts übrig b l e i b e , als die Angabe der I n q u i s i -
—
423
—
tion, dais die bemeldeten Kopfverletzungen bei dem Verscharren des todten Kindes durch d«s FestscLlagen der Erde mit einer Schaufel entstanden, für wahr anzunehmen, Weil jedoch, wie nicht zu verkennen, dieses Gutechten des Medicinal - Collegii in seinen Aufstellungen zum Theil mit den Aussagen der Inquisition in ofienbiirem Widerspruche stand, so hat das Königl. Ober-Landesgericht zu H. es für unumgänglich erachtet, dnfs die Ansichten des Medicinal-Collegii einer höheren wissenschaftlichen Beurtheilung unterworfen würden, und deshalb das Gutachten der wissenschaftlichen Deputation über die im Anfange ausgeworfenen Fragepunkte sich erbeten.
G u t a c h t e n .
Wenn die von dem Konig!. Iuquuitoriat zu H. dem Königl. Medicinal - Collegio zu M. zur Beantwortung vorgelegten sieben Fragen theils den Grad der Tödtlichkeit der von der Inquisitinn ihrem nengebornen Kinde geständlich zugefügten Verletzungen, theils die Enlstehungsart der an gedachtem Kinde vorgefundenen Kopfbeschädigungen zum Gegenstande haben, so beziehen sich dagegen diejenigen vier Fragen, welche ein Königl. Ober-Landesgericht zu H. an uns besonders noch gerichtet hat, auf einige ?rst durch das Gutachten des Königl. Medicinal-Collegii
zweifelhaft gewordene Punkte, namentlich aber auf das Leben jenes Kindes nach der Gebart. Konnten wir, denen säramtlicbe jene Fragen mr Beantwortung vorgelegt w o r d r n , die Zweifel theilen, welche, in Rücksicht nuf das Leben des Kindes nacli der Geburt, das Königl. Medicinal-Colleginin
ausge-
sprochen, so kälten, w i e die Fragen sich auch folgen mögen, wir den eben erwähnten wichtigen Gegenstand zunächst erörtern und feststellen, dagegen der Beantwortung der erst gestellten sieben, oder wenigstens der ersten sechs Fragen, überhoben sein können.
W e i l wir hierin jedoch mehr den Ansichten
der Obducenten
beitreten und die Dehnuplung des
Königl. Medicinal-Collegii: „dafs mit gröfsler Wahrscheinlichkeit anzunehmen, dafs das Kind der I n culpatinn todt geboren worden," für gehölig motivirt und richtig nicht halten können, so findet auch keine weitere Veranlassung Statt, in der Ordnung der Fragen irgend eine Aenderung zu treffen. Die Beantwortung der ersten Frage betreffend, so bestand die Art und W e i s e ,
wie Inquisitinn ihr
Kind gelödtet haben will, aufserdem, dafs sie die Nabelschnur
mit
den
Fingern dicht über dem Nabel
fafsta and so abrifs, oder vielmehr mit dem Nagel des Daumens der linken Hand abkniff,
dafs nur ein
kurzes Stück am Nabel sitzen blieb, darin, dafs sie mit der rechten Hand den Hals des Kindes umfafste, so zwar, dafs der Daumen auf der Kehle, das I n n e n der Hand an der linken Seite des Halses, die andern vier Finger an dem Genick des Kindes ruhten, dals sie nun, indem sie die Spitze ihres Daumens auf den
— 425 — Kehlkopf des Kindes setzte, die Hand zudrückte und