Auslese und Anpassung der Arbeiterschaft in der Schuhindustrie und einem oberschlesischen Walzwerke: Untersuchungen über Auslese und Anpassung (Berufswahl und Berufsschicksal) der Arbeiter in den verschiedenen Zweigen der Großindustrie. Neue Folge. (Schriften des Vereins für Sozialpolitik 153) [1 ed.] 9783428574681, 9783428174683


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German Pages 227 Year 1915

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Auslese und Anpassung der Arbeiterschaft in der Schuhindustrie und einem oberschlesischen Walzwerke: Untersuchungen über Auslese und Anpassung (Berufswahl und Berufsschicksal) der Arbeiter in den verschiedenen Zweigen der Großindustrie. Neue Folge. (Schriften des Vereins für Sozialpolitik 153) [1 ed.]
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Auslese und Anpassung der Arbeiterchaft in der Schuhindustie und einem oberschlesischen Walzwerke

Duncker & Humblot reprints

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Schriften des

Vereins für Sozialpolitik.

153. Wanö. Untersuchungen über Auslese und Anpassung (Berufswahl und Berufsschicksal) der Arbeiter in den verschiedenen Zweigen der Großindustrie. Neue Folge.

Verlag von Duncker 8- Lumblot. München und Leipzig 1915.

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Auslese und Anpassung der Arbeiterschaft in der Schuhindustrie und einem ober­

schlesischen Walzwerke.

Mit Beiträgen von

Dr. Richard Watteroth und Dr. Friedrich Syrup.

Verlag von Duncker 8- Äumblot.

München und Leipzig 1915.

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Alle Rechte vorbehalten.

Altenburg Pierersche Hofbuchdruckerer Stephan Geibel L Co.

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Inhaltsverzeichnis. Die Erfurter Schnharbeiterschaft.

Seite

Von Dr. Richard

Watteroth ch.....................................................................

1—130

Die soziale Lage der seßhaften Arbeiterschaft eines oberschlesischen Walzwerkes. Von D>. Friedrich Lyrup, Gleiwitz............................................................... 131—218

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Die Erfurter Zchuharbeiterschast. von

On Richard watteroth.

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VIII

Inhaltsverzeichnis. Leit?

Vorwort....................................................................................................................

3

I. Die Untersuchungen des Vereins für Sozialpolitik über Auslese und Anpassung der« Arbeiterschaft in der geschloffenen Großindustrie . .

6

Anwendungsmöglichkeit auf das Gebiet der Erfurter Schuhindustrie .

6

II. Die Ergebnisse der Berufs- und Betriebszählungen aus den Jahren 1882, 1895,1W7 als Orientierung über die wirtschaftliche Entwicklung

und soziale Verschiebung in der Schuhindustrie....................................

15

111. Die Erfurter Schuhindustrie........................................................................

30

Industrie und Arbeiterschaft.............................................................................

30

IV. Fabrik und Handwerk...................................................................................

40

V. Entwicklung der Betriebsorganisation innerhalb der Erfurter Schuh­ industrie ..................................................................................................... 63 —Leilarbeiter.....................................

63

VI. Differenzierung und Leistungsfähigkeit der Erfurter Schuharbeiterschaft

75

Schuhmacher. — Spezialarbeiter.

Differenzierung und Qualifizierung der Arbeiter in den einzelnen Fabrikabteilungen. — Leistungskurven. — Anwendung von Akkord- und Zeitlohn in den Fabrikabteilungen. — Alter und Verdienst.

VH. Persönliche Äußerungen von Schuhfabritarbeitern..................................... 116 Herkunft und Eltern der Arbeiter. — Qualifikation, Arbeits­

wechsel.— Die Familie des Arbeiters (Heiratsalter). — Zahl und Beruf der Kinder. — Physiologische Einflüsse der Jndustriearbeit. — Er­

holung. — Das Alter. — Biographien.

Schlußwort.................................................................................................................... 137

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Der Verfasser der nachfolgenden Arbeit hat den Zeitpunkt nicht mehr

erleben

sollen,

an

dem

sie

in die Öffentlichkeit hinausgeht.

In der

Morgenfrühe des 30. Oktober 1914 ist er während eines Sturmangriffs

unweit Lille als Kriegsfreiwilliger im Reserve-Jnfanterie-Regiment 224 gefallen, und ich erfülle als sein früherer Lehrer gern die traurige Pflicht,

hier zu sagen, was ich von seinem Leben weiß und was wir mit ihm verloren haben. Richard Watteroth war am 4. März 1889 in Erfurt als Sohn des

Bürger- und Fortbildungsschullehrers Karl Watteroth geboren.

Mit dem

Reifezeugnis des dortigen Gymnasiums begab er sich im Herbste 1907 nach München, um auf der dortigen Universität Geschichte und Sprachwissen­ schaft zu studieren; im Wintersemester 1908/9

setzte

er

diese Studien

in Marburg fort, wandte sich aber mehr den nationalökonomischen und winschaftsgeschichtlichen Fächern zu, denen er seit seiner Übersiedlung nach Leipzig (im Frühjahr 1910) ausschließlich sich widmete.

Hier trat er als

Mitglied den Vereinigten staatswissenschaftlichen Seminaren bei und arbeitete

in der Abteilung für Vorgeschrittene seine Untersuchung über die Erfurter Schuharbeiterschaft aus. Angeregt war er zu diesem von ihm selbst gewählten Thema durch

die Erhebungen des Vereins für Sozialpolitik über Auslese und An­ passung der Arbeiterschaft und die Schrift von Max Weber, welche die­ selben einleitete.

Aber er trat denselben durchaus selbständig gegenüber

sich

zunächst mit den grundlegenden Ideen innerlich aus­

einanderzusetzen.

Da er einsah, daß zur Bewältigung der gestellten Auf­

und

suchte

gabe auch eine Beherrschung des Technischen unerläßlich sei, so trat er als Arbeiter in eine Fabrik ein und widmete einige Wochen dem Besuche der

Schuhmacherfachschule in Wermelskirchen.

Er verließ uns im Herbste 1913,

um in der journalistischen Praxis eine Stellung anzunehmen, noch bevor er seine Arbeit hatte vollenden können. Schriften 153. I.

Bis zum Frühjahr 1914 war er 1

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Nachruf.

2

in der Handelsredaktion des „Berliner Tageblatts"

beschäftigt.

Zu An­

fang dieses Jahres gelang es ihm, seine Untersuchung abzuschließen, deren

Manuskript am Ende des vergangenen Wintersemesters mir als Dissertation vorgelegt wurde.

Ich will gern gestehen, daß ich nach manchen kritischen Auseinander­ setzungen mit dem Verfasser der Abhandlung nicht allzu großes Vertrauen

entgegenbrachte, aber angenehm enttäuscht war, als ich nicht nur sie als ausreichende Promotionsleistung anerkennen konnte, sondern auch bei der nachfolgenden mündlichen Doktorprüfung ein günstiges Urteil über die all­ gemeinen nationalökonomischen Kenntnisse des Kandidaten gewann.

Ich

bin überzeugt, daß alle, welche seine Arbeit lesen, den Ernst und die Ge­

wissenhaftigkeit anerkennen werden, mit denen er einem vielbehandelten Gegenstände neue Seiten abzugewinnen gesucht und mit den schwierigen

Problemen der Aufgabe gerungen hat. leicht geworden.

Dem Verfasser ist das Leben nicht

Um so erschütternder berührte es die, die ihn kannten,

daß er hart am Ziele hat scheiden müssen.

Mit ihm haben die Kameraden

im Felde eine der vielen Hoffnungen begraben, die dieser furchtbare Krieg hinwegnimmt, und es wird leider nicht die letzte sein.

Leipzig, den 17. November 1914.

Karl Bücher.

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Vorwort. Die vorliegende Untersuchung über die Erfurter Schuharbeiterschaft

ist eine derjenigen, wie sie vom Verein für Sozialpolitik in größerem Umfange unternommen wurden.

Es sollen nicht, wie dies bei den Unter­

suchungen über die Arbeiterverhältnisse gewöhnlich geschieht, lohnstatistische

Erhebungen angestellt werden.

Unternehmungen solcher Art werden jetzt,

wo bereits die Gewerkschaften mit einem statistischen Apparat ausgerüstet sind, besser von diesen als von Privaten unternommen.

Im Schuhgewerbe

insbesondere ist eine sich über ganz Deutschland erstreckende Erhebung über

Lohnverdienst und Haushaltungsbudget von dem Zentralverband der deutschen

Schuhmacher im Jahre 1911 eingeleitet worden.

(Vgl. Schuhmacher-Fach­

blatt, Gotha 1911, 25. Jahrg., Nr. 23, Beilage.)

Die Erhebungen über

den Lohnverdienst erstrecken sich auf alle Mitglieder des Verbandes; sie sollen einen Überblick über die Höhe des Lohnes an den einzelnen Orten

gewähren.

Die Haushaltungsrechnungen aber vermitteln einen Einblick

in die wirtschaftlichen Verhältnisse an den einzelnen Orten und geben,

da sie von einzelnen Schuharbeitern in allen Schuhindustrieorten Deutsch­ lands geführt werden, lehrreiche Belege für die Frage, wieviel der Arbeiter auf Grund des Lohneinkommens an verschiedenen Orten für Wohnungs--

miete, Steuern und Dienstleistungen, Heizung und Beleuchtung, die ver­ schiedensten Nahrungsmittel, Versicherungs- und Vereinsbeiträge, Kleidung,

Schuhwerk

und

Neuanschaffungen,

Arzt,

Apotheke,

Bildung, Unterhaltung und Zeitungen ausgibt.

Gesundheitspflege,

Die Ergebnisse dieser

Erhebung sind zurzeit noch nicht veröffentlicht. Es ist erklärlich, daß der Verfasser seine Untersuchung nach der Seite

e.iner Lohnerhebung nicht ausdehnen wollte.

Es lag ihm vielmehr daran,

sozialwissenschaftliche Erkenntnisse, die durch die geschilderte Erhebung sich

nicht unbedingt ergeben, zu fördern.

Im Vordergründe seines Interesses

stand das berufliche Schicksal des Schuharbeiters.

Die Frage, was ver­

dient der Arbeiter, war daher dem Verfasser nicht so interessant als wie die Frage, unter welchen Umständen kommt der Arbeiter zu seinem Lohn. 1*

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Richard Watteroth.

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Welche Arbeitsbedingungen werden durch die schuhindustrielle Entwicklung geschaffen?

Wie gestaltet sich die Qualifikation des Schuharbeiters im

Rahmen der modernen schuhindustriellen Betriebsorganisation? In welchem Verhältnis stehen Arbeitsintensität und Lohnform zueinander?

nimmt die Leistungsfähigkeit des Arbeiters ab?

Wann

Wie denkt und fühlt

der Arbeiter angesichts der Fortschritte von Organisation und Technik?

Die Untersuchung des Verfassers bezweckte also von vornherein etwas

anderes als die lohnstatistischen Erhebungen.

Es war ihm auch nicht

daran gelegen, eine industrielle Monographie zu schreiben,

wie dies von

Karl Rehe für die Schuhindustrie und nach ihm von Friedrich Behr unter­ nommen worden ist. Wohl konnte Karl Rehes Schrift über die deutsche Großschuhindustrie, Jena 1908, und zwar derjenige Teil, der die Ent­ wicklung der Erfurter Schuhindustrie behandelt, benutzt werden. Für den statistischen Überblick über die Entwicklung des Schuhmachergewerbes war

dem Verfasser in der Veröffentlichung des Vorstandes des Zentralverbandes der Schuhmacher Deutschlands:

„Die Schuhmacherei in Deutschland im

Lichte der amtlichen Berufs- und Betriebszählungen von 1882 bis 1907"

ein Hilfsmittel geboten.

Besondere Vermerke sind an den Stellen an­

gebracht, wo eine Tabelle aus der kleinen Druckschrift nach Vergleich mit

dem Quellenmaterial entlehnt werden konnte. Im übrigen aber mußte der Verfasser die Idee und das Material

der vorliegenden Untersuchung sich selbst schaffen. Die Idee entstand zunächst im Max Weberschen Gedankenkreis. Gibt es psychophysische Ein­

flüsse der

schuhindustriellen Arbeit

Methode, sie zu erfassen?

auf

den Arbeiter?

Beobachtungen der schuhindustriellen Praxis Problem zu finden.

Gibt es

eine

Der Verfasser war gleichzeitig bestrebt, durch einen Schlüssel

zu

diesem

Dieses eigentümlich fesselnde Problem zwang ihn

immer wieder zu Beobachtungen, und es ergab sich, daß die Wirklichkeit

zu viele Variationen bot, um Fehlerquellen für eine psychophysische Unter­ suchung des Arbeiters auszuschalten.

Nur eine elementare Aufgabe konnte

gestellt und gelöst werden, nämlich: ein Bild vom Habitus der Erfurter

Schuharbeiterschaft zu geben. An dieser Stelle fühlt sich der Verfasser verpflichtet, allen denen aus

der Praxis zu danken, die sein Unternehmen durch ihre Anteilnahme förderten.

Es ist zunächst der Name des verstorbenen Herrn Cerf aus

der Firma CerfLBielschowski zu nennen, in dessen Fabrik der

Verfasser vier Wochen lang als Presseur tätig sein durfte und ihm die

Gelegenheit geboten wurde, durch Unterhaltung mit den Betriebsleitern und Arbeitern sich eine Vorstellung über den inneren Mechanismus einer

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Die Erfurter Schuharbeiterschaft.

Schuhfabrik zu bilden.

5

Da er vorher auf der Wermelskirchener Fach­

schule vier Wochen lang in aller Ruhe die einzelnen Arbeitsprozesse des

vielgestaltigen Organismus beobachten konnte, war es ihm möglich, sich in der industriellen Praxis schneller zu orientieren. Es ist nicht möglich, allen, Fabrikanten, Kaufleuten, Ingenieuren,

Werkmeistern, die durch freundliche Auskünfte das Unternehmen des Ver­ fassers unterstützten, durch Namensnennung zu danken.

Besonders sei

aber zum Schlüsse hervorgehoben, daß nur durch den hilfsbereiten Beistand

der Verwaltung der Ortsgruppe Erfurt des Verbandes deutscher Schuh­ macher der Verfasser in den Stand gesetzt wurde, unter den Arbeitern

eine Enquete zu veranstalten.

Ihr, sowie allen Arbeitern, die sich in

längeren Unterredungen den Ideen des Verfassers dann auch zur Abfassung von Biographien

erschlossen

bestimmen

ließen,

und sich sei der

besondere Dank des Verfassers ausgesprochen; denn ohne sie hätte die

Arbeit nicht begonnen und vollendet werden können.

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Richard Watteroth.

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I.

Die Untersuchungen des Vereins für Sozialpolitik über Auslese und Anpassung der Arbeiterschaft in der geschlossenen Großindustrie. Anwendungsmöglichkeit auf das Gebiet der Erfurter Schuhindustrie. Von den Untersuchungen des Vereins für Sozialpolitik über Aus­

lese und Anpassung der Arbeiterschaft in der geschlossenen Großindustrie ausgehend, unternahm es der Verfasser, den Teilarbeiter in der Erfurter

Schuhindustrie zum Gegenstand

einer

sozialpolitischen Untersuchung zu

machen. Der Art, wie nun ein sozialpolitisch Interessierter den Problemen der industriellen Arbeit gerecht werden soll, sind neuerdings durch die

Untersuchungen des Vereins für Sozialpolitik bestimmte methodische Ziele

gegeben worden.

Das Programm der Untersuchungen ist auf Grund der

vorausgegangenen Erörterungen ein zweifaches; auf der einen Seite gilt es, ökonomische Probleme zu lösen und auf der anderen psychologische, die zu den Erscheinungen der Arbeitsanspannung, Ermüdung und Arbeits­ eignung, wie sie von Max Weber * für die Praxis des industriellen Lebens geltend gemacht wurden, in Beziehung stehen.

Max Weber hat hinter

diesen beiden Problemen in seinem Expose, das dem Vorsitzenden des Unterausschusses des Vereins, welcher die Erhebungen vorbereitete, von

ihm als vorläufige Unterlage für die Diskussion über die Methode derselben eingereicht wurde, die weite Perspektive vom Werden und Wirken des

Industrialismus eröffnet, indem er folgende Fragen formuliert: Ob die geschlossene Großindustrie auf persönliche Eigenart, beruf­

liches Schicksal und außerberuflichen Lebensstil der Arbeiter irgend­

welche Einwirkung ausübt und ob sich diese in der gesamten Lebens­ führung der Arbeiterschaft äußert; * Max Weber, Zur Psychophysik der industriellen Arbeit.

Zm Archiv für

Sozialwissenschaft und Sozialpolitik, Band 27, Heft 3 und Band 28, Heft 1 und 2.

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Die Erfurter Schuharbeiterschaft.

ob

die Großindustrie in

ihrer

7

Entwicklungsfähigkeit

und

Ent­

wicklungsrichtung an gegebene durch ethnische, soziale, kulturelle Provenienz, Tradition und Lebensbedingungen der Arbeiterschaft erzeugte Qualitäten der Arbeiter gebunden ist.

Nun muß zunächst die im ersten Satz ausgesprochene eigentümliche Verquickung der Frage nach der Arbeiterqualität mit der Frage nach dem

spezifischen Lebensstil des Arbeiters eine einseitige Deutung der psycho­ logischen Einwirkung der industriellen Arbeit auf den Menschen Hervor­

rufen.

Wie soll zum Beispiel der außerberufliche Lebensstil eines Arbeiters

in einer mitteldeutschen Provinzstadt mit über 100 000 Einwohnern anders

erklärt werden können, als durch das Einkommen, das der in dieser Stadt

lebende Arbeiter bezieht und durch die Preise, die er für Nahrungsmittel,

Kleidung und Erholung an diesem Ort zu zahlen hat? Diese Frage nach

den Lebensgewohnheiten einer Berufsklasse würde sich in die allgemeine Frage nach den Lebensansprüchen bestimmter sozialer Gruppen und der

Möglichkeit ihrer Befriedigung auflösen und ist daher schon von vornherein

aus der durch die Untersuchung behandelten Problemgruppe zu entfernen. Gewiß aber ist mit der Entwicklungsrichtung einer Industrie auch

die Züchtung bestimmter Arbeitsgeschicklichkeit und eine Auslese der Arbeiter nach Arbeitseignung und Leistungsfähigkeit verbunden.

Gerade die in den

Fachblättern der Schuhindustriellen und Schuharbeiter gepflogenen Polemiken

über die Leistungsfähigkeit amerikanischer und deutscher Schuharbeiter und die in der industriellen Praxis alltäglich ausgesprochene Erfahrung, daß der Offenbacher und Erfurter Arbeiterstamm für Herstellung von Qualitäts­ schuhwaren

der

bestgeeignete

sei,

lassen

erkennen,

daß

eine Beziehung

zwischen Qualität der Industrie und Qualität der Arbeiterschaft besteht. Der Sozialpolitiker sieht sich daher vor die Notwendigkeit gestellt, diese Erscheinungen im industriellen Leben zu berücksichtigen und sein soziales

Gewissen gleichsam neu zu orientieren. Die Kombination von ökonomischer und psychologischer Fragestellung muß

aber eine solche Orientierung erschweren.

Max Webers Expose gibt fünf

Fragen, deren drei ersten in ihrer ökonomischen Tendenz dem Beobachter keine Schwierigkeiten bereiten, die aber in der Verbindung mit den beiden letzten

Fragen,

vornehmlich

psychologischen

problematische Gestaltung erfahren.

Inhalts,

eine

verwickelte

Bei den ersten Fragen handelt es sich

zunächst um folgende Symptome: „inwieweit die Entwicklung der Arbeiter­ schaft sich in der Richtung qualitativer und daraus beeinflußter ökonomischer

und sozialer Differenzierung ihrer Schichten oder umgekehrt in der Richtung

ihrer zunehmenden Uniformierung bewegt; inwieweit zweitens der Ver­

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8

Richard Watteroth.

wendbarkeit des einzelnen Arbeiters in der Industrie sich zunehmend sozialistisch, auf die ausschließliche Übung ganz spezieller Einzelqualitäten zugeschnitten, oder umgekehrt universalistisch gestaltet". Die Symptome der beruflichen Spezialisierung der Arbeiterschaft und

ihrer zunehmenden Differenzierung wird jede Industrie aufweisen, die auf handwerklicher Grundlage mit geringer Arbeitsteilung zwischen einzelnen

Handarbeitern sich zu den Maschinenarsenalen von heute entwickelt hat ; * die Antwort wird daher eine mehr oder weniger eindeutige sein und zwar dahin lautend, daß in Industriezweigen mit zunehmender Mechanisierung

und Spezialisierung der einzelnen Arbeitsverrichtungen ganz folgegemäß die

handwerksmäßige Kraft und Kunst ausgeschaltet wird, wie

Schuhindustrie der Fall ist.

in der

es

Es kann somit die von Max Weber in seinem

Expose aufgeworfene dritte Frage:

„inwieweit die einzelnen Industrien

von bestimmten, sei es anerzogenen, sei es eingeübten Qualitäten ihrer Arbeiter sich zunehmend emanzipieren und inwieweit etwa der Standar­

disierung der Produkte eine Standardisierung der Arbeiter entspricht oderumgekehrt der Spezialisierung der Arbeitsmittel eine Vermannigfaltigung

der Eigenart der Arbeiter" lediglich als eine Spezialisierung der in Frage I

und II

gegebenen

Aufgabe

angesehen

werden,

die

Entwicklung

von

Organisation und Technik einer Industrie und

ihren Einfluß auf die

Qualität des Arbeiterstandes zu charakterisieren.

Die Schuhindustrie weist

zunächst an allen Orten die gleiche Spezialisierung der Arbeitskräfte auf, ganz gleich, ob nun Schuhe besserer oder minderer Qualität produziert werden.

Durch die Spezialisierung der Arbeitsmittel ist in der Schuhindustrie der

Teilarbeiter, das ist der Arbeiter, der an einen bestimmten Komplex von Teilarbeiten am Schuh sich gewöhnt hat und nur eine Teilarbeitsaufgabe im Gesamtherstellungsprozeß

worden.

des Schuhes

zu

verrichten

hat,

gezüchtet

Neben dieser Spezialisierung besteht in der Schuhindustrie auch

eine berufliche, die mit der Standardisierung der Produkte an einem Orte

gleichlaufend ist: Dresden und Berlin, wo leichte Schuhwaren wie zum

Beispiel Ballschuhe, nach ihrer Bodenmachart auch gewendete Schuhe ge­ nannt, produziert werden, weisen den Wendeschuhmacher auf, dagegen

andere Orte, wo Rahmenschuhwerk produziert wird, den Rahmenarbeiter. * Der Verfasser deutet hierbei nicht allein auf das vorliegende Beispiel der

Schuhindustrie hin.

Er weist auch auf die in den „Untersuchungen" bereits bearbeitete

Lederwarenindustrie und die neuerdings von den „Untersuchungen" völlig unabhängig

beschriebene

Nähmaschinenindustrie

hin,

die

von Dr.

Koehler in dem bei Duncker L Humblot 1913 erschienenen Werke:

Walter

„Die Deutsche

Nähmaschinen-Jndustrie" behandelt worden ist.

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Die Erfurter Schuharbeiterschaft.

9

Da es sich aber hier um die Differenzierung bestimmter Bodenmacharten handelt, das heißt bestimmter Teilverrichtungen am Schuh, so gelten diese Unterschiede auch nur für bestimmte Teilarbeiter, nämlich die Überholer

und Zwicker.

Doch auch Qualitätsunterschiede des Fabrikats führen zu

einer Differenzierung gleicher Teilarbeitergruppen in qualitativer Beziehung. So wurde dem Verfasser von einem Frankfurter Fabrikanten erklärt, daß

Zwicker aus Pirmasens, das neben besseren Fabrikaten auch viel Massenware

verfertigt, nicht für Betriebe, die sich ausschließlich auf erstklassige Rahmen­

schuhware eingestellt haben, zu gebrauchen seien. Schwieriger aber gestaltet sich die Problemstellung und Beantwortung der beiden letzten Fragen in Max Webers Expose. Es ist nämlich zu unter­

suchen, „wie sich viertens für die Arbeiterschaft die Chance eines Avancements innerhalb der Beschäftigungsarten gestaltet, sowohl ökonomisch (nach Art

der möglichen Gestaltung der Verdienstkurve), wie organisatorisch (nach dem Maß der relativen Selbständigkeit oder auch Überordnung, welche im Verlauf ihres Berufsschicksals an die Stelle der zunächst unvermeidlichen

Unterordnung zu treten hat), und wie psychologisch (nach der Art ihrer subjektiven Neigung zu den einzelnen Arbeitsstellungen, in die sie ein­

zurücken die Chancen haben).

Der wichtige Gesichtspunkt der Arbeitsfreude

(H. Herkner) und zum Beispiel auch die Würdigung der gelegentlich er­

örterten Frage, unter welchen Bedingungen die Bedienung der Maschine seitens des Arbeiters als ein Beherrschen derselben empfunden zu werden

vermöge, gehört hierher. Einflüsse in

der

Wie sich endlich fünftens das Ergebnis all dieser

psychophysischen

und

charakterologischen

Eigenart

Arbeiterschaft einer Industrie und in ihrem Lebensstil niederschlägt."

der

Die

hier von M. Weber angedeuteten Anpassungsvorgänge sollen außerdem be­ gründet werden durch eine Klarlegung der Vorgänge des „Einübens" be­ stimmter Leistungsfähigkeiten, welche die Industrie verlangt und damit der allgemeinen physischen und psychischen Voraussetzungen und Folgen,

welche die Einübung und Geübtheit hat. Es werden nun in Industriezweigen, die mit großem Maschinen­ apparat, der ständig Erneuerungen erfährt, für die eine eigene Maschinen­

industrie zum Zweck der Herstellung vereinfachter, arbeitsparender Maschinen arbeitet, psychophysische Untersuchungen kaum die Rolle spielen, wie etwa

in Industriezweigen, die nach Schilderungen Münsterbergs * den Höchstgrad

technischer und organisatorischer Leistung erreicht haben und denen durch

* Hugo Münsterberg, Psychologie und Wirtschaftsleben. angewandten Experimental-Psychologie.

Ein Beitrag zur

Leipzig 1912.

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Richard Watteroth.

10

die neue Anwendung psychotechnischer Mittel eine raffiniertere Ausnutzung der menschlichen Arbeitskraft zugute kommt.

und Wirtschaftsleben"

In seinem Buche „Psychologie

weist er auf die wissenschaftliche Betriebsleitung

nach dem Taylor-System und auf eigene Erfahrungen hin, die er an

Trambahnführern und Telephonistinnen gemacht hat, um zu zeigen, daß

„die Versuche der Theoretiker den rechten praktischen Kulturgewinn erst dann bringen, wenn sie von Fragestellungen ausgehen, die durch die Praxis

gegeben sind."

Nun sind in der schuhindustriellen Praxis Fragen, wie Ferienpause an der Tagesordnung, sie

Leistungsfähigkeit der Arbeiter,

werden aber nicht zu den individuellen psychophysischen Eigentümlichkeiten des Arbeiters, sondern zu den Organisationsverhältnissen der Industrie

in Beziehung gesetzt.

Psychologische Erwägungen wie sie Münsterberg und

Max Weber ins Feld führen, werden nur dann die Aufmerksamkeit des

Praktikers beanspruchen können, wenn

es sich um ganz hervorragende

Unterschiede in der Qualität des Arbeiters und um große Unterschiede

ihrer Leistungsfähigkeit handelt.

Doch überall dort, wo ganz von selbst die

Technik zum Inhalt ihrer Tätigkeit den Grundsatz macht, daß jeder gesunde

kräftige Mensch imstande ist, die Maschine zu bedienen, werden Erörterungen über Arbeitseignung, Arbeitsübung, Arbeitsgewöhnung nicht die Bedeutung einnehmen,

daß sie den Experimentalpsychologen auf den Plan rufen.

Einer, der sich zum Schuharbeiter eignet, würde sich wohl auch noch zum Metallarbeiter, zum Telegraphenarbeiter oder Elektrotechniker geeignet haben. Die Differenzierung der Arbeiterschaft in die verschiedensten Berufsschichten

ist wohl kaum

eine Frage besonderer Arbeitseignung auf Grund von

ethnischer, sozialer und psychischer Provenienz und Tradition, sie ist viel­ mehr

ein

Resultat

allgemeinster

Anpassungserscheinungen, denen jedes

normale Individuum im gewissen Alter, wo Lern- und Nachahmetrieb be­ sonders lebendig sind, unterworfen ist. Der sozialpolitische Beobachter muß daher die rein spekulative Form der M. Weberschen Synthese, in psychologischer

und charakterologischer

Eigenart der Arbeiterschaft einer Industrie Niederschläge psychologischer, organisatorischer und ökonomischer Einflüsse der industriellen Arbeit zu

suchen, ablehnen, wenn er einen Industriezweig untersucht, der kraft ört­

licher Konzentration, rationell durchgeführter Werkstattorganisation und

finanziell gesicherter Konstitution in der Lage ist, Jahr für Jahr einen ein­ geübten Arbeiterstamm festzuhalten.

Eine Psychophysik der schuhindustriellen

Arbeit zu geben, ist eigentlich nur der in psychologischer Ausdrucksweise erfahrene Maschinenfachmann imstande, dessen Arbeit ganz unbewußt durch

„die Theorie des kleinsten Muskels" geleitet wird; denn, um hier einen

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Die Erfurter Schuharbeiterschaft.

auf

Seite

96

seines

Werkes

ausgesprochenen

11

Satz

Münsterbergs

zu

modifizieren, kann keine Schuhmaschine den Kampf ums technische Dasein überleben, wenn sie dem Nerven- und Muskelsystem und den Möglichkeiten

der Wahrnehmung, der Aufmerksamkeit, des Gedächtnisses und des Willens geübter Individuen nicht in gewissem Maße angepaßt ist. industrielle Technik

hat sich

mit ihren

Die schuh­

ruhelosen Verbesserungen dieser

Forderung untergeordnet, und jegliche Veränderung, die es dem Schuh­ arbeiter möglich macht, die gleichen Leistungen mit geringerer Anstrengung oder größere und bessere Leistungen bei gleicher Anstrengung zu erzielen,

gilt als ökonomischer Gewinn, der auf dem Markte willkommen ist.

Psycho­

physische Erörterungen über Arbeitsübung, Ermüdung, Quantum, Quale und Konstanz der Leistungen des Schuhfabrikarbeiters müßten sich eingehend mit fachtechnischen Dingen befassen, sie würden bei der großen Mannig­

faltigkeit der in der Schuhindustrie

verwendeten Spezialmaschinen eine

Fülle von jahrelangen Massenbeobachtungen erfordern und in ihrem letzten Ergebnis weit von den theoretischen Zielen der Erhebungen des Vereins

abführen und nur ganz praktischen Zwecken dienen. Bei oberflächlichem Zusehen sind allerdings Schwankungen der Tages­

leistungen der Schuharbeiter im Verlauf der Woche wahrzunehmen wie aus einer kurzen Erörterung innerhalb der vorliegenden Untersuchung zu

ersehen ist. Jedoch konnte diese Beobachtung für das Ganze der Unter­ suchung im Sinne einer Max Weberschen Psychophysik der industriellen

nicht verwertet werden. Es waren vielmehr die allgemeinen Symptome der Qualifizierung und Differenzierung der Arbeiterschaft, durch

Arbeit

technische und organisatorische Vorgänge verursacht, die den Untersuchenden fesseln mußten. Nach dieser

Seite

hin

haben

denn auch die Untersuchungen

des

Vereins nach dem Urteil Herkners (Probleme der Arbeiterpsych.) reiche

Ergebnisse geliefert, indem sie die Unterschiede der großen Gruppen der

modernen Arbeiterschaft, der gelernten, ungelernten und angelernten Arbeiter erkennen ließen.

Der gelernte Arbeiter, der eine berufliche Vorbildung

genossen hat, ist nach der Charakteristik Herkners dem eigentlichen Berufs­ wechsel selten, aber desto häufiger dem Orts- und Stellenwechsel unter­

worfen.

„Er sieht im höheren Maße als der ungelernte oder angelernte

Arbeiter die Möglichkeit, eine Art Karriere zu machen.

bezüge bewegen sich zwischen 1500 und 2500 Mk.

und Töchter tritt zurück.

Seine Einkommens­

Fabrikarbeit der Frauen

Gelingt es dem gelernten Arbeiter nicht, selbst

emporzukommen, so sucht er doch mit allen Mitteln seine Kinder in eine

höhere oder von ihm wenigstens für höher gehaltene soziale Position zu

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Richard Watteroth.

12 bringen"

Herkner weist darauf hin, wie der gelernte Arbeiter durch

technische Neuerungen entbehrlich gemacht wird, wie seine Leistungsfähigkeit

in der Regel schon mit dem 40. Lebensjahre schwindet.

Die ungelernten

Arbeiter sind Tagelöhner, Handlanger und Hilfsarbeiter, während die an­

gelernten Arbeiter vermittelnd zwischen der Gruppe der gelernten und ungelernten Kräfte stehen.

Herkner macht auf zwei Gruppen von an­

gelernten Arbeitern aufmerksam:

1. „Leute, welche eine gewisse Handfertigkeit besitzen müssen, zu deren

Erlangung aber keine mehrjährige Lehrzeit, sondern nur eine mehrmonat­ liche Anlernungs- und Einübungszeit erforderlich ist. Sie können durch jahrelange einseitige Übung auf Grund des Akkordlohns Verdienste erzielen,

welche denjenigen der gelernten Arbeiter nur wenig nachstehen."

Ein

großer Teil der Arbeiter der Textilindustrie und der Metall- und Holz­ bereitung und zwar diejenigen, welche an Fräs-, Hobel-, Schleifmaschinen und Revolverdrehbänken beschäftigt sind, gehören nach dem Urteil Herkners hierher, und es ist, wie Verfasser gleich hinzufügen möchte, auch ein großer

Teil der Arbeiter der Schuhindustrie dieser Gruppe zuzurechnen.

Als

angelernte Arbeiter werden außerdem noch bezeichnet:

2. „Leute, bei denen weniger manuelle Geschicklichkeit als eine allgemeine Intelligenz, Anstelligkeit, Zuverlässigkeit erfordert wird, also gewisse Charakter­ eigenschaften, die nicht durch Übung, sondern vorzugsweise durch Geburt

und Erziehung erworben werden."

Es sind nur ganz vereinzelte Arbeiter­

gruppen, die unter diese Kategorie entfallen, zum Beispiel die Pfannenleute der Thomaswerke.

Doch sind die oben erwähnten Eigenschaften auch eben­

sogut einem Teile der Schuharbeiterschaft neben den Eigenschaften der ein­ seitigen Übung und Leistungsfähigkeit eigen, so daß innerhalb der Schuh-

arbeiterschaft nicht mit dieser Schärfe

zwei Gruppen

von

angelernten

Arbeitern unterschieden werden können, selbst wenn dies von der amtlichen

Berufsstatistik (N. F. 111, S. 41) in einer Weise versucht wird, die den

Fachmann wenig befriedigen dürfte.

Es wird von der B. St. geschieden

zwischen e 2- und e 3-Personen (gelernte Arbeiter oder auch solche mit

Berufslehre und ungelernte).

Zu den gelernten Arbeitskräften in der

Schuhmacherei werden gerechnet: Abputzer, Absatzbauer, Absatzfräser, Absatz­ schleifer, Ausputzer, Bodenbauer, Doppler, Fräser, Glaser, Klappeneinsetzer^

Kleber, Maschinenstepper, Modelleure, Randnäher, Schnellsohler, Schnitt-

* Probleme der Arbeiterpsychologie unter besonderer Rücksichtnahme auf Methode

und Ergebnisse der Vereinserhebungen.

Bericht von Professor Dr. Heinr. Herkner

in Schriften des Vereins für Sozialpolitik, 138. Band, S. 126 ff.

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Die Erfurter Schuharbeiterschaft.

13

fräser, Schnittpolierer, Schuhstepper, Handzwicker und Sohlennäher; zu

Äen ungelernten Arbeitern: Absatzkleber, Ausschläger, Einfasserin, Fertig-

macherin, Glaserin, Glätterin, Hefterin, Kantenbrenner, Maschinenzwicker, Nagler, Ösendrücker, Schärfer, Schuhmaschinenarbeiter, Maschinenzwicker,

Sohlenaufleger und Stanzer. Es ist auf Grund fachmännischer Erwägungen durchaus nicht ein­ zusehen, warum der Abputzer zu der gelernten Arbeiterkategorie, die Fertig­

macherin zu der ungelernten gerechnet wird, da es sich doch in beiden Fällen fast um dieselben Teilarbeiten handelt, nur daß sie mit anderen

Namen benannt sind, oder warum der Schnittbrenner als gelernter, dagegen der Kantenbrenner als ungelernter Arbeiter bezeichnet wird, wo es sich in

Wahrheit um ein und dieselbe Teilarbeit handelt.

Eine ähnliche Un­

gerechtigkeit begeht man, den Maschinenzwicker unter die ungelernten, den Handzwicker aber unter die gelernten Arbeiter zu zählen. Viele Handzwicker

sahen sich durch die Einführung der Zwickmaschine genötigt, ihre Hand­ tätigkeit durch die Maschinentätigkeit abzulösen. zur ungelernten Arbeüerkategorie degradiert?

Sind sie deswegen nun

Warum soll der Stanzer,

der als e 3-Person klassifiziert wird, in seiner tagtäglichen Beschäftigung, das Sohlenleder möglichst vorteilhaft auszustanzen, weniger Sach- und

Fachkenntnis besitzen als der Kleber oder der Klappeneinsetzer, die als c 2-Personen gezählt werden und im Vergleich zum Stanzer nur eine untergeordnete Tätigkeit zu verrichten haben?

den Schuhmaschinenarbeiter

allgemeinhin

Wie kommt es, daß man

als e 3-Person, die Doppler,

Absatzschleifer, Fräser usw., die doch auch Schuhmaschinenarbeiter sind, als c 2-Personen aufführt?

Wir sehen, daß die Aufstellung der Berufs­

und Betriebsstatistik unzulänglich ist, und eine reinliche Scheidung zwischen gelernten und ungelernten Arbeitern in der Schuhindustrie nicht so leicht

möglich ist.

Lassen sich also die Aufstellungen Herkners und die Normen

der amtlichen Berufsstatistik in bezug auf die Unterschiede von gelernten und ungelernten Arbeitern nicht ohne weiteres auf unser Beobachtungs­

gebiet anwenden, so darf man ebensowenig den Alfred Weberschen Versuch, eine Psychologie des angelernten Arbeiters zu geben, für unsere Verhältnisse

als unbedingt zutreffend bezeichnen. Pessimistisch sieht Alfred Weber im modernen angelernten Arbeiter

den Berufsspezialisten schlimmster Art.

Er läßt sich in seinem Urteile

von gefühlsmäßigen Wertungen, von gewissen

„natürlichen Instinkten",

den Instinkten einer Auswirkung der Lebenskraft, wie sie naturaliter einmal

vorhanden sind, der Parallelität zwischen Berufsschicksal und Lebensrhythmus

leiten.

Er führt aus, daß die Arbeit derart spezialisiert wird, daß sie

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14

Richard Watteroth.

ihre örtliche und sachliche Überall-Verwendbarkeit verliert. „Das Resultat,

das wir vor uns sehen, ist ein Klebe- und Verbrauchsschicksal schlimmster Art, gerade bei den angelernten Spezialarbeitern, die heute in so starkem

Maße gegenüber den gelernten sowohl wie ungelernten anwachsen. in meinen Augen.

Trostlos

Es ist festgestellt, daß die Leute aus den Bezirken

von München-Gladbach, Mannheim nicht herauskommen, dort immer wieder nicht nur an demselben Ort, sondern in demselben Betrieb hängen bleiben" Von vornherein ist es deutlich, daß A. Weber seine Argumente von

einem Gewerbe herleitet, das nicht so weit verbreitet ist wie die Schuh­ industrie.

Denn das Berufsschicksal eines Arbeiters, der in den breiten

Rahmen einer an vielen Orten für weitesten Markt mit weitverbreiteten Maschinentypen produzierenden Industrie wie der Schuhindustrie gestellt

ist, wird sich anders gestalten als das eines München-Gladbacher Spinners. Hieraus geht hervor, daß, wo immer derartige Erscheinungen einer Seß­ haftigkeit des Arbeiters auftreten, man diese nicht etwa vornehmlich im

psychologischen

Charakter

des

Arbeiters,

Organisation und Technik zu suchen hat.

liegenden

Untersuchung über

sondern

in

Vorgängen

von

So ist denn auch in der vor­

den Teilarbeiter in der Erfurter Schuh­

industrie mehr die ökonomische Problemgruppe der Erhebungen des Vereins

zu ihrem Recht gekommen.

Der Gesichtspunkt der Auslese und Anpassung

wurde dem Verfasser in ihrem allgemeinsten Sinne, im Sinne der Quali­

fizierung und

Differenzierung

der

Arbeiter

durch

die

Vorgänge

von

Organisation und Technik, maßgebend.

Die folgenden Erörterungen nehmen zunächst ihren Ausgang von den Resultaten der Berufs- und Betriebszählung, deren Frageformulare nach

dem Ausspruch Herkners eigentlich schon alles oder fast alles enthalten, um die Auslese, welche die Großindustrie auf dem Arbeitsmarkt vornimmt,

zur exakten Darstellung zu bringen.

Hieran reihen sich Erörterungen über

die Qualifizierung und Differenzierung der Erfurter Schuharbeiterschaft, die zu einer Beantwortung der Frage hinführen, welcher Art die Ausleseund Anpassungsvorgänge in unserem Beobachtungsgebiete sind.

Eine ver­

gleichende Zusammenstellung von Alters- und Lohnhöhe, sowie der Herkunft

und Abstammung der Arbeiter, die auf Grund einer Fragebogenerhebung

in einer Fabrik geschehen ist, ergänzt unsere Erfahrungen, und die Resultate einer Spezialrundfrage von zirka 70 Bogen mit 29 Fragen gewähren einen

* Verhandlungen des Vereins für Sozialpolitik in Nürnberg 1911, Probleme der Arbeiterpsychologie unter besonderer Rücksichtnahme auf Methode und Ergebnisse der Vereinserhebungen.

Schriften des Vereins für Sozialpolitik, 138. Band, S. 152.

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Die Erfurter Schuharbeiterschaft.

15

tieferen Blick in das Berufsschicksal des Erfurter Schuhfabrikarbeiters.

Den Abschluß bilden eine Anzahl von Arbeiterbiographien, die durch ihren persönlichen Charakter eine lebendige Anschauung vom Habitus der Erfurter

Schuharbeiterschaft vermitteln.

II.

Die Ergebnisse der Berufs- und Betriebs­ zählungen aus den Jahren 1882,1895,1907 als Orientierung über die wirtschaftliche Entwicklung und soziale Verschiebung in der Schuhindustrie. Die sozialen Gruppierungen, die sich im Laufe der wirtschaftlichen Entwicklung der Schuhindustrie seit den siebziger Jahren in Deutschland vollzogen haben, sind Symptome allgemeinster Anpassungsvorgänge und

werden in den Zahlen der Berufs- und Betriebszählungen von

1895 und 1907 deutlich.

1882,

Die Schuhmacherei weist in dieser Periode be­

merkenswerte Veränderungen auf, indem sich die Zahlen der Selbständigen

und Gehilfen, Allein-Meister, Klein- und Großhandwerker, Unternehmer, Beamte und Lohnarbeiter in ihrem gegenseitigen Größenverhältnis ver­ schoben haben.

Zunächst gilt es, die wirtschaftliche Formänderung in der

Schuhmacherei ins Auge zu fassen. Die Schuhmacherei ist nach der in Band 52, Neue Folge 111 der amtlichen Berufsstatistik gegebenen Übersicht ein Gewerbe, das den all­

gemeinen

städtischen

Berufsarten

angehört.

Sie nahm

innerhalb

städtischen Gewerbe als ältestes Zunftgewerbe den ersten Platz

der

mit ein,

so daß sie in mittelalterlicher Zeit noch mehr städtischen Charakter trug

als im 19. Jahrhundert, wo die Zugehörigen dieses Berufes gezwungen wurden, auch auf dem platten Lande ihre Nahrung zu suchen.

So konnte

Schöne im Jahre 1887 (Die moderne Entwicklung des Schuhmacher­ gewerbes, Halle 1887) auf Grund eines umfassenden Zahlenmaterials den

Satz aussprechen,

daß das Schuhmacherhandwerk zwar in den Städten

vertreten ist, sich aber gleichzeitig eine vermehrte Seßhaftigkeit der Schuh­ macher auf dem platten Lande bei gleichzeitiger landwirtschaftlicher Neben­ beschäftigung bemerken läßt.

Die Industrialisierung des Gewerbes begann

nun an den Orten, wo die Schranken der Zunftherrlichkeit durchbrochen

wurden

und

an Stelle der Kundenproduktion die marktmäßige Schuh­

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Richard Watteroth.

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macherei zu Sitz und Recht gelangte. So waren nach den Zusammen­ stellungen Schönes die Hauptsitze der Marktschuhmacherei in Sachsen: Groitzsch, Pegau, Siebenlehn, Radeburg, Pulsnitz und im Reich:

die

bayrische Pfalz, Rheinland, Baden, Hessen, Sachsen Koburg-Gotha, und

der Regierungsbezirk Erfurt, alles Orte und Gegenden, die sich nach der

Gewerbezählung von 1875 als Sitze der Schuhwarenindustrie erwiesen. 1875 zählte man im Deutschen Reich

in der Schuhbranche bereits fünf

Betriebe mit Dampfverwendung.

und

Mittelindustriellen

zeichnen sich

Westdeutschland

Periode

bereits

durch

größere

in der vor­

besonders

Schuhmachereibetriebe

größerer Gesellenzahl und geringerer Lehrlingszahl aus.

mit

Dieselben Orte

und Gegenden des Reichs weisen für den Zeitraum von 1875 bis 1882

nach den Zusammenstellungen Schönes ein Anwachsen der Gehilfen über mehr als fünf Personen auf.

Schöne läßt gerade die überwiegende Gesellenzahl als ein Charakte­ ristikum des handwerksmäßigen Großbetriebs erscheinen.

mäßige

da

sich

Großbetriebsinhaber

das

Halten

nicht vereinbaren

läßt.

hat

derselben

wenig

mit

der

Lust Art

Der handwerks­

Lehrlinge

seiner

heranzubilden,

Geschäftsführung

Und so sind nach Schöne gerade die

von der

Großschuhmacherei nicht berührten Distrikte und zugleich auch wirtschaftlich

ärmeren Gegenden Sitze der Kleinmeister, welche ein großes Kontingent

von Schuhmacherlehrlingen aufweisen.

Schöne zieht den Dresdener Kreis

und den Zwickauer Kreis zum Vergleich heran, um zu zeigen, daß der

Zwickauer Kreis an Handwerkernachwuchs mehr aufbringt als der Dresdener,

was seinen oben ausgesprochenen Satz bestätigt. „Die Jugend", so schildert Schöne, „wächst im Zwickauer Kreis unter herberen Entbehrungen heran und der Knabe entschließt sich leichter, ein Handwerk zu ergreifen, welches zwar keine goldenen Berge verheißt, aber die Aussicht eröffnet,

einstweilen

mit

geringeren Mitteln selbständig zu werden,

so wie im

fremden Lande das Glück versuchen zu können, während der anspruchs­ vollere Sohn wohlhabender Eltern aus reicheren Gegenden sich lieber anderen Berufen zuwendet." Ähnlich waren nun 1875 die Provinzen Preußen und Posen industriell wenig entwickelt, so daß auch auf sie die Schönesche Beobachtung zutrifft.

Sie sind die Gegenden, die zunächst den

jungen Schuhmacher heranbilden, der dann als Geselle sich dem westlichen Deutschland zuwendet.

„Je volkreicher, gewerbefleißiger oder wohlhabender

sodann die Provinzen werden, desto größer wird die Zahl der Gesellen, die einem Lehrling gegenüberstehen."

In Berlin kommt erst auf 6,4 Ge­

sellen ein Lehrling, in Baden auf 3,1, im Rheinland auf 2,3, Hessen-

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Die Erfurter Schuharbeiterschaft.

17

Nassau auf 2,4, Hannover auf 2,4 usw., Verhältnisse, wie sie ähnlich

auch in der sächsischen Großindustrie auftreten (Schöne S. 21 und 22). Durch die Entwicklung der Schuhindustrie mußte der Unterschied zwischen

Groß- und Kleinbetrieb sich verschärfen

und die soziale Distanz zwischen

dem Großbetriebsinhaber und dem Kleinmeister sich immer mehr erweitern. Das Handwerk wurde in den Hintergrund gedrängt.

Und so entwirft

die Schilderung Geißenbergers (Das Schuhmachergewerbe in Leipzig und Umgebung, Untersuchungen

des Vereins

für

Sozialpolitik

Bd.

133,

Leipzig 1895) ein Bild allerkleinster Verhältnisse, in denen die handwerks­

mäßige Form der Schuhmacherei steckt.

Die älteren Personen haben sich

vielleicht in einzelnen Fällen eine kleinbürgerliche Existenz geschaffen, die

jüngeren aber sind nur Ausbeutungsobjekte und stets auf dem Sprunge, Arbeitsplatz und Ort zu wechseln, um bessere Arbeitsgelegenheit zu suchen.

Schattierungen

Die

kleinhandwerkliche Produktionsform

auf:

Kundenproduktionen derjenigen, die eine einigermaßen befriedigende

weist

vielerlei

Existenz haben, hausindustrielle Arbeit derjenigen, die in allerengsten Ver­ hältnissen

leben

und

als Konfektionsarbeiter für Geschäfte, als Heim­

arbeiter der Marktschuhmacherei oder der Fabriken auf ein kümmerliches Existenzminimum

herabgedrückt

werden

(Geißenberger, S. 50 bis 71).

G. konnte 1895, also in dem Jahre der zweiten Berufs- und Betriebs­ zählung konstatieren, daß,

„wenn auch in Leipzig ein Rest relativ wohl­

situierter Handwerker vorhanden ist und einzelnen es noch gelingt, sich

ökonomisch emporzuarbeiten, die Zerreibung der großen Masse selbständiger

Berufsgenossen und deren zunehmende Verarmung sich nicht leugnen läßt" (S. 142).

Es ist die Großindustrie, die ein Stück um das andere dem

Produktionsgebiet des Schuhmachers entreißt und die unter den Gehilfen und Lehrlingen des Handwerks ein Rekrutierungsgebiet findet und somit

immer größeren Massen frühzeitig Verdienstchancen eröffnet und sie auf

der anderen

Seite der Notwendigkeit enthebt,

in einer Berufslehre bei

einem Handwerksmeister sich der handwerklichen Ausbildung eines Schuh­ machers zu unterziehen. Die Zahlen der Betriebsstatistik aus den Jahren 1882, 1895 und

1907 (N. F. 6 I 21, N. F. 113, 109, 213 I 20) vergleichend neben­ einander gestellt, veranschaulichen am besten den Verdrängungsprozeß des Handwerks, der für die Frage nach der Auslese und Anpassung der Schuh-

arbeiterschaft von grundlegender Bedeutung ist. Gerade in den achtziger Jahren,

also in der Periode der ersten

Zählung, ging durch die Einführung der Maschine in das Schuhgewerbe

die Umformung von der handwerksmäßigen zur mechanischen Produktions­ Schriften 153.

I.

2

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Richard Watteroth.

18

weise vor sich, was in der gewaltigen Zunahme der Großbetriebe und im

Rückgang

der Kleinbetriebe

zum Ausdruck kommen mußte.

Die Ver­

gleichbarkeit der drei Zählungen wird allerdings durch den Umstand, daß

die Zählungen von 1882 und 1895 die Filzschuhmacherei nicht in die

Schuhmacherei, sondern in die Hutmacherei eingegliedert haben, etwas getrübt. immer

die Filzschuhfabriken

Da

mehr dazu übergingen, auch leichtere

Lederschuhe zu produzieren, wurde in der Zählung von 1907 die Um­ gliederung derselben in die Abteilung der Schuhmacherei vorgenommen,

so daß für die Jahre 1882 und 1895 im Schuhmachergewerbe mehr Be­

triebe

anzunehmen

als

sind,

gewiesen werden können.

durch

die

entsprechenden Tabellen

nach­

Es gilt zunächst durch folgende Tabelle die Ent­

wicklung der gesamten Schuhmachereibetriebe zu veranschaulichen :

Entwicklung der Betriebe von 1882 bis 1907. Zahl der Betriebe

Art der Betriebe

Zu- (4-) oder Abnahme (—) ! von ! von von 1882- 1885 1895—1907 1882-1907

! 1882 , 1895 ! 1907

Alleinbetriebe . Gehilfenbetriebe Hauptbetriebe . Neben betriebe .

163182 169434 140090 > 6252 84597 67726 60272 -16871 247779 237160 200362 -10619 19915 24162 21633 4247

Hausgewerbliche Betriebe: a) Alleinbetriebe d) Gehilfenbetr. Hauptbetriebe insgesamt. . Nebenbetriebe .

11730 2550

16713 3632

14280 314

20345 1347

absolut! E i /0

absolut

absolut

3,8 19,9 4,3 21,3

-29344 - 7454 -36798 - 2529

17,3 11,0 15,5 10,5

Der prozentuale Anteil an den Betrieben ins­ gesamt betrug 1882,1895!1907

-23092 14,2 65,9 71,4 70,0 -24325 28,8 34,1! 28,6 30,0 -47417 19,1 100,0400,0 100,0 -t- 1718 8,6

! 42,5 13202 -l- 4983 - 351121,0 * 1472 12,5 180! 7,0 2370 * 1082 42,4 - 1262 34,7 ! 15572 6065 42,5 - 4773 23,5 * 1292 9,0 !23 1,7 1324 * 1033 429,0! 1010 321,6

7,2 3,0

9,9 5,4

5,8°

8,6

--- !--- !

Die Allein- und Gehilfenbetriebe sind in der Abnahme begriffen.

Den stärksten Rückgang erfuhren im Zeitraum von 1895 bis 1907 die Alleinbetriebe, nämlich um 17,3 o/o, die Gehilfenbetriebe im Zeitraum 1882 bis 1895, nämlich um 19,9 o/y.

Im Zeitraum von 1882 bis 1907 nahmen

die Hauptbetriebe um 19,1 o/y ab, die Gehilfenbetriebe nahmen um das Doppelte der Alleinbetriebe ab, nämlich um 28,8 o/o gegen 14,2 o/o.

ein allgemeiner Rückgang auf der ganzen Linie.

Also

Wenn nun auch die

Alleinbetriebe im Jahre 1882 bis 1895 sich um 3,8 o/o vermehrten, darf * Vgl. Die Schuhmacherei in Deutschland im Lichte der amtlichen Berufs- und Betriebszählungen von 1882 bis 1907, Tabelle 14.

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9,4 3,9 7,8 -----

Die Erfurter Schuharbeiterschaft.

19

man hieraus nicht den Schluß auf einen für die handwerksmäßige Schuh­ macherei günstigeren Zeitverlauf schließen.

Da die Gehilfenbetriebe zur

selben Zeit um 19,9 0/0 sich verminderten, kann von dem Erstarken der Da zudem die haus­

handwerksmäßigen Betriebsform keine Rede sein.

gewerblichen Alleinbeiriebe auch mit zu den Alleinbetrieben gezählt wurden und diese sich von 1882 bis 1895 um 4983 vermehrten, so ist für die

Allein-Selbständigen, wenn man die Zahl der Hausgewerbetreibenden ab­ zieht, nur eine wirkliche Zunahme von 1269 gleich 0,70/0 zu veranschlagen, der dann im Zeitraum 1895 bis 1907 eine endgültige Abnahme folgt.

Außerdem darf man sich nicht der Annahme hingeben, daß sich die Aufwärtsbewegung der hausgewerblichen Betriebe bis zum Jahre 1895 auf der

Grundlage der

handwerksmäßigen Schuhmacherei

in

vollzog

einer

Periode, wo das Handwerk zur Stagnation und zum schließlichen Rückgang gelangte.

Vielmehr boten bis 1895 die Schuhfabriken dem Hausgewerbe

auch noch eine Existenzmöglichkeit.

Der Unternehmer pflegte, solange man

noch nicht zur hochrationellen Ausnutzung der Arbeitsmaschinen und der

hierzu nötigen menschlichen Arbeitskraft gelangt war, verschiedene wichtige

Teilarbeiten wie: Schäftesteppen, Wenden, Absatzbauen, Ausputzen und dergl.

dem

billigeren Heimarbeiter zu übertragen.

Je mehr aber der

moderne Fabrikbetrieb sich durchsetzte, um so eher und in um so größerem Umfang mußte auch diese Betriebsform zurückweichen. Der Verdrängungs­

prozeß des Handwerks wird noch deutlicher bei einer Zusammenstellung

der Gehilfenbetriebe nach Größenklassen sowie nach der Zahl der darin beschäftigten Personen. Folgende Tabelle zeigt die Entwicklung der Gehilfen­ betriebe von 1882 bis 1907:

Betriebe mit . . . Personen

Zahl der Betriebe

1882 ! 1895

1907

81432 64216 56909 bis 5 2645 2485 1885 6-10 449 11-50 994 767 484 258 51 u. mehr 71

Der prozentuale Anteil an den Betrieben ins­ gesamt betrug

1882

1895I1907

Von je 100Personen entfielen auf die Betriebe nach ihrer Größe

Zahl der in den Betrieben tätigen Personen

1882

1895

1907

1882 1895 1907

96,3 94,8! 94,4 201850 158740 131936 3,7! 3,1 18260 17538 13390 3,1 8587 15467 22277 0,5 1,1 1,7 6878 27264 61913 0,1 0,4 0,8

85,7 7,7 3,7 2,9

72,5 57,5 8,0! 5,8 7,1! 9,7 12,4^ 27,0

Insgesamt 84597 67726^60272 100,0^100,0^100,0 235575 219009 229516 100,0 100,0^100,0

Die Entwicklung der Gehilfenbetriebe von 1882 bis 1907 führte zu einer Konzentrationsbewegung in der Schuhwarenproduktion

und zwar

kommt diese in den Ziffern der in den Betrieben beschäftigten Personen besser zum Ausdruck als in den Ziffern der Betriebszahlen; denn den hohen 2*

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Richard Watteroth.

20

Zahlen der Kleinbetriebe (Betriebe bis 5 und Betriebe von 6 bis 10 Personen)

entspricht keineswegs ihre wirtschaftliche Bedeutung.

Außerdem ist ihre

Zahl wie auch die Zahl der in ihnen beschäftigten Personen im Fallen begriffen: Von 99,4 o/o im Jahre 1882 auf 98,5 o/v im Jahre 1895 und zuletzt auf 97,5 0/0 im Jahre 1907 (Betriebe mit 5 und 6 bis 10 Personen

zusammengenommen); und die Personenzahl erfuhr einen Rückgang von insgesamt 93,4 im Jahre 1882 auf 80,50/0 im Jahre 1895 und dann

auf 63,30/0 im Jahre 1907 (Betriebe mit 5 und 6 bis 10 Personen zu­ sammen), wogegen die Zahl der Großbetriebe (Betriebe mit 11 bis 50 und

51 und mehr Personen zusammengerechnet) sowohl in der Zahl der Betriebe und noch deutlicher in der Personenzahl prozentualiter eine starke Auf­ wärtsbewegung zeigen. Der prozentuale Anteil der Großbetriebe betrug 1882: 0,6 0/0, 1895: 1,50/0, 1907: 2,50/0 der Betriebe und außerdem,

was den Anteil an der Personenzahl betrifft 1882: 6,6 o/v, 1895: 19,50/0 und 1907: 36,7 o/v. Vervollkommnet wird dieses Bild von der zunehmenden Industriali­

sierung des Schuhgewerbes und der wachsenden Agglomoration der Arbeiter in großindustriellen Unternehmungen durch einen Vergleich der Berufs­

zählungen von 1882, 1895 und 1907 (N. F. 2, S. 63; N. F. 102, 99; und 202, 102). Gruppet umfaßt die Eigentümer, Miteigentümer, Pächter, leitenden Beamten und sonstigen Betriebsleiter.

die in eigener Wohnung für

Die Gewerbetreibenden,

fremdes Geschäft arbeiten und von der

Statistik als a tr-Personen aufgeführt werden, wurden als Hausgewerbe­

treibende in unserer Tabelle der Gruppe v zugewiesen.

Gruppe B stellt

die zweite soziale Schichtung dar, indem sie das technisch gebildete Betriebs-

beamtenpersonal, Aufsichts- und kaufmännisch gebildetes Verwaltungspersonal umfaßt.

Als dritte soziale Schicht werden in der Berufsstaüstik sonstige

Gehilfen, Fabrik-, Lohn- und Tagearbeiter aufgefaßt. Gruppe 0 untergebracht.

Sie sind in der

Ein Vergleich der Berufszählungen von 1882,

1895 und 1907 gewährt folgendes Bild.

(Siehe Tabelle S. 21.)

In der Zusammensetzung der in der Schuhmacherei tätigen Personen

nach ihrer sozialen Stellung und nach dem Geschlecht haben sich, wie aus nachstehender Tabelle ersichtlich ist, starke Veränderungen vollzogen. Die

Zahl der Inhaber der Betriebe, bzw. der Unternehmer (^), hat sich seit dem Jahre 1882 um 21,50/0 vermindert. Da in dieser Gruppe die Allein- und Kleinbetriebe mitgezählt wurden, so ist dieser Rückgang nament­

lich auf das Konto der handwerklichen Klein- und Großunternehmer zu setzen.

erlitten.

Die Zahl der Lohnarbeiter (0) hat eigentümliche Veränderungen

Im ganzen sank ihre Zahl von 1882 bis 1907 um 7,3 o/v.

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21

Zu- ( -4) und Abnahme (—) in den Jahren 1882

1882- 1895

1907

1895

absolut

1895—1907

i

absolut^

°/o

1882—1907

1

absolut s

0/0

-32901 - 15,1 -49071 X /männl. 229661 213491 180590 -16170 7 340! - 13,1^ ^'Iweibl. 1694 2595 2255 561 901 25,4' Sa. 232256 215746 182284 -16510 -

7,1 -33462 - 15,5 -49972 -

0/0

21,3 34,6 21,5

/männl, /weibl.

702 30

2537 111

6202 * 1835 *261,3 * 3665 * 44,4 * 5500 * 783,4 890 * 81 *270,6 * 860 *2866,0 779^*701,8 *

Sa.

732

2648

4- 4444 >4-167,8 * 6360 * 869,9 7092 * 1916 4-261,7

18,3 /männl. 178534 152673 145714 -25881 - 14,4 - 6959 - 4,5 -32820 4938 11537 24279 * 6599 4^133,6! 4-12 742 110,4 *19341 * 144,4 ' Iweibl. Sa. 183472 164210 169993

-19262!- 10,4

* 5783

3,5 -13479 -

7,3

/männl. /weibl.

11905 957

18276 1306

10775 4- 6371^ 55,5 - 7501 - 41,5 - 1130 5,4 2668 434936,4 * 1362 *104,3 - 1711 * 262,5

Sa.

12862

19582

13443 4- 6720 4- 52,2^ - 6139 - 31,3 *

581 !*

4,2

Während nun aber die männlichen Personen von Zählung zu Zählung

abnahmen (1882 bis 1895 : 14,4 o/o, 1895 bis 1907 : 4,5 o/o), wurde die

Zahl der weiblichen Arbeitskräfte um 133,6 o/o von 1882 bis 1895 und um 110,4 0/o von 1895 bis 1907 vermehrt.

Die Zahl der Hausgewerbe­

treibenden hat sich um ein geringes vermehrt. Halten wir daneben das starke Anwachsen der männlichen und weiblichen Glieder der Beamten­ gruppe (L), nämlich 1882 bis 1907 die Männer um 783,4 0/0 und die Frauen um 2866,0 0/0, so haben wir drei Charakteristika der Industriali­ sierung im Schuhgewerbe: Verminderung der Zahl männlicher Arbeitskräfte,

steigende Verwendung der weiblichen Personen, stark wachsende Zahl des Beamten- und Aufsichtspersonals.

Die Ausbreitung des Fabrikwesens wird außerdem noch deutlich in den Tabellen der Betriebsstatistik,

welche

die Zahl der Betriebe

mit

Motoren ausführen und die für unseren Zeitraum von 1882 bis 1907 verglichen

werden

Betriebe in Frage.

mögen.

Die

Die

Dampfkraft

Elektrizität

kommt

hingegen

steht

nur

für

größere

vornehmlich

im

Dienste der Mittelbetriebe und ist deswegen ein bemerkenswerter Faktor.

Die Dampfkraft

hat 1882

wendung gefunden, das

in

15

und

1907

in 318 Betrieben An­

heißt das 21,2 fache der Betriebe des Jahres

1882, während die Elektrizität im Jahre 1895 in 9 und 1907 in 841 Be­

trieben Eingang fand, das heißt eine Steigerung um das 93 fache.

Die

folgende Tabelle weist auf den Unterschied der Verwendung der elektrischen

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22

Kraft im Mittelbetrieb und der Verwendung der Dampfkraft im Groß­

betrieb hin und dient lediglich zur Erläuterung des oben ausgesprochenen Gedankens von der Bedeutung der Dampf- und Elektrizitätskraft für Großund Mittelbetriebe. Da die amtliche Statistik bei dieser Übersicht nicht

die Teilbetriebe, sondern die Gesamtbetriebe als Betriebseinheiten zugrunde

gelegt hat, decken sich die hier aufgereihten Zahlen nicht genau mit den in der Tabelle über Entwicklung der Gehilfenbetriebe für 1907 aufgeführten Zahlen der Betriebe und der darin beschäftigten Personen

Die motorische Kraftleistung im Verhältnis zu den Gehilfen­ betrieben insgesamt. Zahl der Gehilfenbetriebe insgesamt

bis 5 6-10 11—50 über 50 Summa

Betrieb,skräfte

Darin tätige Personen

in Ki lowatt

in Pferdestärken absolut '

"uf^O Personen

absolut

auf je 100 Personen

0,1 1,9 9,3 19,0

604 540 1966 2376

0,4 3,5 8,8 3,7

56 841 2 052 996 476

137 15 22 63

945 550 350 805

170 302 2 073 12 100

60 365

239 650

14 645

6,1

I

5486

! !

2,3

Die Kleinbetriebe (mit bis 5 und 6 bis 10 Personen) weisen zu­

sammen auf 100 Personen nur 2 Pferdestärken und 3,9 Kilowatt auf:

den Mittelbetrieben kommt die leichtere Nutzbarmachung der elektrisch be­ triebenen Motoren zustatten und ihre Kraftleistung beträgt 8,8 Kilowatt auf je 100 der in ihnen tätigen Personen. der elektrische Kraftverbrauch stark zurück.

Bei den Großbetrieben tritt

Er beträgt hier nur 3,7 Kilowatt

auf je 100 Personen, dagegen steigt die durch Dampf bewirkte Kraft­

leistung zu der Höhe von 19,0

auf je 100 Personen.

Somit bleibt auf Grund aller angeführten Zahlen die eine Tatsache

als besonders bemerkenswert bestehen, daß mit der Entwicklung der Schuh­

industrie das Handwerk immermehr in den Hintergrund gedrängt wird. Auf diese Weise entspringen für die Gesamtheit der Arbeiterschaft im

Laufe des letzten Dezenniums gewisse soziale Veränderungen, was nichts deutlicher lehrt als eine Übersicht über Alter und Familienstand in den Jahren 1895 und 1907 auf Grund der Zahlen der Berufszählung.

Da

die Zählung von 1882 nicht die in den beiden letzten Zählungen angewandte

Altersgruppierung aufweist und Ledige und Geschiedene in eine Gruppe, i I. e. Tabelle 6.

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23

Verheiratete und Verwitwete in die andere Gruppe zusammenfaßt, während

in den Zählungen von 1895 und 1907 Geschiedene und Verwitwete un­ getrennt mit der Gruppe der Verheirateten sich vereinigt finden, wurde

die 1882 er Zählung nicht zum Vergleich herangezogen.

Es handelt sich

hier um die Angaben des Alters- und Familienstandes der Gehilfen und

Arbeiter, das heißt der Gruppe 0.

Sie geben folgendes Bild: weibliche Personen

Männliche Personen

Verheiratet

Ledig

Anzahl

°/o

Anzahl

o/o

Verheiratet

Ledig

Anzahl !

o/o

Sa.

o/o

Pro­ zent zu dec Ge­ samt­ zahl

!

im Jahre 1907: Lis unt. 16 Jahren v. 16-18 „ 18—20 „ 20-25 „ 25—30 „ 30-40 „ 40—50 „ 50—60 „ 60-70 „ 70 u. darüber Unbekannt

! Anzahl

Anzahl männl, und weibl. Per­ sonen

__

_—

17173 100,0 17 696 100,0 15 610 99,3 23 398 92,3 12 128 57,3 7 257 30,0 3178 22,7 1669 24,8 586 20,9 19H 19,2 —

__ 7 — 106 0,7 1945 7,7 9 002 42,7 16 948 70,0 10 802 77,3 5 058 75,2 2 212 79,1 812,80,8 1!! —

2 962 100,0 3 454 99,8,! 3 771 98,3!!! 4 061 81,2 1233 45,4 849 24,3 291 16,4 89 12,8 37 13,6 14 ! 20,9 — —

7 67 940 1480 2643 1484 608 236 53

98 835

46 893 32,2

16 761

7518 31,0 170 007 100,0

67,8

69,0

0,2 1,7 18,8 54,6 75,7 83,6 87,2 86,4 79,1 —

20 180 21 164 19 554 30 284 23 843 27 697 15 755 7 424 3 071 1072 8

11,9 12,4 11,5 17,7 15,2 16,3 9,3 4,4 1,8 0,6 —

im Jahre 1895:

bis unt. 16 Jahren v. 16-18 „ 18-20 „ 20—25 „ 25-30 „ 30-40 , 40-50 „ 50—60 „ 60-70 „ 70 u. darüber



21 087 1100,0 i 23 699 100,0 21083 99,8 46 762

9 39

86,8

7 774 2 741 1 124 412 150

— — 0,2

7 557 13,2

3 418

57,8 65,5 66,5 73,3 76,6

352 109 38 14 8

27 061 17,9

9 005

42,2 34,5 33,5 26,7! 23,4

10 409 5 200 2 222 1134 491

82,1

Sa.

124 832

1907....................... Zu-(-^) oder Ab­ nahme (—). . in Prozenten . .

98 835

46 893

16 761

- 25 997 -20,8

-l- 19 832 -l-73,2

-^7 756 -^86,1



— — 1,3

22 447 25 507 23 057

13,7 15,6 14,2

81,6

766 18,4

58 503

35,9

38,1 26,9 ! 15,8 i 17,9 22,8

571 61,9 295 73,1 201! 84,2 64 >82,1 27177,2

19106 8 345 3 585 1624 676

11,7 5,2 2,3 0,9 0,5

1360 100,0 1797 100,0 ! 1909 98,7 !

82,1

2 26

1952 17,9 162 850 100,0 7518

5566 >285,1^

!

Im ganzen genommen

sehen wir im Jahre 1907

einen Rückgang

der ledigen männlichen Personen um 20,8 o/o, dagegen eine Zunahme der verheirateten männlichen um 73,2 o/o und der ledigen weiblichen um 86,1 o/o

und der verheirateten weiblichen um 285,1 o/o des Standes von 1895.

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24

Bei der Verteilung der Personen auf die Altersklassen ergibt sich,

daß seit 1895 eine Verschiebung

und Arbeiter von den

der Gehilfen

niederen zu den höheren Altersklassen stattgefunden hat.

Die Zahl der

Personen, die in einem Alter bis unter 20 Jahren stehen, hat absolut wie prozentual abgenommen (1895 : 13,7 o/o, 15,6 o/o, 14,2 o/o, während 1907 :11,90/o, 12,40/0,11,50/0 der Gesamtzahl aller beschäftigten Personen), während andererseits die den höheren Altersklassen angehörenden Personen sich

vermehrt

haben

(vgl. hierzu

20 Jahren von 1895 und 1907).

die Zahlen der Personen

mit

über

Diese Tatsache findet ihre Erklärung

in dem fortlaufenden Rückgang der handwerksmäßigen Schuhmacherei und dem Aufschwung der mechanischen Schuhindustrie, der besonders seit 1895 Die geringere Zahl der jugendlichen Arbeiter ist lediglich

kräftig einsetzte.

auf die verminderte Zahl von Lehrlingen zurückzuführen.

Unter der Vor­

herrschaft des Handwerks mit seinem weitverbreiteten Kost- und Logiswesen beim Arbeitgeber rekrutierten sich die Gehilfen hauptsächlich aus jüngeren

Leuten.

Wenn für diese bei vorgerückterem Alter die Eheschließung in

Frage kam, so war das gleichbedeutend mit ihrem Ausscheiden aus dem

Das Handwerk gewährte ver­

Gehilfenstande; sie wurden „selbständig".

heirateten Gehilfen nur in einem ganz beschränkten Umfang eine Existenz­ Anders liegt es bei der Schuhindustrie.

möglichkeit.

Diese gewährt auch

den Arbeitern die Möglichkeit, einen Hausstand führen zu können, und

ist bis zu einem gewissen Grade auf einen Stand älterer seßhafter Leute angewiesen.

Es ist deshalb auch erklärlich und entspricht der wirtschaft­

lichen Entwicklung, wenn seit 1895 eine Vermehrung der Arbeiterehen

festgestellt werden kann. Die Zahl der verheirateten Arbeiter hat sich um 19832 vermehrt.

Es entfielen 1895 auf je 100 männliche Personen: 17,9 verheiratete und

82,1 ledige; dagegen 1907 32,2 verheiratete und 67,8 ledige.

Es kann

wohl mit aller Vorsicht daraus der Schluß gezogen werden, daß neben den bereits erwähnten Ursachen auch eine stärkere Neigung zur Eingehung

der Ehe von Einfluß auf die gestiegenen Ziffern der verheirateten Männer

gewesen ist.

Zum Teil mag in dieser Erscheinung eine erfolgte Besserung

der sozialen Lage zum Ausdruck kommen.

Das

Zahlenverhältnis

der

ledigen

den

zu

verheirateten

weist eine große Vermehrung der verheirateten Frauen auf.

Frauen

Es entfielen

1895 auf je 100 weibliche Personen: 17,9 verheiratete und 82,1 ledige,

dagegen 1907:

31,0 verheiratete und 69,0 ledige.

Anteilnahme der

die

vermehrte

verheirateten

Zahl

der

Frauen

an

Eheschließungen

dem

bei

Die immer größere

Erwerb

den

beweist,

Männern

daß

nicht in

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Die Erfurter Schuharbeiterschaft.

allen

Fällen

auf

eine

25

bessere Gestaltung der Lebenslage

zurückgeführt

werden kann. So weit der Gesamtverlauf der schuhindustriellen Entwicklung und der sozialen Veränderungen der im deutschen Schuhgewerbe Tätigen aus

den Zahlen der Berufs- und Betriebszählungen nachzuweisen ist, ergibt sich

uns

für

ein

Rückgang

bemerkbarer

des

Handwerks,

starke Ver­

mehrung der industriellen Kräfte, überraschende Zunahme der weiblichen Arbeitspersonen, verstärkte Zahl der Eheschließungen, alles Symptome, die auch in einem Teil der Schuhindustrie, in Erfurt, in Erscheinung

treten.

erst 1907 in der Reihe der Großstädte erscheint,

Da Erfurt

können für diese Stadt nur die Zahlen der letzten Berufs- und Betriebs­

zählungen

zusammengestellt

werden.

Die Erfurter Schuhmacherei steht

mit 285 Betrieben und 4179 in der Schuhmacherei beschäftigten Personen mit an erster Stelle der in Erfurt hauptsächlich vertretenen Gewerbe.

Eine

Zusammenstellung der Gewerbe mit über 1000 Berufszugehörigen möge dies veranschaulichen: davon Schuhmacherei

....

Baugewerbe....................................

Industrie

der

Maschinen,

der

Nahrungs-

4179

285

4286

359

4982

116

2270

439

In­

strumente, Apparate..................

Industrie

1141 Betriebe

7323 Personen

Bekleidungsgewerbe...........................

und

Genußmittel................................

Kunst- und Handelsgärtnerei.

.

1656

76

Polygraphische Gewerbe ....

1024

50

1021

191

Industrie der Holz- und Schnitzstoffe

..............................................

Eine Zusammenstellung der Zahlen der in Gehilfenbetrieben tätigen

Personen vermittelt uns eine Anschauung von der überwiegenden Zahl der Fabrikarbeiterschaft in Erfurt gegenüber der Zahl der im Handwerk

beschäftigten Personen: Die in den Betrieben beschäftigte Personenzahl

Alleinbetriebe Betriebe mit

2— 3 Personen 4— 5 6— 10 11— 50 51— 200 201-1000 über 1000

Zahl der Betriebe

174 61 14 10 4 o

4 1

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26

Innerhalb der Betriebsstätten waren beschäftigt: Überhaupt....................................................................................... 4169 Personen Höchstzahl........................................................................................4179



Weibliche Arbeiter................................................................

288

.................................

330



Arbeiter unter 16 Jahren...................................................

442



Verheiratete Arbeiterinnen .

.

.

Nehmen wir die Zahl der in den Betrieben bis zu 10 Personen

Beschäftigten als die Zahl der vornehmlich handwerklich Tätigen und ver­ anschlagen sie auf 519 Personen, so erhalten wir 3650 als die Zahl der Schuhfabrikarbeiter Erfurts im Jahre 1907, das heißt das nahezu 7 fache

der Zahl der Handwerker, woraus vollkommen ersichtlich wird, daß das

Erfurter Handwerk in den letzten Jahren nicht mehr als das Rekrutierungs­ gebiet der Erfurter Schuhfabriken in Frage kommen kann.

Die Zusammenstellung der im Regierungsbezirk Erfurt und in der

Provinz Sachsen in der Schuhmacherei tätigen Personen ergibt, geordnet

Gesamtzahl..................................... Davon weibl. Arbeitskräfte Davon hatten Nebenberuf . und zwar in der Land­ wirtschaft

1764 283 4807 j 6854 777 21 65 691 899 228 1133 6 ! .................. 201 > 981 778 2

10 407 153 4 923 ! 3 787 i

S um m a

G ehilfen

Beamte

inhaber

II. Provinz Sachsen

B e trie b s ­

Sum m a

G ehilfen

's 'L rr

Beam t

I. Reg.°Bez. Er

Z-

nach sozialer Stellung und Geschlecht, folgende Zahlen:

777 84 18

15 532 ! 26 716 3 791 4 028 281 5 922

7

846 1 4 640

Wir sehen: 4179 der in der Schuhmacherei Beschäftigten sind in Erfurt, 6854 im Regierungsbezirk Erfurt und 26716 in der Provinz Sachsen tätig.

Hält man daneben die Tatsache, daß mindestens ein Fünftel der in länd­

lichen Bezirken Beschäftigten durch Nebenbeschäftigung, hauptsächlich in der

Landwirtschaft, eine Existenz auf dem Lande findet, wodurch sie auf dem Lande seßhaft werden, und wenn man daneben die von Schöne kon­ statierte Tatsache der zunehmenden Seßhaftigkeit des Handwerks auf dem

Lande berücksichtigt, so wird man damit rechnen müssen, daß das Land um Erfurt in gewissem Maße als ein Abflußgebiet für die stadtmüden Schuh­ macher, wie auch andererseits als Herkunftsgebiet für die jüngeren Elemente

gelten kann. Die folgende Tabelle soll die für die Erfurter Schuhindustrie haupt­

sächlich in Frage kommenden Rekrutierungsgebiete darstellen, zu welchem

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Die Erfurter Schuharbeiterschaft.

27

Zweck die Tabelle über Hauptberuf und Gebürtigkeit herangezogen ist.

Leider ist die Erfurter Schuhmacherei in dieser Tabelle aus der Gruppe

Da jedoch die Schuhmacherei an

des Bekleidungsgewerbes nicht ausgelöst.

ihr mit 4179^ 59,4 o/o der Gesamtzahl der in der Bekleidungsindustrie

beschäftigten Personen (7030) beteiligt ist, so können die folgenden Zahlen auch als Illustrierung für die Gebürtigkeitsverhältnisse der Schuhmacher

geltend gemacht werden, zumal sie ein ähnliches Bild geben, wie die Zahlen, die die gesamten in Erfurts Industrie, einschließlich Bergbau, beschäftigten Personen nachweisen.

Um die hauptsächlichsten Herkunftsgebiete der in der

herauszuschälen, wurden für

Bekleidungsindustrie Beschäftigten Erfurts

Erfurt die Herkunftsgebiete mit Zahlen von 50 an aufwärts und für die

N / Sa. 1 weibl.

212 66

301 68

384 110

129 24

305 88

73 21

13 1

14 4

6 3

35 4

14 3

/ Sa. 1 weibl.

2 714 1685

2 647 1 108

3 881 2 261

1480 532

4 014 2 256

883 376

52 12

39 11

30 10

77 21

56 26

Sa. weibl.

3 308 1944

3 722 1400

4 907 2 671

2123 673

5 077 2 641

1158 472

97 18

72 20

50 16

124 27

91 34

Sa. weibl.

28 471 15 541

995 345

507 231

In 0^

Lande

Auf

In

Nassau

21 5

Hessen-

22 2

Sachsen

H annover 14 3

Königreich

B randenburg 19 5

S taaten

32 5

P ro vin z

202 75

Sachsen

758 297

dem

514 117

der

642 300

S ta d t

774 224

der Z ä h l ­ gemeinde

382 193

A uß erhalb

. / Sa. Irveibl.

der Z ä h lgemeinde

Schlesien

8 thüringische

Gesamtindustrie Erfurts von 500 an aufwärts angeführt:

Erfurt zählte in der Industrie, einschließlich Bergbau:

22 777 9 640

39 765 20 499

11 48311381011 7896 11590 4 682 19 339 3879 157

In der Erfurter Bekleidungsindustrie sind 1944 weibliche Personen

58,8 o/o der in der Zählgemeinde Geborenen vertreten, während 37,8 o/o

außerhalb der Zählgemeinde geboren sind; in der Stadt sind 54,4 o/o, auf dem Lande dagegen 31,7 o/o geboren.

Der Umstand, daß die Erfurter

Konfektionsindustrie, ein ausgesprochenes städtisches Frauengewerbe, mit einem

beträchtlichen

kleidungsindustrie

Stamm

zählt,

von

Arbeiterinnen

verursacht den

großen

(2047)

zu

Anteil des

der

Be­

weiblichen

Elements an den in der Stadt und in der Zählgemeinde geborenen Per­ sonen.

Das männliche Element erscheint hiernach als

das vorwiegende

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Richard Watteroth.

28 Zuzugselement, das thüringischen

den

acht

Staaten und dem Königreich Sachsen, die gleichfalls

für

vornehmlich

aus

der Provinz

Sachsen,

die anderen Industriezweige die wichtigsten Rekrutierungsgebiete darstellen,

entstammt.

Das Schuhgewerbe ist mit 59,4 o/o aller Zugehörigen

an

diesen Zahlen mehr oder weniger beteiligt, aber es ist, was die weib­ lichen Arbeitskräfte

anlangt, schwer zu entscheiden, ob unter den Ar­

beiterinnen des Schuhgewerbes auch ein so hoher Prozentsatz der in der Zählgemeinde oder in der Stadt geborenen aufzuweisen ist wie für die

Gesamtheit der weiblichen Arbeiter der Bekleidungsindustrie.

Jedenfalls ist die hohe Zahl der erwerbstätigen Frauen von Einfluß auf den hohen Prozentsatz der in Arbeiterkreisen geschlossenen Ehen. Zahlenmäßig

läßt sich das soeben Gesagte illustrieren durch eine Tabelle über Hauptberuf,

Alter und Familienstand der in der Bekleidungsindustrie Beschäftigten. In dieser Tabelle ist zunächst die bekannte Teilung in die drei sozialen Schichten,

Betriebsinhaber,

Beamte,

Gehilfen vorgenommen.

Wollen wir sodann

auf Grund dieser Zahlen genau den Stand der ledigen und verheirateten Arbeiter (Gruppe 0), der Männer sowohl wie der Frauen, ermitteln, so müssen wir von der Zahl der in dieser Gruppe erwerbstätigen Personen

überhaupt alle diejenigen absondern, für die wegen ihres jugendlichen Alters

die

Möglichkeit

einer

nicht

Ehe

besteht.

Wir

bestimmen

die

Heiratsmöglichkeit nicht nur auf Grund der Geschlechtsverhältnisse, sondern

auch auf Grund der gegenwärtigen sozialen Verhältnisse und nehmen als Beginn des heiratsfähigen Alters bei den Männern das 20. und bei den Frauen

das 18. Lebensjahr an.

Allerdings finden, wie aus der all­

gemeinen Tabelle über Alter und Familienstand (S. 23) ersichtlich, schon vor diesem Jahre Eheschließungen statt, jedoch in geringer Zahl, so daß diese Fälle als Ausnahmen angesehen werden können. Die jüngeren Altersklassen

(vgl. die folgende Tabelle der in der Erfurter Bekleidungsindustrie beschäftigten

Personen nach Alter, Familienstand und sozialer Lage) ergeben: a) jugend­ liche Arbeiter bis zum 20. Lebensjahre 54 Personen; d) jugendliche Ar­ beiterinnen bis zum 18. Lebensjahre 779 Personen der Gruppe 0, so daß auf

die

heiratsfähigen

ledigen Erwerbstätigen

und 1476 Frauen zu rechnen sind.

überhaupt - 496 Männer

In der nachstehenden Tabelle ist

nur die Zahl der weiblichen Personen genannt, die aus der Summe aller

Personen besonders ausgelöst wurden. Eine Rechenoperation folgender Art ist nötig: Wir wollen die heiratsfähigen ledigen Männer zahlenmäßig

annähernd erfassen.

Zu diesem Zwecke müssen wir in Gruppe II die

Zahl der ledigen Männer insgesamt feststellen.

Sie beträgt, wenn man

von der Zahl der Ledigen (-^3505) 2255 ledige weibliche Personen ab­

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Die Erfurter Schuharbeiterschaft.

zieht

1250.

Die jugendlichen Arbeiter bis zum 20. Lebensjahr werden

ebenso durch Subtraktion ausgelöst.

über 14 Jahre, von 14—16,

— 754;

29

496

1250 — 754

Die einzelnen Zahlen der Arbeiter

18—20 ergeben die Summe

16—18,

heiratsfähige ledige Erwerbs­

tätige. — Auf die erwerbstätigen Männer entfallen: 1276 verheiratete

und 59 verwitwete und geschiedene Männer, auf die erwerbstätigen Frauen:

343 verheiratete und 206 verwitwete und geschiedene, d. h. wenn man verheiratete, geschiedene und verwitwete Personen zusammengenommen in

Verhältnis zu den ledigen setzt, auf 100 verheiratete Männer kommen

37,2 ledige und

auf 100 verheiratete Frauen kommen 268,8 ledige in

Sa. __ __ Iweibl. — —

I

! i 5: 27! 5

27^

43^ 52 14 4 19! 23

6

1 —

s Sa. 34527 752646 1088 676 822478,265 Irveibl. 16,278 485 426 711 295 298 176> 81

88 33

13 5

/

102 75 38 22

104 22

Sa. 40,541 D00 725 1251^867 123o!858,5O7 211> 51

Asweibl.

16^509 476 801^375 433^274^35 48^

9

1170 418

522 136

293 249

u.

I.

734 143 1084 68 101 564

303 213 125 8

6 3

295 141!

249 241

7081,4101 2566 414 3755! 2391

3358 2629^ 419 310 1898^2341

Auf Grund desselben Verfahrens wollen wir auch für die Gruppen und Ledigen feststellen und erhalten folgende Ziffern:

L

0

auf 100 verh. Männer kommen ledige 41,3

160,5

37,2

144,9

927,3

268,8

auf 100 verh. Frauen kommen ledige

(mit Ausschluß derer unter 18 I.)

821 799

5389 3505 1619, 265 2376 1321 28042255 343 206 193 1301

und L (Betriebsinhaber und Beamten) die Verhältnisse der Verheirateten

(mit Ausschluß derer unter 20 I.)

darüber

I. 14

8

14

«

u n te r

i

geschieden

Z

verwitwet

III. Angehörige

verheiratet

I.

u. darüber

61 116 304 304 199 117 37 4 52 58 113 91 53 15

76 ! 43 7! 1 !

l Sa. 6 Iweibl. —

II. Erwerbstätige

I. 70

6 0 -7 0

I. ! Z

5 0 -6 0

I. 3 0 — 40 I . 30

I o 04

25

1 8 -2 0 J .

1 6 -1 8

I. I. 14 — 16

!ü b . 14

I.!

der Gruppe 0 der Erfurter Bekleidungsindustrie.

Die Prozentziffern der ledigen Männer in Gruppe 0 ist am niedrigsten. Der hohe Prozentsatz der ledigen Frauen der dritten Gruppe und die zunehmende Verwendung der weiblichen Arbeitskraft in den Schuhfabriken

erleichtert, ja beschleunigt sogar die Eheschließung und Gründung eines

proletarischen Hausstandes.

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Richard Watteroth.

30

Die Zahl der Angehörigen ist auf die drei Gruppen verschieden verteilt.

Auf 100 verheiratete Personen (verwitwete und geschiedene mit eingerechnet) kommen in Gruppet: 215 Angehörige, in Gruppe L: 247,4 und inO:

196,2.

Ob in dem niedrigen Prozentsatz der Gruppe 0 ein Symptom von

sozialer Bedeutung zu suchen ist oder ob es sich nur um eine statistische Zufalls­

erscheinung handelt, kann nicht entschieden werden.

Sicherlich aber drängt

die Natur des proletarischen Hausstandes dazu, daß die Kinder frühzeitig

selbständig werden und sich von den Eltern trennen, so daß die zwei anderen Gruppen mehr Angehörige aufzuweisen haben als die Gruppe 0.

Das berufliche Schicksal des Arbeiters ist in den gröbsten Umrissen durch die vorliegenden Ergebnisse der Berufs- und Betriebszählungen und

die Schilderungen

gedeutet.

Der

der

Schule hervorgegangen.

brachte

Gewerbeverhältnisse in

wohl noch

ältere Arbeiter ist

der Handwerkerzeit aus

der

an­

handwerklichen

Die Industrialisierung des Schuhgewerbes aber

es mit sich, daß die Schuhfabrik sich von der Kunst der hand­

arbeitenden Elemente emanzipierte.

Das

schnelle Tempo,

dem

mit

die Industrialisierung des Schuh­

gewerbes vonstatten ging, drängte das Handwerk völlig in den Hinter­ Und heute, wo das Kräfteverhältnis zwischen Fabrik und Hand­

grund.

werk sich völlig zuungunsten mehr

in

so

hohem

Maße

des wie

letzteren verschoben hat, kommen nicht

früher

die Handwerkerkreise

krutierungsgebiete für die Fabrik in Betracht.

als

Re­

Der Arbeitsmarkt für die

Erfurter Schuhfabriken erstreckt sich auf den Landkreis Erfurt und die

Provinz Sachsen hauptsächlich.

Des weiteren konnten wir konstatieren,

wie die Frau ihren Einzug in die Fabrik hält und durch sie die teuren

männlichen Arbeitskräfte entbehrlich gemacht werden. Wie sich nun im besonderen

die Erfurter Schuhindustrie entwickelt

hat und welche Stellung die Arbeiterschaft im Rahmen dieser Entwicklung

nahm, sei im folgenden Kapitel des näheren erörtert.

III.

Die Erfurter Schuhindustrie. Industrie und Arbeiterschaft. Die Erfurter Schuhindustrie * ist in ihren ersten Anfängen- auf die

Gründungen der Schuhmacher Brauer, Gottschalk und des französischen * Vgl. Karl Rehe, Die Deutsche Schuhgroßindustrie, Jena 1908, Kapitel IV: Die Entwicklung der Schuhgroßindustrie in Erfurt, S. 13 ff.

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Die Erfurter Schuharbeiterschaft.

31

Im Jahre 1805

Emigranten Söller im Jahre 1795 zurückzuführen.

verfügten sie bereits über ein Unternehmen, in welchem 213 Personen

beschäftigt waren.

Neben ihnen wird noch ein zweites Unternehmen eines

französischen Emigranten, namens Dubreil, genannt.

der napoleonischen

die

Gewerbepolitik,

nach

Unter dem Einfluß

der

1807

„Prinzipauto

Erfort" die Gewerbefreiheit brachte, konnten sich die ersten Ansätze der Erfurter Schuhindustrie, die in jener Zeit 50 000 Paar Militärschuhe für die französische Armee auf Grund einer Submission lieferte, kräftiger

zünftlerischer

entwickeln.

Nach

bestrebungen

beseitigte das von Preußen am 21. Juli 1815 für Erfurt

einem

Aufflackern

kurzen

Reaktions­

eingeführte Gewerbesteuergesetz, auf Grund dessen der Betrieb der meisten allein von der Lösung des

Gewerbe

abhängig

Gewerbescheins

gemacht

wurde, alle Hemmnisse der früheren Zunft- und Handwerkerherrschaft.

Die

Firma Gebrüder Gottschalk arbeitete auf Grund einer Ermittelung im Jahre

1828 bereits für einen Export, der sich, wie Rehe (S. 18) mitteilt,

nach Dänemark, Schweden und Brasilien erstreckte, und im Jnlande ver­ sorgte sie die Schuhmacher des Rheinlandes und Westfalens mit ihren

Erzeugnissen.

Bemerkenswert ist hierbei, daß außer den bereits erwähnten Frauenschuhe in den fabrikmäßigen

Militärstiefeln nur

Betrieben her­

gestellt wurden.

Der primitiv-technische Charakter der massenmäßigen Herstellung von Schuhen erlaubte es damals nicht, Herrenstiefel- und Schuhe, die qualitativ

auf einer höheren Stufe als die erstgenannten stehen, in das Arbeits­ gebiet des Fabrikanten, der entweder nach Art eines Verlegers die Waren

einen Zwischenmeister

durch

in Heimwerkstätten

in

auch

oder

eigenen

In den Jahren 1830

Räumlichkeiten Herstellen ließ, mit einzubeziehen.

bis 1875 erschlossen sich das Kapland, Nord- und Südamerika als Ab­ satzgebiete für die Firmen, die nach und nach in dieser Zeit gegründet waren;

irgendwelche Schätzungen über die

dem

aus

exportierten Schuhwarenmengen liegen nicht vor.

Erfurter Gebiet

Die Zahl der Werk­

stätten stieg in den Jahren 1844 bis 1875 nach Karl Rehes Ermittelungen

von

auf neun

zwei

beschäftigten handelte

sich

Werkstätten

Arbeiter hier

im

Betriebe, erhöhte

unddie Zahl der

Vergleich

kleinsten Umfangs,

von

sich

zu

die

54

in

316

auf

den heutigen dann auch

bis

ihren Räumen

Personen.

Es

Fabriken nur um auf

die eine der

Firma F. C. Böhnert von der Bildfläche verschwanden, als

die Ein­

führung von Maschinen dem Unternehmer die Festlegung einer größeren

Kapitalmenge gebot. bis 1885

Statt ihrer

auf der Grundlage

der

wurden dann in den Jahren 1871 mechanischen

Produktionsweise jene

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Richard Watteroth.

32

Unternehmungen gegründet, die noch heute die Erfurter Schuhfabrikation

beherrschen. An erster Stelle

sind der zeitlichen Folge nach die Firmen Eduard

Lingel, Mergenbaum und Böhnert zu nennen, zu denen Firmen Friedrich

Metzler, Hofmann L Stenger,

sich dann die I. B. Dotzler, Cerf

12! 3 4

1 2 1

1 ! ! 1

- - - !......................

1 1

4,2^2^ . ^2!3^1^1

.

116

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^1 224

4

37 12

54 25

19

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3 3 4 2

§

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und

der

Beruf

der

Eltern des Arbeiters zum Vergleich

gelangten, wurden nur 193 Frage­

bogen, die von Arbeitern ausgefüllt waren, benutzt.

Um zu sehen, welche Altersklassen eine gewisse, zu ermittelnde Verdienst­ möglichkeit aufweisen,

wurden nach

4 !6

!

^11^

vier Gruppen gebildet.

In der ersten Gruppe verdienten einen Wochenlohn von 6 bis 19 Mk.,

und zwar im Alter von 14 bis 35 angegeben ist.

§

7

1

Qualifikation

6

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Für die Tabelle,

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in Bruchteilen von Mark oder, wie dies in anderen Tabellen zu sehen ist, in weiteren Grenzen angegeben

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kombiniert waren.

in der der Geburtsort, Wohnort, die

lich für alle Tabellen vorgenommene

22

3 1 2t 1

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stellung von Tabellen, in denen das Alter und die Höhe des Wochenlohnes

wurden, konnte eine genaue, einheit­

'

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3

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geeignet, und zwar für die Zusammen­

Jahren wie in der Tabelle S. 109

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2

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Arbeiterinnen ausgefüllt, für die Er­ mittelung zahlenmäßiger Unterlagen

Da vielfach die Verdienstangaben

22 . 23 . 24 . 25 26 . 27 . 28 . 29 .... . 30

! l!

langten, waren 402 Fragebogen, von Arbeitern ausgefüllt, und 119 von

den Wochenverdiensten der Männer

.

8 22

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1

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2 2 2

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8

8

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71

I

16 18 10 31

8

Richard Watteroth.

110

Staffelung nicht durchgeführt werden. Über die Hälfte der in dieser Tabelle angeführten Arbeiter — es sind 60

Personen —

gehören

den

Alters­

klassen von 14 bis 17 Jahren an;

sie sind jugendliche Arbeiter, deren Majorität zwischen 6 und 10 Mk.

verdient.

Aber auch ältere Arbeiter,

jedoch nur vereinzelt,

bewegen sich

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Die Erfurter Schuharbeiterschaft.

111

auf dem in dieser Tabelle dargestellten niedrigsten Verdienstniveau. — Das Gros der Arbeiterschaft ist, soweit die persönlichen Angaben vorliegen, in Die nebenstehende

den Verdienstgruppen von 20 bis 30 Mk. zu finden.

Tabelle umfaßt die Zahl der Arbeiter, die einen Wochenlohn von 20 bis 30 Mk. im Alter von 18 bis 71 Jahren verdienen.

(Siehe Tabelle Seite 110!)

Der mittlere Lohnsatz liegt zwischen 24 und 26 Mk., die von 147 unter 224 Mann verdient werden

vertreten sind.

in den

und das Durchschnittsalter

Altersgruppen von 21 bis 40 Jahren, die mit 181

unter 224 Mann

In diesem weiteren Kreise der Altersgruppen, die die

ältesten Arbeiter einschließen, liegt der engere Kreis derer, die 30 bis 37 Mk. verdienen.

Die folgende Tabelle gibt die Zahl der Arbeiter wieder,

die einen Wochenlohn von 30 bis 37 Mk. im Alter von 23 bis 44 Jahren

verdienen: Iah, - e:

Mark

23 24,25 ! 26 , 27

28 j 29 30 31 j 33 34 1 35 1 37

!

!

24—30 28-30 30 30-32 32 33 34 25—35 33-35 35 31-^6 30—37

.

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Sa.

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39 40 41 § 44

2^4

4!l12!311,2

1 1 18 2 3 5 2 1 1 4 1 1

40

Der mittlere Lohnsatz dieser Gruppe liegt zwischen 30 und 35 Mk.,

die von 24 unter 40 Mann verdient werden. Das mittlere Alter liegt etwa zwischen 25 und 39 Jahren, denen 29 unter 40 Mann angehören.

Von einem noch engeren Kreis der Altersangehörigen werden die in

der folgenden Tabelle aufgestellten Verdienstgruppen von 36 bis 45 Mk. umschlossen; ihnen gehören die Arbeiter im Alter von 25 bis 45 Jahren an.

(Siehe Tabelle S. 112 oben!)

Der mittlere Lohnsatz ist hier bei 40 Mk., die von 11 Arbeitern

unter 22 verdient werden und das mittlere Alter etwa zwischen 29 und 35 Jahren zu suchen. Im mittleren Alter stehen von insgesamt 22 Arbeitern

16 Mann.

Die Frauen erzielten einen Wochenverdienst zwischen 4 und

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Richard Watteroth

112

Mark

25

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1

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i

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35 ! 36 I 40 I 42 ! 15

1 1

I

36 35—38 36—38 37—38 36—40 38-40 40 36—42 45

20 Mk.

Jahre: 80 I 32 ! 33 I 34

29

28

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3

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5

I

1

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2

Die Altersgrenzen liegen zwischen

!

II

1

1

i

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22

Die folgende

14 bis 47.

Tabelle bedarf keiner weiteren Erklärung: Mark

Jahre: 14!l5!lß1l7lMS!20!2l!22 23>24,25!26>27j28 29 30!32!33!35^36!37!44>47

4-5 > 1 i 5 2-6 ! 1 1 1 5-6 1 ,2 6 ! 1 6,50 12 6—7 j i 1 . 7 7,50 ! 1 1 . 3 6—8 1 7—8 8 1 2 1 6-9 7—9 1 2 7—10 8—10 9-10 3 1 10 2 1 11 10-12 12 10-13 12-13 13 1 12—14 14 12—15 14—15 15 2 12—16 15—17 17 15-18 18 16—20

1

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1 1

1!3>3 4

1 1

113^2 2^1

2^1>1

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Sa. 2 1 1 4 3 1 7 2 2 5 3 4 1 5 1 3 5 6 1 7 12 1 1 8 3 3 3 1 10 1 1 2 2 5 1 3 121

Die Erfurter Schuharbeiterschaft.

Die Wochenverdienste der Männer ordnen

enthaltend die Zahlen der Arbeiter. die erste einen Wochentohn von 6—19



zweite „



dritte



vierte „

„ 20





113 in

sich

vier Gruppen,

Nach der Erhebung verdienen:

Mk., und zwar im Alter von 14—35 Jahren,

30













18-71



„ 30—37











„ 23-44



„ 35











„ 25-47



45

Es ist nun im folgenden ein Versuch gemacht worden, in ganz groben

Zügen gewisse Differenzierungen anzudeuten; und zwar konnten für unseren

Zweck von den 402 Fragebogen, die die Arbeiter ausgefüllt halten, nur 296 benutzt werden.

Bei diesem Versuche wurde die soeben besprochene

Scheidung der Wochenlöhne in vier Gruppen zugrunde gelegt. Die vertikale

Gliederung, die in der nachstehenden Tabelle getroffen wurde, sondert die Zuschneider, Stanzer und die im Bodenbau und Ausputz tätigen Arbeiter

voneinander und läßt erkennen, auf welche Lohngruppen sich die genannten

Arbeiterkategorien verteilen.

Die horizontale Gliederung aber gibt für

die einzelnen Kategorien und die auf sie entfallenden Lohngruppen die

Zahlen derer an, die in . Erfurt, auf dem Lande und außerhalb des Erfurter Landkreises (kurz als Auswärtige bezeichnet) geboren sind, die in

Erfurt oder auf dem Lande wohnhaft sind usw. usw.

Es ergibt sich

folgendes Bild: schnöder

Bodenbau und Ausputz

Stanzer

I 1 11 Sa. I j H^III^Sa. I 11s III^IV In Erfurt Geborene....................... Auf dem Lande Geborene.... Auswärtige.........................................

2 1

23 23 7 9 32 33

13 7 4

5 2 1

21 11 6

15 44 13! 31 8 19

In Erfurt Wohnhafte.................. Auf dem Lande Wohnhafte . . .

2 1

56 58 4 17 6 727

6 2

27 11

27 9

Gelernte Schuhmacher................... Schuhfabrikarbeiter vom 14. I. ab Vorher in einem anderen Berufe.

1 1 1

Die Eltern Schuhmacher .... Die Eltern Schuhfabrikarbeiter . Die Eltern in einem anderen Berufe

1 1 1

Die Summe der in den einzelnen Gruppen Aufgezählten ergibt immer . . .............................

3

3 2 1

13 14 11

5 11 9

77 69 47

74 ! 33 20 20 5- 5

154 39

7 38! 22! 16 20 29! 8! 7

6 ^18

9

2 1 ! 5 2 " 2 5 5 ^31 29

62 65

6

!

24

36

Aus dieser Übersicht können wir zunächst entnehmen,

Sa.

2

83 64 46

22 13 4 7. 2! 3 65 23 18

41 17 135

94 38

193

27;

8!

daß nach den

zur Zeit der Aufnahme bestehenden Verdienstchancen nur die Arbeiter im Schriften 153.

I.

8

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Richard Watteroth.

114

Bodenbau und Ausputz auf die Gruppe der höchsten Wochenverdienste

entfallen.

Angesichts der kleinen Zahlen, die hier vorliegen, dürfen wir

keine absoluten Normen hieraus ableiten. — Durch dieses Beispiel, das mit den Mängeln der Stichprobenerhebung behaftet ist, soll auch nur auf

die bestehenden Möglichkeiten, nicht auf absolute Tatsachen hingewiesen

werden. — Die Möglichkeit, Wochenverdienste zwischen 35 und 45 Mk. zu verdienen, ist für die Zuschneider in noch geringerem Maße gegeben,

als für die Stanzer; denn diese haben Leute unter sich, die wenigstens

der dritten Lohnkategorie angehören, was bei den Zuschneidern nicht der Fall ist. Die Vergleichsziffern über die Gebürtigkeit der Arbeiter lassen er­

kennen, daß die in Erfurt geborenen bei den einzelnen Lohngruppen der verschiedenen Arbeiterkategorien nicht durchweg in der Majorität vertreten

sind.

Die Zahl der auswärtigen Elemente ist bei den Zuschneidern in

der zweiten Gruppe auffallend größer, als die der heimischen städtischen

Elemente.

Und auch in der vierten Gruppe der im Bodenbau und Aus­

putz tätigen Arbeiter wird in der für unser Beispiel relativ hohen Ver­

gleichsziffer der Auswärtigen es deutlich, daß keineswegs nur der lokale Arbeitsmarkt für die Erfurter Schuhindustrie in Frage kommt.

Auf eine

Ortsgebundenheit des qualifizierten Arbeiters, um den es sich im Falle

der zweiten Gruppe der Zuschneider und der vierten Gruppe der in der Bodenbefestigung und im Ausputz tätigen handelt, läßt diese Tatsache nicht

zurückschließen.

Erfurt bildet, als ein Platz mit qualifizierter Fabrikation,

einen Anziehungspunkt für manchen Schuharbeiter, der glaubt, etwas

Tüchtiges zu leisten, und der auf größeren Verdienst hofft. — Neben den in

Erfurt wohnhaften finden sich auch solche, die eine Parzelle Land besitzen und in den Ortschaften wohnen, die im weiteren Umkreis der Stadt liegen. Sie sind besonders in der zweiten Gruppe der Stanzer und in der ersten und zweiten Gruppe der Bodenbauer und Ausputzer vertreten und können

als

besondere Ausleseelemente

nicht angesehen werden.

— Besonderes

Interesse muß aber die Frage: Gibt es noch gelernte Schuhmacher in der Schuhfabrik? auf Grund unserer Erörterungen in den früheren Kapiteln

jetzt im vorliegenden Falle erwecken.

Wir müssen diese Frage in kräftig

bejahendem Sinne beantworten; denn mit Ausnahme der Stanzer sind die gelernten Schuhmacher in allen Fabrikabteilungen in starker Drittel­ mehrheit vertreten, besonders in den Lohngruppen, die auf eine dem Lohne

des Arbeiters entsprechende hohe Qualifizierung schließen lassen. Diejenigen, die vom 14. Lebensjahre ab in die Fabrik gegangen sind, sind vornehmlich in den Lohngruppen I und II der Zuschneider, Stanzer, Bodenbauer und-

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Die Erfurter Schuharbeiterschaft.

115

Ausputzer zu finden; das gleiche gilt auch von denen, die vorher in einem anderen Berufe tätig waren.

Dieses Resultat ist ganz entschieden auffällig,

zumal über Wert oder auch über Unwert der gelernten Schuhmacher für die industrielle Produktionsweise oft gestritten wird.

des Zuschneiders im V. Kapitel.)

(Vgl. auch das Urteil

Jedenfalls muß der handwerklichen Er­

ziehung das Verdienst zugesprochen werden, daß sie den einzelnen zur

Gründlichkeit erzieht.

Sie lehrt ihn denken.

Ein handwerklich vorgebildeter

Arbeiter weiß mit dem Leder Bescheid und kann sich über Ursachen und Folgen eines Fehlers, der während der Herstellung des Schuhes entsteht,

ein deutlicheres Bild machen, als wie es vielleicht der ungelernte Arbeiter

tut.

Wir finden den Schuhmacher besonders in der vierten Gruppe des

Bodenbaus und Ausputzes vertreten und zwar sind in dieser Gruppe alle

Maschinenarbeiter, wie Zwicker, Doppler, Schnittpolierer und Bodenpolierer zu suchen, also jene Teilarbeiter, die gewissermaßen bei dem Hand- in

Handgeben des Schuhes — ein jeder über den vorhergehenden — eine Art Kontrolle auszuüben haben.

Die organisatorische Entwicklung in der

Schuhindustrie ließ ja erkennen, daß aus dem Schuhmacher ein Spezial­

arbeiter und aus diesem ein Teilarbeiter wurde, daß sich zwischen Fabrik und Handwerk in organisatorischer wie technischer Hinsicht eine weite Distanz

auftat und die Fabrik sich von dem absoluten Prinzip der beruflichen Auslese emanzipierte.

Die Tatsache aber, daß in den Erfurter Fabriken

ein qualifiziertes Produkt hergestellt wird, belehrt uns, daß an den wichtigsten Punkten der Fabrikation sich Menschen befinden müssen, die kurz gesagt:

denken können und nicht zum Maschiwenmenschen herabsinken. — Die Ver­

gleichszahlen über den Stand der Eltern lassen die Fälle, wo die Eltern

in einem anderen Berufe tätig waren, als stark überwiegend hervortreten. Wir sehen, daß eine Art Vererbung der Fähigkeiten von den Eltern auf

die Kinder oder ein Einfluß auf die Berufswahl des Kindes, den der elterliche Beruf auszuüben vermöchte, in unserem Beispiele nicht zutrifft.

Auch die Fälle, wo die Eltern bereits in der Schuhfabrik tätig sind, ver­

schwinden an Zahl hinter denen, wo die Eltern in einem anderen Berufe

arbeiten. — Die Differenzierung der Erfurter Schuharbeiterschaft Grund organisatorischer Vorgänge in der Fabrik.

geschieht auf

Die Arbeitsintensität

in den einzelnen Fabrikabteilungen sowie auch in den einzelnen Fabriken ist zunächst immer erst durch die Größe einer Fabrik und den Umfang ihrer Produktionsmenge bestimmt.

Der Entfaltung einer gleichmäßig anhaltenden

Arbeitsintensität ist, wie uns die Erörterung über Leistungskurven bewies, die Einschaltung von Überstunden hinderlich. Die Leistungsfähigkeit der

8*

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116

Richard Watteroth.

Arbeiterschaft läßt Unterschiede der Qualifizierung erkennen.

es Unterschiede der Arbeitsübung.

Zunächst sind

Hinzu treten die Unterschiede des Alters

und außerdem ist, wie uns der Schluß der Ausführungen über Alter und Verdienst zeigte, eine handwerkliche Berufslehre für besondere Arbeits­ eignung und guten Verdienst in der Fabrik förderlich. Soweit unsere Betrachtungen, die im wesentlichen nur typische Er­ scheinungen festhalten konnten. Doch wollen wir unsere Untersuchung nicht

schließen, ohne in ihr auch einmal das Individuum zu Worte kommen zu lassen.

Das folgende Schlußkapitel bringt daher persönliche Äußerungen

von Schuhfabrikarbeitern.

VII.

Persönliche Äußerungen von Schuhfabritarbeitern. Herkunft und Eltern der Arbeiter. — Qualifikation, Arbeitswechsel. — Die Familie

des Arbeiters (Heiratsalter). — Zahl und Beruf der Kinder. — Physiologische

Einflüsse der Jndustriearbeit. — Erholung. — Das

Alter. — Biographien.

Um persönliche Äußerungen des Arbeiters festzuhalten, hatte der Ver­

fasser nach dem Muster des Fragebogens des Vereins für Sozialpolitik einen Bogen mit 29 Fragen ausgearbeitet, die nur denjenigen ausgehändigt wurden, die den Verfasser kannten und sich zur genauen Ausfüllung bereit erklärt hatten.

Von den 75 verteilten Bogen ging nur einer verloren.

Wir haben also 74 Blätter vor uns, deren Inhalt wir nun nicht statistisch,

sondern rein stofflich in unsere Darstellung verarbeiten wollen.

Bei der

Ordnung der Blätter ergab sich, daß 36 Arbeiter geborene Erfurter und

32 Mann Auswärtige waren.

Wir werden also die Erfahrungen der

Ansässigen wie auch die Erfahrungen der Gewanderten an manchen Stellen

einander gegenüber halten können.

Herkunft und Eltern des Arbeiters.

Die am Schluß des

zweiten Kapitels ausgesprochene Erfahrung, daß neben den in Erfurt ge­

borenen Arbeitern auch solche in Betracht kommen, die aus der Provinz

Sachsen, den acht thüringischen Staaten, Schlesien, Brandenburg, König­ reich Sachsen und Hessen-Nassau entstammen, bestätigt sich auch jetzt wieder

bei Durchsicht der Blätter.

Doch sind es nur mit wenigen Ausnahmen,

wo Chemnitz, Würzburg, Posen und die Schuhmacherstädte Burg

bei

Magdeburg und Weißenfels angegeben werden, kleinere Orte, in denen die Arbeiter geboren sind.

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117

Die Erfurter Schuharbeiterschaft.

Die Eltern gehören Schuhmachers an.

in

den

wenigsten Fällen

dem Beruf

des

Es wurden im ganzen nur 12 Fälle angegeben, wo

der Vater gelernter Schuhmacher war, und in keinem Falle waren die

Von gelernten Berufen, in denen der

Eltern in der Schuhfabrik tätig.

Vater tätig war, wurden folgende genannt: Schmied, Steinmetz, Maler, Händler,

Böttcher, Hofmeister,

Gärtner, Tischler, Schneider, Landwirt,

Webermeister, Zimmerer, Mühlenbauer, Tuchmacher, Handschuhmacher und von ungelernten: Arbeiter, Nadler, Gartenarbeiter, Bierfahrer, Kutscher,

Tagelöhner, Weber. Qualifikation des Arbeiters und Arbeitswechsel. Fälle,

in denen der Arbeiter eine drei-, dreieinhalb-, manchmal auch vierjährige

Lehrzeit als Schuhmacher verzeichnet, sind stark überwiegend. ganzen 37 Fälle.

Es sind im

23 Fälle beziehen sich allein auf auswärtige Arbeiter,

die auch durchweg die höchsten Verdienste aufweisen, während sich von den Schuhmachern, die in Erfurt geboren sind, nicht besonders viele über den

gewöhnlichen Durchschnitt (zirka 25 Mk. in der Woche) erheben. kommt deutlich der Vorteil zum Ausdruck,

Hier

den ein gelernter und ge­

wanderter Schuhmacher gegenüber den andern Arbeitsgenossen hat.

Unter

ihnen sind manche, die, wie einer angab, durch „halb Deutschland"

kommen sind.

ge­

Im einzelnen werden folgende Orte früherer Tätigkeit

genannt: a) Wien, Karlsbad, Mülhausen in Elsaß, Berlin, Karlsruhe;

d) Stuttgart,

Pirmasens,

Heilbronn,

Annweiler,

Zweibrücken,

Wittenberg;

e) Stolpe, Stettin, Schwedt, Mistroy, Heringsdorf, Berlin, Hamburg, Paderborn, Köln, Mainz; ä) Krimmitschau, Aachen, Neumünster, Burg bei Magdeburg.

Als Gründe des Stellenwechsels werden angegeben: schlechte Lohnund Arbeitsverhältnisse, Bestreben, sich im Fach weiter auszubilden, mehr

zu verdienen, Reiselust.

Auch ein zeitweiliger Berufswechsel für ein halbes

Jahr als Kellner, für drei Jahre als Former, für vier Jahre als Tuch­ macher bot einigen Gelegenheit, der Gefahr der Arbeitslosigkeit zu entgehen.

Der Arbeitswechsel brachte es mit sich, daß die Arbeiter in der Schuh­ branche di'e verschiedensten Tätigkeiten an Maschinen lernen konnten.

Es

werden folgende Tätigkeiten in angegebener Reihenfolge genannt:

a) Zuschneiderei, Bodenfabrikation, vier Maschinen: Nandhämmern, Sohlenbimsen, Sohlenglasen, Bodenpolieren;

d) Vorrichten,

Steppen

und

Schärfen, Zuschneiden,

Stepp-

Schärfmaschine;

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und

Richard Watteroth.

118

e) Durchnäh-, Schnittfräs-, Absatzbau- und Nagelmaschine;

ä) Holznagel-, Sohlenglätt-, Durchnähmaschine; e) Sohlenglätte, Stanz- und Bodenpoliermaschine;

k) Sohlendurchnähmaschine, Glättmaschine, sämtliche Maschinen der Stanzerei;

§) Glättmaschine, Absatzglas-, Schnittfräsmaschinen, Ausputz-, Absatz­

stiftmaschine. Die in Erfurt geborenen Schuhmacher haben sich nicht in allen Fällen eine solche technische Vielseitigkeit erworben.

Wenn wirklich, dann ist es

auf Grund einer Wanderschaft geschehen, die durch alle Erfurter Schuh­

fabriken führte.

In einem Fragebogen wurde folgende Reihenfolge an­

gegeben: Lingel, Heß, Cerf, Deutsche Schuhfabrik, Metzler, und hierbei lernte der Arbeiter sämtliche Maschinen des Ausputzes kennen.

es auch als

Bau- und

Er hatte

Transportarbeiter eine Zeitlang versucht, war

aber dann wieder zum alten Beruf zurückgekehrt.

Schuhfabrikarbeiter vom 14. Jahre ab, die auch in den höchsten Lohn­ gruppen zu finden sind, haben die Arbeitsstelle und den Arbeitsort nicht gewechselt.

Sie stellen den Typus des „eingefuchsten" Teilarbeiters dar.

Es wurden von ihnen folgende Maschinen ausschließlich bedient: Spitzen­ drückmaschine 4 Jahre lang, Rädelmaschine 5 Jahre lang, Bodenpolier­

maschine 7 Jahre lang, Abschneidmaschine 10 Jahre lang, Zwickmaschine

11 Jahre lang. Die Arbeiter, die den höchsten Lohngruppen nicht angehören, waren entweder vom 14. Jahre ab in der Schuhfabrik tätig oder hatten vorher

einen anderen Beruf gelernt.

Folgende Berufe sind in den Fragebogen

zu lesen: Metalldreher in der Erfurter Lampenfabrik, Former, Maurer,

Gärtner, Kesselschmied, Steindrucker, Binnenschiffer (Donau und Main), Arbeiter in der Erfurter Leisten- und Stanzmesserfabrik, Kaufmann, Tuch­

macher, Eisengießer. Die Familie des Arbeiters (Früh- oder Spätheiraten, Zahl

und Beruf der Kinder). Wie es der Natur der Dinge entspricht, liegt das Heiratsalter derjenigen, die den Ort und auch den Beruf gewechselt

haben und^ gewandert sind, etwas später. Es werden angegeben 24, 27, 28, 31 Jahre, während sich unter denen, die in Erfurt geboren' und auch geblieben sind, mit geringen Ausnahmen erheblich jüngere Altersstufen für

die Heirat angegeben werden: 20 bis 24 Jahre. zu schließen, ist das Kind.

Veranlassung, die Ehe

„Man heiratet", wie dem Verfasser von einem

Arbeiter gesagt wurde, „nicht, um Kinder zu kriegen, sondern weil man

sie schon hat".

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Die Erfurter Schuharbeiterschaft.

Zahl der Kinder.

119

Ein Fall liegt vor, wo acht Kinder vorhanden

sind, daneben gibt es Fälle, wo vier und auch sechs ernährt werden müssen.

Vorherrschend ist die Zahl von zwei bis drei Kindern. Beruf der Kinder.

Wo es der Verdienst des Vaters gestattet,

überwiegt das Bestreben, die Kinder etwas Besseres werden zu lassen. kommen in eine Lehre.

Sie

In zwei Fällen wurden die Söhne Schuhmacher,

in anderen Fällen werden folgende Berufe aufgeführt:

a) für Knaben: Vermessungstechniker, kaufmännischer Lehrling, Tischler, Werkzeugschlosser, Schlosser, Buchdrucker;

d) für Mädchen : Schneiderinnen. In den übrigen Fällen läßt man die Kinder in die Schuhfabrik

Für Mädchen werden folgende ungelernte Berufe angegeben: Ver­

gehen.

käuferinnen, Kleidermacherinnen. Ein Arbeiter schreibt noch folgendes zur Frage: welchen Beruf sollen Ihre Kinder mal ergreifen: ich kann nur sagen, daß sie das lernen sollen, was sie am besten verwerten können.

Ich werde aber auf keinen Fall

zulassen, daß meine Kinder in die Schuhfabrik gehen, damit es ihnen nicht so ergeht wie mir, daß sie die schönste Zeit ihres Lebens in der

Fabrik zubringen müssen. — Ein anderer schreibt desgleichen: Sie sollen das lernen, was sie im wirtschaftlichen Leben verwerten können.

Da es

zwei Mädchen sind, kommt das Kleidermachen oder Plätten in Betracht. Physiologische Einflüsse. Es werden folgende Angaben gemacht:

a) von den Zuschneidern: die Sehkraft hat sich vermindert infolge

des Schneidens farbiger Ledersorten; das Stehen am Brett ver­

ursacht Brustklemmungen; d) von einem Stanzer: beim Stanzen der linke Zeigefinger zerquetscht; e) von zwei Dopplern: Schwerhörigkeit, verursacht durch das Schlagen

der Doppelmaschine; ä) von Schnittpolierern: Erschlaffung

der Unterarme, rheumatische

Leiden, Herzfehler; e) von einem anderen: ich fühle mich wohl nervös, bin aber deswegen

noch nicht in ärztlicher Behandlung gewesen.

Eine Ferienzeit von

8 oder 14 Tagen würde wohltuend wirken.

Erholungen.

Ohne Unterschied des Verdienstes oder der Quali­

fikation wird allgemein die Erholung im Lesen der Arbeiterpresse, Fach­

presse, auch anderer Zeitungen, Büchern belletristischen und wissenschaftlichen Inhalts

aus

der Arbeiterbibliothek gesucht, ferner im Spazierengehen,

Wandersport, Radsport, Turnen und schließlich auch in Blumenpslege und Gartenwirtschaft.

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Richard Watteroth.

120 Wohnung.

In vielen Fällen wurde der Wunsch nach der Wohnung

in einem kleineren Hause angegeben.

Es ist daneben auch folgende Be­

merkung als sehr zutreffend zu berücksichtigen: sind die Mitbewohner in einer Mietkaserne gute Menschen, dann wohnt es sich darin ganz gut,

jedenfalls besser als im kleinen Hause,

eng und niedrig sind.

Räume

Wohnt man aber mit Leuten zusammen,

weil man besser gestellt ist, vorkommt),

wenn es alt und die

neidisch

sind

die,

(was im Arbeiterviertel oft

so ist natürlich das Wohnen im kleinen Hause dem vor­

zuziehen.

Es war die Frage gestellt worden: wovon gedenken Sie

Alter.

Ein Arbeiter hatte hierfür den Ausdruck sarkastischen

im Alter zu leben?

Humors: Im Alter ist es mit uns schlimm, man ist ein Pferd, das immer auf dem Pflaster gegangen ist.

Man bekommt dann geringere Beschäftigung

wie Ablassen, Anschwärzen, Oberfleckaufheften, Nachsehen beim Zwicken,

Ausputzen und Reparaturen.

Andere beantworteten diese Frage, indem

sie auf die Altersrente und auf die Schuhmacherei hinwiesen.

Andere

Antworten mögen hier wörtlich angeführt werden: Wovon werden wir im Alter leben?

Diese Frage ist die brennendste, und oft unterhält man sich

mit seinen Arbeitsgenossen: wie wird es uns im Alter ergehen?

Früher

war es für den Fabrikanten ein besonderer Ruhm, Leute bis 25 Jahr

und darüber hinaus zu beschäftigen (zur Zeit dieser Umfrage erfuhr Ver­ fasser zwei Fälle des 25 jährigen Arbeitsjubiläums in der ältesten und

größten Fabrik Erfurts), heute gibt man nichts mehr darauf und heute muß man oft erleben, daß bei alten Arbeitern, nachdem die körperlichen und geistigen Kräfte aufgebraucht sind, allerlei Mängel an der Leistung

gefunden

werden,

Sie das

nicht

und

besser

nicht

machen

selten wollen

bekommt man oder

können,

zu

hören:

so

lassen

bleiben. — Entweder der alte Arbeiter geht von selbst abgeschoben.

Wenn Sie es

oder er wird

Der gelernte Schuhmacher holt sich dann seinen verlassenen

Hammer und Knieriemen, und er nährt sich schlecht und recht als Flick­

schuster. Ein anderer sagt: — Von der Altersrente.

Sollte diese nicht zu­

langen, so hoffe ich, daß mich meine Söhne nicht verhungern lassen, nach­

dem ich doch alles an sie gewandt, was ich verdiente.

Habe jeden das

lernen lassen, was er sich wünschte, bin von dem Grundsätze ausgegangen:

Kenntnis ist der sicherste Reichtum. Ein dritter bemerkt: Jedenfalls werde ich in der Fabrik arbeiten, so lange wie möglich.

Vielleicht habe ich Glück, vielleicht bekomme ich später

einmal eine dem Alter entsprechende Stellung in der Fabrik.

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Die Erfurter Schuharbeiterschaft.

121

Den Schluß unserer Erörterungen möge eine Reihe von Biographien bilden, die dem Verfasser auf persönliche Bitte hin zugestellt wurden und

denen zur Erklärung nichts beizufügen ist.

Arbeiter schreibt: Mein Vater betrieb selbständig eine Blumenund Gemüsegärtnerei. Durch Krankheit meines Vaters kam dies Inventar unter den Hammer. Ich habe meinem Vater von der Schule aus vier Jahre in der Gärtnerei geholfen, alsdann ging ich aus dem bekannten Grunde in andere Arbeit und zwar bei X (Name der Schuhfabrik in Erfurt). Vom Vater bekam ich keinen Lohn. Bei X als 18 jähriger Arbeiter bekam ich 9 Mk. Lohn. Nach Verlauf eines halben Jahres be­ kam ich eine Mark Zulage, also 10 Mk. wöchentlich. Ein Vierteljahr später sah ich mich wegen des kargen Lohnes nach lohnenderer Arbeit um und bekam durch Inserat Arbeit als Herrschaftsgärtner in Wiesbaden, freie Station und 25 Mk. monatlich Gehalt und eventuell Trinkgelder bei einer großen Gesellschaft. Da mein Vater im Krankenhaus lag, die Mutter mit meinen jüngeren Geschwistern Not hatte, verließ ich das schöne Wiesbaden nach vier Monaten wieder, um in Erfurt bei XX — Gärtnerei für 12,59 Mk. pro Woche zu arbeiten. Da dieser Lohn aber auch nicht ausreichte, um meine Mutter genügend unterstützen zu können, erhielt ich durch Anfragen in der Schuhfabrik X lohnende Arbeit, nämlich 16 Mk. wöchentlich. Hier kam ich durch Lohnzulagen in drei Jahren nach und nach auf 20,40 Mk. wöchentlich. Dann kam ich an das Nisseausputzen, wo der nunmehrige Akkord wöchentlich ungefähr dieselbe Höhe erreicht wie der vorherige Lohn. Durch Avancieren an eine Maschine (Glätte) kommt der Lohn jetzt auf die Höhe von ungefähr 30,50 bis 31 Mk. Arbeiter schreibt: Es dürfte Sie interessieren, einiges über meine Familie zu erfahren. Mein Vater war gelernter Schuhmacher. Er war geboren im Mai 1849 zu Burgsinn in Bayern. Im Jahre 1868 trat er freiwillig zum Militär, machte den Feldzug 1870/71 mit und nach Beendigung desselben finden wir ihn in Offenbach a. M., wo die mächtig aufblühende Schuhindustrie den Schuhmachern jedenfalls eine bessere Existenzmöglichkeit bot als die Schoßarbeit. Nachdem er ungefähr 10 Jahre da gearbeitet hatte, kam er durch einen Monteur, der in der Schweiz Maschinen aufstellte, nach Bruttizellen bei Zürich. In der Schweiz wurden damals und heute noch gelernte deutsche Schuhmacher mit Vorliebe ein­ gestellt. Er wurde dort Meister, erlag aber im Herbst desselben Jahres 1883 der Lungentuberkulose. Meine Mutter war dadurch in sehr bedrängter Lage, ich war 10, mein Bruder 8 Jahre alt. Sie erhielt in derselben Fabrik Beschäftigung, die allerdings nur einen äußerst kümmerlichen Ver­ dienst abwarf (Einfassen von Pantoffeln). Ich weiß, daß sie Tag und Nacht arbeitete, und daß wir Knaben, anstatt zu spielen, aus Halbflecken Absatzflecken zusammenklebten, die im Innern des Absatzes verwendet werden. Mit 12 Jahren kam ich, von meinem Lehrer empfohlen, als Postbote an die dortige Postnebenstelle. (In der Schweiz besucht der Volksschüler von

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122

Richard Watteroth.

12—14 Jahren eine Fortbildungsschule, die nur zwei halbe Tage wöchent­ lich in Anspruch nimmt.) Als 2 Jahre später die Nebenstelle zum selbständigen Postamt erhoben wurde, kam ein Mann zur Anstellung, da ich als Ausländer und Minderjähriger hierfür nicht in Betracht kam. An diesem Tage kam ich in die Zuschneiderei der mehrmals erwähnten Schuhfabrik. Nachdem ich es dort während 7 Jahre zum Zuschneiden und meinen Lohn von 80 Ct. auf 5 Fr. gebracht hatte, starb meine Mutter, die ihre letzten 3 Jahre infolge Überarbeitung (vom Nähen rechtseitig gelähmt) im Hospitale verbracht hatte. Nach dieser traurigen Jugend frei geworden, ging ich alsbald auf Wanderschaft und, nachdem ich zwei Jahre in anderen Fabriken gearbeitet hatte, nahm ich meine heutige Stellung an, die ich voraussichtlich nicht freiwillig wechseln werde, da ich durch meine zahlreiche Familie an der Freizügigkeit sihr behindert bin. Mein oben erwähnter Bruder ist heute noch in der dortigen Fabrik als Zwicker beschäftigt.

Arbeiter 0: Auf Ihren Wunsch will ich eine kurze Schilderung meines Lebens nach den mir vorgelegten Fragen wiedergeben. Ich will von vornherein bemerken, daß ich allerdings nicht imstande bin, in der Aussprache sowie in der Ortographie bewandert. Ich bin ein geborner Tschesche und die deutsche Sprache erst hier in Deutschland in meinen Wanderjahren erlernt habe, ich hoffe aber, Sie werden mich schon ver­ stehen. Als ich nach 3^/2 Jahren das Schuhmacherhandwerk erlernt habe, begab mich auf die Wanderschaft, um die Sprache, die Welt, die Menschen und alles kennen zu lernen. Eltern hatte ich nicht mehr, da war ich selbst auf mich angewiesen als Schuhmachergeselle mich durch die Welt zu schlagen. Ich war 20 Jahre, als ich in Görlitz — Schles. arbeitslos, in der einzigen Schuhfabrik Arbeit bekommen habe. Ich kam in die Zwickerei und lernte auch bald das Zwicken. Es war alles wünschens­ wert, wenig Arbeit, schlechte Behandlung, Unordnung, schlechter Lohn und alles. Nach einem Jahr war die Fabrik bankerott und ich war gezwungen, mich nach anderer Arbeit umzusehen. Nach einigen Tagen bekam ich durch das Fachblatt auf Bewerbung Arbeit in Lucka (S. A). Ich war erstaunt über die technische Einrichtung sowie Lohn und Behandlung der Arbeiter. Ich habe wieder gezwickt; es wurde bessere Arbeit gemacht, aber mir ist es nicht schwer gefallen. Nach einem halben Jahr war ich militärpflichtig und wurde auch ausgehoben. Da ich mich in Österreich stellen mußte, konnte ich nicht mehr nach Lucka, sondern ich fand durch einen Kollegen Arbeit in Stolpen (S.). Von da aus gings zum Militär, wo ich in Königgrätz meine Dienstzeit abgemacht habe. Nach meiner Militärzeit be­ kam ich wieder dortselbst Arbeit; von Stolpen ging ich nach Radeberg (Sachsen.) Dort brach auch der Bankerott aus und ich fuhr auf Be­ werbung nach Soest-Westfalen. In diesen Schuhfabriken habe ich keinen großen Halt gefunden, denn die schlechten Verhältnisse, Behandlung durch die Werkmeister (Antreiber), sind die Arbeiter gezwungen zu wechseln.

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Die Erfurter Schuharbeiterschaft.

123

Von Soest bin ich nach Erfurt, wo ich in der zweiten Schuhfabrik arbeitete, aber immer noch als Zwicker. In anderen Industriezweigen habe ich nicht gearbeitet, denn wer sich nicht vor der Welt fürchtet, der findet in ferner Branche Arbeit überall. Es hat keinen Zweck, die Arbeit und Ort zu wechseln, wenn man nicht muß, denn aus dem Herumziehen kommt nur Elend und Not. Und verbessern? Arbeiten muß der Mensch überall. Ich hatte aber kein Glück, an eine Maschine zu kommen. Ich hätte mich zu jeder Arbeit, zu jeder Maschine geeignet. Ich kenne Ar­ beiter, die sich zu keiner Arbeit in der Fabrik eignen, aber sie werden durch die Meister von einer Arbeit zu der andern, von einer Maschine an die andere gestellt und wenn es irgend geht, da bekommen sie einen Lohn ------ Posten, das heißt einen Wochenlohn. Es sind gewöhnlich un­ gelernte Schuhmacher, trotzdem es gibt auch ungelernte, die geschickter und talenter als gelernte sind. Arbeiter v: Ich, Unterzeichneter, bin am 15. März 1872 als Sohn eines Webers in Mittelsämmern, Kreis Langensalza, Reg.-Bez. Erfurt geboren. Von 1878/86 besuchte ich die Dorfschule und lernte am 1. Dez. 1886 das Schuhmacherhandwerk in Almenhausen bei Elbeleben (Schwarz­ burg-Sondershausen). Arbeitete eine Zeitlang noch als Geselle auf dem Dorfe. Kam Anfang Juni 1890 nach Erfurt, woselbst ich in der Schuh­ fabrik von N. als Nachputzer tätig war. (Die Fabrik ist inzwischen ein­ gegangen). Dort war ich tätig bis zum 8. Nov. 1890. In der Fabrik war mehr Geld zu verdienen wie im Schoßbetriebe, deswegen trat ich in die Fabrik ein. Ich arbeitete in der Fabrik bis zum Streike 1890. Mit Unterbrechung von Militärzeit arbeitete ich bis 1896 als Schoßschuhmacher. Trat dann wieder bei der Firma B. als Oberlederschärfer ein. Nach einem Vierteljahr kam ich an das Zuschneiden durch die Fürsprache eines Modelleurs. Da mir in der Deutschen Schuhfabrik durch den Werkführer Z Mk. Lohn mehr geboten worden, trat ich aus der Firma B. aus. Nach kaum dreiviertel Jahr kam es durch Maßregelung eines Kollegen zum Streik, dann bekam ich in Erfurt keine Arbeit und habe vom Juni bis August in Ilmenau gearbeitet. Am 16. August 1899 trat ich in die Schuhfabrik von C. ein, woselbst ich heute noch tätig bin. Ich habe Kol­ legen gekannt, die infolge der intensiven Tätigkeit aus der Schuhfabrik austraten, teilweise in andere Berufe übertraten, teilweise sich selbständig machten. Persönlich bin ich der Meinung, daß ein öfteres Wechseln der Arbeit oder des Ortes für den Arbeiter keinen großen Wert hat. In den letzten Zeiten, speziell in diesen Jahren, hat sich eine Flauheit im Geschäftsgang bemerkbar gemacht, durch welche wir gezwungen waren, lange Zeit Unterstunden zu machen. Seit Jahren suchen wir durch die Organisation die Ferien zu erkämpfen, was uns aber bis jetzt nicht ge­ lang. Durch den Zentralverband der Schuhmacher Deutschlands gelang es uns vor einigen Jahren, die Anerkennung der Arbeiterausschüsse zu be­ wirken, welche bis jetzt eine gute Tätigkeit entfaltet haben, betreffs Ab­ stellung von Mißständen durch Entgegenkommen von feiten der Firma.

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Richard Watteroth.

Arbeiter L: Mit I6V2 Jahren kam ich in die Schuhfabrik. Aus, eigenem Antrieb. Ich wollte alles lernen, darum ging ich ans Schuh­ fachtechnikum. Erst als Zuschneider, dann nacheinander die anderen Ar­ beiten. Meistens von Kollegen unterwiesen. Vorgezogen wurde da nie­ mand, da wir alle alles lernen wollten. Mit 19 Jahren kam ich arr eine Spezialmaschine. Durch den Meister wurde ich viel schikaniert. Ich begriff aber alles schnell, darum hatte ich keine Beschwerden mit dem Lernen. Bevorzugt wurde ich manchmal. Da die jungen Leute er­ fahrungsgemäß billig arbeiten. In Weißenfels als Schnittpolierer bei V. hat es mir am besten gefallen, da ich aber oann zum Militär mußte, mußte ich die Stelle aufgeben. Dann bin ich in Görlitz in Schl., Leipzig, Erfurt gewesen. Nur um die Leute und die Welt kennen zu lernen, sonst hat es nicht viel Wert, wenn man viel wechselt, wenn man guten Verdienst hat. In anderen Industrien war ich noch nicht. Ich habe viele kennen gelernt, welche nur darum wechselten, um aus der Fabrikluft raus eine andere Arbeit zu ergreifen, auch solche, welche überhaupt in der Schuhfabrik nichts leisten konnten. Daß ich irgendeine mir übertragene Arbeit nicht machen konnte, habe ich an mir nicht beobachtet, immer habe ich mich willig daran gemacht. In den Orten, wo die Fabrikanten den Arbeitsnachweis in den Händen haben, da ist es damit schlecht bestellt, da ein Arbeiter, welcher viel wechselt, schlecht Arbeit erhält. Auch faule Be­ schäftigungszeit spricht viel mit, da dann keine Arbeiter eingestellt und die überflüssigen entlassen werden. In den Orten, wo man angestrengt am Tage 11—13 Stunden arbeiten muß, da vergeht einem die Lust zur Erholung. Jetzt arbeiten wir nur 9 Stunden, da kann man sich eher erholen von des Tages Arbeit. Arbeiter 1?: Gegenwärtig stehe ich im 41. Lebensjahre. Nach Be­ endigung meiner Schulzeit nahm ich eine Lehrstelle bei einem hiesigen Klempnermeister an, wo ich in 3V2 Jahren das Klempnerhandwerk erlernt habe. Nach meiner dreijährigen Militärzeit nahm ich in einer Lampen' fabrik Stellung. Die Löhne waren hier der Arbeit und der sich immer mehr steigenden Teuerung der notwendigsten Lebensmittel entsprechend sehr gering. Um einen kleinen Ausgleich dadurch herbeizuführen, beschloß ich mit meinen Kollegen, in eine Lohnbewegung zu treten. Da meine Kollegen aber nicht organisiert waren, lehnte der Fabrikant jede Ver­ handlung ab und ich wurde sofort gemaßregelt, wo ich nun 1 Jahr 10 Monate ohne Arbeit war. Obwohl ich verschiedene Versuche unter­ nommen hatte, in einer Schuhfabrik Beschäftigung zu finden, so waren meine Bemühungen immer erfolglos. Die Freunde meines verstorbenen Vaters, welcher auch in einer Schuhfabrik tätig war, hatten es schließlich doch verstanden, mich in der Fabrik unterzubringen, als ich das 27. Lebens­ jahr erreicht hatte. In der Stepperei, wo ich untergebracht, wurde ich Besatzaufkleber. Diese Arbeit setzt schon eine gewisse Fertigkeit voraus, weshalb mir auch diese Arbeit sehr schwer siel. Die Geschäftsleitung sah dieses auch ein, und ich wurde deshalb schon nach drei Wochen einer

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Die Erfurter Schuharbeiterschaft.

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anderen Abteilung zugewiesen. In der Absatzbauerei, wo ich nun beschäftigt wurde, waren auch einige Kollegen, welche mir sehr hilfreich beistanden und mich unterrichteten, so daß ich sehr bald mir eine große Geschicklichkeit angeeignet hatte. In dieser Eigenschaft als Absatzbauer habe ich noch in verschiedenen Fabriken gearbeitet. Da einzelne Fabriken aber dazu über­ gegangen sind, sich fertige Absätze aus Spezialfabriken schicken zu lassen, so mußte ich deshalb mein Arbeitsverhältnis verschiedene Male wechseln. Von einem Vorteil ist es für den Arbeiter immer, wenn er seine Stellung einigemal wechselt, denn erstens gewinnt er dadurch immer tiefere Ein­ drücke in unser ganzes soziales Leben, dann aber kann er die Vorteile, welche er sich in der einen Fabrik angeeignet hat, immer mehr zu seinen Gunsten verwenden. Oftmals habe ich die Wahrnehmung gemacht, daß Leute, welche im Freien gearbeitet haben, ehe sie in die Schuhfabrik kamen, es nicht lange aushielten, sondern bald wieder in ihre alte Tätigkeit zurück­ kehrten. Die Ursache ist nach meiner Auffassung darin zu suchen, daß diese Arbeiter erst Lohnarbeiter waren, während in den Schuhfabriken das Akkordsystem eingeführt ist. Durch dieses System wird die menschliche Kraft auf das intensivste ausgebeutet, was ich ja selbst an mir empfinde. Ein besonderer Mißstand ist darin zu suchen, daß unser Beruf immer mehr zur Saisonarbeit herabgedrückt wird und wir oftmals im Jahre ohne genügende Beschäftigung sind. Da wir keinen Arbeitsnachweis haben, so herrscht deshalb eine große Willkür in der Arbeitseinstellung. Da­ durch, daß wir keine geregelte Produktionsweise haben, ist auch unsere Erholung eine sehr ungeregelte, welche auch die Ursache der vielen Krank­ heiten ist.

Arbeiter (^: Ich werde Ihrem Wunsche entsprechend eine Schilderung meiner Eindrücke in der Schuhfabrik geben. Ich war, ehe ich in der Schuhindustrie beschäftigt war, in verschiedenen Berufszweigen tätig, vorwiegend in der Metallbranche, so in Thale (Harz), bei Krupp (Essen), in Dortmund und Gelsenkirchen. Ich verließ diese Betriebe wieder, weil die Beschäftigung zu entnervend oder die Behandlung der Arbeiterschaft eine zu rücksichtslose war. Ich reiste dann noch eine Zeitlang ziellos in der Welt umher, war dann auch auf mehreren HapagDampfern als Stewart beschäftigt. Mein erlerntes Gewerbe ist Koch, Kellner, kam dann auf Anraten meines Bruders nach Erfurt und fand nach einiger Zeit Beschäftigung in der Schuhindustrie durch Vermittlung eines Werkmeisters der Firma N. Mein Alter war 26 Jahre. Ich suchte in der Schuhindustrie Beschäftigung, weil ich vermutete, daß die Arbeit leichter wäre als in den Berufen, in denen ich bisher beschäftigt war. Nun ich hatte mich weiter nicht getäuscht, aber dafür war hier die Arbeits­ einteilung eine viel mehr intensivere als irgendwo. Man versteht es hier ausgezeichnet, die Arbeitskraft eines jeden voll und ganz bis zur Er­ schöpfung auszunutzen. Nach meiner Annahme wurde ich gleichfalls als Spezialarbeiter beschäftigt, zuerst im Handbetrieb. Ich schlug Brandsohlen aus, übrigens eine gar nicht so leichte Arbeit; wohl die schwerste mit in

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der Fabrik. Wohl haben viele Kollegen, die neu hinzukommen, das Glück, gleich an einer Spezialmaschine beschäftigt zu werden. Bei mir paßte es eben nicht. Die Entlohnung war trotz der Schwere der Arbeit sehr gering. Bei einem Alter von 26 Jahren ganze 17 Mk. Wochenlohn. Allerdings steigerte er sich ja im Laufe der Zeit; es dauerte aber sehr lange. Diese Klage könnte wohl ohne Ausnahme jeder Kollege vorbringen. Ich will nun sagen, daß es bei mir immer noch schneller ging als bei den andern; denn ich bin heute fünf Jahre beschäftigt und habe einen Lohn von 26 Mk. erreicht. Andere Kollegen brauchten zehn, ja fünfzehn Jahre, um in diese Lohnstufe zu kommen. Die Verhältnisse waren früher, wenn man die heutigen in Betracht ziehen will, viel traurigere. Seit einiger Zeit nun bin ich als Stanzer an einer Maschine beschäftigt mit Sohlen­ stanzen; eine sehr komplizierte und die ganze Aufmerksamkeit in Anspruch nehmende Arbeit. Es werden einem hier viel Schwierigkeiten bereitet betreffs Kalkulationen und noch dazu jetzt im Zeichen der hohen Leder­ preise. Man ist aber auch gezwungen, trotz alledem eine hohe Leistung zustande zu bringen. Die Firma verlangt eine bestimmte Leistung. Das genügt aber noch nicht. Um den Arbeiter noch mehr anzuspornen, hat man das Prozentsystem geschaffen. Also wer über seinen von der Firma verlangten Satz arbeitet, bekommt für jedes Dutzend mehr 12 Pf. Prozente, wer das nicht kann ist minderwertig. Um nun an einer solchen Maschine mit diesen Bedingungen beschäftigt zu sein, muß man schon viele Beweise besonderer Tüchtigkeit abgelegt haben. Auch darf man sich mit dem Saal­ leiter oder Werkmeister nicht schlecht stehen; es findet eben vielfach eine Bevorzugung statt. Von mir kann ich ja das nicht behaupten, denn ich war zwei Jahre im Handbetrieb beschäftigt, als ich das Ansuchen stellte, mir eine andere Arbeit zu geben, und da wurden mir noch Schwierig­ keiten gemacht, weil der kaufmännische Leiter mir nicht gewogen war. Das Einarbeiten in diese neue Beschäftigungsart siel mir weiter nicht schwer, da ich im Laufe der Jahre genügend Einblick in die Fabrikationsweise dieses Artikels gewonnen hatte. Auf Ihre Frage, ob es einen Zweck hat, daß der Arbeiter seinen Ort oft wechselt, kann ich Ihnen er­ widern, daß es lediglich auf die wirtschaftlichen Verhältnisse ankommt. Ist ein junger Kollege an einem Ort beschäftigt, wo die Schuhindustrie vorherrschend ist, hat er auch ein gutes Auskommen, denn er braucht sich nicht alles bieten zu lassen. Es ist ja noch Arbeitsgelegenheit vorhanden. Ist er aber älter, dann ist er gezwungen dazubleiben, wenn nicht eine Entlassung wegen Arbeitsmangel oder andern Verhältnissen dazwischen kommt. Also, kurz zu sagen: in den meisten Fällen ist es Zwang, ver­ ursacht durch den Arbeitgeber, daß der Arbeiter den Ort seiner Tätigkeit verlassen muß. Auch hat es vom Standpunkte des Arbeiters, gleichviel ob jung oder alt, keinen Zweck, wenn er seine Stelle viel wechselt. Ich hatte persönlich Gelegenheit, einen Arbeiter zu beobachten, der neu hinzu­ gekommen war und das erstemal in einer Schuhfabrik beschäftigt wurde. Er kam aus einem Sägewerk und war froh, daß er Arbeit hatte. Er wurde solange bearbeitet, bis er wieder draußen war. Zuerst wurde er beim Ledertransport verwendet, dann wurde er versuchsweise an ^iner

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Die Erfurter Schuharbeiterschaft.

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Maschine beschäftigt und hierbei machte sich bei ihm die Einwirkung der schlechten Luft und des Staubes bemerkbar, da er ja in seiner vorigen Arbeitsstelle fortwährend in frischer Luft gewesen war. Infolgedessen ging es nicht so, wie es von der Betriebsleitung verlangt wurde, er wurde einfach für untauglich erklärt und bei nächster Gelegenheit — er hatte sich mal erheblich an der Hand verletzt und kam wieder aus dem Kranken­ hause, wohin er zur Heilung gekommen war — entließ man ihn, indem erklärt wurde: Wir haben jetzt keine Arbeit für Sie. Zeit zum Ein­ arbeiten hatte man ihm aber auch nicht gelassen. An seine Stelle war ein jugendlicher Arbeiter getreten, 17 Jahre alt; er selbst war 27, also schon zu alt. Lohn war 22 Mk. Die Arbeitsmethoden sind ja in jeder Abteilung so verschiedene. Ich glaube ganz bestimmt, daß wenn ein Arbeiter, der meinetwegen einige Jahre nur eine Arbeit verrichtet hat und plötzlich beauftragt wird, in einer ganz anderen Abteilung eine Arbeitsleistung zu vollbringen, von der er wenig oder gar nichts versteht, selbst glaubt, er eignet sich nicht dazu, denn die ersten Eindrücke sind ja auch so, ich habe das persönlich durchgemacht. Da sind verschiedene Um­ stände, die einem zu der Annahme zwingen, so die fortwährende Beobachtung durch den Betriebsleiter oder Werkführer. Es entsteht durch das Neue und Ungewohnte eine gewisse Ängstlichkeit, es passieren ihm mehr Fehler, als ihm lieb ist. Und er wird von dem beobachtenden Vorgesetzten für ungeeignet erklärt, die Zeit zu einer genügenden Ausbildung wird ihm nicht gelassen; es geht nicht alles schnell genug. Ich bin in meiner fünf­ jährigen Beschäftigungsdauer vielen Mißständen begegnet. Zuerst das Fehlen eines unparteiisch verwalteten Arbeitsnachweises; denn wenn man heute in einer Schuhfabrik Arbeit haben will, muß man sich auf Pro­ tektion oder die nähere Bekanntschaft mit irgendeinem Angestellten verlassen. Auf die kommt es vielfach an, ob man Arbeit bekommt oder nicht. Auch das ist ein Mißstand, wenn nach Abflauen des Geschäfts­ ganges mit allen Mitteln versucht wird, einen Teil der Arbeiterschaft los zu werden.

Schlußwort. In den individuellen Äußerungen der Erfurter Schuharbeiter kommt eine allen gemeinsame skeptische Grund st immung zum Ausdruck.

Die Arbeiter können für sich das, was man im bürgerlichen Leben „sein

Glück machen" heißt, nicht in Anspruch nehmen.

Selbst diejenigen, die

nach mancherlei Orts- und Stellenwechsel es zu besserem Verdienst gebracht haben, halten diesen Gewinn im Vergleich mit den aufgewendeten Mühen nicht für angemessen.

Ferner waren auch nur die zu Wort gekommen,

die etwas zu erzählen wußten.

Alle anderen haben geschwiegen.

Der Erfurter Schuharbeiter teilt mit vielen anderen Industriearbeitern dasselbe Verbrauchsschicksal, wie es Alfred Weber nennt; in den

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Richard Watteroth.

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40er Jahren läßt seine Leistungsfähigkeit nach, und er ist nicht mehr

imstande, sich auf die Kraft seiner Hände und Nerven zu verlassen, um sich durchs Leben zu schlagen. Die Arbeitszerlegung, die sich im Laufe der schuhindustriellen Entwicklung immer systematischer ausbildete, schafft ja erst die Grundlage

zu einer für den Unternehmer rationellen Ausnutzung der mensch­ Es gelingt ihm hierdurch, sich von Kräften,

lichen Arbeitskraft.

die eine berufliche Vorbildung genossen haben und deren eigentliche Be­ tätigung „universell" gerichtet ist, zu emanzipieren.

Er erzieht sich aus

jungen Burschen, die mit 14 Jahren in die Fabrik kommen, routinierte Teilarbeiter, die nun, wenn sie nicht ein eigner Drang

oder irgendein

Zufall zum Arbeits- oder Ortswechsel zwingt, ganz und gar mit einer

Dem Umstand, daß durch den Verdrängungs­

Teiloperation verwachsen.

prozeß des Handwerks auch handwerkliche Elemente in die Fabriken ein­

zogen, war es zu danken, daß wir das Webersche Wort von dem Klebe­ schicksal des Arbeiters nicht in dieser absoluten Form auf unsere Unter­

Wer vorher in der Lehre eines Meisters

suchung anzuwenden brauchten.

war, wen die Wanderlust von einer Fabrik zur anderen, von einem Ort

zum anderen führte, hat sich auch ein höheres Maß allgemeiner An­

passungsfähigkeit erworben.

von

Organisation

und

Er wird angesichts der imponierenden Größe

Technik

in

modernen

schuhindustriellen Unter­

nehmungen

nicht ängstlich und zaghaft.

und Mut.

Er getraut sich auch eher eine ihm

zu übernehmen.

Er hat mehr Entschlossenheit

bislang fremde Arbeit

Nur von einem der Arbeiter, die Biographien geschrieben

haben, wurde auf diesen Vorteil hingewiesen.

Es ist ein Vorteil, der

dem einzelnen durch die Zufälligkeiten einer wechselvollen Wanderschaft

erwächst.

Doch mancher Arbeiter, der den Willen hat, sich fortzubilden,

wird nicht immer einen Erfolg verbuchen können; denn ständig ist er von

den Schwankungen der Konjunktur und den immer neuen Veränderungen auf dem Arbeitsmarkte abhängig.

Der Arbeitsmarkt für die Schuharbeiter ist deswegen so

veränderlich,

weil

es

an

geleiteten Arbeitsmarktpolitik

irgendeiner, von

fehlt.

irgendwelcher

Erstes Erfordernis

Stelle

aus

einer Arbeits­

marktpolitik, die den einzelnen vor Verlusten an Zeit und Lohneinkommen

schützt, wäre die Errichtung von paritätischen Arbeitsnachweisen und die Herausgabe von Woche für Woche in allen Schuhindustrieorten Deutsch­

lands erscheinenden objektiven Arbeitsmarktberichten.

Durch sie würden

alle Willkürlichkeiten in den Arbeitereinstellungen ausgeschaltet. sie

würde

erst das

erreicht

werden,

was

das

Ideal

einer

Durch

Arbeits-

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Die Erfurter Schuharbeiterschaft.

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Marktpolitik sein müßte, nämlich eine Auslese der Schuharbeiter­ schaft. Angesichts der Arbeitsintensität, die in den Schuhfabriken herrscht,

müssen wir von vornherein damit rechnen, daß nur bis zu einem gewissen Alter der Schuharbeiter leistungsfähig ist.

Wir

müssen

damit

ferner

rechnen, daß von dem Zeitpunkte an, wo der Arbeiter sich verheiratet,

er auf die Freizügigkeit verzichten muß. in vielen Fällen auch fabrikansässig.

die Unterhaltung

das Lohneinkommen

Er wird ortsansässig und

Er heiratet in den Jahren, wo ihm

einer

Familie

gestattet.

Wenn

nicht, so ist auch die Frau gezwungen, durch Fabrikarbeit mit zum Unter­ halt der Familie beizusteuern.

Jedenfalls sind aber die Jahre der Heirat

auch die Jahre, wo der Arbeiter seine Leistungsfähigkeit voll ausgebildet

hat.

Bis zu diesem Zeitpunkt hat es sich auch entschieden, welche Tätigkeit

der Arbeiter in der Fabrik ausübt, in welchem Fache er sich qualifiziert

Bis dahin hat er es in der Hand, auf irgendwelche Weise, durch

hat.

Wanderschaft, durch Vorwärtsstreben, durch Besuch irgendwelcher Fach­

unterrichtskurse, von denen ein Arbeiter in seiner Biographie berichtete,

Die Differenzierung und Qualifizierung des Schuh­

sich zu qualifizieren.

arbeiters, die durch die moderne Schuhfabrikorganisation geboten ist, fällt die Zeit der

Sie sind

in die 20er Jahre.

ersten

Auslese.

Eine Arbeitsmarktberichterstattung würde gerade für alle diejenigen, die

in der Zeit der ersten Auslese stehen, von bedeutendem Werte sein.

Welcher Lohn wird dafür gezahlt?

ist Arbeit zu finden?

dorthin zu gehen?

Wo

Lohnt es sich,

Sind die Arbeitsverhältnisse derart, daß ein längeres

Verbleiben möglich gemacht wird?

Diejenigen aber, die in der Fabrik verbleiben, sind an einer möglichst langen

Erhaltung

ihrer

arbeitsunfähig werden!

Arbeitskraft interessiert.

Nur

alt

und

Doch die älteren Elemente verschwinden.

Es

nicht

tritt die zweite Auslese der Arbeiterschaft in Erscheinung: die Alters­ auslese.

Sie ist

unausbleiblich.

Wohl kann sie gemildert werden,

wenn der Kräfteverbrauch des Arbeiters verlangsamt wird, wenn ihm durch Ferien und bessere Entlohnung die Möglichkeit geboten wird, die

Körperkräfte immer wieder aufzufrischen. Aber trotzdem —, was soll aus dem alten Arbeiter werden? Hier würden Überlegungen am Platze sein, um nicht nur in der Schuhfabrik, sondern in allen Gewerbezweigen die­ jenigen Arbeitsverrichtungen von

vollkräftigen

allen

denen

zu

sondieren,

die

nicht

unbedingt

von

brauchen.

Es würden auf diese Weise Arbeitsplätze geschaffen, die von

Akkordärbeitern

älteren Leuten eingenommen werden könnten. Schriften 153.

I.

vorgenommen

zu

werden

Auch für diese Stellen 9

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130

Richard Watteroth.

Die Erfurter Schuharbeiterschast.

wäre eine Arbeitsvermittlung, die alle Willkürlichkeiten ausscheidet, wohl am Platze, und das Elend derer, die weder vom Fabrikanten noch von

den Kindern im Alter einen Gnadengroschen beziehen, wäre etwas gemildert. Daß im Zusammenhang hiermit auch die Leistungen der Altersversicherung noch vieles zu wünschen übrig lassen, ist in Polemiken und sozialpolitischen Erörterungen vielfach betont worden und bedarf an dieser Stelle keines

besonderen Hinweises. Indem wir den Auslesegedanken in dieser allgemeinsten Form akzep­ tieren, können wir uns nicht der Tatsache verschließen, daß es sich hierbei nur um äußerst grobmaschige Vorgänge handelt.

Es sind die Erscheinungen

der Differenzierung und Qualifizierung, die das berufliche

Schicksal des Erfurter Schuharbeiters

bestimmen:

Differenzierung der

Arbeiterschaft geschieht durch die Arbeitszerlegung in Teilarbeiten, die in den fünf Fabrikabteilungen verschiedenfach Anwendung finden;

zierung der Arbeiterschaft — durch

Qualifi­

die Arbeitsintensität, die in

den

einzelnen Fabrikabteilungen verschieden groß ist. Eine bewußt durchgeführte Auslese der Arbeiter gibt es nicht.

Sie

würde ein engeres Zusammenarbeiten der auf dem Arbeitsmarkt ausschlag­

gebenden Faktoren erfordern, von Unternehmern und Arbeitern.

Da die

Interessen der beiden Gruppen öfter divergieren als konform gehen, ist eine Verständigung beider Parteien nicht so leicht gegeben.

Arbeitsvermittlung,

Nur eine

die alle Willkürlichkeiten ausschaltet, eine humane

Behandlung der Arbeiter wird die Gegensätze ausgleichen.

Eine bewußt

durchgeführte Auslesepolitik ist nur möglich als einheitliche Regulierung

des Arbeitsmarktes.

Ihr Ziel

heißt nicht

rationelle Ausbeutung

menschlichen Arbeitskraft, sondern lautet: Arbeit für alle, Brot für alle!

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der

Die soziale Lage der seßhaften Arbeiterschaft

eines oberschlesischen Walzwerkes. von

0n. Zrie-rich Syrup, Gleiwitz.



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Inhaltsverzeichnis. Seite

I. Einleitung.............................................................................................................133

II. Rückblick auf die soziale Lage der Bevölkerungsschichten, ans denen die Väter und Großväter unserer Arbeiter stammen.......................... 135 Verschiebungen in den Berufen der Großväter und Väter.............................141 Zusammenhang zwischen den Berufen der Vorfahren und dem Lebens­ alter der Arbeiter.................................................................................................143

Zusammenhang zwischen Herkunft und Lebensalter der Arbeiter ...

144

Zusammenhang zwischen den Berufen der Väter und denen der Arbeiter

145

Zusammenhang zwischen Nationalität und Berufsschicksal............................. 147

Zusammenfassung der Feststellungen über die Herkunft der Arbeiter

.

149

HI. Die Arbeitsverhältnisse.....................................................................................149 Die Technik des Walzprozesses................................................................................... 149 Die Tätigkeit der einzelnen Arbeitergruppen....................................................... 151 Die Lage der regelmäßigen täglichen Arbeitszeit.............................................. 154 Die Dauer der regelmäßigen täglichen Arbeitszeit.......................................... 156 Der Umfang der Überstunden................................................................................... 159

Der Ausbildungsgang der eigentlichen Walzwerksarbeiter............................ 164 Der Ausbildungsgang der beschäftigten Handwerker.......................................... 167

Die Gesundheitsgefahren der Walzwerksarbeit................................................... 169 Die Unfallgefahren der Walzwerksarbeit................................................................. 170 Zusammenhang zwischen Betriebseinflüssen und Lebensalter.................. 174

Zusammenhang zwischen Lebens- und Dienstalter sämtlicher Arbeiter .

176

Der Dienstaltersaufbau der Arbeiter..................................................................... 177 Die Entlohnung der Arbeiter

.

...........................................................................180

Die Pensions- und Unterstützungskasse des Werkes.......................................... 190 Die Einstellung des Puddelbetriebes und der Einfluß dieser Maßnahme

auf das Berufsschicksal der früheren Puddeleiarbeiter............................. 194

IV. Die Lebensführung der Arbeiter.....................................................................197 Die Lage der Wohnorte der Arbeiter..................................................................... 197 Die Wohnungen der Arbeiter................................................................................... 199 Die landwirtschaftliche Nebenbeschäftigungder Arbeiter....................................200 Der Familienstand der Arbeiter.............................................................................. 203

Die Geburtenzahl in den Arbeiterfamilien............................................................205 Die Killdersterblichkeit in den Arbeiterfamilien................................................... 206 Nebenbeschäftigung der Ehefrauen.............................................................................. 208 Die Berufe der erwachsenen Töchter..................................................................... 209 Die erwerbstätigen Söhne der Arbeiter.................. .... ......................................... 210

Zusammenfassung der Feststellungen über die Lebensführung.................. 217

V. Schlußwort.............................................................................................................218

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133

I.

Einleitung. Die vorliegende Untersuchung einer industriellen Einzelunternehmung erfaßt die Arbeiterschaft eines Feineisen Walzwerkes

schlesischen

Jndustriereviers.

eisenwalzwerk",

drei

Die

„Jndustrierevier",

ober­

des

Stichworte

„Fein­

„Oberschlesien"

geben

bereits technische wie geographische Anhaltspunkte, in welche Arbeiter­ verhältnisse die folgenden Auslassungen einzudringen versuchen wollen. Zunächst industrie,

der

haben

wir ein Werk einer gänzlich geschlossenen Groß­

G r o ß ei sen i n d u st r ie

„Großeisenindustrie"

vor

uns.

Der Sammelname

umfaßt die verschiedensten Zweige des Eisenhütten­

wesens, vom Hochofen, in dem die Eisenerze verhüttet werden, anfangend, über die Stahlwerke, in denen das aus dem Hochofen erblasene Roheisen

in schmiedbares Eisen verwandelt wird, bis zu den Walzwerken, in denen der Schmiedeisen- und Stahlblock zur Handels- und Gebrauchs­ ware umgeformt wird.

Natürlich schließt

der Begriff

„Walzwerk"

wiederum eine große Zahl voneinander verschiedener Betriebsarten in sich, je nachdem die Enderzeugnisse des Walzprozesses Panzerplatten, Eisen­

bahnschienen, Bandagen, Ketten, Fein ei sen, Draht oder dergleichen sind. Unsere Untersuchung greift also aus dem weilen Gebiet der Großeisen­

industrie und aus der enger begrenzten Betriebsart der Walzwerke einen Sonderbetrieb, nämlich ein Feineisenwalzwerk heraus.

Das zweite Stichwort „Jndustrierevier"

deutet an, daß wir

bei unseren Untersuchungen nicht ein vereinzeltes Hüttenwerk erfaßt haben, sondern daß das Feineisenwalzwerk in einem Gebietsteil gelegen ist, in dem die Industrie vorherrscht.

Abgesehen von einigen bedeutenden Eisen­

werken, wie z. B. die Jlseder-Peiner Werke und die Georgs-Marien­

hütte in der Provinz Hannover, die Maximilianshütte in Bayern, das Eisenwerk Kraft bei Stettin, konzentriert sich die deutsche Großeisenindustrie auf folgende Gebiete, die nach der Höhe der Roheisenerzeugung hier auf­ geführt

sein

mögen:

Niederrhein

und

Westfalen,

Saargebiet

nebst

Lothringen und Luxemburg, Oberschlesien, Siegerland und Nassau. Die Feststellung, daß unser Feineisenwalzwerk in einem Industriegebiet

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Friedrich Syrup.

134

und insbesondere in einem Industriegebiet mit ausgesprochener Eisenhütten­

industrie liegt, ist wichtig, da vereinzelt gelegene Hüttenwerke zumeist be­ sonders eigenartige Arbeitsverhältnisse aufweisen, während innerhalb eines

Jndustriebezirkes die Arbeitsverhältnisse gleichartiger Werke ähnlich sind. Unter Oberschlesien endlich versteht man allgemein jene kontinen­

tale Halbinsel, die sich im Osten des Deutschen Reiches bis an die DreiKaiser-Ecke zwischen Rußland und Österreich einschiebt. Für unsere Zwecke brauchen wir jedoch nicht das ganze Oberschlesien, wie es politisch in dem

Regierungsbezirk

Oppeln

vereinigt

ist,

Jndustrierevier ins Auge zu fassen.

sondern

nur

das

sogenannte

Dieser Landschaftsname ist ein

wirtschaftsgeographischer Begriff, der sich seit etwa 50 Jahren eingebürgert hat,

und

unter

dem ein ziemlich genaues Dreieck mit Eckpunkten in

Tarnowitz, Gleiwitz und Myslowitz zu verstehen ist.

Gruben und Hütten­

werke und andere industrielle Betriebe, von denen sich einer an den anderen reiht, drücken der Gegend ihren Stempel auf.

Land- und Forstwirtschaft

treten zurück hinter der Ausbeutung und Verwertung der Bodenschätze. Wald und Feld mit ihrem frischen Grün verschwinden fast. Überall sind

kleinere oder größere Siedelungen vorhanden, da jede Grube und jedes

Hüttenwerk

ein

eigenes

Arbeitskräfte bildet.

Krystallisationszentrum

für die

angeworbenen

Ein dichtes Gewimmel von menschlichen Ansiede­

lungen, das von einem engen Eisenbahnnetz überspannt ist.

Kurz, ein

Industriegebiet, ähnlich denen des Westens, doch an Wohlstand und Kultur hinter jenen zurückstehend. Die folgenden Ausführungen können und sollen kein typisches Bild

vom Berufsschicksal der Eisenhüttenarbeiter geben.

Dazu ist die Zahl der

Arbeiter, auf die sich die Untersuchung erstreckt, zu gering; auch die Be­ schränkung

der Erhebungen

auf Arbeiter

mit

einem Dienstalter

von

mindestens zehn Jahren läßt eine Verallgemeinerung nicht zu, da der hohe Prozentsatz der fluktuierenden Arbeiterschaft nicht berücksichtigt wurde.

Zudem ist das untersuchte Werk selbst kein typisches Eisenhüttenwerk mit

den verschiedensten Betriebsarten, sondern ein reines Walzwerk, das alle ungünstigen wirtschaftlichen Eigenheiten dieser Betriebe im hohen Maße

aufweist. Die

vorliegenden Erhebungen wurden durch die gelegentliche Be­

obachtung angeregt, daß in dem Walzwerke, auf das sich unsere Unter­ suchungen erstrecken, eine große Zahl älterer Arbeiter vorhanden war, die

seit Jahrzehnten ihre Arbeitsstelle nicht gewechselt hatten.

Infolgedessen

ist bei diesen Arbeitern eine ganze Reihe von Faktoren, die auf das Be-

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Die soziale Lage der seßhaften Arbeiterschaft eines oberschles. Walzwerkes.

135

rufsschicksal einzuwirken vermögen, ausgeschaltet, so daß die übrigen Ein­ flüsse weniger verwischt in ihren Wirkungen zutage treten.

Der Endzweck der Untersuchung besteht darin, unter besonderer Be­ rücksichtigung der Vorfahren und Kinder unserer Arbeiter einen Einblick

in deren soziale Lage zu gewinnen, insbesondere festzustellen, ob im Ver­

laufe der Lebenszeit mehrerer Generationen ein Aufschwung, ein Rück­ gang oder ein Beharrungszustand der wirtschaftlichen Verhältnisse ein­

getreten ist. Bei diesem Zweck der Untersuchung ist die Stoffanordnung von vorn­

herein gegeben.

Es wird zunächst die Herkunft unserer Arbeiter und der

Einfluß der Herkunft auf ihr Berufs- und Lebensschicksal zu ermitteln

sein.

Alsdann ist die soziale Lage unserer Arbeiter eingehend zu be­

handeln, und endlich ist festzustellen, welche Entwicklung die wirtschaft­ lichen Verhältnisse der Kinder unserer Arbeiter genommen haben.

Natur­

gemäß muß bei allen diesen Erörterungen der Eigenart der oberschlesischen Bevölkerung

besonders

Rechnung

getragen werden,

und so sind diese

Untersuchungen vielleicht geeignet, das Interesse an diesem wirtschaftlich wie kulturell eigenartigen Grenzlande zu beleben.

II.

Rückblick aus die soziale Lage der Bevölkerungs­ schichten, aus denen die Väter und Großväter unserer Arbeiter entstamme^. Zunächst soll die Herkunft der einzelnen Hüttenarbeiter in die Unter­ suchung

einbezogen

werden.

Insbesondere

soll

versucht werden,

fest­

zustellen, ob die Berufe von Großvater und Vater auf das Berufsschicksal

des Arbeiters von Einfluß gewesen sind.

Zu diesem Zwecke ist es not­

wendig, die damalige soziale Lage jener Bevölkerungsschichten, aus denen die Großväter und Väter unserer Arbeiter heroorgegangen sind, kurz zu

streifen.

Ein derartiger wirtschafts-geschichtlicher Rückblick * ist bei der Be­

arbeitung der vorliegenden Untersuchung schon deshalb nötig, weil die Er­

hebungen Berufsarten der Vorfahren zutage förderten, die jetzt nicht mehr ausgeübt werden.

Die notwendige Nachprüfung dieser Angaben mußte

zu einem geschichtlichen Rückblick auf die Entwicklung von Landwirtschaft * Dabei wurde die wertvolle Bücherei des Oberschlesischen Museums in Gleiwitz und des ihm angegliederten Wirtschaftsarchives benutzt.

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Friedrich Syrup.

136

und Industrie in Oberschlesien führen. ein

war jedoch

wichtigerer Grund

noch

Für den geschichtlichen Rückblick maßgebend.

Prüft

man all­

gemein die Arbeiterstammrollen größerer industrieller Werke auf die Ge­ burtsorte ihrer Arbeiter, so wird man größtenteils Arbeiter aller deutschen Gaue unter der Arbeiterschaft des einzelnen Werkes antreffen.

legschaften wiegend

oberschlesischen

der

der

Hüttenwerke

oberschlesischen Bevölkerung.

entstammen

Neben

nur ausländische Arbeiter in größerer Zahl auf.

Die Be­

dagegen

ihnen

über­

treten zumeist

In unserem Hütten­

werke liegen die Heimatsverhältnisse der Belegschaft so, daß die unter­ suchten Arbeiter mit verschwindenden Ausnahmen aus der oberschlesischen Bevölkerung hervorgegangen sind und alle typischen Kennzeichen des ober­

schlesischen Arbeiters aufweisen.

Zum richtigen Verständnis dieser Eigen­

schaften, welche die Berufsschicksale der oberschlesischen Arbeiter beeinflussen, ist aber ein kurzer geschichtlicher Rückblick an Hand der Herkunftsermitt­ lungen unserer Untersuchung nötig. kultureller

und

sozialer

Oberschlesien weist in wirtschaftlicher,

Hinsicht solche

Abweichungen

sowohl von

der

übrigen Provinz Schlesien, als auch von der preußischen Monarchie all­

gemein auf, daß die Kenntnis dieser Eigenheiten zur Gewinnung eines richtigen Standpunktes für die Beurteilung unserer Untersuchungsergeb­

nisse nötig ist. Von den 253 Arbeitern, auf die sich die Untersuchung

erstreckte,

tonnten 131 den Beruf ihrer Großväter männlicher Linie angeben.

Nach

diesen Angaben waren

74 in der Landwirtschaft tätig gewesen,

.

24 waren Handwerker, 23



Hüttenarbeiter,

8



sonstige Arbeiter,

1 war Kaufmann, 1



Landschaftssyndikus gewesen.

Die genauere Kennzeichnung der Stellung der Großväter, die in der Landwirtschaft tätig gewesen sind, war der größeren Zahl der befragten

Arbeiter nicht möglich.

Nur einige vermochten genau anzugeben, daß die

Großväter Dominialarbeiter, Häusler, Robotgärtner, Halbgärtner, Wald­ arbeiter

gewesen seien.

Im Hinblick auf die Lage der oberschlesischen

Bauern und Landarbeiter ist diese Differenzierung auch ziemlich unerheb­

lich.

Die Lage des gesamten oberschlesischen Landvolkes war, wie uns

Berichte aus dem 18. Jahrhundert zeigen, außergewöhnlich kläglich. Schon die Bauern, unter denen nur sehr wenig Freibauern auf ziemlich gering­

wertigen Gütern saßen, seufzten meist unter der Last unklar begrenzter

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Die soziale Lage der seßhaften Arbeiterschaft eines oberschles. Walzwerkes.

137

Roboten, die ihnen bei ausgedehntem Besitz dessen Bestellung, bei be­ engtem

das Erkämpfen

des Lebensunterhaltes erschwerten.

Die Frei­

gärtner verfügten über einen meist nur 2—4 Scheffel, seltener 12 bis

20 Scheffel Aussaat fordernden Grund und Boden, mußten einen Natural­ oder Geldzins

abführen

und

meist

eine bestimmte Zahl von (4—20)

Arbeitstagen zur Erntezeit, bisweilen auch andere Dienste leisten.

Die

Robotgärtner waren, wiewohl ihr Gütchen oft groß genug war, um das Halten

eines Gespanns zu fordern, meist außerstande, für die Pflege des eigenen Besitzes und eigenen Erwerb wirksam zu sorgen, weil sie übermäßig durch Sie hatten nicht nur gegen

Hofdienste in Anspruch genommen waren.

einen Naturalanteil beim Gutsherrn die Ernte und das Dreschen des

Getreides zu übernehmen, sondern mußten mehrere, bisweilen alle sechs Tage der Woche mit zwei Personen dienstbereit bei der Herrschaft sich

einstellen gegen winzigen Lohn oder Deputat.

Noch ungünstiger war die

wirtschaftliche Lage des dienstpflichtigen Häuslers, der ein kleines Haus ohne Land besaß, und der in Gutswohnungen untergebrachten Dominialarbeiter.

Das Los

des

dienstpflichtigen Landvolkes wurde meist ver­

schlimmert durch den Mangel eines

festen

erblichen Anrechts

auf die

Nutzung des Bodens, den es bebaute. Manchen vertrieb ein einfacher Machtspruch des Gutsherrn, andere die unbillige Überspannung der Lasten von seinem Besitz.

Dieser weitgehenden Unsicherheit des Besitzes standen

doppelt empfindlich gegenüber die Gebundenheit an die Scholle und die Erbuntertänigkeit, welche den Gutsherren nicht nur die Bestimmung über die Wahl des Wohnsitzes seiner Untertanen und die Gewähr oder das

Versagen der Genehmigung zur Begründung eines Hausstandes anheim­ stellte, sondern ihn auch ermächtigte, sein Hofgesinde aus seinen Unter­ tanen

auszuheben.

Für

die Ausführung

aller

dieser Rechte lag eine

große Verführung zur Willkür darin, daß dem Gutsherrn auch die Ge­ richtsbarkeit und die Polizeigewalt über seine Untertanen zustand.

Friedrich der Große versuchte allerdings diesen ungesunden Verhält­ nissen entgegenzutreten.

Seine Bemühungen beschränkten sich jedoch vor­

nehmlich darauf, zu verhindern, daß die in Kriegsnot verödeten Bauern­ güter nicht einfach von der Gutsherrschaft eingezogen wurden.

Für die

Milderung des Druckes der Roboten und der Erbuntertänigkeit geschah

nichts.

Allerdings fiel 1807 auch in Oberschlesien die Erbuntertänigkeit,

doch das Regulierungsedikt von 1811, das den dienstpflichtigen Bauern und Gärtnern gegen Abtretung von einem Drittel des erblichen Besitzes und einer Hälfte des PachUandes die Anerkennung des freien Eigentums

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Friedrich Syrup.

138

und die Befreiung von den Dienstleistungen bringen sollte, fand auf

Oberschlesien nur beschränkte Anwendung.

Die Großgrundbesitzer Ober­

schlesiens wußten es durchzusetzen, daß die Robotgärtner ihr Land bis auf drei bis vier Morgen an die Grundherrschaft verloren und nur diesen

Rest als freies Eigentum behalten sollten unter Verzicht auf das Anrecht an Bauholz,

Der Gewinn der Reform ver­

Waldweide, Waldstreu.

wandelte sich also für diese Klasse zum selbständigen Wirtschaftsbetrieb be­

fähigter Landwirte in ein Hinabsinken zum Range ärmlicher Häusler mit ganz unzulänglicher Besitzgrundlage.

Auch später gelang es den Vor­

stellungen der Grundherren, die Regulierung auf die wenigen großen

Bauern

zu

Abgesehen

beschränken.

von ihnen kamen 1827—1846 in

Oberschlesien nur zehn Regulierungen zustande.

Noch am Ende des Jahres

1848 standen 4300 größeren kraft der Regulierung in freies Eigentum

übergegangenen Höfen 28—29 000 handdienstpflichtige Stellen gegenüber. Die nunmehr mit Nachdruck einsetzende Agrarreform brachte naturgemäß

so viele Erschütterungen mit sich, daß mancher kleine Landwirt in der Übergangszeit zugrunde ging.

Diese kümmerliche wirtschaftliche Lage der Landbevölkerung hat auch auf

die späteren,

schäftigten

aus ihnen hervorgegangenen als Hüttenarbeiter be­

Geschlechter

so

nachhaltend

eingewirkt,

daß

wir

manche

Charaktereigenschaften unserer Hüttenarbeiter nur im Hinblick auf die Her­

kunft ihrer Vorfahren würdigen können.

Die Erhebungen

über den Beruf der Großväter weisen neben den

74 in der Landwirtschaft tätigen Vorfahren noch 24 Handwerker auf. Unter ihnen finden sich vornehmlich Schmiede, Zimmerleute, Schuhmacher,

Böttcher und Sattler.

Sie haben überwiegend ihren Beruf auf dem

Lande ausgeübt, so daß sich ihre soziale Lage nur wenig günstiger als die der Landbevölkerung gestaltet haben wird.

Mehr interessiert uns die Feststellung, daß 23 der Großväter bereits

in Eisenhüttenwerken tätig gewesen sind.

Vorausbemerkt sei dazu, daß

keiner der von diesen 23 Großvätern entstammenden Väter unserer Arbeiter einen anderen Beruf als den des Hüttenarbeiters eingeschlagen hat.

Wir

haben also bei 23 unserer Arbeiter eine durch drei Generationen währende, gleichartige

Jndustriearbeit

vor

uns.

Dabei

stößt

zunächst die

all­

gemeine Frage auf, ob in Oberschlesien neben der landwirtschaftlichen Be­

tätigung eine industrielle Beschäftigung der Bevölkerung seit Jahrzehnten vorhanden gewesen ist.

Für die drei ausschlaggebenden Industrien Oberschlesiens geben uns

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Die soziale Lage der seßhaften Arbeiterschaft eines oberschles. Walzwerkes.

folgende Zahlen Auskunft.

139

Beim Beginn des 19. Jahrhunderts waren

in Oberschlesien 18 Steinkohlengruben vorhanden, in denen 619 Arbeiter

beschäftigt wurden.

Im Jahre 1800 wurde der erste Zinkdestillationsofen

in Betrieb genommen.

Von diesen beiden Industrien waren also am

Anfang vorigen Jahrhunderts nur bescheidene Ansätze vorhanden.

Etwas

anders lagen die Verhältnisse in der uns hier besonders interessierenden

Eisenhüttenindustrie, deren Entwicklung wir kurz streifen wollen. Die Kunst der Eisendarstellung aus Erzen wurde in Oberschlesien seit Jahrhunderten

bereits

von

geübt.

Urkunden

aus

dem Jahre 1365

brauchsgegenstände

aus

Eisen.

Die

eigentliche

Eisengewinnung

jedoch erst mit dem Beginne des 18. Jahrhunderts ein.

meter

von

sprechen

sogenannten Luppenfeuern zur Herstellung häuslicher Ge­

dem Hüttenwerke,

setzte

Wenige Kilo­

dessen Arbeiterverhältnisse uns hier be­

schäftigen, wurde 1703 der erste schlesische Holzkohlenhochofen errichtet. Eisenerz im Boden, Holzreichtum in den Wäldern zur Erzeugung der

Holzkohle, Wasserkräfte an den kleinen Flüssen und Bächen waren die

Grundlagen für diese Eisenerzeugung.

So finden wir, als Friedrich der

Große Besitz von Schlesien genommen hatte, zahlreiche im Privatbesitz

befindliche Holzkohlenhochöfen, Luppen- und Frischfeuer in den Wäldern versteckt.

Allerdings war das in ihnen erzeugte Eisen so minderwertig,

daß

anderen preußischen Provinzen sich gegen die Einfuhr dieses

die

schlesischen Eisens sträubten.

Rasch schuf Friedrich II. hier Wandel durch

Errichtung eines staatlichen Eisenhüttenwerkes in Malapane.

Die ersten

Arbeiter wurden aus dem Mansfeldschen, dem Harz, dem sächsischen und

böhmischen Erzgebirge herangezogen.

Um sie in dem unwirtlichen Ober­

schlesien festzuhalten, mußten ihnen große Freiheiten und Belohnungen

aller Art gewährt werden.

Trotzdem

wurden viele fahnenflüchtig und

mußten durch oberschlesische Arbeiter ersetzt werden, deren Lebensbedingungen

sich durch die neue Tätigkeit wesentlich hoben. Nachstehende Kabinettsorder aus dem Jahre 1755 zeigt uns, welche wirtschaftlichen Vorteile den damaligen Hüttenarbeitern zugebilligt wurden: „Nachdem Se. Königliche Majestät in Preußen, unser allergnädigster Herr und König, aus landesväterlicher Fürsorge, und damit die in Dero Oberschlesischem Wald unterm Amte Oppeln befindlichen, am Malapanestrom und anderen dortigen Gegenden gegen Kreutzberg entdeckten Eisen­ steine nicht ohne Nutzen bleiben, sondern zum Besten der Königlichen Lande und getreuen Untertanen gereichen mögen, bei bedachten Orten ein Eisen­ hüttenwerk anlegen lassen: So haben allerhöchstgedachte Se. Königliche Majestät zu mehrerer Beförderung und Fortgang dieser Werke die dabei bestellten Bedienten und Arbeiter, oder welche künftig noch dabei oder

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140

Friedrich Syrup.

andern Orten etwa noch anzulegenden Eisenhütten und Fabriken an­ genommen werden, mit folgenden Hütten-Freiheiten zu begnadigen für gut befunden: 1. Ist Se. Königlichen Majestät höchster Wille und Befehl, daß von uns jede bei diesen Werken bestellten Bedienten und Arbeiter, so jetzo gegenwärtig sind oder künftig angenommen werden oder sich dazu einfinden werden, von aller Einquartierung, es sei auf vor­ fallenden Märschen oder Routen, desgleichen von allen Abgaben und Diensten, als Kontribution und Nahrungsgeld, auch allen anderen Oneribus, sie haben Namen, wie sie wollen, und bereits angelegt sein oder künftig noch angelegt werden, von nun an und zu ewigen Zeiten, so lange als sie Hütten-Bediente sind, und in Arbeit stehen, exemt sein und bleiben sollen. 2. Wird denen Hütten-Bedienten und Arbeitern das Recht und die Freiheit verstattet, dasjenige, so zu ihrer Notdurft und Speise und sonsten erfordert wird, von solchen Orten in Se. Königliche Majestät Landen kommen zu lassen, wo sie es am besten erhalten können. Das Getränk aber soll von denen, welchen der Bier- und Brannt­ weinverlag zugeschlagen wird, hinlänglich, jedoch um solchen Preis und in der Güte geliefert werden, als es an anderen Orten zu haben ist.--2. Sämmtliche bei diesen Werken bestellten Bedienten und Arbeiter, als Faktor, Controlleure, Schichtmeister, Hochöfner, Schmelzer, Förmer, Feuerarbeiter, Aufgeber, Pocher, Hammerschmiede, aus­ wärtige Steingräber und Köhler oder wie sie sonst Namen haben mögen, und bei diesen Werken bereits angestellt sein oder künftig dabei angenommen werden, sollen neben den Ihrigen von der Werbung und Jnrollirung gänzlich befreit sein und bleiben. 4. Sofern sich einer oder der andere Hüttenarbeiter nach Verfließung der mit ihm bedungenen Zeit nach seiner Heimath oder anderen Landen mit seinem Vermögen, so er mit sich gebracht oder hernach überkommen und in Königlichen Landen bei der Hütte erworben, begeben will, soll ihm solches frei und ungewertet bleiben, und von allem diesen kein Abzug gefordert werden. o. Wollen Se. Königliche Majestät mehr erwähnte Hüttenbedienten und Arbeiter bei diesen ihren Allergnädigst ertheilten Freiheiten und Begnadigungen wider Jedermann, hohen und niedrigen Standes, mit Nachdruck schützen und sie jedesmal, wenn sie darin gedrückt werden, in Dero Höchste Protektion nehmen, dagegen aber dieselben ermahnt werden, sich als treue, ehrliche gehorsame und unverdrossene Hütten-Bedienten und Arbeiter stets zu beweisen.

Urkundlich haben Se. Majestät diese Versicherung Höchst eigenhändig unterschrieben und mit Dero Jnsiegel beidrucken lassen. So geschehen" ... Die Bekundungen unserer ältesten Hüttenarbeiter über die hütten­

männischen Berufe (z. B. Frischmeister, Luppenfeuerarbeiter) ihrer Groß-

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Die soziale Lage der seßhaften Arbeiterschaft eines oberschles. Walzwerkes.

141

väter, deren Lebzeiten in das Ende des 18. Jahrhunderts zurückreichen,

stehen also mit den tatsächlichen damaligen Verhältnissen im Einklang.

Das Jahr 1796 bedeutet insofern einen Wendepunkt in der Geschichte der oberschlesischen Eisenindustrie, als in diesem Jahre auf der König­ lichen Hütte zu Gleiwitz,

7 km von unserem Hüttenwerke entfernt, der

erste mit Koks betriebene Hochofen in Oberschlesien und zugleich auf dem

Kontinent in Betrieb gesetzt wurde.

Dampfkraft maschinen.

Antriebe

der

beim

Bald folgte die Ausnutzung der

Schmelzprozeß

nötigen

Gebläse­

Die Hüttenwerke wurden unabhängig von Holz und Wasser­

Die alten Betriebsstätten gingen allmählich ein.

kraft.

die

zum

ihrem Berufe

treu

wanderung gezwungen.

bleiben wollten,

Die Arbeiter,

waren größtenteils zur Ab­

Nach der Einführung des Kokses als Brenn­

in die Eisenindustrie findet auch eine Veränderung in der Ver­

stoff

arbeitung des Roheisens zu schmiedbarem Eisen statt. alten

Frischfeuer,

an

denen

mehrere

Großväter

Arbeiter tätig waren, tritt der Puddelprozeß.

An Stelle der

und Väter

unserer

An Stelle der alten Zain­

hämmer, mit denen das gefrischte Schmiedeeisen in Handels- und Ge­

brauchsform gebracht wurde, traten, von England kommend, die Stab­ eisenwalzwerke. Die anfangs der vierziger Jahre eintretende Über­ schwemmung Deutschlands mit schottischem Roheisen, das in Oberschlesien

zu

5—15 Mk.

unter

den

oberschlesischen Gestehungskosten

wurde, führte 1844 zur Einführung des Roheisenzolles. eisenzoll,

angeboten

Dieser Roh­

die umfangreichen Eisenbahnbaulen und der Aufschwung der

Maschinenindustrie veranlaßten im nächsten Jahrzehnt die Gründung der meisten großen oberschlesischen Eisenhüttenwerke,

darunter auch unserer

Hütte.

Aber

können.

auch der oben erwähnte Puddelprozeß hat sich nicht halten Wie überall ist er auch in Oberschlesien durch die Flußeisen­

erzeugung verdrängt.

Auch hierfür gibt unser Hüttenwerk ein Beispiel;

wir werden bei der Verfolgung des Berufsschicksals mancher Arbeiter auf eine frühere Beschäftigung in der jetzt außer Betrieb gesetzten Puddelei

stoßen.

Verschiebungen in den Berufen der Großväter und Väter. Nach diesen Auslassungen wirtschaftsgeschichtlicher Vergangenheit liegt die Vermutung nahe, daß ein Großteil unserer Hüttenarbeiter aus land­ wirtschaftlichen Verhältnissen

stammt.

Die außergewöhnlich ungünstige

Lage des Landvolkes und das Aufblühen der Eisenhütten mit besseren

Arbeitsbedingungen gab naturgemäß einen kräftigen Anreiz für die Be-

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142

Friedrich Syrup.

völkerung,

der

von

landwirtschaftlichen

Beschäftigung

zur Hüttenarbeit

überzugehen.

Die Erhebungen bestätigen diese Vermutung. Auf Seite 136 war bereits festgelegt, daß von den 131 Großvätern, deren Berufe einwandfrei zu ermitteln waren,

74 Landarbeiter,

24 Handwerker, 23 Hüttenarbeiter,

8 sonstige Arbeiter (Bahn-, Ziegelei-, Brettmühlenarbeiter), 1 Kaufmann,

1 Landschaftssyndikus waren.

Von denselben 131 Arbeitern, bei denen die Berufe der Großväter ermittelt wurden, hatten sich die Berufe der Väter gegenüber denen der

Großväter folgendermaßen verschoben: 43 Landarbeiter (— 31), 16 Handwerker (— 8),

60 Hüttenarbeiter (4- 37),

10 sonstige Arbeiter (-4 2),

1 Schleusenmeister (Sohn des Kaufmanns), 1 Referendar (Sohn des Landschaftssyndikus).

Wir ersehen aus der Gegenüberstellung, wie etwa die Hälfte der Landarbeiter und Handwerker in der zweiten Generation zu anderen Be­

rufen übergegangen ist, und wie sich die Zahl der Hüttenarbeiter mehr als verdoppelt hat.

Im einzelnen lassen sich folgende Berufswechsel sest-

stellen: Von den

Väter

treu,

74 Landarbeitern blieben 40 Söhne dem Berufe ihrer

24

wurden

Hüttenarbeiter,

5

Handwerker,

5

sonstige

Arbeiter. Von den 24 Handwerkern blieben 10 Söhne Handwerker, 11 wurden

Hüttenarbeiter, 2 Landwirte, 1 sonstiger Arbeiter. Von den 8 sonstigen Arbeitern blieben 4 Söhne bei den verschiedenen Berufstätigkeiten ihrer Väter, 2 wurden Hüttenarbeiter, 1 Landarbeiter

und 1 Handwerker.

Von den 23 Hüttenarbeitern ergriffen alle Söhne die Tätigkeit der Väter.

Die letzte Feststellung ist die wichtigste.

Danach scheint zur Zeit der

Großväter die Hüttenarbeit gegenüber der Land- und Handwerksarbeit so günstige Arbeitsbedingungen aufgewiesen zu haben, daß für die Söhne

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Die soziale Lage der seßhaften Arbeiterschaft eines oberschles. Walzwerkes.

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der damaligen Hüttenarbeiter keine Veranlassung vorlag, einen anderen

Beruf als den ihrer Väter zu ergreifen.

Während von den 253 Arbeitern nur 131 den Beruf ihrer Groß­ väter anzugeben vermochten, ließ sich der Beruf der Väter bei 251 Arbeitern

ermitteln. Es waren von den 251 Vätern

94 Hüttenarbeiter, 80 Landarbeiter, 40 sonstige Arbeiter,

35 Handwerker,

2 sonstige Berufstätige. Stellen wir die Berufe der Großväter und Väter in Prozentzahlen gegenüber, so finden wir Großväter

Landarbeiter............................ Hüttenarbeiter........................... Handwerker................................ Sonstige Arbeiter.................. Sonstige Berufstätige . . .

56 18 18 6 2

!

Väter

32 37 14 16 1

Wir sehen aus der letzten Spalte, wie bei den Vätern unserer Arbeiter bereits die Hüttenarbeit vorherrschte, wie aber andererseits die

Landarbeit noch immer eine große Rolle spielte.

Zusammenhang zwischen den Berufen den Vorfahren und dem Lebensalter der Arbeiter. Anschließend an diese Feststellungen sind die Punkte zu erörtern, in denen sich durch exakte Zahlen ein möglicher Zusammenhang zwischen den

Berufen der Vorfahren und dem Berufsschicksal unserer Arbeiter ermitteln

läßt.

Auf Grund der vorliegenden Erhebungen ist ein derartiger Zu­

sammenhang nachweisbar für das Lebensalter und die Berufsstellung.

Betrachten wir zunächst den Einfluß einer durch drei Generationen

betriebenen Hüttenarbeit auf das Lebensalter der Arbeiter, so müssen wir von vornherein auf eine zu große Spezialisierung des Lebensalters ver­

zichten, da wir sonst derartig kleine Zahlen erhalten, daß bei ihnen die Zufälligkeiten zu sehr ins Gewicht fallen.

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Prozent der Arbeiter, deren Väter

Lebensalter

Hüttenarbeiter ge- verschiedene Berufe! wesen waren ! ausqeübt hatten j

Landarbeiter ge­ wesen waren

über 40 Jahre

.

.

92

90

93

>0

.

.

43

59

58





Prozent der Arbeiter, deren Großväter und Väter

Lebensalter

über 40 Jahre .





50

.

Hüttenarbeiter gewesen waren

! verschiedene Berufe ausgeübt hatten

.

82

89

!

99

.

39

46

i

52

Landarbeiter ge­ wesen waren

Die letzte Übersicht läßt erkennen, daß die durch drei Generationen

betriebene

Hüttenarbeit

das

Lebensalter

der

Generation ungünstig zu beeinflussen scheint.

Arbeiter

in

der

letzten

Dagegen weisen die Arbeiter,

deren Väter und Großväter in der Landwirtschaft tätig waren, besonders

günstige Altersverhältnisse auf.

Zusammenhang zwischen Herkunft und Lebensalter der Arbeiter. Sobald man auf die Herkunft der Arbeiter zurückgreift, ist man allgemein gewohnt, Stadt und Land in Gegensatz zu stellen.

vorliegenden

Untersuchung

wurde

nur

ein

Bei der

Arbeiter (Handwerker)

an­

getroffen, der aus einer Stadt mit dem den Städten eigentümlichen Leben stammte.

kunft

aus

schäftigung

Bei allen übrigen Arbeitern wurde unterschreden zwischen Her­

einer und

Gemeinde

mit

zwischen Herkunft

überwiegend aus

einer

landwirtschaftlicher

Be­

Jndustriesiedelung

ohne

städtischen Charakter. Von unsern 253 Arbeitern stammten 185 vom Lande, 67 aus einem

Jndustrieort, 1 aus einer Stadt. Im folgenden soll die Herkunft mit der Ergreifung des Berufes

beim Beginn der Erwerbstätigkeit in Beziehung gebracht werden.

Von den 253 Arbeitern waren 29 von vornherein in eine Hand­ werkslehre eingetreten, 56 Arbeiter hatten in Hüttenbetrieben Arbeits­

posten ergriffen, die eine Vorbereitung auf qualifizierte Hüttenarbeits­ plätze darstellen, während 168 Arbeiter als ungelernte Tagelöhner ein­ gestellt waren.

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145

Bon den 29 Handwerkern stammten 20 vom Lande (690/0), 8 aus einem Jndustrieort (28 0/0),

1 aus einer Stadt (30/0). Von den 56 Arbeitern, die eine hüttenmännische Ausbildung ge­

nossen hatten, stammten: 27 vom Lande (48 0/0), 29 aus einem Jndustrieort (52 0/0). Von den 168 ungelernten Tagelöhnern stammten 138 vom Lande (82 0/0),

30 aus einem Jndustrieort (18 0/0). Untersuchen wir den Zusammenhang zwischen Herkunft und Lebens­ alter bei den gelernten Hüttenarbeitern und den ungelernten Tagelöhnern

— die Handwerker scheiden ihrer geringen Zahl wegen aus —, so finden wir folgende Beziehungen: gelernte Hüttenarbeiter, stammend

Es erreichten ein Lebensalter von

über 40 Jahre „

50



ungelernte Hüttenarbeiter, stammend

vom Lande ; aus Jndustrieort

vom Lande

aus Jndustrieort

. . .

82 0/y

76 0/0

91»/a

70 ° o

...

630/0

41 0/0

57°/»

43»»

Auch hier zeigt sich in beiden Altersgruppen, daß sowohl bei den gelernten, wie bei den ungelernten Hüttenarbeitern die ländliche Herkunft eine günstigere Besetzung der höheren Altersklassen zur Folge hat.

Zusammenhang zwischen den Berufen der Väter und denen der Arbeiter. Weiter soll versucht werden, aus den Erhebungen Unterlagen zur Beantwortung der Frage zu finden, ob die hüttenmännische Berufstätig­ keit

der

Väter

die

als Hüttenarbeiter

tätigen Söhne

zur Besetzung

wichtiger und gut bezahlter Arbeitsplätze besonders geeignet gemacht hat.

Es ist hier weniger an die Vererbung hüttenmännischer Berufseigenschaften

gedacht,

sonst

hätten

die

besonderen Berufstätigkeiten für Väter und

Söhne in jedem Einzelfall betrachtet werden müssen.

vielmehr auf die Jugendeinflüsse hin.

Die Frage zielt

Sind die Väter Hüttenarbeiter ge­

wesen, so sind die Söhne in Berührung mit hüttenmännischen Betrieben Schriften 153. 1.

10

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aufgewachsen, sie haben die Einrichtungen der Hüttenwerke aus Gesprächen kennen gelernt.

Sie haben das Hüttenwerk häufig betreten, wenn sie

dem Vater, der als Hüttenarbeiter größtenteils auch mittags ans Werk gefesselt war, das Mittagessen brachten.

jene Tätigkeit Interesse gewonnen.

Dabei haben sie für diese oder

Die Väter haben auch versucht, ihre

Söhne an Arbeitsplätzen unterzubringen, die ihnen für ihre Söhne die

meisten Berufsaussichten boten, oder die ihnen nach der Veranlagung der

Söhne am geeignetsten erschienen. Aus diesen Gründen war mit der Möglichkeit zu rechnen, daß die hüttenmännische Berufstätigkeit der Väter auf das Berufsschicksal der im

gleichen Gewerbe tätigen Söhne von Einfluß sein könnte. Als Arbeitsplätze für qualifizierte Arbeiter wurden angesehen und nach der Höhe der Entlohnung geordnet die Arbeitsposten des Werkmeisters,

Walzmeisters, Drehermeisters, ersten Walzvordermannes, Aufsehers, Ober­

maschinisten, des Wärmers, zweiten Walzvordermannes. Von den 251 Arbeitern

Von diesen hatten qualifizierte

Arbeitsposten inne

stammten ab von Hüttenarbeitern................................

94

Landarbeitern................................

80

sonstigen ungelernten Arbeitern.

40

Handwerkern.....................................

35

(sonstigen Berufen.................. ....

2

Zusammen

251

18 -- 19 o/o

7^

90/0

—0o/o 3^

90/0

____________ 1 -- 50 0/0)

29 — 12 0/0

Berücksichtigen wir dabei noch die Art der qualifizierten Arbeitsposten, so finden wir folgende Gegenüberstellung: Arbeitsposten ohne hütten­ mit hand­ mit hütten­ männische werksmäßiger männischer Ausbildung, aber mit Vorbildung Ausbildung hüttenmänn. u. Erfahrung u. Erfahrung Erfahrung

Arbeitsposten Arbeitsposten

Die an qualifizierten Arbeitsposten stehenden Arbeiter stammten ab von

Insgesamt

qualifizierte Arbeits­ posten

18

Hüttenarbeitern..................

1

10

7

Landarbeitern..................

1

1 —

5

7



.



Handwerkern.......................



1

— 2

sonstigen Berufen....

1





1

Zusammen

3

12

14

29

sonstigen Arbeitern .

.

3

Die qualifizierten Arbeitsposten sind somit in überwiegender Zahl

von Arbeitern besetzt, deren Väter bereits Hüttenarbeiter gewesen waren.

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147

Die soziale Lage der seßhaften Arbeiterschaft eines oberschles. Walzwerkes.

Zusammenhang zwischen Nationalität und Verufsschicksal. Bei einem Grenzlande wie Oberschlesien muß eine Untersuchung über

Arbeiterverhältnisse die Nationalitätenfrage in den Kreis ihrer Erhebungen einziehen.

Die offizielle Nationalitätenstatistik unterscheidet in Oberschlesien

Deutsche, Polen und polnisch und deutsch Sprechende.

stellung kann leicht falsche Vorstellungen erwecken.

Diese Gegenüber­

Es wurde deshalb bei

den vorliegenden Untersuchungen gefragt, welche Sprache im häuslichen

Verkehr zur Anwendung komme. bei 225 Arbeitern

die deutsche,

Dabei ergab sich, daß bei 28 Arbeitern

die

polnische

die Umgangs­

Sprache

sprache war. Diese für das Deutschtum wenig erfreuliche Feststellung bedarf aller­ dings einiger Einschränkung

und Erläuterung.

Man darf

keineswegs

annehmen, daß die 225 Arbeiter, denen die polnische Sprache als Um­

gangssprache dient,

die deutsche Sprache

nicht

51 dieser

beherrschen.

Arbeiter erklärten beide Sprachen nahezu gleich gut oder gleich schlecht

zu beherrschen, und auch von den übrigen kann man annehmen, daß sie

sich mit mehr oder weniger Mühe mit der deutschen Sprache verständlich machen können.

Für den Zweck dieser Untersuchung war es jedoch nötig,

nur die Arbeiter herauszugreifen, in deren Familien die deutsche Sprache

und damit auch die deutsche Kultur vorherrschte.

Ergänzend sei bemerkt,

daß von den 28 Arbeitern 22 auch die polnische Sprache beherrschten, sie

aber nur im Verkehr mit schlecht deutsch sprechenden Kameraden zur An­ wendung bringen. Weiter müssen wir aber bei Betrachtung der Sprachenfrage berück­

sichtigen, daß unsere Untersuchungen sich im wesentlichen auf alte Arbeiter beschränken.

Die Schulzeit reicht bei 6 Arbeitern in die vierziger, bei

71 in die fünfziger, bei 95 in die sechziger Jahre zurück.

Bei einem

großen Teil dieser Arbeiter wird von einem geordneten Schulunterricht, von der Pflege der deutschen Sprache in der Schule werden können.

gesprochen

nicht

Noch Ende der sechziger Jahre konnte fast ein Drittel

der schulpflichtigen Kinder aus Mangel an Klassen und Lehrern in keine

Schule ausgenommen werden, trotzdem mehr als hundert Kinder in einer Klasse vereinigt waren.

Auch in den späteren Jahren

war

möglich, deutsche Lehrkräfte in genügender Zahl zu gewinnen.

es

nicht

Infolge­

dessen zeigte noch geraume Zeit die Zweisprachigkeit in den oberschlesischen Volksschulen

einen überwiegenden Einschuß

ins Polnische.

Erst 1872

schaffte die Regierung hier Wandel, indem sie die polnische Sprache auf den Religionsunterricht in der Unterstufe und auf die notwendigste Ver10*

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Friedrich Syrup.

148

ständigung in der Mittelstufe beschränkte, so daß jetzt die Schulen als

rein deutsche anzusehen sind. Wenn nun auch der großen Mehrzahl unserer Hüttenarbeiter die

polnische Umgangssprache eigen ist, und wenn auch die Mehrheit ent­

sprechend ihrer Herkunft als autochthon anzusehen ist, so muß man sich wohl hüten, diesen Arbeitern sogenannte großpolnische Charaktereigenschaften

Unsere überwiegend aus der eingesessenen ländlichen Be­

unterzulegen.

völkerung hervorgegangene Arbeiterschaft stammt keineswegs von der groß­

polnischen Bevölkerung ab, wie sie an dem mittleren Laufe der Weichsel und in einem großen Teile der Provinz Posen seßhaft ist.

Soweit eine

slawische Urbevölkerung in Frage kommt, ist es der dunkelhaarige Volks­

schlag, der noch bei den Nuthenen im östlichen Galizien und bei den Goralen und Slowaken erhallen ist.

Schon äußerlich ist der Unterschied

gegenüber dem Großpolen erkennbar, indem die kräftigere, gedrungenere

Gestalt und die dunkle Pigmentierung — namentlich bei den Frauen —

gegenüber den schlankeren und helleren Eigenheiten des Polen abstechen. Auch im Wesen fällt die dem Polen fremde, oft bis zur Verschlossenheit

gehende Zurückhaltung

des

Oberschlesiers

auf.

Das

Bekenntnis

zum

Polentum, das man neuerdings bei einem Teil der oberschlesischen Be­ völkerung findet, ist ihr erst in den letzten Jahren künstlich eingeimpft

worden. Bei dieser kurz beleuchteten nationalen Struktur der Arbeiterschaft unseres Hüttenwerkes gewinnen die vorhandenen 28 deutschen Arbeiter

besonderes Interesse. Bei der Ermittlung ihrer Berufsstellungen ergab sich folgendes. Die genannten deutschen Arbeiter hatten folgende Posten inne:

1 als Werkmeister (1), 1



Drehermeister (1),

1



Aufseher (mit 6 Mk. Schickstlohn) (1),

1



Obermaschinist (1),

1



Wagemeister (1),

3



Walzmeister (4),

7



gelernte Hüttenarbeiter,

11



1



Bureaudiener,

1



Schichter (früher Bergmann gewesen).



Handwerker,

Die bei den Meisterposten aufgeführten Klammerzahlen zeigen, in welcher Zahl die angeführten Meisterposten überhaupt vorhanden waren.

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Die soziale Lage der seßhaften Arbeiterschaft eines oberschles. Walzwerkes.

149

Es ist bemerkenswert, wie vorteilhaft sich die deutschen Arbeiter aus der gesamten Arbeiterschaft hervorheben.

Von den 28 deutschen Arbeitern gehörten 5 der evangelischen Kirche an, während die übrigen 28 deutschen Arbeiter sowie sämtliche polnische Arbeiter katholisch waren.

Zusammenfassung der Feststellungen über die Herkunft der Arbeiter. Die Ergebnisse der Ermittlungen

über die Herkunft der Arbeiter

lassen sich kurz folgendermaßen zusammenfassen: Die untersuchten Arbeiter

entstammen fast ausnahmslos der oberschlesischen Bevölkerung.

Bei den

Berufen der Großväter unserer Arbeiter war die landwirtschaftliche Tätig­ keit vorwiegend.

Die

wirtschaftliche

kümmerliche

Lage

der

damaligen

Landarbeiter hat diese Großväter wie auch eine große Zahl der Väter

unserer Arbeiter

zur Aufnahme

der Hüttenarbeit

veranlaßt.

Mehrere

Großväter hatten bereits den Beruf des Eisenhüttenarbeiters ausgeübt,

wozu ihnen die alte Eisenindustrie Oberschlesiens die Möglichkeit bot.

Die

kräftig einsetzende Entwicklung dieser Industrie und ihre gegenüber der

Landarbeit günstigeren Arbeitsbedingungen übten bei den Vätern unserer Arbeiter starke Anziehungskraft aus.

Die Herkunft macht sich bei unseren

Hüttenarbeitern in zweifacher Hinsicht bemerkbar.

Die Abstammung von

Landarbeitern oder das Aufwachsen in ländlichen Gegenden begünstigt ein

höheres Lebensalter, während die Abstammung von Hüttenarbeitern eine Anwartschaft auf gutes Vorwärtskommen im Beruf in sich birgt.

Die

letzte Erscheinung ist jedoch zugleich von der Nationalität und der damit

verbundenen Kultur abhängig.

Die vorwiegend deutsch sprechenden Arbeiter

haben fast alle verantwortlichen Meisterposten inne und legen auf eine gute berufliche Ausbildung Wert.

m

Die Arbeitsverhältnisse. Die

Erörterung

des

Berufes

und

seiner

Anforderungen

an

die

Arbeiter macht es nötig, die Technik des Walzprozesses kurz zu streifen.

Die Technik des Walzprozesses. Als Walzwerke bezeichnet der Hüttenmann Vorrichtungen, die im wesentlichen aus zwei dicken gußeisernen Zylindern (Walzen) bestehen, die

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Friedrich Syrup.

150

parallel und in solchem Abstand in eisernen Rahmen, den Walzenständern,

gelagert sind, daß ein geringer Zwischenraum zwischen den Walzenmänteln bleibt.

Diese Walzen erhalten von einer Kraftmaschine aus ihre Bewegung

derart, daß sie sich in entgegengesetzter Richtung um ihre Achse drehen.

Steckt man einen Körper zwischen sie, der dick genug ist, um beide zu

berühren, so wird er infolge der Reibung erfaßt, mit fortgezogen und auf der anderen Seite der Walzen hinausgepreßt.

Körper von größerer

Dicke als der Walzenabstand werden dabei, falls sie spröde sind, zerdrückt: sind sie aber weich, knetbar und zähe, so daß sich ihr Zusammenhang trotz des starken von den Walzen ausgeübten Druckes nicht löst, so werden

sie auf den Walzenabstand zusammengedrückt, verdünnt und in die Länge Allerdings reicht ein einziger Durchgang durch ein Walzen­

gestreckt.

paar — ein Stich, wie der Hüttenmann sagt — nicht aus, um dem

Eisen die gewünschte Form zu geben.

Obwohl das Eisen in hocherhitztem

Zustande sehr weich und zähe ist, so bleibt sein Widerstand doch noch reichlich hoch und andererseits ist seine Festigkeit viel zu gering, um sehr

bedeutende

Formveränderungen

auf

einmal

vom Roh- bis

zum

Fertigprodukt

eine

zu

erleiden

Walzen würden brechen, das Eisen würde zerreißen.

können.

Die

Infolgedessen wird

ganze Zahl von

sogenannten

Stichen nötig.

Vergegenwärtigen wir uns den soeben skizzierten Walzprozeß,

so

fällt uns auf, daß die Walzstücke nach jedem Stich wieder auf die Vorder­

seite des Walzwerkes zurückgebracht werden müssen, um von hier aus erneut zwischen das Walzenpaar gesteckt zu werden. damit verbundenen Arbeitsaufwand,

die Zeit-

Das Bestreben, den

und Wärmeverluste

zu

vermeiden, führte nun zu zwei grundverschiedenen Anordnungen, dem Kehrwalzwerk und dem Triowalzwerk. Nur die letzte Anordnung kommt

in unserem Walzwerk zur Anwendung.

Das Triowalzwerk besteht aus

drei Walzen, von denen die Unter- und Mittelwalze das Walzstück nach der einen, die Mittel- und Oberwälze das Walzstück wieder nach der anderen Seite ziehen.

Der Walzer steckt das Eisen zunächst zwischen die

Unter- und Mittelwalze, die es strecken und an der Rückseite heraus­

drücken.

Hier ergreift ein anderer Walzer das Walzgut, hebt es zwischen

Mittel- und Oberwalze, die ihrerseits das Eisen fassen, strecken und auf

der Vorderseite herausdrücken. Bisher hatten wir nur eine Streckung des Eisens zwischen den Walzen im Auge gehabt, die sich nach dem Abstand der Walzen von­

einander richtet.

beliebig

Dabei würden sich aber die Seitenkanten des Walzgutes

breiten können, keine feste Gestalt annehmen.

Diese einfachste

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Die soziale Lage der seßhaften Arbeiterschaft eines oberschles. Walzwerkes.

Form von allen Walzwerkserzeugnissen weist das Blech auf. allseitig

begrenzte Querschnittsformen

Kreis),

(Quadrat,

151

Um jedoch wie die der

Stabeisensorten, der Baueisen, der Eisenbahnschienen herzustellen, wendet

man gefurchte (kalibrierte) Walzen an. Unter Kaliber versteht der Walz­ werkstechniker eine von den beiden Walzenmänteln umschlossene Öffnung,

durch die das Eisen hindurchgezwängt wird und deren Gestalt es in seinem Querschnitt annimmt. Die verschiedenen Kaliber bilden eine Reihe von Übergangsformen von dem Querschnitt des Ausgangsmaterials bis zum

Querschnitt des Enderzeugnisses. Ein Walzengerüst mit drei Walzen kann zwar immer mehrere, sehr

selten aber alle zu

einem

erforderlichen Kaliber

bestimmten Erzeugnis

aufnehmen, so daß die meisten Walzenstraßen aus mehreren Gerüsten

bestehen. Eine Feineisenstraße, wie sie in unserem Hüttenwerk vorhanden sind,

besteht gewöhnlich aus einer Bor- und einer Fertigstrecke, die wiederum verschiedene Gerüste enthalten. Zu jeder Walzenstraße gehören zudem ein oder mehrere Öfen, die der Erhitzung des Ausgangsmaterials dienen.

Das Ausgangsmaterial bilden die sogenannten Knüppel, das sind vor­ gewalzte Eisenstäbe von quadratischem Querschnitt.

Diese Knüppel bezieht

unser Werk von einer anderen, der gleichen Gesellschaft gehörenden Hütte.

Die Tätigkeit der einzelnen Arbeitergruppen. Betrachten wir nach

diesen

zum

allgemeinen Verständnis

nötigen

Ausführungen die Tätigkeiten unserer Arbeiter unter Berücksichtigung der

vorhandenen Betriebsmittel.

straßen vorhanden.

In unserem Hüttenwerk sind drei Walzen­

Zu jeder von ihnen gehören 2—3 Wärmöfen, 1 Vor­

walzwerk und eine Fertigstreckö

mit verschiedenen,

bis zu 6 Walzen­

gerüsten.

Wärmofenarbeiter: Wärmer, Schürer, Kohlen- und Aschen­ fahrer. Die vorhandenen Öfen sind einfache Flammöfen mit Kohlen­ feuerung.

bedient.

Je ein Ofen wird von einem Wärmer und einem Schürer

Jeder Ofen faßt 60 bis 70 Knüppel, eine Charge.

Innerhalb

einer Schicht von 12 Stunden bringt ein Ofen 10—12 Chargen aus,

das heißt innerhalb einer Stunde muß der Ofen etwa einen Satz Knüppel für die Walzenstraße liefern.

Die Arbeit der beiden Ofenleute besteht

aus folgenden vier Arbeitsverrichtungen, dem Einsetzen der kalten Knüppel, dem Wärmen der kalten Knüppel, dem Ausarbeiten des Ofeninhalts, dem

Herdflicken und Rosten.

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Friedrich Syrup.

152

Die

anstrengendste Tätigkeit

arbeiten des Ofens.

der Ofenleute

besteht

in dem Aus­

Während dieser etwa 20 bis 30 Minuten dauernden

Arbeit sind die beiden Ofenarbeiter in voller Tätigkeit.

Der Wärmer

beobachtet die Erwärmung der Knüppel, schiebt sie an die richtigen Stellen, wo sie im gewünschten Maße mit den Feuergasen in Berührung kommen, und zieht sie zur rechten Zeit so weit heraus, daß sein Mitarbeiter sie ohne Schwierigkeiten mit der an einer Laufkatze hängenden Zange erfassen kann.

Dieser befördert mit Hilfe der Laufkatze die Knüppel schleunigst

zu der nahen Vorwalze.

Nachdem der Ofen entleert ist, wird die Feuerung

gerostet, der Herd instand gesetzt und der Ofen erneut beschickt.

Diese

Tätigkeiten nehmen die Kräfte der Arbeiter nicht in besonderem Maße in Anspruch und dauern etwa 20 Minuten.

Während des nun folgenden

Wärmens der Knüppel, das ebenfalls etwa 20 Minuten dauert, haben die Ofenarbeiter Ruhe, unterbrochen durch gelegentliche Bedienung der Feuerung

und Beobachtung des Ofeninhaltes.

Zeitweise tritt zu diesen

Arbeiten für die Schürer das Herbeischaffen der Knüppel von den Scheren. Die Versorgung der Öfen mit Kohlen und die Abfuhr der Asche erfolgt von besonderen Arbeitern.

Für je 2—3 Öfen einer Walzenstraße sind

zum Heranschaffen der Kohlen 1—2 Arbeiter, zum Abfahren der Asche 1 Arbeiter bestellt.

Die zu befördernde Kohlenmenge beträgt für den

einzelnen Arbeiter etwa 10 Tonnen in 12 Stunden.

Die Entfernungen

sind gering, der Transport erfolgt auf festen Bahnen.

der Aschenfahrer ist besonders leicht. 18 Karren Asche

Die Tätigkeit

Sie haben in 12 Stunden etwa

im Gewicht von 160 kg- abzufahren.

Diese Arbeit ist

für schwache ältere Arbeiter geeignet.

Walzer:

Walzerjunge.

Walzmeister, Vordermann, Walzer, Hebler, Pritscher,

Die Anordnung des Walzwerkes ist die übliche sogenannte

„deutsche Anordnung". mit sechs Walzengerüsten.

Handhebel.

Ein Vorgerüst und dahinter eine Fertigstraße Die Bedienung des Vorgerüstes erfolgt durch

Das Vorgerüst ist mit zwei Walzern (dem ersten und zweiten

Vordermann) und einem Hebler besetzt.

Zu ihnen tritt noch ein Ablöser,

der in ständigem Wechsel die anderen Arbeiter ablöst, um diesen die

Möglichkeit der unbedingt nötigen Erholung zu geben.

Die Zahl der Stiche an der Vorwalze schwankt für jeden Knüppel

je nach der Art des Erzeugnisses zwischen drei und neun.

An den Walzgerüsten der einzelnen Fertigstraßen sind vierzehn Arbeits­

plätze vorhanden, die von sechzehn bis neunzehn Walzern ausgefüllt werden, je nach der Art des Walzgutes.

Auch hier sind stets wechselnd einige

Arbeiter arbeitsfrei, um sich zu erholen.

Die eigentliche Walzarbeit besteht

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Die soziale Lage der seßhaften Arbeiterschaft eines oberschles. Walzwerkes.

15Z

im Erfassen des Walzstückes mit der Zange und seiner Einführung in die Kaliberöffnung.

Bei gewissen Sorten kann das Walzstück nicht erst

ein Kaliber ganz durchlaufen, ehe es in das zweite gestochen wird, sondern

muß gleichzeitig in mehreren Kalibern der Streckung unterliegen.

Dabei

steht zwischen zwei Kalibern ein Walzer, der das Vorderende beim Aus­

tritt mit der Zange erfaßt und nach einer schnellen Wendung in das nächste Walzenpaar einführt.

So gleicht das Walzgut mit seinen immer

länger werdenden Schlingen einer auf der Hüttensohle

sich windenden

Schlange.

Betrachten wir nochmals kurz den Arbeitsprozeß von dem Gesichts­ punkt ausgehend, inwieweit der Wille des Einzelarbeiters für die Arbeits­

leistung bestimmend sein kann. Der Walzprozeß im weiteren Sinne beginnt damit, daß die Ofen­ leute ihre Wärmöfen mit Knüppeln besetzen. samung der Arbeit an sich möglich.

Hierbei ist eine Verlang­

Auch die Dauer der Erwärmung

der Knüppel im Ofen ist von der Tätigkeit der Ofenarbeiter abhängig,

da die Schnelligkeit der Erhitzung durch die Ofenführung, die Befeuerung der Öfen mit Kohle bedingt wird. Ist jedoch das Eisen walzwarm, dann müssen die Ofenleute das Eisen aus dem Ofen herausziehen, da das

Eisen sonst verschmoren würde.

Nun ist aber die Ofenarbeit insgesamt

abhängig vom Gange der Walzenstraße und der übrigen auf die gleiche Walzenstraße gehenden Öfen. Liefert ein Ofen später als erwartet das warme Walzeisen, so fehlt einerseits den Walzenstraßen das zu verarbeitende

Material, und die Walzmannschaft steht untätig umher, andererseits wird dadurch das Ende des Auswalzens dieses verspäteten Ofensatzes hinaus­

geschoben, der nächste Wärmofen hat vor Beendigung des Walzprozesses bereits sein Eisen warm und wartet darauf, das Eisen der Walze zu­

führen zu können. Eine Verzögerung des Ofenganges wird daher sowohl von den Walzmannschaften wie von den Arbeitern der anderen Öfen im

Hinblick auf die Verdienstbeeinträchtigung unliebsam empfunden.

Ist das Eisen aus dem Ofen herausgezogen, so muß es schleunigst der Walzenstraße zugeführt werden, um eine unnötige Erkaltung zu ver­

meiden.

Diese in der Natur des Arbeitsgutes liegende, zur schnellen

Arbeit zwingende Notwendigkeit beherrscht auch die Arbeit an der Walzen­

straße.

Eine Verlangsamung der hier vorzunehmenden Stiche würde die

Gefahr mit sich bringen, daß das Walzgut vor Beendigung des Walz­ prozesses erkalten und dadurch unbrauchbar werden könnte.

Das Schnappen

und Einstecken des Walzgutes im ferneren Walzprozeß sind genau an die Umlaufzahlen der Walzen gebunden.

Eine vom Willen des Arbeiters

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Friedrich Syrup.

154 abhängige

schnellere

oder

langsamere

Tätigkeit

kommt

nicht

hier

in

Frage.

Sämtliche an einer Walzenstraße und den dazu gehörigen Wärm­ öfen tätigen Arbeiter sind — wie bei Besprechung der Lohnzahlung ein­

gehender

ausgeführt wird



im

Es

beschäftigt.

Gruppenakkord

ist

daher einleuchtend, daß bei gelegentlichen Bummeleien einzelner Arbeiter die übrige Belegschaft diesen Einflüssen, die ihren Verdienst schmälern,

entgegentritt.

Dies kann sie unverzüglich tun, da die Arbeiter, welche

Hand in Hand arbeiten und den Fortgang des Walzprozesses an den einzelnen

Arbeitsplätzen

verfolgen,

etwaige

Nachlässigkeiten

sofort

be­

merken. Weiter spielt für die Leistungen die Art der Walzarbeit, das Fehlen

einer Monotonie der Arbeit eine wichtige Rolle.

Bei den Walzern des

Feineisenwalzwerkes ist — von den Vorwalzern abgesehen — die physisch­ muskuläre Leistung vielfach nicht groß.

Die eigentliche physische Arbeits­

leistung, das Umstecken des Walzgutes, erfordert bei jedem Walzgut nurwenige Sekunden.

Dann tritt eine beobachtende Tätigkeit ein, bei welcher

der Walzer den Lauf der sich um ihn herum bewegenden glühenden Walz­

schlangen beobachtet. nächsten Stich,

Endlich wartet der Walzer physisch untätig auf den

beobachtet dabei das Herankommen des neuen Walzgutes

und macht sich bereit, in einem ganz bestimmten Augenblick wieder die physische Anfangstätigkeit ausführen zu können.

Die Betrachtung zeigt,

daß die Arbeitsleistung im hohen Grade aus nervösen Leistungen besteht. Die Schwankungen dieser nervösen Leistungen lassen eine Monotonie der

Arbeit nicht aufkommen.

Die Lage der regelmäßigen täglichen Arbeitszeit. Für die Beurteilung der regelmäßigen täglichen Arbeitszeit ist deren Lage wie Dauer von Einfluß.

Bei der Lage der Arbeitszeit haben wir

allgemein, besonders aber in der Eisenhüttenindustrie, den einschichtigen Betrieb, der ausschließlich in die Tageszeit fällt, und den zweischichtigen

Betrieb, bei dem die Arbeiter in der einen Woche am Tage, in der zweiten Woche während der Nacht ihre Arbeit verrichten, zu unterscheiden. In unserem Walzwerk herrscht der zweischichtige Betrieb vor.

Die Walzen­

straßen und die damit zusammenhängenden Wärmöfen, Bindereien arbeiten ununterbrochen

Tag

und

Nacht,

während

die

Tätigkeit

der

in

den

Reparaturwerkstätten beschäftigten Handwerker und die Arbeit der Platz­

arbeiter, Lader auf die Tagesstunden beschränkt ist.

Zahlenmäßig stellt

sich bei unseren Arbeitern das Verhältnis

daß 172 Arbeiter

so

ein,

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Die soziale Lage der seßhaften Arbeiterschaft eines oberschles. Walzwerkes.

Wechselschichter sind



155

also allwöchentlich von der Tag- in die Nacht­

schicht und umgekehrt überwechseln —, wahrend der Rest von 81 Arbeitern aus Tagschichtern besteht.

Für ein Walzwerk — wie das unsrige —, das unabhängig vom Gange eines Stahlwerkes arbeitet,

wendigkeit zur Nachtarbeit.

besteht keine betriebstechnische Not­

Zunächst ist es die bessere wirtschaftliche Aus­

nutzung der Maschinen und Werkseinrichtungen, die den Arbeitgeber zur

Einlegung von Nachtschichten veranlaßt.

Dann macht die Rücksichtnahme

auf die Wärmöfen den kontinuierlichen Betrieb erwünscht, da eine all­ abendlich stattfindende Einstellung der Öfen infolge der Temperatur­ schwankungen

die Lebensdauer

der

Öfen ungünstig beeinflussen,

jeden

Morgen vor Beginn der Schicht eine längere Anheizung und verstärkten Kohlenaufwand notwendig machen würde.

Ausnahmen

abgesehen,

Infolgedessen ist, von wenigen

in deutschen wie in

ausländischen Walzwerken

die ständige Nachtarbeit allgemein üblich. In manchen Industriezweigen hat der Arbeitgeber wenig Interesse an

der Nachtarbeit infolge der vielfach beobachteten Tatsache, daß der Pro­ duktionsumfang und die Güte des Erzeugnisses während der Nachtschichten

hinter den am Tage geleisteten Arbeiten zurückbleiben.

Gründen zeigt der Mensch bei

Aus physiologischen

regelmäßiger Nachtarbeit selten einen so

intensiven Willen zum Schaffen wie am Tage, und das hindert wiederum die volle Entfaltung seiner Energie

und Körperkraft und beeinträchtigt

die Schnelligkeit seiner Bewegungen. In unserem Walzwerk weichen Menge und Güte der in der Nacht­

schicht hergestellten Arbeitserzeugnisse nicht von denen der Tagschicht ab.

Die Gründe sind in der bereits erörterten Eigenart des Arbeitsganges zu suchen. Zudem tritt als weiterer Grund das Schwanken der Unfallgefahr

hinzu, das nur in den wenigsten Industriezweigen derartige Form an­ nimmt.

Sehen wir von der Gefährlichkeit des Aufenthalts in der Nähe

der ständig lausenden Triebwerke ab, so setzt für den Walzer die in dem glühenden, schnell herankommenden Eisen liegende Gefahr mit dem Schnappen des Walzgutes ein und verschwindet mit dem Durchgang des Eisenendes

durch das von ihm bediente Kaliber.

Die Gefahr besteht nicht ständig

und in gleicher Höhe, sondern tritt intermittierend während des Arbeits­ prozesses auf.

kommenden

Der Walzer sieht zudem die Gefahr in Gestalt des heran­

glühenden Eisens auftreten, er wird

sich ihrer bewußt und

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Friedrich Syrup.

156

sucht ihr immer von neuem zu begegnen.

So erschwert auch die Eigenart

der Unfallgefahr eine Monotonie der Arbeit. Aus allen diesen Gründen ist es verständlich, daß die Arbeitsleistungen

beim eigentlichen Walzprozeß während der Nachtschicht die gleichen sind wie

in

der Tagschicht.

übertreffen

Sie

sogar

die Tagesleistungen in den

Sommermonaten, in denen die Höhe der Außentemperatur sich mit der

von dem glühenden Walzgut ausströmenden Wärme summiert und leicht eine Erschlaffung der Arbeiter zur Folge hat.

Birgt somit die Nachtarbeit im Walzwerk für den Arbeitgeber keine

Nachteile, so ist andererseits für den Arbeitnehmer die Nachtarbeit von Ganz allgemein

verschiedenartigem Einfluß.

kann

die

Nacht­

fehlende

ruhe nur unvollkommen durch die Tagesruhe ersetzt werden. Dieser Übelstand macht sich bei den engen Wohnungsverbältnissen und der

großen Kinderzahl unserer Arbeiter besonders empfindlich bemerkbar.

Zu­

dem findet eine Unterbrechung der Ruhe durch die Einnahme des gemein­

samen Mittagsessens statt, so daß sich meistenteils die Dauer des Schlafes

auf vier bis fünf Stunden beschränkt.

Wie sich der menschliche Körper

an diese der Hygiene des täglichen Lebens zuwiderlaufenden Zustände ge­

kann, zeigen unsere in wechselnden Tag- und Nachtschichten be­

wöhnen

schäftigten Arbeiter, die von Jugend auf in gleicher Weise Nachtarbeit ge­

leistet haben.

teil

Zum großen Teil wird sogar die Nachtarbeit als ein Vor­

angesehen,

Anschluß

an

da

sie

es

den

die Nachtarbeit

Arbeitern

ermöglicht,

unmittelbar im

oder am Nachmittag vor Ausnahme der

Nachtschicht sich auf dem Felde oder beim Vieh betätigen zu können.

Eine

Gegenüberstellung von Arbeitszeit und landwirtschaftlicher Nebenbeschäftigung

ergibt folgende Feststellungen: Von den Tagschichtern betrieben

etwa

48 o/o,

von

den

Wechsel­

schichtern 230/0 keine Landwirtschaft. Von den Tagschichtern wiesen 69 0/0, von den Wechselschichtern 210/0

keinen Besitz von Ziegen, Schweinen, Kühen, Pferden auf.

Die Gegen­

überstellung zeigt, wie die Lage der Arbeitszeit auf die Nebenbeschäftigung der Arbeiter von Einfluß ist.

Die Dauer der regelmäßigen täglichen Arbeitszeit. Über die in unserem Walzwerk bestehende Dauer der Arbeitszeit be­

sagt die Arbeitsordnung des Werkes folgendes: „Die regelmäßige tägliche Arbeitszeit dauert von morgens 6 Uhr bis abends 6 Uhr als Tagschicht und abends 6 Uhr bis morgens 6 Uhr als Nachtschicht.

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Die soziale Lage der seßhaften Arbeiterschaft eines oberschles. Walzwerkes.

157

Soweit es sich um diejenigen Betriebsabteilungen handelt, welche im H 1 der Bundesratsverordnung vom 19. Dezember 1908 genannt sind, regeln sich die Ruhepausen nach den Bestimmungen dieser Verordnung, sowie nach den auf Grund der Verordnung erlassenen und von dem Herrn Regierungspräsidenten genehmigten Ausnahmebestimmungen. Alle diese Bestimmungen sind durch Aushang im Werke bekannt­ gemacht. Im übrigen ist als Ruhezeit zwischen der Arbeit für die erwachsenen Arbeiter der Anlagen, welche zur Großeisenindustrie gehören, bestimmt die Zeit: morgens bzw. abends von 8—8V2 Uhr, sowie mittags bzw. Mitternacht von 12—1^/2 „

für die anderen erwachsenen Arbeiter ist bestimmt die Zeit: morgens bzw. abends von 8—8^2 Uhr, sowie mittags bzw. Mitternacht von 12—1 „ Anfang und Ende der Arbeitszeiten, sowie der Ruhepausen werden jedesmal durch Signale angezeigt. In denjenigen Betriebsstätten, in welchen die Art des Betriebes die Einhaltung regelmäßiger Ruhepausen nicht zuläßt, richten sich die Ruhe­ pausen für die erwachsenen männlichen Arbeiter — insoweit sie nicht nach Absatz 1 ihre Regelung finden — nach den Anforderungen des Betriebes."

Die Arbeitszeit im weiteren Sinne, das heißt die Arbeitsstunden zu­ der

züglich

12

Pausenstunden,

Stunden.

Rechnen

wir

beträgt

dagegen

für

alle

Arbeiter

des

Werkes

so beträgt die

die Pausen ab,

tatsächliche Arbeitszeit für die Arbeiter jener Betriebsabteilungen, die der sogenannten Großeisenverordnung unterfallen, 10 Stunden, Arbeiter der übrigen Betriebsabteilungen I0V2 Stunden.

für

die

Die von uns untersuchten Arbeiter sind bis auf wenige Ausnahmen in

der Großeisenverordnung unterliegenden Betriebsabteilungen be­

den

schäftigt,

auf

deren Arbeitszeiten

wir daher unsere Betrachtungen be­

schränken. Für diese Arbeiter besteht die zwölfstündige Arbeitszeit nachweislich

seit dem 1. April 1892. gleiche

Dauer

der

(Reparaturarbeiter,

Auch vorher war für die Walzmannschaften die

Arbeitszeit

Platzarbeiter)

festgelegt,

in

während

früheren

die

Jahren

Tagschichter

noch

längere

Arbeitszeiten aufzuweisen hatten. Jedenfalls steht fest, daß seit dem 1. April 1892 — abgesehen von veränderter Pausenregelung — die tatsächliche, zwölfstündige Arbeitszeit die

gleiche geblieben ist.

Dieser Zustand, der in der Großeisenindustrie all­

gemein anzutreffen ist, erscheint um so bemerkenswerter, als in den meisten anderen Industriezweigen die Arbeitszeiten gerade im Laufe des letzten

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Friedrich Syrup.

158

Jahrzehntes ständig gesunken sind.

Der Grund, weshalb in der Schwer­

eisenindustrie keine schrittweise Verkürzung der täglichen Arbeitszeit bisher

eingetreten ist und voraussichtlich auch nicht eintreten wird, ist in der einfachen Tatsache zu suchen, daß bei den kontinuierlichen Betrieben die

24 Zeitstunden

nur

in

zwei

oder in drei achtstündige

zwölfstündige

Eine allmähliche Abstufung ist hier in

Schichten zerlegt werden können.

In einem mit kaltem Einsatz arbeitenden

den seltensten Fällen möglich.

Walzwerk, wie dem unsrigen, besteht allerdings die Möglichkeit, eine Ver­ kürzung der Arbeitszeit eintreten zu lassen, indem beispielsweise die Tag­ schicht erst um 7 Uhr ihre Arbeit beginnt und die Nachtschicht bereits um

5 Uhr

ihre Tätigkeit

Es

einstellt.

wäre nur nötig,

die

Wärmöfen

während der zweistündigen Betriebsunterbrechung unter Feuer zu halten.

Trotzdem ist auch in dieser Art von Walzwerken eine Herabsetzung der althergebrachten zwölfstündigen Arbeitszeit nur ganz vereinzelt anzutreffen.

Der Grund liegt einmal in dem bekannten Umstand, daß die Arbeiter­

organisationen bis vor einigen Jahren unter den Arbeitern der Schwer­ eisenindustrie noch

wenige

und daß den

Mitglieder gewonnen hatten,

Arbeiterverbänden eine verhältnismäßig

kleine

Arbeitgebern

Zahl von

einer ausgesprochenen Großindustrie gegenüberstehen, die in der Behand­ lung von Arbeiterfragen ein bemerkenswertes Solidaritätsgefühl beweisen.

Aus eigenem Antriebe werden gerade die reinen Walzwerke kaum zu einer Verkürzung der Arbeitszeit schreiten; denn diese Verkürzung der

Arbeitszeit würde in vielen Fällen mit einem Produktionsausfall gleich­

sein.

bedeutend

In

vielen Industriezweigen

hat

die Verkürzung

der

eine erhöhte stündliche Produktion des Einzelarbeiters zur Folge gehabt. Wie wir erörtert haben, ist diese auf der erhöhten Tätig­

Arbeitszeit

keit des Einzelarbeiters beruhende Mehrleistung in den Walzwerken nur

im beschränkten Umfange zu erwarten, da die Tätigkeit des Arbeiters hier in

zu engem Zusammenhänge mit den vom Eifer des Arbeiters un­

abhängigen Erhitzungsprozessen und Maschinenleistungen steht.

Allerdings

könnte der durch Verkürzung der Arbeitszeit herbeigeführte Produktions­

ausfall durch Verbesserung der

Betriebsmittel (größere

Wärmöfen mit

mechanischer Beschickung, höhere

Umlaufszahlen an den

Walzenstraßen)

ausgeglichen

werden.

Dieser Ausgleich

ist

bei den Walzwerken somit

möglich, macht aber infolge der betriebstechnischen Verbesserungen nicht

unerhebliche Kapitalaufwendungen infolge

ihrer

ungünstigen

nötig,

die

Wirtschaftslage

den

reinen

besonders

Walzwerken schwer

fallen

würden.

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Die soziale Lage der seßhaften Arbeiterschaft eines oberschles. Walzwerkes.

159

Schwieriger würde eine Verkürzung der Arbeitszeit in jenen Walz­ werken durchführbar sein, die in unmittelbarem Betriebszusammenhang Aber auch hier würde sich eine Verkürzung

mit den Stahlwerken stehen. der Arbeitszeit

durch technische Maßnahmen

Ausgleichgruben) ermöglichen lassen. regelung

in

den

Walzwerken

die

(genügend große, heizbare

Nur würde eine günstigere Arbeits­

Arbeiter

der

Stahlwerke, Hochofen­

betriebe, Kokereien zur Erstrebung gleicher Verhältnisse veranlassen, und in diesen Betriebsabteilungen ist eine allmähliche Verkürzung der Arbeits­ zeit nicht

angängig.

Hier

bleibt

nur die Wahl zwischen zwei zwölf­

stündigen oder drei achtstündigen Schichten, und der achtstündigen Schicht stehen zurzeit noch schwere Bedenken entgegen, die vornehmlich auf dem

Mangel an Arbeitskräften und der erheblichen Erhöhung der Gestehungs­ kosten beruhen.

So haben vornehmlich die bei den Hochöfen, Kokereien, Stahlwerken

bestehenden Schwierigkeiten zur Verkürzung der Arbeitszeit ihre Wirkungen

auf die Arbeitsregelung der mit jenen Betrieben verbundenen Walzwerke ausgeübt, und die unverändert gebliebenen Arbeitszeiten dieser Walzwerke

haben ihrerseits eine Verkürzung der Arbeitszeit in den reinen Walz­ werken unterbunden.

Aus diesem weiten aber organischen Zusammenhang lernen wir ver­ stehen, daß in unserem Walzwerk seit Jahrzehnten die gleiche Arbeits­

dauer besteht, daß eine Verkürzung der Arbeitszeit nie ernstlich von der Werksleitung in Erwägung gezogen ist, und daß auch die Wünsche der Arbeiter sich nur auf Lohnerhöhung, nicht auf Verkürzung der regel­ mäßigen Arbeitszeit erstreckt haben.

Der Umfang der Überstunden. Zu dieser verhältnismäßig langen regelmäßigen Arbeitszeit treten die Überstunden, deren Vornahme auch in unserem Walzwerk unvermeidlich ist. Der Umfang dieser Überstunden ist in den folgenden Übersichten für

jeden einzelnen unserer Arbeiter ziffernmäßig ein Vierteljahr hindurch ver­ folgt. Vor Betrachtung der ermittelten Überarbeitsziffern sei bemerkt, daß für die Großeisenindustrie, zu der unser Walzwerk gehört, im Jahre 1909 besondere, bereits erwähnte, gesetzliche Bestimmungen in Kraft ge­ treten sind, die auf die Gestaltung des Überstundenwesens in dieser

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Friedrich Syrup.

160

Industrie erheblichen Einfluß ausgeübt baben. Behufs Bekämpfung einer übermäßigen Ausdehnung der täglichen Arbeitsze.it durch Überstunden ist an die Spitze der gesetzlichen Vorschriften die Bestimmung gestellt, daß alle Arbeiter, die zu Überschichten oder Überstunden herangezogen werden, in ein monatlich dem Gewerbeinspektor einzureichendes Verzeichnis ein­ zutragen sind, das die Zahl der von den Arbeitern geleisteten Überstunden ergibt.

Diese vorgeschriebenen Verzeichnisse haben den Werksleitern die

ihnen oft fehlende Kenntnis von den in ihren Werken vorkommenden Auswüchsen an Überarbeit gegeben, sie haben die Anordnung unvermeid­

barer Überarbeit und ihre Übertragung an einzelne Arbeiter erschwert.

Endlich haben die Verzeichnisse die freiwillige Übernahme langer Über­ arbeiten seitens einzelner Arbeiter,

die die unausbleibliche Schädigung

durch derartig wiederholte Anstrengungen verkannten, verhindert. Weiter enthalten die genannten Bestimmungen auch die Vorschrift,

daß

jedem

Arbeiter

vor

ununterbrochene - Ruhezeit

Beginn

von

seiner mindestens

regelmäßigen acht

Schicht

Stunden

eine

gewährt

werden muß.

In den folgenden Übersichten sind einmal die Walzmannschaften ein­ schließlich der Ofenleute, dann die verschiedenen Reparaturhandwerker ge­ trennt auf die von ihnen geleistete Überarbeit untersucht worden.

Die Untersuchungszeit hat sich auf ein Vierteljahr erstreckt, das in drei Monate zerlegt ist. Der erste Monat ist in Wochen und die erste Woche in Tage aufgelassen worden, um ein anschauliches Bild der Über­ arbeit zu gewähren.

Wie die Überarbeit der Walzmannschaften lehrt, kommen bei den

Walzern Überarbeiten

an Werktagen

nicht vor.

Die von uns unter­

suchten Walzer haben ihre Arbeitszeit innerhalb des Vierteljahres nicht über die regelmäßige Dauer von zwölf Stunden auszudehnen brauchen. Nur

der

Walzer Nr. 26

arbeitet.

hat im

zweiten Monat einmal 14 Stunden ge­

Die außerordentliche Arbeitsleistung der übrigen Walzer hat

sich auf Sonntagsarbeiten beschränkt, die im Höchstfälle sechs Stunden dauerten und in Jnstandsetzungsarbeiten bestanden, deren Vornahme zur

Wiederaufnahme

des

werktägigen Betriebes am Montag nötig waren.

Sieben Walzer haben in dem betreffenden Vierteljahre überhaupt keine Überarbeiten gemacht.

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Schriften 153.

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I. 162 Friedrich Syrup.

Die soziale Lage der seßhaften Arbeiterschaft eines oberschlei. Walzwerkes.

Anders gestaltet sich die Überarbeit der Wärmer und Schürer.

Überarbeit entfällt in der Hauptsache auf die Werktage.

103

Ihre

Sonntagsarbeiten

haben nur im dritten Monat aus Anlaß von dringenden Ofenreparaturen stattgefunden. Dagegen sind allwöchentlich am Montag Überarbeiten von vierstündiger Dauer vorgekommen. schicht

Sie wurden vor Beginn der Montags­

geleistet und dienten zum Anseuern der Wärmeöfen, damit den

Walzenstraßen um sechs Uhr morgens warmes Walzeisen zugeführt werden konnte.

So hatte eine Zahl der Ofenleute an jedem Montag statt einer

zwölfstündigen eine sechzehnftündige Schicht zu verfahren. Wir gewinnen aus der Zusammenstellung über die Überstunden der Walzer und Ofenleute den Gesamteindruck, daß diese Arbeitergruppen wenig mit Überarbeit belastet sind. Ihrer Überarbeit liegt nicht die Ab­

sicht zugrunde, die normale Produktion zu heben, sondern eine Störung der regelmäßigen Leistung zu vermeiden.

Diese Feststellung ist deshalb

besonders geboten, weil der Laie, der mit den Betriebsverhältnissen der Großeisenindustrie wenig vertraut ist, sich von den Überstunden vielfach eine falsche Vorstellung macht.

Er ist leicht geneigt, die Überstunden lediglich

als eine Folge guter Konjunkturen zu betrachten, eine Anschauung, die in anderen Industriezweigen zumeist zutreffend ist. Ihm wird der Fortfall der Überstunden bei schlechtem Geschäftsgänge selbstverständlich erscheinen,

und er wird sich auch die theoretische Möglichkeit konstruieren, im Wege der Gesetzgebung die Überstunden kurzerhand zu verbieten. Die wenigen

oben genannten Gründe für die Überarbeit unserer Arbeiter zeigen schon die Unrichtigkeit derartiger Anschauungen. Wie dies in den Werken der Großeisenindustrie allgemein festgestellt ist, so entfallen auch in unserem Walzwerk die meisten Überstunden auf

die Reparaturarbeiter der mechanischen Werkstätten.

Die Einzelheiten sind

aus der Zusammenstellung erkennbar, in der die einzelnen Gruppen be­

sonders aufgeführt sind.

Bemerkenswert ist, daß bei den Drehern häufig

die Arbeitszeit von 12 auf 15 Stunden ausgedehnt wird. (Nr. 7)

Ein Dreher

hat an einem Sonnabend eine 24 stündige Schicht verfahren.

Stark sind die Maurer mit Sonntagsarbeiten belastet.

Zwei Maurer

(Nr. 22, 24) wurden drei Sonntage hintereinander beschäftigt, ihnen wurde dafür in der Woche ein freier Tag gewährt.

In einem Falle war ein

Maurer (Nr. 23) 2t Stunden hintereinander beschäftigt.

In die Zusammen­

stellung sind einmal das Lebensalter der Arbeiter, zweitens der Wohnort oder dessen Entfernung vom Hüttenort ausgenommen.

Beim Vergleich dieser

Merkmale erkennen wir beispielsweise, daß der Dreher, der eine Schicht von 24 Stunden versehen hat, ein Lebensalter von 62 Jahren aufweist, 11*

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Friedrich Syrup.

164

der Maurer mit 21 stündiger Arbeitszeit 60 Jahre alt ist. Wir sehen weiter, daß die Schmiede und Maurer vor und nach ihrer durch Über­

stunden verlängerten Arbeitszeit noch zeitraubende Wege von und zum Wohnort zurückzulegen haben.

Der Ausbildungsgang der eigentlichen Walzwerksarbeiter. Die schulentlassenen jungen Leute kommen zunächst als Zapfenschmierer

und Abzieher, dann als Schaber und endlich als Schnapper oder Pritscher

an die Walzenstraßen.

Sie leisten also Hilfsdienste, bei denen sie, ohne

an der schwierigen Hauptarbeit unmittelbar beteiligt zu sein, gute Kennt­

nisse

der

Arbeitsvorgänge

und

der

für ihr Gelingen hochbedeutsamen

Temperaturen des Walzgutes erlangen.

Gleichzeitig lernen sie, sich vor

den mannigfaltigen Betriebsgefahren beim Umgänge mit dem glühend heißen Arbeitsgut zu schützen.

Bei den oben genannten Arbeiten bleiben die jungen

Leute — allmählich aufrückend — etwa zwei Jahre.

dabei von 1,90 Mk. bis 2,70 Mk.

Ihr Schichtlohn steigt

Dann wird ihnen Gelegenheit gegeben,

die bis dahin erlangten Fähigkeiten und Erfahrungen bei anderer, nun schon schwererer Arbeit zu verwerten.

Je nach ihrer Anstelligkeit und

ihren Kräften kommen die 17- bis 19 jährigen jungen Leute nunmehr als Hilfswalzer an die Mittel- oder Grobstraßen.

Hier bildet sich der junge

Mann weiter aus, so daß er schließlich im Alter von 21 bis 23 Jahren

als vollwertiger Walzer anzusehen ist.

Dieser langwierige, schrittweise fort­

schreitende Entwicklungsgang läßt erkennen, daß die Ausbildungszeit von

ihren ersten Anfängen an als Lehrzeit betrachtet werden kann, wenn auch der Abschluß von Lehrverträgen, die Arbeitgeber und Arbeiter gegenseitig binden, in unserem Hüttenwerk, wie allgemein in den Walzwerken nicht

üblich ist. Bei dem Fehlen förmlicher Lehrverträge kann natürlich nicht genau

ermittelt werden, wieviele unserer Arbeiter eine Lehrzeit im vorbezeichneten Sinne durchgemacht haben, doch ergab sich, daß von 51 an den Walzen­

straßen tätigen eigentlichen Walzwerksarbeitern 45 einen gleichen Aus­ bildungsgang aufweisen. nicht vorhanden.

Nur bei 6 Arbeitern ist eine eigentliche Ausbildung

Davon sind 2 trotz höheren Alters noch immer als

Walzerjungen mit untergeordneten Tätigkeiten beschäftigt, da sie besondere

körperliche Gebrechen aufweisen.

Zwei weitere Arbeiter sind, trotzdem sie

das 50. Lebensjahr überschritten haben, noch als Pritscher tätig, und nur

die beiden letzten Arbeiter haben Arbeitsplätze als Walzer inne.

Sie sind

gleich als Hebler eingetreten, ohne vorher als Walzerjungen beschäftigt

gewesen zu sein.

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vom H üttenw erk

- ....

W ohnung und

deren E n tfe rn u n g

Die soziale Lage der seßhaften Arbeiterschaft eines oberschles. Walzwerkes. 165

Friedrich Syrup.

166

Sehen wir noil diesen wenigen Ausnahmefällen ab, so ergibt sich, das; unsere Walzwerksarbeiter den früher gekennzeichneten Ausbildungsgang durch­ gemacht haben, nm in die Arbeitsstellen der eigentlichen Walzer, Vorderleute, Walzmeister zu gelangen.

Weiter interessiert die Frage, ob unsere Walzwerksarbeiter unmittel­

bar nach dem Verlassen der Schule als Walzerjungen eingetreten oder erst anderen Tätigkeiten nachgegangen sind.

Von den 45 Walzwerksarbeitern, die eine geordnete Ausbildungszeit

durchmachten, sind 20, ohne vorher einen anderen Beruf ergriffen zu haben,

sofort als Walzerjungen eingetreten.

Die übrigen 25 waren zunächst ander­

weitig beschäftigt und zwar fast überwiegend als Paketbinder auf dem Werke. Sie haben aber diese Tätigkeit von vornherein als vorübergehend an­

gesehen und sind bald bei freiwerdenden Arbeitsplätzen an den Walzen­ straßen als Walzerjungen eingesprungen.

Daß die meisten Arbeiter unmittelbar nach der Schulentlassung oder

kurze Zeit darauf als Walzerjungen eingetreten sind, erklärt sich — ab­ gesehen von dem allgemeinen Wunsche, in dem erwählten Berufe bald

vorwärts zu kommen — aus der Art der Arbeit, die weniger Körperkraft,

dagegen große Behendigkeit verlangt. Die weitere Feststellung, daß von 45 Walzern 39 vor Erreichung des 16. Lebensjahres ihre Ausbildung angetreten haben, ist im Hinblick

auf unsere Arbeiterschutzgesetzgebung wichtig.

Es ist bekannt, daß für die

jugendlichen Arbeiter in den gewerblichen Betrieben die Beschäftigung während der Nachtzeit von 8 Uhr abends bis 6 Uhr morgens verboten ist, und daß

ihnen zu bestimmten regelmäßigen Zeitpunkten Vor-, Nach- und Mittags­

pausen gewährt werden müssen. Diese allgemein gültigen Bestimmungen sind für die Walzwerke und zwar für die Arbeit an den Walzenstraßen und Wärmöfen durchbrochen worden.

Bei diesen Walzwerksarbeiten ist die

Nachtarbeit der jugendlichen Arbeiter zugelassen, und davon abgesehen worden,

die Gewährung der Pausen zu ganz bestimmten, festgelegten Zeiten zu ver­ langen.

Die Gründe für diese weitgehende Ausnahmebestimmung gipfelten

in der Erwägung, daß ohne diese gesetzlichen Erleichterungen eine geordnete

Ausbildung

der jungen Burschen

ungewöhnlich

erschwert würde.

Sie

würden erst nach Vollendung des 16. Lebensjahres die Ausbildung antreten, vorher aber — soweit die beschränkte Beschäftigungsmöglichkeit für jugend­ liche Arbeiter in einem Hüttenwerk es überhaupt gestaltet — als Boten,

Wasserträger, Platzarbeiter, Handlanger beschäftigt werden müssen.

Eine

derartige, zwei Jahre dauernde Tätigkeit wäre für die berufliche Ausbildung der späteren Walzwerker ohne weiteren Nutzen, sie würde vielmehr die

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Die soziale Lage der seßhaften Arbeiterschaft eines oberschles. Walzwerkes.

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Erlangung gut bezahlter Arbeitsposten hinausschieben. Für unser Hütten­ werk ist weiter zu berücksichtigen, daß von einer Überanstrengung der 14-

oder 15 jährigen, vor dem Eintritt in die Hüttenarbeit ärztlich ausgewählten jungen Leute nicht gesprochen werden kann, wenngleich andererseits die Schädlichkeit nächtlicher.Arbeit bei den im Entwicklungsalter stehenden jungen

Leuten allgemein unbestreitbar ist.

Die Ausbildung der beschäftigten Handwerker. Jedes Hüttenwerk bedarf einer mehr oder weniger großen Zahl Hand­

werker

zur Instandhaltung der Betriebseinrichtungen.

Die Reparatur­

werkstätten und -abteilungen eines Hüttenwerkes sind meist im Verhältnis zur Arbeiterzahl der produktiven Betriebszweige gut besetzt, da alle Maschinen und Gerätschaften durch die mannigfachen Betriebseinflüsse besonders stark

angegriffen

werden

und

recht

häufig

einer

Instandsetzung

bedürfen.

Zudem sind vielfach diese Reparaturarbeiten eilig, so daß eine Heranziehung

fremder Handwerker ausgeschlossen ist.

Die Arbeiten müssen sofort von

eingearbeiteten Leuten ausgeführt werden, damit der Fortgang des Haupt­

betriebes nicht leidet.

In

unserem Hüttenwerke

handwerksmäßig

vorgebildeten

maschineller Einrichtungen

finden

sich sechs verschiedene Arten von

Arbeitern.

Zur

Instandsetzung

aller

sind die üblichen drei Gruppen der Metall­

arbeiter, Schlosser, Dreher und Schmiede vorhanden.

Die Aufgabe der

Sattler besteht darin, die Ledertreibriemen fachgemäß im ordnungsmäßigen

Zustand zu erhalten, während den Maurern und Zimmerleuten die Unter­ haltung der Gebäude und der Walzwerksöfen obliegt.

Unter den Arbeitern,

Handwerker

aller

auf die sich unsere Untersuchung erstreckt, sind

sechs Gruppen

vertreten.

Wir

finden

31 Arbeiter

an Arbeitsposten, für die eine handwerksmäßige Ausbildung im allgemeinen üblich ist.

Allerdings können nur 26 dieser Arbeiter auf eine ordnungs­

mäßige Lehrzeit zurückblicken, bei sechs Arbeitern fehlt diese.

Unter diesen sechs Arbeitern finden wir zwei Maurer, die zunächst als Handlanger im Maurerhandwerk gearbeitet haben und alsdann als Maurer

eingestellt sind. Ein Schmied hat seine Erfahrungen als Zuschläger ge­ sammelt. Außerdem treffen wir noch zwei weitere ungelernte Arbeiter, die mit einseitigen Teilarbeiten beschäftigt werden, einen Bohrer und einen

Elektriker. Alle übrigen 26 Arbeiter haben eine ordnungsmäßige Lehrzeit hinter sich, die sie mit wenigen Ausnahmen bei selbständigen Handwerksmeistern

zugebracht haben.

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Friedrich Syrup.

168

Bon den sieben Schlossern haben sechs bei derartigen Meistern, einer

in einer Maschinenfabrik gelernt. ausgebildet.

Der

In unserem Hüttenwerk selbst ist keiner

Schlossereibetrieb

eines

Hüttenwerkes

eignet sich

im

allgemeinen auch weniger zur Lehrlingsausbildung, da die Tätigkeit der

Hüttenschlosser sich nur im geringeren Umfange in der Werkstatt, sondern größtenteils in den übrigen Hüttenbetrieben bald hier, bald dort abspielt.

Infolgedessen greifen die Hüttenwerke auf ausgelernte Schlosser zurück, die

handwerksmäßigen Werkstätten

vielfach

entstammen.

Diesem Bedürfnis

haben sich die zahlreichen im oberschlesischen Industriegebiet vorhandenen

Schlossermeister angepaßt und beschäftigen in ihren Werkstätten Lehrlinge

in solcher Zahl, daß bisweilen die gründliche Ausbildung dieser jungen

Burschen in Frage gestellt wird und eine Lehrlingszüchterei aufzukommen Die Lehrzeiten haben bei fünf Schlossern drei Jahre, bei den

droht.

andern beiden dreieinhalb und vier Jahre betragen.

Alle sieben Arbeiter

haben unmittelbar nach Beendigung der Schulzeit ihren Beruf ergriffen und

Vier Schlosser sind bald nach

sind ihm dauernd treu geblieben.

Beendigung der Lehrzeit in die Hütte eingetreten, die übrigen drei Schlosser

waren beim Eintritt 29, 31 und 33 Jahre alt.

Die Beweggründe, die

sie zum Eintritt ins Hüttenwerk veranlaßten, waren übereinstimmend besserer

Verdienst, besonders aber die Gewißheit der dauernden Beschäftigung. Ganz im Gegenteil zu den Schlossern sind alle acht Dreher in der Hütte selbst ausgebildet worden.

Dreherei

und

die

fachgemäße Ausbildung nach

Jahr

Das Vorhandensein einer gut eingerichteten

ständige Tätigkeit in der Dreher.

der Werkstatt ermöglicht eine

Sechs

der Dreher

traten

gleich

dem Verlassen der Schule in die Lehre, einer war zweidreiviertel

vorher

anderwärts Handlanger,

ein

andrer zwei Jahre vorher

Maurerjunge. Alle drei Schmiede hatten in zwei bis dreieinhalb Jahre dauernden

Lehrzeiten bei Meistern der umliegenden Dörfer gelernt, ebenso hatten die drei Maurer, die drei Zimmerleute und der Sattler ihre Berufskenntnisse

während dreier Jahre bei kleineren selbständigen Handwerksmeistern er­

worben.

Auch sie waren durch die Aussichten, dauernd, selbst im Winter

lohnende Arbeit zu haben, zum Eintritt in die Hütte veranlaßt. Die Möglichkeit der Heranziehung eines eigenen Nachwuchses an Bau­

arbeitern bietet die Hütte im geringen Grade.

Es tritt nämlich hier die

eigentümliche Betriebserscheinung auf, daß das Schwergewicht der Berufs­

tätigkeit dieser Arbeiter auf der Sonntagsarbeit ruht, zu der jugendliche Arbeiter nicht herangezogen werden dürfen. Nur an den Sonntagen können die Bauarbeiter die meisten Jnstandsetzungsarbeiten an den Öfen

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Die soziale Lage der seßhaften Arbeiterschaft eines oberschles. Walzwerkes.

ausführen, da dann der Walzwertsbetrieb 24 Stunden ruht.

1iZ9

So kommt

es, daß diese Arbeiter fast allsonntäglich zur Arbeit herangezogen werden,

und daß ihnen an Stelle der Sonntagsruhe eine Werktagsruhe gewährt wird, während ihnen an Wochentagen häufiger andere als Berufsarbeit

zugewiesen werden muß.

Derartige Betriebsverhältnisse sind zur Lehrlings­

ausbildung ungeeignet.

Die Gesundheitsgefahren der Walzwerksarbeit. Vervollständigen wir das Bild über die Berufstätigkeit noch durch

eine kurze Betrachtung der gesundheitsschädlichen Einflüsse und Unfallgefahren,

die mit der Arbeit verbunden sind.

Die Ofenarbeiten gehören zu den

schwersten Tätigkeiten im Walzwerk, da die Ofenarbeiter bei ihnen im be­ sonders hohen Maße den Einwirkungen der Hitze und der austretenden

Verbrennungsgase ausgesetzt sind.

Die Arbeiten müssen zeitweise unter

Benutzung schwerer Arbeitsgeräte vorgenommen werden, erfordern

also

Aufwendung großer Körperkräfte, zeitweise beschränken sie sich auf eine

vorwiegend überwachende Tätigkeit des Ofenganges.

Besonders anstrengend

sind die vielfachen Jnstandsetzungs- und Reinigungsarbeiten während des

Betnebes, wie Ausbesserungen am Ofenherd, Losbrechen von Schlacken­ ansätzen, Reinigen der Röster usw.

Die Tätigkeit der Walzwerksarbeiter

erfordert neben Aufmerksamkeit und Gewandtheit zum Teil Aufwendung

erheblicher Körperkraft.

Die Schwere der Arbeit verbunden mit häufigem,

raschem Temperaturwechsel birgt die Gesundheitsgefahren des Walzwerks­

betriebes.

Der Einfluß der Wärmestrahlung und des plötzlichen Temperatur­

wechsels äußert sich in zahlreichen Influenzen, Rheumatismen und Er­

krankungen der Atmungsorgane, von denen die Arbeiter befallen werden.

Die hohen Temperaturen veranlassen die Arbeiter sich tunlichst leicht zu kleiden und zur Abkühlung Zugluft aufzusuchen.

Auch die vielen Magen-

und Darmkatarrhe bilden eine Folge der Hitze und der zur Abkühlung genossenen reichlichen und kalten Getränke.

Im folgenden wurde untersucht, ob sich bei einzelnen unserer Arbeiter-

Krankheiten herausgebildet haben, von denen die Arbeiter dauernd oder wiederholt im Laufe der letzten Jahre befallen waren, und die die Arbeiter zeitweise arbeitsunfähig gemacht haben. Die nachstehende Übersicht gibt darüber Aufklärung. Aus der Zusammenstellung geht vornehmlich der Einfluß des Lebens­ alters hervor.

Von den kranken Arbeitern standen im Alter von

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Friedrich Syrup.

170

60

und mehr Jahren 10, das ist 240/0aller Arbeiter

50

bis60



40

bis 50



über 60

12, das ist 13 0/o



„von 50—60

40/0





4, das ist

Jahre,

„ 40-50

„ „ unter 40 unter 40 „ 0, das ist 00/0 Die unterste Grenze des Dienstalters der kranken Arbeiter betrug 30 Jahre. Unter den Krankheitsformen fallen in erster Linie die Brüche 19),

Tätigkeit des

Tätigkeit des

Arbeiters

Arbeiters

Schichter Walzenschleiser Wächter Walzenhauer Walzer Eisenbinder Wärmer Schichter

Walzer

Le­ bens­ alter in Jah­ ren

D ienstalter

Frühere

Art des Leidens, das den

Arbeiter wiederholt arbeitsunfähig machte

!

Jetzige

in Jahren

L fd . N r.

1

dann die Rheumatismen und Erkrankungen der Atmungsorgane (8) auf.

Kesselwärter Walzer Schürer Wärmer Puddeleiarbeiter

63 60 58 63 57 58 60 60 59

46 44 44 44 43 42 42 34 40

Schürer 10 Schürer Walzer Walzer 11 Binder Puddler 12 Wärmer Schürer 13 Schichter Schichter 14 15 Zuschläger 16 Puddler 17 Binder 18 Kohlenfahrer Schichter 19 Lader Puddler 20 Eisenbinder Eisenbinder 21 Wärmer 22 Kesselwärter Kesselwärter 23 Eisenbinder Eisenbinder 24 25 Maschinenwärter Maschinenwärter Binder Binder 26

54 56 56 55 56 60 64 61 61 56 48 54 55 49 62 49 46

39 39 39 39 38 38 37 37 37 35 34 33 33 33 32 32 30

1 2 3 4 5 6 7 8 9

Bruch

Nachwehen einer Beinverletzung Bruch Krampfadern Rheumatismus Bruch Brust- und Kopfschmerzen Schwäche infolge Schlaganfalles (Ist seit 6 Jahren pensioniert) Bruch, schwache Augen Bruch Rheumatismus Kopfschmerzen Beinleiden Bruch Kopfschmerzen Rheumatismus Grauer StarLungenentzündung Kreuzschmerzen (Rheumatismus) Bruch Rippenfellentzündung Rheumatismus Schwäche Rheumatismus Leistenbruch

Die UnfaÜgefahren der Walzwerks arbeit. Zu diesen beachtenswerten gesundheitsschädigenden Einflüssen treten die Unfallgefahren, die vornehmlich in dem Berühren des glühenden Walz­ gutes

und in dem Umherspritzen glühender Schlacken- und Eisenteilchen

bestehen.

Die auftretenden Unfälle stellen sich daher hauptsächlich als Ver­

brennungen dar.

Das glühende Walzgut birgt schon in sich eine grolle

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Die soziale Lage der seßhaften Arbeiterschaft eines oberschles. Walzwerkes.

Unfallgefahr.

171

Dieft erhöht sich jedoch noch wesentlich, sobald das Eisen

von seinen vorgeschriebenen Bahnen abweicht.

Nur durch Umsicht und

Entschlossenheit können die Walzer eine gefahrvolle Berührung vermeiden. Die Tätigkeit der Arbeiter geht zudem in unmittelbarer Nähe bewegter

Maschinen vor sich, deren unbeabsichtigte Berührung Gefahren birgt. Endlich bringt die Bewegung schwerer Massengüter naturgemäß manche Gefahren­

möglichkeit durch Verhebung, Umfallen der Transportgegenstände mit sich.

In der folgenden Zusammenstellung sind die innerhalb der letzten beiden Jahre unter unsern 253 Arbeitern vorgekommenen Unfälle wiedergegeben. (Siehe Tabelle auf nächster Seite.)

Von den 253 Arbeitern haben im Laufe von zwei Jahren 46 Arbeiter Unfälle erlitten, somit durchschnittlich in einem Jahre 23 Arbeiter, das ist

9 o/o der Gesamtarbeiter.

Die Zahl der Unfälle betrug, da drei Arbeiter

je zwei Unfälle erlitten hatten, 49, durchschnittlich im Jahr 24,5 Unfälle.

Es entfielen also auf 100 Arbeiter durchschnittlich 10 Unfälle im Jahr.

Unfälle, bei denen der Verletzte getötet wurde, oder bei denen die Ver­ letzung später zum Tode führte, kamen nicht vor.

Dagegen hatten sechs

Unfälle eine Beeinträchtigung der Arbeitsfähigkeit von mehr als 13 Wochen

zur Folge.

Die übrigen 43 Unfälle waren leichter, machten aber bei jeder

Verletzung ärztliche Behandlung und vorübergehende Aufgabe der Arbeit nötig. Die folgende Übersicht zeigt, in welchem Maße die einzelnen Arbeiter­

gruppen an den Unfällen beteiligt waren.

Zahl

Arbeitergruppe

Walzer........................... Ofenleute....................... Handwerker.................. Eisenbinder ..... Sonstige Arbeiter . .

der

! Zahl der in ! zwei Jahren

Zahl der Unfälle, die durchschnittlich in

vorhandenen

vorgekomme-

1 Jahr auf 100 Arbeiter

Arbeiter

nen Unfälle

entfielen

41 26 26 47 113

20 7 9 5 8

24 13 17 5 3,5

Die Zusammenstellung ist charakteristisch, sie zeigt die besondere Ge­

fährdung der an den Walzenstraßen tätigen Arbeiter. des Herganges

Bei Betrachtung

deo Unfalles wird auch die Gefahrenquelle klar.

Sie

besteht darin, daß das glühende Walzgut von der ihm angewiesenen Bahn abweicht, einen anderen Weg nimmt und dadurch die Walzer gefährdet. Die Gesamtzahl

der Unfälle

bei unseren älteren

Arbeitern (zehn

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„ „



6 7

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Kontusion der Zehe Verbrennung der Seite



14 15

12 13



Fingerverletzung Verbrennung beiderOberschenkel und Kniee Verbrennung beider Beine

„ „ „

11





leicht

schwer





der Hand





10





der Hand des Beins



„ „

8









Fingerwunde Verbrennung des Vorderarms

9

,



5

Rückens



5









Quetschwunde am Finger

Kontusion der Seite Verbrennung des Unterschenkels







Quetschung des Fußes Fingerwunde Verbrennung des Rückens

„ „ „

leicht

letzung

Schwere

Verbrennung des Fußes

der Berletzunq

Walzer

Art

3 4

2

2

1

1

betters

Ar-

Arbeiters

letzten

k t.des

verletzten

M

Beruf

des

ver-

Nr.

Lsd.

Einziehung des Herausspringen der Bahn Umfallen eines Herausspringen der Bahn

Sturz

Gegenstandes des glühenden Walzgutes aus

des glühenden Walzgutes aus

Arbeiters in Drahtschlinge

Herausspringen des glühenden Walzgutes aus der Bahn Herausspringen des glühenden Walzgutes aus der Bahn Walzenumbau Herausspringen des glühenden Walzgutes aus der Bahn Berühren des Drahtes Herausspringen des glühenden Walzgutes aus der Bahn Herausspringen des glühenden Walzgutes aus der Bahn

Hilfleistung an der Dampfmaschine

Sturz

Herausspringen des glühenden Eisendrahtes aus der Bahn beim Walzen Umfallen eines Gegenstandes Herausspringen des glühenden Walzgutes aus der Bahn

Hergang des Unfalles

172 Friedrich Syrup.

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46

42 43 44 45

41

32 33 34 35 36 37 38 39 40

31

22 23 24 25 26 27 28 29 30

Putzer Beizer Kesselwärter

Kaltwalzer

Scherenmann „ Wickler Walzenschleifer

„ „



Werkmeister Eisenbinder „ des Unterleibs

Distosion des Fußgelenkes Verletzung des Daumens Zerreißung der Weichteile derHand Kontusion des Auges Fingerwunde Handverletzung Verbrennung des Arms und des Beins Augenverletzung



Quetschung der Zehen Verbrennung der Hand Kontusion der Zehe

leicht

schwer





leicht

schwer

„ „

leicht „ „

schwer

„ „ „ „ „ „

Hexenschuß

„ „ „ Maurer Zimmermann

Verbrennung im Gesicht Fingerverletzung Kopfverletzung Schnittwunde am Finger Verrenkung Schnittwunde an der Hand

leicht „

Schlosser

schwer

Handverbrennung Kontusion der Schulter



leicht „

schwer

„ „ „



leicht

Leistenbruch

Verbrennung des Oberschenkels Kopfwunde Schnittwunde an der Hand

der Lenden „ des Fußes Leistenbruch



„ des Arms Kontusion des Beins

Verbrennung des Unterschenkels

Drehermeister

„ Wärmer „ Schürer „ „ „ Zunderfahrer Dreher

17

18 19 20 21

Walzer

16

Fremdkörper

Arbeiten an der Wickelmaschine Umfallen eines Gegenstandes „ „ Stechen mit Drahtende Sturz in Säurebehälter

Schneiden an der Schere

Transportarbeiten

Sturz

Umfallen eines Gegenstandes

Sturz auf glühendes Eisen

Transportarbeiten

Hobeln Arbeiten mit Geräten Binden

Ausspritzen von Säure Getriebe Arbeiten mit Geräten

Transvortarbeiten Streifen an Eisenkante Transportarbeit Sturz auf glühendes Eisen Transportarbeit

Sturz aus glühendes Walzeisen

Heben

Arbeiten mit Osengezähe Transportarbeiten

Kohlenschaufeln

Herausspringen des glühenden Walzgutes aus der Bahn Walzenumbau

Die soziale Lage der seßhaften Arbeiterschaft eines oberschles. Walzwerkes. 173

Friedrich Syrup.

174

Unfälle auf 100 Arbeiter) ist geringer als die Zahl für das Gesamtwert

(12 bis

12 Unfälle auf 100 Arbeiter).

Der Grund liegt vornehmlich

in der großen Erfahrung der alten Arbeiter und in der Ausschaltung der Einflüsse des Arbeiterwechsels.

Es ist ja hinreichend bekannt, daß die Un­

erfahrenheit und Ungewandtheit der im ersten Jahre auf einem Werte

beschäftigten Arbeiter ungewöhnlich ungünstig auf die Höhe der Unfaltzisfern

und Schwere der Verletzungen einwirkt. Anschließend wurde noch festgestellt, wieviele von unseren 253 Arbeitern im Laufe ihrer ganzen Dienstzeit auf der Hütte einen Unfall mit teilweiser Erwerbsunfähigkeit erlitten haben und dadurch in den Genuß einer Unfall­ rente gekommen sind. Die nachstehende Übersicht gibt hierüber Aufschluß.

Zur Gewinnung eines Maßstabes sei bemerkt, daß von den 253 Arbeitern

zusammen 7 447 Dienstjahre geleistet wurden, und daß aus diesen Dienst­

Frühere

Tätigkeit

des

des

Arbeiters

Arbeiters

Walzer 1 Walzenschleifer Walzer ,, 2 3 Walzmeister Walzer ,, 4 ,) Oberwächter Puddler Lader 6 Wärmer 7 Wärmer Schürer 8 Binder Puddeleiarbeiter 9 Beizer Schichter 10 Schichter Dreher 11 Dreher Puddler 12 Verwieger Binder 13 Scherenmann Puddler 14 Schürer Walzer Binder 15 Walzer 16 Schürer 17 Zunderfahrer Walzer Walzer ' 18 Binder Binder 19

D le n M tte r in Jabren

Jetzige

Tätigkeit

Lebensalter in Jahren

Lfd. N r.

j

jahren 19 zurzeit rentenberechtigte Unfälle herrühren.

62 57 56 56 65 54 54 47 49 53 44 52 54 50 39 36 42 41 25

45 43 42 40 40 38 34 31 30 30 29 29 29 26 25 22 17 11 10

Art der Verletzung beim Unfall

Knieverletzung Augenverletzung Fußverletzung Bruch Armverletzung Bruch Fußverletzung Verbrennung ? Verlust eines Auges „ „ „ Steifer Finger Kopfverletzung ? Fußverbrennung Beinverbrennung Bruch Beinverletzung

Höhe Dauer des Be­ der Unfall­ zugs der rente Rente in Monat Jahren

? ?

11,>40 22,00 7,00 16,75 10,45 13,00 9,00 4,40 6,50 7,00 7,00 8,75

25 21 9 25 7 15 20 6 5'4

6 26 1

23 ' 1 2 1 8

Der Zusammenhang zwischen Vetriebseinflüssen und Lebensalter. Zumeist

ist

es mit erheblichen

Schwierigkeiten verbunden,

einen

Zusammenhang zwischen Betriebseinflüssen und Lebensalter auf Grund von

Einzeluntersuchungen zahlenmäßig nachzuweisen.

Voraussetzungen für der-

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Die soziale Lage der seßhaften Arbeiterschaft eines oberschles. Walzwerkes.

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artige Ermittlungen sind einmal, daß die Betriebseinflüsse an sich stets die gleichen geblieben sind, und weiter, daß diese Einflüsse langdauernde waren.

Die folgenden Auslassungen beschränken sich auf Walzwerksarbeiter, die von Beginn

ihrer Erwerbstätigkeit oder kurz nachher ununterbrochen

in einunddemselben Hüttenwerk die gleiche Arbeit, nämlich das Auswalzen des glühenden Eisens, vorgenommen haben.

Allerdings hat sich im Laufe

der Jahrzehnte die Intensität des Betriebes gesteigert, dafür ist aber ein

Teil der früheren Körpertätigkeit durch technische Betriebsverbesserungen

fortgefallen, die Pausen sind günstiger geregelt worden, so daß man die Betriebseinflüsse als etwa gleichartig ansprechen kann. Die Dauer

des

auf

Einflusses

unsere Arbeiter schwankt zwischen

10 und 50 Jahren. Von vornherein sei bemerkt, daß man allgemein dem häufig beliebten Beweismittel, vereinzelte alte, langjährig beschäftigte Arbeiter als lebendes

Zeugnis für die Ungefährlichkeiten von Betriebseinflüssen vorzuführen, mit

Recht

keinerlei Bedeutung

beilegt.

Derartige

„Paradearbeiter"

treten

meist ganz vereinzelt auf und zeugen zumeist nur von einer besonders guten Körperbeschaffenheit und

der

möglichen Gewöhnung

an Berufs­

gefahren. Die hier vorgenommenen Untersuchungen erscheinen dagegen deshalb

mehr von Bedeutung zu sein, weil sie sich auf 41 Walzer, das ist an­ nähernd die Hälfte der ganzen Walzmannschaft, erstrecken.

Infolgedessen

kann man hier — in bezug auf unser Hüttenwerk — nicht von unmaß­

geblichen Einzelerscheinungen sprechen. Dauer der

Lebensalter, das die ein­

Dauer der

Berufsein­

zelnen Arbeiter unter

Berufsein­

zelnen Arbeiter unter

wirkung in

Einfluß dieser Berufsein­

wirkung in

Einfluß dieser Berufsein­

Jahren

wirkungen z. Z. aufweisen

Jahren

wirkungen z. Z. aufweisen

45 43 42 40 39 38 37 36 33 32 31 29 28

61 57 58 60 56 53 65 62 47 48 47 43 42

57 57 57 56 56 54

53

42

Lebensalter, das die ein­

43 41 40 38 37 37 36 45 35 41 40 31 28 48

26 25 23 22 21 20 19 16 14 13

11 10

-

41 32 25 25 24

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176

Friedrich Syrup.

Außer den 41 Walzern, die noch an den Walzenstraßen tätig sind,

hatten elf ihre erlernte Tätigkeit zur Zeit der Erhebung bereits aufgegeben. Sie waren jedoch in der Lage, sich noch anderweit in der Hütte erwerbs­ tätig zu beschäftigen.

Die nachstehende Zusammenstellung gibt hierüber

Auskunft.

Lfd. Lebens­

Nr.

alter

Dienst­

Letzte Be­

Spätere

Grund für

alter in

schäftigungsart

Beschäftigung

den Wechsel

der Hütte

an der

im

der

überhaupt

Walzenstraße

Hüttenwerk

Beschäftigung

1 2 3 4 5 6

64 62 63 64 63 62

49 49 48 47 46 45

Vordermann

Aufseher Eisenbinder

Walzer

Maschinenwärter Schichter Walzenschleifer

7 8 9

59 60 58

45 44 44

Vordermann Walzer

10 11

57 45

41 23

Aufseher Walzenschleifer Wächter

nach 20 j. Tätigkeit als Walzer schwere Knie­ verletzung

Bruchleiden Schwere Beinver­ letzung

Materialienausgeber Schürer

Der durch verminderte Körpertüchtigkeit veranlaßte Übergang eines

Arbeiters zu einer leichteren Tätigkeit hat entsprechend der verringerten Leistung eine schlechtere Entlohnung zufolge.

In der folgenden Übersicht

sind der jetzige tatsächliche Verdienst und derjenige Lohn gegenübergestellt,

den der Arbeiter jetzt verdient hätte, wenn er auch zurzeit noch seine früher

innegehabte Stelle an der Walzenstraße hätte ausfüllen können. (Siehe Tabelle auf nächster Seite.)

Der Arbeiter Nr. 5 bezieht eine Werkspension, der Arbeiter Nr. 6 Werkspension und Unfallrente. Der Materialienausgeber Nr. 10 erhält freie Hüttenwohnung.

Der Zusammenhang zwischen Lebens- und Dienstalter sämtlicher Arbeiter. Anschließend seien für sämtliche Arbeiter das Lebens- und Dienstalter einander gegenübergestellt. (Siehe Tabellen auf Seite 178 u. 179.)

Da wir unsere Untersuchung auf die Arbeiter beschränkt haben, die

mindestens 10 Jahre in der Hütte tätig waren, so ist die unterste Grenze

des Lebensalters 24 Jahre.

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Die soziale Lage der seßhaften Arbeiterschaft eines oberschles. Walzwerkes.

177

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11

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2,80 3,05 3,05 2,50 1,80 1,80 4,00 2,85 2,00 80 Mk. im Monat 3,80

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pro Schicht

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4,80 4,80

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Vordermann

Walzer

Vordermann Walzer

Die folgende Zusammenstellung gibt uns den Altersaufbau unserer Arbeiter wieder. Es standen im Lebensalter von

24 bis 30 Jahren

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35

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40

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mehr als 60

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6

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Unsere Arbeiter stellen etwa 50 o/o der männlichen Belegschaft des Zur Kennzeichnung des Lebensalters der übrigen 50 o/o,

Walzwerkes dar.

die von unserer Untersuchung nicht erfaßt sind, sei bemerkt, daß im Alter von 14—16 Jahren

.

.

.

.6 o/o







16—20



.... 19o/o







20—25



....

90/0 standen.

Der Nest von 16 0/0 verteilt sich auf die übrigen höheren Altersklassen.

Der Dienstaltersaufbau der Arbeiter. Der Dienstaltersaufbau nochmals besonders dargestellt.

ist

in der folgenden graphischen Übersicht

Von der Belegschaft unseres Hüttenwerkes

im Jahre 1859, also kurz nach Gründung des Werkes, ist noch ein Arbeiter tätig.

Etwa 100 Arbeiter waren schon im Jahre 1881, etwa 200 im

Schriften 153. I.

12

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75

D ie n s t- ___________________________________________ —

Z u s a m m e n h a n g z w is c h e n D ie n s t- u n d L e b e n s a lte r b e i den A r b e ite r n ü b e r 178 Friedrich Syrup.

A r b e ite r n u n te r

Sum m e:

18 17 16 15 14 18 12 11 10

20 19

22 21

30 29 28 27 26 25 24 23

34 33 82

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48

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47

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49

D ie n s t - _______________________________________________________ Lebensalte r

b e i den

Z u s a m m e n h a n g z w is c h e n D ie n s t- u n d L e b e n s a lte r Die soziale Lage der seßhaften Arbeiterschaft eines oberschles. Walzwerkes.

179

Friedrich Syrup.

180

Jahre 1894 an der gleichen Arbeitsstätte, wie jetzt tätig.

In der graphischen

Darstellung ist das gleichförmige Anwachsen bemerkenswert.

Die seßhaften

Arbeiter stammen nicht aus einzelnen Jahrgängen der Belegschaft, sondern verteilen sich fast gleichmäßig über 41 Jahre. (Siehe graphische Darstellung auf nächster Seite.)

Betrachten wir den Gesundheitszustand, das Lebensalter, die lang­ jährige Ausübung nicht leichter Berufsarbeit, so ist vielleicht der Hinweis ge­

boten, daß die früher seit Jahrhunderten sich stets wiederholende Dezimierung der oberschlesischen Bevölkerung viel dazu beigetragen hat, das überlebende Geschlecht recht widerstandsfähig und zäh zu machen.

Den jetzt Lebenden

ist in dieser Beziehung nur noch das unglückliche Jahr 1847 mit seinem oberschlesischen Hungertyphus in Erinnerung, der eine ohnehin spärliche Bevölkerung in bemitleidenswerter Weise dezimierte.

Diese Erscheinung

ist aber keine vereinzelte geblieben, die Geschichte Oberschlesiens führt viele

Fehlernten auf, die regelmäßig mit schweren Krankheiten und zahlreichem Sterben der Bevölkerung verbunden waren.

Wenn man allgemein den

Standpunkt mancher Rassenhygieniker, daß eine Seuche die Rassenauslese begünstige, nicht zu teilen vermag, so dürfte der Flecktyphus hier eine

Ausnahmestellung einnehmen, da seine Letalität im hohen Maße von allgemeinen Körperverhältnissen abhängt und er daher selektionisch wirkt. Der Hinweis auf diese Einwirkung, der mehrfach von berufener Seite

in Hinblick

auf

die Gesundheitsverhältnisse der oberschlesischen Arbeiter

erfolgt, bedarf daher auch hier der Erwähnung.

Die Entlohnung der Arbeiter. Die oberschlesische Montanindustrie stand bis vor wenigen Jahren in

dem Rufe, ungewöhnlich niedrige Arbeitslöhne zu zahlen.

Die älteren

unserer Arbeiter wissen in Erinnerung weit zurückliegender Zeiten von Wochenlöhnen im Betrage von 10 Mk. und dergleichen zu erzählen.

Die

Lohnstatistik des oberschlesischen Berg- und Hüttenmännischen Vereins geht bis zum Jahre 1887 zurück und verzeichnet in diesem Jahre für den er­ wachsenen männlichen Durchschnittsarbeiter der oberschlesischen Eisenhütten

den Jahresverdienst von 661,24 Mk., der im Jahre 1895 auf 788,51 Mk., im Jahre 1910 auf 1091,21 Mk., im Jahre 1913 auf 1174,85 Mk. ge­

stiegen ist.

Der

erwähnte Durchschnittsarbeiter hat natürlich nur theoretischen

Wert. Er ermöglicht einen Vergleich mit den Arbeitslöhnen anderer Industrien

oder anderer Eisenhüttenbezirke.

Die Löhne des Durchschnittsarbeiters um­

fassen die Verdienste der gelernten, angelernten und ungelernten Arbeiter.

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Die soziale Lage der seßhaften Arbeiterschaft eines oberschles. Walzwerkes.

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181

182

Friedrich Syrup. Im Hinblick auf die vorliegende Untersuchung, die sich auf Arbeiter

mit langer Dienstzeit im gleichen Hüttenwerk beschränkt, war es besonders

erfreulich, die Schichtlöhne einzelner Arbeitergruppen unseres Werkes während

24 Jahren, vom Jahre 1890 bis 1913 zahlenmäßig verfolgen zu können. Die Lohnentwicklung ist in der obenstehenden graphischen Darstellung für

die Vorderleute (Kurve I), Wärmer (II), Walzer (III), Maschinisten (IV), Schürer (V), Binder (VI) klargelegt. Die Pfeilstriche neben den Kurven geben die Unterschiede zwischen

den höchsten und niedrigsten Schichtlöhnen an.

Die Unterschiede betragen

bei den Vorderleuten 2,60 Mk., bei den Würmern 1,80 Mk., bei den

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Die soziale Lage der seßhaften Arbeiterschaft eines oberschles. Walzwerkes.

1^3

Walzern 1,40 Mk., bei den Maschinisten 0,75 Mk., bei den Schürern

1,10 Mk. und bei den Bindern 1,15 Mk.

Die Gabelung der Kurve I (Vorderleute) bedarf einer kurzen Er­ läuterung.

Im Jahre 1912 wurden die Vorderleute zu Walzmeistern

mit einem Schichtlohn von 7,50 Mk. befördert.

Der Ersatz wurde aus

den Walzern gewählt, die jedoch mit einem niedrigeren Schichtlohn (6,30 Mk.) ansingen, als den vorigen Vorderleuten (6,90 Mk.) gezahlt war. Während wir bis zum Jahre 1905 starke Schwankungen in den

Verdienstkurven

entsprechend dem Beschäftigungsgrad beobachten können,

ist vom Jahre 1905 an ein ständiges Steigen erkennbar.

In dem ge­

nannten Jahre hat ein Wechsel in der Betriebsleitung der Hütte statt­

gefunden, und die neue Direktion vertritt den verständigen Standpunkt,

die Höhe der Schichtlöhne nicht von den Konjunkturen abhängig zu machen. Die Lohnsorm ist, abgesehen von der Entlöhnung der Handwerker, Platz­

arbeiter, die nach Arbeitsstunden bezahlt werden, ein Gruppenakkord, der sich gleichartig auf die Ofenarbeiter, Walzmannschaften, Walzenzugmaschinisten,

Scherenleute, Binder eines Walzwerkes erstreckt. Der Grundlohn (100 o/o) ist der Lohn der Walzer, Ringelwalzer, dessen Höhe sich nach der Menge des gefertigten Walzgutes richtet.

Die

Schichtlöhne der übrigen Arbeitergruppen sind prozentual auf die Löhne der Walzer bezogen, indem z. B. der Schichtlohn des Vordermanns auf

etwa 140 o/o, der des Schürers auf etwa 73 o/o des Walzerlohnes festgelegt ist.

Bei einzelnen Eisensorten werden jedoch, z. B. für die Binder, Zu­

schläge zu den Prozentsätzen gezahlt. Um einen Einblick in die Veränderung des Geldwertes zu bekommen,

seien die Preise einiger Nahrungsmittel für den gleichen Zeitraum, auf

den die Lohnuntersuchung ausgedehnt ist, hier wiedergegeben. Preise der Nahrungsmittel in Mark i m Jahre Nahrungsmittel

Eßkartoffeln . (100 Rindfleisch Keule. 1 „ Bauch 1 Schweinefleisch. . 1 Speck.......................... 1 Schweineschmalz . 1 Mehl, Weizen . . 1 Roggen . . 1

1890

1895 ! 1900

1905

3,55 ! 4,90 5,66 6,75 1,11 1,11 1,30 1,23 0,94 0,95 j 1,10 ! 1,10

1.18 1,11 1,11 > l,53 2,16 1,82 1,70 , 1,91 2,00 1,60 i 1,50 1,90 0,36 . 0,29 0,34 0,31 0,30 0,23 ! 0,25 0,23

1910

1913

6,00 1,60 1,20 1, 40—1,60 1,80 2,00 0,36 0,24

7,00 1,60 1,40 1,50-1,70 2,00 2,00 0,36 0,26

In der folgenden Übersicht sind die Schichtlöhne der fünf charakte­ ristischen Arbeitergruppen gesondert nach dem Lebensalter der Arbeiter an-

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Friedrich Syrup.

184

Die Untersuchung erstreckte sich auf zwei Drittel aller Arbeiter.

gegeben.

Sie läßt insgesamt, wie bei den einzelnen Arbeitergruppen den Schluß

zu, daß das Lebensalter keinen wesentlichen Einfluß auf die Höhe des

Errechnen wir den durchschnittlichen Schichtlohn

Arbeitslohnes ausübt.

aller Arbeiter und setzen diesen gleich 100, so ergeben sich für die einzelnen Altersklassen folgende Lohnschwankungen:

Arbeiter

40 Jahren

unter

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von 40 bis 45

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über

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Arbeiter­ gruppe

2 1 2 3 4 5 6 7 8

Walzer

9 10 11 12 13 14

Ofenleute

15 16 17 18 19 20

Handwerker

21 22 23 24

Angelernte Maschinisten ,,

25 26

Ungelernte Binder

108 100

50

96 107

91

Zahl der Arbeiter im Alter

Schichtlohn

von Jahren

des Arbeiters

in Mk.

Lohn von 100

bis 40 40-45 45—50 50-55^55-60

über 60

zu­ sammen

4

5

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7

8

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10

unter 3,00 3,00-3,50 3,50-4,00 4,00—4,50 4,50-5,00 5,00--5,50 6,50 7,00—7,50

1 2 2 1 4 — 1 —



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1 — 1 5 1 2 —

2 — 1 5 1 — 2

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1 8 2 5 20

unter 3,00 3,00—3,50 3,50-4,00 4,00—4,50 5,00—5,50 5,50—6,00

— 1 1 1 — 1

— 1 4 — 2 2

— — 2 — 1

unter 3,00 3,00-3,50 3,50—4,00 4,00-4,50 7,00 10,00

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— 1 5 1 —

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unter 3,00 3,00-3,50 3,50—4,00 5,40

1 —

3,00—3,50 3,50-4,00

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6 2

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Die soziale Lage der seßhaften Arbeiterschaft eines oberschles. Walzwerkes.

185

Auch das Dienstalter ist für die Höhe der Tchichtlöhne nicht aus­ schlaggebend.

So finden sich unter einer Gruppe von Walzern, die ohne

Unterschied einen Schichtlohn von 4,80 AU. verdienen, Arbeiter mit einem

Dienstalter von 10, 11, 13, 14, 16, 20, 23, 26, 28, 29 Jahren.

Wärmer

mit einem Schichtlohn von 5,80 Mk. wiesen ein Dienstalter auf von 14, 15, 18, 22, 29, 30, 31 Jahren.

Unter den Drehern mit einem Schicht­

lohn von 4,00 Mk. finden sich Arbeiter, die 18, 29, 36, 41, 45, 51 Jahre auf der Hütte tätig gewesen

waren.

Unter den gleichbezahlten Bindern

waren Arbeiter mit 12 und solche mit 49 Dieüstjahren. Ausschlaggebend für die Höhe der Entlöhnung bleibt die Arbeitsleistung, die einerseits von den Schwächen des hohen Lebensalters ungünstig, anderer­

seits von den Erfahrungen des langen Dienstalters günstig beeinflußt wird. Es würde jedoch gänzlich verfehlt sein, zur Erlangung des Jahresarbeits­ verdienstes die in der Übersicht angegebenen Schichtlöhne mit etwa 300 (entsprechend der Zahl der Arbeitstage im Jahr) zu multiplizieren.

günstig

So

liegen — abgesehen von den durch Krankheit oder aus sonstigen

Hinderungsgründen versäumten Schichten — die Einkommensverhältnisse unserer Arbeiter keineswegs.

Gerade Feineisenwalzwerke, wie das unsrige,

sind im hohen Maße von Konjunkturschwankungen abhängig und bei schlechter Geschäftslage infolge mangelnder Aufträge in mehr oder weniger hohem

Grade zur Einlegung von Feierschichten gezwungen.

Das Jahr 1913,

auf das sich unsere Untersuchungen beziehen, gibt ein gutes Beispiel, wie

die wirtschaftliche Lage der Arbeiter von den Konjunkturschwankungen be­ rührt wird.

Der Markt für Walzeisen befand sich zu Beginn des Jahres

1913 in guter Verfassung.

Aber bereits von Anfang Februar ab ver­

schlechterte sich infolge der Balkanwirren, des hohen Bankdiskonts und der Preisschleuderungen der in Lothringen-Luxemburg errichteten neuen Großbetriebe

der Beschäftigungsgrad

wachsendem Maße.

der Werke

erheblich und in stark

Die Hoffnungen der oberschlesischen Walzwerke, daß

sie nach Beendigung der kriegerischen Verwicklungen einen lohnenden Ab­

satz nach den Balkanstaaten, ihrem Hauptausfuhrgebiet, finden würden, wurden getäuscht, da der deutsche Zwischenhandel aus Mangel an über­

seeischem Absatz sich mit voller Wucht auf die sonst überwiegend von den

schlesischen und österreichischen Werken versorgten Donaustaaten warf.

Alle

diese Umstände brachten die oberschlesischen Walzwerke in schwere Bedrängnis und zwangen sie zu umfangreichen Produktionseinschränkungen.

Eine ge­

wisse Erleichterung bot erst die im August frei werdende Ausfuhrmöglich­

keit nach Rußland.

Bei dieser Gestaltung der Marktlage des Jahres 1913

wurden die Monate Januar und Juli den folgenden Untersuchungen zu-

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25

22 23 24

21

20

17 18 19

15 16

13 14

12

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9 10

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5 5

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57 56 52 48

57 47 43 41

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4,85 4,85 4,85 4,85 4,80 4,80 4,80 4,80 4,80 4,80 4,80 4,80 4,80

5,30 5,20 5,20 4,90

6,50 6,50 6 50 6,50

7,50 7,50 7,25 7,00

M k.

Z a h l der SchichtK in d e r lohn des rin te r A rb e ite rs

2

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des

A rb e ite rs

des

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1_______________

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B e ru f

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126,00 121,50 116,50 126,00 120,00 120,00 110,50 120,00 110,50 120,00 125,00 120,00 105,50

132,00 122,00 130,50 58,80

169,00 169,00 165,00 165,00

187,50 195,00 188,50 175,00

M k.

Januar

,

!

!

,

!

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!

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102,00 102,00 102,00 97,00 62,50 100,50 100,50 100,50 100,50 100,50 100,50 100,50 100,50

111,00 111,00 109,00 98,00

130,00 130,00 136,50 130,00

157,50 157,50 155,50 147,00

J u li

A rb e ite rs M onat

Verdienst des

2





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13



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J u li

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Januar

Schichten

nicht verfahrenen

Z a h l der aus sonstigen G ründen

186

Friedrich Syrup.





41

42 43 44 45 46 47

52 53 54 55 56 57 58 59

51

48 49 50



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„ „ „ „

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W ärm er „ „ „



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,

48 46 49 44 44

41 38

43 46

54 54 49

41 31

37 41 52 56 53 25 25 53 55 54 55 24 62 30



„ „

61

57 56

62 34 58





„ „



,

26 27 28 29 30 31 32 33 34 35 36 37 38 39 40 1

1

DOI https://doi.org/10.3790/978-3-428-57468-1 | Generated on 2023-09-09 05:34:51 OPEN ACCESS | Licensed under CC BY 4.0 | https://creativecommons.org/about/cclicenses/

5 80 5,6g 5,40 5,40

I 5

4

5

580

13,5,00

95,00 135,00 145,00 139,00 122,00 139,00 122,00 133,00 105,00 129,00 135,00

580 5,80 5 80 5,80 5,80 5,80 5,80

120,00 120,00 96,50 110,50 110,50 64,50 106,00 94,50 100,00 96,00 100,00 91,50 95,00 76,00 82,50 80,00 80,00 80,00 66,00 75,00 15,00 72,50

4,80 4,80 4,60 4,60 4,60 4,60 4,40 4,40 4,00 4,00 4,00 3,80 3,80 3,30 3,30 3,20 3,20 3,20 3,00 3,00 3,00 2,90

3

5

8



1



2

1



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1



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4

3

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1



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105,00 116,00 116,00 116,00 105,00 111,00 105,00 116,00 110,00 106,50 98,00 124,00

100,50 100,50 73,50 »2,00 92,00 96,50 52,00 92,50 84,00 84,00 84,00 80,00 80,00 66,00 66,00 62,00 62,00 62,00 63,00 63,00 63,00 61,00

2

— — —

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1

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1



1





1

1





I

--

Die soziale Lage der seßhaften Arbeiterschaft eines oberschles. Walzwerkes.

187

des

A rb e ite rs

des

A lte r

A rb e ite rs

B e ru f

82 83 84 86

81

76 77 78 79 80

75

72 73 74

71

65 66 6? 68 69 79

64

DOI https://doi.org/10.3790/978-3-428-57468-1 | Generated on 2023-09-09 05:34:51 OPEN ACCESS | Licensed under CC BY 4.0 | https://creativecommons.org/about/cclicenses/



„ „ „ „

„ „ B in d e r



„ Z u n d e rfa h re r K ohlenfahrer

„ „

„ „





„ S chürer „ „ „

57 63 60

42 37 53 56 56 62 63 58

55 50 54

48 54

41

36 60 48 53 42 39 48 45



63

47

W ärm er

60

61 62

-



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--

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1

2 2

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4

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1

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L fd . N r.

4,40 4,00 3,90 3,85 3,80 3,80 3,80 3,80 3,80 3,80 3,65 3,50 3,40 3,30 3,05 3,00 3,00 3,00 2,95 3,05 3,05 3,05 3,30 3,05 3,05

5,40

5

Vik.

Schichtlohn des A rb e ite rs

Verdienst

105,50 84,00 90,00 65,50 91,00 91,00 95,00 95,00 98,50 98,50 92,00 87,50 82,00 69,50 76,50 72,00 75,00 15,00 73,50 43,00 70,00 76,00 79,00 70,00 70,00

124,00

"

M k. 6

Januar

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'

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!

,

35,50 68,00 82.00 89,00 80,00 83,50 76,00 80,00 80,00 65,00 77,00 73,50 71,50 69,50 64,00 63,00 63,00 63,00 65,00 70,00 76,00 67,00 82,50 64,00 67,00

113,00

7'

M k.

J u li

^onat

des A rb e ite rs

8

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1



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Januar

Schichten

nicht verfahrenen

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Z a h l der aus sonstigen G ründen

4





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13



J u li

- ^3

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2 ^3

1

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Januar

Schichten

Z a h l der aus K rankheitsgründen nicht verfahrenen

188

Friedrich Syrup.

116 117 118 119 180

ll^

ll2 ll8 ll§

111



DOI https://doi.org/10.3790/978-3-428-57468-1 | Generated on 2023-09-09 05:34:51 OPEN ACCESS | Licensed under CC BY 4.0 | https://creativecommons.org/about/cclicenses/



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104 105 106 IO? 108 109 110

18

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102

101

98 99 100







92

A 94 A 96 A



91





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4

40 39 60 46 45 46 49 53 44 55 43 43 33 39 46 47 1

1



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,

56 54 54 54



87 88

90

60



86

3,05 8,50 3,05 8,20 3,05 8,05 3,50 3,05 3,70 3,05 3,05 3,05 3,05 3,60 3,40 8,05 8,05 8 05

305

3,05 3,50 3,05 3,05 3,05 3,05 8,05 3,15 8,80 8,05 3 05 3,05 3,05 3,05 3,05

3,05 76,00

64,00 84,00 70,00 61,00 24,00 76,00 79,00 66,00 82,50 70,00 70,00 79,00 76,00 15,00 76,00 18,00 79,00 84,00 76,00 85,00 70,00 75,00 87,50 76,00 96,00 70,00 79,00 79,00 76,00 95,00 85,00 55,00 76,00 37,00

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64,00 87,50 70,00 70,00 61,00 70,00 70,00 73,00 66,00 70,00 70,00 76,00 76,00 70,00 64,00 70,00 70,00 84,00 70,00 70,00 70,00 70,00 84,00 61,00 92,50 70,00 70,00 70,00 70,00 95,00 79,00 64,00 70,00 76,00

79,00

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1



19

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20

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4

18

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2

3



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§

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1



— —





1

1



1

Die soziale Lage der seßhaften Arbeiterschaft eines oberschles. Walzwerkes.

189

190

Friedrich Syrup.

gründe gelegt.

Zugleich wurden in die Erhebungen

die Arbeitergruppen

einbezogen, deren Tätigkeit von der Konjunktur besonders berührt wird. Der Schwerpunkt der Übersicht liegt in dem Vergleich der Spalten 6 und 7, in dem die Monatsverdienste von Januar (guter Geschäftsgang)

und Juli (schlechter Geschäftsgang) gegenübergestellt sind.

Es bedarf wohl

keiner Erörterung, welche Wirkung z. B. bei einer Familie mit 6 noch schulpflichtigen Kindern (Nr. 6 der Übersicht) ein Rückgang des Monats­ verdienstes um 230/0 hat.

Spalten 6

großen Unterschieden der

Bei ungewöhnlich

und 7 geben die Spalten 8 und folgende Aufklärung über

die Gründe des Lohnausfalles.

Die geringeren Unterschiede bei den Bindern

erklärten sich daraus, daß diese Arbeitsposten schwach besetzt waren, und die Binder infolgedessen die Feierschichten der Walzenstraßen benutzen konnten,

um die Mehrleistungen der Walzenstraßen aufzuarbeiten.

Die Unterschiede

verschwanden bei den hier nicht angeführten Handwerkern, da diese auch während der Feierschichten mit Instandhaltung^ und Umbauarbeiten tätig waren.

Erwähnt sei endlich noch, daß die Zahl der willkürlich gefeierten Schichten im Vergleich zu sonstigen oberschlesischen Verhältnissen ungewöhnlich niedrig ist (Spalte 10 und 11).

Die Pensions- und Unterstützungskasse des Werkes. Bei dem Einfluß, den die Pensionskasse auf das Dienstalter der Arbeiter, auf ihr Verbleiben im Hüttenwerk (auch unter der 'Notwendigkeit

der schlechter entlöhnten Beschäftigung, wie bei den früheren Puddlern) ausübt, scheint es nötig, ihre Leistungen und Anforderungen kurz zu streifen. Die Pensions- und Unterstützungskasse unseres Hüttenwerkes besteht als selbständige Kasse seit dem Jahre 1884.

Sie umfaßt alle über 16

Jahre alten männlichen Arbeiter des Werkes. drei Klassen eingeteilt.

Die Mitglieder sind in

Es gehören zur Klasse I Mitglieder mit mindestens

70 Mk., zur Klasse II die mit mindestens 50 Mk. und zur Klasse III die mit weniger als 50 Mk. Monatseinkommen.

Im folgenden brauchen

nur die ersten beiden Klassen berücksichtigt zu werden.

Anspruch , auf Leistungen besteht nur bei mindestens 5 jähriger Mit­

gliedschaft.

Bei früherem Ausscheiden durch Tod oder Pensionierung werden

die von dem Mitglied eingezahlten Beiträge zurückerstattet.

Fällen werden Beiträge nicht zurückgegeben. Arbeit

In anderen

Es ist jedoch jedem der aus der

der Hütte ausscheidenden Mitglieder,

die der

Kasse mindestens

5 Jahre angehört haben, gestattet, die Mitgliedschaft fortzusetzen.

Sie

haben dann neben ihren eigenen Beiträgen auch die zugehörigen Werks­

beiträge zu zahlen.

DOI https://doi.org/10.3790/978-3-428-57468-1 | Generated on 2023-09-09 05:34:51 OPEN ACCESS | Licensed under CC BY 4.0 | https://creativecommons.org/about/cclicenses/

Die soziale ^age der seßhaften Arbeiterschaft eines oberschles. Walzwerkes.

191

Jedes Mitglied hat ein Eintrittsgeld von 2 Mk. zu leisten.

Die

laufenden Mitgliederbeiträge betrugen bis zum Jahre 1887 2 o/o des wirklichen

Seitdem ist der Beitrag vom wirklichen Verdienst unab­

Arbeitsverdienstes.

hängig und in fester Höhe für jede Klasse festgesetzt. I.

in Klasse

seit 1887

Er betrug monatlich

II.

2,20 Mk.

1,60 Mk.



1899

3,30



2,40





1905

4,30



3,10



Der Werksbeitrag war früher gleich der Hälfte, seit 1899 gleich zwei

Drittel, und ist seit 1906 gleich den: vollen Betrage der Mitgliederbeiträge. Die Invaliden- und Witwenpensionen sind seit 1905 um 30 o^

gegen

früher

betrugen

Sie

herabgesetzt.

zurzeit

für

die

uns

inter­

essierenden Dienstalter monatlich in Mark: (Siehe Tabelle auf nächster Seite.)

Außer diesen beiden Pensionen werden gewährt:

Waisengeld bis zum 14. Lebensjahr n) bei vaterlosen Waisen monatlich.......................................... 2 Mk. 6)

bei Vollwaisen

................................... 4 Mk.



Freie ärztliche Behandlung und Arzneien für Invaliden, deren Frauen und Kinder, sowie für Witwen und deren Kinder.

Sterbegeld beim Tode von Invaliden 30 Mk., beim Tode der Ehefrauen von Invaliden, sowie der Witwen 15 Mk.

Außerordentliche Unterstützungen in besonderen Notlagen.

Die nachstehende Zusammenstellung gibt uns ein Bild der Pensionäre (Invaliden).

Es standen im Alter von 41—45 Jahren

46—50 51—55

.

....

2 Pensionäre

*

....

2

.

,,

.

.

.

1

7 Pensionäre

56—60

....

61—65

.... 29

66—70

.... 39

71—75

.... 43

76—80

.... 11 .... 4

81—85

Zusammen

,,

. —

86-90 über 90

,, Pensionär

Jahre .

.

.

.

.

...

.

.

.

1 Pensionär

139 Pensionäre.

DOI https://doi.org/10.3790/978-3-428-57468-1 | Generated on 2023-09-09 05:34:51 OPEN ACCESS | Licensed under CC BY 4.0 | https://creativecommons.org/about/cclicenses/

Friedrich Syrup.

192

Witwenpension

Jnvalidenpension

Dienstjahre

Klasse I

Klasse 11

Klasse I

7,50 8,00 8,55 9,05 9,55 10,10 10,60 11,10 11,65 12,15 12,65 13,20 13,75 14,25 14,80 15,35 15,85 16,40 16,95 17,45 18,00 18,55 19,05 19,60 20,15 20,65 21,15 21,70 22,20 22,70 23,25 23,75 24,25 24,80 25,30 25,80 26,35 26,85 27,35 27,90 28,45

5,95 6,40 6,80 7,25 7,70 8,10 8,55 9,00 9,40 9,85 10,30 10,70 11,10 11,55 11,85 12,35 12,80 13,20 13,60 14,05 14,45 14,85 15,30 15,70 16,10 16,55 17,00 17,40 17,85 18,30 18,70 19,15 19,60 20,00 20,40 20,80 21,20 21,60 22,00 22,40 22,80

5,25 5,60 5,95 6,30 6,65 7,00 7,35 7,70 8,05 8,40 8,75 9,10 9,45 9,80 10,15 10,50 10,85 11,20 11,55 11,90 12,25 12,60 12,95 13,30 13,65 14,00 14,35 14,70 15,05 15,40 15,75 16,10 16,45 16,80 17,15 17,50 17,85 18,20 18,55 18,90 19,25

Klasse 11 !

10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22 23 24 25 26 27 28 29 30 31 2^ 33 34 35 36 37 38 39 40 41 42 43 44 45 46 47 48 49 50

!

;

>

i ! i ! !

! !

! ! i

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! ! ! !

4,25 4,50 4,80 5,10 5,35 5,65 5,95 6,20 6,50 6,80 7,05 7,35 7,65 7,90 8,20 8,50 8,75 9,05 9,35 9,60 9,90

10,20 10,45 10,75 11,05 11,30 N,60 11,90 12,15 12,45 12,75 13,00 13,30 13,60 13,85 14,10 14,40 14,70 14,95 15,25 15,55

Davon beziehen die Pension seit

1— 5 Jahren

.

6—10

»

,,

11—15 16—20

21 — 25 26—28

,,

.

.

. 46 Pensionäre

.

. 55

.

. 26

.

.

6

.

.

4

.

.

2

,,

DOI https://doi.org/10.3790/978-3-428-57468-1 | Generated on 2023-09-09 05:34:51 OPEN ACCESS | Licensed under CC BY 4.0 | https://creativecommons.org/about/cclicenses/

Die soziale Lage der seßhaften Arbeiterschaft eines oberschles. Walzwerkes.

193

Die Zahl der zu unterstützenden Witwen beträgt...........................156

Die der zu unterstützenden Waisen.................................................... 60

Auch unter den Arbeitern, auf die sich unsere Untersuchung erstreckt, befinden sich einzelne Arbeiter, die eine Pension beziehen, aber noch weiter

49 46 45 45 40 37 37 37

Pensio­

Frühere

Jetzige

Beschäftigung

Beschäftigung

niert seit

der Pension im

Monat

!

Jahren

Höhe

Täglicher Schicht ­ lohn nach der P ensionierung

D ienstalter

66 63 62 62 59 64 64 61

Lsd. N r.

Lebensalter

tätig sind.

1 .)

.» 4

6 7-

Puddler (Schichter) Walzer

Schichter Walzenschleifer Schichter

Puddler (Binder) Schichter Puddler (Eisenbinder) Puddler „

Wächter Schichter

2 2 1/4 2 6 3 2 I

27,90 Mk. 1.60 Mk. 26,35 „ 1,80 25,80 , 1,80 „ 24,80 „ 1,80 .. 17,00 „ 1,50 1.80 „ 20,15 , 1,50 20,65 „ 20,65 „ 1,50 „

Um zu ermitteln, ob unterhaltungsbedürftige Kinder diese Arbeiter zur Tätigkeit nach erfolgter

Invalidisierung zwingen, wurde folgendes

ermittelt.

Sohne

Töchter

Zahl der unverheirateten erwerbstätigen Töchter

1 2 .» 4 5 6

4 4 —

3 3

2 2 3 1 1 . 1

— — 1 2 —

8

2

1



Lfd. Nr.

Zahl

Zahl

der

der

erwerbstätigen verheirateten

Alle 8 Arbeiter sind verheiratet.

'

Gründe

Zahl der im Elternhause ohne Erwerb lebenden Kinder S---Sohn, T---Tochter, (Lebensalter).

T (20) T (19) T (18) T (25) T (20), T (15), S (22) Krüppel.



der Tätigkeit sind der,

wenn auch geringe Verdienst, die langjährige Gewöhnung an regelmäßige

einzelnen

Tätigkeit, bei

auch ein wenig lockendes Heim,

dem sie den

Aufenthalt in der Hütte vorziehen. Schriften 153.

I.

13

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Friedrich Syrup.

194

Die Einstellung des Puddelbetriebes nnd der Einfluß dieser Maß­ nahme auf das Berufsschicksal der früheren Puddeleiarbeiter. Eine

einschneidende

das

Bedeutung für

Berufsschicksal zahlreicher

Arbeiter bildete die im Mai 1906 erfolgte Einstellung des Puddelbetriebes in unserem Hüttenwerk.

Bedeutung,

als die

Die Maßnahme hat insoweit größere allgemeine

Einstellung

dieser

Fabrikationsart

nicht

nur eine

Zufälligkeit unseres Hüttenwerkes, sondern eine in der Eisenhüttenindustrie allgemein zu beobachtende Erscheinung ist.

Wie überall im Eisenhütten­

wesen ist auch in den oberschlesischen Hütten der Puddelprozeß allmählich

aber sicher von der Flußeisenerzeugung verdrängt worden.

Waren im

Jahre l900 noch 277 Puddelöfen auf den oberschlesischen Hütten vorhanden, so werden jetzt nur noch etwa 70 und auch diese nicht dauernd betrieben.

Geringe Produktion,

hohe Selbstkosten, erhöhte Materialansprüche und

Abhängigkeit des Betriebes von kräftigen, geschickten und befähigten Arbeitern haben den Puddelprozeß mehr und mehr aussterben lassen.

Wollen wir uns ein Bild von dem Einfluß der Einstellung des Puddel-

betriebes auf die von ihr betroffenen Arbeiter machen, so müssen wir ihre

frühere Tätigkeit in der Puddelei kurz streifen. Der Puddelprozeß besteht aus folgenden Vorgängen und Arbeits­ verrichtungen.

Roheisen in

In dem auf halbe Glühhitze gebrachten Herde wird das

10 bis

30

schweren Stücken eingebracht und im Ofen

stehend gegeneinander gelehnt. Die Größe des jedesmaligen Einsatzes schwankt zwischen 300 bis 500

soll.

je nach dem Enderzeugnis, das hergestellt werden

Nach Einbringung des Eisens und der Schlacke wird die Tür des

Puddelofens geschlossen und der Einsatz in etwa 30 bis 35 Minuten zum Schmelzen

gebracht.

Sauerstoff

und Kohlensäure

der Feuergase wirken

oxydierend auf das Eisen und veranlassen ein Verbrennen des Siliziums. Da das schmelzende Eisen sofort von Schlacke bedeckt wird, so ist es nun­

mehr Aufgabe des Puddlers, mit Hilfe von Rührhaken und Kratzen das Bad zu durchrühren, um das Eisen immer von neuem mit den Feuer­

gasen in Berührung zu bringen. Oxydation von Mangan und Eisen,

Feuergase und Schlacke bewirken die

und das Aufsteigen und Verbrennen

von Gasblasen zeigen dem beobachtenden Puddler, daß die Oxydation des

Kohlenstoffes beginnt und zum Kochen des Bades Veranlassung gibt.

Mit

der Entkohlung steigt die Schmelztemperatur, das Eisen wird teigig und

scheidet Kristalle ab, die zu Klumpen zusammenschweißen.

Da Gleich­

mäßigkeit in den am Boden liegenden Teilen fehlt, wird die erstarrte Masse

von den Puddlern mit Hilfe der Spitzen in einzelnen Klumpen losgebrochen.

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Die soziale Lage der seßhaften Arbeiterschaft eines oberschles. Walzwerkes.

umgewendet und an einem Ende des Herdes aufeinandergehüuft.

195

Dieser

Arbeitsvorgang wiederholt sich zwei-, erforderlichenfalls viermal, bevor die Puddler zum Luppenmachen schreiten.

ballen in

Hierbei teilen sie den großen Eisen­

vier bw sechs Stücke, rollen sie mit der Brechstange auf dem

Herde hin und her, um ihnen annähernd Kugelgestalt zu geben, und stellen sie an der Hinterwand des Ofens auf.

Temperatur

Durch möglichste Steigerung der

wird die das schwammige Eisen durchsetzende Schlacke zum

fließen gebracht und ausgeseigert.

Dann holen die Puddler aus der ge­

öffneten Einsatztür mit einer großen Zange die Luppen einzeln aus dem Ofen, bringen sie mittels kleiner Handwagen zu dem vom Hammerführer gesteuerten Dampfhammer, welcher die losen Massen fester zusammenschweißt

und den größten Teil der Schlacke auspreßt.

Die so gezeugten Luppen

werden im Walzwerke zu Nohknüppeln oder Rohschienen ausgewalzt, unter

dem Luppenbrecher gebrochen und nach dem Bruchaussehen sortiert. In dieser geschilderten Weise werden am einfachen Puddelofen in zwölf Stunden von drei Puddlern sieben bis neun Sätze Eisen gepuddelt. Wie die Erörterung des Puddelprozesses zeigt, ist die Arbeit des Puddlers mit den schweren, unhandlichen Werkzeugen, dem Gezühe, äußerst an­

strengend, zumal sie unter Einwirkung der vor dem Ofen herrschenden hohen Temperaturen und des von dem glühenden Eisen ausstrahlenden grellen

Lichtes verrichtet werden muß.

Zudem stellt der Betrieb an den Puddler

weitere Anforderungen, wie Berufserfahrung, Aufmerksamkeit und Zuverlässig­

keit, und verlangt,

wie jedes Umgehen mit glühendem Eisen, zur Ver-

meidung von Unfällen, Vorsicht und Gewandtheit.

Diese erforderlichen Eigenschaften eines Puddlers deuten von vorn­ herein darauf hin, daß die Betriebsanforderungen schon eine Aussonderung

der

ungeeigneten

Arbeiter

bewirken,

und

daß

die

bewährten Puddler

Qualitätsarbeiter mit hohen Löhnen darstellen. Bei dieser Sachlage war die Einstellung des Puddelbetriebes für die

Puddler von schwerwiegender Bedeutung, da der andere Hüttenbetrieb ihnen nur geringe Gelegenheit gab, ihre Berufserfahrungen angemessen zu verwerten.

42 der Arbeiter, auf die sich unsere Untersuchung erstreckt, sind in der Hütte geblieben und zu anderer Berufstätigkeit übergegangen.

Gegen

den Wechsel der Arbeitsstätte, der in Hinblick auf die Lage der übrigen

oberschlesischen Puddelwerke zugleich mit einem Wohnungswechsel verbunden

gewesen wäre, sprechen bei neun Arbeitern der Besitz von Eigenhäusern, bei den meisten die durch das Alter bedingte Unlust zu einer derartig tief­ greifenden Veränderung aller Verhältnisse, am meisten jedoch der Verlust

des Pensionsanrechtes.

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Friedrich Syrup.

196

Bon den 42 Arbeitern, die durch Einstellung der Puddelei aus ihren

Arbeitsposten verdrängt wurden, gelang es 8 Arbeitern, im Hüttenwerk Beschäftigungen zu finden, die mit ihrer früheren Tätigkeit gewisse Ähnlich­ Sie wurden alle Feuerarbeiter, sei es als Wärmer oder

keiten aufwiesen.

Schürer an den Walzwerksöfen, sei es als Glüher an den Glühöfen, oder

in

einem

als

Falle

der

an

Walzer

Walzenstraße.

Bei

allen

diesen

Beschäftigungsweisen kamen ihnen die früher erlangten feuerungstechnischen Kenntnisse und ihre Gewöhnung an Betätigung unter Einwirkung von Wärmestrahlungen zustatten.

Die folgende Zusammenstellung zeigt, in welchem Lebensalter und nach welchen Dienstjahren sich der Berufswechsel bei diesen Arbeitern vollzog. !

6

7

50

50

43

46

33

26

24

1!»

14

9

Z

Z

d 19

2

3

4

Lebensalter z. Z. des Berufswechsels ....

53

46

41

Dienstalter z. Z. des Berufswechsels ....

27

27

26

-8 K

-rr Z

Beschäftigung nach dem Berufswechsel

§

.")

1

Nummer-

8

8 d19

-

Die bei diesen Beschäftigungen üblichen Verdienste gehen aus der

allgemeinen Lohntabelle hervor. Die meisten der früheren Puddeleiarbeiter mußten sich mit Stellungen

als ungelernte Arbeiter begnügen, und zwar als Eisenbinder (15), Schichter, Lader, Wächter.

Lebensalter Wechsels. .

r-

Dienstalter Wechsels. .

z.

59 des

Z-

3

4

5

6 ! 7

8

9

io! n 3?

49

53 47 45

!

!

Berufs-

des

Z-

2

1

Nummer

55

60 53 51

52

58 ! 54

Berufs-

36^34 34 33 33 33

32 31 j 31'30

13

14

57 30

42



Nummer

Lebensalter Wechsels . .

z-

Dienstalter rWechsels . .

ZZ.

des des

22! 23

18

19

20 21

54 54

53 46 41

44

52

50

52

30 30

28

27

26

37

25

24 23

15

16

17

! '

Berufs-

50

Berufs-

27

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Die soziale Lage der seßhaften Arbeiterschaft eines oberschles. Walzwerkes.

24

Kummer Lebensalter z. Z. des Berufs­ wechsels .......................................................

Dienstalter z. Z. des Berufs Wechsels.......................................................

25

26

27

29 30.31 j 32 j 33 j 34

28



197

.

!

40^49

46

47,49^45 36

53 ^42! 39 ^46

24

24

23

17

23

23

22

19

14

14

14

Als die Notwendigkeit des Berufswechsels an sie herantrat, standen demnach von allen früheren Puddeleiarbeitern

im Alter unter

im

40 Jahren

.........

3 Arbeiter

Alter von 40 bis 50 Jahren...................................................18









von



50 bis 60 Jahren.................................................. 20 über 60 Jahre.....................................................1



Es unterliegt wohl keinem Zweifel, daß der Berufswechsel für die

allermeisten dieser älteren Arbeiter eine bittere Notwendigkeit war, zumal mit der Aufgabe der gewohnten Tätigkeit auch eine beträchtliche Verminderung

des Verdienstes verbunden war.

IV. Die Lebensführung der Arbeiter. Die vorstehenden Auslassungen müssen genügen, um uns ein Bild

von dem Berufsleben unserer Arbeiter zu machen.

An Hand der Technik

des Arbeitsprozesses haben wir die Arbeitsleistungen der einzelnen Arbeiter­

gruppen kennen gelernt und weiter gesehen, während welchen Arbeitszeiten

diese Arbeitsleistungen ausgeführt werden mußten.

Wir haben Gesundheits­

und Unfallgefahren ins Auge gefaßt und das Lebens- und Dienstalter der Arbeiter ermittelt.

Endlich haben wir die Entlohnung, die Jahresverdienste

und die Pensionsverhältnisse verfolgt und zum Schluß den Einfluß einer

Betriebseinstellung auf das Berufsschicksal der davon betroffenen Arbeiter

gestreift.

Es würde nunmehr noch übrig bleiben, die außerberuflichen Lebens­ verhältnisse unserer Arbeiter unter besonderer Berücksichtigung der Kinder zu untersuchen.

Die Lage der Wohnorte der Arbeiter. Von unsern 253 Arbeitern wohnen 179 (75 0/H am Orte des Werkes, während 64 (25 o/o) außerhalb ihre Wohnungen haben.

Verfolgt man

die Wohnorte dieser auswärtigen Arbeiter, so findet man nicht etwa, daß diese sich allseitig um den Hüttenort als Mittelpunkt gruppieren, sondern

daß sie nur im Norden und Westen des Werkes liegen. klar.

Die Ursache liegt

Im Norden und Westen stößt an das Hüttenwerk ein rein landwirt­

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Friedrich Syrup.

198

schaftlicher Bezirk, im Süden und Osten beginnt das Industriegebiet.

Es

haben also nur die Bewohner der landwirtschaftlichen Gegend, nicht die

des Jndustriereviers, im Hüttenwerk Beschäftigung unter Beibehaltung des Wohnsitzes gesucht. Die auswärtigen Arbeiter verteilen sich auf 14 Dörfer, deren Ent­ fernungen vom Hüttenort aus der folgenden Übersicht erkennbar ist. Keiner der 64 Arbeiter ist in der Lage, während der Mittagspause nach Hause

zu gehen.

59 Arbeiter gehen allabendlich nach Haus, während fünf Arbeiter

nur am Sonnabend Abend ihre Angehörigen aufsuchen und am Montag

Morgen zur Hütte zurückkehren, die übrigen Nächte jedoch im Hütten­ schlafhaus zubringen.

Wieviel km

Zahl der Arbeiter

Wie wird

werden

davon hatten

der Weg

zurückgelegt?

Lfd.

Wie oft wird der Weg zwischen des Hütte und Wohn­ Wohnung ortes zurückgelegt? Nr.

1 -

zweimal täglich

9 zweimal wöchentlich

Eigen-

^iet-

Haus

nung

15 1 4 14 7 8 3 1

9 1 3 10 5 3 2 1

6 — 1 4 2 5 1 —

6 1

6

Eisenbahn Landweg gesamt

zu Fuß

__

mit Eisenbahn lSommerzuFußl < Winter > Eisenbahn ) mit Eisenbahn

— 7 — 9 9

2 5

16 16 16 23

11 12 13 14

o 2 3 4 4 5 6 1 8

— — —

4 5 6 7 8

10

ins-

zurückgelegt?

2 6 6 1 Zusammen:

1

1 1 1 1

1 1 1 1

__ — — —

64

44

20

Die letzten fünf Arbeiter benutzen allwöchentlich die Eisenbahn, außer­ dem machen nur ein Arbeiter (lfd. Nr. 8) täglich,

sechs weitere Arbeiter

(lfd. Nr. 9) im Winter oder bei schlechtem Wetter von jenem Verkehrs­

mittel Gebrauch.

Im übrigen gehen alle Arbeiter zu Fuß.

wird von keinem der Arbeiter benutzt.

Ein Fahrrad

Die Entfernungen der Wohnorte

von der Hütte zeigen, daß die weiter entfernt wohnenden Arbeiter täglich

zwei bis drei Stunden für den Hin- und Rückweg aufwenden müssen.

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Die soziale Lage der seßhaften Arbeiterschaft eines oberschles. Walzwerkes.

199

Die Wohnungen der Arbeiter. Von den 253 Arbeitern wohnen in Wohnungen, die von dritten Personen gemietet sind

in Wohnungen, die

.

144

.

vomWerk gemietet sind..................................... 31

in freien Werkswohnungen...........................................................

5

in Eigenhäusern......................................................................................... 67

bei ihren Eltern..................................................................................

3

bei ihren Kindern............................................................................

2

als Schlafbursche..................................................................................

1 253

Betrachten wir zunächst die Werkswohnungen, so zeigt die Übersicht, daß 140/0 unserer Arbeiter in Werkswohnungen untergebracht sind.

Der

Prozentsatz ist für oberschlesische Verhältnisse gering, denn die Wohnungs­ fürsorge der Industrie für ihre Arbeiter ist im Laufe der letzten Jahre

derartig gewachsen, daß im Durchschnitt jeder dritte Berg- und Hütten­

arbeiter in Werkswohnungen Unterkunft gefunden hat.

Billige, in der

Nähe der Arbeitsstätte gelegene Wohnungen bilden ein Hauptmittel für die Werke, sich einen Arbeiterstamm zu schaffen oder zu erhalten oder dem

Zuge nach dem Westen entgegenzutreten.

Heute kann im Jndustriebezirk

keine mit stärkerer Arbeitervermehrung verbundene Betriebserweiterung ein­

geleitet werden, ohne daß gleichzeitig der Belegschaftszuzug durch umfang­ reichen Wohnungsbau gesichert wird. Diese Wohnungspflege ist um so notwendiger, wenn eine industrielle Anlage in einen ländlichen Bezirk vordringt.

Daß unser Hüttenwerk eine so geringe Zahl Werkswohnungen

aufweist, ist insonderheit darauf zurückzuführen, daß es seit etwa 60 Jahren besteht und sich in dem letzten Jahrzehnt nicht ausgedehnt hat.

Dem mehrfach gehegten Wunsche der Verwaltung auf Erweiterung des

Wohnungswesens traten erhebliche Schwierigkeiten beim Erwerb von Grund und Boden entgegen, da die angrenzenden Ländereien Majoratsbesitz sind. Die Mietpreise der Werkswohnungen schwanken

bei 1 oder 2 Räumen zwischen 2,00— 5,50 Mk. „3

„4





8,50—11,00 Mk. im Monat.

Für die Schlafstelle im Schlafhaus haben die Arbeiter, die nur zum

Sonntag nach Haus fahren, im Monat 2 Mk. zu entrichten, wofür ihnen

Bettwäsche und Handtücher geliefert wird. Mietpreis

in Beziehung

zueinander,

so

Stellt man Einkommen und kommt man bei den meisten

Arbeitern zu der Feststellung, daß sie 8 bis 10 0/0 ihres Einkommens als Wohnungsmiete aufwenden.

Dieser Prozentsatz ist niedrig, entspricht jedoch

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Friedrich Syrup.

200

den allgemeinen oberschlesischen Verhältnissen, denn die Bedürfnisse des oberschlesischen Arbeiters sind von denen des westlichen Arbeiters wesentlich verschieden.

Während der Arbeiter des westlichen Industriegebietes schon

vor drei Jahrzehnten eine dreiräumige Wohnung, bestehend aus Küche,

Stube und Kammer, verlangte, beschränken sich etwa drei Viertel aller oberschlesischen Arbeiter noch heute auf die Zweizimmerwohnung, Küche

und Stube.

Findet man Dreizimmerwohnungen, so kann man häusig fest­

stellen, daß der dritte Raum mit Heiligenbildern und Paradebetten, in denen niemand schläft, ausgestattet ist, wenn nicht die Größe der Familie die Benutzung des Raumes unbedingt notwendig macht.

Die Küche ist nicht nur Wohnraum, sondern bei dem ungewöhnlich starken Wärmebedürfnis des Oberschlesiers im Winter auch Schlafraum.

Das Wärmebedürfnis ist zum Teil durch das rauhe Klima gerechtfertigt, zum andern Teil durch die häufig unverständige Unterernährung begründet. Etwas günstigere Wohnungsverhältnisse sind bei den im Besitz von

Eigenhäusern befindlichen Arbeitern anzutreffen.

Doch finden sich auch hier

Wohnungen in nicht unterkellerten Häuschen, schlecht gedielt mit wenigen, niedrigen Räumen, deren kleine, selten geöffnete Fenster den Zutritt eines frischen Lufthauches abwehren.

Die Zahl der Arbeiter, die im Besitz von Eigenhäusern sind, ist in der Zusammenstellung auf Seite 199 als 67 angegeben. Die Übersicht auf Seite 198 zeigt, daß 44 dieser Häuser außerhalb unseres Hüttenortes

liegen.

Sie werden bis auf zwei Ausnahmen von Arbeitern bewohnt, die

auf dem Lande groß geworden sind, und die ihre Anwesen geerbt haben. Daß diese Arbeiter ihre Häuser nicht verkaufen, sondern den weiten Weg zur Arbeitsstätte in den Kauf nehmen, ist fast ausschließlich auf die

größere Möglichkeit der landwirtschaftlichen Betätigung außerhalb des Hüttenortes zurückzuführen.

Sie soll im folgenden besonders gewürdigt werden.

Die landwirtschaftliche Nebenbeschäftigung der Arbeiter. Die eingangs erwähnte bäuerliche Herkunft unserer Arbeiter macht

sich besonders in dem Umfang ihrer landwirtschaftlichen Nebenbeschäftigung bemerkbar.

den 243 verheirateten oder verwitweten Arbeitern betreiben (770/0) Landwirtschaft und Viehzucht — allerdings in sehr ver­

Von

187

schiedenem Umfang.

Allgemein ist mit den meisten von Arbeitern be­

zogenen Wohnungen ein Stall mit zwei Stockwerken verbunden, der eine

zur Unterbringung des Viehs, der andere zur Aufbewahrung des Futters. Das Vorhandensein derartiger Stallungen im Hofe der Wohngebäude ist

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Die soziale Lage der seßhaften Arbeiterschaft eines oberschles. Walzwerkes.

201

für die oberschlesischen Arbeiterwohnungen charakteristisch und selbst in den

Städten anzutreffen. Infolgedessen

wir

finden

nicht nur bei unseren in Eigenhäusern,

sondern auch bei den in Mietwohnungen lebenden Arbeitern eine bemerkens­ werte landwirtschaftliche Nebenbeschäftigung.

Sie ist am geringsten bei den in Hüttenwohnungen, am größten bei den

in Eigenhäusern untergebrachten Arbeitern. Es würde zu weit gehen, die Landnutzung und Viehhaltung eines jeden der 187 Arbeiter hier einzeln aufzuführen. Die folgenden Über­

sichten beschränken sich daher erstens auf die Arbeiter in Hüttenwohnungen, Die Arbeiter in Mietwohnungen

zweitens auf die Arbeiter in Eigenhäusern.

seien zunächst summarisch behandelt.

Von den 144 in Mietwohnungen

lebenden Arbeitern betrieben 88

Die 88 genannten Arbeiter bebauten insgesamt 110^

Landbestellung.

Morgen Land. Davon waren 25 bezw. 1 Morgen im Besitz zweier Arbeiter, die übrigen 74^/g Morgen waren von 87 Arbeitern gepachtet. Die Größe des von einem Arbeiter bestellten Landes betrug in einem

Fall 25 Morgen, in einem anderen 5, in einem dritten 4 und in zwei weiteren Fällen 2^ Morgen, sonst schwankten der Umfang der Land­ nutzung zwischen 2 und ^4 Morgen.

Allgemein geht das landwirtschaftliche Verständnis des oberschlesischen

Arbeiters nicht über den Anbau von Kartoffeln, sowie von Kraut und Futter­

rüben hinaus.

Die Gemüsepflanze beschränkt sich auf den Kohlbau; nur

vereinzelt findet man Hülsenfrüchte angebaut.

Rotkohl, Grünkohl, Wirsing­

kohl, Gurken, Kürbis und dergleichen sucht man meist vergebens.

Die

Beschränkung im Bau der landwirtschaftlichen Produkte erklärt sich aus

der Ernährung der Arbeiter, die überwiegend aus Kartoffeln und Sauer­ Brot wird weniger genossen als erwünscht ist,

kraut (Lapusta) besteht.

desto mehr die gesäuerte Mehlsuppe mit Schweinefett und Speck: der „Zur", das Nationalgericht des Oberschlesiers.

Von den 144 in Viehzucht.

Mietwohnungen lebenden Arbeitern trieben 111

Bei ihnen ergab sich folgender Viehbestand:

bei 59 Arbeitern

.

.

.

.

70 Schweim! (im LHöchstfall

2 Schweine)

2 Ziegen)

.

.

33 Ziegen



18

.

.

52 Kaninchen („



43

.

.



123 Hühner

(„ („ („

10 Kaninchen) 15 Hühner)

. . 36 Gänse 10 Gänse) 3 Enten). Arbeiter . . . . 3 Enten („ 1 Eine geringere Landnutzung und Viehhaltung weisen die in Hütten-

8

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202

Friedrich Syrup.

Wohnungen lebenden Arbeiter auf.

Dies erklärt sich daraus, daß die

größte Zahl dieser Arbeiter nicht ländlichen Verhältnissen entstammt, ihnen also

eine bäuerliche Tätigkeit ferner liegt, und daß andererseits in der Nähe

der Hüttenwohnungen kein Pachtland zu haben ist.

Die Landbestellung

ist aber meist nur durchführbar, wenn die Frau des Arbeiters bei ihrer

Tätigkeit auf dem Felde in der Nähe von Wohnung und Kindern sein kann.

Landwirtschaftliche

Nebenbeschäftigung

der

in

Hütten­

wohn ungen lebenden Arbeiter.

Lfd. Nr.

Land in Morgen gepachtet

Viehhaltung

Ziegen

4 .5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21—22 23 24 25 26—27 28 29 30 31

13/4 13/4 1 1 1 1 1 1 1

Einen

Hühner

Gänse

15

-

Tauben

Schweine

t

1 2

^Kaninchen!

2 1 2 2 2 1

-

2 -



4 —

i

VS

1/2 1/2

2



4 5

— -

— -



2



-

— 6 4 — —

8 5 5 4

3 — — —

— 6 — —

— —

2 1

— —



2 4 —

1/1 1/4

-

— — — —

— — —

2 — 2

1/2

1 _

.

— — — — — — 4 — — — —

3/4

Vs

4 3 2 2 1 1 2 1 4 3 5 4

-

!

1/4 1/4 1/4

2

-

-

erheblichen

Umfang

nimmt

die

landwirtschaftliche

Neben­

beschäftigung bei den in Eigenhäusern wohnenden Arbeitern an. In den folgenden beiden Übersichten ist eine Trennung der Arbeiter danach vor­ genommen,

ob die Häuser im Hüttenort oder außerhalb liegen.

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Die

Die soziale Lage der seßhaften Arbeiterschaft eines oberschles. Walzwerkes.

203

Gegenüberstellung zeigt deutlich, daß die Landbestellung und Viehhaltung

bei den außerhalb des Hüttenortes wohnenden Arbeitern erheblich größer sind als bei den Arbeitern am Ort.

Die Arbeiter bewahren dem von

ihren Vätern überkommenden bäuerlichen Besitztum so große Treue, daß sie

willig die langen Wegstrecken zwischen Hüttenort und Wohnort zurück­ legen, um neben ihrem Hauptberuf ihren Acker bestellen und ihr Vieh

züchten zu können. Landwirtschaftliche

Nebenbeschäftigung

der

in

eigenen

Häusern wohnenden Arbeiter. Im Hüttenort.

4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22 2:;

23 10 2Vs IV2 11/4 1

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Tabelle auf nächster Seite.)

Der Familienstand der Arbeiter. Wie bereits mehrfach angedeutet, liegt der Schwerpunkt der ober­

schlesischen Industrie im Bergbau und Hüttenwesen.

Beide Berufe er­

fordern von der Mehrzahl ihrer Arbeiter keine Ausbildungszeit oder be-

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204

Friedrich Syrup.

Landwirtschaftliche

der

Nebenbeschäftigung

in

eigenen

Häusern wohnenden Arbeiter. Außerhalb des Hütten ortes.

— 2 4

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30 15 10 10 9 8 8

H ühner

! 1 2

Kaninchen

4 1 2 2 1 2 2 1 I 1 1 2 1

Ziegen

1 — l

Schweine

eigenes gepachtetes

Viehhaltung

Kühe

Land in Morgen

Lfd. Nr.

Pferde

II.

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12 13 2 6 — 2 9 — — 2 10 20 — — 9 — — 4 10 11 — 15 — 2 7 5 — — — — 6 5 2 — — —

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10 10 1 — — — 4 —

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— — —

Die soziale Lage der seßhaften Arbeiterschaft eines oberschles. Walzwerkes.

sondere Kunstfertigkeit.

205

Der junge Mann von 20 Jahren ist schon voll-

leistungs- und erwerbsfähig.

Er kann eine junge Familie ernähren, so­

bald er seiner Militärpflicht genügt hat.

In der Tat ist die Ehehäufig­

keit unter den Arbeitern der oberschlesischen Industrie groß und die Arbeiter

unseres Hüttenwerkes machen davon keine Ausnahme. Von den. 2 53 Arbeitern waren 243 verheiratet oder verwitwet (96 o/o)

10 ledig...................................... (40/0).

Ziehen

zum Vergleich

wir

die Ehehäusigkeit der über 25 Jahre

ulten männlichen Einwohner des Deutschen Reiches herbei, so finden wir verheiratet.71 0/0 ledig

.......................... 23

0/0

verwitwet............................... 5,5 0/0 geschieden............................... 0,5 0/0 Ebenso finden wir für die Zahl der Ledigen unter den Industrie­

arbeitern nach der Berufszählung von 1907 folgende Zahlen: Von den im Alter von 25-30 Ihr. stehenden Industriearbeitern waren 42,0 o/v „



„ „







„ :>0-40 über 40







15,0 0/o













7,9^

unverheiratet. Ohne auf diese Unterscheidung nach Altersklassen einzugehen, finden wir unter unseren Arbeitern aller Altersklassen nur 40/0 Ledige.

Dagegen

waren von den 243 verheirateten und verwitweten Arbeitern 25 Arbeiter

zum zweiten, vier Arbeiter zum dritten Male verheiratet.

Die Geburtenzahl in den Arbeiterfamilien. Von

den Ehen,

welche

die

243

verheirateten

oder verwitweten

Arbeiter eingegangen waren, sind sieben steril (kein lebensfähiges Kind zur Welt gekommen), eine kinderlos (das geborene Kind ist kurz nach der Ge­

burt gestorben) geblieben. Die Zahl der ehelichen Kinder, die von den übrigen 236 Hütten­

arbeitern aufzuweisen waren, betrug 1992, so daß im Durchschnitt jeder Vater 8,4 eheliche Kinder gezeugt hatte.

Die Zahl der Kinder (lebend

und gestorben), die auf den einzelnen Hüttenarbeiter entfielen, waren folgende: 1 Kind

bei

4 Arbeitern

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5 Kinder bei 20 Arbeitern

2 Kinder

5

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Friedrich Syrup.

206

15 Kinder bA

Arbeitern

9 Kinder bei 24 31 10

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17



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11 12



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Arbeiter-

3 Arbeitern — )

Arb eite r

Die letzten Zahlen sind so außergewöhnlich hoch, daß sie einer Er­

läuterung bedürfen.

Der Hüttenarbeiter mit 20 Kindern war dreimal

verheiratet in 18-, 1- und 19 jährigen Ehen.

Der Hüttenarbeiter mit

19 Kindern war in 26 jähriger, die Hüttenarbeiter mit 18 Kindern waren

in 36- und 29 jähriger Ehe verheiratet.

Im übrigen sott darauf ver­

zichtet werden, die Kinderzahl mit der Ehedauer in Beziehung zu bringen, da diese Erhebungen nicht von medizinalstatistischen Gesichtspunkten gemacht sind.

Die große Fruchtbarkeit ist einmal darauf zurückzuführen, daß bei den Heiraten dieser Hüttenarbeiter die Auswahl der Frau vielfach nicht nach

wirtschaftlichen Gesichtspunkten erfolgt, sondern daß zumeist die Geschlechts­

tüchtigkeit ausschlaggebend ist. Andererseits ist zu bedenken, daß eine ab­ sichtliche Beschränkung der Kinderzahl nach ärztlichen Aussagen unter der fraglichen Bevölkerung bis vor wenigen Jahre unbekannt war.

Die Kindersterblichkeit in den Arbeiterfamilien. Ist die unter unseren Hüttenarbeitern beobachtete Ehehäusigkeit und

Fruchtbarkeit vom Standpunkte der Bevölkerungspolitik mit Freuden zu

begrüßen, so ergeben sich doch bedenkliche Feststellungen, sobald wir er­ mitteln, wieviel von den geborenen Kindern noch am Leben sind. Von den 1992 lebend geborenen Kindern waren 1274 (64 o/o) noch

am Leben, während 718 gestorben waren. Bei dem Begriff „Kinder" dürfen wir allerdings nicht an den Alters­ begriff „Personen bis zum 14. Lebensjahre", sondern an den Familien­ begriff „Abkömmlinge"

denken.

Die 718 Personen sind nicht alle im

Kindesalter gestorben, sondern auch im späteren Lebensalter.

Es war

ausgeschlossen, das Lebensalter der einzelnen Kinder bei ihrem Tode zu

ermitteln, dazu reichten die Erinnerungen der befragten Arbeiter nicht aus. Es konnte nur allgemein festgestellt werden, daß die größte Zahl der Kinder im Säuglingsalter, ein weiterer großer Teil im vorschulpslichtigen Alter

gestorben war, während Sterbefälle im schulpflichtigen und nach schul­ pflichtigen Alter nur in geringer Zahl vorgekommen waren. Berücksichtigen wir diese wahrscheinlichen Sterbealter, so kommen wir

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Die soziale Lage der seßhaften Arbeiterschaft eines oberschles. Walzwerkes.

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26

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Friedrich Syrup.

208

zu der Annahme, daß von je drei geborenen Kindern nur etwa zwei ins Alter der eigenen Erwerbsfähigkeit gelangt sind. Die vorstehende Übersicht gibt uns Einzelaufklärungen über Geburten­

häufigkeit und Sterblichkeit der Kinder. Eine Geburtszahl von z. B. 6 Kindern wiesen nach der Übersicht 20 Familien auf. Von den 6 Kindern

jeder dieser Familien waren noch am Leben in drei Familien 2 Kinder, in zwei Familien 3 Kinder, in drei Familien 4 Kinder, in elf Familien

5 Kinder und in einer Familie alle 6 Kinder.

In der Darstellung sind

die Vierecke der Familien, deren Kinder insgesamt am Leben blieben, durch

Schraffur

heroorgehoben.

Die Zahlen der Familien, deren Kinder zur

Hälfte oder mehr gestorben sind, wurden unterstrichen. Die Zusammenstellung zeigt, daß von 236 Familien nur 28 (12 o/o) alle geborenen Kinder groß gezogen haben, während bei 60 Familien (25 o/o)

die Hälfte oder mehr als die Hälfte der geborenen Kinder gestorben sind. Zum Teil sind die Sterblichkeitsverhältnisse der Kinder abnorm hohe ge­

wesen, indem z. B. von 15 und 16 Kindern nur 4, von 7 und 8 Kindern nur 2 am Leben geblieben sind.

Der Versuch, die Fruchtbarkeit einerseits und die Sterblichkeit anderer­

seits mit dem Berufe des Vaters (gelernter, ungelernter Arbeiter) in Ver­ bindung zu setzen, scheiterte.

Die naheliegende Beziehung zwischen Kindern

und Wohnungen konnte nicht verfolgt werden, da die Wohnungsverhältnisse im Laufe der Ehe gewechselt hatten.

Doch konnten auch bei den Besitzern

von Eigenhäusern, die zum größten Teil ererbt waren, keine Abweichungen hinsichtlich Fruchtbarkeit und Sterblichkeit festgestellt werden.

Nebenbeschäftigung der Ehefrauen. Ein erstrebenswerter Zustand ist allgemein darin zu finden, daß die

verheiratete Frau und Mutter keiner regelmäßigen Tätigkeit außerhalb des

Hauses nachgeht, um nicht die Haushaltsführung und Erziehung der Kinder vernachlässigen zu müssen. Keine der Frauen unserer Arbeiter geht einer Erwerbstätigkeit

bei

dritten Personen nach, sie sind daher in der Lage, im vollen Maße ihren Pflichten als Hausfrau und Mutter zu genügen.

Diese Erscheinung ist

für das oberschlesische Industriegebiet nichts Außergewöhnliches.

In den

hiesigen industriellen Betrieben werden, von ganz vereinzelten Ausnahmen

abgesehen, als weibliche Arbeiter nur Mädchen angenommen, die zum größten Teil mit 16 Jahren eintreten und bei der Verheiratung — meist mit

20 oder 21 Jahren — die Tätigkeit wieder aufgeben.

Auch Heimarbeit

in irgendeiner Form ist in unserem Hüttenort nicht anzutreffen, so daß

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209

Tie soziale Lage der seßhaften Arbeiterschaft eines oberschles. Walzwerkes.

den Frauen außer ihrer Tätigkeit im Haus nur die mehr oder weniger umfangreiche landwirtschaftliche Nebenarbeit verbleibt.

Die Berufe der erwachsenen Töchter. Unter den Kindern unserer Arbeiter befinden sich 294 der Schule entwachsene Töchter.

Davon waren 154 (53 o/o) im Hause der Eltern, während 140 Töchter (47 "o) einem Erwerb nachgingen.

Auffallend ist bei dieser Gegenüberstellung, daß 53 o/o der erwachsenen Töchter sich bei den

Das Alter dieser Mädchen ist

Eltern anfhielten.

nachstehend ersichtlich gemacht: Lebensalter

35

33

31

30

29

28

27

26

25

Zahl der Töchter

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1

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sich,

daß

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Lebensalter

I

Zahl der Töchter

Dabei

ergab

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24

I

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in einzelnen Familien mehrere erwachsene

ältere Töchter zu Haus waren, obwohl weder kleine Kinder vorhanden

waren, noch erwachsene Söhne im Hause lebten.

Auch konnte der land­

wirtschaftliche Nebenbetrieb diesen Mädchen keine ausreichende Tätigkeit bieten. Daß die meisten dieser Mädchen im elterlichen Hause eine angemessene

Unterweisung in der Haushaltsführung erhalten, muß erfahrungsgemäß bezweifelt werden.

Vielen oberschlesischen Arbeiterfrauen geht der Sinn

für Ordnung und Sauberkeit, sowie die nicht leichte Kunst, mit geringen Mitteln nahrhafte Speisen zu bereiten, ab.

Von den erwerbstätigen Töchtern waren beschäftigt 65 als Dienstmädchen, 27 in verschiedenen gewerblichen Betrieben,

14 als Schneiderinnen, Putzmacherinnen, 10 in unserem Hüttenwerk,

8 als Verkäuferinnen, 7 in der Landwirtschaft,

5 im Kloster, 1 als Schenkerin,

1 als Buchhalterin,

1 als Krankenpflegerin, 1 als Lehrerin. Schriften 153.

I.

14

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Friedrich Syrup.

210

Von den 65 als Dienstmädchen tätigen Töchtern hatten Stellungen

gefunden

18 am Hüttenort und seiner nächsten Umgebung, 31 in der 6 Irin entfernten größeren Stadt,

11 sonst in Oberschlesien,

2 in Breslau, 2 in Berlin, 1 in Kiel.

Der ständige Mangel an weiblichem Gesinde in Oberschlesien macht

diese Tätigkeit lohnend und dauernd. Die Zahl der in gewerblichen Betrieben tätigen Töchter betrug ins­

gesamt 37, von denen 10 in unserem Hüttenwerk als Platzarbeiterinnen waren.

beschäftigt der Ziegel,

Die übrigen 27 waren in Ziegeleien beim Transport

in Druckereien

als Anlegerinnen

an

den Maschinen, als

Packerinnen in einer Flaschenhütte, beim Verladen des Sandes in Sand­

gruben und bei Bahnarbeiten tätig. kenntnisse

werden.

und

ohne

Alle Tätigkeiten können ohne Vor­

besondere Anlernung

von den Mädchen ausgeübt

Ihr Verdienst schwankt dabei etwa zwischen 1,20 bis 1,50 AU.

pro Tag bei zehnstündiger Arbeitszeit. Von den 14 als Schneiderin oder Putzmacherin aufgeführten Töchtern

sind die meisten nicht in der Lage, sich selbständig zu unterhalten. ihnen wohnen am Hüttenort bei ihren Eltern.

13 von

Mehrere haben ihren Beruf

nur notdürftig gelernt, um gelegentlichen, einfachen Ansprüchen zu genügen. Die übrigen Beschäftigungsarten der Töchter bieten nichts Bemerkens­

wertes.

Die erwerbstätigen Söhne der Arbeiter. Unter den Kindern unserer Arbeiter wurden 356 nicht mehr schul­ pflichtige Söhne gezählt.

Darunter waren

3 Söhne, über die von den Eltern keine Auskunft gegeben werden konnte, 3 Söhne als Invaliden im Hause der Eltern, 3 Söhne in der Landwirtschaft der Eltern tätig,

15



der Militärpflicht genügend,

3

„ als Unteroffiziere beim Militär geblieben. Von den übrigen 329 Arbeitern sind Berufsstellung und Berussort in der folgenden Übersicht angegeben. Die Übersicht zeigt zunächst, daß 43 Söhne Berufe ausüben, mit

denen

keine fortgesetzt körperliche Tätigkeit

verbunden ist.

Damit soll

keineswegs gesagt sein, daß diese Berufsstellungen einen sozialen Aufstieg

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Die soziale Lage der seßhaften Arbeiterschaft eines oberschles. Walzwerkes

bedeuten.

Zur Beurteilung dieser Frage ließ sich kein ausreichendes Material

den

Unter

erlangen.

vielen

211

ungelernten

sallen insbesondere die

übrigen Berufsstellungen auf.

Industriearbeiter

im Hüttenort vor

Ein

12

Jahren in Betrieb genommenes und sich gut entwickelndes Metallwerk,

das

zurzeit etwa 450 Arbeiter und zwar ganz vorwiegend ungelernte

Arbeiter beschäftigt, hat hier einen maßgebenden Einfluß ausgeübt. Sodann zeigt die Übersicht die große Seßhaftigkeit der Nachkommen­ schaft.

SO o/o der Söhne waren in ihrer engeren Heimat, dem oberschlesischen

Berufs st ellung und Berufsort der erwerbstätigen Söhne. Beru^sort Ober­ Schlesien Rhein.Hüt- ! Deut­ tenort! Nach- schles. außer westBreslau fälisches sche ' Jnund ! . nächste! barund JnJnduGroß­ Um- ! stadt strie- dustrie- ! dustrie- städte ! gebiet gebuna! aebiet gebiet

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2

1

Ungelernte Jaduslriearbeiter. Grubenarbeiter. Gelernte Hütten­ arbeiter . . . Gelernte Arbei­ ter der Metall­ industrie . . . Gelernte Arbei­ tersonstiger Ge­ werbe .... Landwirtsa-aftl. Arbeiter . . . Eisenbahnarleiter....................... Gisenbahnunterbeamte.... Privatbeanne (besonders in Hüttenwerken) . Handelsange­ stellte .... Geistlicher. . . Lehrer .... Postbote . . . Polizist.... Gemeindebeamter Gastwirt . . . Krankenpfleger. Gmmwsiaü . .

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11 12 13 14 15 16 17

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1 — 12

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14*

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212

Friedrich Syrup.

Das westliche Industriegebiet hat offensichtlich

Industriegebiet, geblieben.

einen geringen Einfluß auf die Abwanderung ausgeübt.

Anziehungskraft zeigten die Großstädte.

Etwas größere

Von den in Großstädten berufs­

tätigen zwölf Söhnen waren in Berlin vier, in Breslau zwei, in Leipzig

zwei, in Posen zwei, in Wilhelmshafen einer, in Halle einer.

Von den

sich im Auslande aufhaltenden Söhnen waren drei in Österreich, einer in Ungarn, einer in Rußland,

zwei in Luxemburg, zwei in Amerika, einer in Afrika. Dabei ist zu beachten, daß sich vom Hüttenwerk aus die Grenzen von Österreich-Ungarn und Rußland durch ein bis zwei Stunden Eisenbahn­

fahrt erreichen lassen. Naturgemäß spielt bei der Abwanderung das Lebensalter der Personen eine wesentliche Rolle. Dieses Lebensalter ist in der folgenden Übersicht zu den Berufsorten in Beziehung gesetzt.

Alter

bis 18 Jahre 19 bis 25 Jahre 26 bis 30 Jahre 31 Jahre und darüber

1 2 3 4

Zusammen:

Die Zusammenstellung zeigt, daß aus dem oberschlesischen Industrie­ gebiet abgewandert waren von den Söhnen im Alter

bis 18 Jahren

„ „ „ „ von 19 „ 25 ...................................................26 „ 30 „













....

1 o o

.............................. 1O°/o 19°/^

31 und mehr „

....

22»/».

Danach ist zu erwarten, daß von den jüngeren Söhnen eine gewisse

Zahl nach Erreichung eines höheren Alters die engere Heimat verlassen werden. Die Angaben

über

die Berufsstellungen

der Söhne wurden von

folgenden drei Gesichtspunkten betrachtet: 1. Welche Berufe haben die Söhne der deutschen Arbeiter ergriffen? (Übersicht aus Seite 213/14.)

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22

21

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B erufsstellung der

Die soziale Lage der seßhaften Arbeiterschaft eines oberschles. Walzwerkes. 213

!

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Nachbarstadt

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Schlosser

W alzerjunge

M echanikerlehrling E le ktrike rle h rlin g

32

33

34 35



Schornsteinfeger Schlosserlehrling

41

42



39

„ Nachbarstadt

Oberschlesien



38

K a u fm a n n sle h rlin g



W erksarbeiter

37

40



W erksarbeiter

P o rtie rju n g e

36

H ü tte n o rt

- Nachbarstadt

Oberschlesien

B ahnarbeiter

K aufm ann

31

H ü tte n o rt



30



Nachbarstadt

E lektriker

Oberschlesten

28 29

26

2^

27

Nachbarstadt

B e rlin

B erussort

Glatz

Schlosser

Söhne

Kahm ann K aufm ann U n te ro ffizie r

Werkmeister

24

B e ru fsste llu ng

23

Nr

L fd .

/

1

>

agemeiser

B in d e r (gelernter W alzer)

B orderm ann

W alzmeister

G liih e r

Aufseher

s D re h e r

W alzm eister

^W erkm eister

B ä te r

.

s

DOI https://doi.org/10.3790/978-3-428-57468-1 | Generated on 2023-09-09 05:34:51 OPEN ACCESS | Licensed under CC BY 4.0 | https://creativecommons.org/about/cclicenses/

ausgeber

M a te ria lie n -

L a n d w irt

H üttenaufseher

P u d d le r

W aldarbeiter

L a n d w irt

W alzer

Schmied

Referendar

G roß väter

V erufsstellung der

^H ü tte n a rb e ite r

1

L a n d w irt

P u d d le r H ü tte n a rb e ite r

unbekannt

L a n d w irt

W a ld a rb e ite r

B a h n w ä rte r

syndikus

js Landickafts^andtchafts-

U rg ro ß vä te r

214 Friedrich Syrup

Die soziale Lage der seßhaften Arbeiterschaft eines oberschles. Walzwerkes.

215

2.

Wie macht sich die Berufsstellung des Vaters auf die Berufsstellung der Söhne bemerkbar? (Übersicht auf Seite 216.)

3.

Welche Berufe haben die im Hüttenwerk bleibenden Söhne ergriffen ? (Übersicht auf Seite 217.)

Die

Zahl

der

erwerbstätigen

Söhne,

die

ausschließlich

deutsch

sprechenden Familien entstammten, betrug 42. Ihre Berufsstellungen sind in der folgenden Zusammenstellung nach­ gewiesen, in der auch die Berufe der Väter, Großväter und Urgroßväter

angegeben sind.

Wie Einzelnachforschungen ergaben, hat bei einer ganzen

Zahl dieser Söhne ein sozialer Aufstieg stattgefunden.

Bemerkenswert

ist dabei, daß die Verwaltung des Hüttenwerkes ihren Nachwuchs an Hüttenbeamten vornehmlich den Söhnen dieser deutschen Arbeiter entnimmt. In einem Falle ist ein auffälliger Abstieg zu vermerken, indem die Mit­

glieder einer begüterten in der Umgegend angesessenen adeligen Familie infolge Trunkes des Großvaters zu Handarbeitern gesunken sind.

Um den Einfluß der Berufsstellungen der Väter auf die Berufe der

Söhne

zu

ermitteln,

wurden

drei

Gruppen

von

Arbeitern

genauer

untersucht:

I.

die Platzarbeiter, deren Tätigkeit keinerlei Vorbildung und An-

II.

die Walzer, die als Vordermänner, Walzmeister gehobene Stellen

lernung verlangt,

innehaben und gute Einkünfte aufweisen,

III. die gelernten Schlosser und Dreher.

Bei allen drei Arbeitergruppen wurden alle vorhandenen erwerbs­ tätigenSöhne

erfaßtund

zwar beiGruppe I

DienachstehendeZusammenstellung

27

II

12

III

21.

gibt

getrennt

nach

den

drei

Gruppen Auskunft über die Berufsstellungen der Söhne. Die Gegenüberstellung zeigt zunächst, wie die Söhne der Platzarbeiter

in großer Zahl als ungelernte Industriearbeiter Beschäftigung gesucht haben, während bei den Söhnen der anderen beiden Gruppen die Tätigkeit als

ungelernte Arbeiter vereinzelt auftritt. Die als Walzer, Schlosser und Dreher tätigen Väter haben offensichtlich Wert darauf gelegt, ihren Söhnen eine Ausbildung zu geben, die ihnen ein leichteres Weiterkommen ermöglicht.

Endlich wurde bei Betrachtung der Berufsstellungen der Söhne er­ mittelt, ob der Eintritt der Söhne ins Hüttenwerk, in dem der Vater

tätig ist, eine Hebung der Berufsstellung der Söhne zur Folge hatte.

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Wie

Friedrich Syrup.

216

Berufsstellungen der 27 Söhne von 10 Platzarbeitern.

I.

Industriearbeiter,

1:

Industriearbeiter,

Industriearbeiter,

Industrie­

arbeiter, Industriearbeiter, Bahnarbeiter, Kaufmann,

2.

Industriearbeiter, Schürer, Dreher, Schmied, Eisenbahnwerkstätten­

3.

arbeiter,

4.

Industriearbeiter, Walzer, Schriftsetzer,

5.

Industriearbeiter,

6.

Maler, unbekannt,

7.

Industriearbeiter, Walzer, Walzer,

8.

Dreher, Industriearbeiter,

9.

Industriearbeiter, Industriearbeiter, Portier, Dreher.

10.

II.

Berufs st ellungen der 12 Söhne von 8 Walzern in

gehobenen Stellungen (Vordermann, Walzmeister).

1.

Kaufmann, Fleischer, Fleischer,

2.

Hüttenbeamter, Schneiderlehrling,

3.

Dreher,

4.

Walzer, Gärtnerlehrling,

5.

Elektriker,

6.

Schriftsetzerlehrling,

7.

Industriearbeiter,

8.

Portierjunge.

III.

Berufs st ellungen

der

21

Söhne von 11

Schlossern

und Drehern.

1.

Kaufmann, Kaufmann,

2. 3.

Korrespondent, Gastwirt, Konditor,

4.

Weichensteller, Hüttenbeamter, Elektriker,

5.

Hüttenbeamter,

6.

Schlosser, Schlosser,

7.

Krankenpfleger, Walzer, Walzer,

8.

Hüttenbeamter, Hüttenbeamter, Mechanikerlehrling,

9.

Schreiberlehrling, Laufjunge,

10.

Kaufmannslehrling,

11.

Industriearbeiter.

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Die soziale Lage der seßhaften Arbeiterschaft eines oberschles. Walzwerkes.

217

die folgende Zusammenstellung im einzelnen zeigt, konnte diese Frage bei

32 Söhnen (62 O/o)

bejaht werden, während sich bei 3 Söhnen (70/0)

die Berufsstellung gegenüber der der Väter verschlechtert hatte und bei 17

!

!

(310/0) die Berufsstellung eine gleichartige geblieben war.

6

5

__ 2 5 2 — !

9

1 4 14 3 10

4 6 24 5 13

4 6 19 3 —

__ — — — 3

§

32

52

32

A rb e ite r

Abstieg

Zusammen:

Ausstieg

L — 3

1 — 4 — —

2

Sum m e

Hüttenbeamte Handwerker Walzer Ofenleute Ungelernte Arbeiter

Ungelernte

der Söhne

O fenleute

Berufsstellung

W alzer

Handwerker

Berufsstellung der Väter

i

3

Zusammenfassung der Feststellungen über die Lebensführung. Während 75 0/0 der Arbeiter am Hüttenort wohnten, waren 25 0/0 außerhalb des Arbeitsortes untergekommen.

genötigt, ansehnliche Wegstrecken zurückzulegen.

Die letzteren waren zum Teil

Der größte Teil der Arbeiter

wohnte in Mietwohnungen (57 0/0), 14 0/0 der Arbeiter waren in Werks­

wohnungen untergebracht und 270/0 waren im Besitz von Eigenhäusern. Eine landwirtschaftliche Nebenbeschäftigung war bei 77 0/0 der Arbeiter an­

zutreffen und nahm besonders bei den in Eigenhäusern lebenden Arbeitern beachtenswerten Umfang an.

96 0/0 aller Arbeiter waren verheiratet und

wiesen einen großen Kinderreichtum auf, der jedoch durch hohe Sterblichkeit

auf zwei Drittel der Geburten beeinträchtigt wurde.

Eine gewerbliche

Nebenbeschäftigung der Ehefrauen war nicht üblich, auffallend war die Zahl der erwachsenen Töchter im Elternhause.

Besondere Beachtung wurde

den erwachsenen Söhnen geschenkt, deren Berufsstellung und Berufsort

einzeln ermittelt wurde.

Dabei war besonders die Seßhaftigkeit auffallend.

Ein sozialer Aufstieg machte sich bei den Söhnen der deutschen Arbeiter

bemerkbar.

Weiter war erkennbar, daß die gelernten Hüttenarbeiter und

Handwerker für eine gute Ausbildung der Söhne gesorgt hatten.

Endlich

war festzustellen, daß die im Hüttenwerk bleibenden Söhne eine gegenüber dem Berufe der Väter gehobene Berufstätigkeit ausübten.

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218

Friedrich Syrup. Die soziale Lage der seßhaften Arbeiterschaft usw.

V.

Schlußwort. Bei den vorstehenden Untersuchungen wurde versucht, eine sachliche

Feststellung

von

Tatsachen

zu

geben.

Es

ist

tunlichst

worden, die einzelnen ermittelten Tatsachen zu beurteilen.

auch

am Schluß

davon

abgesehen werden,

vermieden Daher soll

ein Gesamturteil über die

sozialen Verhältnisse unserer Arbeiter zu fällen. Die verschiedenen, im Eingang der Untersuchung erwähnten Schranken,

die bei den Erhebungen gezogen werden mußten, verhinderten von vorn­ herein, daß die Ergebnisse der Studie in ihrer Gesamtheit als ein wissen­ schaftlich zuverlässiges, typisches Bild von der sozialen Lage der gesamten

oberschlesischen Eisenhüttenarbeiter angesehen werden können.

Andererseits

tritt infolge der Beschränkungen das enger begrenzte Bild von dem Berufs­

schicksal und der Lebenshaltung der älteren, seßhaften Hüttenarbeiter un­ verwischter hervor, und in dem gewonnenen Bilde finden sich viele, in der Studie auch besonders hervorgehobene Züge, die für die große Masse der

oberschlesischen Eisenhüttenarbeiter — wie mannigfache Vergleiche lehren — als typische gelten können.

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