Augustinus totus noster: Das Augustinverständnis bei Johannes Calvin 9783666551529, 3525551525, 9783525551523


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Augustinus totus noster: Das Augustinverständnis bei Johannes Calvin
 9783666551529, 3525551525, 9783525551523

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V&R

Meiner Frau Gabriele, meinen Kindern Cornelia, Floris und Constantijn

J. MARIUS J. L A N G E VAN RAVENSWAAY

Augustinus totus noster Das Augustinverständnis bei Johannes Calvin

VANDENHOECK & RUPRECHT IN GÖTTINGEN

Forschungen zur Kirchen- und Dogmengeschichte Band 45

CIP-Titelaufnahme

der Deutschen

Bibliothek

Lange van Ravenswaay,Jan Marius].: Augustinus totus noster : das Augustinverständnis bei Johannes Calvin / J. Marius J. Lange van Ravenswaay. - Göttingen : Vandenhoeck u. Ruprecht, 1990 (Forschungen zur Kirchen- und Dogmengeschichte ; Bd. 45) Zugl.: Tübingen, Univ., Diss., 1986 ISBN 3-525-55152-5 N E : GT

© 1990 Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen Printed in Germany. - Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlags unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Gesetzt aus Garamond auf Linotron 202 System 4 Satz und Druck: Guide-Druck GmbH, Tübingen Bindearbeit Hubert & Co., Göttingen

Vorwort

Die vorliegende Untersuchung wurde im Mai 1986 von der Evangelischtheologischen Fakultät der Eberhard-Karls-Universität Tübingen als Dissertation angenommen. Für den Druck wurde sie geringfügig überarbeitet und um ein Register erweitert. Mein besonderer Dank gilt an dieser Stelle Herrn Professor Dr. Heiko Augustinus Oberman; er hat mir als seinem Assistenten nicht nur den nötigen Freiraum gewährt, ohne den diese Arbeit nie hätte geschrieben werden können, sondern mich überdies durch Kritik und Ermutigung vielfach gefördert. Zu danken habe ich auch Herrn Professor Dr. Gottfried W. Locher für den freundschaftlichen stets fruchtbaren Dialog sowie Herrn Dr. Arndt Ruprecht für die Aufnahme dieser Studie in die Reihe „Forschungen zur Kirchen- und Dogmengeschichte". Mehr als ein Dank gilt schließlich meiner lieben Frau Gabriele; ihr und meinen Kindern ist die Untersuchung gewidmet. J. Marius J. Lange van Ravenswaay

Inhalt

Vorwort

5 Einleitung

11

Α

Methodische Vorbemerkungen

11

Β

Literatur-und Forschungsbericht

13

1.

Bestandsaufnahme Exemplarische Verifikation der calvinischen Selbstaussage ,Augustinus totusnoster'. .

19

1.1

Vorbemerkung und Eingrenzung

19

1.1.1

Historische Eckdaten im Streit um die Lehre von der Prädestination und die legitime Berufung auf Augustin

20

1.2

D o c t r i n a praedestinationis bei A u g u s t i n

21

1.2.1

Der Hintergrund der Prädestinationslehre. Fall und Erbsünde

21

1.2.2

Darstellung der Prädestinationslehre

24

1.2.2.1

Praescientia, praedestinatio, Providentia

24

1.2.2.2

Praedestinatio gemina?

26

1.2.2.3

Infralapsarismus - Supralapsarismus. Das Verhältnis von Sündenfall und Gottes Willen

28

1.2.2.4

Die Durchführung des prädestinatianischen Willens in Zeit und Geschichte

30

1.2.2.4.1 Erwägungen zum Zeitverständnis Augustins

30

1.2.2.4.2 Vocatio, iustificatio, glorificatio - donum perseverantiae

31

1.2.2.5

Augustins Interesse am liberum arbitrium

34

1.3

D o c t r i n a praedestinationis bei C a l v i n . C a l v i n s Prädestinationslehre auf d e m augustinischen P r ü f s t a n d

36

1.3.1

Einordnung der Prädestinationslehre

36

1.3.2

Praescientia, praedestinatio, Providentia

38

1.3.3

Darlegung der praedestinatio gemina

40

1.3.3.1

Allgemeine Definition von Prädestination

40

1.3.3.2

Die electio

41

8

Inhalt

1.3.3.3

Die reprobatio

43

1.3.3.4

Testificationes

44

1.3.3.5

Ziel und Zweck der praedestinatio gemina nach Calvin

47

1.3.4

Infralapsarismus - Supralapsarismus. Das Verhältnis von Sündenfall und Gottes Willen

48

1.3.5

Liberum arbitrium bei Calvin?

50

1.4

Zusammenfassung

51

2.

Ars et Methodus Interpretandi Calvins Arbeitsmethoden und Interpretationsprinzipien im Umgang mit Augustin

53

2.1

Vorbemerkung

53

2.2

Die Anfänge: L. Annaei Senecae libri de dementia cum Io. Calvinicommentario(1532)

53

Praefatio zur ,01ivetan-Bibel' (Neuchätel 1535)

57

2.4

Praefatio in Ioannis Chrysostomi homilias (1535?)

58

2.5

Epistola dedicatoria ad Franciscum Galliae Regem Christianissimum(1535)

60

2.6

Christianae Religionis Institutio (Basel 1536)

62

2.7

Die Disputation von Lausanne (Oktober 1536)

67

2.8

Institutio Christianae Religionis (1539)

68

2.9

Institutio Christianae Religionis (1543)

77

2.10

Defensio sanae et orthodoxae doctrinae de Servitute et liberatione humani arbitrii (1543)

87

2.11

Institutio Christianae Religionis (1550)

93

2.12

De aeterna Dei praedestinatione, qua in salutem alios ex hominibus elegit, alios suo exitio reliquit: item de providentia qua res humanasgubernat(1552)

95

Ultima admonitio Ioannis Calvini ad Ioachimum Westphalum (1557)

101

2.14

Institutio Christianae Religionis (1559)

105

2.15

Das exegetische Werk

113

2.3

2.13

Inhalt 2.16

Zusammenfassung

3.

Fidelissimus Interpres Scripturae

9 115

Das Verhältnis von Schrift und Tradition in seiner Bedeutung für Calvins Augustinverständnis

118

3.1

Vorbemerkung

118

3.2

Die auctoritas Scripturae

118

3.2.1

Verbum Dei-scriptura-spiritus

118

3.2.1.1

Das Verhältnis von verbum Dei und scriptura

118

3.2.1.2

Die Beziehung von spiritus sanctus und scriptura

120

3.2.2

Exegese und Mitte der Schrift

122

3.2.3

Schrift und Lehre

124

3.3

Augustin und die Autorität der Tradition

127

4.

Aetates Purissimae? Die Stellung Augustins in der Geschichtsschau Calvins

133

4.1

Vorbemerkung

133

4.2

Stufen und Perioden innerhalb der Geschichte

133

4.3

Regnum C h r i s t i - D i e Geschichte der ecclesia christiana

138

5.

Doctrina Prophetarum Das Selbstverständnis Calvins in seiner Bedeutung für seine Augustininterpretation

145

5.1

Die Ausgangsfrage

145

5.2

„Calvin... est-ilprophete?"

146

5.3

Das Mittel der Typologie

148

5.4

Augustin

150

6.

Schola Augustiniana Vorbilder und Einflüsse in der Entwicklung des Augustinverständnisses Calvins

153

6.1

Vorbemerkung

153

6.2

Calvins Studium im College de la Marche und im College de Montaigu

154

10

Inhalt

6.2.1

.College de la Marche'

154

6.2.2

.College de Montaigu'

155

6.3

Calvins Studium in Orleans, Bourges, Paris und Basel

163

6.4

Calvin in Basel und Genf. Die Institutio von 1536

167

6.4.1

Vorbemerkung

167

6.4.2

Martin Luther

169

6.4.3

Philipp Melanchthon

170

6.4.4

Huldrych Zwingli

172

6.4.5

Martin Bucer

172

6.4.6

Zusammenfassung

173

6.5

Calvin in Straßburg. Die Institutio von 1539

173

6.5.1

Martin Bucer

173

6.5.2

Philipp Melanchthon

176

6.6

Calvin und das Religionsgespräch von Regensburg. Die Institutio von 1543

179

Schlußbetrachtung

181

7.

Quellen-und Literaturverzeichnis

183

Abkürzungen

195

Namenregister

199

Einleitung

Α Methodische Vorbemerkungen Im Rahmen der Erforschung der exklusiven Bedeutung des Kirchenvaters Augustin für die theologische Neuentwicklung des 14.—16. Jahrhunderts 1 ist bereits wiederholt auf das besondere Beziehungsgeflecht zwischen Johannes Calvin und Augustin hingewiesen worden. Hergeleitet aus den Selbstqualifikationen Calvins, die in dem programmatischen Satz „Augustinus totus noster" 2 gipfeln, schlug sich diese Tatsache bereits in den Arbeiten des Vertreters reformierter Orthodoxie, Lambert Danaeus, auffallend nieder 3 und setzte sich als theologisch-historische Aufgabe der Calvinforschung bis in unsere Zeit hinein fort 4 . Alle Beschäftigung mit diesem Thema vermochte jedoch bisher lediglich ein wissenschaftliches Problemfeld abzustecken, dessen Einzelfragen nach wie vor einer umfassenden Untersuchung bedürfen. Zwar liegen einige Arbeiten vor, die das Verhältnis Calvins zum Kirchenvater Augustin untersuchen, doch beschränken sich diese - abgesehen von wenigen Ausnahmen - auf einen methodisch nicht unproblematischen ideengeschichtlichen Vergleich. So wissen wir immer noch sehr wenig über Methoden, Intentionen und theologische Voraussetzungen und Absichten der Augustinverwendung Calvins; es sind bisher die Interpretationsprinzipien des Reformators sowohl hinsichtlich seiner Bibelauslegung 5 , als auch hinsichtlich seiner Väterverwendung nur in Bruchstücken untersucht worden. Vgl. hierzu grundlegend Η . A. Oberman, Werden und Wertung, 82—140. Praed. aet., C O 8,266, 9 f. 3 Vgl. L. Danaeus, Enchiridion, fol. 730 B C : „ C u m autem mihi, hoc praesertim tempore, quo tarn varie vexatur Ecclesia Dei, doctrina Christiana confirmanda videretur, non putavi quicquam ad id praestandum magis idoneum fore, quam si non e nostris et recentioribus theologis, qui ab adversaries fere contemnuntur, sed e vetustissimis illis et orthodoxis venerandisque patribus aliquem producerem, qui suo testimonio fidem caussamque nostram confirmaret. A d eam autem rem unum potissi1

2

mum delegi D . Aurelium Augustinum, atque e variis tanti scriptoris . . . Enchiridion adeo ut hanc non m o d o Augustinae sed totius orthodoxae doctrinae epitomen quis vere possit appellare."; vgl. zur Aufnahme Augustins im Zuge der Weiterentwicklung calvinistischer Theologie bei Danaeus auch O . Fatio, Methode et Theologie, 1 0 4 - 1 1 6 . Eine ähnliche Reaktion, nunmehr jedoch auf die gesamte Alte Kirche ausgeweitet ist auch bei Ph. Duplessis-Mornay und J. Crespin zu finden; vgl. hierzu P. Polman, L'£lement historique, 257f. 4 Vgl. hierzu unten unseren Literaturbericht. 5 Einen gewissen Fortschritt stellt die unter dem Titel ,Die Hermeneutik Calvins' erschienene Studie von A . Ganoczy und S. Scheid dar.

12

Einleitung

Ein wirklicher Fortschritt in der Frage nach dem besonderen Beziehungsgeflecht zwischen Calvin und Augustin, die wir präziser fassen als die Frage nach Calvins Augustinverständnis, ist aber weder mit einer Auflistung von Augustinzitaten im Opus Calvini, noch mit dem Nachweis dogmatischer Parallelen von Calvin zu Augustin allein zu erzielen6. Die Tatsache, daß Calvin den Kirchenvater häufig zitierte, gibt für sich genommen noch wenig Aufschluß über die Verarbeitung und Einarbeitung augustinischer Theologie ins Werk des Reformators noch über dessen Gesamtbewertung Augustins. Auch läßt sich aus dieser Beobachtung noch nicht ablesen, welche Absichten der Reformator mit seinem Rekurs auf Augustin verband. Ebensowenig kann sich eine Antwort auf unsere Frage allerdings darin erschöpfen, den Grad der Ubereinstimmung beider Kirchenlehrer in bezug auf theologische Grundaussagen oder gar in der Behandlung dogmatischer Einzelfragen festzustellen. Ein derartiger Versuch muß der Frage nach dem wirklichen Stellenwert, den Augustin im Schaffen Calvins einnimmt, die Antwort schuldig bleiben, wie überdies das Verfahren des Vergleichs als Interpretation sein Ergebnis in besonderem Maße der Standortgebundenheit und Perspektive des Interpreten ausliefert. Da das Augustinverständnis Calvins vielmehr eine große Anzahl von Facetten und Einzelelementen umfaßt, werden beide Wege, Auflistung und Vergleich, erst als Teilaspekte innerhalb einer methodisch und sachlich breiter angelegten Untersuchung hilfreich. Dabei erschließen sich uns manche Facetten des Augustinverständnisses des Reformators nicht immer in direkter Befragung einer Quelle, sondern erst unter Berücksichtigung vielfältiger Aspekte und verschiedener hermeneutischer Korrelationsebenen. Der programmatische Satz Calvins „Augustinus totus noster" muß u. E. auf dogmatischer, kirchenpolitischer und persönlicher Ebene verstanden werden. Obwohl alle drei Bereiche einerseits auch je für sich Relevanz beanspruchen können, gehören sie doch andererseits eng zusammen und bieten erst als Ganzes ein Erklärungsmodell. Fragen wir also nach Calvins Augustinverständnis, so fragen wir nach den Interpretationsprinzipien, Intentionen und Interessen, theologisch-denkerischen sowie emotional-persönlichen Voraussetzungen und Abläufen im Umgang Calvins mit Augustin. Sie anhand des zur Verfügung stehenden Quellenmaterials zu untersuchen, bedarf einer perspektivisch vielfältig angelegten Arbeitsweise7. Eine Antwort auf die Frage nach dem .Augustinverständnis Calvins' ist schließlich als die Summe von verschiedenen Teilantworten und ErklärungsverVgl. hierzu unseren Literaturbericht. Vgl. zu dem sich in unserer Fragestellung spiegelnden allgemeinen theoretischen Problem historischer Arbeit überhaupt W. J. Mommsen, Der perspektivische Charakter historischer Aussagen und das Problem von Parteilichkeit und Objektivität historischer Erkenntnis, 441—468 sowie R. Koselleck, Standortbindung und Zeitlichkeit, 1 7 - 4 6 . 6 7

Einleitung

13

suchen aus jeweils unterschiedlichen Perspektiven zu erheben, die erst in ihrer Zusammenschau dem historischen Phänomen Rechnung zu tragen vermögen. Unser modus procedendi gliedert sich daher in folgende aufeinander bezogene und ineinandergreifende Teilschritte: In einem ersten Arbeitsgang (Kap. 1) wird die Selbstaussage Calvins „Augustinus totus noster" einem dogmatischen Vergleich unterzogen. Ein zweiter Abschnitt (Kap. 2) wird sodann die Arbeitsmethoden und Interpretationsprinzipien erheben, die Calvin im Umgang mit Augustintexten während seiner einzelnen Schaffensperioden anwandte. In drei weiteren Arbeitsgängen soll sodann geklärt werden, inwieweit Calvins Auffassung von Schrift und Tradition (Kap. 3), sein Geschichtsverständnis (Kap. 4) sowie sein Selbstverständnis (Kap. 5) als bestimmende Faktoren für sein Augustinverständnis zu sehen sind. Ein letzter Fragenkomplex gilt schließlich der Erhebung von Vorbildern und Einflüssen auf Calvins Augustinverständnis (Kap. 6).

Β Literatur- und Forschungsbericht 8 Einen - wenn auch bescheidenen - Anfang in der Lösung des Fragenkomplexes nach den Beziehungen des Genfer Reformators zum Kirchenvater Augustin bezeichnen die Arbeiten von J. Beckmann: Vom Sakrament bei Calvin. Die Sakramentslehre Calvins in ihren Beziehungen zu Augustin, Tübingen 1926 und H. Barnikol: Die Lehre Calvins vom unfreien Willen und ihr Verhältnis zur Lehre der übrigen Reformatoren und Augustin, Neuwied 1927. Obwohl jeweils auf unterschiedliche Lehrkomplexe bezogen, ähneln sich die Ergebnisse beider Arbeiten in ihren Grundaussagen. So glaubte Beckmann als Resultat seiner Studie vertreten zu können: „Die vergleichende Darlegung der Sakramentslehre Calvins und Augustins hat ihre weitgehende sachliche Ubereinstimmung beweisen können. Die wesentlichen und charakteristischen Anschauungen Calvins fanden sich in derselben Bedeutung auch beiAugustin..." Beckmann geht überdies noch einen Schritt weiter, wenn er schreibt: „Er [Calvin] hat ihn [Augustin] besser verstanden, als jener sich selbst verstehen konnte" 9 . Die gleiche Tendenz prägt auch Barnikols Kernaussage: „Erst von Augustin aus wird die Lehre Calvins vom unfreien Willen ganz verständlich. Bis in die feinste Verästelung seines Systems hinein ist der Geist Augustins gedrungen." 10 8

Wir geben an dieser Stelle nur einen Uberblick über die richtungsweisenden Arbeiten z u m Thema. F ü r alle weitere Literatur zu Einzelfragen sei auf die einzelnen Kapitel verwiesen. 9 J. Beckmann, Vom Sakrament bei Calvin, 163. 10 H . Barnikol, Die Lehre Calvins vom unfreien Willen, 99.

14

Einleitung

Beide Arbeiten ähneln einander jedoch nicht nur hinsichtlich ihrer Ergebnisse, sie weisen vielmehr nahezu identische Untersuchungsmethoden auf: sowohl Beckmanns wie auch Barnikols Aussagen liegt die u. E. problematische „vergleichende Darlegung", der Ideenvergleich zugrunde; und obwohl es diesen Arbeiten zukommt, die Frage nach den Beziehungen Calvins zum Kirchenvater neu angegangen zu sein, trifft doch zu, was bereits A. Lang (1934) kritisch formulierte: „Ferner bedarf der für Beckmann und auch für Barnikol nach ihm so überzeugende Beweis der Abhängigkeit des Genfer Reformators von Augustin doch sehr der N a c h p r ü f u n g . . . Die Frage nach den Beziehungen Calvins zu dem von ihm immer wieder angezogenen Kirchenvater ist noch lange nicht spruchreif..."11 Eine wichtige Station stellt sodann die bedeutende Arbeit von P. Polman: L'Element historique dans la controverse religieuse du X V I e siecle, Gembloux 1932 dar, obwohl das Problem des ,Traditionalismus' bei Calvin hier nur in seinen Grundzügen verhandelt wird und den Rahmen der Arbeit vielmehr das Traditionsargument in der konfessionellen Auseinandersetzung des 16. Jahrhunderts überhaupt bildet. Gleichwohl sind die Beobachtungen Polmans insbesondere das Verhältnis Augustins zu Calvin betreffend als entscheidendes Stimulans für einige der nachfolgenden Calvinstudien zu werten. So stellte Polman fest: „.. .pour Calvin saint Augustin est en realite un fidus interpres de la Bible" 1 2 und „Ii [Calvin] s'identifie avec le docteur d'Hippone" 1 3 . Aufsehenerregend ist schließlich seine Schlußfolgerung, wenn er schreibt: „ N o u s croyons, en effet, que Calvin a apporte un bon nombre de restrictions ä son principe biblique, de telle sorte que l'element non-biblique a joue, dans son oeuvre, un role capital" und „le dernier des reformateurs fut convaincu, ..., de la necessite . . . d'une autorite supreme autre que la seule Ecriture" 1 4 . Dennoch bleibt Polman den wirklichen Beweis für seine Behauptung schuldig; zu schwach und einseitig sind seine Textuntersuchungen auch hinsichtlich des Verhältnisses Calvins zum Kirchenvater. Obwohl deutlich als Reflex auf die Thesen Polmans zu verstehen, stellt doch die Arbeit von A. D. R. Polman: De praedestinatieleer van Augustinus, Thomas van Aquino en Calvijn, Franeker 1935 keinen Fortschritt in der Lösung der Sachfragen dar. Zwar arbeitet Polman umsichtig entscheidende Elemente der Prädestinationslehre beider von ihm untersuchten Theologen heraus, dennoch bleibt auch diese Arbeit lediglich im Bereich des ideengeschichtlichen Vergleichs. Die Frage des Augustinverständnisses Calvins wird nicht weiter problematisiert. Ahnliches gilt für die nur wenige Jahre nach A. D . R. Polman erschienene Studie von J. Koopmans: Het oudkerkelijke dogma in de reformatie, bepaaldeA. Lang, Calviniana, 277. P. Polman, L'Element historique, 94. 1 3 Ebd. 90. i" Ebd. 73 f. 11 12

Einleitung

15

lijk bij Calvijn, Wageningen 1938. Zwar wird Koopmans hiermit dem breit gesteckten Rahmen von P. Polman eher gerecht, gleichwohl reduziert er die Frage auf das Dogmaverständnis Calvins. Das Traditions- und Kirchenväterverständnis wird hingegen nur ganz am Rande mitbedacht 1 5 , das Augustinverständnis wird überdies gänzlich übergangen. Den Versuch eines wirklichen Neuanfangs in dieser Frage beschreibt jedoch der 1954 erschienene Aufsatz von J. Cadier: Calvin et Saint Augustin. In: Augustinus Magister Bd. 2, Paris 1954, 1033-1056. Hatten die bisherigen U n tersuchungen zu dieser Frage lediglich ein Lehrstück zum Thema, so macht Cadier hier den Versuch, Calvin und Augustin in all ihren stärksten Berührungspunkten zu vergleichen; dabei berücksichtigt Cadier insbesondere diejenigen augustinischen Textkomplexe, die auch der Reformator selbst anführt: „Nous partirons du systeme calviniste, et plus exactement du texte de 1'Institution chretienne dans sa derniere edition de 1560, pour relever les citations les plus importantes que le Reformateur de Geneve fait de l'eveque d'Hippone. Ii ne nous est pas possible en effet de prendre le chemin inverse et de commencer par etablir les grandes lignes de la pensee augustinienne, en considerant ensuite comment Calvin a suivi cette pensee ou s'en est detourne. Cet expose risquerait d'etre trop schematique et de manquer d'objectivite. Ii nous parait preferable de suivre le deroulement de la pensee calviniste, quitte ä signaler ensuite les points sur lesquels Calvin s'est nettement separe de saint Augustin" 1 6 . Trotz dieses methodischen Neuansatzes weist aber auch die Untersuchung von Cadier deutliche Mängel auf. So ist sie auf die französische Ausgabe der Institutio von 1560 beschränkt und bleibt im übrigen an einem problematischen Objektivitätsschema orientiert; schließlich meinte auch Cadier unsere Frage in der Form eines Vergleiches lösen zu können. Entschieden zu weitreichend erscheinen daher seine Schlußfolgerungen, wenn er schreibt: „Leur accord est parfait" 1 7 und „L'union de ces deux theologiens vient de leur theocentrisme" 1 8 . Keinen Fortschritt oder Neuansatz bietet sodann G. Bavaud: La doctrine de la predestination et de la reprobation d'apres s. Augustin et Calvin. In: R E A 5 (1959), 431—438. Auch Bavaud bleibt beim ideengeschichtlichen Vergleich stehen. Dieses gilt auch weitgehend für die Studien von G. de Ru: De rechtvaardiging bij Augustinus vergeleken met de leer der justificatio bij Luther en Calvijn, Wageningen 1966 und/ 7 . W. Snell: The place of Augustine in Calvin's concept of Righteousness, Diss. N e w York 1968. Während de Ru lediglich wieder in Vergleichsarbeit stehen bleibt, ist es doch immerhin das Verdienst von Snell, der Frage des,Einflusses' Augustins auf Calvin und der möglichen Vermittlungspo15 16 17 18

Vgl. J. Koopmans, Das altkirchliche Dogma, 4 1 - 4 3 . J. Cadier, Calvin et Saint Augustin, 1041 f. Ebd. 1046. Ebd. 1056.

16

Einleitung

sition Melanchthons nachgegangen zu sein. Aber auch Snell bleibt doch den Beweis für seine Behauptung schuldig, wenn er schreibt: „the direct relation of Augustine to Calvin's concept of righteousness is in terms of a kind of subcanonical authority, substantiating Calvin's thought where his readers would benefit from such patristic support, and in the adoption of certain clarifying terminology. It can be said with relative safety that all of the direct citations from Augustine in Calvin's writings are of this nature"19. Sieht man einmal von einigen wenigen die Literatur allerdings nur weitgehend auflistenden Aufsätzen ab20, so beschreiben die Arbeiten von W. N. Todd: The function of partistic writings in the thought of John Calvin, Diss. New York 1964 und R. J. Mooi: Het kerk - en dogmahistorisch element in de werken van Johannes Calvijn, Wageningen 1965 die vorläufig letzten Ergebnisse zum Thema. Obwohl beide sich nicht auf die Fragestellung nach den Beziehungen Calvins zum Kirchenvater Augustin beschränken, sondern wiederum die Frage P. Polmans nach der Funktion des Traditionsarguments bei Calvin überhaupt aufwerfen, sind sie doch auch für unser Thema von Bedeutung. Wenngleich Todd in seiner Studie eher resümierend arbeitet und zu häufig detaillierte Einzeluntersuchungen fehlen läßt, sind doch seine Ergebnisse bemerkenswert: „There can be no question that Calvin fully understood [!] Augustine's doctrines of grace, justification and regeneration ... Finally, he recognized ... that Augustine alone clearly supported the Protestant doctrines"21. „Calvin recognized, that he had differences even with Augustine on the doctrine of man" 22 und „It can only be concluded that, where Calvin's doctrines of original sin, free will, and predestination are most distinctively his own, he is neither patristic nor entirely Augustinian" 23 . Neben den im übrigen zu hinterfragenden Ergebnissen bleibt doch die Fragerichtung Todds bemerkenswert; deutlich ist bei ihm nunmehr auch die Blickperspektive Calvins selbst in die Untersuchung mitaufgenommen, „Calvin recognized"! Ungleich gewinnbringender ist aber schließlich die Arbeit von Mooi, deren Verdienst es bleibt, nahezu alle Väterzitate und einen großen Teil der bei Calvin zitierten mittelalterlichen Autoren aufgelistet und dadurch ein wichtiges statistisches Hilfsmittel erstellt zu haben24. Dennoch läßt der Interpretationsteil, insbesondere hinsichtlich der Stellung 19

F. W. Snell, The place of Augustine, 223.

Zu nennen sind in diesem Zusammenhang: Ν . T. v. d. Merwe, Calvin, Augustine and Platonism. A few aspects of Calvin's philosophical background. In: Calvinus Reformator (Wetenskaplike Bydraes of the P U for C H E , Series F , Institute for Reformational Studies, F 3 Collections, N u m b e r 17), Potchefstroom 1 9 8 2 , 6 9 - 8 4 sowie A . N . S. Lane, Calvin's use of the Fathers and the Medievals. In: Calvin theological Journal 16 (1981), 1 4 9 - 2 0 5 . 20

21

W. N . Todd, The function of patristic writings, 187f.

22

Ebd. 190.

23

Ebd. 196. Siehe v. a. R. J. Mooi, H e t kerk- en dogmahistorisch element, 3 6 5 - 3 9 7 .

24

Einleitung

17

Augustins im Werk Calvins, noch viele Fragen offen, wenn Mooi zusammenfaßt: „De [Augustinus-Jcitaten hadden de functie toe te lichten wat Calvijn wilde uitdrukken op grond van de leer der Heilige Schrift", „De kerkvader bezat voor Calvijn . . . een autoriteit van menselijk gehalte" 25 . O b w o h l wir damit den aktuellen Stand der Forschung im Bereich unserer Themenstellung beschrieben haben, wurde bisher die zwar unabgeschlossene bislang jedoch unübertroffene bedeutende Arbeit zur Frage nach den Beziehungen Calvins zum Kirchenvater Augustin in unserer Besprechung übergangen: ihr verdankt auch unsere Untersuchung wichtige Vorarbeit. Wir meinen die bereits in den Jahren 1957 und 1958 erschienenen zwei Bände von L. Smits: Saint Augustin dans l'oeuvre de Jean Calvin. Bd. 1 Etude de critique litteraire, Assen 1957; Bd. 2 Tables de references Augustiniennes, Assen 1958. Es ist das bleibende Verdienst von Smits, mit seinen sorgfältig angelegten tabellarischen Zitatnachweisen der Augustintexte im (Euvre Calvins neue Breschen für die diffizile Frage nach dem Augustinverständnis Calvins geschlagen zu haben. U n d doch läßt insbesondere dieses Werk die entscheidenden Fragen unbeantwortet, ja ist überdies an kaum hilfreichen Frageperspektiven orientiert. So fragte Smits: „Ii est plus important pour nous de rechercher jusqu'ä quel point ^interpretation donne par Calvin est objectivement en accord avec la doctrine de saint Augustin, dont aujourd'hui nous avons une connaissance plus exacte" 26 und „Le reformateur revendique pour son oeuvre une authenticite augustinienne fondamentale. Mais sa conviction e t a i t - eile entiere et absolue? Et correspondait - eile ä la realite?" 27 Unter Berücksichtigung der Tatsache, daß die Kategorie der Objektivität nur sehr begrenzt für den historisch-hermeneutischen Bereich verwendbar erscheint und die Erfassung und Darstellung eines Verstehensvorgangs nur in seinen unterschiedlichen Bezügen erfolgen kann, versuchen wir mit unserer Arbeit eine Antwort auf die Frage zu geben, in welcher Hinsicht der Satz Calvins „Augustinus totus noster" einen,wirklichen' Sachverhalt beschreibt.

25 26 27

Ebd. 262 f. L. Smits, Saint Augustin 1,253. Ebd. 275.

1. Bestandsaufnahme. Exemplarische Verifikation der calvinischen Selbstaussage ,Augustinus totus noster' 1.1. Vorbemerkung und Eingrenzung Die Frage nach Calvins Augustinverständnis ist, wie wir bereits festgestellt haben, nur unter Beachtung der interpretatorischen Perspektivenvielfalt zu beantworten. Innerhalb dieser Grundvoraussetzung bildet die konkrete Verifikation der vom Reformator reklamierten theologischen Ubereinstimmung zum Kirchenvater unseren ersten basisschaffenden Zugang. In den Grenzen dieser einen Perspektive unserer Fragestellung ist dabei der Weg des Vergleichs dogmatischer Grundpositionen beider Theologen methodisch legitim. Es kann jedoch nicht darum gehen, das gesamte theologische Werk Calvins anhand dieses Weges zu untersuchen; vielmehr ist eine Beschränkung auf einen dogmatischen Fragenkomplex in der Weise sinnvoll, daß von jenem aus Linien und Rückschlüsse auf andere Bereiche der Theologie Calvins gezogen werden können. Ein Problemkreis im theologischen Schaffen Calvins bietet sich hierbei aus verschiedenen Gründen besonders an, wir meinen seine Anschauung von der Prädestination. Allerdings sei bereits an dieser Stelle darauf hingewiesen, daß es uns primär nicht um eine Untersuchung der Prädestinationslehre Calvins geht. Die Probleme der Prädestination sind vielmehr ein ,test-case', an dem versucht werden soll, Calvins grundsätzliche Ubereinstimmung mit Augustin zu überprüfen und darzulegen. Folgende Gründe erlauben uns dabei im Rahmen unserer Untersuchung eine Zuspitzung auf die Fragen der Prädestination: a) Die Lehre von der Prädestination stellt generell einen Prüfsteinkomplex im Gesamtsystem eines Theologen dar; kennt man die Position eines Theologen zur Prädestination, dann kennt man auch einen großen Teil seiner Gnadenlehre 1 und damit den Kern einer christlichen Dogmatik überhaupt. Dies gilt in ganz besonderer Weise für Calvin und Augustin, in deren Theologien die Lehre von der Prädestination unbestreitbar eine herausgehobene Position einnimmt. b) Gibt es überdies einen Fragenkomplex, für den Calvin selbst eine besonders intensive Übereinstimmung mit dem Kirchenvater reklamierte, so ist es neben 1

Vgl. auch Η . A. Oberman, Spätscholastik und Reformation 1,176.

20

Exemplarische Verifikation der calvinischen Selbstaussage,Augustinus totus noster'

dem des,unfreien Willens' und dem des,Abendmahls' der der Prädestination. So formuliert Calvin im Zusammenhang der Darlegung der Prädestinationslehre programmatisch zusammenfassend: „Porro Augustinus ipse adeo totus noster est, ut si mihi confessio scribenda sit, ex eius scriptis contextum proferre, abunde mihi sufficiat. Sed ne in praesentia nimium sim prolixus, tribus aut quatuor locis contentus ero, ex quibus constet, ne uno quidem apice me ab ipso differre." 2 c) Schließlich ist eine Engführung auf die Fragen der Prädestination in unserem Zusammenhang durch den historischen Anlaß des Streites um die Prädestination und innerhalb dessen um eine legitime Berufung auf Augustin vorgegeben.

1.1.1. Historische Eckdaten im Streit um die Lehre von der Prädestination und die legitime Berufung auf Augustin3 In seinem 1542 bei Melchior Novesianus in Köln erstmals erschienenen Werk De libero hominis arbitrio et divina gratia libri X 4 unternimmt Albert Pigge es, in den Büchern 1 —6 die evangelische Lehre vom ,unfreien Willen' als unvereinbar mit der Gnadenlehre und als der Theologie Augustins zuwiderlaufend darzustellen. Die Bücher 7—10 sind der calvinischen Prädestinationslehre und ihrer Widerlegung gewidmet. Der von Calvin in seiner zweiten Institutio-Ausgabe (1539) vorgegebene Rahmen einer Auseinandersetzung mit der altkirchlichen Tradition und Augustin im besonderen wird dabei von Pigge aufgenommen, begegnet nun jedoch umgekehrt als Phalanx gegen Calvin und die reformatorische Lehre. Besondere Beachtung erfährt der von Calvin für die reformatorische Position beanspruchte Kirchenvater Augustin; das ganze 3. Buch in Pigges De libero hominis arbitrio ist Augustin und seiner Freiheitslehre gewidmet 5 . Indem Pigge seinen Ausführungen insbesondere die vorpelagianischen Schriften Augustins zugrundelegt, versucht er nachzuweisen, Calvin habe Augustin bewußt falsch zitiert und überdies nicht verstanden 6 , ein Vorwurf, der das ganze Werk durchzieht. Auch die der Prädestination gewidmeten Bücher 7—10 sind von den gleichen Vorwürfen durchdrungen 7 , wenngleich Pigge in dieser Frage aber auch Teile der augustinischen Position kritisiert 8 . 2

Praed. aet., C O 8 , 2 6 6 , 9 - 1 3 . Vgl. hierzu auch unten 2.8. und 2.10. 4 A. Pighius, D e libero hominis arbitrio et divina gratia libri decern nunc primum in lucem editi, Köln (M. Novesianus) 1542. 5 Ebd., fol. 37, Tit.: „Quandoquidem unum veterum omnium Augustinum, ut certe aliquid asserentem, ita et suae sententiae plane subscribentem producunt adversarii, et existimatur etiam ab orthodoxis plerisque libertati humani arbitrii iniquior, ex libris eius universis certam, claram: sibique, et praedictis per omnia consonantem sententiam eius de übertäte arbitrii hoc libro demonstrabimur." 6 Vgl. A. Pighius, D e libero hominis arbitrio, fol. 6 7 ν und 45 v. 7 Vgl. ebd. fol. 121 v. 8 Vgl. ebd. fol. 135r und 136r. Dringend erforderlich wäre eine gründliche Untersuchung der Beschäftigung Pigges mit Augustin als auch eine Gesamtdarstellung seiner Theologie. Die neueren 3

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Bereits in seiner 1543 erstmals veröffentlichten Defensio doctrinae de Servitute humani arbitrii contra Pighium weist Calvin die gegen ihn erhobenen Vorwürfe, sich einen eigenen Augustin .erdichtet' zu haben, energisch zurück9. Den Streit mit Jerome Bolsec in Genf 1552 über die Prädestination nimmt Calvin schließlich zum Anlaß, ein zweites Mal gegen die bereits 1542 von Pighius erhobenen Vorwürfe Stellung zu beziehen. Hatte er aber 1543 die Frage des ,servum arbitrium' zentral behandelt, so stellt er nun mit seiner Schrift De aeterna Dei praedestinatione die Prädestination und ihre Legitimierung aus der Schrift und aus der Theologie Augustins in den Mittelpunkt. 1.1.2. Unsere Untersuchung wird nun in einem ersten Schritt Augustins Grundpositionen zur Lehre von der Prädestination mit ihren Charakteristika herausarbeiten. Dabei legen wir als Quellen all jene Augustintexte zugrunde, die auch dem Reformator zur Verfügung standen10, wobei die von Calvin selbst besonders geschätzten antipelagianischen Schriften sowie die Werke der späten Schaffensperiode Augustins im Vordergrund stehen müssen. Ein zweiter Schritt wird sodann - im wesentlichen ausgehend von der letzten lateinischen Fassung11 der Institutio (1559) - die Strukturen und Hauptelemente der Prädestinationslehre Calvins offenlegen und sie dann jeweils mit den entsprechenden Aussagen Augustins vergleichen.

1.2. Doctrina praedestinationis bei Augustin 1.2.1. Der Hintergrund der Fall und Erbsünde

Prädestinationslehre.

Als innerer Ansatz und notwendige dogmatische Voraussetzung für die Lehre von der Prädestination - wie Augustin sie in seiner Auseinandersetzung mit den pelagianischen Gegnern um die Gnade und im späteren Streit mit den Semipelagianern12 behandelt sowie in den Schriften seiner späten Schaffensperiode darlegt13 - erscheinen der adamitische Fall und die mit diesem verbundene Frage Arbeiten von G. Melles, Albertus Pighius en zijn strijd met Calvijn over het liberum arbitrium, Kampen 1973 und L. F. Schulze, Calvin's reply to Pighius, Potchefstroom 1971 liefern nur minimale Ansätze hierzu. 9

Vgl. Def. serv. arb., C O 6 , 3 2 5 , lOff u . ö .

Vgl. hierzu unten S. 54 Anm. 3. Zur Entwicklung der Prädestinationslehre bei Calvin vgl. unten S. 36 f sowie H . Otten, Calvins theologische Anschauung, 21 und P. Jacobs, Prädestination, 64. 10 11

1 2 Siehe hierzu De gr. et lib. arb., P L 44, 8 8 1 - 9 1 2 ; D e corr. et gr., P L 44, 9 1 5 - 9 4 6 ; D e praed. sanct., P L / 4 4 , 9 5 9 - 9 9 2 ; De don. pers., P L 4 5 , 9 9 3 - 1 0 3 4 .

Augustin wurde durchgängig nach Migne, der bislang einzig vollständigen Augustinedition, zitiert. Bei allen textkritischen Problemen wurden die neueren Editionen, soweit vorhanden, hinzugezogen. 13

Siehe hierzu De civ. Dei, P L 4 1 , 1 3 - 8 0 8 ; In Ev. Johann. Tr„ P L 3 5 , 1 3 7 9 - 1 9 7 5 .

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nach der Erbsünde. Beide Sachkomplexe werden Augustin in ihrer Verbindung zu den Aussagen über die Prädestination durch die von ihm zugrundegelegte paulinische Tradition vorgegeben, von ihm jedoch eigenwillig gefüllt. Sie seien hier im Uberblick kurz dargestellt. Gott schuf den Menschen gut und nach seinem Bilde 14 . Er gab ihm eine „bona voluntas" und ein „adjutorium, sine quo non in ea permanere posset, si vellet, ut autem vellet, in ejus libero reliquit arbitrio" 15 . Adam hätte also durch seinen freien Willen und mit Hilfe eines göttlichen adjutorium in seinem fehlerfreien Zustand bleiben und sich somit die,vollkommene' Seligkeit16 der heiligen Engel verdienen können 17 . Ihm eignete die Möglichkeit zum Ausharren18. Doch Adam beharrte nicht in seinem Urständ, sondern fiel und unterlag damit dem „justum judicium Dei", was einen Verlust der Gnadengabe des adjutorium und der libertas arbitrii mit sich brachte19. Dennoch läßt sich nach Augustin auch noch nach dem Fall von einem freien Willen reden, wenn auch nicht mehr im gleichen Sinne wie vor dem Fall. Mitbetroffen von diesem judicium über Adam war allerdings auch „tota sua stirps", die keimhaft in ihm angelegt war20. Damit sind nun in Adam alle Menschen Sünder geworden (Rom 5, 12) und gelten alle persönlich' als Sünder21. Alle unterliegen damit auch dem göttlichen Gericht, dem Zorn Gottes und seiner Verdammung22. Sie sind alle „massa damnata"23 - „peccati" 24 „massa perditionis" 25 und als solche unfähig zum Heil 26 : „Sunt igitur omnes homines... una quaedam massa peccati, supplicium debens divinae summaeque justitiae, quod sive exigatur, sive donetur, nulla est iniquitas."27 Befragt man nun Augustin daraufhin, worin der Grund der Sünde liege, so verweist er einerseits auf Adams superbia und seine urständliche voluntas28. Bemerkenswert ist andererseits, daß er dem Sündenfall Adams in einigen Schriften den Engelsturz bei- bzw. vorordnet29. Das Phänomen des Sündenfalls erhält Vgl. De nat. et gr. 46, 54, PL 4 4 , 2 7 3 , 2 6 - 2 8 . De corr. et gr. 11,32, PL 4 4 , 9 3 5 , 3 6 - 3 8 . 1 6 Auch im Urständ hatte er diese nicht! 17 Vgl. De corr. et gr. 10,28, P L 4 4 , 9 3 3 , 2 4 - 2 9 . '« Vgl. De corr. et gr. 10,32, PL 4 4 , 9 3 5 , 3 4 ff; u. ö. 1 9 Vgl. De corr. et gr. 10,28, PL 4 4 , 9 3 3 , 2 1 ff. 2 0 Ebd. PL 4 4 , 9 3 3 , 3 5 . 2 1 Vgl. De pecc. mer. et rem. I, 9 , 1 0 , P L 4 4 , 1 1 4 , 4 1 - 1 1 5 , 2 4 ; ebd. III, 7,14, P L 4 4 , 1 9 4 , 2 1 ff; C. Jul. VI, 24, 75, PL 44, 8 6 8 , 2 5 - 8 6 9 , 3 ; C.Jul, imperf. II, 47ff, PL 45,1161 ff. 2 2 Vgl. Ench. 33, P L 4 0 , 2 4 8 f. 2 3 De civ. Dei XIV, 26, PL 4 1 , 4 3 5 , 9 f ; Ench. 27, PL 4 0 , 2 4 5 , 2 4 . 2 4 Epist. 194,14, P L 33, 8 7 9 , 1 8 ; Quaest. Simpl. 1 , 2 , 1 6 , PL 4 0 , 1 2 1 , 7. 2 5 De corr. et gr. 7,12, PL 4 4 , 9 2 3 , 4 7 ; De don. pers. 14,35, P L 4 5 , 1 0 1 4 , 1 1 . 2 0 . 2 6 Vgl. z.B. De don. pers. 7,13, P L 45,1001, lOff. 2 7 Quaest. Simpl. 1,2,16, PL 4 0 , 1 2 1 , 3 - 9 . Vgl. auch Epist. 194,14, P L 3 3 , 8 7 9 , 1 8 ; In Ev. Johann. Tr. 109,2, P L 3 5 , 1 9 1 8 , 2 3 f. 2 8 Vgl. In Ev. Johann. Tr. 2 5 , 1 6 , PL 3 5 , 1 6 0 4 , 1 1 ff. 2 9 So etwa in De civ. Dei; Ench. und De corr. et gr. 14 15

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damit eine eigentümlich prähistorische Komponente. Am eindrucksvollsten widmet er sich diesen Gedanken in De civitate Dei: Noch vor dem Fall Adams fiel unter ihrem Anführer, dem diabolus, eine bestimmte Anzahl von Engeln in freiem Willen und aus Hochmut30, und wurde verdammt; explizit einander beigeordnet hat er beide Fälle in De correptione et gratia31 und im Enchiridion32, wenngleich er auch hier beides nicht in der Form einer kausalen Abhängigkeit verknüpft. Überdies sei in diesem Zusammenhang darauf hingewiesen, daß Augustin, der neuplatonischen Definition von Materie als aus dem Nihil geschaffen, entsprechend betont, die Sünde sei im Untergrund der Schöpfung, also im Nihil, entstanden33. Die Möglichkeit des Bösen überhaupt sei mit der allgemeinen Veränderlichkeit der Natur gegeben34. Dementsprechend bezeichnet er das Böse als „privatio boni", den diesem Bösen entsprechenden sündhaften Willen als „defectio" und somit als mit keinem Eigensein ausgestattet35. Daher gebührt der gesamten Menschheit seit Adam nun Strafe und Verdammung36, und niemand könnte sich über Ungerechtigkeit beklagen, würde kein Mensch gerettet und trügen alle ihren gebührenden Lohn davon37. Gleichwohl wäre dieser Zustand nach Augustin doch unerträglich, denn: „si omnes remanerent in poenis, justae damnationis in nullo appareret misericors gratia redimentis: rursum, si omnes a tenebris transferrentur ad lucem, in nullo appareret severitas [veritas varia lectio] ultionis"38. An Paulus orientiert betont Augustin, daß kein menschliches Verdienst und keine guten Werke Anspruch auf Rettung aus dieser massa damnata begründen, sondern ausschließlich Gottes erbarmende Gnade in Christus den Menschen vor dem sicheren Untergang retten könnte39. Es war nach Augustin somit Gottes Wille, nicht alle verloren gehen zu lassen, sondern der Offenbarung seiner Gnade entsprechend einige Menschen zu retten, um damit die Zahl der gefallenen Engel zu ersetzen40. Es ist bemerkenswert, auch an dieser Stelle die Engelsgemeinschaft mit der Menschengemeinschaft wiederum direkt in Verbindung gebracht zu sehen. Vgl. De civ. Dei XI, 17, PL 41,331 f; ebd. XII, 6, P L 41, 353 f. Vgl. De corr. et gr. 10,27.28, PL 4 4 , 9 3 2 , 3 3 - 9 3 3 , 4 4 . 32 Vgl. Ench. 23, PL 4 0 , 2 4 4 , 3 1 ; ebd. 100, P L 4 0 , 2 7 9 3 3 Vgl. De div. quaest. 6 8 , 2 , P L 40, 71 und bereits früher De lib. arb. 2 , 2 0 , 54, P L 32,1270, 16: „omnis autem defectus ex nihilo est". 3 4 Vgl. De civ. Dei X X I I , 2, PL 41, 753. 3 5 De civ. Dei XII, 7, P L 4 1 , 3 5 5 , 2 1 . 2 9 . 3 6 Vgl. Serm. 26,18, P L 38, 177. 3 7 Vgl. Ench. 99, PL 4 0 , 2 7 8 ; De corr. et gr. 10,28, PL 4 4 , 9 3 3 , 2 1 ff; De praed. sanct. 8,16, P L 44, 972 f. 3 8 De civ. Dei X X I , 12, PL 41, 7 2 7 , 1 4 - 1 7 . 3 9 Vgl. Ench. 99, PL 40,278, lOff; Serm. 293, 8, PL 3 8 , 1 3 3 3 , 1 6 - 3 4 und v. a. C. Jul. VI, 7,19 und 17, 51, PL 44, 834 und 852 f. 4 0 Vgl. Ench. 29, PL 4 0 , 2 4 6 , 1 6 ff. 30 31

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Gleichwohl werden nicht alle seiner erbarmenden Gnade teilhaftig 41 . Fragt man nach dem Grund, verweist Augustin auf Gottes „inscrutabilia judicia" 4 2 . Den Gegnern, die den menschlichen Willen hingegen dafür verantwortlich zu machen gedenken, hält er mit Bestimmtheit vor: „Nos autem dicimus, gratia vel praedestinatione divina" 43 . Und auch hier legt Augustin besonderen Wert darauf, sich in Einklang mit Paulus und der Heiligen Schrift zu wissen, die er diesbezüglich wiederholt anführt. Zusammenfassend läßt sich also vorläufig feststellen: Augustin verhandelt die Frage nach Gottes ewigem Ratschluß und seiner Prädestination im engen Kontext seiner Ausführungen über die Gnade und seiner Äußerungen zum Fall des Menschen, der die unabdingbare Voraussetzung für die Prädestinationsaussagen zu bilden scheint. Darüber hinaus bleibt festzustellen, daß er die Prädestinationslehre nicht apriorisch deduziert, sondern offenbar an sie gerät durch „exegetische und systematische Nötigung" 4 4 und sie einbindet in das Frömmigkeitsleben seiner Zeit. Zu eruieren ist nunmehr, welches die Spezifika dieser Lehre sind; dabei werden am Rande die Ausführungen zu Fall und Gnade mitzubedenken bleiben.

1.2.2. Darstellung der Prädestinationslehre 1.2.2.1. Praescientia, praedestinatio, Providentia 1. Untersucht man die Begrifflichkeit der Prädestinationsaussagen Augustins, so präsentieren sich dem Leser zwei ähnliche Gott zugeschriebene Termini, die in ihrer Zuordnung zueinander auch im Rahmen der Augustininterpretation immer wieder Anlaß zu in der Tradition folgenschweren Mißverständnissen gegeben haben,,praescientia' und ,praedestinatio'. Schon Augustin selbst war genötigt, sich wiederholt mit Mißdeutungen dieser Begriffe auseinanderzusetzen, am eindrucksvollsten sicherlich im Streit mit den Pelagianern 45 . Überdies läßt sich in seinen diesbezüglichen Äußerungen selbst ein deutlicher Wandel nachzeichnen. So weist er seine Leser in D e praedestinatione sanctorum darauf hin, er habe früher angenommen, Gott habe in seinem Vorauswissen den Glauben des Menschen erwählt: „ut quem sibi crediturum esse praescivit, ipsum elegerit cui Spiritum sanctum daret" 4 6 . Seinen früheren

Vgl. De praed. sanct. 6 , 1 1 und 8 , 1 3 f, P L 4 4 , 9 6 9 und 971. De praed. sanct. 8 , 1 6 , P L 4 4 , 9 7 3 , 1 ; De don. pers. 8 , 1 8 , P L 4 5 , 1 0 0 3 , 2 6 ; s. a. Rom 1 1 , 3 3 . 4 3 De praed. sanct. 1 0 , 1 9 , P L 4 4 , 9 7 4 , 52 f. 4 4 H . Diem, Augustins Interesse, 364. 4 5 Wir verzichten hier bewußt auf eine Darstellung der ciceronischen Position (vgl. dazu De civ. Dei V, 9), da sie in unserem Zusammenhang nicht weiterzuhelfen vermag. 41

42

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De praed. sanct. 3, 7, P L 4 4 , 9 6 4 , 4 3 f.

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Standpunkt qualifiziert er aber deutlich, wenn er schreibt: „ N o n d u m diligentius quaesiveram nec ad hue inveneram, qualis sit electio gratiae" 4 7 . Mit gleicher Bestimmtheit wehrt er die pelagianische Position ab, nach der Gott als Söhne vorherbestimme, von denen er vorauswußte, daß sie heilig sein würden 4 8 . Was unterscheidet dann aber praescientia von praedestinatio? Wiederum sei Augustins eigene Unterscheidung zitiert: „praedestinatio est, quae sine praescientia non potest esse: potest autem esse sine praedestinatione praescientia. Praedestinatione quippe Deus ea praeseivit, quae fuerat ipse facturus... Praescire autem potens est etiam quae ipse non facit." 4 9 Versuchen wir bereits eine vorläufige Definition, so können wir als Präscienz bei Augustin einen theoretischen Akt göttlichen Verstandes bezeichnen 50 . Offenbar erschöpft sich darin jedoch nicht die ganze Bedeutung, denn Augustin kann beide Termini, Präscienz und Prädestination auch als nahezu identisch bezeichnen 51 . Eine präzisere Eingrenzung des Begriffs der praedestinatio vermag diese Schwierigkeit zu beheben. Augustin definiert: „Haec est praedestinatio sanctorum, nihil aliud: praescientia scilicet, et praeparatio beneficiorum Dei, quibus certissime liberantur, quicumque liberantur" 5 2 oder sie sei schlicht „praeparatio gratiae" 5 3 . Diese Gottes praedestinatio geschehe vor Grundlegung der Welt 54 . Danach scheint also die Gnade ein Effekt der Prädestination zu sein, die Prädestination selbst ein vor aller Zeit beschlossenes aktives Handeln Gottes zu bezeichnen 55 . In diesem Zusammenhang wird nun der Satz verständlich: „Praescire autem potens est etiam quae ipse non facit". Damit ergäbe sich folgendes Bild: Praescientia und praedestinatio sind eng miteinander verknüpft und aufeinander hingeordnet. Beide sind nach Augustin Merkmale Gottes, gleichwohl sind beide von unterschiedlicher Wertigkeit. Die praedestinatio ist gekennzeichnet von Gottes unumschränktem Handlungswillen56, wohingegen sich praescientia auf G o t t e s , Verstandesleben'57 zu beziehen scheint und somit durchaus nicht immer mit Gottes ,facere' verbunden wird. Damit weist Augustin beiden Begriffen verschiedene Bereiche zu. In seiner praescientia sieht Gott voraus, was immer und zu aller Zeit getan wird, so auch

Ebd., P L 4 4 , 9 6 4 , 4 5 - 4 7 . Vgl. ebd. 18,36, P L 44,987, 9 f. 4 9 Ebd. 10,19, P L 4 4 , 9 7 5 , 3 - 9 ; vgl. auch D e don. pers. 18, P L 4 5 , 1 0 2 2 , 2 1 ff. 5 0 Vgl. hierzu auch H . Barth, Die Freiheit, 158 f. 5 1 Vgl. etwa D e don. pers. 18 und 19,48, P L 45,1022 f. 5 2 Ebd. 14,35, P L 4 5 , 1 0 1 4 , 8 - 1 1 . 5 3 D e p r a e d . sanet. 10,19, P L 4 4 , 9 7 4 , 5 5 . 5 4 Ebd. 17,34, P L 44,986, 3. 5 5 Siehe hierzu A. D . R. Polman, D e praedestinatieleer, 123. 5 6 Vgl. Ench. 102 und 103, P L 4 0 , 2 7 9 f ; C . J u l . IV, 46, P L 44, 761. 5 7 Vgl. H . Barth, Die Freiheit, 158f; A. D . R. Polman, D e praedestinatieleer, 111 weist zu Recht darauf hin, daß somit,praescientia' ein zutiefst anthropomorpher Begriff sei. 47

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das Böse 58 , das nach Augustin allerdings nie von Gott verursacht wird. Mit seiner praedestinatio hingegen beschränkt er sich auf sein Handeln zum Heil 59 . Fragt man nach dem inneren Grund für den göttlichen Akt der Prädestination, verweist Augustin auf Gottes voluntas 60 sowie auf das ausführende Organ seiner voluntas, das „consilium" oder „propositum" 61 , worin sein Wissen und Wollen in vollkommener Harmonie zusammen sind. 2. An dieser Stelle ist nun noch kurz vom Begriff der Providentia Dei zu sprechen. Auch sie basiert auf Gottes Willen und seinem consilium. Beschreibt aber die praescientia Gottes ,Verstandesleben', wonach er von Ewigkeit her weiß, was dereinst sein wird, die praedestinatio Gottes tätigen Willen zum Heil, so bezeichnet die Providentia den Ordnungswillen62, womit Gott Universum und Menschheit ordnet, lenkt und erhält: „Ergo Dei Providentia regens atque administrans universam creaturam, et naturas et voluntates, naturas ut sint, voluntates autem ut nec infructuosae bonae nec impunitae malae sint" 63 . Dennoch ist es u. E. bei Augustin nicht möglich, eine klare Rangfolge zwischen den drei Termini herzustellen und ihre Abhängigkeit untereinander eindeutig zu definieren64.

1.2.2.2.

Praedestinatio

gemina

f

Ebenfalls keineswegs eindeutig ist die materiale Deutung der Prädestination beim Kirchenvater. Folgendes scheint festzustehen: Ein Teil der Engel ist gefallen und die gesamte Menschheit ist in Adam massa damnata. Gott will aber die Zahl der gefallenen Engel mit Menschen auffüllen. Dies tut er „gratia vel praedestinatione". Gott erwählt aus dieser massa „ante mundi constitutionem" einen Teil zur Herrlichkeit 65 . An dieser Stelle nun ist angesichts der augustinischen Gleichung „praedestinatio est praeparatio gratiae" in der Forschung immer wieder die Frage aufgeworfen worden, ob Augustin zufolge Gottes vorherbestimmendes Handeln sich auf den Akt zum Heil beschränke oder etwa auch eine aktive Verwerfung einschlösse. So schreibt etwa O. Rottmanner: „Streng genommen gibt es keine eigene (directe) reprobatio" 66 , ebensowenig lassen etwa H. Diem 67 und R. 58 Vgl. Ench. 104, P L 4 0 , 2 8 1 , 2 7 f . 5 9 Vgl. hierzu auch H . G. Geyer, D i e Rolle der Prädestinationslehre, 177. 6° Vgl. D e praed. sanct. 18,37, P L 4 4 , 9 8 8 , 1 - 2 0 . 6 1 Vgl. ebd. 6 2 Vgl. A. D . R. Polman, D e praedestinatieleer, 111. 63 D e gen. ad litt. VIII, 23,44, P L 3 4 , 3 9 0 , 1 2 - 1 5 . Siehe hierzu auch ebd. V, 21,42, P L 3 4 , 3 5 5 ; D e ord. 1 , 5 , 1 2 f f , P L 3 2 , 9 8 4 ; ebd. II, 4 , 1 1 ff, P L 3 2 , 9 9 9 f ; D e üb. arb. III, 9 , 2 5 , P L 32,1283. 6 4 Der gelegentlich hier vorgenommene Hinweis auf R o m 8 , 2 9 vermag das Problem keineswegs zu lösen, wie etwa noch F. L o o f s , Leitfaden, 308 meinte. « D e praed. sanct. 17, 34, P L 4 4 , 9 8 6 , 3 f. 6 6 O . Rottmanner, Der Augustinismus, 17. 6 7 Vgl. H . Diem, Augustins Interesse, 367ff.

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Bernard 68 ein direktes Handeln Gottes zur Verwerfung bei Augustin gelten. Demgegenüber betonen etwa A. D. R. Polman 69 und J. Gross 70 eindringlich, Augustin habe durchaus eine positive reprobatio gelehrt. Befragen wir nun die Augustintexte selbst, so sei als Anfangsthese ein Satz aus dem Enchiridion zitiert: „ex eadem massa perditionis, quae de illius Stirpe profluxit, facit aliud vas in honorem, aliud in contumeliam" 71 . Deutlicher noch wird Augustin in seinem Johanneskommentar 72 , in De anima et ejus origine 73 sowie in De civitate Dei 74 , wo er klar von einer „praedestinatio ad mortem" spricht. Unmißverständlich wehrt er die Vorstellung ab, als wolle Gott die Seligkeit aller Menschen 75 . Dennoch wäre es verfehlt, wollten wir für Augustin nun vereinfachend eine doppelte Prädestination reklamieren. Nur zu oft verwendet er etwa beim Gedanken der Verwerfung charakteristische Verben wie: „praeterire, relinquere, non eligere" und „non praedestinare" 76 und betont, die Verwerfung sei Gegenstand von Gottes praescientia77. Damit möchte Augustin offenbar die Haltung Gottes den Verworfenen gegenüber als rein negativ und passiv beschreiben, verweist er doch mehrmals auf Adams Schuld am Falle und demgegenüber fast axiomatisch auf die grenzenlose Gerechtigkeit Gottes 78 , die quasi ein Reagieren auf den adamitischen Fall darstelle. Festzustellen ist also trotz anderer Aussagen eine deutliche Scheu Augustins, bezüglich der reprobatio Gott in eindeutiger Weise in Anspruch zu nehmen. Ganz anders verhält es sich mit seiner Argumentation zum prädestinatianischen Heilshandeln Gottes, der electio. Hier läßt er nicht nach, einzig und allein dem Willen Gottes und seiner Gnade jegliche Aktivität und Verantwortung zukommen zu lassen 79 ; „Electi sunt itaque ante mundi constitutionem ea praedestinatione, in qua Deus sua futura facta praescivit" 80 . Darüber hinaus betont er auf charakteristische Weise die Verbindung der menschlichen electio durch Gott mit der des Erstlings der Erwählung: Christus. Orientiert an Eph 1, 3ff

Vgl. R. Bernard, La predestination, 58. Vgl. A. D. R. Polman, De praedestinatieleer, 152 und 157. 7 0 Vgl. J. Gross, Geschichte des Erbsündendogmas, 1,363. 7 1 Ench. 107, PL 4 0 , 2 8 2 , 4 3 - 4 5 . 7 2 Vgl. InEv.Johann. Tr. 43,13, PL 3 5 , 1 7 1 1 , 1 5 f ; ebd. 48,4, PL 35,1742; ebd. 107,7, PL 35,1914; ebd. 112,2, P L 35,1930. 7 3 De anim. IV, 11,16, PL 4 4 , 5 3 3 , 5 5 : „et illis quos praedestinavit ad aeternam mortem". 7 4 De civ. Dei XV, 1,2, P L 4 1 , 4 3 8 , 1 ff; ebd. X X I I , 2 4 , 5 , P L 41, 792,27ff. 7 5 Vgl. Ench. 103, PL 4 0 , 2 8 0 , 1 3 f : „certum sit nobis non omnes homines salvos fieri"; De corr. et gr. 14,44, PL 44,943. 7 6 Vgl. De don. pers. 9 , 2 1 , PL 4 5 , 1 0 0 4 ; De gr. et üb. arb. 42 und 45, PL 4 4 , 9 0 8 und 910; De corr. etgr. 10,27, PL 44,932. 7 7 Vgl. Epist. 149,21, PL 33,639; Epist. 140,48, PL 33,558; In Ev. Johann. Tr. 14,8, PL 35, 1507. 7 8 Vgl. De gr. et üb. arb. 2 1 , 4 3 , PL 44,909. 7 9 Vgl. De praed. sanct. 6 , 1 1 , PL 44,969. 8 0 Ebd. 17,34, PL 4 4 , 9 8 6 , 2 - 4 . 68 69

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formuliert er: „Elegit Deus in Christo ante constitutionem mundi membra ejus" 8 1 und „sicut ergo praedestinatus est ille unus, ut caput nostrum esset: ita multi praedestinati sumus, ut membra ejus essemus" 8 2 . Diese enge christologische Beziehung erlaubt es, Augustins Prädestinationslehre geradezu als Bollwerk der Soteriologie zu bezeichnen 8 3 ; wenig verständlich hingegen erscheint auf diesem Hintergrund immer noch der Vorwurf von Harnacks, Christus werde in Augustins Prädestinationslehre neutralisiert 84 . An vielen Stellen der augustinischen Ausführungen scheint durch, daß das eigentliche Interesse Augustins an Gottes vorzeitlichem Handeln eben diesem prädestinatianischen Gnadenhandeln in Christus gilt 85 . Von hieraus sind wir nun jedoch genötigt, einen Schritt weiterzufragen. Wie wir sahen, kennt Augustin eine doppelte Prädestination, ja sogar eine - wenn auch stark abgeschwächte - aktive reprobatio. Undeutlich ist allerdings noch die Zuordnung des freien adamitischen Falls und des göttlichen Vorherbestimmungshandelns.

1.2.2.3. Infralapsarismus - Supralapsarismus. Das Verhältnis von Sündenfall und Gottes Willen Wie bereits erwähnt, hatte Augustin betont, daß Adam gut erschaffen wurde, ausgestattet mit einer ,bona voluntas' und einem ,adjutorium' 8 6 . Doch Adam wollte nicht in diesem seinem Urstande beharren, sondern fiel kraft seines Willens und Hochmuts 8 7 . Obwohl Augustin von dieser eindeutigen Aussage nie abgewichen ist, gibt es daneben doch auch Äußerungen, die deutlich machen, daß der Fall nicht gegen den direkten Willen Gottes geschah. Dennoch ist diesen Äußerungen nicht zu viel Gewicht beizumessen. Augustin sucht dadurch der Gefahr eines theoretischen Dualismus von Gottes Willen und Adams freiem Willen zu begegnen. So schreibt er: „Sic ordinasse Angelorum et hominum vitam, ut in ea prius ostenderit quid posset eorum liberum arbitrium, deinde quid posset suae gratiae beneficium justitiaeque judicium." 8 8 Eine ganz ähnliche 81

Ebd. 18, 35, P L 4 4 , 9 8 6 , 4 6 f .

Ebd. 1 5 , 3 1 , P L 44, 983, 8 - 1 0 ; siehe auch D e don. pers. 9 , 2 1 , P L 4 4 , 1 0 0 4 ; ebd. 2 4 , 6 7 , P L 44, 1033; D e corr. et gr. 7 , 1 3 , P L 4 4 , 9 2 4 . 82

83

Vgl. G. Nygren, Das Prädestinationsproblem, 2 7 5 ; siehe auch De don. pers. 21, 54, P L 45,

1027. 8 4 Vgl. A. v. Harnack, Dogmengeschichte III, 217. Die massive Kritik, die an der augustinischen Prädestinationslehre geübt wurde, erscheint auf diesem Hintergrund deutlich überzogen. Vgl. etwa die Kritik J. Burnabys, Gnade und Freiheit, 4 4 7 und D. Ritschis, Die Last, 477. 8 5 Dies sieht H . G. Geyer, Zur Rolle der Prädestinationslehre, 178 richtig, wenn er schreibt: Augustins Prädestinationsdogma steht „im allgemeinen Rahmen einer Lehre von der Omnipotenz des guten Willens Gottes". 86

Vgl. De corr. et gr. 1 1 , 3 2 , P L 4 4 , 9 3 5 .

87

Vgl. ebd. 1 1 , 3 1 und 32, P L 4 4 , 9 3 5 . Siehe hierzu a u c h G . Nygren, Das Prädestinationsproblem,

74. 88

D e corr. et gr. 1 0 , 2 7 , P L 4 4 , 9 3 2 , 3 9 - 4 2 .

Doctrina praedestinationis bei Augustin

29

Richtung beschreibt sodann auch folgende Aussage: „ut cum angelica et humana creatura peccasset, id est, non quod ille, sed quod voluit ipsa fecisset, etiam per eamdem creaturae voluntatem, qua factum est quod Creator noluit, impleret ipse quod voluit" 89 . Im übrigen beschränkt Augustin sich darauf, zu betonen, Gott habe den Sündenfall zwar vorhergesehen 90 , sei aber unmöglich dessen Ursache 91 , sondern lasse gemäß seines gerechten Ratschlusses lediglich zu, daß Böses geschieht 92 . So kann der Kirchenvater hinsichtlich des adamitischen Falles sagen: „Deo quidem praesciente quid esset facturus injuste; praesciente tarnen, non ad hoc cogente" 93 . Augustin macht demnach eine deutliche Unterscheidung zwischen Zulassen und Zwang 94 . Im übrigen gilt aber, daß Adam nicht beharren wollte, „profecto ejus culpa est" 95 , was die Grundlage für ein gerechtes Gericht darstellt. Demgegenüber stehen nun Aussagen Augustins zur unbedingten Allmacht Gottes, wonach alles seinem consilium gemäß verläuft; „Nihil enim fit, nisi quod aut ipse facit, aut fieri ipse permittit." 96 Auf vielfältigste Weise unterstreicht Augustin Gottes unbedingte Souveränität 97 , und letztlich gibt es auf alle Fragen nur die eine Antwort: „Hoc vult" 98 . Bereits hier wird also eine bei Augustin nicht gelöste systematische Unstimmigkeit deutlich: einerseits die Heraushebung des absoluten Primats von Gottes voluntas und andererseits die Betonung des von Adam selbstverschuldeten Falls. - Ganz im Sinne der Gedanken zu Gottes Allmacht erscheint daher die positive prädestinatianische Aussage der electio: Augustin betont, um den menschlichen Willen und seine Möglichkeiten zu entlarven, Gottes alleiniges Heilshandeln, das bereits vor Grundlegung der Welt, also auch vor dem Fall, in Christus geschehen sei99. Hinsichtlich der electio lehrt er somit offensichtlich supralapsarisch. Wenn es jedoch um das Pendant der electio, die reprobatio, geht, so scheut Augustin sich, in gleicher Weise zu verfahren. Vielmehr setzt er hier eindeutig den Fall Adams voraus. Dieser bildet den Auslöser für Gottes Gericht und für die Verwerfung 100 . Augustin argumentiert auf der Grundlage der hier erst entstandenen massa damnata. Demnach wäre seine Prädestinationslehre hinsichtlich der reprobatio als infralapsarisch zu bezeichnen. 89

Ench. 100, PL 4 0 , 2 7 9 , 4 - 8 . De corr. et gr. 10,27, PL 44,932, 35 f: „mala ex bonis exoritura esse praescivit"; vgl. Ench. 104, PL 40,281. 91 Vgl. Ench. 23, PL 4 0 , 2 4 4 , 2 2 - 3 2 . 92 Vgl. De corr. et gr. 10,27, PL 44,932; Ench. 96, PL 40,276,14ff. 93 De corr. et gr. 12,37, PL 44, 9 3 9 , 6 - 8 . 94 Siehe hierzu G. Bavaud, La doctrine de la predestination, 433. 95 De corr. et gr. 11,32, PL 44,935,41 f. 96 De don. pers. 6,12, PL 45,1000,19f. 97 Vgl. De gr. et lib.arb. 20,41 und 21,42, PL 44,906 und 908; De corr. et gr. 14,45, PL 44,943 f. 98 Vgl. De praed. sanct. 8,16, PL 44, 972. 99 Vgl. etwa De corr. et gr. 7, 13, PL 44, 924, 16 f: „elegit eos in Filio suo, ante constitutionem mundi"; De praed. sanct. 17, 34, PL 44, 985 f. 100 Vgl. De corr. et gr. 10,28, PL 44,933,21 ff; Ench. 107, PL 40,282,43 ff. 90

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Exemplarische Verifikation der calvinischen Selbstaussage .Augustinus totus noster'

Wir halten demnach als Summe unserer Untersuchung fest: Augustins Prädestinationslehre eignen sowohl infra- als auch supralapsarische Züge. Angesichts dieses deutlich zweigestaltigen Ergebnisses erscheint es unverständlich, wie ein großer Teil der Augustinforscher ein zumindest einseitiges und undifferenziertes Urteil formulieren kann, dem oft genug eine pauschalisierende Systematik zugrundeliegt101. Eine ausgewogenere Position vertreten allenfalls G. Bavaud102 und H. Diem 103 . Letzterer würdigt - soweit wir sehen als Einziger - die oben beschriebene Zweigestaltigkeit augustinischer Prädestinationslehre. 1.2.2.4. Die Durchführung desprädestinatianischen Willens in Zeit und Geschichte 1.2.2.4.1. Erwägungen zum Zeitverständnis Augustins Auch wenn innerhalb der Ausführungen des Kirchenvaters zur Prädestination eine Unterscheidung zwischen infra- und supralapsarischen Elementen gemacht werden muß, so bleibt doch festzustellen, daß beide Akte, electio und reprobatio, vor dem eigentlichen Dasein der Dinge selbst von Gott gewußt und gewollt werden. Augustin verdeutlicht dies auf verschiedene Weise104. Gleichwohl beschränkt er sich nicht darauf, bei den Überlegungen zu diesem ,Prae' Gottes zu verharren, sondern er legt klar, daß Gott das, was er bei sich beschloß, auch in der Zeit zur Anwendung kommen lassen will, „Electi sunt itaque ante mundi constitutionem ea praedestinatione, in qua Deus sua futura facta praescivit, electi sunt autem de mundo ea vocatione, qua Deus id quod praedestinavit, implevit."105 Oder wie A. D. R. Polman diesen Sachverhalt bei Augustin treffend formuliert: „Christus verkiest de zijnen in de tijd, maar al wat in den tijd geschiedt, heeft hij eeuwig gewild."106 Obwohl auch hier die paulinische Vorgabe unübersehbar ist, gilt es nun auch in Rechnung zu stellen, welches besondere Verhältnis Gott Augustin zufolge zur Zeit hat, beeinflußt doch die Vorstellung dieses Verhältnisses alle Aussagen des Kirchenvaters über praescientia und praedestinatio. Grundsätzlich gilt für Augustin: Es besteht ein fundamentaler Unterschied

1 0 1 Eine infralapsarische Prädestinationslehre bei Augustin sehen: O. Rottmanner, Der Augustinismus, 7; A. v. Harnack, Dogmengeschichte III, 216; H. Dorner, Augustinus, 231; O. Scheel, Prädestination II, 1702; Α. M. Jacquin, La predestination, 859. Vertreter der SupralapsarismusDeutung sind etwa A. D. R. Polman, De praedestinatieleer, 116ff und J. Gross, Geschichte des Erbsündendogmas, I, 363. 1 0 2 G. Bavaud, La doctrine de la predestination, 437, Anm. 33 weigert sich deshalb von ,Infraoder Supralapsarismus' bei Augustin zu sprechen. 1 0 3 Vgl. H. Diem, Augustins Interesse, 363 und 367f. 1 0 4 Vgl. De praed. sanct. 12,23 und 24, P L 4 4 , 9 7 7 f ; Ench. 98, P L 4 0 , 2 7 7 , 3 5 f f . 1 0 5 De praed. sanct. 18, 34, PL 4 4 , 9 8 6 , 2 - 5 ; siehe auch De don. pers. 18,47, PL 45,1022. 1 0 6 A. D. R. Polman, De praedestinatieleer, 130.

Doctrina praedestinationis bei Augustin

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zwischen Gottes Verhältnis zur Zeit und dem unseren107. Gott ist nach Augustin der Dimension des Zeitlichen dergestalt enthoben, daß es für ihn weder Vergangenheit noch Zukunft gibt, sondern nur ewige Gegenwart. Eine zeitliche Abfolge ist für Gott offenbar nicht existent108. So sind auch alle Dinge, noch bevor sie geschaffen wurden, in der Erkenntnis Gottes eingeschlossen109. C. Zimara, orientiert an der Untersuchung einer Interdependenz zwischen Augustin und dem Neuplatonismus, qualifiziert diesen Sachverhalt präziser: „Er spricht von einer immerwährenden Gegenwart der Dinge und Geschehnisse vor dem wissenden Gott, meint aber genaugefaßt allemal nur die unwandelbare und ewige Gegenwart der göttlichen ,rationes' dieser Dinge und Ereignisse."110 Weil für Gott in den rationes alles ewig gegenwärtig ist, kann Augustin sogar sagen, man müsse bei Gott eigentlich nicht von Vorherwissen, sondern nur von Wissen reden111. So sind also aus der Perspektive des Menschen die Prädestination und deren Durchführung zwei voneinander unterschiedene Schritte, während sie für Gott in seinem Wissen in eins zusammenfallen. Durch den Zeitaspekt erscheint unsere Interpretation somit in einem neuen Licht: Indem Augustin die Zeit theologisch relativiert, sucht er die Souveränität Gottes darzustellen und wehrt damit jeden Gedanken an ein unpersönliches fatum ab. Jedoch ergeht er sich darüber hinaus nicht in Spekulationen, sondern bleibt auch jetzt am Weg der Menschen in der Zeit interessiert112. 1.2.2.4.2. Vocatio, iustificatio, glorificatio -

donumperseverantiae

Sowohl A. D. R. Polman113 als auch H. G. Geyer114 verweisen zu Recht auf die Tatsache, daß Gottes Prädestination sich nach Augustin in zwei Schritten vollzieht. Augustin macht auf diesen Sachverhalt bereits in seiner kurzen Definition aufmerksam: „Praedestinatio est praeparatio gratiae". - Von vorne herein gilt es hier jedoch etwaigen Mißverständnissen entgegenzuwirken, wonach beides, gratia und deren praeparatio, auseinanderzureißen möglich wäre115. 1 0 7 Bereits H . Barth, Die Freiheit, 1 6 4 f weist darauf hin und zeigt, daß formal widersprüchliche Aussagen hinsichtlich der Zeitphasen bei Augustin nur vordergründig sind.

Conf. X I , 1 3 , 1 6 , P L 32, 8 1 5 , 1 7 f f . Vgl. E n . in Ps. 49, 18, P L 36, 5 7 6 f ; insbesondere 577, 1 0 - 1 2 : „Tanta est ergo notitia Dei, ut apud ipsum essent quodam ineffabili m o d o antequam creata essent". 108

109

110

C. Zimara, Die Eigenart, 389.

Vgl. Quaest. Simpl. II, 2, 2, P L 4 0 , 1 3 8 , 5 1 - 1 3 9 , 2 : „Quid est enim praescientia, nisi scientia futurorum? Quid autem futurum est Deo, qui omnia supergreditur tempora? Si enim scientia Dei res ipsas habet, non sunt ei futurae, sed praesentes; ac per hoc non iam praescientia, sed tantum scientia dici potest." 111

1 1 2 Abzulehnen ist daher die Meinung E . Kählers, Prädestination, III, 484, Augustins Prädestinationslehre entwerte letztlich die Geschichte. 113

Vgl. A . D . R. Polman, De praedestinatieleer, 125 f.

114

Vgl. H . G. Geyer, Zur Rolle der Prädestinationslehre, 180. Augustin selbst hatte die Gleichung praedestinatio est gratia eingeführt.

115

32

Exemplarische Verifikation der calvinischen Selbstaussage .Augustinus totus noster'

Eher trifft zu, was bereits A. D. R. Polman bemerkte: „deze scheiding geschiedde niet voor, maar midden in de eeuwig geziene werkelijkheid" 116 . Oder noch treffender und dem Zeitbegriff Augustins gemäßer: Obwohl für Gott immer schon geschehen, verwirklicht sich die Prädestination für den Menschen in der Zeit 117 . Diese konkrete, reale Verwirklichung beschreibt Augustin orientiert an seiner Anthropologie und an den paulinischen Texten und Begriffen 118 . Unseren Ausführungen voran sei bemerkt, daß es Augustin auch während der sukzessiven Darlegung von Gottes ewigem prädestinatianischen Willen nicht versäumt, die Zweigliedrigkeit dieses Willens als electio und reprobatio gebührend zu bedenken. So kann er einzelne Gruppen von Verworfenen namhaft machen: Etwa die, die das Evangelium nicht gehört haben, oder die, die nach Anhörung des Evangeliums nicht zu Christus kommen, oder die Kinder, die vor ihrer Taufe sterben 119 . Darüber hinaus scheut er sich in diesem Zusammenhang auch nicht, von Gottes direktem und positivem Verhärtungswillen zu sprechen 120 . Gottes prädestinatianischer Wille zum Heil setzt aus der Perspektive des menschlichen Lebenskreises ein mit der vocatio, d. h. der Berufung des Erwählten zum Glauben 1 2 1 . Sie ist „donum gratuitum" 1 2 2 und vollmächtiges Werk des Heiligen Geistes 123 , wie auch alle anderen Gnadentaten Gottes 1 2 4 . Doch bereits hier differenziert Augustin zwischen einer allgemeinen und einer speziellen Berufung und schafft damit eine theoretische Zwischeninstanz' zwischen den wahrhaft Erwählten und den Verworfenen. Die allgemeine Berufung, „non secundum propositum vocatio" 1 2 5 , umfaßt auch all jene, welche nur äußerlich und zeitweise zur Schar der Auserwählten gezählt werden können, letztlich aber den ,ceteri' zugehören. Daher wird diese vocatio auch als Argument verwendet, um den ceteri die letzte Entschuldigung zu nehmen 126 .

A. D . R. Polman, a.a.O. 131. Vgl. D e praed. sanct. 17, 34, P L 44, 986,4—6: „Electi sunt autem de mundo ea vocatione qua Deus id quod praedestinavit, implevit"; siehe auch ebd. 17, 34, P L 44, 985; und 10, 19, P L 44, 974 sowie Α. M. Jacquin a.a.O. 866. 1 1 8 Vgl. hierzu im einzelnen R o m 8. 1 1 9 Vgl. D e corr. et gr. 7,12, P L 4 4 , 9 2 3 , 3 1 ff. im Vgl. D e gr. et lib.arb. 20,41—21,43, P L 4 4 , 9 0 6 - 9 0 9 ; D e corr. et gr. 14,43, P L 4 4 , 9 4 2 ; C. Jul. V, 1 0 - 1 5 , P L 45, 1 0 3 9 - 1 0 4 6 ; D e praed. sanct. 20, 41 f, P L 44, 990f; siehe insbesondere ebd. 990, 37—39: „Agit quippe Deus quod vult in cordibus hominum, vel adjuvando, vel judicando, ut etiam per eos impleatur quod manus ejus et consilium praedestinavit fieri." 1 2 1 Vgl. D e praed. sanct. 16,32, P L 44,983, 3 1 - 5 1 . 122 Vgl. Epist. 1 9 4 , 3 , 1 2 , P L 33, 878,41 ff. 123 Vgl. D e don. pers. 2 3 , 6 4 , P L 4 5 , 1 0 3 2 , 6 f f . 1 2 4 Vgl. hierzu insbesondere D e gr. et lib. arb., P L 44, 8 8 0 - 9 1 2 . 125 Vgl. Epist. 186,7,25, P L 33,825,23 f; oder einfach,vocatio', vgl. Q u a e s t . Simpl. 1,2,13, P L 40, 118 f. 1 2 6 Vgl. D e corr. et gr. 7,16, P L 44,925. 116 117

Doctrina praedestinationis bei Augustin

33

Die spezielle Berufung, „secundum propositum vocatio" 1 2 7 , ist nurmehr auf die electi beschränkt, und so gilt: „quicumque enim electi, sine dubio etiam vocati; non autem quicumque vocati, consequenter electi" 1 2 8 . Dabei ist äußerlich nicht auszumachen, wer wirklich zu den Auserwählten gehört. Dieser Zustand hält sich auch während der zwei auf die Berufung folgenden Gnadentaten Gottes durch. - Die Berufenen werden gerechtfertigt 1 2 9 , d. h. ihre defiziente Natur wird durch den Heiligen Geist dem Prozeß der Wiederherstellung unterzogen, der sich vollzieht durch die Eingießung der Gnade 1 3 0 . Diese Rechtfertigung wird eingeleitet durch das Bad der Wiedergeburt 1 3 1 und bekräftigt durch den Glauben und das Leben in der Heiligung, bleibt aber zeit des irdischen Daseins ein unabgeschlossener Prozeß 1 3 2 . Und doch besagt all das nach Augustin noch nichts über den tatsächlichen Prädestinationszustand des Menschen. So gibt es Scheinerwählte 1 3 3 , die sich äußerlich nicht von wirklichen electi unterscheiden und dennoch dem numerus electorum nicht angehören. Auch sie sind Glieder der Kirche und an Werken der Heiligung reich. Fragt man, warum Gott der Zahl der Auserwählten auf Erden diese Verworfenen beigemengt habe, so antwortet Augustin: „Deus autem melius esse judicavit, miscere quosdam non perseveraturos certo numero sanctorum suorum; ut quibus non expedit in hujus vitae tentatione securitas, non possint esse securi." 1 3 4 Daher kann nach Augustin niemand seiner Erwählung wirklich sicher sein 1 3 5 ; Erwählungsgewißheit, etwa im reformatorischen Sinne, fehlt bei Augustin noch gänzlich 1 3 6 . Einziger Prüfstein für die Heilssicherheit ist allein das donum perseverantiae. So fragt der Kirchenvater: „Quis in aeternam vitam potuit ordinari, nisi perseverantiae d o n o ? " 1 3 7 Darunter versteht er die Gnadengabe 1 3 8 , mit der Gott es seinen Auserwählten ermöglicht, in ihrem status regenerationis zu bleiben und bis zu ihrem Tode nicht mehr herauszufallen 139 . Daher kann Augustin zufolge auch erst nach dem Tode darüber geurteilt werden, ob jemand dem numerus electo-

1 2 7 Vgl. Quaest. Simpl. I, 2 , 1 3 , P L 4 0 , 1 1 8 f auch ,vocatio congrua'; und D e corr. et gr. 7 , 1 4 , P L 44,924. 128

De corr. et gr. 7 , 1 4 , P L 4 4 , 9 2 4 , 5 2 - 5 4 .

129

Vgl. ebd. 9 , 2 3 , P L 4 4 , 9 3 0 ; D e praed. sanct. 1 7 , 3 4 , P L 4 4 , 9 8 6 .

1 3 0 Vgl. D e spir. et litt. 27,47, P L 4 4 , 2 2 9 , 3 1 f: „ H o c agit spiritus gratiae, ut imaginem Dei, in qua naturaliter facti sumus, instauret in nobis." 131

Vgl. D e don. pers. 9 , 2 1 , P L 4 5 , 1 0 0 4 , 4 8 f : „Lavacrum regenerationis"; Ench. 46, P L 4 0 , 2 5 4 f .

132

Vgl. Epist. 187, 8 , 2 9 , P L 33, 842 f.

1 3 3 Vgl. D e corr. et gr. 7, 16, P L 44, 925, 49 f: „Plane dicuntur electi a nescientibus quid futuri sint"; siehe auch D e don. pers. 9 , 2 1 , P L 4 5 , 1 0 0 4 . 134

D e don. pers. 8 , 1 9 , P L 4 5 , 1 0 0 3 , 3 8 - 4 0 .

135

Vgl. D e corr. et gr. 1 3 , 4 0 , P L 4 4 , 9 4 0 f . Vgl. auch A . D. R. Polman a.a.O. 173.

136 137

D e corr. et gr. 6 , 1 0 , P L 4 4 , 9 2 2 , 3 6 f.

138

Vgl. ebd. 8 , 1 9 , P L 4 4 , 9 2 7 .

1 3 9 Vgl. D e don. pers. 6, 10, P L 45, 999, 2 9 - 3 0 : „De illa enim perseverantia loquimur, qua perseveratur usque in finem"; siehe auch ebd. 7 , 1 4 , P L 4 5 , 1 0 0 1 .

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Exemplarische Verifikation der calvinischen Selbstaussage,Augustinus totus noster'

rum angehört 140 . Dieses donum perseverantiae steht in einer außerordentlich engen Relation zum „adjutorium gratiae, quo aliquid fit" 141 , das im Gegensatz zu der Adam verliehenen Urstandsgnade, kraft derer er die Fähigkeit hatte, nicht zu sündigen, die totale Unfähigkeit zur Sünde bewirkt und damit weit über den Urständ hinausgeht 142 . Diese beiden Gnadengaben werden nur den Auserwählten verliehen und sind untrüglicher Garant für die Unmöglichkeit des Abfalls. Denn darüber besteht nach Augustin Sicherheit: wer in diesem Leben nicht bis zum Schluß seiner Berufung gemäß lebt und an Christus hängt, kann unmöglich erwählt sein. Beide Gnadengaben sind nun auch unabdingbare Voraussetzung für den Abschluß der augustinischen Prädestinationsreihe, die glorificatio, die den Auserwählten erst mit dem Kommen Christi verliehen wird, die sie aber bereits jetzt bei Gott haben 143 . Abschließend sei bemerkt, daß Augustin offenbar ein außerordentlich großes Interesse an der Verwirklichung des prädestinatianischen Willens in der Zeit hat. Wir sehen ihn dabei orientiert an konkreten Kirchen- und Lebensfragen. Kritisch bleibt darüber hinaus jedoch festzustellen: 1. Durch sein Konzept des corpus permixtum verwehrt Augustin den Zugang zu einer im Glauben gewonnenen ernsthaften Heilsgewißheit. 2. Augustin spricht von der Verlierbarkeit der Gnade und fügt dieser Gnade daher eine zweite hinzu, das donum perseverantiae. Damit aber droht diese zweite Gnade in den Anschein eines donum superadditum zu geraten, das keine eindeutige Verbindung zur ersten Gnade hat 144 . 3. Nicht eindeutig ist überdies, in welchem Maße die Kirche für Augustin Heilsvermittlungsinstanz ist 145 und inwieweit sie lediglich eine Vorbereitungsschule für das ewige Heil darstellt 146 .

1.2.2.5.

Augustins

Interesse am liberum

arbitrium

Abschließend gilt es nun kurz, einem Seitenproblem augustinischer Prädestinationslehre Beachtung zu schenken, das das Lehrstück der Prädestination selbst noch einmal beleuchtet, wir meinen seine Stellung zum liberum arbitrium. Bis in die späten Schriften hinein stellen wir in dieser Frage bei Augustin immer wieder zwei sich scheinbar widersprechende und gegenläufige Aussagen fest. Wie wir sahen, hat der freie und souveräne Wille Gottes in Augustins theologischem Denken absoluten Primat, und doch bekräftigt Augustin mit gleicher 140 Vgl e b(J. 13 ; 33 ; PL 45, 1012, 46—49: „Ad quam vocationem pertinere nullus est h o m o ab hominibus certa asseveratione dicendus, nisi cum de hoc saeculo exierit". 141 142 143 144 145 146

De corr. et gr. 12,33f, PL 44,936f. Sie konnte nur deshalb eine größere Gnade sein, weil sie durch Christus gewirkt wurde. Vgl. D e corr. et gr. 9,23, P L 44, 930. Dies bemerkt bereits richtig H . Bavinck, Gereformeerde Dogmatik IV, 290. Vgl. hierzu auch B. H a m m , Unmittelbarkeit des göttlichen Gnadenwirkens, 409—441. Vgl. auch H . Reuter, Augustinische Studien, 82. 88.

Doctrina praedestinationis bei Augustin

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Sicherheit den eigenen Willen des Menschen. So schreibt er: „Revelavit autem nobis per scripturas suas sanctas, esse in homine liberum voluntatis arbitrium." 1 4 7 Wenn es allerdings um gute Werke und den Willen des Menschen zum Guten geht, werden nach Augustin Vermögen und Wille des Menschen vom Herrn selbst bereitet und geschenkt 1 4 8 . Und doch wird auch hier der freie Wille des Menschen nicht außer Funktion gesetzt, „ut quid enim eos rogat, si gratiam sie suseeperunt, ut propriam perderent voluntatem?" 1 4 9 Denn „immo utrumque verum est, quia et sua voluntate venerunt, et tarnen Spiritum eorum Dominus suscitavit." 1 5 0 Dieses bei Augustin letztlich nicht geklärte Verhältnis von voluntas Dei und voluntas hominis erlaubt es, mit G. Nygren festzustellen: „Das Prädestinationsproblem der augustinischen Theologie mündet somit in eine klare Paradoxie aus." 1 5 1 Sucht man nach einer Erklärung dafür, ist darauf hinzuweisen, daß Augustin trotz seiner antipelagianischen Gnadenlehre die vulgärkatholische Auffassung vom meritum nie wirklich aufgegeben hat, eine Zweigliedrigkeit, die wir auch in anderen Bereichen seiner Theologie beobachten können. So lesen wir etwa in D e gratia et libero arbitrio: „Quando enim volens facit, tunc dicendum est opus bonum, tunc speranda est boni operis merces ab eo, de quo dictum est, ,Qui reddet unicuique secundum opera sua'." 1 5 2 In diesem Zusammenhang bleibt auch der Gedanke vom Gericht für Augustin unerläßlich 1 5 3 . Abschließend bleibt daher zu fragen, ob nicht Augustin schon durch seine vom meritum-Gedanken bestimmte Fassung des liberum arbitrium Weichen für den theologiegeschichtlich folgenschweren Gedanken der ,cooperatio hominis cum D e o ' gestellt hat 1 5 4 , der in der Tendenz dann allerdings eine Pervertierung des Prädestinationsgedankens miteinschließt.

147 148 149 150 151

153 154

De gr. et üb. arb. 2 , 2 , PL 44, 882, 7 - 9 . Vgl. Ench. 32, PL 4 0 , 2 4 8 ; De gr. et. üb. arb. 5,11, P L 44, 888; ebd. 21,43, P L 44,909. De gr. et üb. arb. 5 , 1 2 , PL 44, 889,2 f; siehe auch ebd. 16,32, PL 44, 900. Ebd. 2 1 , 4 2 , PL 44, 9 0 7 , 5 4 - 5 6 ; siehe auch De praed. sanet. 3, 7, PL 44, 964f. G. Nygren, Das Prädestinationsproblem, 86. De gr. et üb. arb. 2 , 4 , P L 4 4 , 8 8 4 , 2 9 - 3 2 ; vgl. auch ebd. 2 , 2 , PL 44,882 und 4 , 6 , PL 4 4 , 8 8 5 . Vgl. ebd. 8,20, P L 44, 893; De corr. et gr. 13,41, P L 44,941. Vgl. hierzu auch E. Wolf, Erwählungslehre, 74.

36

Exemplarische Verifikation der calvinischen Selbstaussage .Augustinus totus noster'

1.3. Doctrina praedestinationis bei Calvin. Calvins Prädestinationslehre auf dem augustinischen Prüfstand 1.3.1. Einordnung

der

Prädestinationslehre

Fragen wir nunmehr nach der Einordnung calvinischer Prädestinationslehre, ist daran zu erinnern, daß dieser Lehrkomplex im dogmatischen Werk Calvins mehrere Stadien durchlaufen hat. Innerhalb des Aufbaus der Institutio von 1536 stellt er noch keinen eigenen locus dar, sondern tritt als erster Teil der Lehre von der Kirche auf 1 5 5 . Im französischen Katechismus von 1537 findet sich die Prädestinationslehre als eigenständiger Lehrkomplex zwischen der Gesetzeslehre und der Soteriologie 156 und wird hier direkt mit der Frucht, die aus dem Hören der Predigt erwächst, in Verbindung gebracht. Ab 1539 tritt sie hinter die Soteriologie 157 . Obwohl Calvins Prädestinationslehre seit 1539 voll ausgebildet ist, sehen wir einmal von Zusätzen und verdeutlichenden Passagen ab, die auf die theologischen Auseinandersetzungen um dieses Lehrstück zurückzuführen sind, erfährt der Gesamtaufbau in der letzten lateinischen Institutio-Ausgabe von 1559 noch einmal einige Änderungen. Erstmals werden nun Providenzlehre und Prädestinationslehre nicht mehr unmittelbar nacheinander behandelt. Vielmehr wird die Providenzlehre der Gotteslehre zugeordnet; die Prädestinationslehre findet sich aber in den Kapiteln 21 bis 23 des dritten Buches, das die Soteriologie behandelt. Somit hält sich, wie wir sahen, äußerlich bereits ab 1539 durch, daß Calvin wie Augustin die Frage des göttlichen Ratschlusses und der Prädestination in engem Zusammenhang seiner Ausführungen über die Gnade behandelt. Aber auch Ausgangspunkt und Legitimation dieser Lehre meint Calvin wie Augustin den Schriften des Alten und Neuen Testaments entnehmen zu müssen 158 . Weiterhin nennt der Reformator wiederholt zu Anfang seiner Ausführungen die praktische Erfahrung als einen bedeutenden Grund, der zur Formulierung einer Prädestinationslehre beitrage; insbesondere ab 1537 ist dies besonders stark zu beobachten. So liegen Mißerfolg und Erfolg der Predigt für Calvin in der göttlichen Prädestination begründet 159 . Auch bei Augustin trafen wir auf diesen Gedanken, doch nahm er bei ihm eher den Platz einer beiläufigen Begründung ein 160 , während Calvin damit seine Darlegung einleitet. Darüber hinaus ist wie bei Augustin auch bei Calvin der Fall Adams ein systematisch unverzichtbarer Bestandteil innerhalb der Prädestinationslehre. So wurde Vgl. Inst. (1536), O S 1,86 ff. 156 Vgl. Instruction et conf., C O 2 2 , 4 6 f . 1 5 7 Vgl. Inst. (1539), C O 1, 861 ff. iss Siehe hierzu O S IV, 368 f und 383 f. 159 Vgl. Inst. III, 2 1 , 1 , O S IV, 368,33 ff. 160 Vgl. oben S. 32 f. 155

Calvins Prädestinationslehre auf dem augustinischen Prüfstand

37

Adam gut erschaffen, doch fiel er durch eigene Bosheit und verdarb damit die Natur der gesamten Menschheit161. Daher ist wie bei Augustin jeder Mensch an sich in Adam verderbte Masse, aufgrund dessen schon immer als eigentlich Verworfener zu denken162 und damit unfähig, sich selbst Heil und Rettung zu erwerben. Anders als Augustin spricht der Reformator aber nicht von einem ,adjutorium sine quo non', das dem Menschen im Urstande eignete. Darüber hinaus macht er den Ursprung der Sünde weniger von der superbia abhängig wie Augustin als vielmehr von der infidelitas, woraus dann erst Anmaßung, Ungehorsam und Hochmut hervorgehen163. Ja, auch in der Qualifizierung des Bösen unterscheidet er sich deutlich vom Kirchenvater. War für diesen das Böse ,privatio boni', der böse Wille des Menschen ,defectio', so schreibt Calvin dagegen: „Non enim natura nostra boni tantum inops et vacua est: sed malorum omnium adeo fertilis et ferax, ut otiosa esse non possit"164 und J. Cadier folgert zu Recht: „Pour Calvin... le mal est une realite positive, le peche est une inimitie contre Dieu, une revoke, une offense, qui merite condamnation"165. Offenbar erweist sich Calvin hier entschiedener als Augustin als Schrifttheologe und wehrt an dieser Stelle einer philosophisch-neuplatonischen Lösung. Wie wir sahen, war der Sündenfall für Augustins folgende Prädestinationsgedanken eine unerläßliche Voraussetzung. Auch hierin verfährt der Reformator anders. Zwar fehlen auch bei Calvin innerhalb des Abschnittes über die Prädestination Gedanken zum Sündenfall aus Adams Schuld nicht, doch stellen sie nur eine von zwei systematisch notwendigen Argumentationsebenen dar. So dient die Darstellung des Sündenfalls bei Calvin dazu, den Menschen unentschuldbar zu machen, darüber hinaus scheut er sich aber nicht, den Sündenfall deutlich und klar auf das Geheiß Gottes zurückzuführen, um Gottes Souveränität und die Unabhängigkeit der Prädestination vom Fall des Menschen zu wahren: „Cadit igitur homo dei Providentia sie ordinante sed suo vitio cadit"166. Auch scheint Calvin hinsichtlich des Falles der Engel und der Menschen zu parallelisieren167, dennoch schlägt er die Brücke nicht so weit wie Augustin, der meinte, Gott fülle mit den Erwählten die Zahl der gefallenen Engel auf.

161

Vgl. Inst. III, 23, 7, O S IV, 4 0 1 , 1 6 f .

162

Vgl. Inst. III, 2 3 , 3 , O S IV, 4 0 1 , 3 7 f .

1 6 3 Vgl. Inst. II, 1 , 4 , O S III, 231, 3 2 - 3 8 : „ N o n male quidem Augustinus, dum superbiam dicit malorum omnium fuisse initium: quia nisi hominem altius quam licebat et quam fas erat extulisset ambitio, manere poterat in suo gradu: plenior tarnen definitio ex tentationis specie, quam describit Moses, sumenda est. N a m dum serpentis captione abducitur per infidelitatem mulier a verbo Dei, iam initium ruinae apparet fuisse inobedientiam." 164

Inst. II, 1 , 8 , OS III, 238, 7 - 9 .

165

J. Cadier, Calvin et Saint Augustin, 1055. Inst. III, 23, 8, O S IV, 4 0 2 , 3 8 f; vgl. auch Inst. III, 23, 7.

166 167

Vgl. Inst. 1 , 1 4 , 1 6 , O S III, 1 6 6 , 3 7 f f .

38

Exemplarische Verifikation der calvinischen Selbstaussage .Augustinus totus noster'

1.3.2. Praescientia, praedestinatio,

Providentia

Analog unseren Ausführungen bei Augustin erscheint es sinnvoll, vor der materialen Darlegung calvinischer Prädestinationslehre Grenzen und Ubereinstimmung zentraler Begriffe innerhalb der Diskussion um die Prädestination aufzuzeigen. 1. Wenn Gott in der Schrift neben der Prädestination auch das Vorherwissen zugeschrieben wird, so betont Calvin wie Augustin, sage dies aus, daß alles Zukünftige und Vergangene für ihn gleichsam wie Gegenstände gegenwärtig sei168 und wenig später: „Atque haec praescientia ad universum mundi ambitum et ad omnes creaturas extenditur" 169 . Hingegen: „Praedestinationem vocamus aeternum Dei decretum, quo apud se constitutum habuit quid de unoquoque homine fieri vellet" 170 . In der Prädestination geht es demnach nicht um einen auf die ganze Welt und alle Kreaturen bezogenen Akt göttlichen ,Intellekts' wie in der praescientia sondern um einen auf den einzelnen Menschen bezogenen Akt handelnden göttlichen Willens. Ähnlich wie Augustins Gegner haben auch die Gegner des Reformators v. a. den Begriff der praescientia als Hebel gegen seine Ausführungen über die Prädestination eingesetzt. So entgegnete man Calvin, jeder Mensch verschulde seine Erwählung oder Verwerfung selbst. Die praescientia sei dabei nur die Instanz, in der Gott voraussehe, wer aufgrund seiner Verdienste erwählt oder verworfen werde 171 . Diese in ihren Grundzügen nie ausgestorbene, auch von der Synode von Orange (529)172 nicht eindeutig entschiedene neupelagianische Auffassung von praescientia lehnt Calvin strikt ab, vielmehr sieht er in Gott den Alleinhandelnden, in seinem vorzeitigen Rat und handelnden Willen die einzige Ursache des Heils. Bis hierher stellen wir eine außergewöhnlich große Übereinstimmung zwischen dem Kirchenvater und dem Reformator fest, und doch läßt sich bereits auch eine leichte Differenz ausmachen. So kann Calvin niemals die - wenn auch nur begriffliche - Gleichung ,praescientia est praedestinatio' aufstellen, wie wir es noch bei Augustin sahen. Die dogmatischen Abgründe klar erfassend, verurteilt er aufs Schärfste eine unter dem Deckmantel der Prädestination existierende Lehre von der praescientia auch in seinen Predigten: „Car on a dit, combien que Dieu ait eleu les hommes devant que le monde fust cree, que q'a este selon qu'il a preveu comme l'un seroit differant d'avec l'autre... Mais ce sont des specula168 Vgl [ n s t u i i 21,5, OS IV, 374,4—7: „Praescientiam quum tribuimus D e o , significamus omnia semper fuisse ac perpetuo manere sub eius oculis: ut eius notitiae nihil futurum aut praeteritum, sed omnia sint praesentia". 169

Ebd., O S IV, 374, lOf. ™ Ebd., O S IV, 374,11 f. 171 Vgl. Inst. III, 22, 1, OS IV, 379, 21 f: „Vulgo enim existimant D e u m , prout cuiusque merita fore praevidet, ita inter homines discernere". 172 Vgl. Conclusio a Caesario episcopo, H . Denzinger, Enchiridion N r . 397.

Calvins Prädestinationslehre auf dem augustinischen Prüfstand

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tions frivoles." 173 Dennoch, trotz dieser bei Calvin begrifflich und theologisch eindeutigeren Fassung, unterscheiden sich der Reformator und der Kirchenvater im Wesentlichen nicht. Da Calvin wie Augustin in Gott niemals den müßigen Zuschauer erblickt, kann er treffend schreiben: „Quid enim insulsius aut frigidius quam Deum e sublimi spectasse unde Ventura esset humano generi salus?" 174 Calvin verwendet also wie Augustin den Begriff der praescientia zur Beschreibung des vorzeitlichen Wissens und setzt ihn ebensowenig wie jener dazu ein, den Menschen auf seine Werke als Heilsgrund zu verweisen. In diesem Sinne schreibt Calvin in seinem Kommentar zu Rom 11, 6: „... nulla operum consideratio in electione admitti potest, quae non obscuret gratuitam Dei bonitatem" 175 und in der Institutio: „inficari tarnen nemo poterit quin praesciverit Deus quem exitum esset habiturus homo, antequam ipsum conderet, et ideo praesciverit quia decreto suo sie ordinarat." 176 2. Auch hinsichtlich der Providentia scheint weitgehende Deckungsgleichheit mit Augustin zu bestehen. Wie wir bereits sahen, wurden Providentia und praedestinatio von Calvin in seinen ersten vier Institutioausgaben unmittelbar nacheinander behandelt, bevor er beiden Lehren endgültig verschiedene Orte zuwies. Es muß in diesem Zusammenhang darauf verzichtet werden, näher auf die Relation Providenz - Prädestination einzugehen. Gleichwohl wird das Prinzip dieser Relation in der Definition Calvins von Providenz angesprochen. Hier sei ein Text zitiert, der in ähnlicher Form schon in Calvins Schrift De aeterna Dei praedestinatione von 1552 steht 177 , sich nun aber in der Institutio (1559) 1,16,4 findet: „Principio igitur teneant lectores providentiam vocari, non qua Deus e caelo otiosus speculetur quae in mundo fiunt, sed qua veluti clavum tenens, eventus omnes moderatur." 178 Aufschlußreich ist auch die sehr an Augustin erinnernde Definition in der Institutioausgabe von 1550: „...providentiam vocemus, quam in mundi rerumque omnium gubernatione oeconomiam Deus tenet." 179 Nicht nur theologisch bietet die Lehre von der Providenz eine Sicherungsinstanz, die jegliches andere Prinzip für die Bestimmung der Geschicke des Daseins ausschließt; darüber hinaus zeigt sie sich auch anthropologisch und ekklesiologisch als seelsorgerlich unaufgebbares Moment 180 . Wir fassen zusammen: Wie für Augustin ist Prädestination für den Reformator Gottes tätiger, vorzeitiger Bestimmungswille zum Heil und Unheil, Providentia

173

Serm. 2. Tim. 1, 9, C O 54, 52, 3 7 - 5 3 , 6; siehe auch Serm. Dtn. 7, 7, C O 26, 520. Inst. III, 22, 6, OS IV, 386, 1 7 - 1 9 . 175 Com. Rom. 11, 6, C O 49, 214, 4 0 - 4 2 ; vgl. auch C O 49, 215, 7f: „unde sequitur, operum praescientiam cum electione perperam miscere". 176 Inst. III, 23, 7, OS IV, 4 0 1 , 2 8 - 3 1 . 177 Vgl. Praed. aet., C O 8 , 3 4 7 , 2 9 - 3 3 . ™ Inst. 1 , 1 6 , 4 , OS III, 1 9 2 , 1 3 - 1 5 . ™ Inst. (1550), C O 1, 8 6 5 , 1 0 - 1 2 . !8° Vgl. Inst. 1 , 1 6 , 2 , O S III, 188 f. 174

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Exemplarische Verifikation der calvinischen Selbstaussage,Augustinus totus noster'

bezeichnet demgegenüber den göttlichen Ordnungswillen, womit er Universum und Menschheit ordnet, lenkt und erhält 181 . 3. Sicher ist, und auch hierin gleichen sich Augustin und Calvin, Vorsehung und Vorbestimmung gehen beide auf das consilium Dei zurück. So schreibt der Reformator zur Providenz: „Deum sie attendere ad singulos eventus regendos, et sie omnes illos pro venire a definito eius consilio" 182 . Zur Prädestination bemerkt er: „dieimus aeterno et immutabili consilio Deum semel constituisse quos olim semel assumere vellet in salutem, quos rursum exitio devovere." 183 Unter consilium Dei haben wir uns nach Calvin die im Rat des dreieinigen Gottes bestehende Beschlußinstanz vorzustellen, aus der das decretum hervorgeht. Es ist die letzte grundlegende Instanz und mit der verborgenen voluntas Gottes, die unergründlich und unerforschlich bleibt, gleichzusetzen 184 .

1.3.3. Darlegung derpraedestinatio 1.3.3.1. Allgemeine Definition von

gemina Prädestination

Grundlage und Ausgangssatz der materialen Darstellung calvinischer Prädestinationslehre ist die berühmt gewordene Definition Calvins, die er bereits seiner Institutio-Ausgabe von 1539 einfügt: „Praedestinationem vocamus aeternum Dei decretum quo apud se constitutum habuit quid de unoquoque homine fieri vellet. N o n enim pari conditione creantur omnes: sed aliis vita aeterna, aliis damnatio aeterna praeordinatur. Itaque prout in alterutrum finem quisque conditus est, ita vel ad vitam vel ad mortem praedestinatum dieimus." 185 Wie wir sehen, lehrt Calvin im Gegensatz zu den oft sehr zurückhaltenden Äußerungen Augustins, die der Forschung Anlaß zu konträren Positionen gaben, offenbar eindeutig eine positive Prädestination zum Leben und zum Tode. Gleichwohl, und dies sollte nicht übersehen werden, warnt auch der 181

H. Otten, a.a.O., 111 meinte hinsichtlich des Unterschiedes von Prädestination und Providenz feststellen zu können: „Für die Institutio von 1559 läßt sich der Unterschied zwischen Prädestination und Providenz dahin festlegen, daß durch die Behauptung von der Vorsehung Gottes die Herrschaft Gottes im Bereich des ersten Artikels als des Deus creator gesichert wird, während die Prädestination die Herrschaft des Deus redemptor manifestiert, so daß die Einheit von Providenz und Prädestination analog der Einheit Gottes als des Schöpfers und des Erlösers ist. Objekt der Providenz ist danach der Mensch als Geschöpf und seine Welt; Objekt der Prädestination der Mensch als Sünderund seine Bestimmung."; siehe dazu auch ebd., 112. Damit modifiziert Otten Bohatecs These, die Vorsehungslehre sei die „Stammlehre" der Prädestinationslehre, vgl. J. Bohatec, Calvins Vorsehungslehre, 414. Gleichwohl bleibt zu fragen, ob Bohatec und in seiner Nachfolge Otten mit einer konstruierten Abhängigkeit dem Verhältnis von Prädestination und Providenz bei Calvin wirklich gerecht werden. Immerhin ist nicht zu übersehen, daß Calvin beiden Lehren bewußt einen verschiedenen Platz im Gesamtgefüge der Institutio (1559) zugewiesen hat. 182 Inst. 1,16,4, OS III, 194,27f. 183 Inst. III, 21, 7, OS IV, 3 7 8 , 3 2 - 3 4 . 184 Vgl. Inst. III, 23,5, OS IV, 398 f. 185 Inst. III, 21,5, OS IV, 374,11-17.

Calvins Prädestinationslehre auf dem augustmischen Prüfstand

41

Reformator in dieser Materie vor falschem Ehrgeiz und rät eher zur „docta ignorantia" 186 und zur peinlichen Beobachtung der Schrift 187 . Im einzelnen stellt sich Calvins Prädestinationslehre wie folgt dar:

1.3.3.2. Die electio Anders als Augustin unterscheidet Calvin zwischen einer electio generalis hier führt er das Volk Israel als Beispiel an 188 - und einer electio specialis, der Erwählung Einzelner, die aber auch Teil der allgemeinen Erwählung sein können. Dabei ist die electio generalis der electio specialis nicht etwa qualitativ gleichzusetzen 189 , vielmehr stellt die electio generalis ein „medium" 190 zwischen der wirksamen electio Einzelner und der allgemeinen reprobatio dar. Beide, electio und reprobatio, sind aber als Teile der praedestinatio gemina individuell gefaßt und nur als solche wirksam 191 . Aus der zitierten Prädestinationsdefinition ergibt sich, daß Gottes ewiges Dekret letzte Ursache sowohl für die Annahme zum Heil als auch für die Verwerfung ist. In welchem Sinne ist es das nun hinsichtlich der electio? Um diesen Fragenkomplex in Calvin angemessener Weise beantworten zu können, ist es erneut notwendig, sich zu vergegenwärtigen, daß der Theologie Calvins generell trinitätstheologischer Charakter eignet 192 . Grundsätzlich gilt, der souveräne Gott ist für Calvin in Jesus Christus immer auch der barmherzige Gott! Auf Gottes heilsame electio bezogen, erscheint daher J . Bohatecs Folgerung immer noch richtig: „Handelt es sich um das (subjektive) Seligkeitsinteresse, so sieht Calvin die Heilsgewißheit in dem Erlösungswerk Christi, handelt es sich um die Wahrung der göttlichen Alleinwirksamkeit und die objektive Begründung dieses Heilsbewußtseins, so geht er zurück auf den göttlichen Ratschluß als die logisch und zeitlich höchste causa" 193 . Und doch bleibt beides wie bei Augustin aufs engste miteinander verschränkt. Calvin definiert electio als Annahme in den Kindesstand Gottes vor Grundlegung der Welt, „nos in Christo fuisse in caelestem haereditatem adoptatos" 194 . Auch hierin entspricht er dem Kirchenvater fast wörtlich. Diese Annahme geschieht nun aber nicht so, 1 8 6 Inst. III, 2 1 , 2 , OS IV, 3 7 1 , 2 0 ; zur Provenienz des Begriffs vgl. Augustins Epist. 1 3 0 , 1 5 , 2 8 , P L 33, 505 und insbesondere N . Cusanus, D e docta ignorantia. 187

Vgl. Inst. III, 2 1 , 2 , O S IV, 371, 9 ; siehe auch Inst. III, 2 1 , 1 , O S IV, 3 7 0 , 2 1 f u n d 29f.

188

Vgl. Inst. III, 2 1 , 5 , O S IV, 374.

189

Vgl. Inst. III, 2 1 , 6 , O S IV, 3 7 6 f und 3 7 7 , 3 4 f .

190

Inst. III, 21, 7, OS IV, 3 7 8 , 9 .

Vgl. Inst. III, 2 1 , 5 , O S IV, 3 7 4 , 1 5 : „Itaqueproutin alterutrum finem quisque conditus est, ita vel ad vitam vel ad mortem praedestinatum dicimus."; vgl. auch unseren Abschnitt über die testificationes S. 44—46. 191

1 9 2 Vgl. Inst. 1 , 1 3 , 6 , O S III, 1 1 6 , 2 4 f: „quia ubi simplex fit Dei mentio et indefinita, non minus ad Filium et Spiritum pertinet nomen hoc quam ad Patrem." und Inst. 1 , 1 3 , 9 , O S III, 111 f. Siehe auch P. Jacobs, Prädestination, 74. 19

3 J. Bohatec, a.a.O., 413.

194

Inst. III, 2 2 , 1 , O S IV, 3 8 1 , 6 f siehe auch 3 8 0 , 3 5 f f .

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Exemplarische Verifikation der calvinischen Selbstaussage .Augustinus totus noster'

daß die, die von Gott als Kinder angenommen werden, in sich selber erwählt werden, sondern nur in Christus werden sie erwählt195. In sich selber sind auch die Erwählten nur verderbte Masse 196 . So können die Erwählten weder in sich noch in Gott Vater Gewißheit erlangen, soweit dieser ohne Christus gedacht wird: „Christus ergo speculum est in quo electionem nostram contemplari convenit" 197 . Gott will nach Calvin nur diejenigen Menschen als Kinder annehmen, die er als Glieder Christi erkannt hat 198 . Wer ein Glied Christi ist, liegt einzig im Willen Gottes begründet199, jedoch führt kein Weg an Christus vorbei. Aufschlußreich ist in diesem Zusammenhang, daß Calvin 1561 einen Begriff in seine Predigten einführt, der die Bedeutung des ewigen Christus umschreibt und damit die .Vorzeitigkeit' der Erwählung mit der Christologie verknüpft; Christus ist „le registre du conseil de Dieu eternel" 200 . In ähnlicher Weise finden wir dies bereits im Katechismus von 1537, wo er von Christus als „le gaige [ = gage] de nostre election" spricht 201 . Damit gleichen sich Calvin und Augustin in diesem Punkte weitgehend, wenngleich der Reformator in Einzelheiten auch noch über den Kirchenvater hinausgeht. Für Calvin geschieht die Erwählung in Christus als im Zentrum der göttlichen Gnade; Christus bildet Materie und Anfang der Erwählung zugleich. Im dreieinigen Gott und nur in ihm liegt also die Antwort auf das ,Warum' und das ,Wie' der Erwählung. P. Jacobs expliziert diese trinitätstheologisch-christologische Fassung von Calvins Prädestinationslehre wie folgt: „In diesem Sinne steht die Erwählung im ewigen Christus zum Heilsgeschehen der Christologie und Soteriologie im Verhältnis von Anfang und Folge" 202 . Dennoch muß noch deutlicher darauf hingewiesen werden, daß beides eine unzertrennbare Einheit bildet: Christus ist die Erwählung selbst, er ist im Sinne von Anfang ihr Fundament. Durch diese feste Anbindung wird das Heilsgeschehen in Christus im Zusammenhang der Prädestination nicht überflüssig, sondern gestaltet sich nunmehr als ihr notwendiges fundamentales Element.

1 9 5 Vgl. Inst. III, 2 4 , 5 , OS IV, 4 1 5 , 3 6 f : „Proinde quos Deus sibi filios assumpsit, non in ipsis eos dicitur elegisse, sed in Christo suo". 1 9 6 Vgl. Inst. III, 23, 3, OS IV, 397, 8: „Ex corrupta massa si desumpti sunt omnes, non mirum si damnationi subiacent." 197

Inst. III, 24, 5, OS IV, 416, 3 f.

Vgl. ebd., OS IV, 416, 5—9: „ C u m enim is sit cuius corpori inserere destinavit Pater quos ab aeterno voluit esse suos, ut pro filiis habeat quotquot inter eius membra recognoscit, satis perspicuum firmumque testimonium, nos in libro vitae scriptos esse si cum Christo communicamus." 198

1 9 9 Vgl. Inst. III, 22, 11, OS IV, 393, 3 1 - 3 3 : „ Q u u m enim dicitur Deus vel indurare, vel misericordia prosequi quem voluerit, eo admonentur homines nihil causae quaerere extra eius voluntatem." 200 201 202

Vgl. Serm. Dan. 1 2 , 1 f, C O 4 2 , 1 2 9 f ; siehe auch Serm. Eph. 1 , 3 f f , C O 5 1 , 2 6 8 . Instruction et conf., C O 22, 4 7 , 2 1 - 2 3 . P.Jacobs, a.a.O., 77.

Calvins Prädestinationslehre auf dem augustinischen Prüfstand

1.3.3.3. Die

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reprobatio

Wir sahen oben, wie sehr sich Augustin scheute, im aktiven Sinne von Gottes Reprobationshandeln zu sprechen. Vielmehr beschrieb er Gottes Handeln passiv mit praeterire und relinquere, machte im übrigen den Fall Adams voll verantwortlich für die Verwerfung und schrieb die reprobatio bis auf wenige Ausnahmen der praescientia Gottes zu. Wir nehmen unser Ergebnis vorweg: Gerade an dieser Nahtstelle offenbart sich eine der wichtigsten Unterschiede zwischen beiden Theologen. Auch in der Behandlung der reprobatio sucht Calvin biblische Notwendigkeit nachzuweisen. Als eines seiner vielen angeführten Beispiele sei hier nur die auch in der Tradition immer wieder zitierte Jakob-Esau-Geschichte genannt 2 0 3 , die, wie er deutlich macht, ihn geradezu zwinge, die reprobatio nicht zu unterschlagen. So weiß Calvin sich in seinen Überlegungen streng an die Schrift gebunden und behandelt die reprobatio, wenngleich er sie selbst gelegentlich auch als „horribilis" bezeichnen kann 2 0 4 . Kam dem freien Willen Adams in Augustins Ausführungen zur reprobatio noch entscheidende Bedeutung im Sinne einer unabdingbaren Voraussetzung zu, so bezeichnet Calvin analog zur electio auch für die reprobatio nur noch Gottes Willen als Ursache 2 0 5 . Signifikant erscheint jedoch, daß eine Christusbezogenheit im Sinne der electio nicht besteht. Vielmehr ist Christus nach Calvin allein für die Erwählten da 2 0 6 ; ein durchgehaltener Parallelismus zwischen electio und reprobatio läßt sich aus diesem Grund in Calvins Prädestinationslehre nicht festmachen. Und doch, wenngleich die letzte Ursache der reprobatio in Gottes Willen zu suchen ist, so „ist das Verlorengehen von Gottes Vorbestimmung in der Weise abhängig, daß doch Ursache und Begründung dazu in ihnen" - den Vorworfenen - „selbst zu finden ist" 2 0 7 . Materie und Grund liegen also in den Verworfenen selbst, auch wenn beides in seinem Vorhandensein auf Gottes Willen zurückgeht 2 0 8 . Es zeigt sich, daß Calvin mit dieser Definition scheinbar gegenläufige Aussagen aus theologischem Interesse zusammenzusehen versucht. Weder das Modell der paradoxalen Gegenüberstellung wie bei Augustin, noch das der 203 2M

Vgl. Inst. III, 2 2 , 1 1 , OS IV, 393, 12 ff. Inst. III, 23, 7, O S IV, 4 0 1 , 2 8 .

2 0 5 Vgl. Inst. III, 22, 11, OS IV, 393, 30 f und Inst. III, 23, 4, OS IV, 397, 2 5 : „Dei voluntate decidisse universos filios A d a m " . Das Zurichten zur Verdammnis, die Verstockung, die den Menschen vor Gottes Gericht unentschuldbar macht, ist auf Gottes Ratschluß selbst zurückzuführen. 206 Vgl Praed. aet., C O 8 , 2 9 8 , 2 0 — 2 5 : „Respondeo breviter, Christum sie toti mundo ordinatum esse in salutem, ut eos servet qui a patre illi dati sunt: eorum sit vita, quorum est caput: eos in bonorum suorum societatem reeipiat, quos sibi Deus gratuito beneplacito haeredes adoptavit." A n dieser Stelle ist deshalb auch G. Bavaud, a.a.O., 436 zu widersprechen, der einen strikten Parallelismus zwischen electio und reprobatio bei Calvin annimmt. 2 0 7 Inst. III, 2 3 , 8 , O S IV, 4 0 2 , 3 1 —33: „adhoc, sie ex Dei praedestinatione pendet eorum perditio, ut causa et materia in ipsis reperiatur." 2Ü 8 Vgl. Inst. III, 2 3 , 4 , O S IV, 3 9 7 , 2 5 - 2 8 .

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Exemplarische Verifikation der calvinischen Selbstaussage,Augustinus totus noster'

Unterordnung unter ein Prinzip 209 , sondern der Ansatz einer dialektischen Verschränkung ist hier erkennbar. Damit wahrt Calvin das denkerisch nicht lösbare Problem von Gottes Tun und menschlicher Verantwortung und setzt sich doch von allen philosophischen Ausgleichsbemühungen ab 210 . In diesem Sinne hatte H. Bauke recht, als er schrieb: „Die Prädestinationslehre ist nicht das Ergebnis einer philosophischen Spekulation, sondern ist die dialektisch-rationale Bearbeitung eines vorgefundenen religiösen Tatbestandes" 211 . So spricht Calvin wie Augustin den Menschen nicht von seiner Schuld frei. Er behaftet ihn vielmehr dabei, scheut sich aber auch nicht - und hier unterscheiden sich der Reformator und der Kirchenvater fundamental - auch die reprobatio als aktives göttliches Zorneshandeln, losgelöst vom Akt menschlichen Falls, ja, sogar vor Adams Fall 212 , zu sehen, um gerade damit den Primat des freien göttlichen Willens zu wahren. Sollte sich dagegen Widerspruch erheben, verweist auch Calvin wie Augustin axiomatisch auf die grundlose iustitia Dei 213 . Konnte Augustin bei electio und reprobatio allenfalls von einem Vorherwissen und Vorherwollen Gottes vor dem Dasein der Dinge selbst sprechen, so geht Calvin in dem Sinne darüber hinaus, daß er Gottes vorzeitlichem Wollen und Wissen auch immer gleich ursprünglich sein Tun zuordnet. 1.3.3.4.

Testificationes

Obwohl es auch im Hinblick auf die testificationes des prädestinatianischen Wollens Gottes so scheint, als entsprächen sich Augustin und Calvin, wird man bei näherer Untersuchung hier ebenfalls deutliche Differenzen feststellen können. War es für Augustin charakteristisch, daß Gottes Prädestination sich in zwei Schritten vollzog, vorzeitigem Wollen und innerzeitlicher Verwirklichung - wobei nur durch den augustinischen Zeitbegriff beides eng miteinander verflochten blieb - so liegen die Akzente für Calvin deutlich auf einem anderen Bereich. Zwar kann auch Calvin davon reden, daß bei Gott gleichsam alles gegenwärtig sei 214 , doch wäre es andererseits verfehlt, bei Calvin von innerzeitlicher Prädestinationsverwirklichung sprechen zu wollen. Obwohl der Reforma209

Zu Augustin vgl. oben S. 29 und 34 f.

Es fällt auf, daß bei Calvin an dieser Stelle auch die spätscholastische Begrifflichkeit fehlt; das hier anstehende scotistische Problem von potentia absoluta und ordinata wird von ihm bewußt ekartiert! Siehe Praed. aet., C O 8 , 3 1 0 , 4 7 f f . 210

211

H . Bauke, Die Probleme, 83; er ergänzt sinnvoll: „auf biblischer Grundlage".

Vgl. C o m . R o m . 11, 7, C O 49, 216, wir zitieren nach der Edition von Τ. H . L . Parker, 245, 8—25: „Paulus autem probare hie contendit, excaecari, non eos qui sua malitia iam id meriti sint, sed 212

qui ante mundi creationem reprobati sunt a Deo

Stulte autem faciunt qui simulac verbum

factum est de propinquis causis, earum praetextu hanc primam quae sensum nostrum latet, obtegere tentant: acsi Deus non libere ante Adae lapsum statuisset de toto humano genere quod visum est, quia damnat vitiosum ac pravum eius semen: deinde quia peculiariter singulis quam meriti sunt, scelerum mercedem rependit." Vgl. zu diesem Komplex Inst. III, 2 3 , 2 , OS IV, 3 9 6 , 3 f und 18 ff; Inst. III, 2 3 , 5 , O S IV, 398 f. 214

Vgl. oben A n m . 168.

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tor und der Kirchenvater sich in der Darlegung der einzelnen testificationes begrifflich weitgehend entsprechen, ist die theologische Einordung bei Calvin durch Termini wie „testificatio", „signum" 2 1 5 , „sigillum" 216 und „declaratio" 217 deutlich anders gekennzeichnet. Dabei ist all diesen Begriffen gemeinsam, daß sie zwar in der Tendenz immer von sich weg auf Gottes Handeln weisen, gleichzeitig aber in sich selbst keineswegs abgewertet werden. Jedoch: Nicht Vr'adestmationsverwirklichung sondern Pridestmationsbezeugung, -Versiegelung und -Offenlegung ist der eigentliche Kern der calvinischen testificationes. So bleibt der qualitative Unterschied zwischen Prädestination und ihren testificationes eindeutig gewahrt 218 . Im einzelnen bezeugt sich die Prädestination Calvin zufolge im menschlichen Lebensbereich so: 1. Als erstes Merkmal der wirksamen electio nennt der Reformator die vocatio 2 1 9 , sie gilt ihm als eine sichere testificatio der Erwählung 220 . Die vocatio besteht nach Calvin aus der praedicatio verbi, wo Gott es ist, der offene Ohren und Augen gibt, und der illuminatio spiritus 221 . Aber auch innerhalb der vocatio ist wie bei Augustin zwischen vocatio universalis und vocatio specialis noch einmal zu unterscheiden 222 . Damit nimmt Calvin das Problem von Mt 22, 14 auf. Gott kann in der vocatio universalis auch die durch die Predigt berufen, denen er sie nur als einen „odor mortis" geben möchte 2 2 3 . Mit der vocatio specialis würdigt er im allgemeinen nur die Gläubigen, indem er durch die Erleuchtung bewirkt, daß das gepredigte Wort in ihren Herzen einwurzelt und dort den Glauben festmacht 224 . Diesem Zeugnischarakter entsprechend wird der Glaube mit der sicheren Abschrift eines Originals verglichen: „la foy est comme le double que Dieu nous bailie de l'original de nostre adoption" 2 2 5 . Jedoch kann Gott selbst diese Gnadengabe der vocatio specialis auch den Verworfenen eine Zeitlang gewähren, um sie dann später um so tiefer fallen zu lassen 226 . Daraus ergibt sich, daß für eine echte vocatio specialis das donum perseverantiae konstitutiv ist. Bemerkenswert ist jedoch, daß Inst. III, 24,4, OS IV, 414, 8 ff. Inst. III, 24,3, OS IV, 413,19. 2 1 7 Inst. (1539), C O 1, 540,2 f. 2 1 8 E. Doumergue sieht es daher richtig, wenn er schreibt: „Car si la predestination ou l'election, c'est le mystere, la vocation c'est la revelation du mystere.", E. Doumergue, Jean Calvin IV, 369. Wir grenzen uns damit entschieden ab vom Bild der zweigliedrigen Prädestinationslehre, das etwa P. Jacobs, a.a.O., 72 für Calvin reklamiert. 2 1 * Vgl. Inst. III, 21, 7, OS IV, 379,3. 2 2 ° Vgl. Inst. III, 24,1, OS IV, 410,14. 2 2 1 Vgl. Inst. III, 24,2, OS IV, 412,16f. 2 2 2 Vgl. Inst. III, 24, 8, OS IV, 419,16.19. 22 3 Vgl. ebd., OS IV, 419,18. 2 2 4 Vgl. ebd., OS IV, 419,20f. 22 = Serm. Eph. 1,4—6, C O 51,281,37f. 22 « Vgl. Inst. III, 24, 8, OS IV, 419,23 f. 215

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Calvin im Gegensatz zu Augustin diesen Begriff bereits hier einordnet, um ihn erst gar nicht in den Verdacht eines donum superadditum kommen zu lassen 227 . Als zweites Zeugnis der Erwählung nennt Calvin die iustificatio, die Gott nur den Erwählten bis zum Zeitpunkt ihrer ewigen Herrlichkeit gewährt 228 . Sie schließt die Aussöhnung mit Gott und als Anfang der sanctificatio die Wiedergeburt mit ein 229 . Erwähnenswert bleibt, daß anders als bei Augustin bei Calvin die Gnade der Rechtfertigung nur den Auserwählten verliehen wird 230 . Diese Einlinigkeit in der Zuordnung der testificationes erlaubt es dem Reformator, den an seiner Erwählung zweifelnden Christen auf die fides als sicheres Zeugnis der Erwählung zu verweisen und ihm zu raten, sich an den Verheißungen des Schriftwortes genügen zu lassen231. „Voilä done qui nous peut certifier de nostre election, e'est la foy que nous avons en Iesus Christ. Et pourtant, que demandons nous plus? Nous avons dit que Iesus Christ est le miroir auquel Dieu nous contemple quand il nous veut avoir agreables" 232 . Auch hier wird wiederum der Unterschied zu Augustin greifbar, in dessen Ausführungen zur electio der individuelle Zweifel an der Heilszugehörigkeit stets institutionalisiert blieb. 2. Ähnlich wie Augustin nennt auch Calvin für die reprobatio gewisse Zeichen. Diese haben sich aber primär an den positiven testificationes der electio zu orientieren, wo sie dann als negatives Pendant wieder in Erscheinung treten. So wird den Verworfenen etwa durch Ausschluß von der Erkenntnis des göttlichen Namens und der Heiligung des Geistes durch Gott bekanntgegeben, was sie im Gericht erwartet 233 . Damit verbunden nennt Calvin auch die Nichtheiligkeit des Lebens, die für die Verworfenen selbst zeichenhaften Charakter habe 234 . Als weiteres Zeichen führt er die Unfähigkeit Gottes Wort zu hören und die Verblendung und Verstockung durch die Predigt an 235 .

227

Vgl. Inst. III, 24,6, OS IV, 418,3. Vgl. Inst. III, 21, 7, OS IV, 379,4. 229 Vgl. Inst. III, 11,1, OS IV, 181 f. 230 Vgl. Praed. aet., C O 8,38f. 231 Vgl. Inst. III, 24, 3, OS IV, 413,15ff; Inst. III, 24, 5, OS IV, 416,33. 232 Serm. Eph. 1, 4 - 6 , C O 51, 281, 5 1 - 5 6 ; vgl. auch Inst. III, 24, 5, OS IV, 416. Wie wenig P. Althaus Calvin an dieser Stelle verstanden hat und wie wenig er mit dem hinter dem „certifier" stehenden calvinischen Modell der „unio cum Christo" vertraut ist, bezeugt seine gänzlich unangebrachte Kritik am calvinischen promissio-Begriff; siehe P. Althaus, Die Prinzipien, 191 und 194. 233 Vgl. Inst. III, 21,7, OS IV, 379, 7ff. 234 Vgl. Inst. III, 23,12, OS IV, 406 f. 235 Vgl. Inst. III, 24,12, OS IV, 423,22 ff. 228

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1.3.3.5. Ziel und Zweck der praedestinatio gemina nach Calvin Grundanliegen der praedestinatio gemina nach Calvin ist es, die Ehre des gnädigen Gottes zu wahren und der Verherrlichung seines Willens zu dienen. Im einzelnen meinen wir damit folgendes: 1. Die Prädestination untermauert und festigt die Rechtfertigungslehre, d.h. sie schließt jede Berücksichtigung der Werke für das Heil aus und steht also in einem christologisch-soteriologischen Zusammenhang. So schreibt Calvin im Römerbriefkommentar von 1540: „Habemus ergo, totam electionis nostrae firmitudinem in solo Dei proposito esse conclusam: nihil hic valere merita, quae nihil nisi in mortem possunt" 236 . Und in der Institutio von 1559: „Electos fuisse dicens [Paulus] ante creatum mundum, omnem dignitatis respectum tollit" 237 . Auch der Glaube wird als Grund der Erwählung durch die Einfügung in den Prädestinationsgedanken eindeutig abgelehnt 238 . 2. Positiv besagt die Prädestinationslehre hinsichtlich der Ablehnung der merita, daß einzig Gottes freie Gnade als Heilsgrund anzusehen ist239. Nur Gottes freiem Wohlgefallen steht die Entscheidung zu, ob der Mensch angenommen und ihm die Heilstat Christi angerechnet wird. „Unde sequitur, non residere in hominibus salutis causam, sed ex mero Dei beneplacito pendere" 240 . 3. Eben diese freie Gnade Gottes wird nun doppelt durch Calvins praedestinatio gemina unterstrichen 241 . Daneben wird Gottes voluntas durch diese Prädestination als höchste Richtschnur seiner iustitia offenbar 242 . Im einzelnen werden nun Gottes freie Gnade und sein Wille in dem Sinne von der praedestinatio gemina hervorgehoben, als einmal die Erwählten selbst dazu dienen, Gottes Erbarmen zu offenbaren: „Voluit ergo significare, electos esse instrumenta vel Organa quibus misericordiam suam exercet Deus, ut nomen suum in eis glorificet" 243 . Gleichzeitig sind die Verworfenen einerseits als Beweisstücke der göttlichen Strafe und des göttlichen Zorns geschaffen, andererseits, um den Reichtum des grundlosen göttlichen Erbarmens über die Auserwählten umso sichtbarer zu machen: „Sunt item vasa irae, id est, in hoc facta et formata ut documenta sint vindictae et furoris Dei."; „praeterea vero quo inde notior fiat et clarius elucescat suae in electos misericor-

236

Com. Rom. 9,11, C O 4 9 , 1 7 8 , 5 0 - 5 3 . Inst. III, 22,2, OS IV, 381,25 f. ms Vgl. Inst. III, 24,3 OS IV, 413,19 ff. 239 Vgl. Com. Rom. 9,11, C O 49,178. 240 Com. Rom. 11, 7, C O 49,216, 7 - 9 . 241 Vgl. Inst. III, 23,11, OS IV, 405,23 ff. 242 Vgl. Inst. III, 23, 2, OS IV, 396, 3f: „Adeo enim summa est iustitiae regula Dei voluntas, ut quicquid vult, eo ipso quod vult, iustum habendum sit." 243 Com. Rom. 9,23, C O 49,188,25-27. 237

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diae amplitude»"244. So will denn die Verwerfung nicht nur das Primat göttlichen Willens herausheben, sondern letztlich auch die Größe des göttlichen Erbarmens augenfällig machen. Ziel und Bestimmung der Verworfenen besteht darin, daß sie das Material für Gottes Gericht bilden 245 . Die Verworfenen verherrlichen also in negativer Weise duch ihre Verdammnis Gottes Ruhm und gleichzeitig sein Erbarmen 246 . Beide, Verworfene und Erwählte, dienen in ihrem Prädestiniertsein der Verherrlichung des Willens des gnädigen Gottes. Indem sie Gottes freie Gnade offenbaren, dienen Sie seiner Ehre.

1.3.4. Infralapsarismus - Supralapsarismus. Das Verhältnis von Sündenfall und Gottes Willen Nachdem wir uns bereits oben der Problematik der voluntas Dei bei Calvin genähert haben, fragen wir nun genauer nach dem spezifischen Zuordnungsverhältnis von Gottes Willen und Adams Fall in der Prädestinationslehre des Reformators. Wiederum sei das bei Augustin gewonnene Ergebnis kurz zusammengefaßt: Wie wir sahen, war Augustins Position beim Verhältnis von Sündenfall und Gottes Willen durch Zweigliedrigkeit charakterisiert. Hinsichtlich seiner Aussagen zur electio erschien seine Prädestinationslehre eher supralapsarisch; demgegenüber basierten seine Aussagen zur reprobatio auf dem freien Fall Adams und waren damit eher infralapsarisch. Auch an dieser Stelle unterscheiden sich Augustin und Calvin erheblich voneinander. Zwar ist für Augustin wie Calvin die Aussage unumgänglich, daß Adam gut erschaffen wurde, durch eigene Bosheit fiel und damit die Natur des gesamten Menschengeschlechts verdarb 247 . Anders als Augustin, der den Sündenfall allenfalls in den Bereich göttlicher Präscienz und permissio fallen ließ, betont jedoch Calvin, wie wir bereits sahen, daß auch der Fall nach Gottes Gutdünken angeordnet war, „dico, Deum non modo primi homines casum... praevidisse; sed arbitrio quoque suo dispensasse" 248 . Dabei läßt Calvin Satan die Funktion einer den Menschen anstiftenden Zwischeninstanz einnehmen 249 . Mit aller Entschiedenheit lehnt der Reformator daher auch die bei Augustin noch mögliche Lösung der permissio menschlichen Falls ab 250 . So erscheint der ungehorsame Wille Adams als erste Ebene oder vorder244

C o m . R o m . 9,22, C O 4 9 , 1 8 7 , 3 7 - 4 7 . Vgl. C o m . R o m . 9, 30, C O 49, 192, 31: „ita impiorum pravitas et malitia locum materiamque praebet Dei iudieiis". 24 39 Vgl. ebd., C O 1, 346/OS III, 290, 2 1 - 2 9 ; D e corr. et gr. 8, 17, PL 44, 926, 3 9 - 4 2 und 44, 915-946. 140 Vgl. ebd., C O 1, 3 4 6 / O S III, 290, 2 9 - 3 2 : „Ita homini tale relinquitur liberum arbitrium . . . quale alibi describit, quod nec ad D e u m converti, nec in D e o persistere, nisi per gratiam, possit: a gratia valeat quicquid valet"; vgl. Epist. 214, 7, PL 33,970,54—58. 141 Gegen Α . N . S. Lane, Calvin's use, 159 ff. 134

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der „operatio Dei", sondern seiner „praescientia" 142 zuzuordnen, eine Aussage, die Calvin einem nicht als solches erkannten pseudoaugustinischen Werk entnimmt. Gleichwohl, und das sei bereits an dieser Stelle vermerkt, setzt er dem 1543 eine Stelle aus Augustins Contra Julianum entgegen, die ihrerseits wiederum die Sünde als unter der Machtwirkung Gottes geschehen verdeutlicht 143 . So kann Calvin mit Augustin gegen Augustin argumentieren und empfindet das offenbar nicht als unüberwindbares Problem. Sachliche und aus dem augustinischen Textcorpus selbst sich ergebende Gewichtung ist ihm dabei offenbar legitimes Hilfsmittel. Kapitel 2 schließt, nachdem noch einmal Augustin geschickt gegen Chrysostomus, Hieronymus und Aristoteles ausgespielt wird 1 4 4 und wieder die Situationsanalogie Augustin-Calvin vorgeführt wurde 1 4 5 ; eine Tendenz, die sich in dem signifikanten Satz „primum non soli sumus in hac causa, sed Christus et omnes Apostoli" 1 4 6 weiter fortsetzt. 2.8.2. Kapitel 3: De lege Aus dem zweiten Kapitel seien lediglich zwei Stellen, die in unsrem Zusammenhang Bedeutung haben, genannt. Zur dilectio Dei im Rahmen des 10. Gebotes stellt Calvin fest: „Ad hanc intelligentiam mihi primum viam aparuit Augustinus" 1 4 7 . Die vom Reformator dargestellte enge Beziehung zwischen Augustin und Paulus - wir fanden sie schon des öfteren v o r - , die sich im Werk Calvins auch in textlichen Reihungen von Augustin und Paulus zeigt, demonstriert hier wiederum sehr deutlich folgender Satz: „Ego autem confido me germanam intelligentiam [Apostoli] assequutum, si tarnen verum esse concedatur quod alicubi verissime ab Augustino scriptum est" 148 . 2.8.3. Kapitel 5: De poenitentia Wie stark überdies das dialogisch-diskursive Element in der Beschäftigung mit dem augustinischen Textcorpus immer wieder eingebracht wird, verdeutlicht auch eine Passage aus dem fünften Kapitel. Dabei ist spürbar, wie Calvin in der Wertung der Texte ein ganzheitliches Augustinbild erkennen läßt, das den Retractationes und der inneren Entwicklungsdynamik im Schaffen Augustins eine besonders große Bedeutung zukommen läßt. Auch hier paart sich Calvins an den Methoden Budes geschultes Interesse an enzyklopädisch-historischer Textarbeit mit einer bewußt gewählten Position dezidiert theologischer Art im Kampf um das Erbe ,wahrer Katholizität'. 142

Vgl. Inst. (1539), C O 1, 353/OS III, 292, 34 ff; vgl. die pseudoaugustinische Schrift De praed. et gr. 6, 7, PL 4 5 , 1 6 6 9 , 4 5 - 5 1 . 143 Vgl. Inst. (1543), C O 1, 353/OS III, 2 9 3 , 6 - 9 ; vgl. C. Jul. V, 3, 8 - 1 3 , PL 44, 786-791. 144 Vgl. Inst. (1539), C O 1, 357f/OS III, 299. 145 Vgl. ebd., C O 1, 359/OS III, 301,17f: „Similiaolim quumobiectarentur Augustino...". 146 Ebd., C O 1,359/OS III, 301,26 f. 1 47 Ebd., C O 1,420/OS III, 389,34 f. 148 Ebd., C O 1,436/OS III, 3 4 2 , 2 9 - 3 2 ; in der Ausgabe von 1559 setzt Calvin dann „imo quod ex claris Apostoli verbis hausit" hinzu, OS III, 342, 32.

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So erklärt und entschuldigt er hier etwa eine Stelle aus dem Enchiridion, in der Augustin die opera als „remedia misericordiae" dargestellt hatte 149 , mit einer anderen Augustinstelle aus dem antipelagianischen Schrifttum: „Sed ne in verbulo isto quis impingat, ipse alio loco occurrit. Caro Christi . . . verum etsi unicum pro peccatis sacrificium" 150 . 2.8.4. Kapitel 6: D e iustificatione fidei et meritis operum Besonders eindrücklich erscheint 1539 die allgemeine Auseinandersetzung Calvins mit Petrus Lombardus, der späteren Scholastik, Augustin und der Heiligen Schrift über die iustificatio fidei. Calvins Urteil über den Lombarden an dieser Stelle verdeutlicht ebenso sein Verhältnis zu Augustin wie das zur Schrift. Da es überdies auch Tendenzen der calvinischen Augustininterpretation im Stadium von 1539 verdeutlicht, seien wiederum einige Zeilen besonders hervorgehoben: „Voluit [Lombardus] scilicet Augustini opinionem sequi, sed procul sequitur, atque etiam a recta imitatione multum deflectit... Scholae in deterius semper aberrarunt... Ac nec Augustini quidem sententia [1543 setzt Calvin hinzu: vel saltem loquendi ratio] per omnia recipienda e s t . . . scriptum autem, quum de fidei iustitia loquitur, longe alio nos ducit" 151 . Gegenüber der Schrift werden nicht nur der Lombarde und die Scholae einer negativen Wertung unterzogen, sondern auch Augustin. Gleichwohl, bereits 1539 schränkt Calvin seine Augustinwertung ein durch die Bezeichnung „quidem sententia" und fügt darüber hinaus diese Tendenz deutlich verstärkend 1543 den abschwächenden Satz „vel saltem loquendi ratio" ein. Auch hier also, wenn auch erst 1543 ganz deutlich durchgeführt, ist ein Beispiel der sich bei Calvin Augustin gegenüber immer stärker findenden Harmonisierungstendenzen anzutreffen, die als Bestandteil seiner Interpretationsprinzipien nicht zu übersehen sind. Demgegenüber kann sich Calvin aber nicht scharf genug über die fortwährenden Fehlinterpretationen ereifern, denen der Kirchenvater durch den Lombarden und die Scholae ausgesetzt sei 152 . Ähnliche Harmonisierungstendenzen lassen sich wenig später im Abschnitt über die ,opera iusta' festmachen. Der Argumentationsduktus ist 1539: „non tantum cum Augustino excipio . . . sed aliud etiam addo . . . solet enim ille vir . . . At scriptura" 153 . Bezeichnenderweise fügt Calvin dem 1543 hinzu: „Etsi autem paulo aliter [Augustinus] quam nos loquitur, in re tarnen non ita dissentire constabit ex eius verbis, libro ad Bonifacium tertio" 1 5 4 . 149

Ebd., C O 1, 7 3 0 / O S I V , 130,28; vgl. Ench. 72,19, PL 40,266. Ebd., C O 1, 730/OS IV, 1 3 0 , 1 9 - 3 1 ; vgl. C. Pelag. III, 6 , 1 6 , PL 4 4 , 6 0 0 , 4 - 1 0 . 151 Ebd., C O 1, 7 4 0 / O S I V , 1 9 9 , 2 5 - 2 0 0 , 8; eigene Kursivierung. 152 Vgl. ebd., C O 1, 774/OS IV, 246, 8 - 1 1 : „Mirae profecto caecitatis fuit, quum Augustinum to ties in ore haberet [Lomb.], non vidisse quanta sollicitudine vir ille caverit ne ulla ex bonis operibus gloriae particula in hominem derivaretur."; siehe auch O S IV, 245, 24 f. 153 Ebd., C O 1, 7 9 6 / O S I V , 2 7 4 , 3 2 - 2 7 5 , 1 1 . 154 Inst. (1543), C O 1, 796/OS IV, 2 7 5 , 1 6 - 1 9 . 150

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Was somit 1539 noch nicht so deutlich ausgesprochen oder aber in der Konzeption nicht eindeutig war - hier konnte etwa eine offenkundige Disharmonie Augustins zur Heiligen Schrift noch ausgestanden werden - wird 1543 dann eingebettet in ein starkes Harmonisierungsprinzip, wobei mit Unterstützung eines weiteren Augustinbeleges der res-Begriff als Interpretament bemüht wird 1 5 5 . Wenig später stoßen wir dann im selben Kapitel noch einmal auf Aussagen Calvins, die sein eigenes Auswahlprinzip bei Augustinstellen erneut deutlich machen: Insbesondere Kernaussagen Augustins wählt er aus, die er auch als solche erkennen läßt 1 5 6 . 2.8.5. Kapitel 8: D e praedestinatione et Providentia Dei Calvins Interesse an der Geschichtlichkeit von Aussagen in der vita des jeweiligen Autors tritt bei der Beurteilung der augustinischen Schaffensperioden deutlich zutage. Im Abschnitt über praevisio und praescientia (Abs. 10) wird dies besonders greifbar. Das Wertungsschema für die Entwicklung Augustins ist dabei die ,cognitio scripturae': „et Augustinum in ea fuisse aliquando sententia: sed quum melius in scriptura cognitione profecisset, non retractavit modo ut evidenter falsam, sed fortiter confutavit." 1 5 7 Auch hier wird formal wirkungskräftig der Abschnitt mit einem Augustinzitat beschlossen: „vero ergo manet illud Augustini: gratiam Dei non invenire eligendos, sed facere." 1 5 8 Abschließend seien einige Beobachtungen, die wir im Sachabschnitt über die Providenz machten, referiert: Bezeichnend ist dabei wiederum das Bemühen, das Verhältnis Paulus - Augustin in Bezug auf die eigene Aussage deutlich zu beschreiben. Dort, wo Calvins Gegner etwa die Existenz einer göttlichen Providenz bestreiten, setzt der Reformator dem unmißverständlich thetisch sein zweigliedriges Argument entgegen: „dico cum Paulo" und „dico cum Augustin o " 1 5 9 , eine Tendenz, die sich in der folgenden Kumulierung von Paulus- und Augustinzitaten weiter fortsetzt 1 6 0 . In diesem Argumentationsgeflecht hat die Aussage Calvins, er wolle seine Gegner lieber mit Augustin als mit seinen eigenen Worten widerlegen, ein besonderes Gewicht 1 6 1 . Aber selbst hier kommen die auch sonst beobachteten Wertungsschemata innerhalb des augustinischen Textcorpus voll zum Tragen und werden keineswegs einer ,Augustinolatrie' geopfert! So wehrt Calvin implizit, weil inhaltlich argumentierend, einen Vgl. hierzu auch unten S. 98. Vgl. Inst. (1539), C O 1, 7 9 8 / O S I V , 278, 7 - 1 2 : „In quem sensum insigne est dictum Augustini: quod ut vir sanctus repetere saepius pro memorabili non dubitavit, ita non indignum iudico quod assidue fecit debitorem: non aliud nobis accipiendo, sed omnia promittendo"; vgl. E n . in Ps. 3 2 , 2 , 1 , 9, P L 3 6 , 2 8 4 und En. in Ps. 1 0 9 , 1 , P L 3 7 , 1 4 4 5 , 5 1 - 5 3 . 155

156

i " Ebd., C O 1 , 8 3 4 / O S I V , 2 8 8 , 1 6 — 1 9 . 158

Ebd., C O 1, 8 6 9 / O S I V , 3 8 9 , 2 9 f ; vgl. Epist. 186, 5 , 1 5 , P L 33, 8 2 1 , 4 6 f .

159

Ebd., C O 1, 8 7 2 / O S I V , 3 9 8 , 2 6 . 3 0 . Vgl. ebd., C O 1, 8 7 2 - 8 7 6 / O S IV, 3 9 9 - 4 0 5 .

160

1 6 1 Vgl. ebd., C O 1, 8 7 8 / O S IV, 411, 3 4 f : „ Q u o r u m cavillum Augustini verbis refeilere quam meis malo."

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Augustin deutlich ab, der die Providenzlehre aus der Präscienz entwickelte und gibt damit gleichzeitig der Auseinandersetzung mit dem sich eben auf diesen Augustin berufenden Lombarden Spielraum 162 . 2.8.6. Fassen wir unsere Ergebnisse zusammen: Zu den hier deutlich zutage tretenden allgemeinhumanistischen Prinzipien des Umgangs mit Texten, den Budeschen Leitlinien sowie den bereits oben besprochenen Prinzipien, finden sich weiterhin folgende eigens zu erwähnende Kennzeichen in der Arbeit Calvins mit Augustin: 1. Wie schon früher beobachtet, bilden situationstypische sowie sachtypische Parallelisierungen Augustin - Calvin einen wahrnehmbaren Hintergrund auch in der Institutio von 1539. 2. Augustintexte fungieren als Bausatz in der von Calvin verwendeten programmatischen Reihung: Heilige Schrift - Augustin - dogmatische Aussagen der Institutio oder gelegentlich enger gefaßt: Paulus - Augustin - dogmatische Aussagen der Institutio 163 . 3. Die hieraus sich anbietende Auseinandersetzung mit dem Lombarden und der Schultheologie um das rechte Augustinverständnis wird bewußt in die Darstellung miteinbezogen. 4. Dialogisch-diskursiver Umgang mit dem augustinischen Textcorpus erscheint dabei als organischer Bestandteil von Calvins eigener lehrmäßiger Argumentation und Explikation. Entsprechend sind Augustintexte sowohl stützender Rahmen als auch essentieller Bestandteil der einzelnen Abschnitte. 5. Sachliche Unregelmäßigkeiten im augustinischen Textcorpus werden aufgrund eines aus den Retractationes erhobenen Gesamtbildes Augustins bewertet. Die geschichtliche Entwicklungsdynamik eines Autors ist dabei deutliche Wertungshilfe. 6. Bereits 1539 sind Harmonisierungstendenzen im Umgang mit dem Kirchenvater nachzuweisen.

2.9. Institutio Christianae Religionis (1543) Gegenüber der Institutio von 1539 ist die Ausgabe von 1543 noch einmal um ein Viertel des Textes erweitert. Auch ca. 160 neue Augustinzitate lassen sich nachweisen 164 . Insbesondere an den breiteren Ausführungen zur Ekklesiologie 162 Vgl. ebd., C O 1, 889/OS III, 192, 3 4 - 3 8 : „Iam et de Providentia Dei in universa mundi administratione nonnihil attingendum, quae ut probe intellecta, fulciendae fidei mirum in m o d u m conducit, a paucissimis vel percipitur, vel rite cogitatur. Maior pars nudam Dei praescientiam hic quoque imaginatur: nutu autem et moderatione eius cuncta geri nequaquam putat." Abgewehrt wird damit D e üb. arb. III, 2 , 4 ff, PL 32,1272 f und D e praed. et gr. 5 , 5 , PL 45,1668. 163 164

Vgl. zum grundsätzlichen Problem unten, S. 1 1 8 - 1 3 2 . Vgl. hierzu auch R. J. Mooi, a.a.O., 372 und L. Smits, a.a.O., I, 63.

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läßt sich Calvins Aufenthalt in Straßburg ablesen; aber auch die Religionsgespräche von Regensburg 1541 mit ihrem Rekurs auf Augustin 1 6 5 zeigen Wirkungen in der Neugestaltung der Institutio. Die Neuausgabe von 1543 ist in sich nunmehr schon ein abgerundetes dogmatisches Werk, eine Tatsache, die Johannes Sturm und den Drucker Wendelin Rihel sicher in Absprache mit dem Reformator im übrigen veranlaßte, der Neuausgabe empfehlend „...neque scio an quicquam huius generis extet, perfectius ad docendam religionem" 1 6 6 voranzusetzen. Wie sehr diese,vorläufige' Abrundung auch für die Verarbeitung des augustinischen Textmaterials gilt, werden wir nunmehr in den Grundlinien nachzeichnen. U m unnötige Wiederholungen und Längen zu vermeiden, beschränken wir uns dabei auf die Heraushebung der für Calvins Methodik markantesten Stellen. 2.9.1. Ad lectorem Bezeichnend und programmatisch für diese Ausgabe der Institutio ist der Schluß des Vorwortes an den Leser, den ein auch als solches gekennzeichnetes Zitat aus Augustins Epistola 143, 2 bildet 1 6 7 . Dabei ist in unserem Zusammenhang weniger der Inhalt des Zitats, als vielmehr seine Einleitung als Augustinzitat von Bedeutung. Die Voranstellung Augustins vor Calvins eigene Ausführungen in der Institutio 1 6 8 korrespondiert, wie wir sehen werden, mit der Durchführung einer intensiven Verschränkung calvinischer und augustinischer Aussagen im Text., Augustin im Vorwort', ein Augustintext als Motto, erweist sich somit im Nachhinein als theologisches Programm der gesamten Neuausgabe! 2.9.2. Kapitel 2 : D e cognitione hominis, ubi de peccato originali, de . . . hominis corruptione, de liberi arbitrii impotentia:... de gratia regenerationis, et auxilio spiritus sancti disputatur 2.9.2.1. Im Zusammenhang der Darlegung der Lehre von der regeneratio (Abs. 63) hatte Calvin gezeigt, daß auch im wiedergeborenen Menschen ein Zündstoff des Bösen, fomes mali, verbleibe. Alle „scriptores saniori iudicii" seien sich darüber einig. Gleichwohl, und dies ist nun in unserem Zusammenhang wieder bezeichnend, reiche es Calvin zufolge, auf Augustin zu verweisen, „qui fideliter magnaque diligentia omnium sententias collegit" 1 6 9 . Den bereits beobachteten dialogisch-diskursiven Arbeitsstil finden wir auch in diesem Abschnitt wieder. Calvin räumt selbst ein, daß Augustin diesen fomes nicht peccatum sondern infirmitas nenne, eine Tatsache, aus der man vielleicht einen Gegensatz zu ihm [Calvin] konstruieren könne. Bezeichnend ist sodann > « Vgl. hierzu unten S. 179 f. Inst. (1543), O S III, X V I I I , 30 f. Calvin schreibt: „Augustinus Epist. 7. E g o ex eorum numero me esse profiteor qui scribunt proficiendo, et scribendo proficiunt", Inst. (1543), C O 1 , 2 5 6 / O S III, 7, 7 - 9 ; vgl. Epist. 1 4 3 , 2 , P L 33,385,47-49. 167

1 6 8 Eine interessante Parallele findet sich in der Epistre au Lecteur zu der Schrift L a F o r m e des prieres et chantz ecclesiastiques vom 10. Juni 1543. Auch hier nimmt Calvin mehrfach auf den Kirchenvater Bezug, vgl. OS II, 1 2 - 1 8 . 16» Inst. (1543), C O 1 , 3 4 8 / O S I V , 6 5 , 2 5 f.

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aber Calvins Argumentationslinie: Augustin „wage" es nicht, dieses Defizit peccatum zu nennen, „non audet". Ein Argument, das Calvin 1559 selbst als zu schwach erkennt, welchem Mangel er folgerichtig mit einer Hinzufügung begegnet. 1559 (!) schiebt er ein Zitat aus Augustins Sermones de verbis apostoli 6 ein 1 7 0 ; nun kann er darlegen: „neque tarnen semper a peccati nomine a b s t i n e t . . . quibus verbis fatetur [Augustinus], quatenus obnoxii sunt fideles concupiscentiis carnis, peccati esse reos" 1 7 1 . Deutliche Parallelen im Argumentationsstil finden sich zwei Abschnitte weiter in der Ausgabe von 1543 (!). So schreibt Calvin: „Neque vero ab hac doctrina tantum discedit Augustinus, quantum in speciem apparet. D u m invidiam plus aequo reformidat, qua eum gravare studebant Pelagiani, a peccati nomine interdum abstinet . . . quum tarnen scribit, manente in sanctis peccati lege, tolli duntaxat reatum, satis indicat se non adeo a sensu nostro abhorrere" 1 7 2 . Die ausgewählten Beispiele zeigen, wie in Calvins dialogisch-diskursiv aufgebauten Argumentationsduktus und in seine von einer größeren Gesamtsicht Augustins bestimmte Argumentation, der Calvin dann sehr wohl kleinere Unregelmäßigkeiten einzuordnen vermag, Tendenzen zum Psychologisieren Eingang finden. Erklären läßt sich freilich letzteres aus einem immer deutlicher zutage tretenden Harmonisierungsinteresse. Daß Calvin sich überdies um ein besonderes Einfühlungsvermögen in die Situation der einzelnen Schriften Augustins bemüht, macht wenig später eine erklärende Bemerkung deutlich, die der Reformator im Hinblick auf den von ihm erwähnten Text aus In Evangelium Johannis tractatus 41 beibringt 1 7 3 . Calvin weist darauf hin, daß, nachdem Augustin die Pelagianer niedergeworfen hatte, er nunmehr in der Homilia 41 frei hätte reden können: „ubi ex animi sui sensu sine contentione loquitur" 1 7 4 . Das Interesse Calvins, Augustin in möglichst vielen Aussagen im Gleichklang mit den eigenen Argumenten zu wissen, zeigt sich ebenfalls im Abschnitt, in dem er die induratio abhandelt. Hatte er 1539 noch deutlich Kritik an Augustins Umgang mit dieser Frage geübt, jener sei von „illa superstitio" nicht frei und würde die induratio nicht der operatio Dei, sondern seiner praescientia zuordnen, so sucht er Augustin 1543 durch eine Gegenstelle aus Contra Julianum 3 wieder zu rehabilitieren, wo der Kirchenvater die Sünde der potentia Dei zuordnet 1 7 5 .

> 7 ° Gemeint ist Serm. verb. Αρ. 1 5 5 , 1 , P L 38, 841, 8 - 1 0 . 1 7 f ; vgl. Inst. (1559), OS IV, 66, 13 ff. 17

1 Inst. (1559), OS IV, 6 6 , 1 8 f.

172

Inst. (1543), C O 1 , 3 4 9 f / O S IV, 6 8 , 6 - 1 2

173

Vgl. In Ev. Johann. Tr. 4 1 , 1 2 , P L 3 5 , 1 6 9 8 , 4 4 - 5 0 .

Inst. (1543), C O 1, 3 5 0 / O S I V , 6 9 , 4 f. Vgl. ebd., C O 1, 3 5 3 / O S III, 293, 6 - 9 : „ E t Augustinus ipse libro contra Iulianum 5, longa oratione contendit, non permissionis tantum aut patientiae divinae esse peccata, sed etiam potentiae, ut sie priora peccata puniantur"; vgl. C . J u l . 3, 8 - 1 3 , P L 44, 7 8 6 - 7 9 1 . 174

175

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Arbeitsmethoden und Interpretationsprinzipien

2.9.3. Kapitel 3: De lege, ubi primum ostenditur officium ususque ipsius legis; tum de vero cultu etc. Auch das dritte Kapitel zeigt die oben beobachteten Tendenzen, zu glätten und zu harmonisieren und so Augustins Aussagen möglichst bruchlos in die Argumentationskette Calvins einzureihen. Noch 1539 hatte der Reformator bemängelt, daß Augustin in seinem Werk De spiritu et littera den usus politicus legis nicht deutlich genug beschrieben habe und hatte dies sodann 1539 damit erklärt, daß der Kirchenvater diesen zweiten usus wohl stark abhängig vom ersten, dem usus elenchticus, gedacht oder aber ihn nicht recht verstanden habe „non ... probe tenebat" 176 . Nun, 1543, setzt Calvin dem bezeichnenderweise hinzu: „oder Augustin habe nicht über die passenden Worte verfügt, um sein sonst richtiges Verständnis klar und einleuchtend darzustellen" 177 . Und wieder drückt sich in diesem Halbsatz beispielhaft die Tendenz aus, die wir in der Institutio von 1543 mehrfach beobachten können: die der Harmonisierung der Aussagen Augustins gepaart mit Elementen historischen Psychologisierens. 2.9.4. Kapitel 4: De votis ubi de monachatu agitur Breit läßt der Reformator Augustin in den drei Abschnitten über das Mönchtum der Alten Kirche zu Worte kommen 178 . Nachdem eine Parallele zum klassischen Alterum gezogen worden ist, werden Gregor von Nazianz, Basilius und Chrysostomus als testes für Calvins Wertung des Mönchtums in alter Zeit genannt: damals waren die „collegia monastica... seminaria ordinis Ecclesiastici" 179 . Nach dieser Grundsatzfeststellung schließt Calvin ein sich über drei Abschnitte erstreckendes Augustinreferat an, das seine Feststellung erhärten soll. Dabei sind folgende Besonderheiten in unserem Zusammenhang erwähnenswert: 1. In einem ersten Abschnitt werden die Augustinbriefe Epistola 48,2 und 60,1 angeführt 180 , um daraufhin zu einer ersten Schlußfolgerung zu kommen: „Ex his locis [nämlich den angeführten Augustinstellen] apparet, pios homines sese ad ecclesiae gubernationem monastica disciplina solitos fuisse praeparare, quo aptiores et melius formati tantum munus subirent" 181 . 2. Sodann geht Calvin dazu über, die forma des alten Klosterlebens zu schildern und auch dies tut er mit Augustin, wobei er vorab jene Werke des Kirchenvaters nennt, die er - Calvin - für diesen Sachverhalt als am bedeutend176

Inst. (1539), C O 1,431/OS III, 3 3 5 , 1 5 - 1 9 . Inst. (1543), C O 1, 431/OS III, 335,19f: „vel quod verba non habebat quibus rectum alioqui sensum ita distincte et perspicue explicaret". 17 » Vgl. ebd., C O 1,441 f f / O S V, 244 ff. 179 Ebd., C O 1,442/OS V, 245,1. «o Vgl. ebd., C O 1,442/OS V, 2 4 5 , 5 - 2 6 ; vgl. Epist. 48,2 und 60,1, PL 33, 188, 1 5 - 2 5 und 228, 1-15. 181 Ebd., C O 1,442/OS V, 2 4 5 , 2 6 - 2 8 . 177

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sten ansieht: De moribus ecclesiae catholicae und De opere monachorum 182 . Auch die Weise, wie Calvin nun mit den angeführten Werken verfährt, legt er dem Leser dar: „Ego hie eorum [librorum] quae tradit summam ita colligam, ut verbis quoque eius, quoad licebit, utar" 183 . Diese summarische Zusammenfassung erfolgt gleichwohl recht ausführlich, unterbrochen durch kurze und zusammenfassende Einschübe. Die Schilderung aufgrund des augustinischen Textmaterials schließt mit einer Wertung Calvins: „his verbis, veluti in tabula, qualis olim fuerit monastice, repraesentasse visus est sanctus ille vir" 184 . 3. Die Klimax des Abschnittes endet in dem summarischen Vergleich des altkirchlichen Mönchtums mit dem gegenwärtigen Mönchtum. Dabei unternimmt Calvin eine zusammenfassende Interpretation der von ihm angeführten Augustin texte: Einleitend und grundsätzlich stellt er fest, Augustin habe von einem „sanctus ac legitimus monachismus" gesprochen, als einem Bereich und einer Lebensweise, die das göttliche Wort als frei zu wählen erlaube 185 . Dieser Grundsatzfeststellung schließt sich nun eine in abwechselnder Reihenfolge gestaltete Konfrontation von Charakterisierungen des Mönchtums bei Augustin und Beobachtungen am gegenwärtigen Mönchtum an. Calvin schließt diesen Vergleich wenig später: „Hac veteris et hodierni monachismi comparatione effecisse me quod volui confido, ut appareat, cucullatos nostros ad professionis suae defensionem, primae Ecclesiae exemplum falso praetexere: quandoquidem ab illis non minus differunt quam simiae ab hominibus" 186 . Die vorangegangenen Passagen haben gezeigt, wie auch in der Frage des Mönchtums Augustin wiederum als Garant für die Scheidung zwischen klarer und korrumpierter Lehre eingesetzt wird und mit welcher Stringenz Calvin Aussagen Augustins der römischen Lehre entgegenstellt. Dennoch, und dies erscheint neben den sonst von Calvin gepflegten Harmonisierungsbestrebungen bemerkenswert, trägt der Reformator im weiteren Verlauf des Kapitels seine grundsätzliche Kritik am Mönchtum überhaupt vor. Darin formuliert er gleichzeitig einen deutlichen Dissens zum Kirchenvater. Aber auch hier tut er es, soweit es Augustin betrifft, in gemäßigter Form, wie etwa der folgende, das Problem einleitende Satz zeigt: „Interim non dissimulo, vel in illa quam Augustinus commendat prisca forma esse nonnihil quod mihi parum placeat" 187 . 2.9.5. Kapitel 6: Explicatio primae partis symboli, ubi de fidei materia, de Trinitate etc. Programmatisch ist die auch 1543 wieder zu beobachtende lehrmäßige Reihung: Heilige Schrift (insbesondere Paulus) - Augustin. So fügt Calvin etwa in Ebd., CO 1,442f/OS V, 245 f. Ebd., CO 1,442/OS V, 246, lf. 184 Ebd., CO 1,444/OS V, 247,19 f. iss Ebd., CO 1,444/OS V, 247,29f. 186 Ebd., CO l,448f/OSV, 253,20-24. 187 Ebd., CO 1,448/OS V, 253,24-26. 182 183

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Arbeitsmethoden und Interpretationsprinzipien

die im übrigen biblisch begründete Argumentation von 1539 beim Erweis der deitas Spiritus - wobei hier die Abfolge in den angeführten Texten Paulus, Petrus und Jesaja war - 1 5 4 3 unmittelbar nach Paulus ein Augustinzitat aus der Epistola 170,2 ein188. Deutlich wird also Calvins Intention: Augustin ist der Interpret paulinischer Lehre in der Alten Kirche. Wenig später führt der Reformator in anderem Zusammenhang vor, welcher Art sein Augustinbild ist: Auch hier erscheint Augustin wiederum als Inbegriff der wahren Lehre in der Alten Kirche. So hatte Calvin bereits 1539 unter der Ankündigung nunmehr die „scriptores ecclesiastici" und den „sensus sententiae veterum" anzuführen, fast ausschließlich Augustin zitiert; 1543 steigert er dies durch nochmalige Anreicherung der Argumentation um vier weitere Augustintexte189. Bewußte Plazierung, ebenso bewußte Auswahl und schließlich eine Eingrenzung auf Augustin, den er immer wieder in der bewährten Form knapper Kerntexte anführt, verrät uns immer deutlicher, unter welcher Prämisse Calvin Augustinarbeit betreibt und welche inhärenten Prinzipien seine Textarbeit bestimmen: Augustinaussagen und -texte, aber auch die bloße Chiffre ,Augustin' werden eingepaßt in ein gesamttheologisch-dogmatisches Konzept. An den verschiedensten Stellen scheint dies im Duktus der Argumentation der Institutio durch. Die Frage nach Calvins Interpretations- und Arbeitsprinzipien im Umgang mit Augustintexten wird damit zur Frage nach Calvins Verständnis von Schrift, Tradition und Geschichte. Beiden Fragen werden wir im weiteren Verlauf unserer Arbeit nachgehen. 2.9.6. Kapitel 7: Explicatio secundae partis symboli, ubi de incarnatione etc. Innerhalb der Explikation der symbolischen Formel „qui conceptus est e spiritu sancto, natus e Maria virgine" gibt Calvin als Grund der reconciliatio die dilectio Dei an 190 . Und wiederum führt er, nachdem er auf Eph 1,4; Joh 3,16 und Rom 5,10 verwiesen hatte, ein Augustinreferat aus In Evangelium Johannis tractatus 110,6 als Exemplifizierung seiner Ausführungen an191. Zwar leitet Calvin das bis auf wenige Stellen mit dem Augustintext identische Referat wie folgt ein: „Verum quo firmiora sint apud eos qui veteris Ecclesiae testimonium 1 8 8 Vgl. ebd., C O 1, 4 8 8 / O S III, 128, 2 6 - 3 6 : „ N e c vero quum de ipso Scriptura loquitur, a Dei appellatione abstinet. Paulus enim nos esse templum Dei ex eo colligit quia Spiritus eius habitat in n o b i s . . . Q u o d non est leviter praetereundum; siquidem quum toties promittat Deus se electurum nos sibi in templum, non aliter impletur ea promissio quam eius Spiritu in nobis habitante. / [Einschub 1543:] / Certe ut praeclare dicit Augustinus, Si ex lignis et lapidibus templum Spiritui facere iuberemur, quia cultus hie soli D e o debetur, d a r u m esset divinitatis eius argumentum; nunc ergo quanto clarius istud est, quod non templum illi facere, sed nosipsi esse debemus"; vgl. auch Epist. 1 7 0 , 2 , P L 33, 7 4 9 , 1 5 - 1 9 . 1 8 9 Vgl. ebd., C O 1 , 4 9 1 / O S III, 1 3 3 , 2 - 1 6 ; vgl. die angeführten Passagen aus Epist. 2 3 8 , 2 , 1 4 , P L 3 3 , 1 0 4 3 , 4 2 - 4 4 ; E n . in Ps. 1 0 9 , 1 3 , P L 3 7 , 1 4 5 7 , 1 3 - 1 8 ; I n E v . Johann. T r . 3 9 , 1 - 5 , P L 3 5 , 1 6 8 2 - 1 6 8 3 ; E n . in Ps. 6 8 , 1 , 5, P L 36, 8 4 5 , 2 7 - 3 2 .

w 191

12.

Vgl. ebd., C O 1 , 5 1 7 f f . Vgl. ebd., C O 1 , 5 2 5 f/OS III, 4 8 5 , 1 5 - 3 6 ; vgl. In E v . J o h a n n . T r . 1 1 0 , 6 , P L 3 5 , 1 9 2 3 , 4 4 - 1 9 2 4 ,

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requirunt, citabo locum Augustini, ubi id ipsum docetur" 1 9 2 , gleichwohl muß gefragt werden, welchen Stellenwert man seinen eigenen Worten hier wirklich beimessen darf. Ebensogut könnte die oben zitierte .Entschuldigung' auch wegfallen, ein Bruch in der calvinischen Argumentation wäre damit keineswegs gegeben. Vielmehr korrespondiert der Augustintext so sehr mit dem calvinischen Gesamtargumentationsduktus, daß der Reformator, um deutlich zu machen, daß die Augustinworte nicht seine eigenen sind, 1550 (!) noch ein „Haec sunt Augustini verba" anschließt 193 . Bestätigt finden wir unsere Interpretation, daß Calvin Augustin keineswegs nur aus Rücksichtnahme auf dogmatische Traditionalisten zitiert, wenig später aus Calvins eigener Feder: Bei den Ausführungen Calvins zum „Ascendit in coelum; sedet ad dexteram Dei patris omnipotentis" zitiert er wiederum aus Augustins Johannes-Traktat 194 und leitet enthüllend wie folgt ein: „Hoc Augustini verbis malo quam meis explicare" 195 . Bei den erwähnten Beispielen haben wir uns auf eindeutig nachzuweisende Augustintexte beschränkt. Noch stärkeres Gewicht erhalten unsere Ergebnisse, wenn man beachtet, wie groß die wachsende Anzahl versteckter Anspielungen auf Augustintexte in der Institutio ist 196 . 2.9.7. Kapitel 9: De poenitentia Nachdem Calvin im achten Kapitel im Zusammenhang mit dem Aufweis der Gefahren radikalisierter Kirchenzucht Augustin in seiner Auseinandersetzung mit den Donatisten breit angeführt und implizit eine Gleichsetzung der Donatisten mit den Wiedertäufern und Augustins mit der zu hörenden und zu akzeptierenden Wahrheit vorgenommen hatte 197 , kehrt in Kapitel neun folgende bekannte Stilfigur wieder: Zu einem 1536 bis 1539 biblisch fundierten Argumentationsduktus gesellt Calvin 1543 abschließend Augustinzitate eingeleitet mit der beispielhaften Formulierung: „Atque in hunc modum interpretatur Augustinus claris verbis" 198 oder „quod si alium quoque Interpretern requirunt, audiant Augustinum" 199 . So werden Calvins Argumente in vielen Bereichen seiner Institutio über die auch 1536 bis 1539 beobachtete starke Verschränkung mit dem biblischen, v.a. paulinischen, Text hinaus 1543 an vielen Stellen mit augustinischem Textmaterial angereichert. Aus dieser Verschränkung und Reihung teilt sich dem Leser aber auch eine gewollte Wertung mit. Dem gelegentlich angeführten Hinweis Calvins, er zitiere Augustin nur aus dem Grunde, um die novitas der eigenen Ebd., C O 1 , 5 2 5 / O S III, 4 8 5 , 1 5 - 1 7 . Inst. (1550), C O 1,526/OS III, 4 8 5 , 3 5 f . 19* Vgl. Inst. (1543), C O 1,532/OS III, 502,18 ff; vgl. in Ev.Johann. Tr. 106,2, P L 3 5 , 1 9 0 9 , 8 - 1 3 . 1 9 5 Ebd., C O 1, 532/OS III, 502,18. 1 9 6 Siehe die wertvolle Grundlagenarbeit von L. Smits, a.a.O. und R. J. Mooi. 1 9 7 Vgl. Inst. (1543), C O 1 , 6 6 4 - 6 6 7 / O S V, 2 2 2 - 2 2 4 ; vgl. analog dazu auch unsere Beobachtungen in den Institutionsausgaben von 1536 und 1539, oben S. 64 und 72 f. 1 9 8 Ebd., C O 1, 722/OSIV, 1 1 9 , 5 f ; vgl. auch OS IV, 1 2 0 , 4 - 6 . 1 9 9 Ebd., C O 1, 717/OSIV, 136,22 f. 192 193

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Arbeitsmethoden und Interpretationsprinzipien

Lehre abzuwehren, darf somit keineswegs zu große Bedeutung beigemessen werden 200 . 2.9.8. Kapitel 10: De iustificatione et meritis operum Ahnlich angelegt ist Kapitel 10: Wenn es um die Heraushebung der sola spes und die Abweisung der opera geht, so verweist Calvin neben der Schrift 1543 auch auf die Lehre der „omnes pii scriptores". Erwartungsgemäß zitiert er sodann Augustin 201 . Aber auch hier wird sein Zitat eingepaßt in die Gesamtargumentation. Dialogisch-diskursiv läßt Calvin sogleich einige Fragen zur von Augustin angeschnittenen Problematik sich anschließen, die er humanistischrhetorischer Gepflogenheit entsprechend mit „quid audimus?" einleitet 202 . Aber auch interpretierend, verdeutlichend oder abschließend zusammenfassend können die von Calvin neu angeführten Augustintexte sein 203 . Auch die bereits 1539 breit entwickelte Aussage: „opera esse dona Dei" wird in einem zusammenfassenden Abschnitt 2 0 4 mit einem Zitat aus Augustins Enarrationes in Psalmos expliziert 205 . Hatte Calvin jedoch 1539 noch zusammenfassend wie folgt begonnen: „Videmus iam non eam in sanctis fiduciam operum esse . . . (quando ea non aliter quam Dei dona intuentur, unde eius bonitatem recognoscant...)", so wird 1543 bezeichnend ergänzt: „Hoc ipsum Augustinus paucis verbis, sed eleganter significat, quum scribit..." 2 0 6 , worauf dann das Augustinzitat folgt. Aber auch dieses Zitat wird ganz eingebunden in den eigenen calvinischen Argumentationsduktus. So faßt der Reformator den Text erklärend zusammen: „Duas causas p o n i t . . . unde f i t . . . " und stellt damit ganz deutlich eine direkte Rückkopplung dar und folgert dann abschließend: „Ergo non aliter Deum intueri vult sua recte facta quam ut vocationis suae gratiam in illis recognoscens, opus quod inchoavit perficiat" 2 0 7 . Auf die eben beschriebene Weise vermeidet es Calvin, die von ihm eingefügten Augustintexte als Anhängsel oder formale dicta probantia erscheinen zu lassen. Durch die Nennung Augustins in der erwähnten Häufigkeit und mit der Einbindung in den eigenen 2 0 0 Vgl. ebd., C O 1, 7 2 6 / O S I V , 1 2 4 , 2 8 - 1 2 5 , 2 : „Sic et Augustinus . . . Has sententias ideo citare placuit, necui videretur nova aut minus usitata locutio quam posui." 201 Vgl, e b d „ C O 1, 7 4 8 / O S IV, 210, 7 - 1 3 : „ N e c in sacris m o d o Uteris extant talia exempla: sed omnes pii scriptores hunc sibi sensum fuisse demonstrant. Sic Augustinus, Omnium, inquit, piorum sub hoc onere corruptibilis carnis et hac vitae infirmitate gementium una spes est, quod Mediatorem unum habemus Iesum Christum iustum: et ipse est exoratio pro peccatis nostris . . . Quid audimus? si unica haec illis spes est, ubi operum fiducia?" ; vgl. C . Pelag. III, 5 , 1 5 , P L 4 4 , 5 9 9 , 3 2 — 3 6 . 202 Vgl. ebd.; Calvin schließt daran eine Darlegung der Position Bernhards an, vgl. C O 1, 7 4 8 / O S IV, 2 1 0 , 1 4 f f . Siehe eine ganz ähnliche Argumentationsstruktur unten C O 1, 7 5 4 / O S IV, 2 1 8 , 31 ff.

203 Siehe etwa ebd., C O 1 , 7 5 6 / O S I V , 2 2 2 , 2 6 - 3 0 ; vgl. C . J u l . IV, 3 , 2 5 f, P L 4 4 , 7 5 1 , 7 f. 28 f oder C O 1, 7 5 6 / O S IV, 2 2 2 , 3 5 - 2 2 3 , 1 : „Secundum hanc rationem illud ab Augustino dictum est, Religio nostra iustos ab iniustis non operum, sed ipsa fidei lege discernit: sine qua quae videntur bona opera, in peccata vertuntur", vgl. C. Pelag. III, 5 , 1 4 , P L 4 4 , 5 9 7 , 5 5 - 5 9 8 , 2 . 4 0 - 4 1 . Vgl. ebd., C O 1, 7 6 8 / O S , 238, 7ff. °5 Vgl. E n . in Ps. 1 3 9 , 1 8 , P L 37, 1 7 8 3 , 4 8 - 1 7 8 4 , 3; vgl. OS IV, 2 3 8 , 1 2 f .

204 2

20

« Inst. ( 1 5 3 9 / 1 5 4 3 ) , C O 1, 7 6 8 / O S IV, 238, 7 - 1 4 .

207

Inst. (1543), C O 1, 7 6 8 / O S IV, 2 3 8 , 2 1 - 2 7 . Eigene Kursivierung.

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Text prägt Calvin dem Leser überdies ein Gesamtbild ein. So drängen sich die Schrift und Augustin schon äußerlich als die entscheidenden Komponenten der Institutio auf. 2.9.9. Kapitel 16: De sacramentis Wir überspringen die Kapitel 11 — 15, die zu unserer Fragestellung wenig Neues liefern, und kommen zu einem weiteren Zentralabschnitt der Institutio, den Sakramenten. Nachdem Calvin seine Grundsatzdefinition des Sakraments als symbolum promissionis Dei und .gegenseitiges testimonium' gegeben hat 208 , konfrontiert er diese mit der klassischen Definition Augustins: „sacramentum esse . . . rei sacrae visibile signum" 2 0 9 , „aut invisibilis gratiae visibilem formam" 2 1 0 , wie sie sich ebenfalls im vierten Sentenzenbuch des Lombarden findet 211 . An die zitierten Definitionen Augustins schließt Calvin dann unmittelbar folgernd an: „sensu nihil differt: rem vero ipsam melius ac certius [mea definitio] explicat" 212 . Dieser programmatischen Ubereinstimmungserklärung, nunmehr 1543 bereits in den ersten Abschnitt (!) 213 von Kapitel 16 aufgenommen, läßt der Reformator sodann verhaltene Kritik folgen und nimmt damit seiner dialogischdiskursiven Methodik entsprechend Rückfragen und Kritik bereits in seine Darlegung auf: Augustins brevitas beinhalte eine gewisse obscuritas und könne daher Anlaß zum „hallucinari" bieten, daher, und nun begründet Calvin seine Definition, die er allerdings keinswegs im Gegensatz zu Augustin wissen möchte, „volui pluribus verbis pleniorem reddere sententiam" 214 . Der sonst von Calvin hochgeschätzten brevitas wird hier bewußt die breitere Ausführung gegenübergestellt: So suggeriert Calvin zu Anfang seiner Ausführungen zum Sakrament bewußt Ubereinstimmung mit Augustin; auch wenn keine Einheitlichkeit in der forma bestehe, im sensus seien sich beide einig. Diese Grundsatzübereinstimmung im sensus sucht Calvin sodann drei Abschnitte weiter durch einen ebenfalls 1543 eingeschobenen Zusatz zu verdeutlichen, indem er Augustins Lehrweise zum Verhältnis von verbum und elementum zusammenfassend darstellt 215 , obwohl er wenig später bereits 1539 eine Interpretation dieser Augustinstellen gegeben hatte 216 . Deutlich wird auch hier ein gewisses Schema, welches Calvin 1543 einführt und das sich sinngemäß eng an das bisher Beobachtete anschließt: 1. Ubereinstimmungserklärung im Grundsatz. 2

°8 Vgl. ebd., C O 1,938f/OS V, 259,4 f. 9. Ebd., C O 1,939/OS V, 259,11 f; vgl. Catech. rud. 26, 50, PL 4 0 , 3 4 4 , 5 2 - 5 3 . 210 Ebd., C O 1,939/OSV, 259,12f;vgl. Epist. 105,3,12, PL 33,401,16fundQuaest. Hept. III, 84, PL 34, 7 1 2 , 3 3 - 3 6 . 211 Vgl. P. Lombardus Sent. IV dist. 1 c.2, Ed. Ad ciaras Aquas II, 232. 212 Inst. (1543), CO 1,939/OS V, 259,13 f. Eigene Kursivierung. 213 Vgl. ebd., CO 1,938 f. 214 Ebd., C O 1,939/OS V, 259,15 f. 215 Vgl. ebd., CO 1,940/OS V, 261,17ff; vgl. hierzu In Ev. Johann. Tr. 80,3, PL 35,1840,24-44. 216 Vgl. Inst. (1539), C O 1,941 f. 209

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Arbeitsmethoden und Interpretationsprinzipien

2. Darlegung im einzelnen. 3. Interpretation und damit wieder Verschränkung mit der eigenen Argumentation. Ganz ähnlich verfährt er in Abschnitt 15 und 16 von Kapitel 16: So bespricht er in einem 1543 eingeführten Einschub die augustinische Unterscheidung von sacramentum und res sacramenti, wobei er das darin gegebene Diskussionsfeld auf die Fragen nach verbum, fides und communicatio cum Christo zuspitzt 217 und im folgenden expliziert. Knappe Bündelung und Systematisierung treten somit immer wieder an die Seite wortgetreuer Zitierweise. Dabei fällt jedoch auf, daß Calvin sich in seiner Augustinrezeption und Textbehandlung zur Sakramentsfrage weitgehend auf die traditionell rezipierten theoretischen Passagen im Werk Augustins beschränkt und etwa die Zweigleisigkeit der Behandlung dieser Frage durch den Kirchenvater nicht als Problem erörtert 218 . Wiederum führt der Reformator Augustin als Gewährsmann und gleichdenkenden Weggefährten dort an, wo er die Gleichheit der Sakramente des mosaischen Gesetzes mit denen der christlichen Kirche - eine Gleichheit in aller Verschiedenheit - grundsätzlich heraushebt, wobei auch hier, wenn auch nur in einem Nebensatz, eine allgemeine Wertung des Kirchenvaters angeschlossen wird: „...voluit idem Augustinus (quem ut optimum ex tota antiquitate et fidelissimum testem saepius citamus)" 219 . Wieder scheint das auch oben beobachtete Prinzip durch 220 . 2.9.10. Wir fassen zusammen: Grundsätzlich läßt sich Calvins Umgang mit Augustin 1543 einerseits mit der Tatsache des seiner Institutio vorangestellten Augustinzitats, das dadurch programmatische Leitfunktion erhält, umschreiben 221 , andererseits durch zwei kurze Sätze aus Kapitel 18 seiner Institutio von 1543: „Augustinus . . . sine controversia est noster" 222 und „Age, audiamus Augustinum, quem unum habemus in dogmatibus Ecclesiae fidelissimum vetustatis Interpretern"223. Die Ausgabe von 1543 ist die Durchführung dieser Grundsatzerklärungen und bildet damit eine stringente Weiterführung und Ausführung der calvinischen Arbeitsprinzipien von 1539. Im einzelnen treten dabei folgende Elemente besonders nach vorn: 1. Calvins dialogisch-diskursive Arbeitsweise mit Augustin wird deutlich eingebunden in sein Bemühen, Übereinstimmung zwischen Augustin und den eigenen Aussagen einleuchtend darzustellen. 2

" Vgl. Inst. (1543), C O 1 , 9 4 8 f / O S V, 2 7 2 , 1 5 - 2 7 3 , 1 3 .

Vgl. ebd.; zum Problem der Zweigleisigkeit siehe L. J . van der Löf, Eucharistie et presence reelle selon S. Augustin, R E A 10 (1964), 2 9 5 - 3 0 4 . 218

219

Ebd., C O 1, 9 5 8 / O S V, 2 8 4 , 3 0 - 3 2 ; eigene Kursivierung.

220

Vgl. hierzu S. 142 f. Vgl. oben A n m . 167.

221 222

Inst. (1543), C O 1 , 1 0 0 5 Anm. 1 / O S V, 3 8 1 , 2 7 f .

223

Ebd., C O 1 , 1 0 0 6 7 0 S V, 3 8 0 , 3 7 - 3 8 1 , 2 0 .

Defensio doctrinae de Servitute humani arbitrii

87

2. Dieser Gesamttendenz dienen verstärkte Harmonisierungsbestrebungen, die gelegentlich mit Tendenzen zum historischen Psychologisieren einhergehen. 3. Augustin wird dem Leser von 1543 als Garant für die Scheidung zwischen klarer, reiner und korrumpierter Lehre dargestellt. 4. Dieses erscheint verknüpft mit der schon früher beobachteten programmatischen Reihung: Heilige Schrift (insbesondere Paulus) - Augustin - dogmatische Aussagen Calvins. 5. Augustinreferat und Augustininterpretation sind gegenüber den vorangegangenen Institutioausgaben merklich erweitert und differenzierter geworden; gleichzeitig ist aber die Verschränkung mit dem eigenen Argumentationsduktus auch noch einmal qualitativ gesteigert.

2.10. Defensio sanae et orthodoxae doctrinae de Servitute et liberatione humani arbitrii (1543) 2.10.1. Ebenfalls 1543 erscheint in Genf Calvins gegen Albert Pigge gerichtete Streitschrift über den ,unfreien Willen' 224 . Calvin schließt sich darin eng an die von Pigge aufgeworfenen Fragen und Vorwürfe an. Obwohl diese Arbeitsweise den Aufbau seiner Schrift beeinflußt 225 , die somit ein weniger geschlossenes Konzept vorführt als seine Institutio, ist diese Streitschrift dennoch aufschlußreich für unseren Zusammenhang. Sie vergegenwärtigt, auf welche Weise das in der durchkomponierten Institutio verwendete Konzept des Umgangs mit Augustin auch in die Polemik Eingang findet. Mit ca. 480 verarbeiteten Augustinzitaten stellt dieses Werk überdies einen weiteren Markstein calvinischer Augustinrezeption dar 226 . Gewidmet ist die Defensio bezeichnenderweise Philipp Melanchthon, den Calvin in dieser Sache mit Recht als seinen Mitstreiter reklamiert 227 . Gleich zu Beginn werden Calvins grundsätzliche Wertungsschemata deutlich, indem er auch hier vehement den Vorwurf der novitas seiner Lehre von sich weist und demgegenüber betont, daß vielmehr die reine Lehre mit den Evangelischen wieder ans Tageslicht gekommen sei: „me vero nihil aliud quaerere, nisi ut pura 224 Calvin bezieht sich auf Albertus Pighius: D e libero hominis arbitrio et divina gratia libri decern. Vgl. hierzu oben S. 20. 225 Calvin betrachtet jedes Buch der Schrift des Pighius für sich, wobei er hier die ersten sechs von insgesamt zehn bearbeitet und 1552 auf die Fragen der Prädestination gesondert eingeht; vgl. unten S. 9 5 - 1 0 1 . 226 Zur Bestimmung der Anzahl von Augustinzitaten vgl. L. Smits, a.a.O., I, 84 und R. J. Mooi, a.a.O., 374. 227 Vgl. Def. serv. arb., C O 6, 2 3 0 - 2 3 2 ; zum Verhältnis Calvins zu Melanchthon siehe unten S. 1 7 0 - 1 7 2 und 1 7 6 - 1 7 9 .

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Arbeitsmethoden und Interpretationsprinzipien

et simplex Dei Veritas ... eluceat" 228 . Wenig später spezifiziert Calvin dies in der schon öfters beobachteten ihm eigenen programmatischen Weise am Ende des ersten Abschnittes: „Nos quidem, si nescit, neque sapientia nostra, neque fortuito excitati sumus ad hoc ministerium, sed certo et stabili Dei consilio, efficacique spiritus sancti motu. Neque enim separatem habemus rationem a Paulo, qui et Dei electione se fuisse ab utero destinatum ad munus apostoli praedicat, nec se ante coepisse, quam dies venisset a Deo constituta... Simul enim certi sumus, secundum hanc Dei electionem, nos ministerium exercere, et ei acceptum, et in salutem fidelium efficax, et ecclesiae salutare. Atque, ut verbis etiam Augustini loquar, exhortamur et praedicamus, ut qui aures habent audiendi, audiant.. ," 229 . Ministerium nostrum, Paulus und Augustin werden auch hier wiederum auffällig zu einer Gesamtschau verbunden und als Trias im Dienste der polemischen Argumentation eingesetzt 230 . 2.10.2. In einem zweiten Abschnitt geht Calvin auf die Vorwürfe Pigges ein: dieser hatte ihn und die Evangelischen mit den Häretikern der Alten Kirche verglichen 231 . Der Reformator tritt dem mit einer Reihe von Augustintexten entgegen 232 und folgert abschließend: „Si hodie viveret Augustinus, causaeque nostrae defensionem ex professo susciperet, non posset clarius exprimere, quod ad refutandam huius convicatoris calumniam sufficiat" 233 . Verhalten, aber dennoch deutlich steht das schon oft beobachtete Schema der situationstypischen und sachtypischen Parallelisierung Augustin - Calvin im Hintergrund. Auch Angriffe des Pighius gegen Luther 234 werden mit Augustin zurückgewiesen, woran sich einige grundsätzliche Bemerkungen zum Verhältnis von Schrift und Tradition anschließen 235 . 2.10.3. Die markantesten Passagen finden sich im dritten Abschnitt, wo Calvin sich mit dem seiner eigenen Augustininterpretation gewidmeten Buch 3 von Pigges Schrift De libero arbitrio befaßt 236 . Calvin nimmt zu den einzelnen Vorwürfen von Pighius Stellung: „Primum, abruptas me nec intellectas Augustino sententias citare causatur" 237 . Diesen von Pighius auf Calvins Institutio von 153 9 238 bezogenen Vorwurf sucht der Reformator mit 11 weiteren wörtlichen Augustintexten, die er nun anführt, zu entkräften, um dadurch um so deutlicher zu machen, daß seine Auswahl einer 228 Ebd., C O 6 , 2 3 6 , 3 0 - 3 2 . 229

Ebd., CO 6 , 2 5 4 , 3 5 - 4 8 ; eigene Kursivierung. 230 Vgl. die Parallelen oben S. 69, 72 und 76. 231 Vgl. Def. serv. arb., CO 6,261 ff; siehe auch A. Pighius, De libero arbitrio, fol. 16ff. 232 Insbesondere Epist. 36, 9, 21, PL 33, 145, 5 1 - 5 4 und Passagen aus De haer. 1 1 - 7 0 , PL 42, 2 7 - 4 0 führt Calvin an; vgl. Def. serv. arb., CO 6,262ff. 2" Def. serv. arb., C O 6 , 2 6 4 , 2 9 - 3 2 . 2W Vgl. A. Pighius, De libero arbitrio, fol. 17ff; Def. serv. arb., CO 6 , 2 6 4 - 2 6 6 . 235 Vgl. Def. serv. arb., CO 6,273f; siehe hierzu unten S. 118-132. 236 Vgl. A. Pighius, De libero arbitrio, fol. 3 7 r - 5 8 r . Vgl. oben S. 20 Anm. 5. 237 Def. serv. arb., CO 6,292,47f; vgl. A. Pighius, De libero arbitrio, fol. 37r unten. 23 » Vgl. Inst. (1539), CO 1,320f/QS III, 249-251; vgl. oben S. 69ff.

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Gesamtschau der theologischen Aussage Augustins entspringe: „Quod si vel abruptum vel obscurum Pighio videtur, audiat ex eodem libro 239 interpretationem" 2 4 0 . Stärker und unmittelbarer als in der Institutio wird hier der Streit um die angemessene Augustininterpretation im harten Schlagabtausch vorgeführt. Gleichermaßen stehen dabei die Institutio von 1539 und die Kampfesschrift von Pighius im Hintergrund. Greifbar spiegeln sich aber auch hier die Prinzipien von Calvins Augustinverständis wider. Im einzelnen treten dabei folgende Züge charakteristisch hervor: Zwar stimmt auch Calvin grundsätzlich der gleichermaßen von Pighius vertretenen Aufteilung des augustinischen Werkes in drei große Abschnitte - vor, in und nach den pelagianischen Streitigkeiten - zu 241 , jedoch wehrt er sich vehement gegen die Wertung des Pighius, wonach Augustin in seinem Spätwerk an Klarheit eingebüßt habe und die „nuda veritas" dort zurücktrete 242 . Im Gegenteil behauptet Calvin eine mit dem Alter zunehmende Entwicklung Augustins im Hinblick auf die vera und sana doctrina 243 . Dieser prinzipiell unterschiedlichen Bewertung des augustinischen (Euvres läßt Calvin sodann die spezielle Anwendung in den von Pighius angeführten Argumenten aus Augustin folgen: Pighius hatte zur Stützung und Verdeutlichung seiner Lehre vom liberum arbitrium Augustins De libero arbitrio 11,1,3 zitiert 244 , Calvin setzt gemäß seinem Grundsatz der vom Spätwerk bestimmten Gesamtschau seines Autors eine Stelle aus den Retractationes 1 , 9 , 2 entgegen 245 . Dabei läßt sich im weiteren Verlauf der Argumentation ein doppeltes methodisches Prinzip erkennen: 1. Die Widerlegung eines aus den Frühschriften entnommenen Arguments durch die Spätschriften und 2. Wenn möglich eine Widerlegung aus den Frühschriften selbst; entsprechend fragt er Pighius auf die Interpretation von Augustins De libero arbitrio bezogen: „Respondeo, cur non vertit paginam?" 246 Dabei wirft er Pighius immer wieder vor, Augustin nicht Augustin-gemäß zu interpretieren: „Sed si Augustinum recipimus sui (ipsius) Interpretern, tota difficultas erit ad solvendum facillima" 247 . 239

Gemeint ist Augustins C . Pelag. III, 7 , 2 0 , P L 4 4 , 6 0 3 , 3 3 - 3 6 .

240

Def. serv. arb., C O 6 , 2 9 3 , 3 2 f ; es folgen die 11 wörtlichen Augustinzitate.

2 4 1 Vgl. ebd., C O 6 , 2 9 4 , 1 9 — 2 7 : „Atque ita operum eius, quantum ad propositam quaestionem, tres classes facit [Pighius], Primam iis assignat, quae ante exortem Pelagiis haeresim scripsit; alteram his, quae in ipso contentionis fervore edidit contra Pelagium ipsum; tertiam iis, quae post remissum ac sedatum calorem composuit. H a n c distributionem ego quoque libenter recipio: nisi quod censuram illam, quam continuo subiungit, veram esse non c o n c e d o . " ; siehe hierzu A . Pighius, D e libero arbitrio, fol. 37 r. 242

Vgl. ebd., C O 6 , 2 9 4 , 3 2 f f und A . Pighius, D e libero arbitrio, fol. 3 7 v - 3 8 r .

243

Vgl. ebd., C O 6 , 2 9 4 , 3 4 - 3 8 und 2 9 7 , 2 0 f f . Vgl. A . Pighius, D e libero arbitrio, fol. 3 8 v - 3 9 r ; vgl. Augustins D e üb. arb. II, 1,3, P L 32,

244

1241. 245

Vgl. Def. serv. arb., C O 6 , 2 9 4 , 5 6 - 2 9 5 , 5 ; vgl. Retr. 1 , 9 , 2 , P L 3 2 , 5 9 5 , 2 9 - 3 2 . 3 6 - 3 8 .

246

Ebd., C O 6 , 2 9 6 , 1 9 . Calvin führt sodann den Text aus Augustins D e üb. arb. an.

247

Ebd., C O 6 , 2 9 9 , 1 f; es folgt die Interpretation des angeführten Textes.

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Arbeitsmethoden und Interpretationsprinzipien

Wie sehr die calvinische Gesamtschau Augustins sich auch niederschlägt in der Beurteilung der Echtheit von Augustinschriften, zeigt die Auseinandersetzung um die von Pighius als augustinisch zitierte pseudoaugustinische Schrift, dem Librum Hypognosticon 248 . Dabei markiert Calvin in folgendem Satz in aller Kürze seine gänzlich von der Art Pigges unterschiedene Umgangsweise mit dem Kirchenvater: „Primum iam ostendi, aliud to ties docere Augustinum; deinde satis inter eruditos convenit, non esse Augustini librum illum; tertio perperam interpretatur Pighius quod allegat" 249 . Pighius, so Calvin, sei eben nicht unter die eruditi zu rechnen. Eruditio aber, d. h. in diesem Zusammenhang an den humanistischen Prinzipien orientierte Umgangsweise mit Augustin, ist für Calvin eine conditio sine qua non 250 . Die meisten Vorwürfe gegen Pighius erklären sich aus diesem grundsätzlichen Vorwurf des Fehlens echter eruditio: Pighius zitiere verkürzt 251 ; Pighius reiße Augustinzitate aus dem Zusammenhang 252 ; oder Pighius habe Augustin nicht verstanden, weil er ihn nicht aus der augustinischen mens heraus auslege 253 . Entsprechend eindeutig meint Calvin denn auch feststellen zu können: „Quum tarn evidenter pro nobis loquatur Augustinus toto opere" 254 . Wenig später ist es die Verwendung der pseudoaugustinischen Schrift De dogmatibus ecclesiasticis durch Pighius 255 , die der Reformator zum Anlaß nimmt, herauszustellen, daß Pighius kein eruditus, kein ernsthafter Gesprächspartner sei. Calvin selbst begründet die Behauptung, daß die von Pighius angeführte Schrift nicht von Augustin stamme, mit folgenden Argumenten: a) Sie sei nicht in den Retractationes vermerkt 256 , b) die Schrift sei ganz im Gegensatz zu den anderen Schriften Augustins eine „mixta et confusa farrago variarum rerum" 257 , c) schließlich mache der Autor von De dogmatibus deutlich, daß er nichts von den Synoden von Mileve und Karthago gewußt habe, wohingegen Augustin doch bei ihnen anwesend gewesen sei258. Bezeichnend ist auch die über die Verwendung des Sermo de Tempore 236 durch Pighius geäußerte Bemerkung Calvins: „minime Augustini ingenium sapere mihi videtur" 259 . 24* Vgl. A. Pighius, a.a.O., fol. 49v. Def. serv. arb., C O 6,306,9—12. 250 Es fehlt bislang eine Arbeit zum Gebrauch des Begriffs ,eruditio' bei Calvin. Wertvolles Material stellt aber F. L. Battles, A concordance to Institutio bereit. 251 Vgl. Def. serv. arb., C O 6 , 3 1 4 , 8ff. 252 Vgl. ebd., C O 6, 315,12—15: „Sed quo iure Pighio licuit, parenthesin hanc attexere de suo, ac sic inserere contextui, ut pars esse videretur?" 253 Vgl. ebd., C O 6 , 3 1 6 , 4 - 6 . 254 Ebd., C O 6 , 3 1 7 , 4 7 f . Vgl. A. Pighius, a.a.O., fol. 57 r. 256 Vgl. Def. serv. arb., C O 6 , 3 1 8 , 2 3 f: „Primum, quum omnium operum suorum se catalogum in Retractationibus texuisse profiteatur Augustinus, de hoc opere nulla mentio." Ebd., C O 6, 3 1 8 , 2 7 f . 25 « Vgl. ebd., C O 6 , 3 1 8 , 3 2 ff. 259 Ebd., C O 6 , 3 1 9 , 2 0 f ; vgl. A . Pighius, a.a.O., fol. 58r.

Defensio doctrinae de Servitute humani arbitrii

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In allem, so der Reformator, habe Pighius getrachtet, dem Leser einen Augustin vor Augen zu malen, der ihm, Calvin, merklich widersprechen sollte, er habe nun aber klar gezeigt, „illum [Augustinum] prorsus nostrum esse" 260 . Daran schließt Calvin die Auskunft darüber an, was Augustin nun wirklich über das liberum arbitrium lehre 261 und gibt zunächst Rechenschaft über seine eigene Augustinarbeit: Zum methodischen Umgang mit den von ihm verwendeten Augustintexten stellt er eine rhetorische Frage und macht darin spiegelbildlich wieder seine eigenen Prinzipien deutlich: „An mutilas ac mancas sententias me decerpere causabitur, quae Augustini mentem minime demonstrent?... An me non fideliter citare? Atqui ad verbum descripsi. An de industria praeterire, quae mihi adversarentur?" 262 Sodann gibt er Rechenschaft, auf welche Schriften Augustins er sich in seiner Argumentation berufe. Es seien dies: De gratia et libero arbitrio, De correptione et gratia, De praedestinatione sanctorum und De dono perseverantiae. Erst dann erfolgt eine kurze Zusammenfassung der Hauptaussagen dieser Schriften zum liberum arbitrium 263 . Calvin schließt Kapitel 3 mit den bemerkenswerten Worten: „In hoc compendio si quid deprehendatur, quod non sit ex quatuor illis libris sumptum, causam non dico, quin me nullius fidei hominem totus mundus iudicet. Quid autem in tota nostra doctrina aliud continetur? Ergo etiamsi crepet Pighius, nobis extorquere non potest, quin Augustinus sit noster" 264 . Halten wir also fest: Aus den angeführten Beispielen zur Methodik, die Calvin im Umgang mit Augustintexten die Auseinandersetzung mit Pighius betreffend anwendet, wurde ersichtlich, mit welcher Vehemenz insbesondere die humanistischen methodischen Grundsätze von Calvin ins Feld geführt wurden. Viel mehr als es die Institutio vorgeführt hatte, legt Calvin hier wieder seine ersten Grundlagen offen. Dabei fällt auf, daß er, auf die reine Augustininterpretation angesprochen, wie hier in Kapitel 3, nicht von der bereits im dementia-Kommentar vorgeführten Methode abgewichen ist, diese hier vielmehr konsequent in der polemischen Situation zur Anwendung bringt. Zusammenfassend könnte man Kapitel 3 als den methodisch bewußt eng gefaßten Versuch Calvins bezeichnen, öffentlich vorzuführen, worin der von der humanistischen eruditio geprägte Umgang mit Augustin sich von „stümperhaftem" 265 Augustingebrauch unterscheidet. 2.10.4. Die Kapitel 4—6 bieten die auch sonst schon häufig beobachteten 260

Ebd., C O 6,320, lOf. Vgl. ebd., C O 6 , 3 2 0 - 3 2 6 . 262 Ebd., C O 6, 3 2 5 , 1 0 - 1 5 . 263 Vgl. ebd., C O 6, 325, 37ff: „ Q u i d autem hic docet Augustinus? Voluntatem hominis esse quidem liberam, sed non nisi ad m a l u m . . . " . 2 « Ebd., C O 6, 3 2 6 , 1 6 - 2 2 . 265 Calvin spricht von einer „thrasonica stoliditas"; vgl. Def. serv. arb., C O 6, 4 0 4 , 1 7 - 2 1 : „Et tarnen canino isto suo latratu evasisse contentus n o n est, nisi plus quam thrasonica stoliditate satis superque manifestum esse iactet, quam mihi omni ex parte Augustinus repugnet." 261

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Arbeitsmethoden und Interpretationsprinzipien

Elemente calvinischen Umgangs mit dem Kirchenvater. So lesen wir auch hier wieder die Versicherung: „Atque nihil dixi quod non Augustinus ipse prodiderit" 2 6 6 . Sodann finden sich die bekannten situations- und sachtypischen Parallelisierungen: „Ergo sicuti huius absurdi obiectione hodie nos oppugnant romanenses theologi, ita olim eadem Augustinum Pelagius impetebat" 267 . Dieses Parallelisierungsschema erfährt in der polemischen Situation mit Pighius überdies noch eine Steigerung: Pighius wird von Calvin dem Antichristen zugerechnet 268 , wohingegen der Reformator für sich betont: „Christum et omnes apostolos esse nobis coniunctos" 269 . Pighius konnte demnach Augustin gar nicht recht verstehen, da er nicht nur nicht eruditus, sondern im Reich des Antichristen beheimatet war 270 . Immer wieder begegnen uns Kernaussagen aus den verschiedenen Schriften Augustins, die von Calvin zusammengestellt und systematisiert werden. Dabei werden die Texte ,einem' Themen- und Fragenkomplex untergeordnet 271 , jedoch so, daß ein argumentativer Spannungsbogen erhalten bleibt 272 . Calvin argumentiert und deduziert, und er tut dies mit den Worten Augustins, denen er damit ein System verleiht. Die verschiedenen Augustintexte verbindet er dabei sichtbar durch herausgehobene Kernbegriffe. So werden etwa die zitierten Texte aus Augustins De correptione et gratia und De peccatorum meritis et remissione durch die augustinischen Leitbegriffe velle und voluntas auch nach außen deutlich verbunden 273 ; die Texte aus der Epistola 217 mit den Texten aus De dono perseverantiae dyrch den Begriff perseverare 274 . Es präsentieren sich die angeführten Texte dem Leser als echte ,Ketten', bei denen die einzelnen Glieder den Eindruck vermitteln, folgerichtig ineinanderzugreifen. Und immer wieder wiederholt sich der auf Pighius gerichtete Satz: „Quid Augustinus ipse?" 275 und „Neminem enim fugere potest, quam congruenter Augustinus, sie scribendo, nobiscum et sentiat et loquatur" 276 . Entsprechend der Unfähigkeit des Pighius, Augustin zu verstehen, gilt für Calvin auch, daß jener Paulus verdreht habe: „Aut igitur Pauli verba mutet Pighius, aut cum sua interpretatione facessat" 277 . Augustin und Paulus gehören aber für Calvin in den Fragen der theologischen Wahrheit, wie wir schon oft Ebd., C O 6 , 3 3 1 , 1 9 f . Ebd., C O 6 , 3 3 1 , 2 8 - 3 1 . aw Vgl. ebd., C O 6 , 3 4 3 , 2 . 2 6 9 Ebd., C O 6 , 3 4 3 , 4 £. 270 Vgl. zu dieser Frage auch unten S. 143. 2 7 1 Gelegentlich mag dieses Verfahren an die scholastische Kommentierung der Sentenzen erinnern. 272 Vgl. hierzu insbesondere Def. serv. arb., C O 6 , 3 5 4 f. 2 7 3 Vgl. ebd., C O 6,355. 2 7 4 Vgl. ebd. 2 7 5 Ebd., C O 6, 358,39. 2 7 6 Ebd., C O 6, 3 5 9 , 2 3 - 2 5 . 2 7 7 Ebd., C O 6 , 3 9 8 , 2 8 f. 266

267

Institutio Christianae Religionis

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sahen, unlösbar zusammen: „Quid Augustinus? Propheticam et apostolicam fidem asserit" 278 . Die Position des Pighius kann der Reformator demzufolge nur als philosophia bezeichnen 279 . 2.10.5. Fassen wir zusammen: Auch in der ersten Schrift gegen Pighius finden sich die bereits in Calvins übrigen Schriften kennengelernten Interpretationsund Arbeitsmethoden. Lediglich ist verglichen mit der Institutio eine weniger deutliche Einpassung in ein System erkennbar. Demgegenüber ist die Arbeit an den Augustintexten stärker geprägt von der konkreten Kritik an seinem Gegner. Zwar sind die von Calvin angeführten Argumente dieselben wie in der Institutio, sie werden hier jedoch mit weit größerer polemischer Schärfe und Beispielvielfalt vorgetragen. Wo in der Institutio ein oder zwei Augustinkernsätze standen, finden sich nun ganze Ketten und Häufungen. Deutlicher als dies in der Institutio geschah, legt Calvin hier überdies seine humanistische Basisarbeit offen.

2.11. Institutio Christianae Religionis (1550) In den Jahren 1543 bis 1550 entstanden drei große Schriften, in denen Augustin von Calvin ebenfalls eine gewichtige Rolle zugewiesen wurde: Supplex exhortatio ad invictissimum Caesarem Carolum Quintum (1543); Acta a facultate sacrae theologiae parisiensi ... cum antidoto (1544) sowie Acta synodi Tridentini. Cum antidoto (1547). Da der größte Teil der vom Reformator in diesen Schriften verwendeten Augustinzitate bereits in früheren Schriften Calvins zitiert wurde und wir zudem noch Gelegenheit haben werden, auf die Bedeutung eines Teils der oben angeführten Schriften einzugehen, wenden wir uns nunmehr der vierten Institutio· Ausgabe von 1550 zu. 17 neue Augustinzitate lassen sich hier nachweisen 280 . In weiten Teilen spiegelt diese Neuausgabe in ihren Ergänzungen die scharfen Auseinandersetzungen der vergangenen Jahre wider. Bezeichnend aber ist, in welcher Weise die Ergebnisse der vorangegangenen Streitigkeiten nunmehr Eingang in Calvins Systematik finden und in welcher Weise hier Augustin Bedeutung erhält. Eine größere Einfügung ist der Frage nach dem rechten Verständnis jenes augustinischen Diktums gewidmet, wonach erst die autoritas ecclesiae ihn bewogen habe, dem Evangelium Glauben zu schenken 281 . Calvin sucht hier 278

Ebd., C O 6, 399,32 f. Philosophia wird hier von Calvin eindeutig als antithetischer und negativer Begriff verwendet, vgl. ebd., C O 6,397,20 und 399,50. 280 Vgl. L. Smits, a.a.O., II, 83 und R. J. Mooi, a.a.O., 379. 281 Vgl. Inst. (1550), C O 1 , 2 9 4 f / O S III, 67f; vgl. C. Epist. fund. 5,6, PL 4 2 , 1 7 6 , 2 0 - 2 1 . 279

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Arbeitsmethoden und Interpretationsprinzipien

vorzuführen, daß der Rekurs, den römische Theologen immer wieder auf diese Augustinstelle gemacht haben, um die exzeptionelle Autorität der römischen Kirche als Institution zu erweisen, unbegründet und unhaltbar sei. Dabei geht Calvin nach folgendem Argumentationsduktus vor: Er referiert als historische Situation und Umfeld der Aussage Augustins dessen Auseinandersetzung mit den Manichäern 2 8 2 . Calvins Schlußfolgerung daraus ist: Die Aussage des Kirchenvaters sei für diejenigen gedacht, die das Evangelium noch nicht kennen 2 8 3 . Erst nachdem das Diktum in dieser Weise relativiert wurde, untermauert der Reformator seine Interpretation mit einem Textvergleich und führt dazu Stellen aus Augustins Contra epistolam Manichaei quam vocant fundamenti 14,17; De ordine II, 9,27—28; Contra Faustum 32,19 und D e utilitate credendi an 2 8 4 . Das seitens der Altgläubigen so stark hervorgehobene Augustinwort gewinnt somit eine gänzlich andere Wertigkeit. Die Frage nach seinem scopus wird auch hier nicht im textimmanenten Bedeutungshorizont entschieden, sondern in ihrer geschichtlichen Dimension wahrgenommen. Interessant und das bisherige Bild nur bestätigend sind einige kleinere Hinzufügungen im Abschnitt über die Fragen des freien Willens. Ausgangsfrage bildet die Exegese von R o m 9,16: „non esse volentis nec currentis, sed miserentis D e i " 2 8 5 . Bereits 1539 hatte Calvin herausgehoben, daß die Gegner, die diesen Text für den Erweis der Willensfreiheit anführen, sich dabei auf Origenes und Hieronymus berufen könnten 2 8 6 . Nun, 1550, fügt er seinerseits in den Textablauf ein: „possem et illis vicissim Augustinum opponere" 2 8 7 . Dennoch beläßt er auch weiterhin im Institutiotext, was bereits 1539 formuliert war: „sed quid illi opinati sint nostra nihil refert, si constat quid voluerit Paulus" 2 8 8 . Jedoch läßt Calvin - und darin erweist sich wiederum sein Konzept der engen Zusammensicht von Augustin und Paulus - diesen Satz nicht einfach unbearbeitet stehen. Korrespondierend mit der Einfügung, „possem et illis vicissem Augustinum opponere", fügt er nach der Paulusexegese einen aus Enchiridion 32,9 und

2 8 2 Vgl. hierzu J. Eck, Enchiridion locorum communium I, 2 8 ; J. Cochlaeus, D e authoritate ecclesiae et scripturae (1524), fol. D 4 b ; ders., D e canonicae scripturae et catholicae ecclesiae autoritate (1543), fol. B3b. 2 83 Vgl. Inst. (1550), C O 1 , 2 9 4 f / O S III, 6 7 , 2 6 f. 2 8 4 Vgl. ebd., C O 1 , 2 9 5 / O S II, 6 7 , 2 8 - 6 8 , 3 , vgl. C . Epist. fund. 14,17, P L 4 2 , 1 8 3 , 4 3 - 5 2 ; O S III, 6 8 , 6 - 1 0 , vgl. De ord. II, 9 , 2 7 - 2 8 , P L 3 2 , 1 0 0 7 - 1 0 0 8 ; O S III, 6 8 , 1 4 - 1 7 , vgl. C. Faust. 3 2 , 1 9 , P L 42, 5 0 9 , 5 - 8 ; und O S III, 6 8 , 2 1 - 2 7 , vgl. D e util. cred., P L 42, 6 5 - 9 2 . 285

Inst. (1550), C O 1 , 3 6 9 / O S III, 3 1 7 , 3 0 f.

Vgl. Inst. ( 1 5 3 9 / 1 5 5 0 ) , C O 1, 3 6 9 / O S III, 316, 3 1 - 3 1 7 , 4 : „Utuntur et testimonio Apostoli, quia dicit non esse volentis, nec currentis, sed miserentis D e i . . . ; ex quo eliciunt, aliquid esse in voluntate et conatu, quod per se licet imbecillum, misericordia Dei adiutum, prospero successu non careat. Atqui si sobrie pensitarent quae illic causa tractetur a Paulo, ista sententia non adeo inconsiderate abuterentur. Scio eos posse Origenem . . . et Hieronymum . . . citare suae expositionis suffragatores...". 286

287

Inst. (1550), C O 1 , 3 6 9 / O S III, 3 1 7 , 4 f.

288

Ebd., C O 1, 3 6 9 / O S III, 317, 5 f.

De aeterna Dei praedestinatione

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Epistola 217,4,12 komponierten Einschub ein 2 8 9 . Signifikant ist auch hier der Einleitungssatz: „Firma est enim ratio illa qua nitatur Augustinus" 2 9 0 . So wird noch einmal sichtbar, wie und warum Calvin Augustin über die übrigen Kirchenväter hinaushebt. Es zeigt sich aber auch das immer klarer ausgeprägte Konzept einer doctrina vera, dessen Hauptsäulen Augustin und Paulus sind 291 . Fassen wir also zusammen: Bereits die wenigen angeführten Beispiele aus der Institutio von 1550 zeigen, daß keine grundsätzliche Veränderung im Umgang Calvins mit dem Kirchenvater nachzuweisen ist. Eher erfährt sein Rekurs auf Augustin noch einmal eine quantitative Steigerung. Hingegen kann festgestellt werden, daß die üppige Verwendung von Augustinzitaten in den polemischen Schriften sich nicht in den Zusätzen der Institutio von 1550 spiegelt.

2.12. De aeterna Dei praedestinatione, qua in salutem alios ex hominibus elegit, alios suo exitio reliquit: item de providentia qua res humanas gubernat (1552) Im Januar 1552 erscheint bei Jean Crespin in Genf eine weitere Streitschrift Calvins, die in ihrer Gesamtanlage aus der Perspektive der dogmatischen Polemik wiederum charakteristische Einblicke in seine Arbeit an Augustin vermittelt. Die Angriffe Jerome Bolsecs auf die calvinische Prädestinationslehre nimmt der Reformator zum Anlaß, die von Albert Pigge 1542 in den letzten vier Kapiteln der Schrift De libero hominis arbitrio 292 erhobenen Vorwürfe gegen seine Prädestinationslehre und angeblich unrechtmäßige Berufung auf Augustin noch einmal grundsätzlich zu erörtern. Dabei reiht Calvin 157 Augustinzitate in seine Argumentation ein 2 9 3 . 2.12.1. Calvin setzt ein mit einem breiten Rekurs auf Paulus, den er den Einwendungen Pigges entgegenhält 294 . Unmittelbar daran anschließend läßt er das,Autoritätenargument' folgen, das er auch hier mit dem ,Augustinargument' identifiziert und wie folgt einleitet: „Sed quia odiose nobis ingeritur veteris ecclesiae autoritas, breviter etiam praefari operae pretium est, quam iniuste hac partim falsa, partim frivola invidia prematur Christi veritas. Augustini tarnen 2 8 9 Vgl. ebd., C O 1,369/OS III, 3 1 7 , 2 8 - 3 6 ; vgl. Ench. 3 2 , 9 , PL 4 0 , 2 4 8 , 5 - 2 4 und Epist. 217,4, 12, PL 3 3 , 9 8 3 , 2 0 - 2 2 . 2 9 0 Ebd., C O 1,369/OS III, 317,28. 2 9 1 Vgl. hierzu unten S. 130f. 2 9 2 Vgl. oben S. 20. 2 9 3 Vgl. L. Smits, a.a.O., I, 97 und R. J. Mooi, a.a.O., 381. 294 Vgl Praed. aet., C O 8,260—264; seine Anfangsargumente gegen Pighius bezieht Calvin fast alle aus dem Römerbrief.

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verbis potius quam meis, hoc quidquid est criminationis diluere malo. Nam et sanctum virum eodem olim probro vexabant Pelagiani, quod sibi adversos haberet alios ecclesiae scriptores." 295 Und nun zitiert Calvin breit die Begründungen des Kirchenvaters zur Beschäftigung mit der Prädestinationslehre 296 . Nachdem der Reformator die beiden Säulen seiner Argumentation, Paulus und Augustin, bezeichnet hat, folgt ein Satz, der, wie sich nach dem bisher Erarbeiteten nun eindeutig sagen läßt, Calvins theologisches Programm deutlich umreißt: „Porro Augustinus ipse adeo totus noster est, ut si mihi confessio scribenda sit, ex eius scriptis contextam proferre, abunde mihi sufficiat." 297 Schärfer und klarer als in den vorangegangenen Werken hat Calvin somit bereits zu Anfang sein Konzept offengelegt: Er konfrontiert seine Gegner mit nichts weniger als der kühnen Behauptung, im Angriff auf seine Lehre vollziehe sich gleichzeitig auch ein Angriff auf Augustin, ja auf Paulus selbst. Die ganze Schrift De aeterna Dei praedestinatione ist viel mehr als nur die Widerlegung der erhobenen Vorwürfe und Angriffe, sie ist eine Verdeutlichung eben dieses Satzes! So fährt Calvin denn auch fort: „Ex continua deinde operis [Augustini] serie plenius constabit, quam solide omni ex parte mihi suffragetur" 298 . Und nun folgt eine ganze Kette von Augustinzitaten aus De praedestinatione sanctorum, wobei Calvin am Buch entlanggeht und jeweils aus den Kapiteln 1.5.8.10.15 und 17 die Kern- und Hauptaussagen zusammenfaßt 299 und diesen einige Stellen aus den Epistolae 194,6,23; 186,7,23 und 149,2,27 sowie aus Contra duas epistolas Pelagianorum IV, 16,6 und De correptione et gratia 7—10 hinzufügt 300 . Dabei fällt auch hier auf, wie er kurz und schlagwortartig den sensus der Texte in eigenen Formulierungen zusammenfaßt. Nicht immer deckt sich dabei die Zusammenfassung mit dem von ihm angeführten Augustintext selbst. So hatte Calvin eine Aussage Augustins aus Epistola 186,7,23 wie folgt wiedergegeben: „Quis reprobos creavit, nisi Deus?" 301 Bei Augustin hingegen hieß es noch: „Quamvis enim peccata non fecerit, naturas tarnen ipsas, quae per seipsas sine dubio bonae sunt, quibus tarnen ex arbitrio voluntatis futura essent vitia peccatorum, et in multis talia quibus esset aeterna poena reddenda, quis nisi Deus creavit?" 302 Calvin geht am Text entlang, gibt eine zusammenfassende Paraphrase, ordnet, systematisiert und ist dabei an der Griffigmachung der eigentlichen Lehraussagen Augustins interessiert. 295

Praed. aet., C O 8,265, 8 - 1 5 . Vgl. ebd., C O 8,265f. 297 Ebd., CO 8,266, 9 - 1 1 . 29 « Ebd., CO 8 , 2 6 6 , 1 4 - 1 6 . 299 Vgl. ebd., C O 8,266 f. 300 Vgl. ebd., CO 8,266-268. 301 Ebd., C O 8,267,25; vgl. Epist. 186, 7,23, PL 33, 824, 3 8 - 4 2 . 302 Epist. 186, 7,23, PL 33, 8 2 4 , 3 8 - 4 2 .

296

De aeterna Dei praedestinatione

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2.12.2. Dieser ersten programmatischen, das eigene Konzept offenlegenden argumentativen Angriffswelle schließt der Reformator eine zweite, das Programm erläuternde und durchführende Welle an. Achten wir nun aber auf die einleitenden Worte Calvins und die tatsächliche Durchführung der Argumentation in diesem zweiten Abschnitt! - Calvin leitet wie folgt ein: „Nunc quod praecipuum est, agamus: nihil hac de re meproditum, nisi quod Deus scripturae oraculis nobis omnibus clare dictat." 3 0 3 Und nun konfrontiert Calvin Kernaussagen des Pighius mit den Aussagen der Schrift. Dabei fällt aber wiederum auf, daß Calvin merklich engführt auf Paulus und diesen unter Zuhilfenahme des augustinischen Arguments traktiert! So lesen wir schon zu Beginn dieses Abschnittes, die opinio des Pighius weiche entschieden von den Worten Pauli ab „a Pauli verbis dissentaneum" 304 , was im nächsten Satz dann durch eine Augustininterpretation bekräftigt wird, „prodenter animadvertit Augustinus" 3 0 5 . Wenig später folgt eine gänzlich parallele Argumentationsstruktur: „Paulus... damnat... Ideo recte Augustinus nos admonet" 3 0 6 . Über weite Strecken der Streitschrift wird dieses Schema beibehalten, sind Paulusexegese und Augustininterpretation eng miteinander verwoben. Bemerkenswert ist allerdings, daß nicht nur Augustin für die Interpretation Pauli verwendet, sondern auch Paulus seinerseits als Schlüssel zum Augustinverständnis herangezogen wird. Ein deutliches Beispiel dafür ist der Streit um den Begriff der praescientia. Calvin hatte Augustin hierzu frei zusammengefaßt: „Praescientiae nomen pro Dei consilio accipi, quo suos in salutem praedestinavit" 3 0 7 und hatte sodann knapp die hier bestehende gnadentheologische Kontroverse umschrieben: „praevideatne quid in ipsis facturus sit, an quales a se ipsis sint futuri" 3 0 8 . Unter weiterer Bezugnahme auf 1. Petr 1,2 und Act 2,23 sucht der Reformator dann nachzuweisen, daß Paulus die Präscienz eng an den wirkungskräftigen Ratschluß, das propositum Dei anbindet 309 , wodurch die Präscienz eindeutig bestimmt werde 310 . Aber nicht nur für die Verdeutlichung der mens apostoli wird der Kirchenvater von Calvin bemüht, auch die mens evangelistae wird durch Augustin erklärt: So hält Calvin dem Argument des Pighius, daß ,allen' Menschen die Gnade angeboten werde 3 1 1 J o h 6 , 4 4 f, „nemo potest ad me venire, nisi illi datum fuerit a patre meo", entgegen, woran er dann zur Verdeutlichung Teile aus Augustins De gratia Christi 13,14 und 14,15 sowie De praedestinatione sanctorum 8,13.14 Praed. aet., C O 8,270,19—21. Ebd., C O 8 , 2 7 0 , 4 4 . 3 0 5 Ebd., C O 8 , 2 7 0 , 4 4 f . 3 0 6 Ebd., C O 8 , 1 7 1 , 3 f. 8 f. 3 0 7 Ebd., C O 8 , 2 7 2 , 2 9 f ; vgl. De don. pers. 18,47, PL 4 5 , 1 0 2 2 - 1 0 2 3 . 3 0 8 Ebd., C O 8 , 2 7 2 , 3 3 f. 3 0 9 Vgl. ebd., C O 8,272 f. 3 1 0 Vgl. hierzu auch ebd., C O 8,310,26—29: „circumspecte Augustinus notat... Expressius etiam Paulus". 3 1 1 Vgl. A. Pighius, a.a.O., fol. 176v. 303

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anführt 312 . Das Problem dieser Zusammenbindung erklärt er dann selbst wie folgt: „Neque Augustinum ideo in praesentia adduco testem, quid eius autoritate pugnem, sed quia eius verbis aptiora non suppetunt, quibus evangelistae mentem exprimam." 3 1 3 Entschieden ausführlicher als in seinen bisherigen Institutioausgaben, im Prinzip jedoch entsprechend, führt Calvin seinen Augustingebrauch vor: Augustin dient zur Explizierung des biblischen Textes - eine Engführung auf Paulus ist unübersehbar - in dogmatischer Begrifflichkeit und zu dessen griffiger Zusammenfassung 314 . Dabei ist das jeweils Verbindende die ,res ipsa', wir können auch sagen die ,doctrina vera'; sie darzulegen ist das eigentliche Interesse Calvins: „Nihil nos iuvet Augustini testimonium: rem ipsam mecum expendant lectores" 3 1 5 . 2.12.3. Aufschlußreich ist daneben das vom Reformator mehrmals verwendete Argumentationsschema in der Auseinandersetzung mit Pighius, das auf folgenden kurzen Nenner gebracht werden kann: ,Ich sage - so sagt auch Augustin - Pighius aber sagt - ich antworte dagegen mit einem Schriftwort' 3 1 6 . Zwar verwendet Calvin von diesem Schema auch verschiedene Variationen, die Reihenfolge und die Häufung wechselt, nicht hingegen seine Argumentationssäulen, die Schrift und Augustin! Neben diesem diskursiv-dialogischen Schema kann Calvin auch das System kumulierender Textblöcke verwenden. So begegnet er Pighius etwa mit lang ausgeführten Schriftargumenten, um erst in einem darauf folgenden Schritt eine Kette von Augustintexten anzuführen 317 . Nur scheinbar dem bisher an Calvins Texten erarbeiteten Konzept widersprechend sind daher die Worte, mit denen er den Augustinteil einleitet: „Responsiones a me adductas quibus solet conviciis ita Pighius exagitat, ut maneant ab ipso intactae. Caeterum, si quibus plus aequo morosis nondum satisfactum sit, et plus forte apud ipsos ponderis habeat Augustinus, idem quod iam tradidi, eius verbis repetam, et confirmabo." 3 1 8 Auch wenn diese das folgende Augustinreferat einleitenden Bemerkungen des Reformators suggerieren, es handele sich bei jenen Zitaten lediglich um eine Art von ,donum superadditum', zeigen die Verwendung und Plazierung der Augustintexte in der ganzen übrigen Schrift, daß Augustin nicht Anhängsel, sondern notwendiger Bestandteil der calvinischen Argumentation ist. 312 Vgl. Praed. aet., C O 8 , 2 7 4 313

Ebd., C O 8 , 2 7 4 , 3 5 - 3 9 .

Vgl. dazu auch die an die Ausführung zu R o m 9 sich anschließende Bemerkung Calvins: „In summa, verissimum est illud Augustini, sola gratia redemptos discerni a perditis, quos ad perditionem concreverat ab origine ducta massa communis", Praed. aet., C O 8 , 2 8 0 , 1 9 - 2 2 ; vgl. Ench. 99, 25, P L 4 0 , 2 7 8 , 2 4 - 2 6 und Epist. 194, 8 , 3 9 , P L 3 3 , 8 8 8 . 314

3 1 5 Praed. aet., C O 8 , 2 8 5 , 3 4 f ; vgl. hierzu auch unten S. 125f. « β Vgl. ebd., C O 8, 3 1 3 - 3 1 5 . 317

Vgl. ebd., C O 8 , 3 2 5 ff.

318

Ebd., C O 8 , 3 2 5 , 1 5 - 2 2 .

De aeterna Dei praedestinatione

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Wie sehr dieses Vorgehen bei Calvin zum methodischen und theologischen Prinzip geworden ist, erhellt folgende zusammenfassende Passage: „Ut tandem cum Pighio transigam: de tribus summatim monendi sunt mihi lectores: quidquid absurditatum ad gravandam meam doctrinam congerit, non tam in me quam in Deum ipsum torquere: deinde, scripturae locos qui pro me aperte faciunt, ut mihi extorqueat, tam inscite nugari, ut satis appareat, non posse sustinere causam illam, nisi corrupta eversaque scrip tura: postremo, in tan tum impudentiae prorumpere, ut Augustinum sibi accersere suffragatorem non dubitet." 319 Wieder ist es die für Calvins Arbeit charakteristische eng miteinander verwobene Trias, die der Reformator herausstreicht und gegen die Pighius sich vergangen hat: 1. Die schriftgemäße doctrina Calvini; 2. die Schrift selber und 3. Augustin. Aus dem bisher Erarbeiteten wird nun ersichtlich, wie sehr diese Trias uns das innere Gefüge calvinischer Arbeitsweise erschließt: Calvins Lehraussagen stehen in bewußt gewählter Korrespondenz zur Schrift und zu Augustin. Der Kampf mit Pighius um Augustin berührt somit zutiefst dieses innere Prinzip calvinischer Theologie. Im übrigen hebt der Reformator die selben Kritikpunkte an der Augustinarbeit Pigges hervor, die er bereits in seiner Schrift von 1543 gegen Pigge formuliert hatte: 1. Die Kritik an Augustin überhaupt. 2. Die unsachgemäße, der Entwicklung Augustins zuwiderlaufende Verwendung von,überholten' Augustinschriften. 3. Die mangelnde Kenntnis dieser Augustinschriften selbst320. 2.12.4. Auch im letzten, dem Lehrstück der Providenz gewidmeten Abschnitt unserer Schrift finden sich die gleichen Argumentationsschritte: 1. Zu Beginn wiederholt Calvin seine Definition von Providenz, „providentiam vocamus" 321 . 2. Diese Definition wird durch Schriftstellen des Alten und Neuen Testaments expliziert. 3. Schließlich werden die Aussagen Augustins zur Frage der Providenz hinzugezogen. Aufschlußreich für unsere Fragestellung ist nun die Auseinandersetzung Calvins mit den einzelnen Augustintexten und -positionen: 2.12.4.1. Im Kontext der Frage, ob Gott auch der ,autor malorum' sei322, lehnt Calvin die augustinische Beschreibung des Bösen ab. Bezeichnend ist nun aber die Art, wie Calvin seine Kritik formuliert: „Non dicam cum Augustino, quod tarnen ut vere ab eo dictum libenter amplector: In peccato, sive in malo, nihil esse 319

Ebd., C O 8 , 3 2 8 , 2 2 - 3 1 ; eigene Kursivierung. Vgl. hierzu ebd., CO 8, 330, 3 1 - 3 9 ; 331, 1 6 - 1 8 : „[Pighius] Augustinum postquam acriter flagellavit, ut qui in hac disputatione impetu magis quam moderata ratione feratur, qui hue illuc impingat, qui proferat quae aliena videntur Dei bonitate: eius deinde suffragio quam parum verecunde utatur... An [Pighius] opus [Quaest. ad. Simpl.] aliquando inspexerit, nescio: quum ex libris duobus libellum unum faciat...; ... quae Pighius pro se verba adducit, apud Augustinum quidem exstant, sed eadem pagina refutantur." 321 Vgl. ebd., CO 8,347,29 f. 322 Vgl. ebd., CO 8,353,9. 320

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positivum 3 2 3 . Est enim argutia, quae multis non satisfaceret." 3 2 4 Die Formulierungen zeigen deutlich, wie schwer Calvin die Kritik am Kirchenvater hier fällt und wie geschickt er sie andererseits zu verdecken sucht. Obwohl Calvins Lösung der Beschreibung des Bösen ganz anders aussieht, gibt er so dennoch vor, Augustin im Grundsatz nicht zu widersprechen: „Sed aliud mihi principium sumo: Q u a e perperam et iniuste ab hominibus fiunt, eadem recta et iusta esse Dei opera." 3 2 5 2.12.4.2. In einem späteren Argumentationsgang wird das Problem erneut aufgegriffen: Es sei abzulehnen, das Böse nur dem Bereich der permissio Dei zuzuschreiben. U n d wieder sehen wir Calvins Bemühen, Augustin mit dieser seiner eigenen Position in Ubereinstimmung zu bringen. So zitiert er zur Untermauerung seiner Ablehnung des permissio-Gedankens etliche zusammengefaßte Kernsätze, „clausulam apponere sufficiet", aus Augustins Contra Julianum V, 3, D e gratia et libero arbitrio 20 und 21 sowie dem Sermo de verbis apostoli 26,4,4, wo jener die Exklusivität göttlichen Willens betonte 3 2 6 . In seinen einleitenden Bemerkungen bemüht der Reformator wiederum das bereits öfters eingesetzte Argument der inneren Entwicklung Augustins: „Dedet hoc interdum Augustinum receptae loquendi consuetudini: sed quum pressius insistit, et magis exacte rem examinat, nullo modo patitur, in locum actionis permissionem substitui." 3 2 7 Daß Calvin sich der Frage der permissio gleich zweimal in dieser Schrift zuwendet, zeigt sein Problem, Augustin mit der eigenen Position zu harmonisieren! Tatsächlich bleibt trotz der besonderen Betonung der voluntas Dei in den angeführten Augustinstellen die Schwierigkeit, daß tendenziell der permissioGedanke auch hier von Augustin nicht aufgegeben ist 3 2 8 . Ebenso zeigen die folgenden Ausführungen das wiederholte Bemühen Calvins, den augustinischen voluntas-Begriff eindeutiger zu fassen, als es der augustinische Textbestand selbst erlaubt: Calvins voluntas Dei-Begriff wird näher bestimmt durch die simplicitas der Natur Gottes. Diese garantiert auch, daß der Wille Gottes im Gesetz nicht prinzipiell anderswertig als in seiner Offenbarung in Christus einzuordnen ist. Wenn der Wille Gottes dem Menschen hingegen nicht immer einheitlich erscheine, so habe dies seinen Grund in der Tatsache, daß Gott sich des Mittels der attemperatio bediene. Gleichwohl gelte aber: „una enim et simplex est voluntas" 3 2 9 . Und wieder sucht Calvin, seine Aussagen zur voluntas Vgl. Conf. II, 8,16, P L 3 2 , 6 8 2 , 1 - 8 ; u . ö . Praed. aet., C O 8, 353, 9 - 1 3 ; eigene Kursivierung. 3 2 5 Ebd., C O 8,353, 1 3 - 1 5 . 3 2 6 Vgl. ebd., C O 8, 359 f. 3 2 7 Ebd., C O 8 , 3 5 9 , 1 2 - 1 6 . 3 2 8 Vgl. hierzu die Ausführungen oben S. 29. 3 2 9 Praed. aet., C O 8 , 3 6 6 , 9 f; vgl. zur Auseinandersetzung Calvins mit dem Problem der voluntas ordinata et absoluta C O 8 , 3 1 0 , 4 7 f f . 323

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mit Augustin zu untermauern, wenn er abschließend aus dem Enchiridion zitiert. Dennoch will auch hier die Ubereinstimmung zum Kirchenvater nicht ganz gelingen. Nicht die simplicitas, sondern die immutabilitas der voluntas Dei wird bezeichnenderweise von Augustin hervorgehoben 3 3 0 . 2.12.5. Fassen wir also zusammen: 1. Breiter als die bisherigen Ausgaben der Institutio dies vorführten, ist hier die Auseinandersetzung mit dem augustinischen Textmaterial aufzufinden. 2. Auch die bereits mehrfach herausgestellte Trias: Scriptura sacra - doctrina Augustini - doctrina Calvini wird schärfer und pointierter zum Ausdruck gebracht. Die gesamte Schrift ist gekennzeichnet von dem Bemühen, diese Trias stets neu zu belegen. 3. In diesem Zusammenhang zeigen sich aber auch Calvins gelegentlich krampfhaft wirkende Harmonisierungsversuche.

2.13. Ultima admonitio Ioannis Calvini ad Ioachimum Westphalum (1557) Nachdem Calvin in den beiden ebenfalls gegen den Lutheraner Westphal gerichteten Schriften Defensio sanae et orthodoxae doctrinae de sacramentis (1555) und Secunda defensio piae et orthodoxae de sacramentis fidei (1556) bereits mehrfach Augustin in der uns bekannten Weise als seinen Zeugen reklamiert hatte 331 , bildet diese letzte Schrift gegen Westphal noch einmal ein eindrückliches Zeugnis des verbissenen Kampfes um den Kirchenvater auch im evangelischen Lager. Mit ca. 210 Augustinzitaten 3 3 2 ist die,admonitio' überdies wieder ein Markstein in der Arbeit des Reformators an Augustin. Ebenso wie Pighius als Altgläubiger mit seinen die Augustininterpretation einschließenden Angriffen auf Calvin eine der empfindlichsten Stellen in Calvins theologischer Arbeit angerührt hatte, so berührt auch die Kritik des Lutheraners Westphal Calvin an entscheidender Stelle 333 . Eine Provokation von besonderem Gewicht stellt dabei die 1555 in Regensburg gedruckte Schrift Westphals Collectanea sententiarum divi Aurelii Episcopi Hipponensis de coena Domini; addita est confutatio vindicans a corruptelis plerosque locos, quos pro se ex Augustino falso citant sacramentarii 334 dar. Entsprechend hart ist auch 3 3 0 Vgl. ebd., C O 8, 366, 26—31: „ Q u u m ultimus affulserit dies, inquit Augustinus, tunc in clarissima luce sapientiae videbitur, quod nunc piorum fides habet antequam manifesta cognitione videatur: quam certa et immutabilis et efficacissima sit voluntas Dei, quam multa possit et non velit, nihil autem velit quod non possit."; vgl. Ench. 9 5 , 2 4 , P L 40,275,48—276, 5. 3 3 1 Vgl. hierzu L. Smits, a.a.O., II, 1 0 3 - 1 0 5 . 3 3 2 Vgl. L . Smits, a.a.O., I, 94 und R. J. Mooi, a.a.O., 382. 3 3 3 Westphal vermeidet meist die namentliche Nennung Calvins und spricht vielsagend von den „sectatores Zuinglii"; vgl. J. Westphal, Collectanea, fol. A 8 r . 3 3 4 Die Schrift wurde erstmals 1555 in Regensburg bei J. C a r b o gedruckt.

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die Reaktion Calvins, rührten die Collectanea doch an die Säulen von Calvins theologischer Argumentation. So stellt der Reformator bereits zu Beginn seiner Entgegnung thetisch fest: „Venio ad Augustinum, quem etsi totum esse nostrum omnes libri clamitant, Westphalus nobis eripere non contentus, adversarium quoque obtrudere, sibi vendicare non dubitat.. ." 3 3 5 Calvin wirft Westphal aber nun seinerseits vor, Augustin widerrechtlich für seine Position vereinnahmen zu wollen 3 3 6 und weist dessen Anschuldigungen energisch zurück, Augustins Schriften kaum oder nur oberflächlich gelesen zu haben 337 . Sodann setzt er sich im einzelnen mit den Augustintexten auseinander, die Westphal in den Collectanea und in seiner Confessio fidei gegen ihn angeführt hatte 338 . U m einen Eindruck von Calvins Augustinexegese in der Auseinandersetzung mit Westphal zu gewinnen, untersuchen wir im folgenden einige ausgewählte Passagen. 2.13.1. Corpus Christi vocatur sacrae coenae panis Ein charakteristischer Angriff Calvins gilt der von Westphal zusammengestellten Reihe von Augustinzitaten, in deren Text dieser für das Brot des Sakraments promiscue die Begriffe corpus Christi, eucharistia und sacramentum gebraucht hatte 339 . Calvin disqualifiziert Westphals Umgang mit diesen Augustintexten jedoch als „inconsideratus" 340 und kontert sodann mit der für ihn charakteristischen Frage: „Quid Augustinus ipse?" 3 4 1 Damit zeigt er ein schon in den Schriften gegen Pigge beobachtetes wichtiges Prinzip seiner Augustininterpretation deutlich an: Eine der inneren Entwicklung Augustins Rechnung tragende Gesamtschau des thelogischen Schaffens des Kirchenvaters 342 . Ganz in diesem Sinne hält Calvin Westphal einen Abschnitt aus der Epistola 98,9 entgegen 343 , dessen Kern die Aussage darstellt, daß die signa oft den Ult. adm. ad. Westph., C O 9 , 1 4 9 , 4 3 f. Vgl. ebd., C O 9,153. 337 Vg] hierzu J. Westphal, Collectanea, fol. A 8 r : „Plerique vix unquam viderunt libros relictos ab Augustino, nonnulli vix leviter inspexerunt a longe et tarnen semper Augustinum habent in ore, circumferunt ex aliorum sive sermone, sive dictatis unum atque alterum dictum detritum ac pervulgatum, quo perturbant, ambiguos et perplexos reddunt minus versatos in legendis monimentis Augustini, minusque ad pugnam contra veteratores instructos." 335

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3 3 8 Gemeint ist Westphals Schrift Confessio fidei de Eucharistiae sacramento in qua ministri ecclesiarum Saxioniae . . . de libro Calvini ipsis dedicate respondent, Magdeburg (A. Kirchner) 1557. 3 3 9 Vgl. J. Westphal, Collectanea, fol. B 2 r - C 2 v . 3 4 0 Ult. adm. ad. Westph., C O 9 , 1 5 5 , 2 . 3 4 1 Ebd., C O 9 , 1 5 5 , 2 1 . 3 4 2 Vgl. auch oben S. 74. 3 4 3 Vgl. Ult. adm. ad. Westph., C O 9 , 1 5 5 , 2 1 - 2 9 . Vgl. Epist. 98, 9, P L 33, 364, 4 - 1 1 : „Si enim sacramenta quamdam similitudinem earum rerum quarum sacramenta sunt, non haberent, omnino sacramenta non essent. Ex hac autem similitudine plerumque etiam ipsarum rerum nomina accipiunt. Sicut ergo secundum quemdam modum, sacramentum corporis Christi, corpus Christi est,

Ultima admonitio Ioannis Calvini ad Ioachimum Westphalum

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Namen der res annähmen; so sei auch das Sakrament nur „secundum quendam modum" als corpus Christi zu bezeichnen. Wieder verwendet Calvin das nun schon häufig beobachtete methodische Prinzip: Er relativiert Einzelaussagen bei Augustin, indem er sie auf dem Hintergrund einer die Kernstruktur augustinischer Theologie in den Blick nehmenden Gesamtschau auf den Begriff bringt. Auch das augustinische „secundum quendam modum" sucht er auf diesem Hintergrund noch einmal näher zu bestimmen: „Quidam modus? Quid similitudo signi cum re signata...?", und verweist auf die Form metonymischer Rede, die Augustin zugrunde lege. Wieder belegt er seine Aussage mit einem Augustinzitat: „aperte affirmat [Augustinus], Christum vocasse corpus suum, quum signum daret corporis sui." 3 4 4 Daneben bedient sich Calvin des Mittels der genauen Einzelexegese, um Westphal zu widerlegen. So begegnet er dem von Westphal zitierten Augustinsatz: „Ferebatur enim Christus in manibus suis" 3 4 5 mit einem den Leser verblüffenden Texthinweis: Westphal habe nicht beachtet, daß Augustin in den Satz die Partikel „quodammodo" als „correctio" eingefügt habe, was wiederum auf uneigentliche Rede deute 3 4 6 . Und so folgert Calvin denn: „Christus ergo se quodammodo ferebat manibus suis: quia panem porrigens, corpus suum et sanguinem in mysterio vel spiritualiter offerebat." 3 4 7 2.13.2. Manducatio impiorum? 2.13.2.1. Zum Erweis der realen Darreichungsform Christi im Abendmahl hatte Westphal Augustins Lehre von der ,manducatio impiorum' bemüht 3 4 8 . Calvin macht demgegenüber noch einmal deutlich, daß auch er diese Lehre durchaus vertrete, „quia ab hominis dignitate non pendet Christi vel liberalitas, vel fides: sed in ipso fundata est" 3 4 9 , es jedoch ablehne, seinem Widerpart zuzugestehen, Augustin habe damit auch schon einen ,realen' Empfang gelehrt. Und wieder hält er Westphal entgegen: „Augustinus suus ipse sit interpres" und folgert „et facile patebit metonymice loquutum esse" 3 5 0 . Im folgenden sucht Calvin dann schließlich, diesmal unter dem Gesichtspunkt der ,manducatio impiorum', metonymische Rede im Sakramentsverständnis Augustins nachzuweisen. Als erstes verweist er auf eine Stelle aus Contra Faustum 13,16: „Certe iudici aequo et ingenuo dubitationem eximet locus unus, ubi diserte [Augustisacramentum sanguinis Christi sanguis Christi est, ita sacramentum fidei fides est." Eigene Kursivierung. 3 4 4 Vgl. Ult. adm. ad. Westph., C O 9, 1 5 5 , 3 7 f ; vgl. auch C. A d y m . 1 2 , 3 , P L 4 2 , 1 4 4 , 5 0 - 5 2 . En. in Ps. 3 3 , 1 , 1 0 , P L 36, 3 0 6 , 4 4 f ; vgl. J. Westphal, Collectanea, fol. B 5 v und C 3 v . 346 Vg] Ult. adm. ad. Westph., C O 9 , 1 5 6 , 1 3 ff: „Sed an Westphalo nullius momenti est correctio m o x addita, ubi inseritur particula,quodammodo', qua improprietatem notari certum est?"; vgl. En. in Ps. 3 3 , 2 , 2 , P L 3 6 , 3 0 8 , 4 6 . 345

347

Ebd., C O 9 , 1 5 6 , 1 9 - 2 1 ; eigene Kursivierung.

348

Vgl. J. Westphal, Collectanea, fol. C 6 v - 8 v .

349

Ult. adm. ad. Westph., C O 9 , 1 5 7 , 4 8 - 5 0 .

350

Ebd., C O 9 , 1 5 8 , 1 - 3 .

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nus] pronunciat bonos et malos signaculis communicare" 351 . Wieder ist es hier die Grundunterscheidung augustinischer Theologie zwischen signum und res, deren Calvin sich bedient und auf deren Hintergrund Westphal so nicht argumentiert hatte. Daher folgert Calvin: „Augustinus autem recipi non docet, nisi fide 352 . Haec ratio est, cur plurimis locis quasi se ipsum explicans, sacramenta dicat tarn bonis quam malis esse communia." 353 Diese Argumentationslinie wird von Calvin fortgesetzt, indem er unter Zitierung von Passagen aus Kapitel 26 und 27 des Johannestraktats auf die augustinische Unterscheidung zwischen sacramentum und virtus sacramenti hinweist 354 . 2.13.2.2. Seinen Darlegungen der grundsätzlichen Differenzen hinsichtlich der Augustininterpretation läßt Calvin einen Argumentationsteil folgen, in dem er Westphals Interpretation einzelner Augustinstellen widerlegt. So wirft er Westphal vor, eine Stelle aus Augustins De civitate Dei 21,20 3 5 5 als Augustins Meinung zu zitieren, wo Augustin aber nach Ansicht Calvins „ex aliorum sensum, non suo loquitur". Hingegen übergehe Westphal Kapitel 25, wo Augustin auf die Frage selbst eingehe 356 . Überdies dürfe die von Westphal aus Augustins Contra litteras Petiliani II, 104,239 angeführte Stelle 357 im Zusammenhang der Sakramentsfrage nicht zitiert werden, da sie sich gar nicht auf das Abendmahl beziehe 358 . Endlich kritisiert Calvin noch, daß Westphal im zitierten Werk Contra Cresconius ein falsches Kapitel angebe 359 . 2.13.2.3. In einem weiteren Abschnitt folgt die Auseinandersetzung mit dem Vorwurf Westphals, Calvin und die Schweizer hätten Augustinzitate gefälscht 360 . Dabei hält der so Angegriffene im einzelnen der Meinung Westphals, Augustin habe an keiner Stelle gelehrt, ,est' im Sinne eines ,significat* zu verstehen, nochmals das bereits in den vorangegangenen Streitrunden zitierte Wort aus Contra Adimantum 12,3 entgegen: „Hoc est corpus meum, quum signum daret corporis sui" 361 . Um die Kritik Westphals glaubhaft zurückzuweisen zu können, referiert Calvin anschließend die Gegenargumentation des Lutheraners aus dessen Collectanea. So hatte Westphal das Wort aus Contra Adimantum mit Augustins De doctrina christiana II, 1,1 und III, 9,13 erklärt: „admonet fideles, non haeren351 Ebd., C O 9,158, 3 - 6 ; vgl. C. Faust. 13,16, PL 4 2 , 2 9 1 , 2 1 - 2 3 . Hier wird die res ipsa vermittelt. Ult. adm. ad. Westph., C O 9 , 1 5 8 , 1 4 - 1 7 . 3 « Vgl. ebd., C O 158,24 ff. 3 5 5 Vgl. J. Westphal, Collectanea, fol. C 7 r ; vgl. P L 41, 734. 3 5 6 Vgl. Ult. adm. ad. Westph., C O 9, 159, 12 f: „Caput vigesimum quintum, ubi obiectione respondet Augustinus, silentio praeterit." 3 5 7 Vgl. J. Westphal, Collectanea, fol. C 7 r ; vgl. P L 4 3 , 3 4 2 , 5 5 - 3 4 3 , 2 . 3 5 8 Vgl. Ult. adm. ad. Westph., C O 9 , 1 5 9 , 4 2 - 5 0 . 359 Vgl. ebd., C O 9 , 1 5 9 , 5 5 ; vgl. J. Westphal, Collectanea, fol. C7v. 3 6 0 Vgl. ebd., C O 9 , 1 6 0 , 1 2 f f ; vgl. J. Westphal, Collectanea, fol. C8 ν und D4r. 3 6 1 Ebd., C O 9 , 1 6 0 , 3 8 f; vgl. P L 4 2 , 1 4 4 , 5 0 - 5 2 . 352

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dum esse in signis, quin ad res signatas magis attentis sint" 362 . Aber auch hier hinterfragt Calvin: „diligenter tarnen expendi velim quomodo carnalis dicatur esse servitus, vel servilis infirmitas, signa pro re accipi. Nisi enim praeposterum esset, signa rebus miscere, frustra damnata foret haec superstitio" 363 und führt damit zugleich Westphals Argument ad absurdum. 2.13.3. Fassen wir also zusammen: Aus den zurückliegenden Beispielen wurde ersichtlich, wie sehr engagiert Calvin seine Ubereinstimmung mit Augustin auch gegenüber dem Lutheraner Westphal zu beweisen suchte. Dabei finden sich fast alle methodischen Besonderheiten, die wir genauso in den vorangegangenen besprochenen Schriften beobachten konnten. Ganz dem Charakter einer Streitschrift Calvins entsprechend war die H ä u f u n g der bearbeiteten Augustintexte wieder besonders groß. Gleichwohl tritt zugunsten der ganz an den Texten, an Rede und Gegenrede orientierten Arbeit das sonst deutlich hervortretende Prinzip der Reihung Scriptura sacra - Augustin - Calvin etwas zurück.

2.14. Institutio Christianae Religionis (1559) Nachdem Calvin im Winter 1558/59 mit seinem kurz bevorstehenden Tod rechnete 364 , stellt seine fünfte und letzte lateinische Institutio eine Art ,Schlußakkord* seines Gesamtwerkes, sein theologisches Testament dar. Äußerlich der Einteilung des Apostolikums folgend wird die Institutio nun in vier Bücher eingeteilt 365 . Im Umfang ist sie noch einmal um ein Viertel angewachsen: eine deutliche Reaktion auf die vielen vorangegangenen theologischen Auseinandersetzungen. Die Verarbeitung augustinischen Textmaterials steigt gegenüber der vorigen Institutio-Ausgabe um ca. 105 neue Zitate auf nun insgesamt ca. 410 an 366 . Somit kommt der Institutio von 1559 hinsichtlich unserer Fragestellung noch einmal entscheidende Bedeutung zu; Korrekturen und Erweiterungen auch in der Arbeit an Augustin, zumal in Calvins theologischem Zentralwerk, markieren 362

Ebd., C O 9,160,52f;vgl.J. Westphal, a.a.O., fol. D l rundD5v;vgl. P L 3 4 , 3 5 , 5 0 - 5 2 u n d 71, 13-17. 363 Ebd., C O 9 , 1 6 0 , 1 - 4 . 364 Vgl. Inst. (1559), OS III, 5, 1 6 - 2 2 : „Certe quanto studio ad operam hanc Ecclesiae Dei praestandam incubuerim, luculentum testimonium proferre licet, quod proxima hyeme dum existimabam a febre quartana mortem mihi denuntiari, quo magis urgebat morbus, eo minus mihi peperci, donee librum superstitem relinquerem, qui tarnen benignae piorum invitationi gratiam aliquam rependeret." 365 Vgl. hierzu ebd., OS III, 506 f. 366 Vgl. hierzu L. Smits, a.a.O., I, 106 und R. J. Mooi, a.a.O., 384. Zum Vergleich: Noch 1536 waren es 24 Augustinzitate, 1539 ca. 125,1543 ca. 285 und 1550 ca. 302. Daneben ist die Ausgabe von 1559 angereichert mit einer Vielzahl patristischer und mittelalterlicher Autoren; vgl. R. J. Mooi, a.a.O., 384f.

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nun die zu tradierende Summe seines Augustinverständnisses und seiner Augustinwertung. 2.14.1. Buch I: De cognitione Dei creatoris 2.14.1.1. Kapitel 13: Unicam Dei essentiam ab ipsa creatione tradi in Scripturis, quae tres in se personas continet Eine erste bedeutende Hinzufügung betrifft die Ausführungen Calvins zur Verhältnisbestimmung der drei Personen der Trinität: „In huius rei explicatione quintus liber Augustini de Trinitate totus versatur. Longe vero tutius est in ea quam tradit relatione subsistere, quam subtilius penetrando ad sublime mysterium, per multas evanidas speculationes evagari." 367 Auch 1559 ist es Augustin, auf den der Autor der Institutio für die Erklärung zentraler Fragen der doctrina christiana verweist. Und bereits in dieser ersten Hinzufügung bestätigt sich die besondere Stellung, die Calvin dem Kirchenvater beimißt und die 1559 noch einmal eindrücklich unterstrichen wird: Nicht an irgendeiner Stelle findet sich die Augustin betreffende Bemerkung, sondern am Ende des Abschnitts zur Verhältnisbestimmung der Personen der Trinität. Auch wenige Abschnitte später wird diese Tendenz überzeugend fortgeführt: So hatte Calvin im Anschluß an seine Defensio doctrinae de Trinitate contra Servetum von 155 4 368 seiner letzten Institutio einen Abschnitt eingefügt, in dem er die Irrlehre Servets und der Antitrinitarier darstellt und widerlegt 369 . Auch den Rekurs der Gegner auf Irenäus, Tertullian, Ignatius, Justin und Hilarius weist Calvin energisch zurück; vielmehr stimmten nach Calvin diese Kirchenlehrer in der Frage der Trinitätslehre grundsätzlich positiv überein 370 . Die Ausführungen zur Alten Kirche in dieser Frage beschließt der Reformator sodann mit einem vielsagenden Hinweis auf Augustin: „Augustinus, cui nebulones isti [Antitrinitarii] infestissimi sunt 371 , quam sedulo excusserit omnium scripta, et quam reverenter amplexus sit, dicere nihil attinet... Quam tarnen isti oppugnant doctrinam pro confesso sumit ab ultima antiquitate sine controversia fuisse receptam." 372 In zweifacher Hinsicht ist dieser Hinweis auf Augustin, dem im übrigen nun kein eigenes Zitat beigefügt wird, bezeichnend: Augustin fungiert hier als kaum noch hinterfragbare glaubwürdige Informations- und Wertungsinstanz im Kanon der Alten Kirche. Darüber hinaus ist Augustin nun so sehr Prüfstein rechter Lehre auch der gegenwärtigen Kirche, daß am Verhältnis zu Augustin der Grad der Rechtgläubigkeit bzw. des Ketzertums abgelesen werden kann. Deshalb erscheint die polemische Formulierung zur Charakterisierung der Anitrinitarier geradezu zwingend: „Augustinus, cui nebulones isti infestissimi sunt"! 367

Inst. (1559), OS III, 1 3 3 , 2 0 - 2 3 . «8 Vgl. C O 8 , 3 5 7 f f . 369 Vgl. Inst. 1 , 1 3 , 2 2 - 2 9 , OS III, 1 3 7 - 1 5 2 . 370 Vgl. Inst. (1559), O S III, 149f. 371 Vgl. hierzu M. Servetus, Christianismi restitutio, D e Trinitate 1 , 4 0 . 4 2 . 4 4 und II, 75 ff. 37 2 Inst. (1559), O S III, 1 5 0 , 1 6 - 2 3 . 3

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2.14.1.2. Kapitel 14: In ipsa etiam mundi et rerum omnium creatione Scripturam certis notis discernere verum D e u m a fictitiis Auch eine bereits früher gemachte Beobachtung wird im Spätwerk Calvins eindrücklich bestätigt: Das Augustinzitat im Argumentationsduktus Calvins erhält immer weniger den Charakter eines dictum probans, einer Ergänzung oder Untermauerung des Gesagten, es gliedert sich vielmehr zusehends stärker als organischer Bestandteil in den Calvintext ein. Dabei beschränkt Calvin das Zitat wie üblich auf die Kernaussagen des einschlägigen Augustintextes. So erscheint als Korrespondenzbegriff zu den arcana Dei consilia der Hinweis auf die voluntas Dei nur noch formal als Augustinzitat; die Erwägungen Augustins zu Raum und Zeit bilden das griffige Stichwort für Calvins Abwehr der menschlichen petulantia: „Qui vero proterviae suae indulgent, quia nunc frustra monentur, sero horribili interitu sentient quanto satius fuerit arcana Dei consilia reverenter suspicere, quam blasphemias evomere quibus caelum obscurent. Et recte Augustinus iniuriam Deo fieri conqueritur ubi superior eius voluntate flagitatur rerum causa... Idem alibi prudenter admonet, non minus perperam de immensis temporum quam locorum spatiis quaestionem moveri... Certe quantumvis late pateat caelorum circuitus, est tarnen aliqua eius dimensio. N u n c siquis cum Deo expostulet, quod centuplo superet vacuitas, annon piis omnibus detestabilis erit petulantia?" 3 7 3 2.14.1.3. Kapitel 15: Qualis h o m o sit creatus: ubi de animae facultatibus, de imagine Dei, libero arbitrio, et prima naturae integritate disseritur Daneben geht auch die an Augustin formulierte Kritik Calvins in diese Institutio ein. So wiederholt er die bereits 1554 im Kommentar zur Genesis gegebene Ablehnung der augustinischen Formel, wonach „animam trinitatis esse speculum, quia in ea resident intellectus, voluntas et memoria" 3 7 4 . Bezeichnend ist aber auch hier wieder die Art der Kritik. So wertet Calvin die augustinische Deutung als „speculatio minime firma" 3 7 5 und formuliert damit bis in die Wortwahl hinein nur noch einmal, was er in der Praefatio in Chrysostomi homilias allgemein schon für Augustins Leistungen als Exeget geäußert hatte 376 . Diese exegetische Schwäche schmälert für Calvin aber keineswegs die Bedeutung Augustins als Zeuge für die vera doctrina christiana und die dogmata fid ei 377 . Dieser Sachverhalt erlaubte es Calvin, auch seine Kritik an Augustin ungezwungen in seine Institutio mitaufzunehmen. 373 Ebd., OS III, 153,16-27; vgl. Gen. c. Manich. 1,2,4 und II, 29,43, PL 34,175,41 - 5 1 . 2 2 0 ; De civ. Dei XI, 5 und XII, 12, PL 41, 3 2 1 , 2 9 - 3 3 . 359f; vgl. ganz ähnlich Inst. 1,15, 8, OS III, 186f. 374 Inst. (1559), OS III, 180,26 f; vgl. De trin. X, 11 f. XIV, 4.6. 8, PL 42,982.1040.1088; De civ. Dei XI, 26. 28, PL 41,339. 342. Vgl. hierzu auch Calvins Com. Gen. 1,26, C O 2 3 , 2 5 - 2 6 . 375 Ebd., OS III, 180,26. 376 Vg] p r aef. Chrys., C O 9, 835, 4—7: „Augustinus citra controversiam in fidei dogmatibus omnes superat. Religiosus quoque imprimis scripturae interpres, sed ultra modum argutus. Q u o fit ut minus firmus sit ac solidus." 377 Vgl. hierzu die Ausführungen unten S. 127—132.

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2.14.1.4. Kapitel 16: D e u m s u a v i r t u t e m u n d u m a s e c o n d i t u m f o v e r e actueri, et singulas eius partes sua Providentia regere Hatte der Reformator im Abschnitt über die Providenz in Abgrenzung zum stoischen Fatum-Glauben sowie der Erörterung über die fortuna und die contingentia bereits 1539—1543 Augustin zur Darlegung seiner Position bemüht 3 7 8 , so fügt er nun, 1559, noch einmal einen Abschnitt an, der eventuelle Zweifel an der Eindeutigkeit Augustins in dieser Frage auszuschalten trachtet. Den Einwand bereits vorwegnehmend hebt er hervor, daß Augustin zwar auch gelehrt habe, daß alles Geschehen teils durch den freien Willen des Menschen, teils durch Gottes Vorsehung bewirkt werde 3 7 9 , jedoch sei dies Calvin zufolge von Augustin selbst doch dadurch korrigiert worden, daß dieser die contingentia zugunsten einer klaren Hervorhebung der voluntas Dei abwerte 380 . Ebenso verfährt er bei der Diskussion des augustinischen permissio-Begriffs; auch hier verweist er wieder auf die Bedeutung der voluntas Dei bei Augustin: „quomodo hoc intelligi debeat ex uno loco optime patebit, ubi Dei voluntatem, summam esse probat et primam omnium causam, quia nihil nisi ex iussu eius vel permissione accidit" 3 8 1 . Bezeichnend ist, wie Calvin von den Hauptlinien augustinischer Theologie her argumentiert und die Diskussion der Einzelprobleme auf dem Hintergrund einer Gesamtschau der Theologie Augustins unternimmt. Darüber hinaus ist bemerkenswert, daß er auch 1559, wie in den Jahren zuvor, das Mittel der dialogischen Argumentation bei der Interpretation Augustins einsetzt. 2.14.1.5. Kapitel 18: Deum ita impiorum opera uti, et animos flectere ad exequenda sua iudicia, ut purus ipse ab omni labe maneat Nachdem der Reformator im vorangegangenen Kapitel 17 über die ,utilitas doctrinae providentiae' wiederum ein Augustinzitat als Abschluß seiner aus altund neutestamentlichen Stellen bestehenden testes in seine Argumentation aufgenommen hatte 382 , widmet er Augustin in Kapitel 18 eine herausragende Passage. In diskursiver Weise stellt Calvin sich dem Vorwurf, daß wenn alles aus dem Willen Gottes entspringe, es doch in Gott notwendig zwei entgegengesetzte Willen geben müsse, „duae voluntates contrariae" 3 8 3 . Bereits zu Beginn seiner Argumentation stellt er jedoch heraus, daß eine derartige Fragestellung sich gegen den Heiligen Geist selbst wende, „non in me sed in Spiritum Sanctum

Vgl. oben S. 76. Vgl. Inst. (1559), O S III, 199, 2 4 - 2 6 : „ E t quanquam alicubi definit, partim libero hominis arbitrio, partim Dei Providentia omnia g e r i . . . " ; vgl. D e div. quaest. 24, P L 40,17, 24—27. 38° Vgl. ebd., O S III, 1 9 9 , 2 9 - 3 1 ; vgl. D e div. quaest. 27, P L 4 0 , 1 8 . 3 8 1 Ebd., O S III, 199, 3 2 - 3 5 ; vgl. D e trin. III, 4 , 9 , P L 42, 8 7 3 , 3 8 - 4 3 . 3 8 2 Vgl. ebd., O S III, 205. 3 8 3 Ebd., O S III, 224,4. 378

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torqueri" 3 8 4 . Im einzelnen weist Calvin sodann im Alten und Neuen Testament nach, daß es nur einen Willen Gottes gebe und eine „varietas" in Gott daher strikt abzulehnen sei. Diese Darlegung beendet er mit einem längeren Augustinzitat aus Enchiridion 101 und 100 385 . Dabei sind die einleitenden Worte bemerkenswert: „Ergo huic Augustini sententiae pii omnes et modesti facile acquiescent." 386 Es fällt hier nicht nur die Tatsache auf, daß einmal mehr Augustin an entscheidender Stelle angeführt wird, bemerkenswert erscheint uns auch, daß Calvin deutlich herausstreicht „pii omnes et modesti" müßten Augustin zustimmen. Augustin und die „pii omnes" gehören für Calvin demnach eng zusammen. U n d wieder prägt sich auch in dieser gedrängten Passage Calvins Programm in nuce ab: So wird die zugrundeliegende Argumentationsreihung doctrina Calvini Scriptum sacra - Augustin durch die als Klammer fungierenden Begriffe „spiritus sanctus" und „pii omnes et modesti" sowohl formal eingerahmt, als auch praktisch-theologisch pointiert dargelegt. Das Augustinzitat selbst gibt der Reformator dem Textduktus des Enchiridion entgegen wieder. So zitiert er an erster Stelle das Lehr- und Beispielstück aus Enchiridion 101 und läßt dem erst dann die sentenzhafte augustinische Kernaussage aus Enchiridion 100 folgen: „ut miro et ineffabili modo non fiat praeter eius voluntatem quod etiam contra eius fit voluntatem" 3 8 7 . Durch diese Umstellung erreicht Calvin einen in sich geschlossenen Abschnitt, dessen These in Form eines Augustinzitats dem Leser am Ende präsentiert wird 3 8 8 . 2.14.2. Buch II: De cognitione Dei redemptoris in Christo, quae Patribus sub Lege primum, deinde et nobis in Evangelio patefacta est 2.14.2.1. Kapitel 3: Ex corrupta hominis natura nihil nisi damnabile prodire Die nun schon mehrfach beobachteten charakteristischen und besonders exponierten Plazierungen eines Augustinzitats am Ende eines Abschnitts, gleichsam in der Funktion eines theologischen Merksatzes, finden sich ebenso in verschiedenen Abschnitten des zweiten Buches der Institutio. So schließt etwa Kapitel 2 mit zwei zusammengestellten Augustinworten aus dem Sermo de verbis apostoli 176: „Confitere ista omnia a Deo te habere: quicquid bonihabes esse ab ipso: a te, quicquid est mali. Et paulo post, N o s t r u m nihil nisi peccatum" 3 8 9 . Daneben fügt Calvin in die Ausgabe von 1559 auch einen Einschub ein, der das traditionelle Problem der gratia operans und gratia cooperans bei Augustin

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Ebd., OS III, 224, 7. Vgl. ebd., OS III, 2 2 4 , 3 9 - 2 2 5 , 2 2 ; vgl. PL 4 0 , 2 7 9 , 2 3 - 3 9 und 1 1 - 2 1 . 38 « Ebd., OS III, 2 2 4 , 3 9 - 2 2 5 , 1 . Eigene Kursivierung. 387 Ebd., OS III, 2 2 5 , 1 8 - 2 0 ; vgl. PL 4 0 , 2 7 9 , 1 7 - 1 9 . 388 Vg] (J e n ganz ähnlichen Aufbau von Inst. 1,18,4. 389 Inst. (1559), OS III, 271, 2 1 - 2 3 ; vgl. Serm. verb. Αρ. 176, 5, 5 und 6, 6, PL 38, 952, 47f und 953,23. Vgl. die Plazierung von Augustinzitaten in Inst. II, 2 , 2 7 und II, 3,10. 385

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noch einmal kurz diskutiert und nun eindeutig entscheidet 390 . Bereits zu Beginn gesteht Calvin zu, daß zwar auch Augustin diese Unterscheidung verwendet habe 391 , liefert dann aber unmittelbar eine Anleitung, wie Augustin ,richtig' zu verstehen sei: „Hac [distinctione] quidem usus est Augustinus, sed commoda definitione leniens, Deum cooperando perficere quod operando incipit: ac eandem esse gratiam sed sortiri nomen pro diverso modo effectus" - Augustin wolle hier letztlich nur die „multiplicatio gratiae notare" 392 . Damit zitiert Calvin nun bewußt dieselben Augustintexte, die in der Tradition auch der Lombarde angeführt hatte, jedoch gibt der Reformator sie kürzer und komprimierter wieder und verleiht ihnen eine unmißverständlich paulinische Stoßrichtung, die jeden Mitwirkungsgedanken von vornherein ausschließt 393 . Dies wird vollends deutlich bei der folgenden auf Augustins Enchiridion 32,9 bezogenen Passage394. Calvin schreibt dem Augustintext gemäß: „Quo pertinet quod alibi dicit [Augustinus], multa Dei dona praecedere bonam hominis voluntatem, inter quae est et ipsa", folgert dann aber darüber hinaus: „unde sequitur, nihil reliquum facere quod ipsa sibi arroget" 395 . Unmittelbar daran anschließen läßt Calvin sodann den bereits 1539 formulierten Satz: „Quod et Paulus nominatim expressit. Nam quum dixisset, Deum esse qui efficit in nobis et velle et perficere..., continuo subdidit, utrunque facere pro bona voluntate..." 3 9 6 So wird auch hier wieder der enge lehrmäßige Bezug von Augustin und Paulus durch Calvin klar vorgeführt. 2.14.2.2. Kapitel 15: Ut sciamus quorsum missus fuerit Christus a Patre, et quid nobis attulerit, tria potissimum spectanda in eo esse, munus propheticum, regnum et sacerdotium Für unseren Zusammenhang erhellend sind die einleitenden Sätze zum ersten Abschnitt des 15. Kapitels: „Recte Augustinus, quanvis haeretici Christi nomen praedicent, commune tarnen illis cum piis fundamentum esse negat, sed manere Ecclesiae proprium; quia si diligenter considerentur quae ad Christum pertinent nomine tenus invenitur Christus apud eos: re ipsa non est (Ench. ad Laurent, cap. 5)397. Sic hodie Papistae... vere in eos competit illud Pauli, caput non tenere (Coloss. 2.d.l9)." 3 9 8 Wiederum bedient sich der Reformator hier einer situations· und sachtypischen Parallelisierung. Sie erhält formal ihr Gewicht durch die 390 Bereits 1539 hatte Calvin darauf Bezug genommen; vgl. oben S. 70. Damals hatte er jedoch noch argumentiert: „Sed istud ab Augustini mente procul abest", OS III, 248,19. 391 Vgl. Inst. (1559), OS III, 287, 18: „Hac quidem usus est Augustinus". 392 Ebd., OS 111,287,18-23; vgl. De gr. et lib. arb. 17,33, PL 44,901,37f und Epist. 186,3,10, PL 33,819,46-48. 393 Vgl. P. Lombardus, Sent. II dist. 26 c. 1. 2, Ed. Ad ciaras Aquas, 1,470-472. 394 Vgl. PL 4 0 , 2 4 8 , 2 4 - 2 7 ; siehe auch P. Lombardus, Sent. II dist. 26 c. 2, Ed. Ad ciaras Aquas, I, 471. 395 Inst. (1559), OS III, 287,23-26. 39 « Ebd., OS III, 287,26-29. 397 Vgl. Ench. 5,1, PL 4 0 , 2 3 3 , 2 9 - 3 2 . 398 Inst. (1559), OS III, 4 7 1 , 2 5 - 4 7 2 , 2 .

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Plazierung unmittelbar am Anfang des Kapitels nach dem Kapitelthema, sachlich durch die doppelte Anbindung der Aussage an Augustin und Paulus. Offenkundig ist die Identifikation Calvins mit der Aussage Augustins im Enchiridion, „recte Augustinus"! Den „haeretici" bei Augustin werden entsprechend die „Papistae" gleichgesetzt. Die Krönung bildet sodann das Pauluswort aus Kol 2,19: Für beide, die „haeretici" des Augustin und die „Papistae" gilt gleichermaßen „caput [Christum] non tenere". Eine härtere Bestandsaufnahme kann man kaum geben; das für Calvin Charakteristische ist jedoch, daß er sie in der Form der schrift- und traditionsorientierten Argumentation vornimmt 399 . 2.14.3. Buch III: De modo percipiendae Christi gratiae, et qui inde fructus nobis proveniant, et qui effectus consequantur 2.14.3.1. Kapitel 2: De fide: ubi et difinitio eius ponitur, et explicantur quae habet propria Ganz deutlich findet sich die dargestellte Doppelung von Schrift- und Traditionsargument auch im dritten Buch. So betont Calvin, daß die fides ausschließlich opus Spiritus sei unter Hinweis auf Paulus, wobei er explizit 2. Kor 4,13 und 2. Thess 1,11 sowie implizit Eph 1,13 und 4,3 anführt. Unmittelbar an die Paulustexte schließt er dann drei Texte des Kirchenvaters an, den er auch hier als den „fidus interpres" der Zeugnisse der Schrift bezeichnet 400 . Auch hier sind Paulus und Augustin integrierter Bestandteil calvinischer Argumentation und formale Säulen seiner Dogmatik. 2.14.3.2. Kapitel21-24: ,Depraedestinatione' Die der Prädestination gewidmeten Kapitel führen noch einmal eine besonders intensive Auseinandersetzung mit Augustin vor und spiegeln darin den Streit um dieses Lehrstück mit Pighius und Bolsec 401 . Es ist daher auch bezeichnend, daß sich hier der für Calvins Augustinverständnis so treffende Satz findet: „Si ex Augustino integrum volumen contexere libeat, lectoribus ostendere promptum esset, mihi nonnisi eius verbis opus esse.. ." 402 Auch die folgenden Abschnitte bestätigen eindringlich diesen Satz und spiegeln damit das bisher Erarbeitete. So antwortet Calvin auf die Frage, „quomodo igitur conveniet, Deum ad se vocare quos seit non venturos?", entsprechend: „Respondeat pro me Augustinus", woran er dann ein Zitat aus den Sermones de verbis apostoli anschließt 403 .

399 Vgl. hierzu unsere Ausführungen unten S. 118—132. 400 v g l . j n s t (1559), O S IV, 46, siehe insbesondere 4 6 , 1 6 f: „Cuius rei ante citavimus testimonia; quorum fides interpres Augustinus exclamat..."; vgl. Serm. verb. Αρ. 131, 2.3 und 165, 5, PL 38, 7 3 0 , 1 0 - 1 3 . 3 1 - 3 4 ; und 9 0 5 , 1 5 - 2 7 . 401 402

Vgl. hierzu auch oben S. 9 5 - 1 0 1 . Inst. (1559), OS IV, 3 8 9 , 1 5 f . Ebd., O S IV, 3 9 1 , 3 7 - 3 9 2 , 2 ; vgl. Serm. verb. Αρ. 2 6 , 1 2 . 1 3 , PL 3 8 , 1 7 7 , 2 9 - 3 3 .

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Daß er dann wiederum mit Paulus - Eph 1,3 f und Tit 1 - fortfährt, entspricht ganz seinen bislang beobachteten Gepflogenheiten 4 0 4 . Insgesamt wird die sachliche und formale Verschränkung von Augustin und Paulus auch in der Darlegung der Prädestinationslehre der Institutio von 1559 entsprechend den früheren Schriften Calvins zur Prädestination streng durchgehalten und erfährt nun allenfalls noch eine Systematisierung 405 . Signifikant ist daher die einleitende Bemerkung Calvins zur Behandlung von R o m 9,22 bei Augustin: „Recte enim Augustinus locum hunc explicans.. . " 4 0 6 Es ist jedoch nicht nur der von uns explizierte Nachweis der weitgehenden Ubereinstimmung mit dem Kirchenvater, den Calvin in dieser letzten lateinischen Institutio überall führt, vielmehr wird Augustin hier auch in einer seelsorgerlich-frömmigkeitlichen Funktion dem Leser empfohlen. So leitet Calvin eine zur Anbetung der „immensitas iudiciorum D e i " auffordernde komponierte Reihe von Augustinzitaten 4 0 7 mit folgenden unerwarteten Worten ein: „Si tumultuatur mens tua, ne pigeat Augustini consilium amplecti" 4 0 8 . Auffallend ist somit, daß der Reformator in seinem Spätwerk Züge erkennen läßt, die die an Augustin selbst orientierte Verbindung von „aedificatio" und „ratio veri docendi" 4 0 9 neben der Lehre auch für das Frömmigkeitsleben seiner Zeit als relevant erachten 4 1 0 . 2.14.4. Fassen wir also zusammen: Auch die letzte lateinische Ausgabe der Institutio führt Calvins Konzept einer Augustin in seinen Lehraussagen einbeziehenden Argumentation weiter, ja sie führt es zu einem Abschluß. Dabei bilden die neu komponierten Abschnitte der Institutio und der O r t ihrer Plazierung einen klaren Hinweis auf die außerordentliche und tradierenswerte Bedeutung, die Calvin sowohl formal als auch sachlich der Einbindung Augustins beimißt. Die methodische Gewohnheit, Kernsätze Augustins zu zitieren, wird prinzipiell beibehalten, ebenso das Verfahren, kontroverse Aussagen bei Augustin sowie ihre Interpretation zu diskutieren. Die sach- und situationstypischen Parallelen zum Kirchenvater, die Calvin bereits sehr früh in seine theologische Arbeit mit aufgenommen hatte, bilden auch jetzt ein nicht zu übersehendes Element seiner Augustinrezeption. Die zitierten Augustintexte selbst sind noch deutlicher als früher ein integrierter und organischer Bestandteil der dogmatischen Argumentation in Calvins opus magnum. Vollends offen tritt in dieser Ausgabe die bereits mehrfach Ebd., O S IV, 3 9 2 , 5 f f : „Adde quod si electio, teste Paulo, fidei mater e s t . . « 5 Vgl. hierzu insbesondere ebd., O S IV, 3 9 3 , 3 8 - 3 9 5 , 1 9 . 404

406

Ebd., OS IV, 3 9 5 , 2 .

Vgl. ebd., O S IV, 3 9 9 , 1 7 f f ; v g l . Serm. verb. Αρ. 2 7 , 3 , 4 ; 2 7 , 6 , 6 und 27,7,7, P L 3 8 , 1 7 9 , 4 7 - 5 2 ; 181,47-49; 182,13-17.24-28. 407

408

4

Ebd., OS IV, 3 9 9 , 1 3 f.

Vgl. ebd., O S IV, 409, 3 - 6 . ' ° Vgl. hierzu auch O S III, 2 2 4 , 3 9 - 2 2 5 , 1 .

409

Das exegetische Werk

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herausgearbeitete programmatische Reihung Scriptura sacra (bes. Paulus) Augustin - doctrina Calvini zu Tage; in ihren Grundstrukturen läßt sie sich im gesamten Spätwerk nachweisen. Wie sehr Augustin durch Calvin adaptiert und ekklesiologisch heimgeholt ist, belegt schließlich die seelsorgerliche Funktion, die dem Kirchenvater durch den Reformator beigelegt wird.

2.15. Das exegetische Werk Unsere Untersuchung wäre unvollständig, würden wir nicht abschließend die Grundzüge der Verwendung Augustins in Calvins exegetischem Werk vorstellen. Dabei fällt generell auf, wie verhältnismäßig wenig Calvin Augustin in seinen exegetischen Schriften zitiert 411 . Sogar im Römerbrief, den Calvin neben dem Epheserbrief besonders hoch einschätzte 412 , sind nur ca. 14 Bezugnahmen auf Augustin zu verzeichnen. Diese relativ geringe Verwendung des Kirchenvaters in Calvins exegetischem CEuvre steht in auffälliger Differenz zu der durchgängig vorgetragenen Reihung Schrift - Augustin - Calvin in seinen dogmatischen Werken. Es ist dies ein Sachverhalt, für den der folgende, bereits oben erwähnte Satz aus der Praefatio zu den Chrysostomus-Homilien nur eine kurze, allerdings nicht hinreichend befriedigende kritische Begründung bildet: „Augustinus citra controversiam in fidei dogmatibus omnes superat. Religiosus quoque imprimis scripturae interpres, sed ultra modum argutus. Q u o fit ut minus firmus sit ac solidus." 413 Er weist uns jedoch hin auf die calvinische Grundunterscheidung von formulierter Lehre einerseits und exegetischer Tagesarbeit andererseits 414 . Diese in der Praefatio angedeutete Scheidung bestätigt sich in der Weise, wie Calvin mit Augustin in seinen exegetischen Werken umgeht. Dabei tritt an Augustin formulierte Kritik deutlich in den Vordergrund: 1. Nach Calvin zeichnet sich die Exegese des Kirchenvaters zu sehr durch Spekulation und unangemessene Subtilität aus, dadurch werde aber die heilsame simplicitas des biblischen Textes verlassen 415 . 2. Auch habe Augustin in exegetischen Einzelaussagen (!) die mens des

411 R. J. Mooi, a.a.O., 371 ff weist 200 Stellen nach, L. Smits, a.a.O. I, 117 markiert 537 Stellen, zählt aber auch bloße Hinweise auf Augustin mit. 412 Vgl. Com. Rom. Praef., Ed. T. H . R. Parker, 2, 3 9 - 4 1 : „quando siquis eam [Epistolam ad Rom.] intelligat, aditum sibi quendam patefactum habet ad totius Scripturae intelligentiam." 4 » Praef. Chrys., C O 9, 835, 4 - 7 . 414 Vgl. hierzu unten S. 122f und 124-127. 415 Vgl. Com. Ex. 24, 12, C O 25, 78, 21 f: „speculatio Augustini vereor ne arguta sit magis quam firma..."; Com. Dtn. 13,3, C O 2 4 , 2 7 8 , 2 0 f : „Frigidaquidemestacspinosa Augustinisolutio";u.ö.

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Arbeitsmethoden und Interpretationsprinzipien

einzelnen Schreibers der biblischen Bücher zu wenig beachtet 416 und übermäßig stark fremde, der Exegese der Heiligen Schrift unangemessene philosophische Kriterien in sie eingetragen 417 . 3. Ein weiterer Kritikpunkt bildet für Calvin die von Augustin zu oft praktizierte allegorische Methode in der Exegese, auch dort, w o sie nicht durch den Text selbst vorgegeben wird 4 1 8 . Gleichwohl ist diese kritische Auseinandersetzung mit Augustin doch ein deutlicher Hinweis dafür, daß Calvin dem Kirchenvater auch in exegetischen Fragen keinesfalls indifferent gegenübersteht. Vielmehr beweist sie, wie sehr er um Augustin bemüht bleibt und um ihn ringt. So streicht er es denn auch besonders deutlich heraus, wenn er sich mit dem Kirchenvater in exegetischen Fragen einig weiß: „Facile igitur Augustini exclamationi subscribo" 419 oder „Augustini verbis malo quam meis exprimere" 420 und „Ego tarnen Augustinum potius sequor, qui de Christo interpretatur hic esse dictum" 421 . Aber selbst da, w o er Augustin sachlich vehement attackiert, ist Calvin meist moderat im Ton. So kommentiert er etwa im Kommentar zu Joh 1,16 Augustins Exegese zur Stelle: „Pie quidem id et scite dictum, sed ad praesentem locum minus apte" 422 oder im Kommentar zu Rom 5,5: „Pia quidem sententia, sed nihil ad Pauli mentem" 423 . Daneben treffen wir ähnlich wie in den dogmatischen Schriften mehrmals auf den Versuch Calvins, eine entschuldigende Erklärung für Augustins Ex4 1 6 Vgl. Com. Ps. 58, 2, CO 31, 559, 51—560, 1: „Augustinus qui graecam tantum versionem tenebat, argute hic disputat... Hoc quidem dictu plausibile est atque etiam utile, sed nihil ad Davidis mentem"; Com. Ps. 88, 6, C O 31, 807, 3f: „lila enim Augustini argutia nihil ad prophetae mentem"; Com. Joh. 1, 3, CO 47, 4, 45f£: „Augustinus more suo nimium platonicus ad ideas rapitur... Sed quam istud sit a mente evangelistae longe remotum, mox videbimus."; Com. Joh. 3, 7, CO 47, 58, 32f: „Alienum etiam prorsus est a Christi mente quod affert Augustinus"; sogar Com. Rom. 5,5, Ed. Τ. H. R. Parker, 106, 49f: „Pia quidem sententia [Augustini], sed nihil ad Pauli mentem". 4 1 7 Vgl. Com. Gen. 1, 26, C O 23, 25, 5 5 - 2 2 , 7: „Caeterum Augustinus prae aliis nimium argute philosophatur, ut trinitatem in homine fabricet. Nam quum tres animae facultates recenseantur ab Aristotele, intellectus, memoria, voluntas: illud arripiens ex una trinitate multas postea derivat. Eiusmodi speculationibus si quis otiosus lector oblectare se velit, legat librum 10 de Trinit. et 14 item de Civit. Dei libro 11."; vgl. ferner CO 23,299,42f u.ö. 4 1 8 Vgl. Com. Joh. 8, 49, C O 47, 211, 8 - 1 1 : „Augustinus ad allegoriam confugit, quod Christus non abnuerit Samaritanus vocari, quia verus sit gregis sui custos. Sed aliud mihi videtur fuisse Christi consilium."; Com. Gen. 6, 14, CO 23, 123, 4 4 - 5 3 : „Quod allegorice ad Christi corpus Augustinus figuram arcae trahit, tarn lib. 15 de Civitate Dei, quam 12 adversus Faustum, consulto praetereo, quia nihil illic fere reperio solidi... Arcam fuisse ecclesiae imaginem certum est, teste Petro (1. Pet. 3, 21): verum singulas eius partes ad ecclesiam aptare, minime consentaneum est." Vgl. C O 48,25. 4 1 9 Com. Gen. 3,6, CO 23,63,15 f. 4 2 0 Com. Col. 1,24, C O 52,94, 53 f. 4 2 1 Com. Joh. 3, 34, CO 47, 74, 37—39. Vgl. hierzu auch die allerdings unvollständige Aufstellung bei G. Besse, Saint Augustin, 170. 4 2 2 Com. Joh. 1,16, C O 47,17,53-55; vgl. In Ev. Johann. Tr. 3 , 3 - 1 0 , PL 35,1399-1401. 423 Com. Rom. 5, 5, Ed. Τ. H. R. Parker, 106,49f; vgl. Depatientia 17,14, PL 40,619.

Zusammenfassung

115

egese zu finden. So hätte Augustin beim Alten Testament den hebräischen Text nicht zur Verfügung gehabt 424 ; auch wären manche Fehler nicht entstanden, hätte Augustin damals schon verschiedene Lesarten für die Schriften des Neuen Testaments gekannt 425 . Wir halten also fest: War Calvin in seinen dogmatischen Schriften bemüht, weitestgehende Ubereinstimmung mit dem Kirchenvater zu vermitteln, wobei Differenzen meist harmonisiert wurden, so geht der Reformator in seinen Exegetica mit Augustin merklich härter ins Gericht, auch wenn er im Ton auffällig moderat bleibt. So bleibt schließlich doch eine auffällige Diskrepanz im Umgang mit dem Kirchenvater, der wir im folgenden weiter nachzugehen haben.

2.16. Zusammenfassung Humanistisch ausgebildet und geprägt entwickelt Calvin nachweislich ab 1532 einen ausgeprägten Sinn für die wissenschaftlich-humanistische Durchdringung von Texten klassischer Autoren, ihre Konstituierung und textgemäße Interpretation. Besonders die in Orleans und Bourges vermittelte und schon bald selbst studierte Arbeitsweise Guillaume Budes zeigte sich hierbei für ihn als richtungsweisend. Wenngleich der Reformator ab ca. 1535 für das Verstehen der Heiligen Schrift an exponierter Stelle das,Geistverständnis' reklamiert, finden ebenso beharrlich dieselben humanistischen Exegeseprinzipien für die Heilige Schrift und die Kirchenväter Verwendung: sensus litteralis, simplicitas, brevitas, perspicuitas, mens scriptoris, circumstantia und intentio treten als handwerkliche Formalprinzipien klar in Erscheinung. Für die Verwendung und Interpretation von Augustintexten gelten darüber hinaus ab 1536 und verstärkt ab 1539 folgende aufweisbare Kriterien: 1. Calvin sucht in der Verwendung von Augustintexten der theologischen Entwicklung des Kirchenvaters Rechnung zu tragen. Sein Augustinbild wird dabei deutlich vom Spätwerk des Kirchenvaters bestimmt; hierdurch bedingte qualitative Unterschiede im augustinischen Textcorpus werden klar bezeichnet. Ebenso unternimmt Calvin es, auf dieser Grundlage pseudoaugustinische Texte kenntlich zu machen und auszuschließen 426 . Die zitierten Texte selbst sind meist augustinische Kernaussagen oder Zusam424

Vgl. Com. Ps. 58,2, C O 31,559,51 f und Com. Ps. 63,4, CO 31,595,33. Vgl. Com. Joh. 12, 32, C O 47, 294, 3 4 - 3 6 : „...et Augustinus ita legendum contendit, sed consensus graecorum omnium codicum pluris apud nos valere debet." Vgl. auch die Beobachtungen von G. Besse, a.a.O., 171. 426 Für das Problem von Pseudo-Augustin am Vorabend der Reformation siehe M. de Kroon, Pseudo-Augustin, 511-530. 425

116

Arbeitsmethoden und Interpretationsprinzipien

menfassungen derselben. Einzelexegese der Texte wird zwar eher selten vorgeführt, bildet jedoch einen festen Bestandteil der Arbeit, dabei wird häufig die dialogisch-diskursive Methode zur Anwendung gebracht. Neben der am Text, am Gesamtwerk und den historischen Umständen orientierten Interpretation fließen gelegentlich auch psychologisierende Deutungen mit ein. 2. Im Gesamtduktus der theologisch-lehrmäßigen Argumentation Calvins werden Augustintexte in erläuternder, begründender oder zusammenfassender Funktion eingesetzt. O f t wird mit einem Augustintext der Sachverhalt auf den Begriff gebracht; dabei erscheint dieser schon bald nicht mehr nur als unterstützende Hinzufügung, sondern bietet vielmehr einen organisch eingepaßten Bestandteil der calvinischen Argumentation. Gelegentlich werden hierbei bewußt Texte gewählt, die bereits Bestandteil der dogmatischen Argumentation des Lombarden waren. Calvin stellt sie jedoch in einen neuen Rahmen und signalisiert dadurch gegenüber der auf dem Lombarden fußenden Tradition den Anspruch auf wahre ,katholische' Rechtgläubigkeit. Die wiederholt zu findende formale Reihung, in der Augustin vom Reformator eingesetzt wird, legt auffällig und klar ein inhaltliches Prinzip offen: Zur Erläuterung, Begründung oder Entwicklung einer theologischen Kernaussage wird nach der Heiligen Schrift - wobei Paulus eine herausragende Position eingeräumt ist - sehr häufig Augustin angeführt; erst danach erfolgt im Verbund mit dem Vorangegangenen der Lehrsatz Calvins. Gelegentlich übernimmt diesen letzten Schritt aber ebenfalls ein Augustintext! Obwohl Reihenfolge und Ausführlichkeit immer wieder variieren können, bildet der Dreischritt: ,Scriptura sacra - Augustinus - doctrina evangelica Calvini' ein programmatisches Prinzip des gesamten dogmatischen opus Calvini. Dieser inhaltlich exponierten Stellung Augustins entspricht der Versuch Calvins, auch situations- und sachtypische Parallelen zu seinem Gewährsmann herauszustreichen. Das .Augustinus totus noster' erhält damit neben der inhaltlich lehrmäßigen auch eine das persönliche und kirchliche Selbstverständnis beleuchtende Dimension. 3. Galten die bisher aufgeführten Charakteristika im wesentlichen von 1536 und besonders greifbar von 1539 an, so erfuhren sie ab 1543 noch einmal eine Intensivierung und Steigerung. Ein signifikantes Element bilden hierbei nunmehr verstärkt die auftretenden Harmonisierungsversuche Calvins, mittels derer Aussagen Augustins weitgehend mit den eigenen Lehraussagen zur Dekkungsgleichheit gebracht werden sollen. Kritik an Augustin ist, wenn sie vorgetragen wird, stets verhalten. Dieses den Kirchenvater weitgehend adaptierende und involvierende Konzept findet sich am deutlichsten ausgeprägt in den Institutioausgaben, wobei es von Ausgabe zu Ausgabe stets weiter ausgeführt und komplettiert wird. Die polemischen Schriften beziehen demgegenüber die Positionen der Gegner stärker in die Argumentation mit ein und lassen trotz einer großen Anzahl von

Zusammenfassung

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angeführten Zitattexten das Augustin miteinbeziehende Lehrkonzept nur implizit erkennen. Die exegetischen Schriften schließlich, die Calvin gemäß keine Lehrschriften sein sollten, gliedern aufgrund ihrer anderen intentio Augustin nur selten mit ein. Hier findet sich vielmehr die markanteste Kritik am Kirchenvater, auch wenn diese nicht auf Lehraussagen, sondern auf exegetische Aussagen bezogen bleibt. Immerhin ist auffallend, daß Calvin auch hier gelegentlich mit großer Begeisterung von Augustin zu sprechen weiß.

3. Fidelissimus interpres scripturae. Das Verhältnis von Schrift und Tradition in seiner Bedeutung für Calvins Augustinverständnis 3.1. Vorbemerkung Das vorangegangene Kapitel zeigte das sich stets steigernde Bemühen des Reformators, die eigenen Aussagen zu allen zentralen Bereichen der christlichen Lehre unmißverständlich als schriftkonform und ebenso im Einklang mit Augustin zu erweisen. Nahezu das gesamte dogmatische Schrifttum Calvins ist davon durchzogen. Dieser auffällige Sachverhalt gibt berechtigten Anlaß, die Frage nach dem Traditionsverständnis Calvins erneut zu stellen. Trifft möglicherweise auf diesem Hintergrund doch zu, daß der Reformator „une autorite supreme" neben der Schrift beibehält, wie P. Polman behauptete1 und A. Ganoczy in modifizierter Weise wiederholte2? Muß auf dem Hintergrund seiner Augustinrezeption Calvins Verständnis des evangelischen ,sola scriptura' neu definiert werden? Um innerhalb dieser Problemstellung Antworten finden zu können, fragen wir nunmehr: Welchen prinzipiellen Stellenwert schreibt Calvin der Schrift zu, welchen der kirchlichen Tradition, und welche spezielle Funktion nimmt hier der Kirchenvater Augustin ein?

3.2. Die auctoritas Scripturae 3.2.1. Verb um Dei- scriptura - spiritus 3.2.1.1. Das Verhältnis von verb um Dei und scriptura Zentrum und Fundament allen Redens von Gott ist nach Calvin das verbum Dei 3 , das Gott anfangs den Vätern durch „oracula" und „visiones" direkt als 1

P. Polman, L'filement historique, 73 f.

Vgl. A . Ganoczy, Ecclesia ministrans, 102 und ders., Die Hermeneutik Calvins, 173 f. 3 Vgl. Inst. I , 1 3 , 7, O S III, 117, 5 f: „[Verbum Dei] sapientia indicetur apud Deum residens, unde et oracula et prophetiae omnes prodierunt"; siehe auch Inst. I, 6, 1, O S III, 60, 17f: „Itaque non frustra verbi sui lumen addidit, quo innotesceret in salutem". 2

Die auctoritas Scripturae

119

„tesmoignages celestes" 4 oder durch ein menschliches Medium 5 zukommen ließ. Um aber die „veritas doctrinae" über die Zeiten zu erhalten, gebot er schließlich, diese seine „oracula" 6 aufzuzeichnen 7 . Nun bleibt jedoch dieses Anliegen, die veritas doctrinae zu erhalten, keineswegs abstrakt, sondern wird von Calvin mit einem gänzlich konkreten Moment verbunden: Als herausragendes Ziel Gottes für die schriftliche Fixierung seines Wortes nennt der Reformator bereits 1543 die bessere Realisierung und Verdeutlichung der „forma Ecclesiae" 8 . Damit sind scriptura und ecclesia in einer engen Beziehung aufeinander zugeordnet. Den Anfang der Gestaltwerdung des verbum Dei zur scriptura bildete das Gesetz 9 , die Propheten sind lediglich als seine Ausleger zu betrachten 10 . Zusammenfassend und unmißverständlich identifizierend kann Calvin das Verhältnis von verbum Dei und scriptura für den Bereich des Alten Bundes wie folgt formulieren: „Totum ergo illud corpus ex Lege, Prophetiis, Psalmis et Historiis compactum, verbum Domini fuit veteri populo" 11 . Die Gestaltwerdung des verbum Dei erfährt ihre Krönung mit seiner Fleischwerdung in Jesus Christus 12 , der jedoch bereits im Alten Bund verborgen gegenwärtig war. Er ist Vollendung, letztes und ewiges Zeugnis Gottes 13 . Die ekklesiologische Dimension und Intention, die wir bereits oben hinsichtlich der Gestaltwerdung des Wortes als Schrift im Alten Bunde sahen, wird nunmehr für den Neuen Bund im Gedanken der Kirche als dem Leib Christi folgerichtig weitergeführt 14 . In Christus kommt daher gleichsam alles zusammen, was es von Gott zu Inst. fr. (1541) 1 , 6 , 2 , Ed. J. D. Benoit I, 88; vgl. O S II, 6 2 , 1 und 23. Vgl. Inst. I, 6, 2, O S III, 62, 2: „hominum opera et ministerio". 6 Der Begriff oraculum kann bei Calvin auch für die Heilige Schrift als Ganze verwendet werden, vgl. Inst. (1539), O S III, 62, 41—43. Eine auffällige Parallele findet sich bei G. Bude, De Asse (Ed. 1532), fol. 173 f: „oracula intelligit sacra scriptura quae quotidie commemorantur in ecclesia quasi ad refricandum quotidie memoriam legis"; zu den Parallelen bei Cicero und Seneca siehe B. Girardin, Rhetorique, 316. 4 5

7 Vgl. Inst. I, 6, 2, O S III, 62, 7 - 1 0 : „Tandem ut continuo progressu doctrinae veritas seculis omnibus superstes maneret in mundo, eadem oracula quae deposuerat apud Patres, quasi publicis tabulis consignata esse voluit"; vgl. Inst. (1539), O S III, 62, 4 1 - 4 3 : „Tunc ergo scriptis commendari coeperunt Dei oracula, quae antea de manu in manum tradita, in populo Dei asservabantur". 8 Inst. IV, 8, 6, O S V, 137, 2 4 f : „Ubi autem Deo visum est illustriorem Ecclesiae formam excitare, verbum suum mandari scripto ac consignari voluit..."; so bleibt das verbum f ü r Calvin das deutliche Zeichen von Kirche vgl. Epist. ad Sadol., O S 1 , 4 6 4 . ' Vgl. Inst. IV, 8 , 6 , O S V, 1 3 7 , 2 7 f . 1 0 Vgl. ebd., O S V, 138, 2—5: deinde Prophetae . . . ad doctrinam Legis duntaxat interpretes fuerunt". 1 1 Ebd., O S V, 1 3 8 , 1 4 - 1 6 . 12 Vgl. Inst. IV, 8, 7, O S V, 1 3 8 , 2 8 - 3 3 . 1 3 Vgl. ebd., O S V, 1 3 9 , 4 f : „hoc ultimum aeternumque ab eo habendum sit testimonium". 1 4 Vgl. hierzu bereits sehr markant Inst. (1536), O S I, 86 ff.

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Das Verhältnis von Schrift und Tradition

wissen gilt; deutlich streicht Calvin deshalb auch den Titel Christi als „doctor" besonders heraus: „Itaque non temere Filium singulari praerogativa nobis doctorem Pater ordinavit" 15 . Alle Schriften des Neuen Testaments haben in enger Anbindung an das Gestalt gewordene Wort Gottes in allererster Ordnung die Aufgabe, „die tradierte Schrift auszulegen und nachzuweisen, daß das, was darin gelehrt wird, in Christus seine Erfüllung hat" 16 . Von den Aposteln stellt Calvin fest, daß sie „authentici Spiritus sancti amanuenses" seien 17 und daher ihre „scripta pro Dei oraculis habenda sunt" 18 . Zusammenfassend formuliert der Reformator das Verhältnis von verbum Dei und scriptura bereits in der Institutio von 1543: „Esto igitur hoc firmum axioma, N o n aliud habendum esse Dei verbum, cui detur in Ecclesia locus, quam quod Lege primum et Prophetis, deinde scriptis Apostolicis continetur: nec alium esse rite docendi in Ecclesia modum nisi ex eius verbi praescripto et norma" 1 9 . 3.2.1.2. Die Beziehung von spiritus sanctus und scriptura Der integrale Nerv des calvinischen Schriftverständnisses ist seine mehrfache Anbindung an den Heiligen Geist. Der Geist ist der „author scripturarum" und damit auch der Garant dafür, daß die Schrift Gottes Wort ist 20 . Dies ist auch für Calvin der eigentliche Grund herauszustreichen, wie sehr die Wahrheit der Schrift sich ganz von selbst erweist 21 und daß ihr Autopistie eignet 22 . Gemäß dieser pointiert herausgehobenen Autorschaft des Heiligen Geistes werden alle biblischen Zeugen nun als „ministri" 23 oder „certi et authentici ... amanuenses" 24 oder „secretaire[s]" und ,,ecrivain[s]" bezeichnet 25 , denen der Heilige Geist ihren Text „diktiert" hat 26 . Inst. IV, 8, 7, OS V, 139,11 f; u.ö. Inst. IV, 8, 8, OS V, 1 4 0 , 1 - 4 . 17 Inst. IV, 8, 9, OS V, 141, 13; vgl. in der französischen Fassung „notaires jurez", Ed. J. D . Benoit, IV, 161,2. 18 Ebd., OS V, 141,13 f. 19 Inst. IV, 8, 8, OS V, 1 3 9 , 2 9 - 1 4 0 , 1 . 20 Vgl. Inst. 1 , 9 , 1 , OS III, 83,3. 21 Vgl. Inst. I, 7, 2, OS III, 67, 5f: „Non enim obscuriorem veritatis suae sensum ultro Scriptura prae se fert, quam coloris sui res albae ac nigrae: saporis, suaves et amarae." 22 Vgl. Inst. I, 7,4, OS III, 70,18 f. 23 Vgl. Prael. Jer. 1,3, C O 37,474,6—8: „Ergo... Ieremias... n o n . . . ipse sit autor, sed minister"; vgl. Prael. Jer. 20,6, C O 38,342,30; Prael. Mi. 1,2, C O 43,284,47; Prael. Hag. 1,12, C O 44,94,12; Com. 1. Petr. 1,11, C O 55, 217, 31; Serm. I Harm. Ev., C O 46, 6 , 1 2 f f ; ebd., C O 4 6 , 9 , 16; Serm. XIV Harm. Ev., C O 46,164,35. Bereits W. Krusche, Das Wirken des Heiligen Geistes, 164 weist auf den Begriff minister als auf den für das Verhältnis von Heiligem Geist und biblischem Zeugen zentralen Begriff hin. 24 Inst. IV, 8,9, OS V, 141,13. 2 = Serm. 127 Dtn. 31, C O 28,647, 52f. 26 Vgl. Com. Jes. 40,2, C O 37, 5,26f: „Deusservis suis prophetis ... dictat..."; vgl. Prael. Jer. 18, 21, C O 3 8 , 3 1 4 , 3 4 f : „dictabat spiritus"; vgl. Prael. Jer. 23,21, C O 38,432,6; Prael. Jer. 28,15, C O 16

Die auctoritas Scripturae

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Dabei sieht der Reformator nicht etwa von der konkreten Menschlichkeit dieser Zeugen ab, vielmehr paßt sich der Geist nach Calvin menschlichem Fassungsvermögen an: „Spiritum ad modulum sensus nostri . . . accomodare sermonem" 27 . Die Funktion des Heiligen Geistes hinsichtlich der Schrift gestaltet sich Calvin zufolge jedoch doppelt: Der Geist ist nicht nur der Autor der Schrift, er ist auch die alleinige Kraft, die die Schrift beim Menschen als Gottes Wort bezeugt und in ihm wirksam werden läßt: „Nam sicuti Deus solus de se idoneus est testis in suo sermone: ita etiam non ante fidem reperiet sermo in hominum cordibus quam interiore Spiritus testimonio obsignetur. Idem ergo Spiritus qui per os Prophetarum loquutus est, in corda nostra penetret necesse est, ut persuadeat fideliter protulisse quod divinitus erat mandatum" 28 . Es kann daher Calvins Uberzeugung nach nur töricht sein, Ungläubigen beweisen zu wollen, daß die Schrift Gottes Wort sei 29 . Die doppelte Funktion, die dem Geist bei Entstehen und Verstehen der Schrift eignet, spiegelt sich darüber hinaus charakteristisch in der grundsätzlichen Beschreibung des Verhältnisses von Wort und Geist. Danach gehören Wort und Geist zwar eng zusammen, gleichwohl sind sie nicht grundsätzlich unzertrennbar. Sowohl den Papisten als den Schwärmern gegenüber betont Calvin die enge Verbindung, die zwischen Wort als Schrift und Geist besteht; der Geist will nicht ohne das Wort zu haben sein, das Wort wesentlich nicht ohne den Geist: „spiritum ecclesiae praelucere ad patefaciendam verbi intelligentiam: verbum autem instar esse lydii lapidis, quo illa doctrinas omnes examinet" 30 . Zwar markiert Calvin unübersehbar die Trennung von äußerem und innerem Geistzeugnis 31 , dennoch, und darin erweist er sich als in 38,579,3. Zum Problem der Inspiration siehe auch W. Krusche, a . a . O . : „Der Heilige Geist diktiert also nicht zeitentbundenen Offenbarungsempfängern die zeitgebundene F o r m , in der sie die ewigen Wahrheiten aussprechen sollen, sondern er regiert sie in ihrem Sprechen, das das Sprechen eben ihrer Zeit ist, so, daß sie damit ihre Botschaft am wirkungsvollsten aussprechen" (174); „Das dictare meint, daß Gott, nachdem er einem Menschen sein Wort gesagt hat und es ihm erhellt hat, in einem herrschaftlichen Akte durch den Heiligen Geist diesen Menschen in seiner ganz konkreten Geschichtlichkeit so in Beschlag nimmt und sein Reden so regiert, daß er das an ihn ergangene W o r t gehorsam und getreu, frei von allem eigenen Zusatz . . . wiedergeben und weitersagen kann und m u ß " ( 1 7 5 ) ; „Es i s t . . . kein Z w e i f e l . . . möglich, daß Calvin . . . auch bei dem Vorgang der schriftlichen Fixierung des Offenbarungszeugnisses eine der Inspiration der biblischen Zeugen zu ihrem mündlichen Zeugnis analoge Weise der Geistbegabung angenommen hat." (177f). 27

Inst. III, 2 4 , 9 , OS IV, 421, 7 f.

28

Inst. I, 7 , 4 , OS III, 7 0 , 2 - 8 ; vgl. C o m . 1. Tim. 3 , 1 6 , C O 52, 383.

2 9 Vgl. Inst. I, 8 , 1 3 , OS III, 8 1 , 2 8 f : „Sed inepte faciunt qui probari volunt infidelibus, Scripturam esse verbum Dei: quod nisi fide, cognosci nequit." 30

Epist. ad. Sadol., O S 1 , 4 6 5 , 4 3 - 4 6 6 , 1 .

Siehe hierzu G. W. Locher, Testimonium internum, 7f. Bei Calvin hingegen bereits von anderen „Medien des Geistes" neben der Schrift zu sprechen, wie A . Ganoczy, Die Hermeneutik Calvins, 94, trifft nicht den Sachverhalt. Vgl. für die Position Ganoczys bereits H . Noltensmeier, Reformatorische Einheit, 4 7 - 5 3 . 31

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Das Verhältnis von Schrift und Tradition

der Tradition Luthers stehend 3 2 , bleiben beide Werke des Geistes aufeinander zugeordnet: „Bifariam Deus in electis suis operatur: intus, per Spiritum: extra per verbum. Spiritu, mentes illuminando, corda in iustitiae amorem cultumque formando, novam eos creaturam facit. Verbo, ad eandem renovationem expetendam, quaerendam, assequendam excitat" 3 3 . 3.2.2. Exegese und Mitte der Schrift O b w o h l nur der Heilige Geist allein nach freier Wahl ein wirkliches Verstehen des Wortes für den Menschen zu bewirken und die Schrift als Gottes Wort pro me zu bezeugen vermag 3 4 , so bleibt doch auch schon die vorfindliche Schrift selber das deutlich sichtbare und klare Gestalt gewordene Wort Gottes 3 5 . Dieses als solches zugänglich zu machen, es aufzuschließen und zu übersetzen, ja seine ,äußere intelligentia' 36 zu bewirken, ist Aufgabe sowohl der Pastoren als auch in besonderem Maße der Doktoren 3 7 . Offenkundig findet demnach bei Calvin ein zweifaches Verständnis der Schrift Verwendung, eine ,intelligentia externa' und ,interna' 3 8 . Indem aber die ,Worte' der Schrift und die „mens scriptoris scripturae" 3 9 auf möglichst klare und durchsichtige Weise 4 0 verdeutlicht werden, erschließen sich die an einen alttestamentlichen oder neutestamentlichen Zeugen ergangenen und für diesen Zeugen verständlichen 4 1 Worte Gottes. Exegese ist deshalb nach Calvin,Verständnishilfe', „bonne aide pour entendre" 4 2 , der an die ,ministri verbi Dei' ergangenen Worte Gottes. Dies erklärt Calvins z.T. leidenschaftliches Interesse an dem in die jeweilige historische Situation hineindiktierten äußeren Wort und dessen genauer Erfassung 4 3 . Von großer Bedeutung ist es, daß der Reformator hierbei die Grundsätze humanistischer Exegese und Philologie aufnimmt, sie jedoch auf ihre wesentlichen Elemente zurückschneidet. Dabei treten als die eindeutig charakteristischen Leitbegriffe „claritas", „simplicitas" und „brevitas" besonders hervor 4 4 . Auch wenn der Heilige Geist sich an das menschliche Fassungsvermögen Vgl. hierzu auch D . Schellong, a.a.O., 105. 33 Inst. II, 5, 5, O S III, 303, 1 1 - 1 5 ; vgl. auch O S III, 8 4 , 9 - 1 2 ; O S V, 147,28f. 34 Vgl. oben S. 120 f. 35 Vgl. Inst. I, 7,2, O S III, 6 7 , 2 - 7 . 36 Vgl. Com. 2. Cor. 2,12, C O 49,342; Com. Rom. Praef., Ed. Τ. H . R. Parker, 1 - 4 , besonders 3, 12 ff. 37 Vgl. hierzu die Ordonn. eccl., O S II, 331 und 338. 3 8 Vgl. auch Τ. H . R. Parker, Calvin's N e w Testament commentaries, 67f. 39 Vgl. Com. Rom. Praef., a.a.O., 1, 9f. 4 0 Ebd. « Vgl. oben Anm. 27. 4 2 C o m . Ps. Praef., C O 31,16,23—25: „j'apporteroye aux gens, qui ne sont pas des plus exercitez une bonne aide pour entendre [lat. vers.: intelligendis] les Pseaumes". 4 3 Vgl. hierzu oben S. 59. 4 4 Vgl. ebd. und S. 55. 32

Die auctoritas Scripturae

123

seiner Schreiber anzupassen pflegte und darin ein göttliches Entgegenkommen, accomodatio, von eminenter Bedeutung zu sehen ist, so betont Calvin doch den bleibenden Unterschied zwischen damaligem Schreiber und heutigem Leser. Die Andersartigkeit der biblischen Sprachen, andere persönliche und soziale Verhältnisse und nicht zuletzt die zeitliche Distanz lassen „vieles in der Schrift für unser Fassungsvermögen schwierig und verwickelt" erscheinen45. Dies erklärt, warum Calvin neben der wissenschaftlichen Exegese der einzelnen Verse, Kapitel und Bücher der Schrift darüber hinaus im ,corpus scripturae' noch einmal ordnet und gewichtet und bestimmte Bücher als „clavis", „ianua"46 oder auch als eine Zusammenfassung für den Inhalt der Schrift benennt47. So hebt Calvin für die ,intelligentia' der Evangelien das Johannesevangelium48, für die Schrift als Ganze den Römerbrief 49 , als dessen Kompendium er in weiten Teilen den Epheserbrief versteht50, und insgesamt die Schriften des Paulus hervor: „caeterum his verbis significat, totam suam [paulinam] doctrinam simplici unius Christi cognitione fuisse comprehensam: sicuti revera totum Evangelium in ea continetur" 51 . Es sind dies Hilfen, die die Schrift selber anbietet. Entsprechend dieser grundsätzlichen Gewichtung erfahren die Schriften des Paulus - denen Calvin allerdings in charakteristischer Weise auch die Deuteropaulinen zuordnet - eine besondere Beachtung. Wenn auch die Schrift in ihrer Gesamtheit immer wieder als „veritas"52, als „doctrine parfaite"53 oder als „doctrina coelestis" 54 bezeichnet wird, so sind doch die verba Pauli und das Johannesevangelium der Zugang zu dieser veritas, deren Zentrum der sich in Christus manifestierende Dreieinige Gott ist: „En lisant les Epistres que S. Paul 4 5 Vgl. Inst. 1 , 1 3 , 3 , OS III, 1 1 2 , 1 1 - 1 5 : „Sed quid vetat quo minus quae captui nostro perplexa in Scripturis impeditaque sunt, ea verbis planioribus explicemus quae tarnen religiose et fideliter ipsius Scripturae veritati serviant, et parce modesteque, nec citra occasionem usurpentur?" 46 47

C o m . Joh. Arg., C O 47, VII, 27f. Vgl. C o m . R o m . Arg., Ed. Τ. H . R. Parker, 5, lOf.

4 8 Vgl. C o m . Joh. Arg., C O 47, VII, 2 7 f : „hoc evangelium clavem esse quae aliis intelligendis ianuam aperiet". 4 9 Vgl. C o m . Rom. Arg., a.a.O., 5, lOf: „siquis veram eius intelligentiam sit assequutus, ad reconditissimos quosque scripturae thesauros adeundos habeat apertas fores". 5 0 Vgl. hierzu Calvins Bemerkungen in seinem Epheserkommentar, C o m . Eph. 2, 8, C O 5 1 , 1 6 5 , 37—47: „Pro eo quod dixerat, salutem eorum esse ex gratia, nunc asserit esse donum Dei: pro eo quod dixerat, non ex vobis, nunc dicit, non ex operibus. Proinde videmus ut nihil hominibus reliquum faciat in comparanda salute. N a m hie tribus verbis complectitur quod tarn longa disputatione agitat in Epistola ad Romanos, item etiam ad Galatas: ex sola Dei misericordia provenire nobis iustitiam, offerri in Christo, idque per evangelium: sola fide citra operum meritum, pereipi."

C o m . 2. C o r . 1 , 1 9 , C O 5 0 , 2 2 , 1 3 . Vgl. Inst. 1 , 7 , 2 , O S III, 6 7 , 1 ; Inst. 1 , 8 , 1 , OS III, 7 2 , 2 2 ; Serm. Dtn. 4 , 1 - 2 , C O 2 6 , 1 0 8 , 5 4 - 1 0 9 , 2 : „que l'Escriture sainete soit tenue c o m m e une doctrine de perfection: que nous la cognoissions estre la verite de Dieu, ä la quelle il faut que toute nostre vie soit reiglee, qu'on n'y adiouste ni diminue." 53

Vgl. Inst. fr. Praef., O S III, 7 , 1 9 ; Serm. Dtn. 4 , 1 - 2 , C O 2 6 , 1 0 8 , 5 5 , vgl. oben Anm. 52.

54

Vgl. Inst. 1 , 6 , 2 , OS III, 6 3 , 6 u . ö .

124

Das Verhältnis von Schrift und Tradition

a escrites qz et lä nous devons touiours penser que Dieu a voulu qu'elles servissent non pas seulement p o u r un temps ou pour certains peuples: mais ä iamais, et en general pour toute l'Eglise. Et de faict quand on aura bien considere la doctrine qui y est contenue, il nous sera facile de iuger que Dieu a voulu estre escoute en ce qui est ici diet, iusqu'ä la fin du monde. Et aussi il a eu teile solicitude de nous, qu'il n'a rien obmis ni oublie de ce qui nous pouvait estre profitable ä nostre salut" 55 . Deutlich drückt sich in der Frage nach dem Zugang und in der Zusammenfassung ein dezidiert pädagogischer Zug in Calvins Umgang mit der Schrift aus. Dieses pädagogische Anliegen wird für den Reformator inhaltlich gefüllt mit dem Hinweis auf Ordnungs- und Strukturgebung. Ordnung, die Herstellung eines ordo, erscheint bei Calvin geradezu als ,Haupthilfe' beim Verstehen der Schrift. Hier ist der Grund für die Verwendung der ,Argumentum-Methode' in der Exegese Calvins zu sehen, dieser Sachverhalt erklärt Calvins großes Interesse an einer „ianua" zur Schrift und an hilfreichen Zusammenfassungen in der Schrift. Verständlich wird auf diesem Hintergrund aber auch Calvins „amor compendii" und sein Auslegungsgrundsatz „praeeipuam interpretis virtutem in perspicua brevitate esse positam" 5 6 . Dabei faßt er bereits die Schrift selber als das CWw««gjprinzip der Gotteserkenntnis auf, die ihrerseits erst durch Gottes Entscheidung zur accomodatio ermöglicht wird: „Nempe sicuti senes, vel lippi, et quicunque oculis caligant, si vel pulcherrimum volumen illis obiieias, quanvis agnoscant esse aliquid scriptum, vix tarnen duas voces contexere poterunt: specillis autem interpositis adiuti, distinete legere incipient: ita Scriptura confusam alioqui Dei notitiam in mentibus nostris colligens, discussa caligine liquido nobis verum D e u m ostendit." 5 7

3.2.3. Schrift und Lehre Diesem pädagogischen Grundzug in der Exegese entsprechend beschreibt Calvin nun auch die Aufgabe der Institutio und gibt damit gleichzeitig einen gewichtigen Hinweis für sein Verständnis des Verhältnisses von Schrift, Exegese und Dogmatik. Bereits in der Vorrede an den Leser seiner Institutio von 1539 wird sein Anliegen sichtbar: „Porro hoc mihi in isto labore propositum fuit, sacrae Theologiae candidatos ad divini verbi lectionem ita praeparare et instruere, ut et 55 Serm. Eph. 1,1 - 3 , C O 51,245,1 - 1 1 ; vgl. Com. Col. 4,16, C O 52,132,8 - 1 4 : „Ergo utcunque inscripta esset Colossensibus, debuit tarnen aliis prodesse. Idem et de omnibus epistolis sentiendum. Certis quidem ecclesiis semel fuerunt scriptae: sed quia perpetuam doctrinam continent, et communem saeculis omnibus: nihil refert qualem habeant titulum." 56 Com. Rom. Praef., Ed. Τ. H. R. Parker, 1,18. 8 f. 57 Inst. 1,6,1, OS III, 60,25—30.

Die auctoritas Scripturae

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facilem ad earn aditum habere, et inoffenso in ea gradu pergere queant; siquidem religionis summam omnibus partibus sic mihi complexus esse videor, et eo quoque ordine digessisse.. . " 5 8 Prägnanter noch wird Calvin im ,Argument' der französischen Ausgaben der Institutio beginnend mit derjenigen des Jahres 1541; hier tituliert er sein Werk als „une somme de la doctrine Chrestienne" sowie „une entree a bien proffiter en la lecture tant du vieil que du nouveau Testament" oder „une clef et ouverture . . . a bien et droictement entendre l'Escriture saincte" 5 9 . Wiederum ist es ganz offensichtlich ein pädagogisch motiviertes Ordnungsprinzip, das Calvin analog zur Grundintentio der Schrift selber 6 0 nun auch als Legitimation für seine Dogmatik anführt. Calvin versteht seine Institutio als Summe „de la doctrine Chrestienne" und damit als Hilfe zum Verständnis der „doctrina scripturae" 6 1 . Damit schreibt Calvin seinem Hauptwerk eine in der Aufgabe deutlich analoge Funktion wie dem Römerbrief des Paulus zu und ganz entsprechend sind daher auch die Begriffe, mit denen er die Institutio benennt: „somme", „entree" und „clef" 6 2 ! Somit ist nach Calvin seine Lehrschrift: kurze in Form und Ordnung gebrachte doctrina 6 3 , die ihre Legitimation aus der doctrina scripturae herleitet und wieder auf diese zurückweist. O r t dieser pädagogischen Ordnungsarbeit ist die ecclesia 6 4 ; ihr steht sodann auch die Autorität zu, dogmata aufzustellen und diese zu erklären 6 5 . Entsprechend dieser Einbindung in die Kirche bleibt letztes Wertungskriterium aller Ordnungs- und Interpretationsarbeit die fides: „Paulus, quum ad fidei analogiam omnem prophetiam formatam esse voluit, certissimam amussim posuit qua probari Scripturae interpretatio debeat" 6 6 . Aufgabe der Dogmatik ist es also, die reiche und weitläufige Fülle der doctrina als Heiliger Schrift auf den Begriff zu bringen, um dadurch im Verstehen der Schrift zu wachsen 6 7 ; Zentrum und Ziel gleichermaßen ist dem Reformator hierbei Christus: „hoc omnino legendas esse scripturas, ut illic inveniamus Christum. Quisquis ab hoc scopo deflectet, utcunque discendo se fatiget tota vita, nunquam ad scientiam veritatis perveniet" 6 8 . 5 8 Die zitierte Passage findet sich erstmals in der Institutio von 1539, ist von da an aber bleibender Bestand aller lateinischer Institutioausgaben; Inst. Praef., O S III, 6 , 1 8 - 2 3 ; eigene Kursivierung. 59

Inst. fr. (1541 ff) Arg., OS III, 8 , 1 8 f . 5 - 7 ; vgl. Ed. J. D. Benoit, 1 , 2 5 f .

60

Vgl. oben S. 123 f. Vgl. oben Anm. 59.

61 62

Ebd., vgl. oben S. 123.

Auffallend ist, daß Calvin innerhalb seiner Institutio immer wieder auf den „ordo recte docendi" verweist, vgl. O S III, 3 4 , 2 ; OS III, 6 , 2 3 u . ö . 63

6 4 Vgl. L a forme des prieres, O S II, 13, 13f: „il n'y a nulle edification, sinon ou il y a doctrine"; C o m . R o m . 12, 7, Ed. Τ. H . R. Parker, 2 7 1 , 6 4 ff; Inst. IV, 8 , 1 , OS V, 1 3 3 , 1 4 ff. 6 5 Vgl. Inst. IV, 8 , 1 , OS V, 1 3 3 , 1 9 f : „authoritatemdogmatumtradendorum, et eorum explication e m . " ; vgl. Inst, fr., Ed. J. D . Benoit, IV, 153: „faire des articles de f o y . . . exposer ce qui est contenue en l'Escriture." 66

Epist. ad Franc., O S III, 1 2 , 2 5 - 2 7 .

67

Vgl. oben Anm. 59.

68

Com.Joh. 5,39, C O 4 7 , 1 2 5 , 2 1 - 2 5 .

126

Das Verhältnis von Schrift und Tradition

In diesem Sinne versteht Calvin nun auch seine sowohl einleitende' als auch summarisch zusammenfassende' dogmatische Arbeit als ,doctrina vera' 69 , an deren Charakter als Hinweis auf die Schrift, in der die Fülle der doctrina coelestis enthalten ist, er keinen Zweifel läßt: „nec quenquam posse vel minimum gustum rectae sanaeque doctrinae percipere, nisi qui Scripturae fuerit discipulus" 70 . So gesehen umgreift der Begriff der,doctrina' bei Calvin den ganzen Bereich des Redens wahrer Kirche. Ihr Zentrum ist das Wort Gottes als Schrift selber, in ihr findet sich die doctrina schlechthin71. Sodann bezieht er diesen Begriff auch auf einzelne umgrenzte Bereiche der Schrift 72 und wendet ihn weiter für die dogmatisch-lehrmäßige Zusammenfassung an 73 , in deren Kernaussagen, den ,dogmata fidei' 74 sodann auch die traditionelle Begrifflichkeit des Dogmas ihren Platz hat 75 . Seine letzte Anwendung bezieht sich auf die Predigt; so kann Calvin praedicatio verbi gelegentlich mit doctrina identifizieren76. Anders als die Dogmatik sind die Exegese und die Kommentararbeit im engeren Sinne für Calvin an den biblischen Schriften und ihren Autoren selbst orientiert; obwohl sich auch hier ein pädagogisches Ordnungsprinzip festmachen läßt, bleibt es doch im weitaus überwiegenden Maß textimmanent. Exegese und Kommentararbeit sind vielmehr der Ort, die mens scriptoris, seinen scopus und den „simplex verborum sensus" zu erfassen 77 . So werden Einleitung und Argumenta der einzelnen Kommentare Calvins zwar gelegentlich auch mit dogmatischen Ordnungsbegriffen wie „trinitas" usw. versehen78, im übrigen läßt Calvin sich aber die Problemstellung vom jeweiligen Text selber geben. Vgl. hierzu oben S. 91 und 99. Inst. 1 , 6 , 2 , O S III, 6 3 , 7 f . 7 1 Vgl. Inst. I, 6, 3, O S III, 6 3 , 1 9 : „caelestis doctrinae consignatio"; vgl. Inst. 1 , 6 , 2 , O S III, 63, 5-10. 7 2 So kennt Calvin etwa die,doctrina des Mose', vgl. C o m . Gen. Arg., C O 2 3 , 7 - 1 0 ; die,doctrina Christi', vgl. C o m . Jes. Praef., C O 36, 20; die ,doctrina des Paulus', vgl. hierzu oben S. 123. Zum ganzen siehe A. Ganoczy, Die Hermeneutik Calvins, 171 ff. 7 3 G a n z in diesem Sinne spricht Calvin von „mea doctrina", vgl. z . B . Praed. aet., C O 8, 328, 22-31. 7 4 Vgl. Inst. IV, 8, O S V, 133,11. 7 5 Vgl. zur ,utilitas forma loquendi' Inst. 1,13, 5, O S III, 1 1 3 - 1 1 6 . Bereits mittels des doctrinaBegriffs gelingt Calvin die Eingliederung traditioneller dogmatischer Begrifflichkeit. Z u m Konzil von Nicäa bemerkt er beispielhaft: „totam earn doctrinam profiteretur quae Propheticis et Apostolicis scriptis est comprehensa. N o n exstat, fateor, hoc vocabulum in Scriptura: sed . . . quid aliud faciunt Patres Niceni, quum declarant esse unius essentiae, nisi quod nativum Scripturae sensum simpliciterenarrant?", Inst. IV, 8,16, O S V, 150, 5 - 1 1 . 7 6 Vgl. C o m . Jes. 49,2, C O 37,191. P. Brunner, Vom Glauben bei Calvin, 107 beschränkt doctrina einseitig auf die praedicatio. Differenzierter sehen das Problem jedoch bereits R. Hedtke, Erziehung durch die Kirche, 42—45; W. van 't Spijker, Doctrina naar reformatorische opvatting II, 5—25 und W. Neuser, Theologie des Wortes, 22. 7 7 Vgl. Praef. Chrys., C O 9, 835, 11 und C o m . R o m . Praef., Ed. T. H . R. Parker, 1 - 4 . ™ Vgl. hierzu die Aufstellung in C O 5 9 , 5 - 2 2 5 . 69 70

Augustin und die Autorität der Tradition

127

Besonders deutlich wird dies im Römerbriefkommentar, wo Calvin Paulusintern argumentiert; beeindruckend ist z . B . auch die Weigerung Calvins in der Exegese zu Jes 6, 3, das ,Dreimal Heilig' auf die Trinität zu beziehen 79 . Dieser Sachverhalt erklärt nun, warum Calvin in den Fragen der Exegese eine größere Meinungsvielfalt zuzugestehen bereit ist 80 , wohingegen er für den entscheidenden pädagogischen Ordnungsdienst der Dogmatik Einigkeit fordert: „in religionis autem dogmatibus, in quibus praecipue voluit Dominus consentaneas esse suorum mentes, minus sumatur libertatis" 81 . Aber auch hier ist Calvin weit davon entfernt, ein immer gültiges Axiom aufstellen zu wollen; vielmehr ist durch die Schrift immer wieder Regeneration der Lehre möglich 82 .

3.3. Augustin und die Autorität der Tradition Trotz der vom Reformator allenthalben propagierten Normativität und Exklusivität der Schrift besteht in der Forschung nach wie vor kein Konsens über den tatsächlichen Stellenwert, den die Schrift in seinem Werk einnimmt. So urteilte etwa schon P. Polman: „Nous croyons en effet, que Calvin a apporte un bon nombre de restrictions a son principe biblique, de telle sorte, que l'element non-biblique a joue, dans son oeuvre, un röle capital"; Polman sieht bei Calvin offenbar „une autorite supreme" neben der Schrift, „cette autorite devait . . . etre l'Eglise des premiers siecles" 83 . Sogar J. Koopmans, zwar in deutlicher Abgrenzung zu Polman gestand immerhin zu, „Calvin verwirft also nicht den Begriff der Tradition. Aber wiederum ist nicht die Tatsache, daß, sondern die Frage, was überliefert wird, entscheidend" 84 . Demgegenüber formulierte dann M. Reveillaud, indem er Polmans Anliegen 7 9 Vgl. C o m . Jes. 6, 3, C O 36, 129, 14 ff; richtig ist daher auch die Bemerkung J. Koopmans, a.a.O., 129: „Es scheint als habe Calvin vom D o g m a in der Auslegung [!] keinen häufigen Gebrauch gemacht." 8 0 Vgl. C o m . R o m . Praef., a.a.O., 3, 10—4, 16: „Ergo cum sperandum in praesenti vita non sit, quod maxime alioqui optandum esset, ut in locis Scripturae intelligendis perpetua sit inter nos consensio: danda est opera ut nulla novandi libidine incitati, nulla suggillandi alios cupiditati impulsi, nulla instigati odio, nulla ambitione titillati: sed sola necessitate coacti, nec aliud quaerentes quam prodesse, a superiorum sententiis discedamus: deinde ut fiat in Scripturae expositione"; nicht zu übersehen ist die Aussage Calvins ebd., 3 , 4 - 7 : „Verum animadvertere semper licuit, illos ipsos quibus nec pietatis Studium deesset, nec in tractandis Dei (mysteriis) religio ac sobrietas, nequaquam ubique inter se consensisse." 81

Ebd., 5 , 1 6 - 1 8 .

82

Vgl. Serm. H a r m . E v „ C O 4 6 , 4 f f . P. Polman, L'Element historique, 73 f.

83 84

J. Koopmans, Das altkirchliche Dogma, 38.

128

Das Verhältnis von Schrift und Tradition

modifizierend aufnahm: „La tradition n'a d'autorite que dans le seul domaine de la doctrine, mais dans ce domaine-lä cette autorite est reelle." 85 A. Ganoczy schließlich suchte bereits bei Calvin den die Schrift eingliedernden Traditionsbegriff des römischen Katholizismus nachzuweisen und urteilte: „Man kann auch ganz allgemein feststellen, daß sein [Calvins] Prinzip der sola Scriptum eine gewisse Vorstellung von der Tradition eher ein- als ausschließt" 86 , ein Versuch, den Ganoczy auch in seiner neuesten Veröffentlichung zur Hermeneutik Calvins noch einmal wiederholt 87 . Demgegenüber sah etwa J. N . Bakhuizen van den Brink keinerlei wirkliche Bedeutung kirchlicher Tradition für Calvins Theologie: „Calvijn verwerpt volstrekt enige doctrina fidei, die uit de άγραφα naast de scripturae af te leiden zou zijn" 88 . Noch deutlicher urteilte sodann R. Stauffer: „Plus encore que dans l'Institution de la religion Chrestienne, le predicateur de Geneve rejette la tradition" 89 . Zwischen den bezeichneten Positionen einer der Tradition de facto zugeschriebenen Autorität neben der Schrift und einer gänzlichen Verwerfung von Tradition läßt sich nun bei Calvin eine originelle Mittelposition nachweisen, deren zunehmende Präzisierung im Zeitraum von 1535—1543 auffällt. Noch in der Dedikationsepistel an Franz I. von Frankreich von 1535 charakterisiert Calvin ganz allgemein seine Verwendung der „patres", worunter er bereits hier einschränkend die „antiquos et meliores adhuc saeculi scriptores" versteht, von 1. Kor 3,22f her: „sie tarnen in eorum scriptis versamur, utsemper meminerimus omnia nostra esse, quae nobis serviant, non dominentur, nos autem unius Christi (1 Cor. 3), cui per omnia sine exceptione parendum sit. Hunc delectum qui non tenet, nihil in religione constitutum habebit, quando multa ignorarunt sancti illi viri, saepe inter se conflictantur, interdum etiam secum pugnant." 90 Calvin formuliert hier offensichtlich einen reformatorischen Grundsatz im Anschluß an ein urchristliches Gemeindeideal, das als Tenor auch seine Institutio von 1536 durchzieht 91 . Ganz diesem Ideal entsprechend verfährt er wenig später auch im Fall Caroli, dessen eigentliche Spitze nicht etwa die Ablehnung der altkirchlichen Bekenntnisse, sondern die Heraushebung eben dieses urchristlichen Gemeinde- und Theologieverständnisses ist 92 . M. Reveillaud, L'Autorite de la tradition, 30 f. A. Ganoczy, Ecclesia ministrans, 102. 8 7 Vgl. A. Ganoczy, Die Hermeneutik Calvins, 173: „Die schriftliche Abfassung der Bibel . . . erscheint ... als zweiter Schritt. Von daher wäre das Verhältnis von Schrift und Tradition ... in ökumenischem Sinn neu zu überdenken. Calvins Verständnis einer Lehre Gottes und Christi, die als mündliche Uberlieferung existierte . . . regt jedenfalls dazu an". 8 8 J. N . Bakhuizen van den Brink, Traditio in de Reformatie, 56. 8 9 R. Stauffer, Dieu, la creation, 157f. 9 0 Epist. ad. Franc., O S 1 , 2 7 , 2 1 - 2 7 ; eigene Kursivierung. 9 1 Vgl. hierzu oben S. 6 2 - 6 7 . 9 2 Vgl. Epist. ministro Bernensi, Febr. 1537, C O 10b, 86, 31—35: „ N e sie quidem conquievit [Carolus], sed nos sibi suspectos fore pronunciavit, donee in Athanasii symbolum a nobis suscrip85

86

Augustin und die Autorität der Tradition

129

Demgegenüber stellen Calvins Ausführungen im Brief an Kardinal Sadoleto von 1539 eine deutliche Präzisierung dar: „Tametsi enim solum Dei verbum extra omnem iudicii aleam constituimus, conciliis vero et patribus ita certam demum autoritatem constare voluimus, si ad eius normam respondeant: eo tarnen honore locoque concilia et patres dignamur, quem obtinere sub Christo par est." 9 3 Neu ist hier, daß Calvin nunmehr den Konzilien und den altkirchlichen Vätern explizit eine autoritas zugesteht, ja diese ausdrücklich herausstreicht. Unmißverständlich bindet er sie aber an die N o r m des verbum dei; so ist diese Autorität zwar nur indirekte und abgeleitete Autorität, gleichwohl wird aber der Stellenwert von Konzilien und Vätern doch eindeutig hervorgehoben 9 4 . Daß eben dieser Tendenz nun keineswegs periphere Bedeutung zukommt, beweist sodann eine Passage aus der lateinischen Ausgabe der Institutio von 1543. Hier scheint der Reformator in der positiven Bewertung von .traditio' sogar noch einen Schritt weiterzugehen, wenn er den altkirchlichen Konzilien die Funktion eines „praeiudicium" zuerkennt. Zwar sei nach der „amussis scripturae" der Sachverhalt zu prüfen, jedoch, so präzisiert er weiter „idque in eum modum, ut Concilii definitio pondus suum habeat, sitque instar praeiudicii" 9 5 . Dennoch wird dieses praeiudicium hier noch einmal auffallend eingeschränkt: „sie priscas illas Synodos . . . reveremurque ut sacrosanctas, quantum attinet ad fidei dogmata; nihil enim continent quam puram et nativam Scripturae interpretationem" 9 6 . Damit treffen wir nun auf eine zentrale Definition, die sichtbare Parallelen zur calvinischen Aufgabenbestimmung von Dogmatik überhaupt aufweist: sofern die rechtmäßig einberufenen Synoden 9 7 Ordnungs- und Verständnishilfen der Schrift, „pura et nativa interpretatio", geben, sind sie als praeiudicium der Schriftauslegung anzuerkennen, entsprechend sind sie dann aber auch immer wieder an dieser Schrift selber zu messen 9 8 . Von großer Bedeutung ist jedoch, daß Calvin dieses Zugeständnis einer gewissen Autorität der Tradition nun nicht als eine formale Zusicherung handhabt, sondern die der Schrift entsprechende traditionelle theologische O r d nungsarbeit in seine eigene Arbeit substantiell miteingliedert. Dieses läßt sich tum esset. Respondi me non solere quidquam pro Dei verbo approbare nisi rite expensum."; vgl. hierzu W. Nijenhuis, Calvin's attitude towards the symbols of the early church, 82—85. w Epist. ad. Sadol., O S 1 , 4 8 8 , 1 2 - 1 7 . 9 4 Gegen Stauffer, Dieu, la creation, 157 f, der trotz der von ihm angeführten Predigtpassagen, die klar die Hochschätzung der Vater und insbesondere Augustins widerspiegeln, zu Unrecht wertet: „le predicateur de Geneve rejette la tradition". 9 5 Diese Einfügung findet sich erstmals in der Institutioausgabe von 1543, wird aber gleichwohl auch in den folgenden Ausgaben mitgetragen; vgl. Inst. IV, 9, 8, O S V, 1 5 6 , 1 6 f .

w Ebd., OS V, 1 5 6 , 3 0 - 3 5 . 97

Vgl. Inst. IV, 9 , 1 3 , O S V, 161 f.

Vgl. Inst. IV, 9, 9, OS V, 157, 1 5 - 1 8 : „Unde enim id aestimabimus? N e m p e ex eo, nisi fallor, quod ex Scripturis iudicabimus, non esse orthodoxa illius decreta. H a e c enim una est certa lex discretionis." 98

130

Das Verhältnis von Schrift und Tradition

nicht nur für die Verwendung des Apostolikums als formalem und inhaltlichem Gliederungsprinzip seiner Institutio glaubhaft nachweisen", sondern zeigt sich, wie wir bereits sahen, in ganz besonderem Maße für die Einarbeitung augustinischer Kernaussagen und Texte 1 0 0 im größten Teil seiner theologischen Lehrschriften. Als prinzipiell weiterführendes Erklärungsmodell für dieses calvinische Phä-

nomen der selektiv einbezogenen

Tradition sind hier die Einführung der Schlüs-

selbegriffe der „successio doctrinae" 1 0 1 und analog bereits 1543 der „successio veritatis Christi" 1 0 2 sowie der „perpetuitas doctrinae" 1 0 3 und „immortalitas doctrinae" 1 0 4 durch Calvin selber besonders erhellend. In bewußter Abgrenzung zur römischen Amtssukzession 1 0 5 , jedoch unter ausdrücklicher Beibehaltung eines allgemeinen Sukzessionsgedankens macht Calvin die ,successio' der ,doctrina' zum Ermöglichungsgrund eines die ,traditio' selektiv-partiell miteinschließenden Kirchen- und Lehrbegriffs, wobei, gemäß der calvinischen Definition von doctrina, Materialprinzip, Mitte und Prüfstein für diese successio die Schrift bleibt 106 . In diesem Sinne beschreibt der Reformator 1543 auch seinen Traditionsbegriff: „ . . . ad Dei verbum examinanda esse singula,..., quae sit germana ecclesiae traditio, et quid rursum sit ab ea vel dissentaneum, vel extraneum" 1 0 7 . Damit ist nun gleichzeitig ein Sukzession und Kirche in ihrer Katholizität miteinschließendes Modell reformatorischer Schrifttheologie propagiert, in dem die auf die Schrift bezogene Tradition wieder einen bedeutenden Platz erhält. O b w o h l wir damit Calvins Traditionsverständnis zwar insgesamt dem von Η . A. Oberman als „Tradition I " beschriebenen Bereich 1 0 8 zuordnen, wird doch bei Calvin ein ganz individuelles Modell entwickelt. Grundsätzlich hervorzuheben ist hier der in seiner Ordnungsfunktion von Calvin deutlich markierte Begriff der doctrina, dem er durch die Eingliederung in den Sukzessionsgedanken eine weitere bislang kaum beachtete Dimension hinzufügt. Es ist der Weg der doctrina vera durch die Zeiten, für deren Explizierung Gott stets wieder Menschen beruft 1 0 9 . 9 9 Vgl. hierzu auch T. H. L. Parker, Knowledge, 6 und F. Wendel, Calvin, 100; siehe hierzu oben S. 105. wo Vgl. hierzu oben Kapitel 2, S. 5 3 - 1 1 7 . 101 Inst. IV, 2 , 3 , OS V, 34,27. 1 0 2 Inst. IV, 2 , 2 , OS V, 32,227f. 103 Eccl. ref. rat., C O 7, 611, 43f: „Sed in quo sita est succesio, nisi in perpetuitate doctrinae?"; vgl. Praed. aet., C O 8,327,5. 1 0 4 Prael. Zach. 1,6, C O 4 4 , 1 3 3 , 3 9 f f . ms Vgl. Eccl. ref. rat., C O 7 , 6 1 0 - 6 1 3 . 106 Gegen G. v. Allmen, The continuity of the church, 428—431. 107 Def. serv. arb., C O 6 , 2 7 8 , 5 - 8 . 108 beziehen uns auf die hilfreiche Unterscheidung von Η. A. Oberman, Quo vadis?, 238: „We call the single exegetical tradition of interpreted scripture ,Tradition I' and the two-sources theory which allows for an extra-biblical oral tradition .Tradition II'"; vgl. auch ders., Spätscholastik und Reformation 1,339—364. 1 0 9 Vgl. Inst. IV, 3 , 4 f , OS V, 46f.

Augustin und die Autorität der Tradition

131

Dieser dynamische doctrina-Begriff scheint dem Reformator die innere Legitimationsgrundlage für die Einbeziehung von Tradition auch in die theologische Gegenwartsarbeit zu bieten. Augustin ist ihm nun innerhalb dieser Lehrsukzession deshalb ein besonders exponierter Vertreter, da jener für Calvin der ,fidus interpres scripturae' 110 und darüber hinaus ihres ,doktrinalen' Kernstücks, der Theologie des Paulus, ist 111 . Dies erklärt auch, warum Augustin analog den altkirchlichen Konzilien, im Detail aber weit darüber hinausgehend de facto als ,praeiudicium' und besondere Autorität für Calvins lehrmäßige Schriftinterpretation fungieren kann 1 1 2 . Offenkundig wird dies bereits 1539 im folgenden eigenwilligen Satz steigernd dokumentiert: „Ego autem confido me germanam intelligentiam [Apostoli] assequutum, si tarnen mihi verum esse concedatur [!] quod alicubi verissime ab Augustino scriptum est..." 1 1 3 Eben diese Einschätzung ist es, die es ihm erlaubt, im Zusammenhang der Auslegung des ,ascendit in coelum' 1543 zu schreiben: „Hoc Augustini verbis malo quam meis explicare" 114 . Auf diesem Hintergrund wird sodann auch verständlich, in welchem Sinne die auf den Kirchenvater bezogenen Worte Calvins aus der Streitschrift gegen Pighius gemeint sind: „Quid autem in tota nostra doctrina aliud continetur?" 1 1 5 Signifikant ist jedoch, daß Augustin darüber hinaus noch auf einer zweiten Stufe innerhalb der ,successio doctrinae' der offenkundige Vorrang eingeräumt wird. Der Kirchenvater ist für Calvin nicht nur getreuer interpres der Schrift, gleichzeitig ist er zuverlässiger Interpret der doktrinalen Interpretationsarbeit der Alten Kirche 116 insgesamt: „audiamus Augustinum, quem unum habemus in dogmatibus Ecclesiae fidelissimum vetustatis interpretem" 1 1 7 . Es ist diese Augustin zuerkannte, sich gegenseitig bedingende doktrinale Doppelfunktion, die Calvin veranlaßte, dem Kirchenvater einen festen Platz in der eigenen Lehrargumentation einzuräumen, „si mihi confessio scribenda sit, ex eius scriptis contextam proferre, abunde mihi sufficiat" 118 . 110

Vgl. Inst. III, 2,35, OS IV, 46,16ff; siehe oben S. 115-117. Vgl. hierzu unsere Ausführungen oben S. 74 und 9 2 - 9 8 . 112 Vgl. Inst. II, 3,8, OS III, 282,7—19: „Et quoniam in praecipuo cardine iam versamur: agedum, summam rei paucis ac apertissimis tantum Scripturae testimoniis probatam tradamus lectoribus: tum deinde (nequis nos detortae perperam Scripturae insimulet) ostendamus neque huius sancti viri (Augustinum dico) testimonio destitui quam ex Scriptura desumptam asserimus veritatem. Nam neque expedire censeo, ut quae in sententiae nostrae confirmationem adduci ex Scripturis possunt, ordine singula recenseantur: modo ex selectissimis, quae proferentur, via sternatur ad reliqua omnia, quae sparsim leguntur, intelligenda; neque rursum intempestive factum iri si palam fecero mihi cum eo viro non male convenire cui plurimum authoritatis merito defert piorum consensus."; vgl. oben S. 129. 111

113 114 115 116 117 118

Inst. (1539ff), OS III, 3 4 2 , 2 9 - 3 2 . Inst. (1543 ff), OS III, 502,18. Def. serv. arb., C O 6, 326,16f; eigene Kursivierung. Vgl. hierzu oben Anm. 90. Inst. (1543), OS V, 3 8 0 , 3 7 - 3 8 1 , 2 0 ; vgl. OS V, 2 8 4 , 3 0 - 3 2 . Praed. aet., C O 8,266, lOf.

132

Das Verhältnis von Schrift und Tradition

Daß Calvin diesen seinen prinzipiellen Absichtserklärungen in sich stets steigender Weise auf einzigartige Manier nachgekommen ist, konnten wir bereits oben sehen. Dabei zeigte sich, daß der Reformator sowohl die Schrift als auch die Tradition von der gemeinsamen doctrina her selektiv verwendet und ein pädagogisch orientiertes Ordnungsbemühen für ihn richtungsweisend ist.

4. Aetates purissimae? Die Stellung Augustins in der Geschichtsschau Calvins 4.1. Vorbemerkung Unsere bisherigen Arbeitsergebnisse könnten die Vermutung nahelegen, daß sich, wenn auch eingeschränkt auf den Bereich der Augustinrezeption Calvins, das bestätigt, was bereits P. Polman und H . Berger für Calvin reklamierten. Hatte doch Polman betont, es sei Calvin um die „reconstruction de l'Eglise dans sa forme primitive" gegangen 1 , eine These, die Berger Calvins Anliegen sodann mit den Worten „Reformation heißt Umkehr zum Urchristentum" umschreiben ließ 2 . Es stellt sich daher nun die Frage, ob die besondere Hervorhebung Augustins durch Calvin auf dem Hintergrund einer idealisierten Vorstellung der Alten Kirche zu verstehen ist. Mit anderen Worten, ging es Calvin lediglich um eine ,Wiederholung' der Kirche der ersten christlichen Jahrhunderte? Zur Beantwortung dieser Fragen sind Calvins grundsätzliche Vorstellungen von Geschichte und Kirchengeschichte im Ansatz zu erheben 3 . Im Spektrum dieser Problemstellung erhält sein Rekurs auf Augustin vollends besonderes Gewicht.

4.2. Stufen und Perioden innerhalb der Geschichte 4.2.1. „Nullum fuisse ab orbe condito tempus, quo non habuerit Dominus ecclesiam suam super terram, nullum etiam fore, usque ad consummationem saeculi, quo non sit habiturus.. ." 4 Diese bereits in der ersten Ausgabe der Institutio von 1536 formulierten 1

P. Polman, L'Element historique, 75; siehe auch ebd., 74: „Personne avant Calvin, sauf peut-etre Melanchthon, n'a insiste, d'une fajon si nette et energique, sur la necessite d'un tel retour." 2 H. Berger, Calvins Geschichtsauffassung, 184. 3 Eine umfassende Arbeit über Calvins Geschichtsverständnis fehlt bislang. Die Untersuchungen von H. Berger sind vielfach zu ungenau und differenzieren zu wenig die einzelnen Stadien im Opus Calvini. 4 Inst. (1536), OS 1,87,31-34.

134

Die Stellung Augustins in der Geschichtsschau Calvins

Sätze haben für unser Thema fundamentale Bedeutung. Sie zeigen wie mit einem Brennglas zusammengefaßt, wie Gottes Handeln mit seiner Kirche die zentrale Stellung in Calvins Theologie einnimmt: Alle Zeit und Geschichte ist um die Beziehung Gottes zu seiner Kirche herumgruppiert. Geschichte ist damit im weitesten Sinne für Calvin immer Kirchengeschichte! Der Reformator hat eigentlich nur Interesse an Geschichte und Weltgeschichte, weil sie die Plattform der Heilsgeschichte darstellt. Erst in zweiter Linie ist ihm dann die Geschichte,Schautafel der gloria Dei' 5 und,Lehrerin des Lebens' 6 . Äußerst zurückhaltend ist er entsprechend bei der grundsätzlichen Bewertung und Einordnung der Geschichtswissenschaft; nur einmal sehen wir ihn zur Arbeit des Historikers ausführlich Stellung beziehen 7 . Es erstaunt daher nicht, daß Calvin im Unterschied zu vielen anderen Theologen - vom Barnabasbrief bis zum Praeceptor Germaniae Philipp Melanchthon nie eine Periodisierung der Menschheitsgeschichte aus dem Gang der Geschichte konstruiert 8 . Alle wenn auch spärlichen Periodisierungsversuche Calvins sind genaugenommen an das paulinische Modell aus Gal 4 angelehnt. So treffen wir im CEuvre des Reformators wiederholt auch auf die Grundunterscheidung und

5

Vgl. Serm. Dtn. 3 2 , 5 - 7 , C O 28,683. Zur Aufnahme dieses ciceronianischen Sprachgebrauchs siehe bereits Calvins Kommentar zu Senecas De dementia 1,1,14,25; vgl. auch Serm. lob. 8, 7 - 1 3 , C O 33,385, 3 9 - 4 1 : „les histoires de tout le temps passe, qui sont une vraye escole pour savoir regier nostre vie"; ebd., 387f; Serm. lob. 2 0 , 1 - 7 , C O 34,146; Com. Act. Praef., C O 48, VII; Com. Rom. 4,23, Ed. Τ. H . R. Parker, 99, 3f: „Historiam esse vitae magistram, vere dixerunt Ethnici"; vgl. hierzu auch J. Bohatec, Calvin und Bude, 283 f. 7 In einem Brief vom 12. Febr. 1557 an Johann Caspar von Nydbruck nimmt Calvin Stellung zum Plan der Magdeburger Centurien des Flacius Illyricus; bezeichnend ist seine Kritik, C O 20, 449, 34—37: „Caeterum in aliis tibi libenter subscribens, an singulas annorum centurias in certos libros distribui expediat nescio." 8 So findet sich bereits im Barnabasbrief den sechs Schöpfungstagen entsprechend eine Einteilung in sechs Weltzeitalter, das siebte beginnt mit dem Kommen Christi; vgl. Barnabae Epist. c. 15, Florilegium Patristicum 1, 63 f. Ähnliches findet sich auch bei Irenaus, mit dem Unterschied, daß hier den sechs Tagen jeweils Jahrtausende zugeordnet werden; vgl. Adv. haeres. V, 28, SC 153,258 f; daneben kennt Irenaus eine Einteilung in vier große Bundesschlüsse; vgl. Adv. haeres. III, 11,18, SC 34, 192—202. Tertullian unterscheidet in drei Perioden, die er den drei Personen der Trinität zuordnet; vgl. De virginibus velandis 1, 8 - 1 1 , CChrSL 2, 1209f und De monogamia 14, 1 — 7, CChrSL 2, 1249 f. In vielem dem Barnabasbrief entsprechend gliedert auch Euseb von Cäsarea in sechs Perioden; vgl. Historia eccl. Praef. und I, 1 — 7, SC 31, 1—5. Ebenfalls in sechs Perioden unterscheidet Augustin; vgl. De civ. Dei XI, 6, PL 41,321 f und Isidor von Sevilla, Chronicon 2 und 3, Monumenta Germaniae Historica, Auetores Antiquissimi 11,425. Joachim von Fiore unterscheidet den Personen der Trinität entsprechend in drei Perioden und erinnert damit an Tertullian; vgl. Expositio in Apokalypsim, P. 2, 8, fol. 105. Thomas von Aquin hält sich in dieser Frage deutlich zurück und gliedert dem Alten und Neuen Testament entsprechend in zwei Perioden; vgl. Summa theol. II, 1 q. 106 a. 4, Ed. Rom, 808-810. Philipp Melanchthon schließlich gliedert in vier Zeitalter; vgl. Chronicon Carionis Praef., CR 9, 1074ff. Für eine weitere Übersicht verweisen wir auf P. Meinhold, Geschichte der kirchlichen Historiographie I. 6

Stufen und Perioden innerhalb der Geschichte

135

Einteilung von „pueritia" 9 als der Zeit des Alten und „adolescentia" 10 als der des Neuen Bundes. Gleichwohl wird diese den Menschenaltern entsprechend vorgenommene Schematisierung keineswegs durchgehalten; immer wieder bildet die ekklesiologische Dimension des Wirkens Gottes an seinem Volk den entscheidenden Horizont für Calvins Aussagen. Ganz in diesem Sinne formuliert er in einer Predigt zu Daniel 9,27 von 1552: „Le peuple qui a vecu sous la loi etant semblable ä des petits enfants (comme dit S. Paul), que par leur rudesse et infirmite Dieu leur a voulu donner ces aides-lä, comme il connaissait leur etre convenables. Aujourd'hui il nous a fait grandir..." 1 1 Christus ist in dieser ekklesiologisch-heilsgeschichtlichen Periodisierung der Beender des Kindzeitalters 12 und in seinem Kommen der Anfang der ,letzten Zeiten' 13 . Es sind die Perioden daher grundsätzlich nicht umkehrbar und es muß deutlich von einem ,Offenbarungsprogreß' bei Calvin gesprochen werden; „Nostre condition n'est point du tout semblable ä celle de ceux qui ont vescu pour ce temps lä, ä causes des promesses qui nous avons beaucoup plus claieres qu'ils n'avoient pas alors" 14 . Auffallend zeigt sich auch hier ein dezidiert pädagogischer Zug in Calvins Theologie, wie er bereits wiederholt festzustellen war. So ist das Entscheidende im Progreß der Offenbarung und im Progreß der Kirche nicht der Gehalt der Offenbarung; unmißverständlich sind hier seine Worte von 1539: „Der Bund mit den Vätern ist nach Bestand und Wesen von dem unsrigen nicht zu unterscheiden, sondern ein und dasselbe, die äußere Darstellung dagegen ist verschieden" 15 . Wohl hingegen sind es pädagogisch graduelle Unterschiede, die den Fortgang der Offenbarung markieren 16 . Obwohl Alter und Neuer Bund ihrer substantia nach dasselbe sind 17 , gilt doch erst für Gottes Offenbarung in Jesus Christus: „cognitio gloriae Dei 9

Vgl. Inst. II, 11, 5, OS III, 428, 6; Inst. II, 11,2, OS III, 424 f. Vgl. Inst. II, 11,13, OS III, 435; Com. Eph. 4,14, C O 51,200f. 11 Serm. Dan. 9,27, C O 4 1 , 6 1 9 , 6 - 1 1 . 12 Vgl. Com. Gal. 3,25, C O 50,221,17ff. 13 Vgl. Inst. (1536), OS 1,236. 14 Serm. Dan. 8 , 1 0 - 1 5 , C O 41,502, 5 - 8 . 15 „Patrum omnium foedus adeo substantia et re ipsa nihil a nostro differt, ut unum prorsus atque idem sit: administratio tarnen variat."; dieser Satz findet sich erstmals in der Institutio von 1539, ist aber fester Bestandteil auch der folgenden Ausgaben; vgl. OS III, 404, 5 - 7 ; siehe auch OS III, 327, 25 f u n d OS III, 3 9 9 , 3 2 - 3 6 . 16 Vgl. Inst. II, 11, 5, OS III, 427, 34—428, 8: „Hinc liquet quo sensu dixerit Apostolus, Legis paedagogia deductos fuisse Iudaeos ad Christum antequam ipse in carne exhiberetur... Illos quoque filios et haeredes Dei fuisse fatetur: sed qui propter pueritiam sub paedagogi custodia habendi essent. Conveniebat enim, sole iustitiae nondum exorto, nec tantum esse revelationis fulgorem, nec tantam intelligendi perspicaciam. Sic ergo verbi sui lucem illis Dominus dispensavit, ut eam eminus adhuc et obscure cernerent. Ideo hanc intelligentiae tenuitatem pueritiae vocabulo Paulus notat, quam elementis huius mundi et externis observatiunculis, tanquam regulis puerilis disciplinae, voluit Dominus exerceri, donec effulgeret Christus: per quem fidelis populi cognitionem adolescere oportebat."; vgl. auch Com. Lev. 26, 3, C O 25,13,29ff. 10

17

Vgl. oben Anm. 15.

136

Die Stellung Augustins in der Geschichtsschau Calvins

replevit totam terram" 1 8 . Nicht die Offenbarungssubstanz ändert sich, wohl hingegen die durch die ,cognitio' wahrnehmbare ,claritas' dieser Substanz 19 . 4.2.2. Trotz dieses generellen unübersehbaren Offenbarungsprozesses zeichnet sich die in ihrem Kern als Geschichte der Kirche verstandene Weltgeschichte auf einer zweiten, subordinierten Ebene für Calvin durch Höhen und Tiefen von Anfang an aus 20 . Die Geschichte Gottes mit seiner Kirche ist von Beginn an immer auch die Geschichte der sich als Häresie niederschlagenden Deformierung von Kirche und der sich immer wiederholenden Erneuerung der Kirche durch Gott. So stellt Calvin etwa die Erneuerung der Kirche um Seth 21 und Noah 2 2 besonders heraus, wobei die .Erneuerung der Welt' und die .Erneuerung der Kirche' im Handeln Gottes an Noah signifikant zusammenfallen 23 ; dadurch wird noch einmal das calvinische Geschichtsmodell als ein im eigentlichen Sinne .Kirchengeschichtsmodell' herausgehoben. Unmittelbar an Noah und seine Söhne anschließend jedoch wird dann die weiterexistierende Kirche ihrem Dasein und Wesen nach ganz deutlich als ,kleiner Rest' charakterisiert 24 . Der Reformator scheint daher grundsätzlich zu sprechen, wenn er im Genesiskommentar hinsichtlich des Wesens der Kirche konstatiert: „Caeterum hoc quoque habendum e s t . . . : ecclesiam vero sub ignobili contemtoque habitu, quasi humi serpendo, divinitus servari, donee caput tandem suo tempore exserat" 2 5 . Kirche ist somit für Calvin charakterisiert durch äußere Unscheinbarkeit und den partikularen Rest- und Scheidungscharakter. Dieses ekklesiologischgeschichtliche Scheidungsmodell formuliert er deutlich, wenn er die Auswahl Abrahams aus den Nachkommen Ebers kommentiert: „Quamvis autem ipsi quoque nepotes Eber desciverint a vero Dei cultu, ut iure posset illos exhaereda1 8 „Ubi Christus palam innotuit mundo, simul etiam cognitio gloriae Dei replevit totam terram: quia Deus tunc apparuit in viva sua imagine", C o m . H a r m . Εν., C O 45, 7 4 9 ; vgl. Prael. Joel, 2, 28, C O 4 2 , 5 6 6 ; C o m . Gen. 3 2 , 2 9 , C O 2 3 , 4 4 6 , 2 - 5 : „ N a m patres initio oportuit in exigua aurorae luce ambulare: et Dominus gradatim se illis patefecit, donee tandem exortus est sol iustitiae Christus, in quo perfectus apparet fulgor." 1 9 Vgl. oben Anm. 14; H . Berger, a.a.O., 100 hat also gleichwohl recht, wenn er folgert: „So ist das Alte Testament sowohl wegen seiner pädagogischen Zielsetzung, als auch weil es die Bestätigung seiner Bundesverheißung erst erwartet, als vorläufig charakterisiert." 2 0 Vgl. De scand., OS II, 180, 34—37: „semper instabilis est Ecclesiae conditio: imo quod non secus, ac in procelloso mari, variis tempestatibus assidue iactatur" Vgl. ebd., 1 8 6 , 1 ff. 2 1 Vgl. C o m . Gen. 4 , 2 5 , C O 23, 1 0 3 , 3 5 - 3 9 : „Colligere promptum est, Seth probum et fidelem fuisse Dei servum. Postquam vero filium genuit sui similem, et familiam habuit recte compositam exstare coepit distincta ecclesia facies, erectusque est Dei cultus qui duraret ad posteros". 2 2 Vgl. C o m . Gen. 9 , 2 2 , C O 2 3 , 1 5 1 , 2 3 — 2 5 : „ O c t o animas selegerat Deus quasi sacrum et penitus omni sorde purgatum semen ad renovandam ecclesiam". 23

Vgl. ebd. und C o m . Gen. 9 , 1 , C O 2 3 , 1 4 3 , lOff.

Vgl. C o m . Gen. 9, 28, C O 23, 156, 2 ff: „ N a m quum ipse Pater Abrahae deserta statione profanum sibi tabernaculum erexisset, perquam exigua restabat eorum portio qui uno purae fidei consensu Deum c o l e r e n t . . . " ; siehe auch Serm. Dtn. 1, 34—40, C O 25, 691. 24

25

C o m . Gen. 10, 7, C O 2 3 , 1 5 8 , 3 0 - 3 6 ; vgl. Serm. Dan. 8 , 1 - 7 , C O 4 1 , 4 8 0 f .

Stufen und Perioden innerhalb der Geschichte

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re Dominus, non tarnen exstincta fuit prorsus sed tantum ad tempus sepulta benedictio, donec vocatus est Abraham..." 2 6 , und es findet sich gleichfalls in allen Teilen seiner übrigen Schriften 27 . Calvin unterstreicht die grundsätzlichen Charakteristika von Kirche besonders in der Beschreibung der babylonischen Gefangenschaft und der Bewahrung des mit der Kirche identifizierten Restes des Volkes Israel; Kleinheit und Verfolgung der Kirche gehen für den Reformator eng mit dem Rest- und Partikularitätsgedanken einher 28 . Wenn auch im Ansatz bereits in der Widmungsvorrede an Franz I. klar angesprochen 29 , findet sich diese ekklesiologisch durchwirkte Schau von Geschichte - analog unseren Beobachtungen in Kommentaren und Predigten besonders eindringlich wiedergegeben in seinem Traktat De scandalis von 1550. Wenngleich in dieser Schrift, herrührend aus der spezifischen Perspektive der Erfahrung einer nunmehr grausam verfolgten Kirche in Frankreich, ungleich stärker die Anbindung an die Providentia Dei hervortritt, zeigt sich doch auch hier in zusammengefaßter Form das für Calvin so bezeichnende Auf und Ab der immer wiederkehrenden ,renovatio' von Kirche. So konstatiert Calvin allgemein: „Nam quod plerumque calamitosa, semper instabilis est Ecclesiae conditio" 3 0 und markiert ebenso deutlich hinsichtlich der historischen Entwicklung: „Nihil dico, quod non facile secum agnoscat, quisquis ante suos oculos temporum omnium historias subiicere volet. Illa vetus Ecclesiae querimonia est, quod a iuventute subinde oppugnata fuerit, ac infestos habuerit impios: quod super dorsum suum araverint, ac longe protraxerint sulcos suos" 3 1 . Calvin demonstriert dann an vielen Beispielen, wie dieser beständige Widerstand gegen den Lauf der Gnade Gottes 3 2 in seiner Auswirkung auf die daher immer neu auf Erneuerung angewiesene Kirche durch die Zeit, „ab ipso prope mundi exordio" 3 3 aussah. So führt er die nach Kain erforderliche „restitutio" des „cultus Dei" bei Seth und Enosch an 34 und stellt wenig später, auf Gen 9,25 Bezug nehmend, wiederum dasselbe Phänomen fest: „cum ad octo animas redacta esset Ecclesia, sic purgata saltern esse videbatur, ut exiguum illud semen quod restabat, nihil ex se, nisi meram sanetitatem proferret. Atqui mox quarta parte minuitur." 3 5 Für den Reformator bleibt dieses Phänomen nun aber keinesfalls auf die 2

« Com. Gen. 10,21, CO 2 3 , 1 6 1 , 6 - 1 0 . Vgl. Serm. Dan. 8,1 - 7 , CO 41,479; Def. serv. arb., CO 6,240, lOff; Eccl. ref. rat., CO 7,610. 28 Vgl. Serm. Dan. 8, 8f, C O 41,487f; Serm. Dan. 8 , 1 0 - 1 5 , CO 41,502. » Vgl. Epist. ad. Franc., OS 1,31 f. 3° De scand., OS II, 180,34 f. 31 Ebd., OS II, 1 8 1 , 7 - 1 1 . 32 Vgl. ebd., OS II, 181,25 f. 33 Ebd., OS II, 181,26 f. 34 Ebd., OS II, 181,21-27. 35 Ebd., OS II, 181,35-38. 27

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Die Stellung Augustins in der Geschichtsschau Calvins

Kirche im Alten Bund beschränkt, sondern er konstatiert es als ,bleibendes' Proprium der Kirche in der Geschichte überhaupt. Unmißverständlich formuliert er denn auch hinsichtlich des Christusereignisses: „Nascitur Christus, pax ubique et alta quies. Quadraginta post annis aut circiter, spargitur per diversas mundi piagas ipsius Evangelium. Postquam longe lateque detonuit, tanquam versa repente alea, res passim turbulentae" 3 6 und zieht diese Linie sodann bis in seine eigene Gegenwart durch, wenn er schreibt: „Idem et hac nostra aetate observare licet. Intra paucos annos cum praeclara renascentis Ecclesiae initia apparuissent, collapsa deinde retro vidimus referri." 37

4.3. Regnum Christi Die Geschichte der ecclesia christiana Sahen wir oben, daß Geschichte für Calvin erst im Lichte der Geschichte Gottes mit seiner Kirche Gewicht erhält und insgesamt durch den entscheidenden Einschnitt der Offenbarung in Christus in ihre großen Perioden unterteilt wird, so ist nunmehr die innere Geschichte der als ,regnum Christi' bezeichneten ,ecclesia Christiana' zu charakterisieren 38 . 4.3.1. Auffallend ist zunächst, daß Calvin - vordergründig betrachtet - die nachösterliche Kirche ganz aufgrund ihrer zeitlichen Nähe zur Offenbarung in Christus und der apostolischen Kirche zu qualifizieren scheint. So charakterisiert er bereits in der Institutio von 1536 die Zeit der Kirchenväter als „saeculum purior" 3 9 , auch wenn er sie noch eindeutig von der apostolischen Zeit abrückt 4 0 , und nennt, diese Stoßrichtung beibehaltend, die „vetusta ecclesiae facies" als ein ernstzunehmendes Kennzeichen der Kirche. Zu finden sind Äußerungen dieser Art nahezu in seinem gesamten (Euvre. Besonders markant etwa ist die Bemerkung im Antwortschreiben Calvins an Sadoleto von 1539: „non m o d o longe meliorem nobis cum antiquitate consensionem esse quam vobis, sed nihil aliud conari quam ut instauretur aliquando vetusta illa ecclesiae facies, quae primo ab hominibus indoctis, et non optimis, deformata et foedata, postea a pontifice romano et eius factione flagitiose lacerata et prope deleta est." 41 Immer wieder sind es die ersten Jahrhunderte der Kirche, die er deutlich als

36

Ebd., OS II, 183, 8 - 1 1 . Ebd., OS II, 184, 7 - 1 0 . 38 Vgl. Inst. (1536), OS I, 240, 43: „In summa: cum ecclesia regnum sit Christi..."; siehe hierzu auch J. Staedtke, Die Lehre von der Königsherrschaft Christi und den zwei Reichen bei Calvin, 101-113. 39 Inst. (1536), OS 1,49, 7; vgl. Disp. Lausanne, C O 9, 879. 40 Vgl. ebd. 41 Epist. ad. Sadol., OS I, 4 6 6 , 2 2 - 2 7 ; vgl. auch Suppl. exhort., C O 6, 498, 25ff. 37

Regnum Christi - Die Geschichte der ecclesia christians

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„saeculum purior" 4 2 oder „saeculum aureum" 43 bezeichnet. Entsprechend stellt der Reformator dann auch fest, daß in dieser ersten Zeit „die wahre Gottesverehrung blühte" 44 und erst mit fortschreitender Zeit' der Verfall einsetzte 45 . Eine zeitliche Eingrenzung des saeculum purior im Werk Calvins läßt sich jedoch trotz dieses Qualifikationsschemas aufgrund der unterschiedlichen Aussagen nur sehr ungenau nachweisen. Hatte etwa noch W. N . Todd das,goldene Zeitalter' nach Calvin auf den Zeitraum 325—451 festschreiben wollen 46 , so erinnerte unlängst A. N . S. Lane diese Frage aufgreifend daran, daß eine Datierung schwierig sei und durchaus mehrere Daten genannt werden müßten 47 . Zu Recht folgert Lane daher: „For Calvin there was no one fall of the church, but rather a progressive decline from primitive purity to contemporary darkness" 48 . Dabei scheint Calvin den Grad des Absinkens äußerlich am Wachsen der Bedeutung des Papsttums und allgemein des monarchischen Episkopats gemessen zu haben. So räumt er 1543 grundsätzlich ein, daß im Bereich des ,ordo gubernandae ecclesiae' die Alte Kirche gemäß der norma verbi Dei verfahren sei49 und macht als tragendes ekklesiologisches Prinzip hierbei den ,consensus totius plebis [ecclesiae]' geltend 50 . Ausdrücklich hebt Calvin hervor, daß dies zu Zeiten Gregors des Großen ("}· 604) noch teilweise in Geltung stand 51 , wenngleich Gregors Herrschaft selbst als eine weitere Stufe im Wachstum der Macht des Stuhls Petri und damit des Absinkens wahrer Kirche zu werten sei; daher räumt er für diese Zeit ein: „... adhuc erat moderatio, ut suos certos fines haberet potestas Romanae sedis" 52 . Dieser Zustand habe sich aber zu Pippins (f 768) und Karls des Großen ("f" 814) Zeiten gänzlich so verschlechtert, daß nun gegolten habe: „Ex eo tempore, quum res passim in deterius quotidie prolaberentur, stabilita quoque subinde et aucta est Romanae sedis tyrannis" 53 . 42 Vgl. etwa Epist. ad Sadol., OS 1,473,18 und Inst. IV, 7,3, OS V, 106,21 f; Inst. IV, 17,48, OS V, 414, 30. 43 Vgl. Inst. IV, 9, 8, OS V, 157, 4: „Ecclesia a puritate illius aurei seculi degeneraverit." 44 Inst. I, 11, 13, OS III, 101, 2 2 - 2 5 : „Principio, siquid nos movet veteris Ecclesiae authoritas, meminerimus quingentis circiter annis, quibus magis adhuc florebat religio, et syncerior doctrina vigebat, Christiana templafuisse communiter ab imaginibus vacua."; vgl. De scand., OS II, 233, 8f: „Si fiat comparatio, primi certe illi sub quibus floruit Ecclesia...". 45 Vgl. Inst. IV, 19, 14, OS V, 448, 32f: „Postea successu temporis eo delapsa res est..."; vgl. Com. Joh. 4,20, CO47,85,8—15: „Itahodiepapistas videmus quuminflatis buccis patres decantant, nullum prophetis et apostolis locum dare, ubi autem paucos nominarunt honore dignos, coacervare ingentem hominum sui similium catervam, vel saltem descendere ad corruptiora saecula, quibus etsi nondum tarn crassa barbaries invaluerat, religio tarnen et doctrinae puritas multum declinaverunt." 46 Vgl. W. N . Todd, The function, 170-176. 47 Vgl. Α. N . S. Lane, Calvin's use, 174-178. 4 « Ebd., 178. 49 Vgl. Inst. IV, 4,1, OS V, 57, 30 ff. 50 Vgl. Inst. IV, 4 , 1 0 - 1 2 , OS V, 6 7 - 6 9 . 51 Vgl. Inst. IV, 4, 3, OS V, 70, 1 ff; zum Verhältnis Calvins zu Gregor vgl. L. K. Little, Calvin's Appreciation of Gregory the Great, 145 — 157. 52 Inst. IV, 7,12, OS V, 116,32f. 53 Inst. IV, 7,18, OS V, 1 2 0 , 2 7 - 1 2 1 , 1 ; vgl. oben OS V, 1 2 0 , 4 - 2 6 .

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Die Stellung Augustins in der Geschichtsschau Calvins

Lediglich die einsame Schelte und Klage Bernhards von Clairvaux über diesen Zustand bietet nach Calvin einen Lichtpunkt in dieser Zeit allgemeinen Verfalls 54 . Die besondere Bewertung Gregors und Bernhards innerhalb seiner Kirchengeschichtsschau spiegelt sich überdies auffällig in seinem Kommentar zum 1. Korintherbrief, wo er beide exponiert nebeneinander nennt 5 5 . Diesem äußeren Zustand entspricht für den Reformator auch die spirituelle und doktrinale Degradation, wenn er etwa im Kommentar zu J o h 4,20 formuliert: „religio tarnen et doctrinae puritas multum declinaverunt" 5 6 und bereits 1543 in seiner Institutio festhält: „ . . . siquid nos movet veteris Ecclesiae authoritas, meminerimus quingentis circiter annis, quibus magis adhuc florebat religio . . . ; verum si aetatem cum aetate conferas, videbis illos multum declinasse ab eorum integritate" 5 7 . Kaum fällt hierbei ins Gewicht, daß die Verfallsentwicklung geringfügig durch „saniores scholastici" und den Magister sententiarum verzögert wird 5 8 . Wie vorsichtig wir jedoch mit schematisierenden Jahresangaben sein müssen, zeigt uns schließlich der Sachverhalt, daß Calvin zwar global in D e scandalis bemerken kann, die „pura Veritas Dei" habe tausend Jahre in Ruinen gelegen 59 , aber ebenso deutlich feststellt, daß ,1400 Jahre (!) der Teufel die Christenheit blenden konnte' 6 0 . 4.3.2. Das bisher gezeichnete Bild der Geschichte der ecclesia christiana nach Calvin weist nicht unerhebliche Parallelen zu den diesbezüglichen Ausführungen Philipp Melanchthons auf 6 1 . Auf den ersten Blick ist Melanchthons Sicht von Geschichte ebenso immer auch bezogen auf die Geschichte der Kirche, gruppiert sich auch für ihn Weltgeschichte um die Heilsgeschichte 6 2 . Melanchthon entwickelt seine Schau von Geschichte programmatisch in der 1539 erschienenen Schrift De ecclesia et de 5 4 Vgl. ebd., O S V, 121; zu Calvins Bernhardrezeption vgl. auch A . N . S. Lane, Calvin's Sources of St. Bernard, 2 5 3 - 2 8 3 . 5 5 Vgl. C o m . 1. C o r . 3 , 1 5 , C O 4 9 , 3 5 7 , 1 1 - 1 7 : „Qualesetiamfueruntmultiexsanctis, Cyprianus, Ambrosius, Augustinus, et similes: adde etiam si übet, ex recentioribus, Gregorium et Bernardum, aliosque eius notae, qui quum haberent hoc propositum ut in Christo aedificarent, a recta tarnen aedificandi ratione saepe aberrarunt." 56

C o m . J o h . 4 , 2 0 , C O 47, 8 5 , 1 4 f.

Diese Passage findet sich erstmals in der Ausgabe der Institutio von 1543 und bleibt Bestandteil auch der folgenden Ausgaben; vgl. O S III, 101, 22—30. 57

58

Vgl. Inst. II, 2 , 6 , OS II, 2 4 8 f.

Vgl. Descand., OS II, 2 3 3 , 2 — 5 : „Atqueutdemus, non posse asseri a nobis et restitui puram Dei veritatem, quin se contra efferat ille quem praedicant multorum saeculorum consensus (quemadmodum ab annis mille sic collapsa fuisse omnia f a t e o r . . . ) . " 59

6 0 Vgl. Serm. Gen. 14, 1 8 - 2 0 , C O 23, 660, 2 6 - 2 8 : „Mais e'est pitie que le diable a regne en teile sorte, qu'il y a desia quatorze cens ans qu'il a tellement aveugle ceux qui se nommoyent Chrestiens." 61

Zur Frage der Beziehungen Calvins zu Melanchthon vgl. auch unten S. 170 ff.

Vgl. Chronicon Carionis, C R 12, 723, 3 3 f : „Ecclesiae initium est ipsa creatio hominis"; siehe auch Disputatio ( X I X ) D e Abrogatione legis, C R 1 2 , 4 7 3 . Siehe im übrigen P. Fraenkel, Testimonia Patrum, 59—61 und A . Sperl, Melanchton zwischen Humanismus und Reformation, 85 ff. 62

Regnum Christi - Die Geschichte der ecclesia christiana

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autoritate verbi Dei sowie im Traktat D e Luthero et aetatibus Ecclesiae von 1548 6 3 . Hatte aber Melanchthon 1539 für die von ihm als die reine Kirche apostrophierte apostolische Kirche der Frühzeit noch eingeräumt: „ . . . et tarnen interea erant multi infirmi, qui tametsi essent vera membra Ecclesiae et tenerent articulos fidei, tarnen aliquid addebant erroris" 6 4 , so revidiert er diese Position 1548, wenn er nunmehr schreibt: „ . . . o p i n o r perspicue hoc modo discerni, ut prima aetas ac pura, sit ipsa apostolica, et proxima discipulorum, qui doctrinam nondum dilutam Piatonicis opinionibus ac superstitiosis ritibus tradebant." 6 5 In derselben Schrift teilt Melanchthon sodann die Geschichte der christlichen Kirche in charakteristischer Weise weiter ein und nennt nach der ersten, der apostolischen Periode als zweite das origenistische Zeitalter, in dem die reine Lehre sträflich verdeckt wurde, wohingegen für das dritte Zeitalter mit Augustin gelte, „in qua ad fontes revocata sunt hominum studia"; nach dem vierten Zeitalter der scholastischen Barbarei um Thomas und Scotus gelte schließlich fünftens: „luce Evangelii per Lutherum rursus accensa" 6 6 . Vergleichen wir jedoch Melanchthon und Calvin, so fällt auf, daß Melanchthon sich in weit größerem Maße des Strukturierungsprinzips der aetates bedient, wobei er darüber hinaus ab 1548 die ,apostolische Zeit' der ersten Jahrhunderte insgesamt als ,pura aetas' benennt, aufgrund der er die dann folgenden Jahrhunderte nach Maßgabe der veritas Evangelica unterscheidend wertet, so daß für Melanchthon gilt: „pure antiquity becomes a critical principle that Melanchthon also applies to the ancient church itself" 6 7 . Obwohl wir an dieser Stelle der Frage der Interdependenz 6 8 beider Theologen noch nicht nachgehen wollen, muß für das Problem des Geschichts- und Kirchenverständnisses hier bereits folgendes festgehalten werden: Die bisherigen Ergebnisse haben offengelegt, daß man für Calvins Geschichtsbetrachtung keineswegs problemlos die Vorstellung eines „consensus quinque saecularis" reklamieren kann 6 9 ; bei näherer Betrachtung ist selbst ein consensus der apostolischen Zeit bei ihm nicht belegbar, ist es doch zu offensichtlich, daß sich für den Reformator auch die apostolische Zeit der Kirche als in sich selbst deutlich gebrochen erweist. Unmißverständlich spricht er in D e scandalis aus, daß bereits zu Zeiten der Apostel der Satan falsche Lehre gesät habe 7 0 . 6 3 F ü r die Entwicklung des jungen Melanchthon in dieser Frage vgl. auch W. Maurer, Der Einfluß Augustins auf Melanchthons theologische Entwicklung, 6 7 - 1 0 1 , besonders 78 f. 64

De ecclesia et de autoritate verbi Dei, C R 23, 599, 2 4 - 2 7 .

65

De Luthero et aetatibus ecclesiae, C R 11, 786, 5 - 9 .

«

Ebd., C R 11, 786. So P. Fraenkel, a.a.O., 171; eigene Kursivierung. 68 Siehe hierzu unten S. 1 7 0 - 1 7 2 und 1 7 6 - 1 7 9 . 6 9 Berger zeichnet also ein gänzlich undifferenziertes Bild, wenn er meint feststellen zu können: „Wie Luther, so hat auch Calvin den consensus quinquesaecularis sich zu eigen gemacht", H . Berger, a.a.O., 168. 67

70

Vgl. D e scand., O S II, 203, 2 5 - 3 3 : „Tametsi enim hypocritas illic zizaniis comparat, tritico

142

Die Stellung Augustins in der Geschichtsschau Calvins

Galt das Prinzip der,Scheidung' für Melanchthon allenfalls erst in nachapostolischer Zeit, beginnend mit Origenes, so wird es von Calvin konsequent auch für die apostolische Zeit selbst reklamiert 71 . Ungleich deutlicher noch geschieht dies für die Väterzeit. Das auch von Calvin zitierte augustinische Diktum, „Christum non sibi consuetudinis nomen, sed veritatis tribuere" 7 2 erhält somit gleichsam programmatischen Charakter auch für die Qualifizierung der Väterzeit. So ist das Interesse Calvins am Kirchenvater Augustin keineswegs darin begründet, daß jener der Väterzeit angehörte; ,vetustas' erweist sich für Calvin als ein, wenn überhaupt, nur gänzlich peripheres Argumentl Sowohl die erkennbare Zurückhaltung in der Einteilung der aetates, als auch das ständige Interesse, innerhalb des biblischen Kanons sowie auch innerhalb der kirchlichen Lehrtradition eindeutig zu gewichten 73 , zeigt beredt, daß es Calvin keineswegs um die Restauration der Alten Kirche ging. Noch einmal wenden wir uns dem bereits oben angeführten Zitat aus dem Antwortschreiben an Sadolet zu: Es war nicht Anciennität, die Calvin als Wahrheitskriterium anführte 74 und es war nicht die vetustas, die Calvin in der Kirche wiederherstellen wollte, es ging ihm vielmehr um die „facies vetusta ecclesiae" 75 . Bezug nehmend auf das augustinische Diktum können wir demnach feststellen, daß nicht die ,consuetudo' sondern die ,Veritas' das ausschlaggebende Scheidungsprinzip für Calvins theologische Qualifizierung von Geschichte darstellt. Die Spuren der ,pura veritas' innerhalb der Geschichte der Kirche festzumachen, begründet daher auch Calvins Interesse an der Alten Kirche und offenkundig ist es eben dieses Interesse, das sich in der Einbeziehung des veros ac germanos Dei filios: hanc tarnen usitatam Sathanae fraudem esse ostendit, corrumpere quibuscunque potest modis et vitiare coeleste Dei semen, ne ad frugem perveniat. Mundum instar deserti et inculti agri scimus diu iacuisse sterilem. Nunc Evangelii doctrinam seminavit Deus per suos ministros. Miramur si Sathan quascunque potest errorum corruptelas misceat? Et quae non statim a primo Evangelii exortu falsorum dogmatum plaustra invexit?" 7 1 Wir verweisen hier auf unsere Ausführungen zur doctrina oben S. 125f. 7 2 De scand., O S II, 2 3 3 , 2 2 f ; vgl. De babt. c. Donat. III, 6 , 9 , PL 4 3 , 1 4 3 , 3 6 - 3 8 . Eine deutliche Entsprechung dieses Scheidungsprinzips findet sich in der Verwendung der Begriffe superstitio und vera pietas bei Calvin; vgl. hierzu E. Saxer, Aberglaube, 48 und 263ff. 7 3 Vgl. hierzu oben, S. 1 2 7 - 1 3 2 . 7 4 Eindeutig sind Calvins Worte in einer Predigt zu Daniel 6 , 2 2 - 2 4 aus dem Jahre 1561, in der er auf die Gefahren des Arguments der Anciennität hinweist: „Nous voions comme il va, que les conseillers des princes n'auront autre chose pour mettre en avant, sinon, ό il se faut maintenir a la fa$on ancienne, car toute nouveaute ne peut sinon engendrer trouble, quoi qu'on face, ne qu'on delibere auiourd'huy aux conseils des princes, il n'est point question de s^avoir ne de s'enquerir quelle religion est vraie ou faulse, mais ce qui profitable pour la paix et le repos du pays, pourtant si on fait quelque nouveaute, chacun s'eslevera a l'encontre: On ne sfauroit done mieux maintenir la paix, sinon qu'on garde la fafon ancienne. O r en ce faisant, on ne regarde point a Dieu, voila Dieu qui est laisse derriere. Les princes cependant feront leur profit particulier", Serm. Dan. 6,22—24, C O 41, 417,2-15. 75

Siehe oben Anm. 41.

Regnum Christi - Die Geschichte der ecclesia Christiana

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augustinischen Werkes in Calvins eigenes (Euvre widerspiegelt. So hatte Calvin immer wieder die Trennungsmarkierungen zwischen den ,veteres' einerseits und ,Augustin' andererseits gesetzt 76 . Auf diesem Hintergrund wird nunmehr die in seinem gesamten Werk nachweisbare programmatische Reihung von Paulus und Augustin verständlich. Augustin gilt nicht als der,griffigste' Vertreter der mehr oder weniger insgesamt hochgeschätzten Alten Kirche, sondern wird unter Maßgabe dieses Trennungsprinzips als „fidelissimus et optimus testis ex tota antiquitate" aufgenommen 77 . Es ist schließlich diese grundsätzliche Scheidung der gesamten Welt- und Kirchengeschichte nach dem Prinzip der einen Veritas, der Calvin sodann auch das traditionelle Schema von Christus und Antichristus subsumieren (!) kann 7 8 ; er rechnet daher etwa Albert Pigge dem Herrschaftsbereich des Antichristen zu und betont demgegenüber: „Christum et omnes apostolos esse nobis coniunctos" 7 9 . 4.3.3. Die bisherigen Ausführungen dürften nachdrücklich erwiesen haben, daß die etwa noch von P. Polman erhobenen Vorwürfe eines latenten Traditionalismus 80 bei Calvin so nicht zu halten sind. Vielmehr ist deutlich, daß der Reformator die gesamte Geschichte nach Maßgabe der in ihr präsenten und verkündeten Wahrheit wertet. Dabei ist festzuhalten, daß es Calvin zufolge die durch die Zeiten sich gleichbleibende eine Wahrheit ist, die zu je verschiedenen Zeiten Scheidungs- und Unterscheidungsfunktion ausübt 81 . So drückt sich in der konsequenten Einbindung Augustins ins (Euvre des Reformators vielmehr eine nun auch für die Geschichte der Kirche geltende Verifikation desjenigen Kernsatzes aus, den Calvin bereits in der Verhältnisbestimmung von Altem und Neuem Bund gebraucht: „Ergo in eo elucet Dei constantia quod eandem omnibus seculis doctrinam tradidit" 82 . Genaugenommen verwendet Calvin den Kirchenvater, um die in der Gestalt der einen veritas oder doctrina nachprüfbare constantia Dei zu erweisen. Sie ist die eigentliche Mitte seiner ganzen Geschichtsschau 83 . 7 6 Vgl. hierzu Inst. II, 2 , 4 , OS III, 245,20—22: „veteres tarnen omnes, excepto Augustino, sie in hac re aut variant, aut vacillant, aut perplexe loquuntur, ut certi fere nihil ex eorum scriptis referre liceat."; vgl. darüberhinaus oben S. 7 0 - 7 4 . 7 7 Inst. IV, 14,26, OS V, 284, 3 0 - 3 2 . 7 8 Vgl. hierzu auch H. Berger, a.a.O., 73 ff und 140 ff. 7 ' Def. serv. arb., C O 6, 343,1 - 5 . 8 0 Vgl. obenAnm. 1. 8 1 Vgl. auch Inst. III, 2, 12, OS IV, 22, 3f: „Voluntas Dei immutabilis est, fateor, et semper eius veritas sibi constat"; vgl. Inst. I, 7,1, OS III, 65,22. 82 Inst. II, 11,13, OS III, 435, 3 2 - 3 5 . 8 3 Vgl. Serm. Gal. 4, 1—4: „Comment done dirons-nous qu'il y a une mesme substance de foy entre nous et les Peres, et qu'il y a u n regime si divers, et que Dieu ait tout change? Si on allegue que ceste diversite la procede de Dieu, il semble qu'il soit variable: si on dit que e'est ä cause des hommes, il faudra done conclurre que nous tenons deux rengs, et qu'ils ont este beaucoup eslongnez de nous. Or desia nous avons respondu ä la premiere objection qu'on pourroit faire: e'est qu'il n'y a nulle

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Die Stellung Augustins in der Geschichtsschau Calvins

Daher korrespondieren constantia Dei und die una et vera ecclesia miteinander, jedoch so, daß Calvin unzweideutige Scheidungskriterien benennt. Alle Zeiten sind somit gleich verantwortlich vor der einen Veritas und es ist Augustin und nicht Hieronymus, der nach Calvin diese Wahrheit deutlich spiegelt. Ist die in der veritas sich manifestierende constantia Dei das ,interne' Fundamentalargument, so bedeutet es,extern' gewendet folgendes: Indem Calvin mit Augustin einen exponierten Zeugen der einen Wahrheit namhaft macht, gibt er seinen Lesern eine explizite patristische ,regula veritatis' von ungeahntem Wert an die Hand. Calvin externalisiert und alteriert damit geschickt die Wahrheitsinhalte konkret; nunmehr können sowohl die Väter als auch die sich auf Augustin berufende Kirche des Mittelalters konkret nach einem Maß gemessen werden. So wird für diese nicht primär in der Stellung zu Calvin, sondern in der Stellung zum Kirchenvater Augustin ihre Stellung zur einen veritas ablesbar.

variete en Dieu, combien qu'il ait change l'ordre ä gouverner son figlise. C a r quand il envoye le beau temps et la pluye, quand il envoye le chaut apres le froid, et qu'il dispose ainsi les saisons de l'annee, dirons-nous que pour cela il change de propos, et qu'il soit muable en soy? Mais ä l'opposite nous dirons qu'il a ordonne ce qui estoit propre pour maintenir le genre humain, et cependant que par les changemens et revelations il nous advertist que nous ne devons point cercher nostre repos ici bas: mais qu'il nous y faut passer c o m m e pelerins, et comme ceux qui ont a faire long voyage pour parvenir au royaume des cieux.", C O 50, 5 7 1 , 2 — 2 5 .

5. Doctrina Prophetarum. Das Selbstverständnis Calvins in seiner Bedeutung für seine Augustininterpretation 5.1. Die Ausgangsfrage Vermochten die Ergebnisse in den vorangegangenen Kapiteln in weiten Teilen bereits die Einbeziehung des augustinischen Textmaterials in Calvins Werk zu werten und zu interpretieren, so bleibt doch ein nicht unerheblicher Rest, der unter den bisher verwendeten Frageperspektiven keine Erklärung findet. So waren etwa auffallende Harmonisierungsversuche vor allem ab 1543 zu beobachten 1 ; charakteristisch zeichneten sich sodann die vielfältigen situationsund sachtypischen Parallelisierungsversuche ab, die Calvin hinsichtlich des Kirchenvaters unternimmt. Es soll nunmehr gezeigt werden, daß es sich hierbei keineswegs um periphere Erscheinungen handelt, sondern wir im Gegenteil damit erneut an einen zentralen Nerv der Arbeit Calvins stoßen. All die oben aufgezählten Erscheinungen führen uns zu der spätestens seit A. Ganoczy scharf kontrovers diskutierten Frage nach dem Selbstverständnis Calvins und dessen Bedeutung für einige der entscheidenden Theologumena des Reformators 2 . Obwohl wir damit ein nicht ungefährliches und von mannigfachen Vorurteilen belastetes Thema ansprechen 3 , geben uns die Quellen jedoch bei genauer Beobachtung eine differenzierte Arbeitsgrundlage für unsere Fragestellung. Auf der durch die Fragerichtung notwendig implizierten Gratwanderung, die ständig Gefahr läuft, in die vielfältigen Abgründe der historisch-psychologisierenden Spekulation 4 zu geraten, bieten uns die Texte selbst eine sichere Interpretationsgrundlage. 1

Vgl. hierzu oben S . 7 7 f f .

Vgl. A . Ganoczy, L e jeune Calvin, 339 f; siehe auch die Gegenposition bei E . Saxer, Aberglaube, 261 u n d H . Scholl, Calvinus Catholicus, 111. Einen älteren Versuch, die Frage des Selbstverständnisses Calvins einer Lösung zuzuführen, stellt die Arbeit von F. Büsser, Calvins Urteil über sich selbst dar. 2

3 Wie sehr die Frage von Vorurteilen belastet ist, zeigt beredt die Scheu, das Problem des Selbstverständnisses Calvins erneut wissenschaftlich anzugehen. 4 Wir meinen hiermit die gelegentlich sehr spekulativ erscheinenden psychologischen Interpretationsversuche innerhalb der Geschichtswissenschaft, die, obwohl grundsätzlich nicht neu, sich insbesondere im Anschluß an die Arbeiten von Ε . H . Erikson verstärkt auch in reformationshistorischen Themenbereichen finden.

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Das Selbstverständnis Calvins

5.2. „Calvin . . . est-il prophete?" Ein Jahr nach dem Tode Calvins schreibt Nicolas Colladon in seiner Vie de Calvin von 1565 - Bezug nehmend auf Calvins Brief an die Evangelische Kirche von Frankreich, den er sodann seinem Danielkommentar von 1561/62 voranstellte - vielsagend: „En l'epistre qu'il leur escrit a ceste fin, on peut dire qu'il a este vrayement Prophete" 5 . Und bereits 1552 hatte Calvin selbst in einer Predigt zu Ezechiel 2 gesagt: „Ii y en a qui diront aujourd'hui, voilä Calvin qui se fait prophete... Est-il prophete? O r piusque c'est la doctrine de Dieu que j'annonce, il faut bien que je parle ce langage." 6 Mit diesen zwei einander ergänzenden charakteristischen Bemerkungen ist bereits ein erster Antwortkomplex im angeschnittenen Problemfeld beschrieben: Auch wenn aus der Feder Calvins kein umfassender Hinweis auf sein Selbstverständnis erhalten ist, so scheint doch bereits für manche seiner Zeitgenossen offensichtlich gewesen zu sein, in welchem Licht der Reformator zu sehen war und wie er sich selbst verstand. Auffällig ist, daß sowohl in Colladons Bemerkung, als auch in Calvins eigener Erzählung die Analogie zur Prophetengestalt gezogen wird. Befragen wir nun den übrigen calvinischen Quellenbestand, so zeichnet sich bereits früh eine Entwicklungslinie ab, die A. Ganoczy u . E . zu Recht mit dem Terminus einer „tonalite prophetique" bezeichnet hat 7 . Besonders auffällig findet sich diese schon in Calvins Responsio ad Sadoletem von 1539: Zwar erscheinen die anfänglichen Bemerkungen im Sinne des prophetischen Grundtenors noch keineswegs eindeutig, „ministerium meum, quod Dei vocatione fundatum ac sancitum fuisse non dubito" 8 oder „ministerium . . . a Domino esse" oder „opus Domini" 9 , die folgenden Näherbestimmungen lassen aber kaum mehr einen Zweifel zu, „Erant mihi in oculis prophetarum tuorum exempla, quibus videbam tantas fuisse contentiones cum saeculi sui sacerdotibus ac prophetis" 1 0 . Dieser calvinische Grundzug, die eigene Tätigkeit und Person mit den ProN . Colladon, Vie de Calvin, C O 2 1 , 9 1 , 3 4 - 3 6 . Serm. E z . 2, 1 - 1 0 vom Freitag, den 25. Dez. 1552, Ed. C . - O . Viguet und D . Tissot, Calvin d'apres Calvin, 296: „Passons done condannation volontairement et de bon gre pour donner toute gloire ä Dieu, et toute auetorite a sa parolle, que si nous ne le faisons nous sentirons que ce n'est poinet en vain qu'il est icy diet, 'Iis cognoistront qu'il y a eu un prophete au milieu d'eulx'. Pour cela nostre Seigneur declare que ceulx qui ont ainsi mesprise et rejecte sa doctrine, conoistront qu'ils ont eu affaire au Dieu vivant. O r nous verrons encores ceste fa^on de parier cy apres comme eile est assez connue, et nous la debvons bien notter, car il y en a qui diront aujourd'huy, Voilä Calvin qui se faict prophete quand il diet que on cognoistra qu'il y a eu ung prophete entre nous. II entend cela de Luy, et est-il prophete? O r puis que c'est la doctrine de Dieu que j'annonce, il fault bien que je parle ce langage". 5

6

Vgl. Α. Ganoczy, L e jeune Calvin, 339 f. s Epist. ad Sadol., O S 1,458, 7f. 9 Ebd., O S 1 , 4 5 8 , 1 9 f . 16f. 1 0 Ebd., O S 1 , 4 8 3 , 1 4 - 1 6 . 7

,Calvin . . . est-il prophete?"

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phetengestalten des Alten Bundes zu analogisieren, erfährt eine Steigerung etwa schon in der Supplex exhortatio ad Carolum V von 1543: „Quod ad doctrinam spectat, dico hic nos communem habere causam cum prophetis" und wenig später ungleich schärfer: „inter nos et prophetas nonnihil interesse" 1 1 ! Offensichtlich markiert diese für das Selbstverständnis so bedeutsame Analogisierungsbestrebung einen entscheidenden Zug auch in Calvins Verhältnis zu seinem Mitstreiter und Freund Guillaume Farel. Es ist bezeichnend, wenn Farel etwa 1550 in seinem Glaive de la Parolle charakterisierend formuliert: „Car de moy ie suis asseure, que ce que Calvin a escrit, il l'a fait comme tenue et devable par le sainct commendement de Dieu, et non autrement" 1 2 ; im selben Sinne tituliert Farel Calvin unmißverständlich als „vir D e i " 1 3 . Die gehaltvollsten Worte, die Calvin selbst hinsichtlich seines Selbstverständnisses je niedergelegt hat, finden sich hingegen in Kommentar und Vorrede zu den Psalmen Davids von 1557 1 4 . Die Formulierungen des Reformators, die hervorheben, daß er selbst sich in der Rolle Davids und in Analogie zu den Propheten des Alten Bundes versteht, sind u . E . eindeutig: „Toutesfois si i'ay quelques choses de commun avec luy [le prophete David], ie suis content de les considerer, et faire quelque comparaison de l'un ä l'autre" und ,,ς'ζ este une chose qui m'a beaucoup servi, de contempler [!] en luy, comme en un miroir, tant les commencemens de ma vocation, que le discours et la continuation de ma charge: ä ce que je recognusse plus asseurement que tout ce qu'a souffert et soustenu ce R o y et Prophete tant excellant, m'estoit propose de Dieu pour exemple afin de l'imiter" 1 5 . Somit ist die bereits von Ganoczy hervorgehobene Analogie zu David 1 6 zu unterstreichen; zu kurz geschlossen und an einem zu engen Calvin-Bild orientiert ist hingegen die Kritik E. Saxers 17 und H . Schölls 1 8 . Sowohl Saxer als auch Scholl lassen wiederholt außer Acht, daß das Element der Prophetenanalogie keineswegs nur in der Selbstbeurteilung Calvins deutlich aufweisbar ist, sonSuppl. exhort., C O 6, 477, 31—33; 478, 6 f ; eigene Kursivierung. G. Farel, Glaive de la Parolle, fol. 22. 1 3 Vgl. den Brief Farels an Calvin vom 28. April 1558, C O 17, 147, 37. Zum Problem der als .amicitia prophetarum' zu charakterisierenden Beziehung Farel - Calvin siehe J. M. J. Lange van Ravenswaay, Calvin und Farel - Aspekte ihres Verhältnisses, 63 — 72. 11

12

1 4 Bereits A. Ganoczy hatte mehrfach auf diesen Kommentar und seinen Gehalt für Calvins Selbstzeugnis hingewiesen, vgl. A. Ganoczy, Le jeune Calvin, 295—304. 1 5 C o m . Ps. Praef., C O 3 1 , 2 2 , 4 - 6 . 1 0 - 1 7 ; vgl. auch ebd., C O 3 1 , 2 8 , 4 1 - 4 3 : „considerant... la vie de David, il me sembloit qu'ä chacun pas il me monstroit le chemin"; ebd., C O 3 1 , 3 4 , 4 2 - 4 5 : „Et de faict, les lecteurs... recognoistront qu'en declarant les affections interieures tant de David que des autres, i'en parle comme de choses desquelles i'ay familiere cognoissance."; siehe auch ebd., C O 31, 30. 32.

Vgl. A . Ganoczy, a.a.O., 3 5 7 - 3 5 9 . Vgl. E. Saxer, Aberglaube, 261: „Calvin hat sich nie in einer besonderen heils- und kirchengeschichtlichen Ausnahmestellung gesehen." 16 17

1 8 Vgl. H . Scholl, Calvinus Catholicus, 111: „Er [Ganoczy] betont zu stark das Persönliche in der prophetischen Dimension."

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Das Selbstverständnis Calvins

dem darüber hinaus auch in den Beziehungen zu anderen Personen eine bedeutende Rolle spielte und somit doppelt belegt ist 19 . Überdies erscheint eine Einebnung des Sachverhalts etwa in den .prophetischen Auftrag der Gemeinde' 20 unzulässig, da Calvin zwar dem Lehr- und Predigtamt „dieselbe Art und denselben Zweck" wie dem Prophetenamt zubilligt 21 , aber eben deutlich darüber hinausgehend auch ein exzeptionelles Prophetenamt kennt: „Prophetas vocat non quoslibet divinae voluntatis interpretes, sed qui singulari revelatione excellebant; quales nunc vel nulli extant, vel minus sunt conspicui" 22 . Bei der Gratwanderung auf der Suche nach aufweisbaren Elementen für Calvins Selbstverständnis wurde somit deutlich, daß die Rollenbeschreibung des Reformators eine ganz besondere Affinität zu den Prophetengestalten des Alten Testaments aufweist. Basierend auf der Annahme einer ,revelatio singularis' werden in sich steigernder und verdichtender Weise sowohl einzelne Prophetengestalten als Vorbilder namhaft gemacht, darüber hinaus zielt auch das verwendete Vokabular zur Näherbestimmung der eigenen Person auf den Propheten hin, eine Tatsache, die eine signifikante Spiegelung im Sprachgebrauch der sich auf die Person des Reformators beziehenden Zeitgenossen erfährt.

5.3. Das Mittel der Typologie Neben dem nachweisbaren Selbstverständnis Calvins als eine den Propheten des Alten Bundes analoge Person, lassen sich in seinem Werk weitere charakteristische Formen finden, die Rückschlüsse auf sein Selbstverständnis zulassen und einen nachhaltigen Erklärungsrahmen für die wiederholten Situations- und Sachparallelen zum Kirchenvater Augustin bieten. Wir meinen die allgemein häufige Einbeziehung des Mittels der Typologie sowohl in Calvins exegetischtheologische Arbeit als auch in seine reflexive Rollenbeschreibung. Dabei fällt insgesamt auf, daß Calvin dazu neigt, im gesamten Bereich der Kirche Typenvergleiche vorzunehmen. Er beruft sich hierbei mehrfach auf Paulus selbst und formuliert bereits im Kommentar zu Rom 11,2 von 1540: „Hoc autem animadvertant lectores, quod Paulus temporis sui statum diligenter cum vetusta Ecclesiae conditione tum hoc loco, tum etiam alibi comparat, non mediocriter hoc ad fidei confirmationem valere, dum reputamus nihil hodie nobis accidere quod non olim experti sint sancti Patres" 23 . Offensichtlich im 19

Vgl. dazu auch oben Anm. 13. Vgl. dazu H . Scholl, a.a.O., 111 f. 21 Vgl. Inst. IV, 3, 5, OS V, 47, 5—8: „Excellentius fuit propheticum munus, propter singulare revelationis donum quo pollebant: sed doctorum officium similem fere rationem et unum prorsus finem habet." 22 Inst. IV, 3,4, OS V, 4 6 , 1 4 - 1 6 . 23 Com. Rom. 11, 2, Ed. Τ. H . R. Parker, 242, 9 4 - 9 8 ; vgl. auch Com. Gal. 3, 6 - 9 , C O 50, 204-207; Com. Gal. 4,21 ff, 236-239. 20

Das Mittel der Typologie

149

Anschluß an das paulinische Vorbild nimmt Calvin dann ständig sach- und situationstypische Parallelisierungen vor, sowohl zum Israel des Alten Bundes als auch zur Gemeinde des Neuen Bundes 2 4 ; dabei fällt auf, daß in jenen Bereichen, die das oben beschriebene calvinische ,Scheidungsprinzip' thematisieren 25 , sich auch gehäuft Typologisierung findet. So werden die Papisten zu Zeiten Calvins mit den Ismaeliten um Hagar verglichen 26 , die evangelische Kirche wird im Anschluß an die Abraham-Israel-Typologie als „filii legitimi" bezeichnet 27 . So wird Israel zur Figura, zum Typus für die ,vera ecclesia Christiana' 2 8 . Entsprechend kann Calvin dann aber auch einzelne Situationen, Dienste in der Gemeinde oder Personen mit einem Typus des Alten oder Neuen Testaments benennen 29 . Jedoch ist die Typisierung nicht nur Exemplifizierung und veranschaulichte Explikation der Gegenwart 30 , vielmehr zeigt sich hierin eine konsequente Durchführung des im Bereich der Geschichtsschau sich als ,Scheidungsprinzip' manifestierenden theologischen Prinzips. Auf diesem Hintergrund ist dann auch die Selbstidentifizierung mit dem Typus der Prophetengestalt im Einzelfall oder der Identifizierung des evangelischen Predigers mit dem Prophetendienst im Allgemeinfall zu verstehen. Beide Male ist eigentliches Movens der Einbezie2 4 Obwohl auch in den großen Tragödien der Antike diese die Zeit überbrückende Typologie nachweisbar ist, vgl. Seneca, Ed. Th. Thomann, I, 1 5 - 4 0 , und diese Calvin bekannt gewesen sein dürften, vgl. hierzu am eindrucksvollsten Calvins Epinicion, O S I, 496—498, ist es keinesfalls nötig, hier eine direkte Abhängigkeit zu konstruieren. Die biblischen Vorbilder gehen ungleich gewichtiger in Calvins Texte ein; gegen A. Ganoczy, Die Hermeneutik Calvins, 156.

Vgl. hierzu oben S. 141 f. Vgl. Com. Gal. 5 , 3 1 , C O 50,242,41—45: „Hodie sipapistas vocemus Ismaelitas et Agarenos, iactemus nos legitimos esse filios: ridebunt. At si res cum re, causa cum causa conferatur: nemo tarn rudis erit cui non sit promptum iudicare." 2 7 Ebd. 2 8 Vgl. Com. 1. Cor. 10,11, C O 4 9 , 4 6 0 , 8 - 1 1 : „Iterum repetit sic contigisse Israelitis haecomnia ut sint nobis typi, hoc est, exemplaria quibus Deus sua iudicia nobis ob oculos ponat."; ebd., C O 49, 460, 27—33: „Hoc pestilentissimum est delirium, quod et atrocem iniuriam facit sanetis patribus et Deo etiamnum longe atrociorem. Sic enim fuit populus ille christianae ecclesiae figura, ut vera etiam ecclesia fuerit: sie eius conditio nostram delineavit, ut esset tarnen iam tunc proprius ecclesiae status." Zur Durchführung des Figura-Gedankens siehe auch De scand.,OSII, 1 8 1 - 1 9 1 , besonders drastisch etwa die Folgerung ebd., O S II, 1 8 4 , 7 - 1 1 : „Idem et hac nostra aetate observare licet. Intra paueos annos cum praeclara renascentis Ecclesiae initia apparuissent, collapsa deinde retro vidimus referri." Zur Typologie-Präsenz in den Kommentaren Calvins vgl. auchD. Schellong, a.a.O., 159 ff. 25

26

2 9 Besonders hervorstechend ist etwa die typologische Analogisierung Guillaume Farels mit der Person Samuels in Calvins Psalmenkommentar. So wie Calvin sich selbst in Analogie zur Davidsgestalt schildert, wird Farel der Typus Samuels zugeordnet, wenn Calvin ihr Zusammentreffen in Genf 1536 mit folgenden Bemerkungen charakterisiert: „Quod etiam alibi semper dissimulavi, et in animo erat idem institutum prosequi, donee Genevae, non tarn consilio vel hortatu, quam formidabili Gulielmi Farelli obtestatione retentus sum, ac si Deus violentam mihi e coelo manum iniieeret.", Com. Ps. Praef., C O 31,23,37—42 und „incredibili zelo promovendi evangelii flagrabat", ebd., C O 3 1 , 2 5 , 8f. Zur gesamten Problematik siehe auch J . M. J . Lange van Ravenswaay, a.a.O., 65 f. 3 0 Zu sehr von der pädagogischen Seite der claritas und brevitas her interpretiert Ganoczy den Sachverhalt, vgl. A. Ganoczy, Die Hermeneutik Calvins, 161 f.

150

Das Selbstverständnis Calvins

hung des Typus keineswegs nur die pädagogische Veranschaulichung 31 , sondern das sich auch in den Bezügen des Typus konkretisierende Wahrheitsprinzip 32 : „sunt enim vivae imagines" 33 !

5.4. Augustin Was für die Einbindung der aus dem Alten und Neuen Testament entnommenen Typen in weite Bereiche von Calvins Schriften gilt, läßt sich nun aber auch auf die Einbeziehung des Kirchenvaters Augustin ausdehnen. Dabei ist wiederum charakteristisch, daß sich hier pädagogische Veranschaulichung, Erweis des Wahrheitsprinzips und das Moment der Selbstidentifikation eigentümlich miteinander vermengen. Bereits in Calvins Epistola dedicatoria ad Franciscum I von 1535 tritt diese Eigenart in den Vordergrund, wenn der Reformator ein Augustinzitat vielsagend mit den Worten einleitet: „Idem ergo nunc nostris adversariis respondemus, quod tunc Donatistis Augustinus" 34 . Obwohl 1535 noch keineswegs so durchgängig verwendet wie in den folgenden Jahren, zeichnet sich hier doch bereits ein äußerst markanter Zug in Calvins Argumentation und in seinem kirchlichen Selbstverständnis ab: Orientiert an dem durchgängigen Muster von Häresie und Rechtgläubigkeit werden nicht nur die Typen der Heiligen Schrift angeführt, sondern ebenso bewußte Situations- und Sachparallelen zu Augustin vorgenommen. Zu diesem Zeitpunkt ist allerdings eine Se/fctidentifikation oder eine Selbsteinschätzung Calvins in Parallele zum Kirchenvater noch keineswegs eindeutig festzustellen, zu deutlich spricht er in der Epistola für die Evangelischen in Frankreich allgemein. Gleichwohl wird die angesprochene Tendenz hierzu in den folgenden Jahren auffällig bestätigt und zusehends gesteigert, so daß Calvin bereits 1539 die ,similitudo' zum Kirchenvater unterstreicht, wenn er nun schreibt: „similia olim quum obiectarentur Augustino" und folgert, „non soli sumus in hac causa" 35 . 31 Vgl. etwa Com. 1. Cor. 10, 6, C O 49, 457, 4 - 7 : „De vocabulo typi mox dicemus: obscurant enim Pauli mentem, vel saltem non clare exprimunt, D e u m in illo populo delineasse quod nos erudiat". 32 Vgl. hierzu besonders C o m . 1. Cor. 10,11, C O 49,460,18—42: „Haec expositio, quum alioqui simplex sit et vera, hoc quoque utilitatis habet, quod viam praecludit phreneticis quibusdam, qui hunc locum eo detorquent, ut probent in veteri populo nihil unquam nisi umbratile fuisse g e s t u m . . . H o c pestilentissimum est delirium, quod et atrocem iniuriam facit sanctis patribus et D e o etiamnum longe atrociorem. Sic enim fuit populus ille christianae ecclesiae figura, ut vera etiam ecclesia fuerit: sic eius conditio nostram delineavit, ut esset tarnen iam tunc proprius ecclesiae status . . . Nihil ergo insanis illis suffragantur haec Pauli verba, quae non significant res gestas illius saeculi ita fuisse typos, perinde ac si nulla tunc fuisset Veritas, sed quaedam inanis scena..." 33

Ebd., C O 4 9 , 1 6 . Epist. ad Franc., O S 1 , 2 6 , 2 8 - 3 0 . 35 Inst. (1539ff), O S III, 3 0 1 , 1 7 f . 26f; vgl. auch Inst. (1536), O S 1,133f und Inst. (1539), OS III, 289 u . ö . 34

Augustin

151

Auf diesem Hintergrund erhalten die in der Institutio von 1543 sodann gehäuft auftretenden Formulierungen wie: „Atque in hunc modum interpretatur Augustinus claris verbis" und „quod si alium quoque Interpretern requirunt, audiant Augustinum" 3 6 einen ganz neuen Klang. Die angenommene eigene Sach- und Situationsparallele Calvins zum Kirchenvater macht dann auch folgende Formulierung möglich: „Voluit idem Augustinus" 3 7 ! Vollends erweist sich dies in der polemischen Situation - etwa in der Auseinandersetzung mit Pighius 1543: „Si hodie viveret Augustinus, ..., non posset clarius exprimere" 38 . Zusehends wird die anfangs noch auf die evangelische Gemeinde allgemein bezogene sach- und situationstypische Parallelisierung zu Augustin auch zu einer persönlichen Identifizierung Calvins mit dem Kirchenvater. So treten nun folgende Formulierungen verstärkt auf: „Augustini tarn verbis potius quam meis..."39, „porro Augustinus ipse adeo totus noster est" 40 und „.. .eius [Augustini] verbis et repetam, et confirmabo" 4 1 , „respondeat pro me Augustinus" 4 2 oder „Augustini verbis malo quam meis exprimere" 43 . O b w o h l diese Beispiele ein eindrückliches Zeugnis der persönlichen Bindung des Reformators an den Kirchenvater darstellen, bleiben sie doch notwendig sekundärer Interpretation unterworfen; nirgends in Calvins Briefen und persönlichen Zeugnissen wird Augustin als Typus seines theologischen Selbstverständnisses ausdrücklich thematisiert. U n d doch sind die zahlreichen expliziten und impliziten Parallelisierungen zu Augustin auch im Rahmen des Selbstverständnisses und der Selbstidentifikation zu interpretieren. Ein letzter, wenn auch nur bescheidener Hinweis vermag diese These zu stützen: Es wurde oben schon einmal auf die für die Bestimmung der vita Calvini und für die Klärung des Selbstbewußtseins so bedeutende Vorrede zu seinem Psalmenkommentar von 1557 hingewiesen. Hatten wir dort bereits auffällige Hinweise in Richtung auf eine Selbsteinschätzung in Parallele zu den Propheten des Alten Testaments vermerkt, so erweist sich der Kommentar zu den Psalmen auch im Hinblick auf Calvins Verhältnis zu Augustin als bedeutsam. In der Vorrede hatte Calvin seine Begegnung mit Farel von 1536 deutlich als Berufungserlebnis 44 in Analogie zur Prophetenberufung charakterisiert mit den Worten: „ac si Deus violentam mihi e coelo manum iniiceret" 45 . Eine bis in die 36 Inst. (1543 ff), OS IV, 119,5 f und OS IV, 136,22 f. Ebd., OS V, 284, 30; eigene Kursivierung. 3 8 Def. serv. arb., C O 6,264,29 f. 39 Praed. aet., C O 8, 265, 11 f; eigene Kursivierung. 40 Ebd., C O 8,266,9 f. 41 Ebd., C O 8, 325,20 f. 42 Inst. III, 22,10, OS IV, 392,1 f. 43 Com. Col. 1,24, C O 52, 94, 53 f. 44 Vgl. hierzu oben Anm. 29 und Anm. 1 3 - 1 5 . 45 Com. Ps. Praef., C O 31, 23, 41 f; eigene Kursivierung. 37

152

Das Selbstverständnis Calvins

Formulierung hinein verblüffende Parallele findet sich nun in der Kommentierung zu Psalm 105,25 „Quod nisi Deus quasi violenta manu coegisset Augustinern, similis prorsus fuisset aliis." 46 Kaum dürfte auch hier die Wahl der Formulierung Zufall gewesen sein, vielmehr bestätigt sie zusammen mit den anderen angeführten Beispielen eine sich offensichtlich steigernde Identifizierungstendenz mit dem Kirchenvater. Das tertium comparationis im Psalmenkommentar ist dabei nicht unerwartet wiederum die Prophetengestalt 47 . Auch verwundert nicht, daß Calvin gerade im Psalmenkommentar noch einmal so deutlich wird, gilt doch nach Calvin auch für den Psalter: „... ce livre [est] une anatomie de toutes les parties de l'ame" 48 . Stellen wir daher nun die Selbstidentifizierung Calvins mit Augustin in Rechnung, so erhält der Kampf des Reformators um den Kirchenvater eine weitere, eigentümliche Dimension, die die Frage des Augustinverständnisses Calvins aus dem doktrinal-intellektuellen Bereich heraushebt. Erst wenn man auch diese Seite seiner Beziehung zu Augustin bedenkt, läßt sich abschätzen, was es bedeutet, daß Calvin seiner Institutio ein Augustinzitat voranstellt 49 ; ungleich vielschichtiger wirkt sodann auch der Satz Calvins aus seiner Institutio von 1559: „Si tumultuatur mens tua, ne pigeat Augustini consilium amplecti" 50 .

46

Com. Ps. 105, 25, C O 32,109, 38f; eigene Kursivierung. Diese Beobachtung koinzidiert auffällig mit dem Satz aus Def. serv. arb., C O 6, 399, 32 f: „Quid Augustinus? Propheticam et apostolicam fidem asserit." 48 Com. Ps. Praef., C O 31,16,36 f. 49 Vgl. hierzu oben S. 78. 50 Inst. III, 23,5, OS IV, 399,13 f. 47

6. Schola Augustiniana. Vorbilder und Einflüsse in der Entwicklung des Augustinverständnisses Calvins 6.1. Vorbemerkung Die Frage nach Vorbildern und Einflüssen auf Augustinverständnis und -rezeption Calvins ist nicht nur in sich äußerst diffizil, sondern überdies durch den Quellenbestand und viele Lücken im historisch-biographisch nachweisbaren Lebenslauf des Reformators kaum zu beantworten. Wenn für Martin Luthers Augustinrezeption die Tatsache seiner unmittelbaren Zugehörigkeit zum Augustinereremitenorden sowie die Kenntnis wichtiger Teile der augustinischen Theologie vermittelt durch die Schule der ,via Gregorii' 1 plausible Ansätze einer Antwort liefern kann oder für Huldrych Zwingli die Datierung und Einordnung seiner handschriftlichen Annotationen zum Kirchenvater 2 , so wird man bei Calvin hier nach eigenen Wegen suchen müssen. Obwohl wir bereits mehrfach feststellen konnten, daß Calvin im Rahmen seiner Theologie ein in weiten Teilen originelles Augustinverständnis entwikkelt hat, das sich bis in den Bereich des eigenen Selbstverständnisses hinein auswirkte, soll nunmehr versucht werden, den Spuren seiner ,Schola Augustiniana' nachzugehen. Dabei werden wir an den wichtigen Stationen seiner Biographie entlang gehen müssen und von hier aus nach Vorbildern und Einflüssen suchen. Wiederum abzulehnen ist hingegen eine lediglich komparative Fragerichtung, die nur methodische oder ideengeschichtliche Parallelen im Umgang mit dem augustinischen Werk aufzuzeigen vermag. Schließlich muß für die Anfänge von Calvins Augustinarbeit noch einmal wiederholt werden, was wir bereits in Kapitel 2 unserer Arbeit konstatieren konnten: Eine intensive Auseinandersetzung Calvins mit dem Kirchenvater kann für die Anfangsphase seiner wissenschaftlichen Tätigkeit nicht bewiesen werden 3 . Erst ab 1535 wird hier ein Wandel offenbar. Diese Feststellung wird uns demnach vorsichtig machen in Bezug auf even1 Vgl. hierzu H . A. Oberman, Headwaters of the Reformation: Initia Lutheri - Initia Reformationis, besonders 6 9 - 8 5 und M. Schulze, ,Via Gregorii' in Forschung und Quellen, besonders 118-126. 2 Vgl. hierzu die Arbeit von A. Schindler, Zwingli und die Kirchenväter, 29—41. 3 Vgl. hierzu oben S. 53—56; gegen F. Wendel, Calvin et l'Humanisme, 16.

154

Vorbilder und Einflüsse in der Entwicklung des Augustinverständnisses Calvins

tuelle Herleitungen aus spätmittelalterlichen Quellen oder Vertretern des französischen Reformkatholizismus 4 .

6.2. Calvins Studium im College de la Marche und im College de Montaigu 6.2.1.,College

de la Marche'

Obwohl keineswegs gesichert ist, wann Calvin nach dem Elementarunterricht im College des Capettes in Noyon seine Studien in Paris aufnahm und das Fehlen von Quellen dem Historiker nur den Weg des Rückschlusses erlaubt 5 , so scheint doch immerhin glaubhaft, daß der junge Calvin im Zeitraum zwischen 1520—1523 im College de la Marche durch Maturin Cordier in „grammatices curriculum" 6 - das für das weitere Studium obligatorische Vorstudium - eingeführt wurde. Dies bestätigen sowohl Theodore de Beze als auch Nicolas Colladon in ihren Biographien, „La [ä Paris] entre autre precepteurs il eut pour son commencement au College de la Marche, M. Maturin Cordier.. ," 7 . Die dankbare Widmungsvorrede an Cordier, die der Reformator seinem Thessalonicherkommentar voranstellt, spiegelt darüber hinaus das Lehrer-Schüler-Verhältnis Cordier - Calvin 8 , welches uns schließlich auch von Jean de Launoy überliefert ist 9 . Wenn damit auch schon eine erste Stufe in Calvins Ausbildungsweg markiert ist, so bleibt doch über Details noch vieles im Dunkeln. Zwar ist es immerhin möglich, daß auch zu Zeiten Calvins als gängiges grammatisches Übungsbuch das ,Doktrinale' des Alexander de Ville-Dieu 1 0 noch im College de la Marche verwendet wurde, doch bereits hier haben wir keinerlei gesicherte Erkenntnis. Noch viel weniger läßt sich bestimmen, wie Cordiers Unterricht in dieser Zeit ausgesehen haben mag und wie lange Calvin ihn genoß 1 1 . Möglich ist, daß er bereits hier anhand der ,Summulae' in die Elementarkenntnisse der Logik Vgl. unten S. 158 ff. Den neuesten Neudatierungsversuch unternimmt, soweit wir sehen, T. H . R. Parker, John Calvin: A Biography, 156—161; vgl. auch die Gegenposition bei R. Stauffer, Johannes Calvin, 211-227. 4 5

6 7 8

Vgl. Th. Beza, Vita Calvini, C O 2 1 , 1 2 1 . N . Colladon, Vie de Calvin, C O 21, 54, 7 - 9 ; vgl. Th. Beza, Vita Calvini, C O 2 1 , 1 2 1 . Vgl. C o m . 1. Thess. Praef., C O 1 3 , 5 2 5 f.

Vgl. J. de Launoy, Regii nauariensis gymnasii historia, fol. 700: „Joanni Caluino, quem [Cordier] ad humanioras litteras informarat in collegio M a r c h i a n o . . . " . 9

1 0 Vgl. hierzu Das Doktrinale des Alexander de Villa-Dei, bearb. von D. Reichling, Berlin 1893. Die Anfangsgründe werden wahrscheinlich schon in N o y o n anhand Donatus' D e octo partibus gelegt worden sein. 1 1 In der Biographie Cordiers sind empfindliche Lücken zu konstatieren. Gesichert ist für diesen Zeitraum lediglich, daß er 1523 Regens im College de la Marche war und sich 1525 im College de Navarre einschrieb, vgl. J. Le Coultre, Maturin Cordier, 5 und J. de Launoy, a.a.O., fol. 699.

Calvins Studium im College de la Marche und im College de Montaigu

155

eingeführt wurde; ob und in welcher Weise Calvin neben den Grammatikstudien von Cordier jedoch im ,cultus divinus' erzogen wurde, entzieht sich unserer Kenntnis. Cordier versichert zwar in der Praefatio zu seinem Werk De corrupti sermonis emendatione: „doce, inquam, pueros Christum diligere, Christum spirare, Christum in ore habere, doce Deo fidere, omnia facere ad Dei laudem, omnia ad gloriam Dei referre, doce pios esse.. ." 1 2 , jedoch erschien die erste uns bekannte Edition in Paris bei Robert Stephanus erst 1530 13 und kann daher nicht zwingend etwas für 1523 aussagen. Noch weniger hilfreich ist die Bemerkung Cordiers: „Discipulos meos bona fide semper non solum ad humanitätis studia, sed etiam ad cultum divinum adhortabar" 14 , da sie sich in seinem erst 1564 erschienenen Colloquiorum scholasticorum libri IV findet15. So muß schließlich auch die Frage, ob etwa bereits Cordier im College de la Marche Calvin mit Augustintexten bekannt gemacht haben könnte, offen bleiben 16 . 6.2.2. , College de Montaigu' 6.2.2.1. Ungleich folgenschwerer für unsere Frage ist - der Meinung eines Teils der Forschung nach - Calvins Aufenthalt im College de Montaigu, dem Kollegium, wo Calvin seine universitären Studien begann. So scheint es für F. Wendel neben der Tatsache, daß Calvin hier auch Antonio Coronel zu seinen Lehrern zählte, auch wahrscheinlich, daß er in Montaigu an theologischen Vorlesungen Johannes Majors teilgenommen hat 17 . Für unsere Fragestellung relevant wird sodann die folgende Behauptung Wendeis: „En tous cas, J. Mair lui fit connaitre de pres les Sentences de Pierre Lombard et l'interpretation occamiste qu'il en donnait. C'est ä Montaigu enfin qu'il semble etre entre en contact avec les Peres de PEglise et notamment avec les ecrits de saint Augustin [!]; ainsi s'expliquerait la connaissance precoce qu'il en a eue et dont temoignent ses premieres publications." 18 Obwohl bereits Wendel keinerlei weitere Belege beizubringen vermag, finden wir dieselbe Grundthese bei L. Smits, der es wiederum an weiteren Nachweisen fehlen läßt: „Calvin assista ä ces [Majors] cours et eut ainsi une nouvelleoccasion 12

Μ. Cordier, De corrupti sermonis emendatione Praef., Ed. J. Le Coultre, Maturin Cordier,

502. 13

Vgl. J. Le Coultre, a.a.O., 435.

14

M. Cordier, Colloquiorum scholasticorum libri IV. Praef., Ed. J. Le Coultre, a.a.O., 515.

Vgl. J. Le Coultre, a.a.O., 449. Die Hinweise auf Augustin in Cordiers Werken selbst sind eher spärlich; vgl. aber J. Le Coultre, a.a.O., 85 zu Cordiers Disticha de moribus nomine Catonis von 1533. 15

16

17

Vgl. F. Wendel, Calvin. Sources et evolution, 6.

E b d . ; Wendel wiederholte seine These noch einmal in seiner letzten Veröffentlichung, Calvin et l'Humanisme, 16. 18

156

Vorbilder und Einflüsse in der Entwicklung des Augustinverständnisses Calvins

de prendre contact... avec saint Augustin, puisqu'une grande partie des Sentences provenaient des ecrits du docteur africain" 19 . In seiner Beurteilung noch weiter ging sodann K. Reuter, als er Johannes Major als den bedeutendsten Lehrer Calvins überhaupt hervorhob: „Calvin lernte bei ihm [Major] eine neue Konzeption antipelagianiscber und scotistiscber Theologie und einen erneuerten Augustinismus"20. Aber nicht nur Scotus und Augustin sollte Calvin in Montaigu über Major kennengelernt haben, auch Lombardus, Bonaventura, Thomas von Aquin 21 sowie Gregor von Rimini und Bradwardina 22 . Und schließlich war es nach Reuter wieder Major, durch den Calvin über Luther bereits „eingehend unterrichtet" worden sei 23 . Auch T. F. Torrance nahm einen gewichtigen theologischen Einfluß Majors auf Calvin an24, und selbst T. Stadtland stellte in seiner im übrigen eher vorsichtigen Arbeit immerhin fest: „Major... dürfte ihm die Kenntnis von Bradwardine, Gregor von Rimini und Duns vermittelt haben" und „Für uns bleibt Major für Calvin der wesentliche Vermittler mittelalterlicher Theologie" 25 . Erst in jüngster Zeit wiederholte K. Reuter noch einmal, wenn auch diesmal in der Formulierung merklich vorsichtiger, seine Thesen: „Man geht in der Annahme nicht fehl, daß der Geist Majors . . . an der ganzen Anstalt [Montaigu] herrschte, als sie . . . Calvin . . . besuchte" 26 und „Man wird es als durchaus zutreffend hinstellen müssen, daß Calvin . . . in Montaigu in die erste und nachhaltige [!] Berührung kam mit dem Augustinismus" 27 . Angesichts der Tatsache, daß Reuter und seine Meinungsgefährten sowohl den historischen als auch den textmäßigen Beweis für ihre Behauptungen immer noch schuldig geblieben sind, stellt sich erneut die Frage, ob Calvins Arbeit an Augustin ihre breit gefächerten Wurzeln in Montaigu hat. Lassen sich wirklich tragende Beweise dafür anführen, daß Calvin hier das reichhaltig Augustin zitierende Sentenzenwerk des Petrus Lombardus bereits gelesen hat 28 , gibt es Hinweise, daß er an Majors theologischen Vorlesungen zu den Sentenzen 29 teilgenommen hat und sind ihm hier schließlich die Werke der sich dezidiert auf Augustin berufenden Theologen Gregor von Rimini 30 und Thomas Bradwardine31 zum ersten Mal und für ihn richtungsweisend aufgefallen? L. Smits, a.a.O., I, 14. K. Reuter, Das Grundverständnis, 21; vgl. auch ebd., 35 f: „Im Unterschied von Erasmus hatte Calvin bei Major Augustin früh in sich aufgenommen." 19

20

21 22 23

Vgl. ebd., 32. Vgl. ebd., 34. Ebd., 68.

Vgl. T. F. Torrance, Intuitive and abstractive Knowledge, 304. T. Stadtland, Rechtfertigung und Heiligung, 51 und 55 Anm. 54. 2 6 K. Reuter, Vom Scholaren, 4. 2 7 Ebd., 18. 2 8 Vgl. zur Augustinverwendung bei P. Lombardus den Index in P. Lombardus, Sententiae in IV libris distinctae, Ed. Ad ciaras Aquas I, 572 b - 5 7 6 a und II, 591 a - 5 9 4 a . 2 9 Vgl. hierzu unten S. 1 5 9 - 1 6 2 . 3 0 Vgl. hierzu das von W. Urban erarbeitete Autoritätenregister zum Sentenzenwerk Gregor von 24 25

Calvins Studium im College de la Marche und im College de Montaigu

157

Von der Beantwortung dieser Fragen hängt entscheidend ab, in welcher Weise Calvins Augustinismus als Fernwirkung eines spätmittelalterlichen Augustinismus einzuordnen ist und inwieweit nach anderen Quellen und Gründen für die Augustinrezeption des Reformators zu suchen ist. 6.2.2.2. Wiederum wissen wir über Calvins Studienzeit in Montaigu nur sehr wenig. Kurz und eher allgemein gehalten sind Calvins eigene Bemerkungen zu dieser Zeit in seiner Praefatio zum Psalmenkommentar: „Ainsi cela fut cause qu'on me retira de l'estude de Philosophie et que ie fut mis ä apprendre les Loix" 32 . Kaum mehr erfahren wir aus Bezas Vita Calvini: „Translatus deinde in Gymnasium ab Acuto Monte cognominatum Hispanum habuit doctorem non indoctum: a quo exculto ipsius ingenio, quod ei iam tum erat acerrimum, ita profecit ut caeteris sodalibus in grammatices curriculo relictis ad dialectices et aliarum quas vocant artium Studium promoveretur" 3 3 . Trotz der wenigen Hinweise stimmen beide Quellen hinsichtlich des Sachverhalts überein, daß Calvin vor seinen Rechtsstudien ein Artesstudium absolvierte; an diesen schlichten Grunddaten wird man nicht vorübergehen können, wenn man für Calvins Aufenthalt in Montaigu bereits eine eingehende Einführung in die Theologie reklamieren will, die über die übliche Vermittlung elementarer theologischer Grundkenntnisse im Rahmen der Metaphysik-Vorlesungen hinausging 34 . Diese allgemeine Auskunft stellt jedoch noch in keiner Hinsicht eine Antwort auf unsere Fragen dar. Hierzu bedarf vielmehr der spezielle Lehrbetrieb im College de Montaigu einer eingehenden Prüfung, die sich darüber hinaus auf jenen Zeitraum zu konzentrieren hat, innerhalb dessen Calvin zu den Schülern der Anstalt zählte. Obwohl die Quellen für den Zeitraum von 1520—1530 erhebliche Lücken offenlassen, so gilt doch grundsätzlich auch für diese Zeit die zweispartige Unterteilung der Anstalt in eine Artesabteilung und eine Theologieabteilung 35 sowie die seit der Regenszeit Noel Bediers praktizierte Unterteilung der Insassen in ,Portionistes', welche, obwohl zur Gruppe der Begüterten gehörig, im College versorgt wurden, in ,Cameristes', die, ebendieser Gruppe zugehörig, lediglich an den wissenschaftlichen Kursen und am religiösen Leben des Colle-

Riminis, in: Gregorii Ariminensis OESA Lectura super Primum et secundum Sententiarum, VII, 307-366. 31 Vgl. Th. Bradwardina, De causa Dei; siehe hierzu H . A. Oberman, Archbishop Thomas Brad-w ardine, 119 ff. 32 Com. Ps. Praef., C O 31, 22, 2 9 - 3 1 ; eigene Kursivierung. 33 Th. Beza, Vita Calvini, C O 21,121,21 - 2 7 . 34 Vgl. dazu unten S. 162 f. 35 Vgl. Statuta seu ordinationes vom 30. 1. 1503 (Paris Arch. Nat. MM 466), Ed. M. Godet, La congregation, 141 ff; ebd., 147f: „Discipuli grammatice et artibus" . . . „discipulis vero theologie",

u.ö.

158

Vorbilder und Einflüsse in der Entwicklung des Augustinverständnisses Calvins

ges teilnahmen, im übrigen aber extern wohnten und schließlich in ,Pauperes', die gänzlich im College lebten 36 . Colladon macht in seiner Vita Calvini glaubhaft, daß Calvin zur Gruppe der externen ,Cameristes' gehörte 37 , er also nicht ständig in der Anstalt wohnte. Artesgruppe und Theologengruppe waren mit der jeweiligen Fakultät der Pariser Sorbonne verbunden und so lassen sich auch die Lehrinhalte in den Kursen in Montaigu ungefähr bestimmen: Die letzte große Reform der Pariser Universität durch den Kardinal d'Estouteville von 1452 schreibt recht genau vor, mit welchem Stoff und welchen Lehrbüchern sich die Ariesstudenten vertraut zu machen hatten38. So führt das Dokument das Doctrinale des Alexander von Ville-Dieu und das Grecismum des Eberhard von Bethunien eigens an, sodann wird die Logik des Aristoteles nach dessen Organon und dessen De anima vorgeschrieben39. Hierauf aufbauend werden für Physik, Mathematik und Moralphilosophie die Physik, Metaphysik und die Nicomachische Ethik des Aristoteles empfohlen40. Obwohl d'Estouteville kein Mathematiklehrbuch eigens erwähnt, kann doch angenommen werden, daß die Arithmetik des Boethius sowie der Tractatus de Sphaera des Johannes von Halifax oder der Pierre d'Aillys 41 in Gebrauch waren. Als die ,Kernfächer' der Artesfakultät galten jedoch Metaphysik und Moralphilosophie: „Specialius autem mandamus quatenus ipsi scholares diligentius insistant metaphysicalibus libris et moralibus addiscendis"42. Im einzelnen bedeutete dieses zwar die Exegese der entsprechenden Aristotelestexte43, nicht vorgeschrieben war hingegen, und dies explizit seit dem Reformstatut von 1474, die Manier, in welcher diese Auslegung zu erfolgen hatte44. Innerhalb der theologischen Fakultät hingegen änderte sich durch das Reformstatut d'Estoutevilles nichts; das Statut vom Juni 1366, welches Bibelexege3 6 Vgl. N . Bedas revidierte Statuten in: Bibliotheque de l'Arsenal, MS 1168, fol. 81 r, vgl. unten A n m . 46.

Vgl. N . Colladon, a.a.O., C O 21, 5 4 , 1 7 — 1 9 : „Calvin demeura . . . en chambre". Vgl. Reformatio universitatis Parisiensis facta per Cardinalem legatum Guillelmum de Estoutevilla, E d . Chartularium Universitatis Parisiensis IV, 713 — 734. 37

38

Vgl. ebd., Chartularium IV, 728. 40 41 42

Vgl. ebd., Chartularium IV, 729. Vgl. hierzu A . Renaudet, Prereforme, 28 Anm. 5. Reformatio, Chartularium IV, 729.

Vgl. ebd., Chartularium IV, 727: „Item, quia ex bonorum virorum fida relatione concepimus nonnullos magistros regentes in artium facultate ab antiquo more legendi et regendi non minus in eorum vituperium quam scolarium dampnum decidisse, mandamus et districtius in virtute sancte obedientie precipimus omnibus et singulis magistris regentibus et docentibus, quatenus circa textum Aristotelis scolaribus suis exponendum de puncto in punctum intendant, sive de capitulo in capitulum diligenter C o m m e n t a et expositiones philosophorum et doctorum studeant et exquirant, ita quod lectiones suas elaborato studio suis discipulis ore proprio dicant et pronuncient: quia, ut Hieronymus ait, habet nescio quid latentis energie vive vocis actus, et in aures discipuli de auctoris ore transfusa fortius sonat." 43

44

Vgl. dazu auch A . Renaudet, a.a.O., 29.

Calvins Studium im College de la Marche und im College de Montaigu

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se und Sentenzenvorlesungen vorschreibt, wird lediglich noch einmal ausdrücklich bestätigt 45 . Die durch den Regens Noel Bedier revidierten Kollegiumsstatuten für Montaigu vom Februar 1509 änderten an dieser Gesamtsituation kaum etwas. Zwar werden nun für das Grammatikstudium die Lehrbücher Perottis, Augustino Datis und Guy Jouenneaux ausdrücklich zugelassen 46 und antike Schriftsteller wie Terenz und Ovid verboten, für die Philosophievorlesungen aber wird festgelegt: „Quoad lectiones artistarum, statuitur, quod quilibet regens aliquem doctorem interpretabitur in Summulis, Logicis et Physicalibus, et non sie circa aliquos immorabitur tractatus quod alios oporteat pertransire intactos" 4 7 . Im Rahmen dieses äußeren Lehrplans vollzog sich auch Calvins Unterricht an der Artesabteilung in Montaigu. Was er jedoch im einzelnen hier hörte, läßt sich nur ungenau rekonstruieren. Die Hinweise in der Vita Calvini Bezas könnten darauf deuten, daß er hier zu den Schülern des der Terministenschule zuzurechnenden Spaniers Antonio Coronel 4 8 gehört haben könnte. In welchem Maße er den sicherlich alle anderen Professoren am College de Montaigu überragenden Johannes Major aus Haddington gehört hat, ist jedoch unsicher. Nachdem Major bereits für die Jahre 1495—1518 als Professor und ständiges Mitglied des College de Montaigu bezeugt ist, war er nach einem Aufenthalt in Glasgow und St. Andrews von 1525—1531 Professor in Paris und mit Philosophie- sowie Theologievorlesungen in Montaigu betraut 49 . Daß Major in Paris offenbar längere Zeit Philosophie und Theologie nebeneinander gelehrt hat, bezeugt originell eine Passage aus einem Brief Coronels vom 24. April 1510: „.. .neben Gott verdanken wir unsere universitären Erfolge meinem Lehrer Johann Major, diesem Princeps der Theologie in Paris, aber nicht nur der Theologie, sondern auch der Philosophie, denn in Paris sind alle Neuerungen der Artes aus ihm hervorgegangen" 50 . Seine Doppeltätigkeit am College de Montaigu, zumindest ab 1508, belegt unzweifelhaft auch das bereits 1508 in Paris gedruckte Werk: Inclitarum artium ac sacre pagine doctoris acutissimi magistri Johannis Majoris scoti libri quos in artibus in collegio Montis Acuti parisius regentando compilavit 51 . 4 5 Vgl. Reformatio, Chartularium IV, 7 1 5 - 7 1 8 , besonders 718; für das Statut v o m Juni 1366 siehe Chartularium III, 143 f. 4 6 Vgl. Statuta venerabilis collegii Montis Acuti concernantia regimen regentium magistrorum et diseipulorum, Bibliotheque de l'Arsenal MS 1168, fol. 82 r. 4 7 Ebd., fol. 8 4 v . Für die Humanismus-feindliche Tendenz siehe ebd., fol. 82 r: „Quia tales prohiberi debent: Terentius, Martialis, Juvenalis, Naso in Epistolis et similes." 48

Vgl. hierzu H . Elie, Quelques maitres de l'universite de Paris vers l'an 1 5 0 0 , 2 1 3 f.

49

Vgl. C. H . Lohr, Renaissance latin Aristotle commentaries, 5 5 8 - 5 6 0 .

5 0 Brief Antonio Coronels an seinen Bruder F. Ferdinando vom 24. April 1510 in: A . Coronel, In Posteriora Aristotelis, Paris ( O . Senant) 1510, zitiert bei H . Elie, a.a.O., 209, Anm. 3 ; wir geben eine freie Ubersetzung. 5 1 Bibliotheque Nationale Paris, Reserve R. 639, fol. Aa l r , vgl. die Ausgabe L y o n 1513, Bibliotheque Nationale Paris, Reserve D. 2035.

Erst 1506 wurde J. Major D o c t o r theol. in Paris; seine Arbeiten bis zu diesem Zeitpunkt sind

160

Vorbilder und Einflüsse in der Entwicklung des Augustinverständnisses Calvins

Seit 1509 erschienen sodann sein Kommentar zu den Sentenzen des Lombarden sowie ab 1518 In Matthaeum expositio und 1529 In quattuor Evangelia expositiones52. Obwohl wir hieraus noch keine zwingenden Schlüsse für Majors philosophische Vorlesungen in Montaigu ziehen können, ist doch in unserem Zusammenhang besonders bemerkenswert, daß Augustin in seinen gedruckten philosophischen Schriften keinerlei nennenswerte Position zukommt 53 . Anders hingegen verhält es sich in seinem Sentenzenkommentar. Neben häufigem Bezug auf Ockham, Scotus, Thomas, Holcot, Aureolus und Biel wird dort auch auf Augustin verwiesen54. So bezieht sich etwa Major in seinen Ausführungen zu Distinctio 38 des I. Sentenzenbuches, das Thema der praescientia Dei betreffend, auf Buch 15 von Augustins De Trinitate 55 ; gleichwohl ist dies die auch schon beim Lombarden zitierte traditionelle Stelle zum Thema 56 . Nahm aber Augustin in den Ausführungen des Lombarden zum Thema noch eine relativ hohe ,Bedeutung' ein - neben dem erwähnten Text führt der Lombarde etwa auch Augustins Johannestraktat an57 - , so tritt doch bei Major an dieser Stelle deutlich die philosophische Auseinandersetzung mit Aristoteles, Ockham und Scotus in den Vordergrund. Bemerkenswert für unseren Zusammenhang ist, daß an keiner weiteren Stelle von Distinctio 38 wieder auf Augustin Bezug genommen wird 58 . Distinctio 39 wird dagegen deutlich in Auseinandersetzung mit dem Kirchenvater gestaltet: Mehrfach wird auf Augustins De civitate Dei 59 , De Trinitate 3,13 und Contra Faustum 23 verwiesen60. Damit geht Major an dieser Stelle nun über den Lombarden hinaus. Diese dezidiert auf Augustin fußende Argumentation wird sodann in Majors Ausführungen zur Prädestination, Distinctio 40, klar ausnahmslos philosophische Traktate, vgl. auch die Bibliographie bei A. J. G. Mackay, Life of John Major, 403—407; siehe auch R. G. Villoslada, U n teologo olvidado: Juan Major, 427. Vgl. oben Anm. 49. Wir beziehen uns hierbei insbesondere auf folgende Traktate Majors: Acutissimi artium interpretis magistri Iohannis maioris in Petri Hyspani summulas commentaria, L y o n 1505; Introductorium perutile in Aristotelicam Dialecticen duos Terminorum Tractatus, ac quinque libros summularum complectens, M. Johannis Maioris Philosophi ac Theologi Parisiensis, denuo ab eodem summa vigilantia repositum, Paris (J. Petit) 1527; Quaestiones logicales Magistri Ioannis Maioris Hadyngthonani Theologi ac Philosophi Parisiensis, Paris 1528. Zum ganzen siehe auch R. G. Villoslada, a.a.O., 1 2 7 - 1 6 4 . 52

53

5 4 Vgl. J. Major, In primum sententiarum, Paris (H. Stephan) April 1510; ders., In secundum sententiarum, Paris (J. Parvus, Jod. Badius) 1510; ders., Tertius sententiarum, Paris (J. Parvus) 1517; ders., Quartus sententiarum, Paris (Ph. Pigouchet) 1509.

Vgl. J. Major, In Sent. I dist. 38 q. un., fol. X C I I I I v. Vgl. P. Lombardus, Sent. I dist. 38 c. 1 , 4 , Ed. Ad. ciaras Aquas 1 , 2 7 6 ; vgl. D e Trin. 1 3 , 2 2 , P L 42,1072. 5 7 Vgl. ebd. 5 8 Vgl. J. Major, In Sent. I dist. 38 q. un., fol. X C I I I I v - X C V I r . 5 9 Vgl. ebd., In Sent. I dist. 39 q. un., fol. X C V I v. 6 0 Ebd., fol. X C V I I r ; auffällig ist hier bei Major die häufige Bezugnahme auf die Antichristproblematik. 55

56

Calvins Studium im College de la Marche und im College de Montaigu

161

unterstrichen. Es fällt auf, daß Major als Autoritäten positiv hier lediglich Augustin und Paulus anführt; Ockham und Thomas von Straßburg werden nur in Margine und überdies ablehnend zitiert, andere werden lediglich als „alii" tituliert61. Majors eigene Position und seine eigenwillige Berufung auf Augustin jedoch mögen einige Kernsätze belegen: Nachdem Major festgestellt hat, „multis dicentibus, quod Deus gratis predestinat et gratis reprobat ... Alii autem volunt quod aliquos gratis predestinat ut beatam virginem ... Joh. baptistam . . . in utero. Alios autem propter merita predestinat. Ab aliis tenetur quod nec predestinat aliquam gratis nec sine causa reprobat" 62 , zieht er selbst folgende conclusiones: „Prima conclusio est: Deus aliquos predestinat sine eorum mentis, patet de parvulis..." und belegt diese sodann mit Augustins De praedestinatione sanctorum sowie mit Rom 8 und 9, die er jeweils breit diskutiert. Es folgt: „Secunda conclusio probabilis: Reprobationis est aliqua causa. Probatur: Deus non est prius ultor quam aliquis est peccator . . . Conceditur quod Saul est reprobatus propter demerita praescita..." Und wiederum werden eingehend Augustin und Paulus diskutiert63. Sehr deutlich wird Major aber wenn er schreibt: „Si enim gratis predestinat, tarnen propter demerita reprobat" 64 . Auch einige der folgenden Distinctiones lassen eine überdurchschnittlich starke Beschäftigung mit dem Kirchenvater erkennen, und es erscheint bezeichnend, daß auch die Erwägungen J. Majors zur potentia Dei absoluta unter ausdrücklicher Einbeziehung Augustins gemacht werden65. Obwohl im Sentenzenkommentar Majors also mehrfach auf Augustin Bezug genommen wird, gestaltet sich das Bild in seinen exegetischen Schriften merklich anders. Sowohl seine In Mattheum expositio von 1518 als auch seine In quattuor Evangelia expositiones von 1529 bleiben doch auffallend deutlich dem Zeugnis des Hieronymus verbunden66; dabei bieten letztere eine wenn auch nur am Rande, so doch explizit geführte Auseinandersetzung mit der ,lutherischen Häresie'. Fassen wir nun zusammen, so ist als Ergebnis folgendes festzuhalten: Ein Student der Theologie im College de Montaigu konnte über das traditionelle Maß der Augustinrezeption hinaus bei Major eingehend mit dem Kirchenvater bekannt werden. In theologischen Vorlesungen hätte also auch der junge Calvin bei Major eine die augustinische Theologie beleuchtende Auslegung 61

Vgl. J. Major, In Sent. I dist. 40 q. 1, fol. X C I X r .

Ebd., fol. X C I X r . 63 Ebd., In Sent. I dist. 4 0 q. 2, fol. X C I X r u. v; vgl. auch In Sent. II dist. 28 q. 1, C X X I I I v : „nolim concedere quod gratis reprobet". 62

64

J. Major, In Sent. I dist. 4 0 q. 2, fol. C.

65

Vgl. ebd., In Sent. I dist. 43, fol. C I v - C I I I v .

Vgl. J. Major, In Mattheum expositio, Paris Q. Craion) 1518, Bibliotheque Nationale Paris, Reserve m. A 2 und J. Major, In quattuor Evangelia expositiones, Paris 1529, Bibliotheque N a tionale Paris, A 1719. 66

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Vorbilder und Einflüsse in der Entwicklung des Augustinverständnisses Calvins

kennenlernen können, wenn auch nicht in ihrer dezidiert antipelagianischen Ausformung 67 . Gleichwohl sind doch gegen diese Annahme erhebliche Bedenken zu formulieren: 1. Es gibt keinerlei Hinweise für die Annahme, daß Calvin während seines Aufenthaltes im College de Montaigu an theologischen Vorlesungen überhaupt teilgenommen hat 68 ; dies aber stellte die notwendige Voraussetzung für eine spezielle Auseinandersetzung mit dem Kirchenvater dar. Auch die Annahme, im College seien Teile des genuin theologischen Lehrbetriebs ebenso Bestandteil des artistischen Lehrbetriebs gewesen - eine Behauptung wie sie unlängst wieder von Reuter aufgestellt wurde 69 - bleibt unbelegbare Spekulation. Weder die Universitätsstatuten von 1452, noch die Regeln des Kollegs von 1503, noch die revidierten Statuten Noel Bediers von 1509 70 lassen eine solche im übrigen auch an anderen Universitäten nirgends belegte Deutung zu. Wollte man diese für Montaigu dennoch behaupten, so müßte sich dies in den philosophischen Traktaten Majors nachweisen lassen; es fehlt gleichwohl in all seinen philosophischen Traktaten eine besondere theologische Wendung; eine nennenswerte Auseinandersetzung mit Augustin, wie etwa im Sentenzenkommentar, läßt sich hier an keiner Stelle belegen 71 . So wäre allenfalls eine Beeinflussung Calvins durch Major in den philosophischen Grundlagen anzunehmen. 2. Will man hingegen dennoch konzedieren, daß Calvin an theologischen Vorlesungen Majors teilgenommen hat, bleibt eine zweite, bisher nicht gelöste Unstimmigkeit. Zwar kann als gesichert angenommen werden, daß Johannes Major im Jahre 1525 seine Lehrtätigkeit am College de Montaigu wieder aufnahm 72 , gänzlich ungesichert hingegen ist, ob Calvin zu dieser Zeit hier noch studierte. Will man den jüngsten Berechnungen T. H. L. Parkers Glauben schenken, trat Calvin im Jahre 1520 oder 1521 ins College de la Marche ein und begann mit dem Studium an der Artistenfakultät 1521/22, um das College de Montaigu dann aber bereits 1525 oder 1526 wieder zu verlassen73. Erst wenn wirklich gesichert ist, daß Calvin und Major zur gleichen Zeit im College waren, wird man Major als Lehrer Calvins überhaupt in Anspruch nehmen dürfen. Vgl. oben S. 2 6 - 3 0 . Bereits A. Ganoczy, Le jeune Calvin, 186 ff hatte gegenüber K. Reuter auf diesen Umstand verwiesen; vgl. dazu auch die Ergebnisse von Α. A. La Vallee, Calvin's criticism of Scholastic Theology, 4 fund 190. 67

68

Vgl. Κ. Reuter, Vom Scholaren, 5. Vgl. oben Anm. 46. 7 1 Es bleibt damit ein Rätsel, warum etwa auch W. F. Dankbaar, Calvin, 5 behaupten konnte: „daß er [Calvin] auch von . . . John Mair unterrichtet wurde, der ihn mit der mittelalterlichen Philosophie und den Kirchenvätern vertraut machte." 69 70

Vgl. hierzu oben S. 159. 3 Vgl. Τ. H . R. Parker, John Calvin, 1 5 6 - 1 6 1 .

72 7

Calvins Studium in Orleans, Bourges, Paris und Basel

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In der Tat spricht einiges für Frühdatierung.· So vermerkt das Register des Kapitels von Noyon für den 29. Mai 1521 für Jean Cauvin als Pfründe einen Anteil der Einkünfte der Kaplanei, die für den Gesinenaltar in der Kathedrale von Noyon zuständig war 74 . Tatsächlich könnte diese nunmehr eröffnete Einnahmequelle in engem Zusammenhang mit Calvins Studienausgaben in Paris stehen. Daß sein Vater, Gerard, das Kapitel am 5. August 1523 bat, sein Sohn möge wegen der herrschenden Pest die Stadt verlassen dürfen, ist noch kein stichhaltiger Beweis für die Schlußfolgerung Desmays, daß Calvin nun erst nach Paris gehen wollte 75 . Gleichwohl gilt in dieser Frage Parkers Bemerkung: „We must say at once that this is a very uncertain subject and it would be foolish to pretend assurance". 76

6.3. Calvins Studium in Orleans, Bourges, Paris und Basel Gaben bereits die Zeit Calvins im College de la Marche und im College de Montaigu dem Historiker kaum zu lösende Fragen hinsichtlich der Chronologie auf, so sind Calvins Studienaufenthalte in Orleans, Bourges und Paris um so mehr von ungelösten Problemen belastet. Wenn E. Doumergue von dieser Zeit als „une enigme chronologique" 77 spricht, so ist diese Charakterisierung immer noch gültig. Fragwürdig ist jedoch nicht nur nach wie vor die Chronologie, auch die wissenschaftliche und religiöse Entwicklung Calvins in dieser Zeit gibt immer noch Rätsel auP 8 . Sowohl aus Calvins eigener Feder 79 als auch aus den Berichten Bezas und Colladons 80 wissen wir, daß er sich nach dem Artesstudium zum Jurastudium nach Orleans begab. Da die Immatrikulationsregister der Jahrgänge vor 1529 jedoch nicht mehr existieren 81 , bleibt unsicher, wann Calvin seine Studien hier aufnahm. Wir nehmen daher einen Zeitpunkt zwischen 1525 und 1528 an. 7 4 Vgl. Registre capitulaire de N o y o n , in Auszügen ed. bei A . Lefranc, La jeunesse de Calvin, 195: „Jacobus Regnard ..., retulit vicarios . . . dedidisse et contulisse Johanni Cauvin capellanium in hac ecclesia ad altare Gesine fundatam..." 7 5 Vgl. J. Desmay, Remarques sur la vie de Jean Calvin, tirees des registres de N o y o n , 388. ™ Τ. H. R. Parker, a.a.O., 157. 7 7 E. Doumergue, Jean Calvin 1,127. 7 8 Auch die neueren Calvin-Biographien bieten hier noch keinen nennenswerten Fortschritt. 7 9 Vgl. C o m . Ps. Praef., C O 31, 22, 2 9 - 3 1 : „Ainsi cela fut cause qu'on me retira de l'estude de Philosophie, et que ie fus mis ä apprendre les Loix". 8 0 Vgl. Th. Beza, Vie de Calvin, C O 21, 29, 26—33: „Toutesfois son pere se resolut de le faire estudier aux loix . . . qui fut cause . . . il s'accorda d'aller ä O r l e a n s . . v g l . auch C O 2 1 , 1 2 1 und N. Colladon, Vie de Calvin, C O 2 1 , 5 4 , 4 4 — 4 8 : „qui fut cause, outre la singuliere reverence qu'il portoit ä son pere, qu'il s'accorda de suivre plustost l'estude des loix que la Theologie, comme eile estoit lors es escoles toute corrompue, et d'aller a Orleans.. 81

Vgl. auch F. Wendel, Calvin et l'Humanisme, 22 und J. Doinel, Jean Calvin ä Orleans, 175.

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Vorbilder und Einflüsse in der Entwicklung des Augustinverständnisses Calvins

Als sicheres Datum für den Zeitraum seines Studiums in diesen Jahren ist uns der 6. März 1531 überliefert 82 . An diesem Tag signierte Calvin von Paris aus einen nach Orleans adressierten Brief. Dort hielt er sich zu Korrekturarbeiten für Nicolas Duchemins Antapologia 83 auf, wozu er wahrscheinlich das Vorwort verfaßte. Vom 27. Juni desselben Jahres ist wiederum ein Brief aus Paris erhalten 84 . Das für uns aufschlußreichste Datum hingegen ergibt sich aus einem Eintrag im Notariatsregister von Noyon. Hier ist unter dem 14. Februar 1532 belegt 85 : „maistre Jean Cauvin, licentie es loix . . . demeurans ä Paris" 86 . Es darf also als sicher gelten, daß Calvin spätestens im Februar 1532 Lizenziat der Rechte war und sich nunmehr ständig in Paris aufhielt. Wie lange er hingegen in Orleans zubrachte, ob er bereits 1529, im Jahre des Eintreffens A. Alciats 87 in Bourges, oder erst 1530, als M. Wolmar 88 hier ankam, nach Bourges ging, bleibt ebenfalls offen. Am 13. September 1530 schreibt Calvin jedoch seinem Freund Francois Daniel in Bourges vom nahen Dörfchen Meillant aus 89 , was darauf deutet, daß er zu diesem Zeitpunkt möglicherweise noch in Bourges studierte. Will man Calvins Augustinzitate in seinem De dementia-Kommentar von 1532 bereits als erste Hinweise einer breiteren Beschäftigung mit Augustin werten - wozu aber kein Anlaß besteht - so wird man die Wurzel hierfür während seiner Studienzeit in Orleans und Bourges bis ca. 1531/32 suchen müssen. Vorsicht sollte man jedoch walten lassen gegenüber den Annahmen von L. Smits 90 . Für ihn galt neben der Tatsache, daß Calvin Augustin durch die Sentenzenvorlesungen in Montaigu kennengelernt habe und hier in seinem Augustinverständnis geprägt worden sei ebenso jener Umstand als gesichert, daß Calvin sich mit dem Kirchenvater durch Lektüre und Studium des Augustin

8 2 Gemeint ist der Brief Calvins an Francois de Connan vom 6. März 1531, A . - L . Herminjard, Correspondance II, Nr. 3 2 8 , 3 1 4 - 3 1 8 . 8 3 Nicolai Chemyni Aurelian! Antapologia adversus Aurelii Albucii Defensionem pro A n d . Alciato ..., Paris (G. Morrhus) 1531. 8 4 Gemeint ist der Brief Calvins an Francois Daniel, von Paris nach Orleans vom 27. Juni 1531, A . - L . Herminjard, a.a.O., II, Nr. 3 4 5 , 3 4 6 - 3 4 8 . 8 5 Zwar nennt das Notariatsregister das Jahr 1531 (!), was auch A . Lefranc, a.a.O., 2 0 1 , wiedergibt, gleichwohl ist aber doch 1532 (!) gemeint, da das französische Jahr bis 1564 im März begann; vgl. H. Grotefend, Taschenbuch der Zeitrechnung, 13. 8 6 Notariatsregister von N o y o n , in Auszügen ed. bei A . Lefranc, a.a.O., 202. 8 7 Vgl. P. E. Viard, A n d r e Alciat, 37. 8 8 Vgl. A . - L . Herminjard, a.a.O., I, Nr. 3 1 0 , 2 8 0 A n m . 7 und J. Boussard, L'universite d'Orleans, 214. 8 9 Gemeint ist Calvins Brief an Francois Daniel v o m 13. Sept. 1530, C O 10 b, Nr. 2 , 3 - 6 ; vgl. auch die Datierung auf 6. Sept. 1530 bei A . - L . Herminjard, a.a.O., II, Nr. 3 1 0 , 2 7 8 - 2 8 2 . 9 0 Vgl. oben A n m . 19.

Calvins Studium in Orleans, Bourges, Paris und Basel

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zitierenden Decretum Gratiani 91 während seines Jurastudiums nachhaltig beschäftigt habe. Zwar ist gesichert, daß Calvin sich in Orleans zu den Schülern Pierre Taisan de l'Estoilles 92 zählte, jedoch lehrte dieser ab 1512 dort Zivilrecht. Insgesamt war die Fakultät in Orleans mit fünf Professoren im Zivilrecht und drei im kanonischen Recht eher zivilrechtsorientiert 93 . Stellen wir in Rechnung, daß der erste grundlegende Teil des Corpus iuris civilis, der Codex 9 4 , aber auch kirchenrechtliche und theologische Grundsätze beinhaltet 95 , so ist es immerhin möglich, daß Calvin in Orleans oder später in Bourges 9 6 mit dem Decretum Gratiani und theologischen Grundkenntnissen vertraut wurde. O b er allerdings kirchenrechtliche Vorlesungen belegte, und also intensiv mit dem Dekret arbeitete, muß offen bleiben, zumal er selbst noch 1546 deutlich betont, daß ihn der Vater zum Studium des Zivilrechts nach Orleans schickte 97 . Immerhin, in Orleans und dann in Bourges konnte er mit dem im Decretum Gratiani ausführlich zitierten Augustin vertraut werden. Auffallend bleibt aber dennoch, daß sich dessen ausführliche Verwendung erst für Calvins Institutio von 1536 nachweisen läßt 98 . Im dementia-Kommentar wurde das Dekret nur viermal zitiert 9 9 ; gleichwohl zitiert Calvin Augustins Sermo 49 aus den Sermones de diversis möglicherweise nach Gratian 1 0 0 . Auch über die Intensität, mit der Calvin das Studium der Klassiker bereits in Orleans und dann in Bourges betrieb, läßt sich nur mutmaßen. Zwar gibt sein Briefgruß an den Gräzisten Melchior Wolmar aus Rottweil und seine Widmungsvorrede zum 2. Korintherbriefkommentar von 1546 an jenen 1 0 1 beredt Zeugnis von ihrer Beziehung, jedoch ist ernst zu nehmen, wenn Calvin von 9 1 Vgl. L. Smits, a.a.O., 1 , 1 5 : „ . . . ses etudes juridiques le mirent indirectement en contact avec les idees de l'eveque d'Hippone, grace notamment au Decret de Gratien."

Vgl. Th. Beza, Vie de Calvin, C O 2 1 , 2 9 ; siehe auch A. Lefranc, La jeunesse de Calvin, 72f. Vgl. hierzu die Bulle Bonifaz' VII. vom 1. März 1301, Ed. M. Fournier, Les statuts et privileges I, Nr. 17, lOf sowie die Bulle Clemens' V. (,Inter cetera') vom 22. April 1309, Ed. M. Fournier, a.a.O., I, N r . 26, 27—29. Vgl. dazu auch M. Fournier, Histoire de la science du droit en France, 1 - 1 3 3 , besonders 98ff. 92 93

9 4 Für das Studienprogramm der juristischen Fakultät in Orleans siehe M. Fournier, Histoire de la science du droit en France, 98—106. 9 5 Vgl. hierzu eine im Frankreich des 16. Jhdts. gängige Ausgabe des Corpus iuris civilis: Codicis Justiniani libri novem cum vetustis exemplaribus diligenter collati, Lyon (F. Fradin) 1530; vgl. besonders fol. III r - ν unter dem Titel „De summa trinitate et fide catholica" und fol. X X I I I r unter dem Titel „De hereticis...".

Vgl. Th. Beza, Vie de Calvin, C O 2 1 , 2 9 f. Vgl. die Dedikationsepistel Calvins zum 2. Korintherbriefkommentar an Melchior Wolmar vom August 1546, C O 12, Nr. 814, 365, 23—27: „Verum nihil apud me plus valuit quam primi temporis recordatio, quo ego, a patre missus ad discendum ius civile, graecas literas te autore ac magistro legum studio promiscui: quas tunc summa cum laude profitebaris." 96 97

98 99

Vgl. die Auflistung bei L. Smits, a.a.O., 1 , 2 0 6 - 2 1 1 ; vgl. auch oben S. 6 2 - 6 7 . Vgl. die Auflistung in Sen. De clemen., 423.

1 0 0 Vgl. Sen. De clemen. I, 15, 103, 40 ff, vgl. Serm. div. 49, P L 39, 1569, 1 1 - 1 4 und Decretum Gratiani P. 2 C. 12 q. 1 c. 10, Ed. A . Friedberg, 1,680. 1 0 1 Vgl. oben Anm. 97.

166

Vorbilder und Einflüsse in der Entwicklung des Augustinverständnisses Calvins

seinem Griechischunterricht schreibt: „An dir lag's nicht, daß ich nicht mehr Fortschritte darin machte" 102 . Und doch dürfen wir annehmen, daß er sich bereits vor seinen humanistischen Studien am Pariser College Royal - für dessen bewußt auf die Klassikerrezeption ausgerichtete Lehrinhalte 103 die Namen des dort lehrenden Hellenisten Pierre Danes 104 und des Hebraisten F r a n c i s Guasteble (Vatable) 105 stehen-, den Klassikern zugewendet hat. Wann und ob Calvin in dieser Zeit .lutherisches' Gedankengut kennengelernt hat, wissen wir nicht; die gelegentlich hierfür als Beweis angeführte Widmungsvorrede an Wolmar läßt dazu keine Aussage zu. Immerhin ist in einem Brief Calvins vom 22. April 1532 von einem Bibelkauf die Rede 106 . Im April 1532 schließlich erscheint sein Kommentar zu Senecas De dementia und bietet nicht nur ein Zeugnis für den Gebrauch humanistischer Textmethoden, sondern überdies auch einer breiten Klassikerkenntnis 107 . Im Mai und Juni 1533 präsidiert Calvin Sitzungen der Piccardischen Nation in Orleans 108 . Im selben Jahr wird die zum Anstoß Anlaß gebende Cop-Rede gehalten. In dieser Zeit wird eine nachhaltige Hinwendung Calvins zu den Evangelischen stattgefunden haben 109 . Ab 1535 hält Calvin sich in Basel auf 110 , nachdem er zuvor wahrscheinlich einige Zeit in Nerac und in Angouleme zugebracht hatte 111 . Erst ab 1535/36 ist eine nennenswerte Augustinkenntnis nachweisbar. Folgendes bleibt also abschließend festzuhalten: Calvin hatte von 1531/32 an bis 1535/36 ungeachtet dessen, wie man die Aufenthaltsorte im einzelnen ansetzen möchte, genügend Gelegenheit, sich in Augustin, die Kirchenväter allgemein, in theologisches und einen Teil des evangelischen Schrifttums hineinzuarbeiten, wovon seine erste Institutio zeugt. So ist es zwar nicht auszuschließen, Ebd., C O 12, Nr. 814, 3 6 5 , 2 7 i : „Neque vero per te stetit quin maiores facerem progressus." Vgl. hierzu A . Lefranc, Histoire du College de France, 122 f; siehe insbesondere die Professorenliste ebd., 381 f. 1 0 4 Vgl. auch seine Erwähnung im Brief Calvins an F r a ^ o i s Daniel vom 5. Juli 1531, C O 10 b, Nr. 5, lOf. 105 Vgl. auch A . Lefranc, a.a.O., 133 f u n d 3 9 4 f ; für das Verhältnis Vatables zu Lefevre d'Etaples siehe G. Bedouelle, Lefevre d'Etaples, 15 f. 1 0 6 Vgl. den Brief Calvins an Fransois Daniel vom Ende April 1532, A . - L . Herminjard, a.a.O., II, Nr. 380, 4 1 8 : „De Bibliis exhausii mandatum tuum, in quibus reperiendis pluris fuit opera quam pecunia." 1 0 7 Vgl. hierzu besonders den Autorenindex in der Edition des De dementia -Kommentars, Sen. De clemen., 4 1 2 - 4 4 4 . los Vgl. hierzu die Registereinträge des Giles Herpin v o m 10. Mai 1533: „Maistre Jehan Cauvyn, Substitut annuel du procureur de la nation de Picardie, de l'Universite d'Orleans . . . assemblez et congregez ou cloistre de l'eglise de Notre-Dame de Bonnes-Nouvells d'Orleans..." und v o m 11. Juni 1533: „Maistre Jehan Cauvyn . . . assemblez et congregez en l'eglise Notre-Dame de BonnesNouvelles...", vollständig wiedergegeben in J. Doinel, Jean Calvin ä Orleans, 179 f. 102

103

1 0 9 Vgl. auchJ. Rott, Documents strasbourgeois c o n c e m a n t C a l v i n , 2 8 - 4 9 und L. Smits, a.a.O., I, 17-19. Vgl. Th. Beza, Vie de Calvin, C O 2 1 , 3 0 und N. Colladon, Vie de Calvin, C O 21, 57. 1 1 1 Vgl. dazu insbesondere Fl. de Raemond, Histoire de la naissance . . . de l'heresie, 885.

Calvin in Basel und Genf. Die Institutio von 1536

167

daß bereits Orleans und Bourges Calvin mit Augustin konfrontierten, eher aber kommt Paris hierfür in Frage. Es erscheint jedoch kaum möglich, für diesen Zeitraum insgesamt einen Lehrer oder eine Gruppe als Instanzen der Augustinvermittlung festmachen zu wollen. Allenfalls wird man von einigen Anstößen etwa des Pariser Fabristenkreises oder Olivetans, vielleicht Wolmars sprechen können; sicher kannte Calvin auch die Auseinandersetzung um Luther in Paris, vielleicht auch Hoogstratens Schrift Colloquia cum Divo Augustino 112 . Hingegen erscheint es uns sehr wahrscheinlich, daß der übergroße Teil seiner Augustinkenntnisse im Eigenstudium an der Opera-omnia-Ausgabe von 1528/29 erworben wurde 1 1 3 , dem dann das Decretum Gratiani und der Lombarde hinzugezogen wurden. Vielleicht geschah dies bereits in Bourges, vielleicht aber auch erst in Paris, möglich ist auch Angouleme 1 1 4 , sicher aber ist dies erst festzumachen in Basel im Zuge der Arbeit an der ersten Institutio 115 . Es ist müßig, jenes Eigenstudium auf einen bestimmten Zeitraum festlegen zu wollen, genügend Zeit dazu hatte Calvin allemal. Jedenfalls besteht kein Grund, theologische Vorlesungen in Montaigu oder Vorlesungen des kanonischen Rechts in Orleans oder Bourges voreilig für seine Augustinkenntnisse zu bemühen.

6.4. Calvin in Basel und Genf. Die Institutio von 1536 6.4.1.

Vorbemerkung

Obwohl Calvin in der Praefatio zu Olivetans französischer Bibelübersetzung von 1535 durch die Hervorhebung des Chrysostomus und insbesondere Augustins eine gewisse Kenntnis der Schriften beider Kirchenväter vermuten läßt 1 1 6 , so macht doch erst die Institutio von 1536 eine ernstzunehmende Vertrautheit mit Augustin offenbar. Neben einigen wenigen Zitaten aus Tertullian, Cyprian, Origenes, Euseb, Cassiodor, Epiphanius, Chrysostomus, Ambrosius, Hieronymus, Gregor, Isidor, Theophylact, Hugo von St. Viktor und Wilhelm von Paris 117 , wird Augustin hier bei Calvin erstmals ungewöhnlich häufig zitiert. Im einzelnen sind folgende Werke Augustins in der Institutio von 1536 auszumachen: In Evange112

Vgl.obenS.67Anm.92.

Vgl. oben S. 54 Anm. 3. 1 1 4 Vgl. zum legendären Aufenthalt Calvins bei du Tillet in Angouleme und seinem dortigen Kirchenväterstudium A . - L . Herminjard, a.a.O., III, N r . 4 5 7 , 1 5 6 f . 113

115

Vgl. C o m . Ps. Praef., C O 31, 2 4 ; vgl. oben S. 6 0 - 6 7 .

116

Vgl. oben S. 57f. Vgl. hierzu die Auflistung bei R. J. Mooi, a.a.O., 366.

117

168

Vorbilder und Einflüsse in der Entwicklung des Augustinverständnisses Calvins

lium Johannis tractatus 118 , De opera monachorum 119 , De doctrina christiana 120 , Soliloquiorum libi duo 121 , De Trinitate 122 , Enchiridion 123 , Contra secundam Juliani responsionem imperfectum opus 124 , Contra duas epistolas Pelagianorum libri ad Bonifacium quattuor 125 , Enarrationes in Psalmos 126 , Libri homiliae 127 , De baptismo contra Donatistas 128 , Sermones de verbi Apostoli 129 , Contra epistolam Manichaei 130 , Contra Faustum 131 , Contra litteras Petiliani 132 , Sermones ex maioris Carthusianae manuscriptis 133 , De diversis quaestionibus 83 134 , De bono coniugali 135 , De nuptiis et concupiscentia 136 , Epistolae 54. 98. 130. 138. 164.187. 217 137 . Zwar konnten wir bereits oben verschiedene Gründe dafür anführen, warum der Reformator gerade Augustin eine so exponierte Stellung in seiner theologischen Frühschrift zuerkennt, keinesfalls geklärt ist aber, welche Theologen und Schriften speziell aus dem evangelischen Lager Vorbildfunktion übernommen haben oder gar richtungsweisend für Calvins Augustinrezeption gewesen sind. Nachdem bereits A. Lang 138 und R. Seeberg 139 darauf verwiesen hatten, hat zuletzt A. Ganoczy in seiner Studie über den jungen Calvin für die erste Institutio den Nachweis versucht, daß Calvin einige Arbeiten Luthers, Melanchthons, Zwingiis und Bucers nicht nur gekannt haben muß, sondern diese überdies einen nachhaltigen Niederschlag in der Institutio gefunden hätten 140 . 1 1 8 Vgl. OS III, 1 6 , 2 9 - 3 3 ; O S I V , 1 0 9 , 7 — 1 0 ; O S V 2 6 3 , 1 3 - 1 5 ; 2 6 4 , 1 4 — 1 6 ; 2 8 0 , 9 - 1 4 ; 2 8 4 , 8 - 1 2 ; 4 0 2 , 3 4 - 4 0 3 ; 2; 405, 34f. 1 1 9 Vgl. OS III, 1 9 , 2 - 5 . 1 2 0 Vgl. OS III, 2 2 , 1 - 3 ; 3 9 2 , 2 9 - 3 9 3 , 2 ; OS V, 4 4 6 , 1 7 - 1 9 . 1 2 1 Vgl. OS III, 3 1 , 6 - 8 . 1 2 2 Vgl. OS III, 1 1 2 , 2 2 - 2 4 . 1 2 3 Vgl. OS III, 4 6 3 , 4 - 7 ; OS IV, 1 1 7 , 1 1 - 1 5 ; 3 4 4 , 3 2 f ; OS V, 4 1 7 , 1 9 - 2 2 . 1 2 4 Vgl. OS III, 2 3 8 , 9 f ; OS V, 4 0 9 , 5 - 7 . 12 5 Vgl. OS III, 3 7 0 , 3 2 - 3 7 1 , 2 . 1 2 6 Vgl. OS IV, 9 1 , 1 2 - 1 4 ; 1 0 2 , 4 - 7 ; OS V, 2 8 0 , 9 - 1 4 ; 2 8 3 , 2 5 - 2 7 ; 2 9 6 , 2 9 - 3 1 ; 3 9 9 , 2 8 - 4 0 0 , 1 ; 445,5-7. 1 2 7 Vgl. OS IV, 1 0 2 , 4 - 7 ; 102, 7 - 1 0 ; 1 0 3 , 1 - 3 ; 1 0 8 , 2 8 - 3 0 ; 1 1 3 , 2 2 f . 1 2 8 Vgl. OS IV, 18, 1 8 - 2 2 ; 1 0 3 , 1 - 3 ; 103, 1 3 - 1 5 ; 109, 7 - 1 0 ; OS V, 405, 3 4 f ; 446, 2 3 - 2 5 ; 450, 32-451,3. 1 2 9 Vgl. OS IV, 215, 5 f. 1 3 0 Vgl. OS V, 7 6 , 2 8 f. 1 3 1 Vgl. OS V, 2 6 3 , 1 3 - 1 5 . 1 3 2 Vgl. OS V, 4 0 8 , 2 1 f. » 3 Vgl. OS V, 4 4 5 , 5 - 7 . 1 3 4 Vgl. OS V, 4 4 9 , 2 9 - 3 4 . 1 3 5 Vgl. OS V, 4 7 0 , 1 5 - 1 9 . 1 3 6 Vgl. OS V, 409, 5 - 7 ; 4 7 1 , 2 f . 1 3 7 Vgl. OS V, 446, 1 7 - 1 9 ; 414, 3 4 - 4 1 5 , 1 ; OS III, 354, 7 - 1 2 ; OS V, 2 7 1 , 1 5 - 1 9 ; OS IV, 365, 1 0 - 1 4 ; OS V, 4 8 4 , 3 7 - 4 8 5 , 1 ; OS V, 2 8 3 , 3 0 - 3 3 ; OS III, 4 9 4 , 5 - 8 ; OS V, 3 7 6 , 2 7 - 3 0 ; OS V, 414, 34-415,1. 1 3 8 Vgl. A . Lang, Die Quellen der Institutio von 1536, 1 0 0 - 1 1 2 . 1 3 9 Vgl. R. Seeberg, Dogmengeschichte IV, 2 , 5 5 4 - 5 5 9 . 1 4 0 Vgl. A . Ganoczy, Le jeune Calvin, 1 3 8 - 1 7 8 .

Calvin in Basel und Genf. Die Institutio von 1536

169

Im einzelnen nennt Ganoczy im Anschluß an Lang dabei Luthers De captivitate babylonica, De libertate christiana, Kleiner Katechismus und die Sermone Von dem Sakrament des Leibes und Blutes Christi wider die Schwarmgeister sowie Von dem hochwürdigen Sakrament des heiligen wahren Leibes Christi 141 ; Melanchthons Loci communes 142 von 1521; Zwingiis Commentarius de vera et falsa religione 143 und Bucers Enarrationes perpetuae in sancta Evangelia144. Auch wenn es uns an dieser Stelle nicht um eine erneute detaillierte Untersuchung des Abhängigkeitsgrades der Institutio von 1536 zu den oben genannten Reformatoren gehen kann - dieses erforderte eine eigene Studie - , so ist doch ihr eventueller Einfluß hinsichtlich einer Augustinvermittlung oder der Vermittlung eines Konzepts der evangelischen Augustinintegration auf die Institutio von 1536 sorgfältig zu prüfen. 6.4.2. Martin

Luther

Obwohl sich mögliche Anleihen Calvins insbesondere bei Luthers De captivitate und De libertate nachweisen lassen145, so sind doch bei Luther in den genannten Schriften Hinweise auf Augustin spärlich, auch dort, wo Calvin in den parallelen Fragen Augustin deutlich als Gewährsmann anführt 146 . Ganz im Gegenteil erweisen sich bei näherer Untersuchung vielmehr Kernaussagen Calvins, die Ganoczy noch als eine „dependance directe" 147 zwischen Luther und Calvin erklären wollte, als direkte Herleitungen aus Augustin selber. So klingt zwar beispielsweise der Satz aus Luthers De captivitate: „Error enim est, sacramenta novae legis differri a sacramentis veteris legis, penes efficatiam significationis: utraque aequaliter significabant" 148 ähnlich wie Calvins Ausführungen zum Thema in der Institutio von 1536: „...veteris legis sacramenta salutem tantum promittebant, nostra vero dant" und „Judaeorum

Vgl. ebd., 1 3 9 - 1 5 0 . Vgl. ebd., 1 5 0 - 1 5 6 . 1 4 3 Vgl. ebd., 1 5 6 - 1 6 6 . 1 4 4 Vgl. ebd., 1 6 6 - 1 7 8 . 1 4 5 Die Herausgeber der Opera Selecta Johannis Calvini geben in ihrem Apparat zwar einige Hinweise hierzu, gleichwohl ist diese Frage nicht annähernd geklärt. Die Neuedition des Textes der Institutio von 1536 und der Nachweis der von Calvin verwendeten Quellen ist noch immer ein nicht in Angriff genommenes Forschungsanliegen. 1 4 6 A n folgenden Stellen von Luthers De captivitate babylonica sind Anklänge an Augustin festzustellen: W A 6 , 5 0 2 , 1 4 , vgl. In Ev. Johann. Tr. 2 5 , 1 2 und Serm. 1 1 2 , 5 , 5 ; W A 6 , 5 0 2 , 2 4 , vgl. C. Jul. 1 , 4 , 1 3 ; W A 6 , 5 1 1 , 3 8 f, vgl. De. gen. ad. litt. II, 5 , 9 ; W A 6 , 5 1 8 , 1 9 , vgl. In Ev. Johann. Tr. 2 5 , 1 2 und Serm. 1 1 2 , 5 , 5 ; W A 6 , 5 3 8 , 1 6 f , vgl. Serm. 3 8 2 , 4 , 4 ; W A 6 , 5 3 8 , 2 3 , vgl. Epist. 1 8 7 , 9 , 3 1 ; W A 6, 5 5 1 , 1 1 , vgl. De civ. Dei X, 5 und Quaest. hept. III, 84; W A 6, 5 5 6 , 1 5 , vgl. Conf. IX, 9 , 2 2 ; W A 6, 5 6 1 , 4 , vgl. C. Epist. fund. V, 6. 141

Luthers De libertate christiana weist keine Augustinanklänge auf. 1 4 7 A . Ganoczy, Le jeune Calvin, 144. 1 4 8 De captivitate babylonica, W A 6, 5 3 2 , 4 - 6 .

170

Vorbilder und Einflüsse in der Entwicklung des Augustinverständnisses Calvins

sacramenta in signis fuisse diversa, in re, quae significatur, paria" 149 . Bevor hier jedoch eine Abhängigkeit zu Luther bemüht wird, ist es ungleich naheliegender, das augustinische Vorbild heranzuziehen, das Calvin selber anführt 150 und das auch schon der Lombarde zitierte 151 . Unzweifelhaft bezieht sich Calvin auf folgenden Satz Augustins aus der Enarratio in Ps 73: „Sacramenta Novi Testament! dant salutem; sacramenta Veteris Testamenti promiserunt salvatorem" 152 . Zwar dürfte auch Luther sich hier an Augustin orientiert haben, gleichwohl wird der Kirchenvater nicht - wie bei Calvin - ausdrücklich genannt. Was also Ganoczy als Abhängigkeit Calvins von Luther anführt, erweist sich bei näherer Untersuchung als Rekurs auf Augustin. Ähnliches gilt für die Beziehungen zwischen Luther und Calvin hinsichtlich der Ausführungen zum Herrenmahl 153 . Daß darüber hinaus Luther entscheidende Hinweise und Vorbilder für die programmatische Einbeziehung Augustins in Calvins evangelische Dogmatik gegeben hätte, läßt sich jedoch an keiner Stelle festmachen. 6.4.3. Philipp

Melanchthon

Ungleich konturenreicher gestaltet sich das Bild, wenn wir nach dem Einfluß und Vorbild des Praeceptors Germaniae für die Augustinverwendung Calvins fragen. Außer Zweifel steht, daß Melanchthon in Frankreich bekannt war und gelesen wurde und daß sich seine Schriften bereits sehr früh auf dem Index der Sorbonne fanden 154 . Und so erstaunt es nicht, daß Calvin möglicherweise auch bei Melanchthon Hinweise für seinen Gesetzes- und Glaubensbegriff bekommen hat 155 ; sicherlich aber konnte er bei jenem entscheidende Anstöße für die Entwicklung seines Augustin und Paulus exponiert integrierenden evangelischen Programms erhalten 156 . In der Tat zeichnen sich die die theologischen Hauptbegriffe Melanchthons ,peccatum, lex und gratia' zusammenfassenden Loci communes von 1521 nicht nur durch einen von Anfang an konsequent durchgehaltenen Paulinismus aus 157 , der sich in allen Teilen des Werkes programmatisch niederschlägt, Inst. (1536), O S 1 , 1 2 3 , 1 9 - 3 3 / O S V, 283f. Ebd. 151 Vgl. P. Lombardus, Sent. IV dist. 1 c. 6, Ed. Ad ciaras Aquas II, 2 3 6 , 2 - 4 . 152 En. in Ps. 73,1, PL 36, 931, 8 - 1 0 . 153 Vgl. dazu A. Ganoczy, a.a.O., 148. 154 Vgl. hierzu W. G. Moore, La Reforme allemande et la litterature fran^aise, 236 ff. Siehe auch den Brief des französischen Königs, Franz I., an Philipp Melanchthon vom 23. Juni 1535, A.-L. Herminjard, a.a.O., III, N r . 512,300f. 155 So etwa A. Ganoczy, Le jeune Calvin, 153 f. 156 Vgl. hierzu oben S. 1 1 5 - 1 1 7 . 157 Vgl. Melanchthons Loci von 1521, C R 21, 143 und programmatisch die Widmungsvorrede ebd., C R 2 1 , 81,5 —18: „Anno superiore, Paulinam Epistolamquae Romanis inscriptaest, ennaraturi, communissimos rerum theologicarum locos, adeoque illius Epistolae farraginem ceu methodica ratione digessimus. Q u a e lucubratiuncula, cum in hoc tan tum esset parata, ut Paulinae disputationis argumentum και ελεγχον quam pinguissime iis indicaret, quos privatim docebamus, tarnen nescio

Calvin in Basel und Genf. Die Institutio von 1536

171

sondern auch durch eine nicht zu übersehende Wertschätzung und Einarbeitung des antipelagianischen Augustin. So versichert Melanchthon zwar im Abschnitt ,De hominis viribus adeoque de libero arbitrio' hinsichtlich Augustins und Bernhards: „Ego, quandoquidem non sequar hominum opiniones" 1 5 8 und bekräftigt, sich allein auf die Schrift zu stützen; im unmittelbar folgenden Kapitel, ,De peccato', wird aber neben Paulus deutlich auf Augustin Bezug genommen 1 5 9 . Ähnliches gilt für das Kapitel über das Gesetz, wo wiederum der Kirchenvater in unmittelbarem Zusammenhang mit der Paulusexegese angeführt wird 1 6 0 . Diese Beobachtungen wiegen um so schwerer, als in die Loci von 1521 nur selten andere Kirchenväter positiv Eingang gefunden haben 1 6 1 . Das Bekenntnis zu Paulus und Augustin bereits in den Loci von 1521 zeigt sich beispielhaft, wenn Melanchthon im Abschnitt ,De abrogatione legis' deutlich formuliert: „Cläre dicat Paulus . . . idem Augustinus" 1 6 2 . Schließlich legt er sein Verhältnis zu Augustin auf bezeichnende Weise offen, wenn er im Abschnitt ,De peccato mortali et quotidiano' schreibt: „Solet hic de litera et spiritu disputari, de quibus malo vel Augustinum vel Lutherum quam me c o n s u l i . . . " 1 6 3 Dieses Paulus und Augustin ins evangelische Konzept integrierende theologische Prinzip findet sich ebenso in seiner Didymi Faventini adversus Th. Placentinum 1 6 4 und in der Apologia pro Luthero von 1521 1 6 5 sowie besonders nachhaltig in seiner Declamatiuncula in Div. Pauli doctrinam von 1520 1 6 6 . Stellen wir also in Rechnung, wie bekannt Melanchthon in Frankreich war und daß Calvin spätestens seit 1539 Beziehungen zu ihm pflegte, die sich endlich in Calvins französischer Ubersetzung der Loci im Jahre 1546 niederschlugen 167 ,

a quibus evulgari cepit, quorum mihi, quicunque tandem publicaverunt, Studium magis, quam iudicium probatur, nempe quod ita scripsissem ut sine Pauli Epistola, non satis intellegi posset, quid in toto opere secutus essem." Siehe auch W. Neuser, Der Ansatz der Theologie Philipp Melanchthons, 58 f und H . G. Geyer, Von der Geburt des wahren Menschen, 13—28. iss Loci (1521), C R 21, 86, 8 f. 159 Vgl. ebd., C R 2 1 , 9 8 , 3 0 — 3 2 : „Esse vero peccatum originale Pelagiani negasse feruntur quorum dogma revellit Augustinus", vgl. P L 44, 3 6 0 f f ; siehe auch C R 2 1 , 1 1 1 . 160 Vg] Loci (1521), C R 21, 125, 28—31: „Quid enim oportet esse communis Evangelio, quod Christus universae naturae praedicari iussit. Diluit autem et Augustinus in Epistola ad Marcellin u m . . . " ; siehe auch C R 2 1 , 1 9 4 und C R 2 1 , 2 0 0 , 3 9 — 4 2 : „Augustinus alicubi caussam abrogatae legis inquirens, nihil praeter figuras caussatur. Scriptura ideo legem a b r o g a t . . . " 1 6 1 Vgl. hierzu die neueste Veröffentlichung zum Thema: Ε . P. Meijering, Melanchthon and Patristic Thought.

Loci (1521), C R 2 1 , 1 9 7 , 2 5 - 2 7 . i « Ebd., C R 2 1 , 2 0 8 , 3 6 - 3 8 . 162

164

Vgl. Didymi Faventini, StA 1,57ff.

Vgl. Apologia pro Luthero, StA 1 , 1 4 7 f und 151 f. 166 Vg] Declamatiuncula, StA I, 38—40 und 5 0 ; siehe hierzu besonders W. Maurer, Der Einfluß Augustins auf Melanchthons theologische Entwicklung, 78 f. 165

1 6 7 Vgl. Calvins Preface de la Somme de Melanchthon von 1546, C O 9, 847—850. F ü r die Väterrezeption in den Loci von 1521 siehe auch P. Fraenkel, Testimonia Patrum, 2 8 - 3 2 .

172

Vorbilder und Einflüsse in der Entwicklung des Augustinverständnisses Calvins

so könnte Melanchthon Calvin bereits für die Institutio von 1536 und ihre Augustinverarbeitung nicht unerhebliche Hinweise gegeben haben. Gleichwohl ist eine direkte Abhängigkeit in dieser Hinsicht für diese Zeit nicht nachweisbar. 6.4.4. Huldrych

Zwingli

Neben Parallelen zu Luther und Melanchthon werden gelegentlich auch mögliche Einflüsse von Zwingiis Commentarius de vera ac falsa religione auf Calvin hervorgehoben168. Ungeachtet der Frage nach der Berechtigung dieser These im einzelnen ist jedoch für unseren Bereich von Bedeutung, daß sowohl Augustin als auch die Kirchenväter überhaupt in dieser Schrift Zwingiis keine entscheidende Stellung einnehmen. Zwar wird Augustin in den Kapiteln De ecclesia, De baptismo und De eucharistia zitiert169, Zwingli ist aber an keiner Stelle wirklich daran interessiert, ihn zu einer Hauptsäule seiner Argumentation zu machen170. Dieses erscheint um so erstaunlicher, da Augustin in Zwingiis Entwicklung als Theologe nachweislich eine herausgehobene Position zukommt 171 . Die Frage aber, ob somit Zwingiis Commentarius für Calvins Augustinverständnis der Jahre 1535/36 von Bedeutung war, muß verneint werden. 6.4.5. Martin Bucer Ähnliches gilt u. E. auch für den Einfluß Bucers auf Calvin in diesen Jahren. Auch wenn A. Lang172 und im Anschluß an ihn A. Ganoczy 173 meinte, an verschiedenen Punkten einen deutlichen Einfluß von Bucers Evangelienkommentar174 auf Calvins Institutio von 1536 feststellen zu können, trifft doch für diese Zeit eher die Charakterisierung von W. van 't Spijker zu, wenn er schreibt: 168 Vgl. hierzu G. W. Locher, Die Zwinglische Reformation, 6 2 7 und A. Ganoczy, Le jeune Calvin, 1 5 6 - 1 6 6 . 1 6 9 A n folgenden Stellen des Commentarius de vera ac falsa religione wird auf Augustin Bezug genommen: Ζ III, 767; 8 0 9 f ; 811; 8 1 4 f ; 8 4 1 ; 847; 851. 170 Vgl. hierzu auch die neueste Studie zum Thema: A. Schindler, Zwingli und die Kirchenväter, 43 f; siehe besonders 4 4 : „Die Häufigkeit der Kirchenväterzitate ist wesentlich abhängig vom Maß der Polemik und Apologetik beziehungsweise vom Maß der gegnerischen Argumentation mit den Vätern. Wo beim Adressaten einer Schrift kein Verständnis oder Interesse für die Kirchenväter vorauszusetzen ist, da entfällt nicht nur eine breite Argumentation mit Zitaten aus ihren Schriften, sondern da sind ihre Werke überhaupt nahezu überflüssig. W o . . . Zwingli p o s i t i v . . . seine Uberzeugungen d a r l e g t , . . . , da kann er fast ganz auf die Väter verzichten." 1 7 1 Vgl. auch U . Gabler, Huldrych Zwingiis „reformatorische Wende", 120—135 und A. Schindler, a.a.O., 2 9 - 3 8 . 1 7 2 Vgl. A. Lang, Die Quellen der Institutio von 1 5 3 6 , 1 0 8 - 1 1 0 .

Vgl. A. Ganoczy, L e jeune Calvin, 166f. M. Bucer, Enarrationes perpetuae in sacra quatuor evangelia, recognitae nuper et locis compluribus auctae, Straßburg ( U . Andlanus) 1530. Die erste Ausgabe erscheint April 1527. 173

174

Calvin in Straßburg. Die Institutio von 1539

173

„Tatsächlich läuft es darauf hinaus, daß die Sache vorläufig nicht entschieden werden kann und daß ein offenes theologisches Problem bestehen bleibt" 1 7 5 . U m so mehr gilt nun aber diese Vorsicht bei der Bestimmung der Einflüsse Bucers auf Calvins Augustinrezeption. Zwar ist es möglich, daß Calvin vielleicht schon in der Zeit um 1535 Bucers Evangelienkommentar zur Kenntnis genommen hat - hierauf könnte seine briefliche Hochachtungsbezeugung, vermutlich aus dem Jahre 1534 1 7 6 , deuten - jedoch ist die Einbeziehung Augustins in den Evangelienkommentar verglichen mit dem späteren Römerbriefkommentar des Reformators eher spärlich 177 . Sehen wir einmal von der Widmungsvorrede zur zweiten Ausgabe des Evangelienkommentars von 1530 ab 1 7 8 , so wird lediglich im Johanneskommentar gelegentlich auf Augustin verwiesen 1 7 9 . 6.4.6.

Zusammenfassung

Fassen wir das Ergebnis für den Zeitraum bis 1535/36 zusammen, so stellen wir fest, daß es nicht sicher ist, solche Quellen eindeutig zu benennen, die nachweislich Vorbildscharakter für Calvins Augustinverwendung hatten. Zwar ist eine wiederholte Einsichtnahme in den Lombarden deutlich nachzuweisen 1 8 0 , vermutlich kannte Calvin auch Melanchthons Neuansatz in dieser Frage, hingegen muß offen bleiben, inwieweit der Platz, den Augustin in der Wittenberger Reformation einnahm 1 8 1 , für Calvins Augustinverwendung von 1535/36 von Bedeutung gewesen ist.

6.5. Calvin in Straßburg. Die Institutio von 1539 6.5.1.

Martin

Bucer

Eine namhafte Erweiterung des Augustin unverrückbar in die evangelische Dogmatik integrierenden Programms stellt die im August 1539 in Straßburg bei W. Rihel gedruckte Neuauflage der Institutio dar. Ca. 100 weitere Augustintextpassagen sind neu hinzugekommen 1 8 2 . Deutlich haben sich die nunmehr immer 175

W. van 't Spijker, Prädestination, 86.

Vgl. den Brief Calvins an Bucer v o m 4. Sept. 1534 (?), A . - L . Herminjard, a.a.O., III, N r . 4 7 7 , 202-204. 176

"

7

Vgl. unten S. 175 f.

Vgl. M . Bucer, Enarrationes perpetuae. Praefatio (1530), fol. A 4 r ; siehe aber auch die Praefatio zur Ausgabe von 1527, wieder abgedruckt in der Ausgabe von 1530, fol. A 7v. 179 Vgl. hierzu insbesondere A . Lang, D e r Evangelienkommentar Marin Butzers, 6 0 f; hier auch weitere Nachweise. ι™ Vgl. oben S. 6 2 - 6 7 . 178

1 8 1 Siehe hierzu Η . A . Oberman, Werden und Wertung, 8 2 - 1 4 0 und E . Kahler, Karlstadt und Augustin, 3 * — 5 6 * . 182

Vgl. hierzu oben S. 69.

174

Vorbilder und Einflüsse in der Entwicklung des Augustinverständnisses Calvins

wiederkehrenden Reihungen ,Paulus - Augustin - evangelischer Lehrsatz' zum festen Bestandteil der Argumentation Calvins entwickelt183. An diesem Sachverhalt ändert auch die gelegentlich - freilich stets verhalten - geäußerte Kritik am Kirchenvater nichts. War es nun aber bereits für die Institutio von 1536 kaum möglich, gesicherte Aussagen über Vorbilder und Einflüsse für die calvinische Augustinrezeption zu machen, so bleibt auch für die Ausgabe von 1539 noch vieles im Dunkeln. Nach den für Calvin, Farel und Couraud einschneidenden Ereignissen von Ostern 1538 in Genf184 hielt sich Calvin ca. drei Monate bei Simon Grynäus in Basel auf, erst ab Juli 1538 kam er auf Drängen Bucers und Capitos nach Straßburg185. In Straßburg stellte er im Juli 1539 seine Neuausgabe der Institutio fertig 186 ; 1540 erschien hier ebenfalls bei Rihel sein Römerbriefkommentar187. Gleichwohl ist es wahrscheinlich, daß der Reformator sich bereits 1537 mit dem Gedanken einer Neuausgabe der Institutio getragen hat188; auch erscheint es möglich, daß er bereits einige Passagen fertig gestellt hatte, bevor er nach Straßburg kam und die Neuausgabe im August 1539 dann erscheinen konnte. Kaum anders verhält es sich mit den Arbeiten am Römerbriefkommentar. Schon früh hatte Calvin in Genf Vorlesungen über die Paulus-Briefe gehalten189 und wahrscheinlich war auch ein großer Teil des Römerbriefkommentars bereits geschrieben, als Calvin Genf verließ. Sowohl die Dedikationsepistel des Römerbriefkommentars an Simon Grynäus190 als auch verschiedentliche Parallelen im Kommentar selbst lassen es als gesichert erscheinen, daß Calvin wie für die Vorlesungen so auch für die Abfassung des Kommentars Bucers Kommentar zum Römerbrief von 1536 verwendet hat. Von entscheidendem Interesse für unseren Zusammenhang ist nun dabei die Tatsache, daß Bucer den Kirchenvätern Origenes, Chrysostomus, Ambrosius und Augustin in seinem Kommentar eine außerordentliche Bedeutung zukom-

Vgl. hierzu oben S. 77. Vgl. das Ratsmandat des Magistrats der Stadt Genf vom 23. A p r . 1538, siehe hierzu E. Doumergue, a.a.O., II, 2 7 9 - 2 8 3 . 1 8 5 Vgl. insbesondere den Brief Bucers an Calvin v o m Juli 1538, C O 10b, Nr. 1 2 6 , 2 1 8 - 2 2 0 . iss Vgl. C O 1, X X X I I f. 1 8 7 Vgl. Com. Rom., Ed. Τ. H. R. Parker, I X - X I . 1 8 8 Vgl. den Brief Joh. Oporinus' an Calvin vom 25. März 1537, C O 10b, Nr. 5 4 , 9 1 , 2 3 - 2 5 : „De Catechismo [gemeint ist die Institutio] tuo scias, mi Calvine, magnam esse exspectationem, quando eum recognitum denuo editurus sis." 1 8 9 Vgl. ebd., C O 10b, Nr. 54, 91, 3 2 - 3 6 : „Audio te magna cum laude et utilitate praelegere D. Pauli epistolas. O r o igitur ut, quaecunque in iis praelegere et annotare tuis soles, aliis quoque uti per nos aliquando communicentur, operam dare non graveris." 1 9 0 Vgl. Com. Rom. Praef., Ed. Τ. H. R. Parker, 1 - 4 ; besonders 2, 5 3 - 7 3 : „Tandem Bucerus, lucubrationibus suis emissis, veluti colophonem imposuit... Cum talibus ergo viris velle contendere, ut nimis improbae aemulationis esse confiteor, ita mihi nunquam in mentem venit, vel minimam laudis partem illis praeripere . . . Bucerus et prolixor est quam ut ab hominibus aliis occupationibus districtis raptim legi: et sublimior quam ab humilibus et non valde attentis intelligi facile queat." 183 184

Calvin in Straßburg. Die Institutio von 1539

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men läßt 191 . Es wäre somit naheliegend anzunehmen, daß Bucers Römerbriefkommentar Vorbildcharakter auch für das Augustinkonzept Calvins gewonnen hat. Prüft man jedoch die Augustinverwendung Bucers in seinem Kommentar im einzelnen, so stellt man fest, daß Bucer bestrebt ist, Ambrosius, Origenes und Hieronymus mit Augustin in Gleichklang zu bringen 192 ; keineswegs wird Augustin hier besonders programmatisch abgehoben. Das bereits 1539 durchkomponierte und dezidiert auf Paulus und Augustin beschränkte Programm Calvins findet sich bei Bucer an keiner Stelle! So ist denn die eigentliche Stoßrichtung von Calvins Kritik an Bucer in seinem Brief vom 12. Januar 1538 nicht etwa als Kritik an der Einbeziehung Augustins zu verstehen, sondern als Kritik an der von Bucer vertretenen Konsensustheorie der Väter und einer neuerlichen Hervorhebung des grundsätzlichen Väterarguments allgemein 193 . In der Tat zeigt das Konsensbemühen Bucers eigentümliche Konstruktionen der Augustinverwendung. So werden in einem Satz Thomas von Aquin und Augustin für die Verteidigung der Willensfreiheit in Anspruch genommen: „Recte itaque Thomas Aquinas liberum arbitrium, voluntatem intelligit, qua elegimus, quod ratio consultatione conducibilius esse deprehendit et arbitrata est. Eadem vero est sententia D. Augustini" 194 . Beispielhaft für diese sich überall im Kommentar findende Tendenz zur Herstellung eines,Väterkonsensus' erscheint endlich auch eine gewisse Gleichordnung von Augustin und Hieronymus 195 . Zwar wird in der Einleitung zum Römerbriefkommentar Augustin breit ange-

191 Vgl. M. Bucer, Metaphrases et enarrationes perpetuae epistolarum D. Pauli Apostoli . . . Tomus primus. Continens metaphrasim et enarrationem in epistolam ad Romanos, Straßburg (W. Rihel) März 1536. Zur Kirchenväterrezeption im Römerbriefkommentar siehe auch A. Lang, a.a.O., 337. 1 9 2 Vgl. M. Bucer, Metaphrases ... in epist.... ad Romanos, fol. 54 f; 114f; 179 ff; 255 f u.ö. 193 Vgl. Calvins Brief an Bucer vom 12. Jan. 1538, A.-L. Herminjard, a.a.O., IV, Nr. 677,347: „Si vis omnibus facere Christum plausibilem, tibi non [lies aber: novum] esse fabricandum Evangelium. Et certe videre palam est, quo recidat. Ubi audisti, hominum superstitione Sanctorum invocationem excogitatam magis quam verbo Dei fundatam, addis tarnen mox: id deferendum Sanctorum Patrum authoritati, ne in totum damnetur eiusmodi invocatio, quae illorum scriptis commendatur. Ita perpetuo soles eorum authoritatem ingerere, qua praetexta quaelibet falsitas pro veritate censeatur. An hoc est Deum vere sanctificare, tantum deferre hominibus, ne sola eius Veritas inter nos regnet? An non Patres honorat qui eos nec reiiciendos, nec contemnendos censet, etiamsi in multis lapsi comparientur?" 1 9 4 M. Bucer, Metaphrases ... in epist. . . . ad Romanos, fol. 400; zum Ganzen siehe auch fol. 400-404. 1 9 5 Vgl. ebd., fol. 453: „Fateor, excepto divo Augustino et divo Hieronymo alicubi, sanctos Patres subvereri cum Scriptura simpliciter d i c e r e . . ; siehe auch bereits im Evangelienkommentar Bucers, Enarrationes, fol. Α 10v: „Permittunt alii sibi a Hieronymo, Augustino atque aliis sanctissimis sane et doctissimis patribus dissentire."

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Vorbilder und Einflüsse in der Entwicklung des Augustinverständnisses Calvins

führt 196 , jedoch steht bei der Durchführung im Kommentar selbst Augustin unter der Rubrik ,Sententiae Patrum' nur als einer neben Chrysostomus, Origenes und Ambrosius 197 , was bis zum Schluß überdeutlich den,Konsenscharakter' des Werkes unterstreicht. Bezeichnend für diesen einebnenden Ansatz ist es, wenn Bucer im Kommentar hinsichtlich des Kirchenvaters Augustin schreibt: „D. Augustinus priscae ecclesiae fidem et certissime tenuit, et religiosissime docuit, sit ergo hie unuspro omnibus"198. Calvins Ansatz hebt sich demgegenüber merklich ab, wenn er in der Institutio von 1539 programmatisch zusammenfaßt: „...Augustinus, quem optimum ex tota antiquitate et fidelissimum testem saepius citamus" 199 . So können wir zwar eine Auseinandersetzung zwischen Calvin und Bucer über die Frage altkirchlicher Autoritäten feststellen 200 , auch ist es möglich, daß der starke Rekurs Bucers auf die Väter in seinem Römerbriefkommentar zur Präzisierung der calvinischen Augustinrezeption in dessen Institutio von 1539 beigetragen hat, nichtsdestoweniger erscheint es offensichtlich, daß trotz einer paulinisch-augustinischen Grundübereinstimmung 201 zwischen beiden Reformatoren Calvin in Bezug auf die Integrierung Augustins andere Wege gegangen ist. 6.5.2. Philipp

Melanchthon

Obwohl die Beziehung Calvins zu Melanchthon in dieser Zeit weniger unmittelbar ist als die zum Straßburger Reformator, zeigt doch der rege Briefaustausch zwischen Calvin und Melanchthon und nicht zuletzt die von Calvin geförderte Ubersetzung der Loci Melanchthons ins Französische 202 seine Kontakte nach Wittenberg. Es besteht darüber hinaus erheblicher Grund zur Annahme, daß Melanchthon hinsichtlich seines Augustinprogramms in hohem Maße unterstützend auf Calvin gewirkt hat. Wir sahen bereits oben, welch herausgehobene Position Melanchthon Augustin in der die übrigen Kirchenväter eher abwehrenden Ausgabe der Loci von 1521 zuerkennt 203 . Das Bild aus dieser Zeit wird nachhaltig komplettiert, wenn wir einen Brief Melanchthons an einen Studenten aus der Nürnberger Familie Ebner vom 12. Februar 1521204 sowie seine kleine Abhand196 Vgl. M. Bucer, Metaphrases... in e p i s t . . . . ad Romanos, fol. 7—40. 197 198 199 200 201

So im gesamten Römerbriefkommentar. Ebd., fol. 16; eigene Kursivierung. Inst. (1539), O S V, 284, 3 0 - 3 2 . Vgl. oben Anm. 193. Vgl. hierzu auch W. van 't Spijker, Prädestination, 92 ff und F. Krüger, Bucer und Erasmus,

121 ff. 202 203 204

Vgl. oben Anm. 167. Vgl. oben S. 1 7 0 - 1 7 2 . CR 20, 7 0 3 - 7 0 6 .

Calvin in Straßburg. Die Institutio von 1539

177

lung Quonam iudicio legendi autores zu Rate ziehen 2 0 5 . Beiden Texten gemeinsam ist wiederum die Eindringlichkeit, mit der Augustin gegenüber den übrigen Kirchenvätern herausgestellt wird. So schreibt Melanchthon unmißverständlich: „Nostram Theologiam videntur adiuvare nulli neque neotericorum, neque veterum scriptorum, praeter Augustinum et paucos Graecos" 2 0 6 . Diese bewußte Exponierung Augustins hält sich durch, wenn er 1530 in seiner Brevis discendae theologiae ratio das Studium Augustins und insbesondere der Schriften De spiritu et littera sowie Contra Julianum nachdrücklich empfiehlt: „Interim cum sie versaris in bibliis, interdum legendum est aliquid Augustini. Nam is longe praestat aliis veteribus. Praesertim in iis, quae scripsit contra Pelagianos, de spiritu et litera. Item contra Iulianum" 2 0 7 . Damit spricht Melanchthon pointiert aus, was ab 1533 auch in den offiziellen Lehrbetrieb der Universität Wittenberg Eingang finden sollte 2 0 8 : Vorlesungen über Augustins De spiritu et littera wurden Vorschrift und spiegelten damit die gesamte Stoßrichtung der Wittenberger Reformation. Auch dieser Umstand mag für die bewußte Verwendung von Augustintexten durch Calvin von Bedeutung gewesen sein. Trotz wiederholter, zum Teil heftig vorgebrachter Kritik Melanchthons am Kirchenvater, so etwa in einem Brief an Johannes Brenz vom Mai 1531, „Augustinus non satisfacit Pauli sententiae" 209 , ist auffallend, daß er sich gleich zweimal in demselben Jahr grundsätzlich zu Augustin äußert, in dem auch Calvin seine zweite, das Augustinprogramm breiter offenlegende Institutio abschließt! Sowohl in seinem am 31. August 1539 zur Auslieferung gelangten Traktat De ecclesia et de autoritate verbi Dei 2 1 0 , als auch in der Rede Oratio de vita Divi Augustini 211 vom September 1539 nimmt Augustin für Melanchthon die richtungsweisende Funktion ein. Hatte Melanchton bereits in einem Brief von 1535, wahrscheinlich an Eberhard von der Thann, programmatisch geschrieben: „wir sondern uns nicht von der vorigen rechten Kirche. Ich halte eben das, welches Ambrosius und Augustinus gelehrt haben" 2 1 2 , so führt er dies 1539 in De ecclesia et de autoritate verbi Dei im einzelnen vor. Deutlich heben sich auch hier die Augustin gewidmeten Passagen heraus: „Augustinus igitur sua aetate doctrinam Evangelii de gratia et

CR20, 705-708. 206 Philippus Melanchthon amico, C R 20, 7 0 4 , 4 1 - 4 4 ; zur Identifizierung des Briefes siehe auch W. Maurer, a.a.O., 8 6 f und Melanchthons Briefwechsel I, N r . 1 2 4 , 8 7 f , wo der Nürnberger Student mit Georg Ebner identifiziert wird. 205

Brevis discendae, C R 2 , 4 5 9 , 2 0 - 2 4 . 208 Vgl. W. Friedensburg, Geschichte der Universität Wittenberg, 181. 207

2 0 9 Brief Melanchthons an J. Brenz vom 12. Mai 1531, C R 2, 502, 5 f ; zur Datierung vgl. Melanchthons Briefwechsel II, N r . 1 1 5 1 , 3 1 . 210

StA 1 , 3 2 4 - 3 8 6 . CR 11,446-456. Brief Melanchthons von 1535, vielleicht an E . v. d. Thann, C R 2, N r . 1282, 8 8 4 , 2 - 5 .

178

Vorbilder und Einflüsse in der Entwicklung des Augustinverständnisses Calvins

fide in Christum pene extinctam restituit et rursus accendit" 213 ; zentral ist auch hier die stringente doktrinale Verbindung Paulus - Augustin anzutreffen: „Nonnulli adversarii astutiores, etsi vident Augustini et nostram interpretationem vere esse Pauli ac Propheticae et Apostolicae scripturae sententiam, tarnen obstrepunt nobis et Origenis, Hieronymi, Chiysostomi et nescio quorum autoritatem citant" 214 . Das hervorstechende Interesse Melanchthons am lehrmäßigen Gleichklang mit dem Kirchenvater zieht sich als Kontinuum durch die ganze Schrift: „Tales sententiae passim obviae apud Augustinum, satis ostendunt, eum de gratia et fide idem sentire quod nos docemus" 215 . Die Berufung auf Augustin ist so auffallend, daß Melanchthon sich auch hier gezwungen sieht, einzuflechten: „credimus articulum non propter Augustinum, sed propter verbum Dei" 216 . Ganz ähnliche Wendungen sahen wir in Calvins Institutio von 1539 und es ist wohl kein Zufall, wenn Melanchthon und Calvin im selben Jahr ein die Einarbeitung Augustins in die evangelische Lehrformulierung ähnliches Konzept vorlegen 217 ! Zwar läßt sich ein gegenseitiger Einfluß nicht sicher nachweisen, gleichwohl wird hiermit doch eine nicht nur doktrinal, sondern auch kirchenpolitisch bewußt gewählte Verbindungslinie Calvin - Melanchthon signalisiert. Auch die Oratio de vita Divi Augustini scheint dies voll zu bestätigen, wenn es heißt: „merito Augustinum amare debemus, qui coelestem illum thesaurum praecipue conservavit" 218 . Aber nicht nur die positive Einbindung Augustins bei Melanchthon erinnert an Calvin, auch die Art der Kritik am Kirchenvater zeigt eine sehr ähnliche Perspektive. So schreibt Melanchthon in der Oratio: „Haec ipsa vocabula, quae sunt praecipua in Ecclesia, quas res proprie significarent, ignorabatur, Lex, Evangelium, peccatum, gratia, litera, spiritus. Hae tantae tenebrae depulsae sunt Augustini opera, qui quidem illas tantas res perspicere, et iudicare non potuisset, nisi exercitia peculiaria spiritus degustasset. Cum autem maxime opus sit Ecclesiae, vera illorum locorum explicatione, decet nos omnes agnoscere Dei beneficium, cuius donum erat, doctrinae renovatio. Debetur et ipsi Augustino gratia, qui literis mandavit veram interpretationem ut posteritatem admoneret. Dixi de praecipuo Augustini merito, sed brevius quam magnitudo rei postulabat. Quod autem in tarn difficilibus disputationibus interdum improprie aut incommoda loquitur, venia ei danda est: Temporum ista erant" 219 . 213

De ecclesia et de autoritate verbi Dei, StA I, 3 5 9 , 1 7 - 1 9 . Ebd., StA 1 , 3 6 2 , 3 - 7 . 215 Ebd., StA 1,364,21 f. 216 Ebd., StA 1,338,5 f. 217 Vgl. oben S. 77. 218 Oratio de vita Divi Augustini, CR 11,446,38-40; vgl. auch ebd., CR 1 1 , 4 5 6 , 3 9 - 4 4 : „Quare intueamur in exempla piorum, Pauli, Augustini, Ambrosii, et aliorum, qui cum fuerint studiosissimi, excitemus nos quoque ad discendi curam, quam quidem praecipit Spiritus sanctus, inquiens: Verbum Dei inter vos abundet." 2!9 Ebd., CR 1 1 , 4 5 4 , 9 - 2 6 .

Calvin und das Religionsgespräch von Regensburg

179

Ganz ähnlich hatte Calvin am Kirchenvater formulierte Kritik aufgefan-

6.6. Calvin und das Religionsgespräch von Regensburg. Die Institutio von 1543 Während wir für die Zeit der Frühwerke Johannes Calvins das weitgehend selbständige Studium Augustins als grundlegenden Sachverhalt reklamierten und allenfalls ab 1538 mit einer gewissen Berechtigung auf Philipp Melanchthon und möglicherweise Martin Bucer als potentielle Vorbilder verweisen können, so erscheint schließlich die Teilnahme Calvins an den Regensburger Religionsgesprächen sowie ihren Vorgesprächen noch einmal einen wenn auch nur geringen Einfluß auf sein Augustinverständnis gehabt zu haben. Vielleicht sind die nochmalige Anreicherung der Institutio von 1543 mit Augustintexten 221 und die stringente Durchführung seines Augustinprogramms ein sowohl lehrmäßig als auch politisch zu wertender Reflex auf Regensburg. Bereits die in Worms abgehaltenen Vorgespräche im Jahre 1540 machen deutlich, daß Augustin von der evangelischen Partei insgesamt als konstitutives Gesprächselement für die Definition dogmatischer Loci verwendet wird. So gibt das Gesprächsprotokoll des Wolfgang Musculus etwa für die Gespräche über den Artikel De iustificatione nicht nur die Einwendungen Witzeis unter Bezugnahme auf den Kirchenvater ausdrücklich wieder 222 , sondern desgleichen die Entgegnungen von Schnepf in dieser Frage - ebenfalls unter ausdrücklichem Hinweis auf Paulus und Augustin 223 . Auch sind im Protokoll die Bezugnahmen Calvins auf Augustin, etwa in der Frage nach dem Petrusamt, für den Gesamtduktus des Gesprächs bezeichnend 224 . Die eigentlichen Verhandlungen während des Regensburger Religionsgesprächs weisen in weiten Teilen ebenfalls eine deutliche Miteinbeziehung Augustins auf. So ist bereits das wohl von Bucer und Gropper verfaßte Regensburger Buch selbst 225 mehrfach auch mit Augustintexten versehen 226 . Besonders nachhaltig ist der Bezug auf den Kirchenvater im Artikel zur Erbsünde; hier werden weite Teile aus Augustins Contra Julianum angeführt 227 . 22" Vgl. hierzu oben S. 59f, 80 und 85. 221 Vgl. oben S. 77f. 222 Vgl. W. Musculus, Protokoll des Wormser Vorgesprächs vom Nov. 1540, in: W. Neuser, Die Vorbereitung der Religionsgespräche von Worms und Regensburg, 123—125. Witzel bezieht sich auf Augustins De fide et operibus 1 , 1 4 , 2 1 - 2 3 , PL 40,211 f. 223 Ebd., 125-127. 224 Ebd., 165. 225 Vgl. die französische Ubersetzung Calvins, CO 5,515—615. 226 Vgl. die Auflistung bei L. Smits, a.a.O., II, 63 f. 227 Vgl. Actes de Ratisbonne, Le Livre, CO 5 , 5 2 0 - 5 2 4 .

180

Vorbilder und Einflüsse in der Entwicklung des Augustinverständnisses Calvins

Es fällt überdies auf, daß neben Augustin kaum andere Kirchenväter angeführt werden, von gelegentlichen Zitaten aus Cyprian, Chrysostomus und Ambrosius abgesehen. Ganz entsprechend sind daher auch die Antworten der Protestanten gestaltet 228 . Wie sehr Calvins erweiterter Bezug auf Augustin in der Institutio von 1543 auch die Verhandlungen von Regensburg spiegelt, zeigt schließlich die Integration von Augustintexten, die auch den Gesprächen von Regensburg zugrunde lagen und im Regenburger Buch angeführt wurden. So finden sich z.B. zwei Passagen aus Augustins Contra Julianum, die das Regensburger Buch im Abschnitt zur Erbsünde zur Frage der concupiscentia angeführt hatte 229 nunmehr neu in der Institutio von 154 3 230 . Andere Stellen ließen sich nennen. Abgesehen von diesem ganz konkreten und nachweisbaren Einfluß hatte die Einbringung Augustins in die Regensburger Gespräche einen bedeutenden und vielleicht weiterreichenden Einfluß. Wenn er 1543 Augustin nochmals vermehrt in seine Dogmatik einbindet, so könnte Calvin damit als Reflex auf Regensburg auch ein Signal an die gesamte altgläubig christliche Welt verbunden haben! Der Kampf um den Kirchenvater, die Einbindung Augustins in das evangelische Programm durch Calvin schließt auch noch unmittelbar nach Regensburg Zeichen eines noch nicht aufgegebenen grundsätzlichen Einigungswunsches ein. So ist Calvins programmatischer Satz „Augustinus totus noster" weitab aller Polemik ein Bekenntnis zur wahren Katholizität, das vermittels Augustins die theoretische Einladung auch an die Altgläubigen in dieser Zeit noch aufrecht erhält. Zwar wird das Programm Calvins auch nach 1543 weiter ausgestaltet und durch mancherlei Nuancen abgerundet, grundsätzlich sind aber bereits zu dieser Zeit die Weichen gestellt. Konnten wir freilich bis zu diesem Zeitpunkt mit einiger Berechtigung die Frage nach einer möglichen Schülerschaft des Reformators im Bereich des Augustinverständnisses thematisieren, so wird spätestens ab 1543 Calvin selbst zum Initiator und Förderer einer neuen ,Schola Augustiniana' ganz eigener Prägung. Nunmehr hatte das calvinische augustinisch-evangelische Konzept sich an den verschiedenen Fronten des theologischen Kampfes zu bewähren, eine Aufgabe, der Calvin sich bis an sein Lebensende immer wieder stellen sollte.

228 Vgl ebd., C O 5, 564 ff. Für den Bezug auf Augustin in den Antwortartikeln der Protestanten siehe L. Smits, a.a.O., II, 65 f. 229 Vgl. Actes de Ratisbonne, Le Livre, C O 5 , 5 2 2 , 3 3 - 3 9 , vgl. C. Jul. II, 3, 5, P L 4 4 , 6 7 5 , 5 1 - 5 6 und C O 5, 5 2 3 , 4 - 1 2 , vgl. C. Jul. V, 3, 8, PL 44, 7 8 7 , 4 2 - 4 6 . 2 3° Vgl. Inst. (1543), O S IV, 6 8 , 1 4 - 1 8 und O S IV, 6 8 , 2 5 - 6 9 , 1 .

7. Schlußbetrachtung Es war unser Anliegen, die bislang offene Frage nach dem Augustinverständnis Calvins sowohl methodisch als auch sachlich einer Lösung zuzuführen. Dabei konnte in allen Teilen dieser Untersuchung nachgewiesen werden, wie sehr die Frage nach dem Augustinverständnis das Zentrum der Theologie und der Person des Reformators berührt. Wurde bislang trotz der erhellenden Sammelarbeit von Luchesius Smits die Frage nach dem Verhältnis Calvins zum Kirchenvater zugunsten des Aufweises eines möglichen dogmatischen Kernlocus bei Calvin lediglich peripher behandelt, so ist hierin nunmehr eine nachhaltige Forschungskorrektur vollzogen. Geht man das Problem des Augustinverständnisses Calvins nicht ausschließlich unter der Perspektive des ideengeschichtlichen Vergleiches an, fragt man vielmehr nach den Calvin eigenen Prinzipien des Umgangs mit dem Kirchenvater, so erweist sich die Stellung Calvins zu Augustin als der Schlüssel auf dem Weg einer Neudefinition der Koordinaten der Theologie des Genfer Reformators. An keiner anderen Stelle als in seiner Arbeit an Augustin wird besser greifbar, wie sehr das theologische Programm des Reformators von dem Gedanken der successio doctrinae durchwirkt ist, wie sehr die Einbindung des successioGedankens ins evangelische Programm die Theologie Calvins zentral beschreibt. Erst in der Bestimmung des Augustinverständnisses erscheint das calvinische ,Scheidungsmodell' innerhalb der Geschichte, das sein gesamtes Schrifttum durchzieht und dogmatisch in seiner Lehre von der Prädestination gipfelt, nunmehr gebündelt verständlich. Schließlich erfährt auch die Person des Reformators mit dieser Forschungsperspektive ein in vielen Teilen neues und dezidiert konturenreicheres Bild; der Genfer Reformator identifiziert sich persönlich mit dem Bischof von Hippo. An keiner anderen Stelle als in der Bestimmung seines Augustinverständnisses kann somit besser erwiesen werden, wer Calvin ist. Erschien bisher die Fragerichtung der Calvin-Forschung lediglich auf den Aufweis einiger augustinischer dogmatischer Versatzstücke im Gebäude der Theologie Calvins ausgerichtet, so ließ sich nun aufzeigen, daß Calvin vielmehr als der Initiator einer eigenen ,Schola Augustiniana' zu würdigen ist, dessen Programm weit über das Wittenberger Programm hinausgeht. Dabei zeigt die eigenwillige Verarbeitung des augustinischen Textmaterials, daß wir in Calvin zum weitaus überwiegenden Teil einen Autodidakten vor uns

182

Schlußbetrachtung

haben. Zwar lassen sich Parallelen zu Melanchthon festmachen, keineswegs aber ist Johannes Major oder der spätmittelalterliche Augustinismus von anweisbarer Bedeutung für sein Augustinverständnis. In dem Sinne einer fundamentalen Einbindung von Person und Werk des Kirchenvaters in evangelische Lehre und Kirche - ohne daß dabei im einzelnen allen theologischen Lehrstücken Augustins immer vollauf entsprochen wird ist Augustin für Calvin also wirklich ,totus suus', erweist sich Calvin als der große Augustinschüler unter den Reformatoren. Kritik am Kirchenvater bleibt in diesem Konzept eine periphere Erscheinung und wird vom Reformator nach Möglichkeit durch Harmonisierung relativiert. Damit dürfte schließlich hinlänglich erwiesen sein, daß Calvin bestrebt war, den ganzen Augustin in sein Werk aufzunehmen. Daß er hierbei den Augustin weitgehend zu integrieren suchte, als der sich der Kirchenvater selbst verstanden wissen wollte, und Augustin weitgehend vom späten Augustin her las, kann nicht gegen Calvin verwendet werden. Augustin ist für Calvin im Rahmen seiner Vorstellung von der ,successio doctrinae' umfassender Lehrer der Kirche, nicht etwa nur Lehrer des .unfreien Willens' und der .Prädestination' 1 ! Obwohl die zeitgenössischen Gegner Calvins dieses umfassende Anliegen der Einbeziehung Augustins sehr präzise erkannten und auch ein Teil der Epigonen Calvins im 16. und 17. Jahrhundert dem weitgehend Rechnung zu tragen versuchten, blieb es doch erst unserer Zeit wieder vorbehalten, dieses calvinische Zentralanliegen neu zugänglich und verständlich zu machen. Es ist daher sachbezogen, wenn wir abschließend postulieren: Keine verantwortbare Äußerung über den Genfer Reformator wird absehen können von seiner zu Recht wiederholt gemachten Kernaussage: „Augustinus totus noster"!

1 Einem tiefgreifenden Mißverständnis Calvins und überdies einer Fehleinschätzung der Position Augustins unterliegt somit J. Pelikan, wenn er in seiner Arbeit, The Christian Tradition 4, 259 f behauptet: „The Reformers were .accusing the entire doctrine of the scholastics, in fact, the entire church' of the Pelagian error, ,as though it were destroying the grace of Christ by preserving free will.' This so-called Augustinianism was based on a misunderstanding of Augustine and of his place in Catholic doctrine. He had contended not only against Pelagius but also against the Manicheans, to whom the Protestant denial of free will,,rebounding from Pelagius,' was manifesting a strong family resemblance. Even against the Pelagian heresy... Augustine had affirmed the cooperation of divine grace and free will in the baptized...". Pelikan geht überdies sogar noch einen Schritt weiter, wenn er auf Calvins Augustinverwendung bezogen schreibt, ebd., 260: „It was wrong to set Augustine in opposition to the other church fathers this w a y . . . " Gegen Pelikan ist festzuhalten, daß Calvin Augustin gerade nicht als willkommenen Gewährsmann etwa nur in der Frage der Prädestination und des unfreien Willens verwendet, sondern ihn trotz einiger nicht unerheblicher Unterschiede in diesen Lehrstücken dennoch als ganzen für alle Bereiche christlicher Lehre und Kirche als ,totus noster' reklamiert. Insofern gilt für Calvin gerade nicht die grundsätzliche Isolierung eines „anti-Pelagian pole" und eines „anti-Donatist pole" im Opus Augustini, wie Pelikan für reformatorisches Augustinverständnis insgesamt glauben machen will; vgl. J. Pelikan, ebd., 19 und schon vorher 9.

Quellen- und Literaturverzeichnis I. Quellen

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Abkürzungen Die Abkürzungen in unserer Arbeit richten sich in der Regel nach dem Abkürzungsverzeichnis der Theologischen Realenzyklopädie, zusammengestellt von S. Schwertner, Berlin/New York 1976. Darüber hinaus wurden folgende Abkürzungen verwendet:

I.

Allgemeines

Abs. Arg. Com. dist. Epist. hrsg. Hrsg. praef. Prael. Serm.

Abschnitt Argumentum Commentarius Distinctio Epistola herausgegeben Herausgeber Praefatio Praelectio(nes) Sermo(nes), bzw. Sermon(s)

II. Werke Adv. haeres. Art. de praed. C. Adym. Catech. rud. C. Epist. fund. C. Faust. C. Jul. C. Jul. imperf. CO Col. Conf. 1. und 2. Cor. C. Pelag. De anim. De babt. c. Don. De civ. Dei

Adversus haereses Articuli de praedestinatione Contra Adymantum Manichaei discipulum liber unus De catechizandis rudibus liber unus Contra epistolam Manichaei quam vocant fundamenti liber unus Contra Faustum manichaeum libri triginta tres Contra Julianum haeresis pelagianae defensorem libri sex Contra secundam Juliani responsionem imperfectum opus sex libros complectens Ioannis Calvini Opera quae supersunt omnia Epistola Pauli ad Colossenses Confessionum libri tredecim Prima et secunda epistola Pauli ad Corinthios Contra duas epistolas Pelagianorum libri ad Bonifacium quatuor De anima et eius origine contra Vincentium Victorem libri quatuor De baptismo contra Donatistas libri Septem De civitate Dei contra paganos libri viginti duo

196 D e corr. et. gr. D e div. quaest. D e don. pers. D e f . serv. arb. D e gen. ad litt. D e gr. et. Üb. arb. D e haer. D e lib. arb. D e nat. et. gr. D e occ. Dei prov. D e ord. D e pecc. mer. et rem. D e praed. sanct. D e scand. D e spir. et litt. D e trin. D e util. cred. D i s p . Lausanne Eccl. ref. rat. Ench. En. in Ps. Epist. ad. Franc. Epist. ad. Sadol. Gen. c. Manich. Historia eccl. In Ev. Johann. Tr. Inst. Inst. fr. Instruction et conf. PL O r d o n n . eccl. OS Praed. aet. Praef. C h r y s . Praef. Bibl. Oliv. Quaest. Hept. Q u a e s t . Simpl. Retr. Rom. Sen. D e clemen. Serm. a Vign.

Abkürzungen D e correptione et gratia ad Valentinum et cum illo monachos Adrumetinos über unus D e diversis quaestionibus octoginta tribus liber unus D e d o n o perseverantiae liber unus Defensio doctrinae de Servitute humani arbitrii contra Pighium D e Genesi ad litteram libri duodecim D e gratia et libero arbitrio ad Valentinum et cum illo monachos Adrumetinos liber unus D e haeresibus ad Q u o d v u l t d e u m liber unus D e libero arbitrio libri tres D e natura et gratia contra Pelagium ad T i m a s i u m et J a c o b u m liber unus D e occulta Dei Providentia D e ordine libri duo D e peccatorum meritis et remissione, et de baptismo parvulorum ad Marcellinum libri tres D e praedestinatione sanctorum ad Prosperum et Hilarium liber unus D e scandalis D e spiritu et littera liber unus D e Trinitate libri quindecim D e utilitate credendi ad H o n o r a t u m liber unus Disputation de Lausanne Ecclesiae reformandae ratio Enchiridion ad Laurentium sive de fide, spe et charitate liber unus Enarrationes in Psalmos Epistola ad Franciscum Galliae regem Responsio ad Sadoleti epistolam D e Genesi contra Manichaeos libri d u o Historia ecclesiastica In Evangelium Johannis tractatus centum viginti quatuor Institutio Christianae Religionis Institution de la Religion Chrestienne Instruction et Confession de Foi J.-P. Migne, Patrologiae cursus completus. Series Latina Ordonnances ecclesiastiques Joannis Calvini O p e r a Selecta D e aeterna Dei praedestinatione Praefatio in Johannis C h r y s o s t o m i homilias Praefatio der Bible de Neuchätel (R. Olivetan) 1535 Q u a e s t i o n u m in Heptateuchum libri septem D e diversis quaestionibus ad Simplicianum libri d u o Retractationum libri d u o Epistola Pauli ad R o m a n o s A. Senecae D e dementia cum commentario Sermones a Vignerio additi

Abkürzungen

Serm. Harm. Ev. Serm. verb. Αρ. StA Summa theol. Suppl. exhort. Ult. adm. ad Westph. Ζ

Soixante cinq sermons sur l'Harmonie ou Concordance des Evangelistes, S. Matthieu, S. Marc et S. Luc Sermones de verbis Apostoli Melanchthons Werke in Auswahl (Studienausgabe) Summa theologica Supplex exhortatio a d . . . Caesarem Carolum V Ultima admonitio ad Westphalum Huldreich Zwingiis sämtliche Werke

Namenregister Abraham 136,137,149 Adam 22,23,26,27,28,29,34,36,37,43, 44,48,49, 50 d'Ailly, P. 158 Alciat, A. 164 Alexander de Villa-Dei 154,158 Allmen, G.v. 130 Althaus, P. 46 Ambrosius 62,70,140,167,174,175,176, 177,178,180 Andlanus, U. 172 Angouleme 166,167 St. Andrews 159 Anselm v. Canterbury 69 Aristoteles 70, 74,114,158,160 Aureolus, P. 160 Badius,J. 160 Bakhuizen van den Brink, J. N. 128 Barnabas 134 Barnikol, H. 13,14 Barth, H. 25, 30 Basel 163,166,167-173,174 Basilius 80 Batties, F. L. 55,57, 90 Bauke, H. 44,49 Bavaud, G. 15,29, 30,43, 49 Bavinck, H. 34 Beckmann, J. 13,14 Bedier, N. 157, 158,159,162 Bedouelle, G. 166 Benoit, J.D. 119,120,125 Berger, H. 133,136,141,143 Bernard, R. 27 Bernhard v.Clairvaux 63, 84, 140,171 Besse, G. 114,115 Beza, Th. 50, 154,157,159,163,165,166 Biel, G. 72,160 Boethius 158 Bohatec, J. 40,41,50, 60,134

Bolsec, J. 21,95,111 Bonaventura 156 Bonifaz VII., Papst 165 Bourges 55,115,163-167 Boussard, J. 55,164 Bradwardina, Th. 156,157 Brenz, J. 177 Brunner, P. 126 Bucer, M. 68,168,169,172-176,179 Bude, G. 55-57,60,61,67,74,75,115, 119,134 Büsser, F. 145 Burnaby, J. 28

Cadier, J. 15,37, 52 Capito, W. 57,174 Carbo, J. 101 Caroli, P. 68,128 Cassiodor 62,167 Cato 155 Ceneau, R. 60 Chevallon, Cl. 58 Chrysostomus 57,58,59,60,62,68,71, 72, 74, 80,167,174,176,178,180 Cicero, M.T. 54, 70,119 Clemens V., Papst 165 ClichtoveJ. 60, 67 Cochlaeus, J. 94 Colladon, N. 146, 154, 158,163 Connan, F. de 164 Cop, Ν. 166 Cordier, Μ. 154,155 Coronel, Α. 155,159 Couraud, Ε. 174 Craion,J. 161 Cratander, A. 58 Crespin, J. 11,95 Cusanus, N. 41 Cyprian 62,71,140,167,180

200

Namenregister

Danaeus, L. 11 Danes, P. 166 Daniel, F. 164,166 Dankbaar, W. F. 162 Dati, A. 159 David 147,149 Delaruelle, L. 56 Denzinger, H . 38 Desmay,J. 163 Diem, H. 24,26, 30 Doinel, J. 163 Donatus, A. 154 Dorner, H. 30 Doumergue, E. 45,163,174 Duchemin, N . 164 Duns Scotus, J. 69,141,156 Duplessis-Mornay, Ph. 11 Eber 136 Eberhard v. Bethunien 158 Ebner, G. 176f Eck,J. 94 Elie, H . 159 Enosch 137 Epiphanius 62,167 Erasmus v. Rotterdam, D. 54—56, 58,156 Erikson, Ε. H . 145 Esau 43 de l'Estoille.P.T. 55,165 d'Estouteville, N . 158 Eucherius 71 Euseb v. Cäsarea 62,134,167 Farel, G. 147,149,151,174 Fatio, 0 . 1 1 Flacius Illyricus, M. 134 Fournier, M. 165 Fradin, F. 165 Fraenkel, P. 140,141,171 Frankreich 55,56,60,66,137,146,150, 165,170,171 Franz I., König v. Frankreich 60f, 62,128, 137, 150,170 Friedberg, A. 63,165 Friedensburg, W. 177 Friethoff, C. 50 F r o b e n J . 54,58

Gabler, U. 172 Ganoczy, Α. 11,54,59,118,121,126,128, 145-147,149,162,168-170,172 Garin, E. 55 Genf 149,167-173,174 Geyer, H.-G. 26,28, 31,171 Ghellinck, J. de 54 Girardin, B. 57,119 Glasgow 159 Godet, M. 157 Gratian 63,66,165,167 Gregor d. Große, Papst 62,139,140,167 Gregor v. Nazianz 80 Gregor v. Rimini 156,157 Gropper,J. 179 Gross, J. 27,30 Grotefend, H . 164 Grynäus, S. 59,174 Hagar 149 Halifax, J.v. 158 Hamm, B. 34 Harnack, A.v. 28, 30 Hedtke, R. 126 Herminjard, A.-L. 57,164,166,167,170, 173,175 Herpin, G. 166 Hieronymus 62,66,70,74,94,144,158, 161,167,175,178 Hilarius v. Poitiers 106 Hofmann, U. 67 Holcot, R. 160 Hoogstraten, J.v. 67,167 Horaz 54 Hugo, A.M. 55 Hugo v. St. Viktor 167 Ignatius 106 Irenäus 106,134 Isidor v. Sevilla 62,134,167 Israel 41,137,149 Jacobs, P. 21,41,42,45 Jacquin, A.M. 30,32 Jakob 43 Jesaja 82 Joachim v.Fiore 134

Namenregister

Joel 136 Justin 106 Jouenneaux, G. 159 Juvenalis 159 Kahler, E. 31,173 Kain 137 Kirchner, A. 102 Karl V., Kaiser 93,147 Karl der Große, Kaiser 139 Koopmans,J. 1 4 , 1 5 , 1 2 7 Koselleck, R. 12 Kraus, H.-J. 59 Kroon, M. de 115 Krusche,W. 120,121 Krüger, F. 176 Laemmer, H . 67 Lang, A. 1 4 , 1 6 8 , 1 6 9 , 1 7 2 , 1 7 5 Lange van Ravenswaay, J. M. J . 147,149 Lane, A . N . S. 16, 7 3 , 1 3 9 , 1 4 0 Launoy, J . de 154 Lausanne 67 LaVallee, A . A . 162 Le C o u l t r e J . 154,155 Lefevre d'Etaples, J . 166 Lefranc,A. 1 6 3 , 1 6 4 , 1 6 5 , 1 6 6 Little, L . K . 139 Locher, G.W. 121,172 L o f , J . L. van der 86 Lohr, C . H . 159 Loofs, F. 26 Luther, M. 5 8 , 6 7 , 8 8 , 1 2 2 , 1 4 1 , 1 5 3 , 1 5 6 , 167,168,169f, 171,172 Mackay, A.J. G. 160 Major, J . 1 5 5 , 1 5 6 , 1 5 9 - 1 6 2 , 1 8 2 Mann, M. 55, 56 Marcion 67 Margolin, J.-C. 56 Martialis 159 Maurer, W. 141,171 McNeil, D. O . 5 5 , 6 7 Meaux 58 Meijering, E.P. 171 Meillant 164 Meinhold, P. 134

201

Melanchthon, Ph. 16,87,133,134,140, 141,142,168,169,170-172,173, 176-179,182 Melles, G. 21 Merwe, N . T . van der 16 Mesnard, P. 55 Mommsen, W.J. 12 Mooi, R . J . 1 6 , 1 7 , 5 3 , 5 8 , 6 2 , 6 8 , 7 7 , 8 3 , 8 7 , 93,95,105,113,167 Moore, W . G . 170 Morrhus, G. 164 Mose 37,126 Musculus, W. 179 Nerac 166 Neuser, W. 126,171,179 Nicäa 126 Nijenhuis, W. 129 Noah 136 Noltensmeier, H. 121 Novesianus, M. 20 Noyon 154,163,164 N y d b r u c k J . C . v . 134 Nygren, G. 2 8 , 3 5 Oberman, H . A . 1 1 , 1 9 , 1 3 0 , 1 5 3 , 1 5 7 , 1 7 3 Ockham (Occam), W.v. 69,160,161 Olivetan, R. 57, 58, 60,167 Oporinus,J. 174 Orange 38 Origenes 6 2 , 6 8 , 9 4 , 1 4 2 , 1 6 7 , 1 7 4 , 1 7 5 , 176,178 Orleans 5 5 , 1 1 5 , 1 6 3 - 1 6 7 Otten, H. 2 1 , 4 0 , 4 9 Ovid 159 Paris 5 5 , 6 7 , 9 3 , 1 5 4 , 1 5 5 , 1 5 7 , 1 5 8 , 1 5 9 , 160,161,162,163,164,166,167 Parker, Τ. H. L. 4 4 , 5 9 , 1 1 3 , 1 1 4 , 1 2 2 , 1 2 3 , 124,125,126,130,134,148,154,162, 163,174 Paulus 2 3 , 4 7 , 6 2 , 6 9 , 7 4 , 7 6 , 7 7 , 8 1 , 8 2 , 8 7 , 88,92,94,95,96,97,98,110,111,112, 113,114,116,123,125,126,127,131, 135,143,148,150,161,170,171,174, 175,177,178,179 Pelagius 92,182

202

Namenregister

Pelikan, J . 182 Perotti, Ν. 159 Petit (Parvus), J . 160 Petrus 82 Petrus Hispanus 160 Petrus Lombardus 5 4 , 6 2 , 6 3 , 6 4 , 6 6 , 7 0 , 75,77,85,110,140,155,160,167,170, 173 Piaget, A. 67 Pigge (Pighius), A. 2 0 , 2 1 , 8 7 , 8 8 , 8 9 , 9 0 , 91,92,95,97,98,99,101,102,111,143, 151 Pippin 139 Plato 70 Poliziano, A. 55 Polman, A. D. R. 1 4 , 2 5 , 2 6 , 2 7 , 3 0 , 3 1 , 3 2 , 33,50 Polman, P. 1 1 , 1 4 , 1 6 , 1 1 8 , 1 2 7 , 1 3 3 , 1 4 3 Pseudo-Augustin 62,115 Pseudo-Chrysostomus 62 Pseudo-Cyprian 62 Raemond, Fl. de 166 Regensburg 179,180 Reichling, D. 154 Renaudet, A. 56,158 Reuter, H. 34 Reuter, K. 156,162 Reveillaud, M. 127,128 Rihel,W. 7 8 , 1 7 3 , 1 7 5 Ritsehl, D. 28 Rott, J . 166 Rottmanner, O. 26, 30 Ru, G. de 15 Sadolet, J. 6 0 , 1 2 9 , 1 3 8 , 1 4 2 , 1 4 6 f Samuel 149 Saxer, E. 142,145,147 Saul 161 Scheel, O. 30 Scheibe, M. 50 Scheid, S. 11 Schellong, D. 5 9 , 1 2 2 , 1 4 9 Schindler, A. 153,172 Scholl, H. 145,147,148 Schnepf, E. 179 Schulze, L. F. 21 Schulze, M. 153

Seeberg, R. 168 Senant, 0 . 1 5 9 Seneca, L. Α. 5 3 - 5 7 , 6 0 , 7 0 , 1 1 9 , 1 3 4 , 1 4 9 , 166 Servet, M. 68,106 Seth 136,137 Simone, F. 55 Smits, L. 1 7 , 5 3 , 5 4 , 5 8 , 6 2 , 7 7 , 8 3 , 8 7 , 9 3 , 95, 113, 155,156, 165,179,180, 181 Snell,F.W. 15,16 Sperl, A. 140 Spijker, W. van't 6 8 , 1 2 6 , 1 7 2 , 1 7 3 , 1 7 6 Stadtland, T. 156 Staedtke,J. 138 Stauffer, R. 128,154 Stephan, H. 160 Stephanus, R. 155 Straßburg 7 8 , 1 7 3 , 1 7 4 Sturm, J. 78 Sulla 54 Terenz 159 Tertullian 62, 6 7 , 1 0 6 , 1 3 4 , 1 6 7 Thann, E. v.d. 177 Theophylact 167 Thomann, Th. 149 Thomas v. Aquin 14,69,134,141,156, 160,175 Thomas v. Straßburg 161 Tillet, L. du 167 Tissot, D. 146 Todd,W.N. 16,139 Torrance, Τ. F. 156 Trient 93 Urban, W. 156 Valla, L. 55 Vatable, F. 166 Viard, P.E. 164 Viguet, C . - 0 . 1 4 6 Villoslada, R . G . 160 Vives, Jo. L. 54 Walchenbach, R. 58 Wechel, Chr. 55 Wendel, F. 54, 5 5 , 5 6 , 1 3 0 , 1 5 3 , 155,163

Namenregister

Wernle, P. 54 Westphal, J. 1 0 1 , 1 0 2 , 1 0 3 , 1 0 4 , 1 0 5 Wieacker, F. 55 Wilhelm v. Paris 167 Wittenberg 176,177 Witzel, G. 179 Wolf, E. 35

Wolmar, M. 164,165 Worms 179 Zimara, C. 31 Zimmerli, W. 57 Zwingli, U . 1 0 1 , 1 5 3 , 1 6 8 , 1 6 9 , 1 7 2

Forschungen zur Kirchen- und Dogmengeschichte Eine Titelauswahl 47 Wolfram Kinzig · In Search of Asterius Studies on the Authorship of the „Homilies on the Psalms". 1990. 317 Seiten, kart. 46 Die dänische Reformation v o r ihrem internationalen Hintergrund. The Danish Reformation against its International Background. Hrsg. v. Leif Grane. 1990. 288 Seiten, kart. 45 J. Marius J. Lange van Ravenswaay · Augustinus totus noster Das Augustinverständnis bei Johannes Calvin. 1989. 203 Seiten, kart. 44 Konrad Hamman • Ecclesia spiritualis Luthers Kirchenverständnis in den Kontroversen mit Augustin von Alveldt und Ambrosius Catharinus. 1989. 330 Seiten, kart. 43 Elke Axmacher · Praxis Evangeliorum Theologie und Frömmigkeit bei Martin Moller ( 1 5 4 7 - 1 6 0 6 ) . 1989. 370 Seiten, kart. 42 Tom G. A . Hardt Venerabiiis et adorabilis Eucharistia Eine Studie über die lutherische Abendmahlslehre i m 16. Jahrhundert. Hrsg. v. Jürgen Diestelmann. Aus dem Schwedischen v. Susanne Diestelmann. 1988. VIII, 355 Seiten, kart. 41 Wolfgang Sommer Gottesfurcht und Fürstenherrschaft Studien z u m Obrigkeitsverständnis Johann Arndts und lutherischer Hofprediger zur Zeit der altprotestantischen Orthodoxie. 1988. 351 Seiten, kart. 40 Michael Heymel · Das Humane lernen Glaube und Erziehung bei Sören Kierkegaard. 1988. 286 Seiten, kart. 39 Ernst Feil · Antithetik neuzeitlicher Vernunft „Autonomie - H e t e r o n o m i e " und „rational - irrational". 1987. 205 Seiten, kart.

38 R u t h Albrecht · Das Leben der heiligen Makrina auf dem Hintergrund der Thekla-Traditionen Studien zu den Ursprüngen des weiblichen M ö n c h t u m s i m 4. J h . in Kleinasien. 1986. 473 Seiten, geb. 37 Dorothea Wendebourg Reformation und Orthodoxie Der ökumenische Briefwechsel zwischen der Leitung der Württembergischen Kirche und Patriarch Jeremias II. von Kon stantinopel in den Jahren 1573-1581.1986. 425 Seiten, kart. 36 Ernst Feil · Religio Die Geschichte eines neuzeitlichen Grundbegriffs v o m Frühchristentum bis zur Reformation. 1986. 290 Seiten, kart. 35 Samuel Vollenweider Neuplatonische und christliche Theologie bei Synesios v o n K y r e n e 1985. 234 Seiten, kart. 33 Wilhelm-Ludwig Federlin V o m Nutzen des Geistlichen Amtes Ein Beitrag zur Interpretation und Rezeption J o h a n n Gottfried Herders. 1982. 281 Seiten, kart. 32 Jan Badewien · Geschichtstheologie und Sozialkritik im W e r k Salvians v o n Marseille 1980. 211 Seiten, kart. 31 Rudolf Lorenz · A r i u s judaizans? Untersuchungen zur dogmengeschichtlichen Einordnung des Arius. 1979. 227 Seiten, kart. 30 Henning Graf Reventlow Bibelautorität und Geist der Moderne Die Bedeutung des Bibelverständnisses für die geistesgeschichtliche und politische E n t w i c k l u n g in England von der Reformation bis zur A u f k l ä r u n g . 1980. 716 Seiten, geb.

Vandenhoeck & Ruprecht · Göttingen und Zürich