Auf den Hund gekommen – Tiere in und bei Krisen, Leid und Trauer: Leidfaden 2021, Heft 4 [1 ed.] 9783666407703, 9783525407745, 9783525407677, 9783525459164, 9783525407707


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Auf den Hund gekommen – Tiere in und bei Krisen, Leid und Trauer: Leidfaden 2021, Heft 4 [1 ed.]
 9783666407703, 9783525407745, 9783525407677, 9783525459164, 9783525407707

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10. Jahrgang  4 | 2021 | ISSN 2192-1202

faden Leid

FA C H M A G A Z I N F Ü R K R I S E N , L E I D , T R A U E R

AUF DEN

HUNDGEKOMMEN

TIERE IN UND BEI KRISEN, LEID UND TRAUER

Eva Dempewolf Es war eben nicht »nur ein Hund«  Peggy Steinhauser Beziehungen

fürs Leben? Von der Trauer um ein geliebtes Tier  Tyler Carmack Palliativversorgung für Tiere  Heike Baranzke Haben Tiere (auch) eine Seele?  Sigrun Müller Begleitung mit Greifvögeln – keine Kuscheltherapie

Edition Leidfaden – Basisqualifikation Trauerbegleitung

Antje Randow-Ruddies

Marion Schenk

Heidi Müller

Verlust der alten Eltern Begleitung von Trauerprozessen bei Erwachsenen

Empathie und Mitgefühl in Trauerbegleitung und Beratung Nutzen, psychosoziale Risiken und Training

Trauerforschung: Basis für praktisches Handeln

2021. 128 Seiten mit 5 Abb., kartoniert € 17,00 D | € 18,00 A ISBN 978-3-525-40774-5 E-Book | E-Pub € 13,99 D | € 14,40 A

Die Trauer über den Verlust der alten Eltern ist zugleich die Trauer über den endgültigen Verlust der eigenen Kindheit. Diese vollständige »Verwaisung« zu realisieren und zu integrieren braucht Zeit und Raum, den eine Trauerbegleitung geben kann.

2021. 135 Seiten mit 10 Abb., kartoniert € 17,00 D | € 18,00 A ISBN 978-3-525-40767-7 E-Book | E-Pub € 13,99 D | € 14,40 A

Trauerbegleitung und Beratung sind ohne Empathie und Mitgefühl undenkbar. Dennoch treffen Fachpersonen und ehrenamtlich Tätige immer wieder Situationen an, in denen Mitgefühl fehlt oder Empathie Mitleid auslöst.

2021. 126 Seiten mit 1 Abb. und 2 Tab., kartoniert € 17,00 D | € 18,00 A ISBN 978-3-525-45916-4 E-Book | E-Pub € 13,99 D | € 14,40 A

Trauerbegleiter:innen und Trauerberater:innen erhalten in diesem Band einen Überblick über zentrale Themen der Trauerforschung und damit eine gesicherte wissenschaftliche Grundlage für ihre Arbeit mit trauernden Menschen.

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EDITORIAL

Auf den Hund gekommen ist eine Redensart mit der Bedeutung, dass jemand in schlimme (äußere oder gesundheitliche) Umstände geraten ist. Möglicherweise kommt der Begriff daher, dass wohlhabende Bauern mit einem Pferdegespann zum Markt fuhren, während ärmere Kleinbauern auf das Hundegespann zurückgreifen mussten. Wer seinen Marktwagen vom Hofhund ziehen zu lassen hatte, der war im wahrsten Sinne des Wortes auf den Hund gekommen. Heute bedeutet es, dass es jemandem gar nicht gut geht. Zum Beispiel ist seine Gesundheit ruiniert oder er hat sein ganzes Hab und Gut verloren. Der Spruch wird heutzutage jedoch auch verwendet, wenn sich jemand einen Hund als Haustier anschafft. In diesem Fall ist die Redewendung einfach wortwörtlich zu verstehen. Beide Hintergründe sind in diesem Leidfaden-Heft bedacht. Es geht um die Begleitung von trauernden oder kranken Menschen, die sich allein gelassen und elend fühlen, nach einem Verlust, als Folge eines Traumas oder ähnlich Einschneidendem im Leben. Dass gerade auch Tiere – Hunde, Katzen, Pferde, Delfine und sogar Wildvögel – eine ausgesprochene Begleitkompetenz haben, wird in einigen Artikeln dargestellt und erklärt. Dieses

Können wirkt sich nicht nur in Therapien aus, sondern auch bei der Assistenz von Tieren als Gehilfen. Tiere bewahren zum Beispiel vor Gefahren. Das betrifft viele Zielgruppen: Menschen mit körperlichen oder geistigen Handicaps; Patientinnen und Patienten mit Gefahr eines Schlaganfalls oder diabetischen Komas; Personen mit einer ­Autismus-Spektrum-Störung … Auch Forschungsergebnisse zur tiergestützten Therapie werden vorgestellt. Auch Tiere kennen das Phänomen Schmerz, den Zustand von Trauer. Man weiß zum Beispiel von Elefanten und Schimpansen, wie tief sie Verluste erleben und zeigen. Nicht zuletzt wirft das Heft einen Blick auf die Trauer um Tiere. Menschliche Reaktionen nach dem Einschläfern eines Haustiers, Tierfried­höfe, ein eigener Tierbestattungsverband sprechen eine beredte Sprache.

Monika Müller

Lukas Radbruch

Inhalt Editorial 1

Auf den Hund gekommen



4 Eva Dempewolf

Es war eben nicht »nur ein Hund« – Die einfühlsamprofessionelle Begleitung von Menschen, die um ein Tier trauern

TRAUER UM TIERE

8 Nina Effer | Wie trauern Menschen um Tiere

8 Nina Effer

Wie trauern Menschen um Tiere – Erfahrungen aus der Tierarztpraxis



13 Peggy Steinhauser

Beziehungen fürs Leben? Von der Trauer um ein geliebtes Tier



16 Margit Schröer und Susanne Hirsmüller

Wenn Paul und Nepomuk über die Regenbogen­ brücke gehen – wo Hund und Katz begraben sind. Über Todesanzeigen für Tiere und Tierfriedhöfe



20 Ulrike Neurath

Unzertrennlich bis in den Tod – das Kultur­phänomen der (Mensch-)Tier-Bestattungen

ÜBER TIERE 25 Martin Rütter | Können Hunde depressiv sein?

25 Martin Rütter

Können Hunde depressiv sein?

26 Frans de Waal

Mamas letzte Umarmung – Abschied von einer Matriarchin

39 Heike Baranzke | Haben Tiere (auch) eine Seele?



47  Birgit Heintz | Der brave und der kluge Hans

31 Tyler Carmack, Tammy Wynn, Coleen Ellis Palliativversorgung für Tiere



35 Claudia Paganini

»Multispecies Mourning« – Die Trauer um ­nichtmenschliche Tiere



39 Heike Baranzke

Haben Tiere (auch) eine Seele? – Wonach wir ­fragen (können), wenn wir diese Frage stellen



43 Luca Barrett

Eine Nase gegen Covid-19

TIER IN DER BEGLEITUNG

47 Birgit Heintz

Der brave und der kluge Hans – Ein Beitrag zur pferdegestützten Psychotherapie



53 Jen Barnes

Tiergestützte Therapie im Hospiz



56 Sigrun Müller



82 Verbandsnachrichten



89 Vorschau Heft 1 | 2022



90 Impressum

Begleitung mit Greifvögeln – keine Kuschel­ therapie



59 Christine Graef und Andrea Beetz

Helfer auf vier Pfoten – Wie Diensthunde ­einsatzgeschädigten Soldaten in der Trauma­ therapie helfen



64 Theres Germann-Tillmann und Bernadette Roos Steiger

Tiere unterstützen Trauerprozesse im ­Freiheitsentzug

69 Luca Barrett

Der Partner mit der kalten Schnauze



72 Aus der Forschung: Was kann die tiergestützte Therapie?



77 Fortbildung: Trauer um Tiere



79 Rezensionen

69  Luca Barrett | Der Partner mit der kalten Schnauze

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Es war eben nicht »nur ein Hund« Die einfühlsam-professionelle Begleitung von Menschen, die um ein Tier trauern

Eva Dempewolf »Ich mag schon gar nicht mehr darüber sprechen – selbst wenn mich jemand fragt, wa­ rum ich so bedrückt wirke, bin ich inzwischen vorsichtig geworden. Sage ich nämlich, dass mein so sehr geliebter Hund gestorben ist und dass ich ihn so sehr vermisse, kommen in aller Regel Bemerkungen wie: ›Dann hol dir doch einen neuen aus dem Tierheim‹ oder ›Ja, ich weiß, wie das ist, vor ein paar Jahren mussten wir unseren auch einschläfern lassen‹ – mit anschließendem Themenwechsel. Ich kann gar nicht sagen, welche Reaktion für mich schlimmer ist. Hilfreich oder tröstlich ist jedenfalls keine.« Caroline S. (Name geändert) fängt an zu weinen. »Warum versteht mich niemand? Warum will niemand meinen Schmerz sehen?« Seit über zehn Jahren begleite ich in meiner Praxis Menschen, die ein Tier verloren haben und über diesen Verlust nicht allein hinwegkommen. Vielfach leiden sie nicht nur unter dem eigentlichen Verlust, sie leiden auch – und nicht selten besonders – darunter, dass sie kein Verständnis für ihre Trauer finden, die weithin als übertrieben beziehungsweise unangemessen angesehen wird. Doch ein Hund – oder jedes geliebte Tier – ist eben nicht »nur ein Hund«. Er war ein Familienmitglied, vielleicht die engste, bisweilen gar einzige Bezugsperson. Er war vielleicht das Liebste, was der Mensch, der mir gegenübersitzt, hatte. Allzu oft bekommen Betroffene von ihrer Umwelt jedoch die Rückmeldung, sie hätten kein Recht, so zu trauern, weil es ja »schließlich nur ein Tier«

war. In der Folge fühlen sie sich zusätzlich zu allem anderen auch noch isoliert. Außenstehende können oft nicht nachvollziehen, dass der Verlust eines vierbeinigen Lebensgefährten so tief gehen kann, dass es einen völlig aus der Bahn wirft, dass man sein ganzes Leben in Frage stellt, dass alles freud- und sogar sinnlos erscheint.

Jede Trauer braucht Zeit und Raum – und Würdigung Trauer wird schwierig, wenn der Hinterbliebene den Eindruck hat, kein Anrecht auf seine Trauer zu haben. Unsere Leistungsgesellschaft hat ohnehin wenig Platz für Trauernde, und wenn dann auch noch »nur ein Tier« der Anlass ist … Um sich lösen zu können, braucht Trauer Zeit und Raum – und Würdigung. Und zu der Tatsache, sich in seinem Schmerz nicht gesehen fühlen, seine Verzweiflung nicht zeigen zu dürfen, kommt in unserem Fall häufig die Angst, nicht »normal« zu sein, weil einen der Tod eines Tieres so mitnimmt. Dabei ist es völlig normal, dass nach einem schweren Verlust alles ver-rückt scheint. Das gehört dazu und ist auch wissenschaftlichen Studien zufolge Teil des Verarbeitungsprozesses. Schließlich geht es um den Verlust einer Beziehung, zu wem auch immer, und es spielt keine Rolle, ob der Verstorbene groß oder klein war, vier samtige, krallenbewehrte Pfoten, kräftige Hufe, ein glänzendes Gefieder oder mög-

Franz Marc, Liegender Hund im Schnee, 1910/11 / AKG-IMAGES

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licherweise eine Reptilienhaut oder Flossen hatte. Hilfreiche Trauerbegleitung betrachtet den Schmerz um einen Verlust unabhängig von den äußeren Faktoren. Leid wird immer subjektiv empfunden. Es gibt keinen objektiven Maßstab für den Schmerz, die Verzweiflung und den Kummer, den ein Verlust auslöst. Und niemand sollte sich anmaßen darüber zu urteilen, wer wie sehr um wen trauern darf.

Wie hilfreiche Begleitung konkret aussehen kann Wenn ich Klienten frage, was sie denn bräuchten, fallen häufig die Worte »Verständnis« und »Empathie«. In meiner Praxis arbeite ich vorran-

gig nach dem hypnosystemischen Ansatz auf Basis der Personzentrierten Therapie, kombiniert mit Elementen der Ego-State-Therapie. Als hilfreich erlebt werden insbesondere die folgenden Aspekte: Wertschätzender Umgang mit Gefühlen Was unangenehme Gefühle anbelangt, kann schon allein der Hinweis entlasten, dass man nie als ganze Person ein Gefühl ist. Also nicht: »Ich bin traurig/verzweifelt/fühle mich schuldig …«, sondern: »Ein Teil von mir ist traurig/fühlt sich schuldig …« Das schafft eine gewisse Distanz und macht wieder handlungsfähiger, weil man sich dann der Trauer, der Schuld (oder jedem anderen Gefühl) nicht mehr so hilflos ausgeliefert fühlt. Gleichzeitig hat jedes Gefühl seine Berechtigung. Und Veränderung wird möglich, wenn

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man anfängt, sich ihm zuzuwenden, es würdigt und akzeptiert. Häufig berichten Klienten auch von Ambivalenzgefühlen. Zögerlich stellen sie Fragen wie: »Darf ich denn wieder Momente der Freude empfinden, obwohl mein geliebter Gefährte tot ist?« »Darf ich denn einem anderen Tier meine Liebe schenken? Begehe ich damit nicht einen Verrat an dem Verstorbenen?« Eine Klientin fand hier das schöne Bild, dass ihr Herz groß genug ist, um mehrere Geschöpfe zu lieben. Was die Trauer um ein Tier nicht selten zusätzlich erschwert, ist die Tatsache, dass der Hinterbliebene seinen Weggefährten einschläfern lassen musste oder sich selbst massive Mitschuld am Tod des geliebten Wesens gibt – weil er vielleicht ein paar Sekunden unaufmerksam war, die Leinenpflicht nicht so ernst genommen hat oder nicht rechtzeitig genug den Tierarzt aufgesucht (oder gefühlt den falschen gewählt) hat. Ebenso wie mit allen Emotionen gilt es, auch mit solchen Schuldgefühlen achtsam und wertschätzend umzugehen. Auch sie wollen gewürdigt sein, ernst genommen werden – Beschwichtigen oder »Wegtrösten« hat gewöhnlich eher den gegenteiligen Effekt. Hinweis auf die Bedeutung von Ritualen Rituale sind feste und wichtige Bestandteile unseres Lebens. Gerade in Verlustsituationen sind sie ein bedeutsamer, bisweilen sogar der letzte Anker, der uns noch Halt gibt. Rituale markieren das Ende einer Zeit und den Beginn einer neuen. Sie verleihen dem inneren Empfinden einen sichtbaren Ausdruck und sind auch deshalb so hilfreich, weil sie das eigene Tun gegen das Gefühl der Ohnmacht setzen. Gemeinschaftliche Rituale können Trauernden zeigen, dass der Verstorbene auch für andere Menschen bedeutsam war. In meiner Praxis überlege ich mit meinen Klienten gemeinsam, welche Rituale für sie hilfreich sein könnten und in ihrem konkreten Fall auch machbar sind.

Zwischen Orten der Trauer und Orten der Lebendigkeit trennen Trauer ist anstrengend, sie ist mehr als ein Gefühl, sie erfasst den Menschen total und braucht Raum und Zeit. Trauer auf bestimmte Räume und Zeiten zu begrenzen, kann einen wichtigen Schritt zu einer erfolgreichen Verlustbewältigung darstellen. Die meisten Menschen, die einen schweren Verlust erlitten haben, meinen, von Trauer regelrecht überflutet zu werden. In diesem Stadium geht es schlicht darum, in der Flut schmerzhafter Gefühle nicht zu ertrinken. Allmählich bilden sich Inseln. Anfangs gilt es, Inseln der Trauerfreiheit zu finden. Ablenkung und körperliche Aktivität sind hier die bewährtesten Methoden. Etwas später im Prozess können dann Inseln der Trauer (ein festgelegter Ort und/oder ein bestimmtes Zeitfenster) die übrige Zeit aushaltbarer machen. Bleibende Erinnerungsstücke schaffen Vielen Menschen vermittelt ein Trauer- oder Erinnerungsbuch Trost und Erleichterung. Dies kann ein sorgsam ausgesuchtes, schönes Büchlein sein, in dem kostbare Erinnerungen notiert und mit Fotos oder Zeichnungen illustriert werden. Manche Klienten verfassen Gedichte, andere fertigen eine Fotocollage. Einige finden es auch hilfreich, eine Gedenkseite im Internet anzulegen. In Fällen, in denen jemand etwas ­Greifbares von dem verstorbenen Tier behalten möchte, was über Tagebuch und Fotos sowie ein Grab oder eine Urne hinausgeht (eine Klientin hat etwa eine sehr schöne Gartenkugel gewählt, die nun am Lieblingsplatz des verstorbenen Hundes im Garten liegt), fällt die Entscheidung häufig für ein Medaillon mit einigen Haaren, einen aus der Krematoriums-Asche gepressten Diamanten oder für einen dreidimensionalen Pfoten- oder Nasen­ abdruck, beispielsweise als Briefbeschwerer. Um die erste intensive Trauerzeit zu überwinden, kann auch ein kleiner Altar errichtet werden mit Fotos, einer Kerze etc.

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Trauer ist immer individuell Wichtig ist mir zu betonen, dass es bei der Trauerbewältigung kein »richtig« und kein »falsch« gibt. Jede Trauer ist ganz individuell, jeder Mensch trauert anders – und als Hypnotherapeutin vertraue ich darauf, dass jeder im Grunde weiß, was ihm im derzeitigen Moment guttut. Wir als Trauerbegleiter, Berater und Therapeuten können immer nur unterstützen. Jeder Betroffene muss seinen eigenen Weg durch die Trauer finden und gehen. Einfühlsam-professionelle Trauerbegleitung kann diesen Weg nicht abkürzen, aber sie kann ihn erträglicher machen. So können wir Anstöße geben, den Verlauf der Trauer aus einer größeren Distanz zu sehen, und dem Trauernden zugleich aufzeigen, dass der Schmerz nicht so statisch ist, wie er von dem Betroffenen wahrgenommen wird. Für gewisse Situationen können wir Angebote machen, sollten aber keine Ratschläge geben (Ratschläge sind auch »Schläge«). Und wenn das Angebot abgelehnt wird, gilt es, das zu akzeptieren. Vielleicht ist momentan noch nicht die richtige Zeit dafür. Begleitung bedeutet, auch Wege mitzugehen, die man selbst in einem vergleichbaren Fall nicht gehen würde. Und ganz zentral: Viele Betroffene wünschen sich nichts weiter als ehrliches Mitempfinden – das scheinbar banale (und vermeintlich einfache) Mit-Aushalten ist oft die größte Unterstützung überhaupt. Warnen möchte ich davor, Trost an der falschen Stelle zu suchen. Wer beispielsweise eine Trauergruppe aufsucht, in der Menschen um verstorbene (menschliche) Angehörige trauern, sollte dort kein Verständnis erwarten. Um sich Enttäuschung und zusätzlichen Kummer zu ersparen, rate ich meinen Klienten immer, über ihre Gefühle ausschließlich mit gleichgesinnten oder ähnlich denkenden Menschen sprechen, von denen sie glauben, dass sie ihr Leid zumindest ansatzweise nachvollziehen können.

Akzeptanz und Integration – und ein bisschen Wehmut darf bleiben Ziel jeder Trauerbegleitung ist aus meiner Sicht die Förderung von Akzeptanz und Integration. Dass Betroffene akzeptieren lernen, dass das verstorbene Tier in der Realität nicht mehr da ist, gleichzeitig aber das, was es ihnen bedeutet, was es ihnen geschenkt hat, gut in das eigene weitere Leben integrieren. Gelegentliche Momente der Sehnsucht und der leisen Wehmut bleiben sicherlich. Und das ist auch gut so. Gleichwohl überwiegt Dankbarkeit: Dankbarkeit dafür, dass der vierbeinige Gefährte ein Stück des eigenen Lebenswegs begleitet hat, Dankbarkeit dafür, dass er das Leben bereichert hat und dass er dem Hinterbliebenen etwas geschenkt und hinterlassen hat, was auch sein weiteres Leben bereichert. Einfühlsam-professionelle therapeutische Begleitung kann wesentlich dazu beitragen, die Rückkehr in ein erfülltes, glückendes und als sinnhaft empfundenes Leben gelingen zu lassen. Dr. phil. Eva Dempewolf ist Fachbuchautorin und führt eine Praxis für Coaching, Psychotherapie und Supervision in der Nähe von München (Schwerpunkte Trauer- und Krisenbegleitung, Führungskräftecoaching, Personal- und Persönlichkeitsentwicklung). Das Thema Trauer um Tiere liegt ihr besonders am Herzen. Kontakt: [email protected] Website: www.mehr-kompetenzen.de Literatur Dempewolf, E. (2015). Abschied nehmen. Trauer um ein geliebtes Tier. Ein Begleit- und Praxisbuch. Berlin.

Viele wertvolle Hinweise finden sich auch in der allgemeinen Fachliteratur zur Trauerund Traumatherapie, etwa von Luise Redde­ mann, Monika Müller und Roland Kachler.

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Wie trauern Menschen um Tiere – Erfahrungen aus der Tierarztpraxis Nina Effer Der Abschied in der Praxis – Drama, Sprachlosigkeit, Tränen und Lachen Einer der häufigsten Sätze, die in Zusammenhang mit der Euthanasie fallen, ist: »Das haben uns die Tiere voraus.« Genauso häufig kommen jedoch auch Fragen wie: »Das war doch richtig?« »War es der richtige Zeitpunkt?« Dies zeigt deutlich die Misere, in der sich der Tierbesitzer und auch die Tierärztin befinden, die gemeinsam eine Entscheidung über Leben und Tod treffen müssen. Zum einen ist da die oft als gnädig empfundene Möglichkeit, Schmerzen und Elend beenden zu können, zum anderen verantwortet der Mensch diesen Tod ganz allein. In den zwanzig Jahren meiner tierärztlichen Tätigkeit habe ich viele Formen der Trauer bei Tierbesitzern und Tierbesitzerinnen gesehen – wie die Sprachlosigkeit eines Landwirts, der stumm das Halsband seines grade euthanasierten Hofhundes in den Händen dreht, sich seiner Tränen etwas schämt und ein »Danke, Frau Doktor!« murmelt, während die Finger das Fell seines Hundes kraulen. Auch weinende Kinder, kichernde Jugendliche, abwesend wirkende, außer sich geratende oder vorwurfsvolle Erwachsene, liebevolle oder überforderte Eltern, Kinder, die schon nach einem neuen Tier fragen, obwohl das alte noch im Sterben liegt, und Eltern, die ein neues Tier als Trost in Aussicht stellen, obwohl das Kind noch ganz beim Sterben seines Tieres ist. Ebenso musste ich lernen, verstörende Formen der Traueräußerung seitens der Tierbesitzer auszuhalten und zu tolerieren. Als sich zum

ersten Mal ein erwachsener Mensch vor mir auf den Boden über seinen toten Hund warf und völlig außer sich seine Trauer herausbrüllte, war ich kaum in der Lage, adäquat zu reagieren. Für mich war ein derartiger Kontrollverlust so surreal, dass ich völlig konsterniert war. Schwer habe ich mich auch mit vordergründiger Gleichgültigkeit getan. Wenn der Besitzer einem das Tier in die Hand drückt und sagt: »Ich kann das nicht. Ich muss rausgehen. Schicken Sie mir die Rechnung zu.« Heute weiß ich, dass manche Menschen einfach Angst haben vor dem, was da auf sie zukommt. Vor dem Abschied, ihren eigenen Gefühlen, der Verantwortung und dem Unbekannten, und ich erkenne in all diesen Ausdrucksformen die Trauer, die Fassungslosigkeit und auch die Überforderung mit der Situation. Für den Tierbesitzer bedeutet der Tod seines Tieres in den meisten Fällen eine bewusste Entscheidung zur Euthanasie und damit eine als belastend empfundene Verantwortung. Im günstigsten Fall wird diese Entscheidung durch den Tierarzt gut begleitet und damit für alle tragbar gemacht. Wenn diese Begleitung nicht stattfindet, weil das Tier zum Beispiel nicht tierärztlich betreut wurde und erst in einem erbärmlichen Zustand zur Euthanasie in die Praxis gebracht wird, oder wenn die Tierärztin das Gespräch über den finalen Zustand des Tieres scheut und den Besitzer darüber im Unklaren lässt, so kann dies zu Ad-hoc-Entscheidungen und schweren Konfliktsituationen führen mit dem Gefühl von Schuld, Überrumpelung oder Hilflosigkeit. Diese Gefühle stehen aber einer guten Trauermöglichkeit zuwider.

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Wenn im Idealfall alle Beteiligten von der Sinnhaftigkeit der Euthanasie überzeugt sind, sollte dem Patientenbesitzer die auf ihn zukommende Situation so transparent wie möglich gemacht werden. Ich kläre dabei im Vorfeld und auch während der Euthanasie über die einzelnen Schritte, deren Reihenfolge und Auswirkungen auf. Der Besitzer sollte die Möglichkeit haben, alles zu hinterfragen. Er kann sich auch zu jedem Zeitpunkt frei entscheiden, ob und wie lange er bei dem Vorgang dabei sein möchte. Die Aufgabe des Tierarztes ist es, Ruhe und Übersicht zu bewahren und den Fokus auf eine sichere, zügige, angst- und schmerzfreie Eutha-

nasie des Tieres zu richten, ohne den Tierbesitzer auszugrenzen. Dieser sollte zu jedem Zeitpunkt wissen, in welchem Zustand (sediert, narkotisiert, tot) sein Tier ist. Diese einzelnen Etappen zu kommentieren hat den Vorteil, dass der Besitzer zu jeder Zeit entscheiden kann, ob er bei der eigentlichen Tötung dabei sein möchte oder nicht, und dass er weiß, ob er sein noch lebendes Tier verabschiedet und streichelt oder das schon verstorbene. Dies bedeutet einen großen Unterschied in der Form des Abschiednehmens und wird auf sehr unterschiedliche Arten erlebt und ausgedrückt. Auch wenn es banal erscheinen mag: Gerade die Frage, ob das Tier definitiv tot ist, ist für den Besitzer oder die Besitzerin sehr wichtig. Das sollte exakt angezeigt und klar benannt wer-

Nina Effer

Tansparent begleiten und moderieren

Auf den Hund gekommen

Kryazheva Alena / Shutterstock.com

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den, ohne verwirrende Floskeln wie »Jetzt ist er eingeschlafen«. Ich hatte einmal einen Grundschüler in der Praxis, der, nachdem seine Mutter die Moderation der Euthanasie übernommen hatte und sagte, der Familienhund sei jetzt eingeschlafen, verzweifelt am toten Hund rüttelte und ihm immer wieder ins Ohr schrie: »Wach auf! Du darfst nicht schlafen! Wach doch bitte auf!« Ein anderes Kind, so erzählte mir dessen Mutter, möchte gar nicht mehr schlafen, weil es Angst hat, auch nie wieder aufzuwachen, genauso wie sein Haustier. Das kann dazu führen, dass die Situation im Nachhinein als traumatisch empfunden wird und die Tierbesitzerin oder der Tierbesitzer von Hilflosigkeit, Angst oder Wut übermannt wird. Oft berichten Tierbesitzer nach einer gut betreuten Euthanasie, wenn die Spannung abfällt, von diesen emotionalen Erlebnissen aus ihrer Vergangenheit, die zum Teil verstörend gewesen waren. Meist waren das schlecht moderierte, ruppige oder fachlich mangelhaft durchgeführ-

Als spätes Trauma kann sich auch auswirken, wenn Eltern bewusst ihr Kind übergehen und das Tier zur Euthanasie bringen, während es zum Beispiel in der Schule ist.

te Euthanasien, die zu starken Abwehrreaktionen, Lautäußerungen oder Krämpfen des Tieres geführt haben. Als spätes Trauma kann sich auch auswirken, wenn Eltern bewusst ihr Kind übergehen und das Tier zur Euthanasie bringen, während das Kind zum Beispiel in der Schule ist. Sie möchten es vor der schlimmen Situation schützen, aber das Kind fühlt sich unter Umständen um den Abschied betrogen und hintergangen. Auf der anderen Seite sollte kein Kind genötigt werden, bei der Tötung seines Tieres dabei zu sein, aber ein Abschiednehmen immer möglich gemacht werden. Dies kann vor oder nach der Euthanasie geschehen. Besonders ungünstig ist es, wenn der Tod als solcher »verheimlicht« werden soll. In manchen Fällen lügen Eltern ihre Kinder auch plump an, besonders wenn aus Kostengründen Therapieversuche abgelehnt werden oder die Eltern nicht die Verantwortung für die Entscheidung zur Euthanasie übernehmen wollen. Auch wenn die bewusste Entscheidung zur Euthanasie des geliebten Haustieres immer Potenzial für Konflikte zwischen Eltern und Kindern hat, die Wahrheit über die Situation des

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Tieres und die Gründe, die für eine Euthanasie sprechen, kann man in aller Regel auch Kindern sehr gut und nachvollziehbar erklären. Sie würden die Unaufrichtigkeit der Erwachsenen ohnehin spüren. Raum für die Trauer Wenn die Euthanasie beendet ist, entsteht Raum für die Trauer um das verstorbene Haustier. Der Besitzer kann das tote Tier mit nach Hause nehmen oder es wird zu Hause euthanasiert. Die Familie kann dort zusammenkommen und sich gegenseitig Halt geben. Das verstorbene Tier kann zum Beispiel noch in seinem Körbchen liegen, alle Familienmitglieder können sich verabschieden. Die eintretenden Veränderungen des Körpers machen den Tod besser begreifbar. In vielen Fällen kann das Tier auf eigenem Grund bestattet werden, sodass auch Kinder in die Zeremonie eingebunden werden können und ein Ort des Gedenkens entsteht. Oder es wird von einem Tierkrematorium abgeholt und die Asche je nach Wunsch ausgestreut oder in einer individuellen Urne zurückgegeben. Sollte der Tierbesitzer oder die Tierbesitzerin dies alles nicht wünschen, kann das Tier auch in der Praxis verbleiben und der Tierkörperbeseitigung zugeführt werden. Unterschiede in der Trauer Die Trauer eines Tierbesitzers unterscheidet sich meiner Erfahrung nach in manchen Punkten von der Trauer um menschliche Angehörige. Es fällt mir immer wieder auf, wie spontan und ungehemmt diese Trauer gezeigt wird. Das mag an der Beziehung des Menschen zum Tier liegen, die in den allermeisten Fällen als emotional positiv und unbelastet erlebt wird. Hier gibt es keine Binnenkonflikte wie eine belastete Eltern-KindBeziehung oder eine problematische Paarbeziehung. Es stehen der Trauer weder eine verpasste Aufarbeitung dieser Konflikte im Weg noch unausgesprochene Gefühle.

Ob der Tierbesitzer eine eher rationale oder emotionale Beziehung zum Tier hat, korreliert nicht mit der eigentlichen Aufgabe des Tieres, das heißt, die emotionale oder rationale Ausrichtung auf das Tier hat nichts damit zu tun, ob es sich dabei um ein Nutztier (Landwirtschaft) oder Heimtier handelt. Auch spielen die Größe und der monetäre Wert des Tieres keine Rolle. Zu Anfang meiner Selbstständigkeit haben wir zum Beispiel trotz intensiver Bemühung den Kampf um das Leben eines Leopardgeckos verloren. Diese kleine Echse wurde von dem Besitzerpaar so massiv betrauert, dass eine Einzelkremierung mit Urne gewünscht wurde. Dies mag vielleicht rein technisch schon etwas seltsam anmuten, sollte aber auf keinen Fall belächelt werden. Immer wieder erlebe ich Rechtfertigungen des Tierbesitzers in Bezug auf seine tiefe Ergriffenheit beim Tod eines kleinen Heimtieres (Hamster, kleines Reptil, Meerschweinchen, Kaninchen). »Entschuldigen Sie, dass ich so weine. Ich weiß, es ist ja nur ein Hamster, aber man hängt ja doch daran!« Ich antworte dann in der Regel: »Natürlich sind Sie traurig. Das war doch ein Familienmitglied!« Damit kann der Tierbesitzer zu seinen Gefühlen stehen und sie zumindest im geschützten Raum der Tierarztpraxis offen zeigen. Wenn das Haustier stirbt, werden oft Bilder des lebenden oder toten Tieres in den sozialen Netzwerken gepostet, häufig in Kombination mit einem Regenbogen als Hinweis auf die Regen­ bogenbrücke, die ein zentrales Symbol für die Trauer bei Tierbesitzern ist. Als Synonym für die Euthanasie stehen oft Sätze wie »Ich musste gestern meinen Seelenhund gehen lassen« oder »Heute ist mein Herzenspony über die Regen­ bogenbrücke gegangen« oder auch »Morgen geht unser Baby über die Regenbogenbrücke«. Kommentiert werden solche Sätze dann wiederum mit: »Run free, kleiner Ponymann!«, »Ich wünsche Dir viel Kraft in dieser schweren Zeit!«, »Mein Beileid!« oder Ähnlichem.

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Außerdem gibt es eine Fülle an emotionalen Symbolbildern und Sprüchen, die als Antwort auf einen solchen Trauerpost zurückgepostet werden können. Diese sind meist sehr ergreifend und transportieren den offenen Austausch von Emotionen. Der Tierbesitzer findet also in der Regel spontanes Mitgefühl, Verständnis und Akzeptanz bei anderen Tierhaltern. Der Austausch über den Verlust und die damit verbundene Trauer ist nicht tabuisiert. In der Regel wird auch die Trauerdauer nicht kritisiert. Äußerungen wie »Ich habe mir sofort wieder einen neuen Welpen geholt, das Haus war so leer ohne Hund« finden genauso wertfrei Zustimmung wie »Ich habe Jahre gebraucht, bis ich wieder einen Hund um mich haben konnte!« Selbst zuweilen ungewöhnlich erscheinende Formen der Trauer werden von anderen Tierhaltern toleriert. So findet der Wunsch nach Kremierung und aufwendig gestalteten Urnen, Gedenkstätten oder Schmuckstücken mit Haaren oder Asche des Tieres durchaus Verständnis. Dies zeigt sich auch darin, dass es einen wachsenden Markt dafür gibt. Zunehmend gibt es auch Tätowierungen von Pfoten- oder Hufabdrücken, Porträts, EKGs oder auch Namenszügen der verstorbenen Tiere. Emotionen der beruflich Beteiligten Auch wir, die aus beruflichen Gründen den Sterbeprozess des Haustieres begleiten, sind emotional betroffen. Tierärztinnen und Tierärzte verbringen einen Teil ihrer Tätigkeit damit, Leben zu beenden und Familien davon zu überzeugen, dass sie damit die richtige Entscheidung treffen. Für uns Tierärzte bedeutet eine Euthanasie, dass wir einen Patienten töten müssen, den wir unter Umständen ein Leben lang begleitet haben. Eine Kollegin sagte einmal: »Das erste Mal hatte ich ihn auf meiner Hand, als er einen Tag alt war, und heute Abend wird er durch diese Hand sterben …« Es prägt, wenn wir ein Tier, das uns anvertraut ist, tötet und die ärztliche Tätigkeit mit der

Feststellung des selbst herbeigeführten Todes endet. Man lernt, sich von der Heftigkeit der Trauer des Tierbesitzers nicht mitreißen zu lassen, handlungsfähig zu bleiben und dem Patientenbesitzer eine Stütze zu sein. Wir ringen mit Gefühlen wie Hilflosigkeit, weil wir nicht heilen konnten, oder mit Wut, weil das Tier durchaus eine Chance gehabt hätte, wenn es nicht zu lange ohne medizinische Betreuung hätte leiden müssen. Belastend ist auch das Gefühl, an der Haustür zu stehen und zu wissen, dass man den Tod in die Familie bringt und die Dankbarkeit der Tierbesitzer für diesen letzten Dienst aushalten muss. Wenn die Besitzerin oder der Besitzer abwesend ist, stirbt das Tier in den Armen des Praxispersonals, das sich alle Mühe gibt, Halt, Trost und Zuwendung dem sterbenden Patienten zukommen zu lassen. Man erinnert sich an ihn als Welpen, hat seine Flegeljahre mitbekommen und ihn langsam grau werden sehen. Am Ende ist unser Gesicht das letzte, was er auf dieser Welt sieht, während wir ihm die Injektion geben. Manchmal trifft es einen besonders schwer. Dann möchte man einfach nur weinen, anstatt ins nächste Behandlungszimmer zu gehen, um ein Tier zu impfen. Dass der Mensch seiner Trauer um ein verstorbenes Haustier Ausdruck verleiht, ist nicht neu. Als 1752 die Lieblingshündin des preußischen Königs Friedrich II. starb, schrieb dieser: »Ich war beschämt, dass der Tod eines Hundes mir so nahe geht«. Die Hündin wurde in einem Sarg als erste von elf Windhunden auf der Terrasse von Schloss Sanssouci unter einer Grabplatte mit ihrem Namen beerdigt. Dr. med. vet. Nina Effer studierte im Grundstudium Humanmedizin an der Universität Bonn und wechselte dann zum Tiermedizinstudium an die Universität Gießen, wo sie im Anschluss zum Thema Kernspintomografie bei Landschildkröten promoviert wurde. Sie arbeitet in eigener Kleintierpraxis mit dem Schwerpunkt Reptilien in Troisdorf. Kontakt: [email protected]

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Beziehungen fürs Leben? Von der Trauer um ein geliebtes Tier Peggy Steinhauser Als ich Anfang 2021 von Teilnehmer*innen der »großen Basisqualifikation« ein Referat zum Thema »Trauer um ein Tier« hörte, war ich bewegt von der beschriebenen Intensität an Verlustschmerz, die der Tod eines geliebten Tieres bei einzelnen Teilnehmer*innen ausgelöst hatte. Auch andere Teilnehmer*innen der Gruppe, die selbst keine Haustiere hatten, beschrieben, dass sie nachdenklich wurden, weil ihnen die Bedeutung der Beziehung für die Halter*innen nicht bewusst war und sie zuvor eher zu denen gehörten, die mit Irritationen auf die Trauer um ein Haustier reagierten. Inspiriert von den Erfahrungen und dem Diskurs der Teilnehmer*innen, wollte ich mehr über das individuelle Erleben nach dem Verlust eines geliebten Tieres erfahren. Darüber hinaus stellte sich mir die Frage, inwiefern dieses Trauererleben vergleichbar mit dem beim Verlust eines nahen An- und Zugehörigen ist und welche Unterschiede von den Betroffenen selbst b­enannt werden. Ich befragte über mehrere Wochen Teilneh�mer*innen, Hilfesuchende und Interessierte nach ihrem persönlichen Erleben und ihren Erklärungen zu möglichen Unterschieden zwischen dem Verlust eines geliebten Menschen oder Tieres und war beeindruckt von der großen Bereitschaft der Befragten, über die eigene Trauererfahrung zu berichten. Ist die Trauer vergleichbar? »Für mich war der Verlust meines treuen Freundes Max nicht weniger schmerzhaft oder traumatisch als die Trauer um meinen geliebten und leider bereits verstorbenen Mann.« (Britta)

Interessant war, dass alle Befragten, die sowohl den Verlust eines Tieres als auch eines nahestehenden Menschen erlebt haben, die Intensität des Schmerzes und des Sehnens als vergleichbar beschrieben, zuweilen sogar als stärker. Die empfundene Leere, Niedergeschlagenheit, Antriebslosigkeit, das Vermissen der vertrauten Geräusche, der körperlichen Nähe und das Erleben von Verlassenheitsgefühlen und Strukturlosigkeit wurden besonders hervorgehoben. Einige beschrieben auch, dass sich durch den Verlust des geliebten Tieres die Trauer um vorangegangene Verluste nahestehender Menschen reaktivierte oder verstärkte. Die Vergleichbarkeit der Trauerintensität deckt sich mit den Ergebnissen einer Umfrage von Wamiz, einer der führenden Internetplattformen für Tierhalter*innen, die im Oktober 2019 die bislang größte Umfrage zum Thema Trauer um Haustiere durchgeführt hat. Europa­weit beteiligten sich mehr als 10.000 Tierhalter*innen, darunter 1050 in Deutschland lebende. 92 Prozent der Tierhalter*innen aus Deutschland empfanden den Verlust ihres Haustieres ebenso schlimm wie den eines nahen Angehörigen, 14 Prozent davon erlebten den Verlust des Haustieres sogar als stärker. Die Naturforscherin Elli Radinger (2019, S. 66) beschreibt ihre Trauer so: »Die Welle des Schmerzes traf mich wie ein Faustschlag in die Magengrube. Ich konnte nicht mehr aufhören zu weinen und fühlte mich entsetzlich einsam. Es dauerte lange, bis der Schmerz verebbte und die guten und schönen Erinnerungen wieder Oberhand gewannen.«

Einige Befragte beschrieben, dass sich durch den ­Verlust des geliebten Tieres die Trauer um vorangegangene Verluste nahestehender Menschen reaktivierte oder verstärkte.

Wie erklären sich die Befragten die Intensität? Am häufigsten wurde die besondere Qualität der Beziehung beziehungsweise der Bindung zum geliebten Tier hervorgehoben. Im Unterschied zu zwischenmenschlichen Beziehungen macht die Beziehung zum Tier oder vielmehr vom Tier zum Menschen vor allem die Bedingungslosigkeit und Verlässlichkeit der Bindung aus. Wo zwischenmenschliche Beziehungen immer auch von Ambivalenzen, Enttäuschungen, Verletzungen und Konflikten geprägt sind – von Menschen können wir verlassen werden –, ist die Beziehung zwischen Tier und Mensch dauerhaft, stabil und gibt Sicherheit. Ein Tier enttäuscht nicht und es verlässt nicht. Es bleibt lebenslang zugehörig, gibt Liebe und Nähe, wann immer diese gewünscht wird. »Ich darf sein. Ich bin als Teil der Verbindung völlig fraglos.« (Heide) »Mein Hund holt mich auf einer kreatürlichen Ebene ab – hier darf ich einfach sein, muss nicht nachdenken, funktionieren oder etwas leisten. Ich genieße es total, mich im Zusammenspiel als Teil der Natur zu empfinden und pure Lebensfreude zu erleben.« (Martina) Als weitere Besonderheit wurde die Abhängigkeit des geliebten Tieres zum Menschen erwähnt. Dem Menschen kommt damit ein hohes Maß an

Verantwortung zu, für das Tier zu sorgen wie für ein Kind, das auf Fürsorge angewiesen ist. Auch das verstärkt die Verbundenheit. »Ich fühle mich mit mir anvertrauten Hunden auf eine besondere Art verbunden, es ist eine intuitive Beziehung, die eher der zu einem sehr jungen Kind ähnelt. Die wechselseitige Verständigung erfolgt ausschließlich über Einfühlung, ich bin eindeutig diejenige, die die Verantwortung trägt.« (Stefanie) Das besondere Maß an Verantwortung und Fürsorge gegenüber dem geliebten Tier einerseits und die bedingungslose Zugehörigkeit und Zuwendung des Tieres zum Menschen andererseits waren die häufigsten Erklärungen der Befragten für eine durchgehend erlebte hohe Bindungsqualität bis hin zur Seelenverwandtschaft. Welche Unterschiede wurden beschrieben? Der deutlichste Unterschied, der benannt wurde, bezog sich auf die Dauer der Trauer. Auch wenn hier je nach Persönlichkeit der oder des Trauernden die Zeit variierte, sprachen die meisten von Tagen und Wochen, maximal einigen Monaten der intensiven Trauer, während die Trauer um eine nahestehenden Menschen bei den meisten wesentlich länger bis lebenslang anhielt.

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Eva Blanco Fotografia. / photocase.de

1 4   Pe g g y S t e i n h a u s e r

B e z i e h u n g e n f ü r s L e b e n ? Vo n d e r Tr a u e r u m e i n g e l i e b t e s T i e r    1 5

»Die Möglichkeit zu wählen und auch zu entscheiden, wie wir Max’ Abschied gestalten wollen, war für meinen Trauerprozess hilfreich und auch im Nachgang konnte ich mit dem viel zu frühen Tod meines Hundes besser umgehen als mit dem ebenfalls viel zu frühen Krebstod meines Mannes. Dies habe ich trotz viel Therapie und stetigem daran Arbeiten bis heute nicht wirklich verwunden.« (Britta) Interessant war ebenfalls, dass die Befragten in der Mehrheit beschrieben, dass sie, als sie sich die Intensität der Emotionen in der Trauer um ihr Tier zugestanden haben und sich Raum für den bewussten Abschied und das Erinnern an die gemeinsame Lebenszeit erlaubten, die Dankbarkeit für die gemeinsame Lebenszeit und die Erfahrung tiefer Verbundenheit im Vordergrund standen. Das erleichterte den meisten die Entscheidung, sich wieder auf ein neues Tier einzulassen und damit eine neue bedingungslose Verbindung einzugehen und das Sehnen zu stillen. Sich einem neuen Tier zuzuwenden wurde auch überwiegend nicht als »Verrat« gegenüber dem verstorbenen Tier empfunden, sondern vielmehr als Wertschätzung und Würdigung der gelebten Beziehung. »Es hat sich bei mir die Einsicht durchgesetzt, dass es keinen Sinn macht, ›aus Respekt vor Lola‹ keinen neuen Hund zu haben. Sondern dass es im Gegenteil ihre Existenz bei uns würdigt, wenn wir einem neuen, völlig anderen Hund ein Zuhause geben. Denn damit zeigen wir Lola posthum, wie sehr wir sie geschätzt haben und wie wichtig sie in unserem Leben war und ist.« (Jürgen) Die Beziehung zu Menschen hingegen ist meist von sehr unterschiedlichen Erfahrungen geprägt, zuweilen von Unsicherheit und Enttäuschungen, aber auch von Liebe, kommunikativem Austausch und bestenfalls vom Lernen und Wachsen im Miteinander. »Die Trauer um geliebte Menschen ist sicher vielschichtiger und differenzierter, weil sie mich als Persönlichkeit geprägt haben, weil wir uns miteinander weiterentwickelt haben und auf mehreren Ebenen miteinander unterwegs waren (emo-

tional, intellektuell, spirituell) und weil es im Blick zurück auch darum geht, Konflikte und Fragen zu inte­grieren.« (Martina) Fazit Die besondere Qualität der Bindung ist ein Hauptkriterium dafür, dass die Intensität des Trauer­erlebens mit all seinen Facetten der um einen geliebten Menschen vergleichbar ist. Im Blick auf die Dauer und die Konsequenzen für die Integration des Verlustes und das Weiterleben, vor allem in Bezug auf das Eingehen neuer Bindungen, unterscheidet sich die Erfahrung des Verlusts eines Menschen von der eines Tieres. Während die meisten Tierhalter*innen sich nach einer Zeit der durchlebten Trauer für eine neue Beziehung zu einem Tier und damit für eine neue Bindung in vergleichbar hoher Qualität entscheiden können, ist das Sich-Einlassen auf eine neue zwischenmenschliche Beziehung ungleich herausfordernder. Während bei der Tier-Mensch-Beziehung die Verlässlichkeit sicher ist, entscheiden bei der zwischenmenschlichen Beziehung viele Variablen über das Gelingen des neuen Miteinanders. Das birgt Chancen, aber auch immer Risiken, enttäuscht oder erneut verlassen zu werden. »Wir können niemals einen Hund ersetzen, aber wir können uns entscheiden, die Leere in unserem Leben mit neuem Leben und neuer Liebe zu füllen« (Radinger, 2019, S. 112).

© Hendrik Lüders

Peggy Steinhauser, Diplom-Theologin, Referentin und systemische Supervisorin (SG), leitet das Hamburg Leuchtfeuer Lotsenhaus, ein Haus, das die drei Bereiche Bestattung, Bildung und Trauerbegleitung unter einem Dach vereint.

Kontakt: [email protected] Website: www.hamburg-leuchtfeuer.de/lotsenhaus Literatur Herpell, G. (2021). Im Hundehimmel. In: Süddeutsche Zeitung Magazin, Nr. 9, 05.03.2021, S. 17–22. Radinger, E. H. (2019). Der Verlust eines Hundes und wie wir ihn überwinden. 5. Auflage. Berlin.

Auf den Hund gekommen

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Wenn Paul und Nepomuk über die Regenbogen­ brücke gehen – wo Hund und Katz begraben sind Über Todesanzeigen für Tiere und Tierfriedhöfe

Margit Schröer und Susanne Hirsmüller

Heimtiere als Familienmitglieder In Deutschland leben geschätzt 34 Millionen Haustiere, heute Heimtiere genannt, in 45 Prozent aller Haushalte: 14,7 Millionen Katzen, 10 Millionen Hunde und 9 Millionen Kleintiere wie Meerschweinchen, Kaninchen, Hamster, ­Vögel und andere. Im Lockdown während der Coronapandemie hat die Sehnsucht nach tierischen Gefährten enorm zugelegt. Nach Angaben von Tasso (Europas größtem Haustierregister1) wurden 25 Prozent mehr Hunde neu registriert. Viele Menschen brauchen wegen der eingeschränkten Kontakte ein »Nutztier« für die Psyche, um emotional nicht »vor die Hunde zu gehen« – diese schauen ihre Menschen an, hören zu, verzeihen Launen, füllen die Leere. Für manche Tierhalter*innen bieten sie einen ausreichenden Ersatz, denn für sie sind Tiere sowieso die »besseren Menschen«, da sie nie enttäuschen. Heimtiere werden von ihren Besitzer*innen als Subjekte gesehen und als Sozialpartner (fast) auf Augenhöhe behandelt (so tragen sie oft menschliche Vornamen, wie die im Titel aufgeführten Paul

st)

inische Po Anzeige Rusty (Rhe

und Nepomuk). Sie sind in der heutigen Zeit zu Familienmitgliedern aufgestiegen, nach Trennungen und Scheidungen Partnerersatz. Und in dieser Funktion werden ihnen von den Besitzer*innen Eigenschaften und Absichten in ihrem Verhalten unterstellt wie Zuneigung, Treue, Verständnis, Vertrauen, Geduld und Liebe. All diese Tiere haben eine erheblich kürzere Lebensdauer als Menschen – daher ist das Abschiednehmen von ihnen nach einigen Jahren vorprogrammiert und bei Tierliebhabern, die durchweg ein Heimtier in ihrem Haushalt haben, ereignet sich dies sogar mehrmals. Hier trifft der Begriff »Lebensabschnittspartner« zu. Viele Menschen, nicht nur Tierhalter, machen ihre ersten Erfahrungen mit dem Tod mit Haustieren: Das geliebte Familientier stirbt. Deshalb ermöglicht dieses Erleben, die reale Bedeutsamkeit des Todes zu erfahren und Umgangsmöglichkeiten mit der Trauer zu erlernen. Es gibt verschiedene Bilderbücher für Kinder, die dieses Thema aufgreifen. Der Tod des Familientieres als Erschütterung und Anlass einer »Veröffentlichung« Wenn ein geliebtes Tier gestorben ist, kann dieser Tod im Familiensystem ein krisenhaftes Ereignis sein, schließlich bricht ein wichtiges Mitglied der Gruppe, oder wie die Familie von Rusty in der ­Todesanzeige schreibt, des Rudels, weg. Das kann in einer Anzeige in der regionalen Tageszeitung beziehungsweise im Internet auf den Tiertrauerportalen mitgeteilt werden, damit alle

We n n Pa u l u n d N e p o m u k ü b e r d i e R e g e n b o g e n b r ü c k e g e h e n    1 7

Faksimile E. T. A. Hoffmann für Kater Murr

wissen, dass dieses »besondere« Tier tot ist und in der Familie getrauert wird. In den Zeitungen sind sie eher selten zu finden, und wenn, entzünden sich daran Diskussionen, wie auch nach der Todesanzeige für Jasper 2004 im Schweizer Tages-Anzeiger, die das Foto einer Katze zeigte (was nicht ungewöhnlich ist auf Todesanzeigen für Tiere) und folgenden Text enthielt: »Du kamst so überraschend in unser Leben. Du zeigtest uns, dass die Welt schön, zärtlich und verspielt ist. Dafür gebührt dir unser ganzer Dank. Wir wissen, dass du jetzt unser Schutzengel bist und mit uns weiter durchs Leben gehst. Dies gibt uns Trost, deinen Verlust zu ertragen. Wir werden dich nie vergessen.« Als bekannt wurde, dass es sich bei Jasper um die abgebildete Katze handelte, entbrannte eine Diskussion darüber, ob eine Todesanzeige für ein Tier die Grenzen des guten Geschmacks überschreite. Ähnliche Erfahrungen machten auch an-

dere Tageszeitungen, die Anzeigen für den Hund Nina oder die Katze Mohrle zwischen Todes­ anzeigen für Menschen a­ bdruckten. Darf, wer um ein geliebtes Tier trauert, diese Trauer auch in einer Zeitungsanzeige ausdrücken? Und darf ein Zeitungsverlag eine solche Anzeige zwischen denen für Menschen veröffentlichen? Oder werden damit die Gefühle von Hinterbliebenen, die selbst um Verstorbene trauern, verletzt? Die Redaktion hatte diese Fragen diskutiert und sah diese Anzeige als Teil der Trauerverarbeitung der Inserent*innen an. Von kirchlicher Seite gab es Proteste – nur Menschen sollten Todesanzeigen erhalten, da solche Tierliebe rasch zu Absurditäten führe. Inzwischen setzen Zeitungen diese Anzeigen manchmal in eine gesonderte Rubrik wie »Für das Tier«, um dieses Geschäftsfeld dennoch zu nutzen. Todesanzeigen für Tiere sind jedoch keine Erfindung der Neuzeit, denn schon E. T. A. Hoffmann verfasste eine für seinen geliebten Zögling Kater Murr 1821: »Wer den verewigten Jüngling

Auf den Hund gekommen

1 8   M a r g i t S c h r ö e r u n d S u s a n n e H i r s m ü l l e r

kante (…) mißt meinen Schmerz und ehrt ihn durch Schweigen.«



Heute heißt es in Todesanzeigen für Tiere: Hoppel: »Du warst für uns stets der Ruhepol. (…) Während unserer gemeinsamen Zeit haben wir aufrichtige Freude, Unschuld, Dankbarkeit, Fürsorge, Mitleid, Geduld und bedingungslose Liebe erleben dürfen. Darum wirst Du (…) in unseren Herzen für immer Deinen festen Platz behalten.« Ronka: »mein kleines Mädchen, meine beste und treueste Freundin, mein Trost und mein Sonnenschein, meine über alles geliebte Ronka«. Nala: »Immer ein guter Hund. (…) Wir vermissen dich schon jetzt und sehen uns im Himmel wieder.« Nancy: »Wer sich auf Deine Persönlichkeit einließ, lernte Dich in wundervollen Facetten kennen. Du straftest alle Lügen, die von Euch Hunden als Objekten sprechen. Du warst eine starke Person und ertrugst Deine Krankheit mit Würde. (…) Du kleiner Schatz (…) Nach langer, mit Geduld ertragener Krankheit ist sie heute von uns gegangen auf die lange Reise in die Ewigkeit. Es tut so weh!« Gandhi: »Ein Engel kehrt zurück. In Liebe Deine Familie«







Foto: m.schröer



Tierfried s Düsseldorfer

Am Eingang de

hofs

Ins Auge fallen bei diesen Todesanzeigen die überaus positiven Attribute der Tiere sowie die wörtliche Übernahme von Formulierungen aus Todesanzeigen für Menschen wie » immer einen Platz in unseren Herzen«, »wir sehen uns im Himmel wieder«, »ertrugst Deine Krankheit mit Geduld und Würde«, oder »ein Engel kehrt zurück«. Dies unterstreicht die Anthropomorphisierung der Heimtiere, die nicht selten nach dem Tod fortgeführt wird. Tierfriedhöfe als besondere Orte des Gedenkens Sie sind ebenfalls nicht neu, denn bereits im alten Ägypten gab es über hundert Tiernekropolen. Nach wie vor wird von den rund 1,3 Millionen jährlich versterbenden Hunden und Katzen etwa die Hälfte entweder im Garten oder Wald vergraben oder in Krematorien verbrannt. Eine wachsende Anzahl jedoch wird auf einem der mittlerweile mehr als 220 Tierfriedhöfen Deutschlands beerdigt, da sie für die B ­ esitzer*innen keinen Kadaver, sondern ei­nen besonderen Leichnam dar­ stellen, der für ihr Leben immer noch Bedeutung hat. Tierfriedhöfe sind Orte, die – genau wie bei Menschen – Hinterbliebenen Raum für Abschied, Trauer und Austausch mit anderen Trauernden geben können. Viele der mit besonderem Aufwand hergerichteten Ruhestätten zeugen von einer Individualisierung des bestatteten Gefährten und sind eine »Projektionsfläche für menschliche Wünsche, Sehnsüchte und Fantasien« (Meitzler 2017). Der vermenschlichte Umgang mit den Heimtieren setzt sich in der Grabgestaltung fort und zeigt noch einen weiteren wichtigen Punkt in der Mensch-Heimtier-Beziehung: die Infantilisierung dieser Tiere. Ohne Tierdarstellungen auf den Grabsteinen könnte der Besucher den Eindruck gewinnen, Kindergräber vor sich zu haben. Spielzeug, Luftballons, Windmühlen und Ähnliches finden sich auf vielen der kleinen Gräber sowie Beschreibungen, die sich oft auch auf Kinder-

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We n n Pa u l u n d N e p o m u k ü b e r d i e R e g e n b o g e n b r ü c k e g e h e n    1 9

grabsteinen finden wie »du süße Maus«, »unser kleiner Sonnenschein«, »unser Baby«, »mein kleiner Engel«. Die Gestaltung von Tiergräbern lehnt sich an die von Menschen an – häufig werden dieselben kommerziellen Dekorationsartikel wie Herzen, Steine mit Aufschriften, Märchenfiguren oder auch Engel und sogar Kreuze verwendet (obwohl religiöse Symbole verboten sind und auf manchen Tierfriedhöfen entfernt werden). Letzteres kann auf den Glauben an ein ewiges Leben (»Du bist weiter bei uns«), manchmal auch an ein gemeinsames Weiterleben (»wir sehen uns im Himmel wieder«) hinweisen. Zuweilen finden sich sehr emotionale Äußerungen: »Ohne dich wir es nie wieder so sein, wie es war«, »Du warst mehr als eine Katze«, »Du warst das Beste in meinem Leben« bis zu »Es hat uns das Herz zerrissen«.

geäscherte Tier als Grabbeigabe definiert wird, steht einem gemeinsamen Grab rechtlich nichts im Wege. Die Beigabe von Kadavern ist hingegen nicht gestattet, außerdem muss der Mensch zuerst beigesetzt worden sein, erst danach kann die Asche des Tieres dort vergraben werden. Eine gemeinsame Bestattungszeremonie gibt es – noch – nicht. Dipl.-Psych. Margit Schröer ist psychologische Psychotherapeutin, Psycho­ onkologin, Supervisorin und Ethikerin im Gesundheitswesen. Sie war leitende Psychologin in einem großen Krankenhaus in Düsseldorf und lehrt an zwei Universitäten. Dr. Susanne Hirsmüller ist Fachärztin für Gynäkologie und Geburtshilfe, Psychoonkologin und Ethikerin im Gesundheitswesen. Sie ist Dozentin in den Studiengängen »Pflege« und »Hebamme« an der Hochschule Bremen und Lehrbeauftragte für Palliative Care an der Universität Freiburg.

Gemeinsam ins Grab?! Die größte Gruppe der Tierhalter*innen in Deutschland stellen mit 26 Prozent die über 60-Jährigen. Senioren äußern zunehmend den Wunsch, mit dem geliebten Tier in einem gemeinsamen Grab bestattet zu werden. Nicht nur König Friedrich der Große wollte mit seinen geliebten Windspiel-Hunden zusammen begraben sein, sondern auch schon vor Jahrtausenden Ägypter in den damaligen Nekropolen, wie Katzenmumien belegen. Friedhöfe in Essen und Koblenz (»Unser Hafen« – https://unser-hafen.de) haben dies bereits 2015 ermöglicht, weitere sind in Planung, zum Beispiel in Hamburg-Ohlsdorf. Wenn das ein-

Literatur Gertoberens, K. (2019). Treue über den Tod hinaus. In: Leben und Tod, 2, S. 33 f. Meitzler, M. (2017). Hunde, wollt ihr ewig leben? In: N. Burzan, R. Hitzler (Hrsg.): Auf den Hund gekommen. Interdisziplinäre Annäherung an ein Verhältnis (S. 175–200). Wiesbaden. Neurath, U. (2019). Tier und Tod. Mensch und Tier am Beispiel von Tierbestattungen. Frankfurt a. M. Neurath, U. (2019). Es hat uns das Herz zerrissen. In: Leben und Tod 2, S. 28–31. Nilsson, U.; Eriksson, E. (2006). Die besten Beerdigungen der Welt. Frankfurt a. M. Anmerkung https://www.tasso.net/Presse/Pressemitteilungen/2020/Corona-laesst-Nachfrage-nach-Hunden-steigen (Zugriff am 28.2.2021)

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Unzertrennlich bis in den Tod – das Kultur­ phänomen der (Mensch-)Tier-Bestattungen Ulrike Neurath Tierbestattungen sind nicht »neu« Tierfriedhöfe beziehungsweise T ­ ierbestattungen sind bereits aus prähistorischer Zeit überliefert. Nicht immer eindeutig jedoch sind die Beweggründe zu ermitteln, die Menschen veranlasst haben, Tieren ein Grab zu bereiten. Etliche Funde früher Tierbestattungen sprechen dafür, dass man Tiere im Rahmen von Kulthandlungen tötete, um sie als Opfergaben beizusetzen. Dies trifft beispielsweise auf zahlreiche Tiernekropolen im alten ägyptischen Reich zu, darunter die Nekropole von Bubastis mit hunderten von Katzen, die zu Ehren der Katzengöttin Bastet getötet, einbalsamiert und dort beigesetzt wurden (um 1500 v. Chr.). Ein anderes, ebenfalls in einen kultischen Kontext verweisendes Beispiel bildet das Gräberfeld in Ense-Bremen, das neben Humangräbern zwölf Pferdegräber aus der Merowingerzeit (5. bis 8. Jahrhundert) aufwies. Forscher*innen gehen davon aus – auch aufgrund bestimmter

© Neurath

Für viele Tierhalter*innen ist der Tod des Haustiers eine höchst schmerzvolle Verlusterfahrung. Dies verwundert kaum, hat doch das Tier meist über viele Jahre innerhalb der häuslichen Gemeinschaft gelebt und Tagesabläufe zum Teil stark bestimmt. Häufig war es zudem ein wichtiger Spiel- und Freizeitgefährte, bisweilen auch eine Art Partner- oder Kindersatz und somit ein insgesamt bedeutsamer Sozialpartner. Spätestens wenn das Haustier stirbt, stellt sich Tierhalter*innen die Frage, was mit dem toten Körper geschehen soll. Der Gedanke, den »kleinen Liebling« der Tierkörperverwertungsanstalt zu übergeben, wird oftmals als eine unangemessene Option erachtet. Tröstliche Alternativen sind hingegen, das verstorbene Tier unter Beachtung bestimmter gesetzlicher Vorgaben im eigenen Garten zu bestatten oder – wem dies räumlich und damit emotional zu nah ist oder wer kein eigenes Grundstück besitzt – auf einem Tierfriedhof.

Der Tod des Haustiers wird oft als ­schwerer ­emotionaler Verlust ­empfunden. Dies ­spiegelt sich mitunter auch in ­Grabinschriften wider.

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Ausstattungsdetails –, dass die Pferde den Verstorbenen ebenso im Jenseits dienen sollten. Die Tiergräber des Adels und Bürgertums Doch unabhängig von Tierbegräbnissen, die von Kulthandlungen getragen sind, boten immer auch schon freundschaftliche Empfindungen für ein Tier Anlass für dessen würdevolle Beisetzung. Allerdings tauchen im christlichen Abendland nennenswerte, auf einer sympathetischen Mensch-Tier-Beziehung beruhende Dokumente von Tier­bestattungen erst ab dem 18. Jahrhundert auf. Vorrangig entstammen sie aristokratischen Kreisen. Dort spielten neben Pferden vor allem Hunde eine große Rolle. Obgleich innerhalb dieser Klientel Hunde vielfach als Prestigewesen und Jagdgehilfen gehalten wurden, wuchsen sie ihren Herrschaften mitunter doch derart ans Herz, dass sie sie nach ihrem Ableben nicht unbedingt entsorgten, sondern mit einem Grab inklusive Grabzeichen oder einem Epitaph bedachten. Als ein wahrer Hundenarr hat sich beispielsweise Friedrich der Große (1712–1786) erwiesen. Der Preußenkönig hegte vor allem eine große Leidenschaft für die Hunderasse der Windspiele. Wenn einer seiner Vierbeiner starb, war ihm seine Schwester Wilhelmine eine wichtige Vertraute, denn sie teilte seine große Liebe zu Hunden, wofür das Mausoleum, das sie ihrem verstorbenen Vierbeiner Folichon im Jahr 1736 errichten ließ, ein eindrückliches Zeugnis liefert. So schrieb ihr Friedrich anlässlich des Todes eines seiner ­Hunde im Jahr 1752 freimütig: »Ich gestehe Dir meine ganze Schwäche. Ich habe Biche verloren […] Ich war beschämt, dass der Tod eines Hundes mir so nahe geht, aber das häusliche Leben, das ich führe, und die Treue des armen Tieres hatten es mir so ans Herz wachsen lassen. Sein Leiden hat mich so erregt, daß ich offen gestanden, niedergeschlagen und traurig bin« (Volz 1924, S. 237 f.).

Friedrichs Liebe zu seinen Windspielen, derer er elf besaß, ging so weit, dass er testamentarisch verfügte, zusammen mit ihnen in einer Gruft beigesetzt werden zu wollen. Bis heute kann man die Namen seiner Windspiele nahe der Terrasse von Schloss Sanssouci auf elf Sandsteinplatten über der Gruftkammer nachlesen. Fast unmittelbar daneben befindet sich die Steinplatte zum Gedenken an ihren berühmten Besitzer. Blickt man ein Jahrhundert weiter, mehren sich die Beispiele an Tierbestattungen, doch bleiben sie hinsichtlich ihrer Überlieferung weiterhin hauptsächlich auf eine soziale Elite beschränkt, die sie auf eigenem Grund und Boden praktizierte. Exemplarisch seien die Hundegräber des Komponisten Richard Wagner (1813–1883) genannt, die in seinem Garten unterhalb seiner Bayreuther Villa angelegt wurden und in deren unmittelbarer Nähe der Komponist späterhin selbst seine letzte Ruhe finden sollte. Erste Tierfriedhöfe im Zeitalter der Moderne Offizielle, der Allgemeinheit zur Verfügung stehende Begräbnisanlagen für Tiere datieren auf dem europäischen Kontinent erst um die vorletzte Jahrhundertwende. Ein wichtiges Vorbild dürfte die 1899 in Asnières-sur-Seine nahe Paris eröffnete Tiernekropole »Cimetière des chiens« gewesen sein, die äußerst imposante Grabmonumente aus ihrer Frühzeit beherbergt, welche bei vielen Besucher*innen großes Staunen hervorrufen. Für das Gebiet der heutigen Bundesrepublik Deutschland lassen sich erste Tierfriedhöfe erst für das frühe 20. Jahrhundert ausmachen. Vor allen Dingen in und um Berlin sind seinerzeit kleinere Anlagen entstanden, denen man von außen nicht unbedingt ansah, dass es sich um Tierbegräbnisplätze handelte. Dies ist nicht zuletzt auch Spiegelbild einer damals noch recht distanzierten Sicht auf das Thema »Tierliebe«, was ein Artikel über den Weddinger Hundefriedhof in einem 1926 erschienenen

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Buch über »Berliner Merkwürdigkeiten« bestätigt. Über ihn heißt es: »[…] die meisten haben nicht einmal eine ­Ahnung, daß es so etwas in Berlin gibt. Und dabei liegt der Friedhof in einer der belebtesten Straßen Berlins, in der Müllerstraße 122, allerdings sorgsam den Blicken der Vorübergehenden entzogen; denn wenn der Berliner auch im allgemeinen tierliebend ist, so gibt es doch auch in Berlin Menschen, denen gepflegte Hundegräber wie eine Ueberspannung einer an sich vielleicht begründeten Tierfreundschaft erscheinen würden« (Lederer 1926, S. 66). Tierfriedhöfe und Tierbestattungen der Gegenwart Obgleich offizielle Tierfriedhöfe auch andernorts entstanden, blieb ihre Anzahl über viele Jahrzehnte außerordentlich gering. Erst in der Wende vom 20. auf das 21. Jahrhundert änderte sich dies. Inzwischen gibt es bundesweit etwa zweihundert Anlagen. Zwar ist damit das geografische Netz an Tierfriedhöfen noch immer recht großmaschig, dennoch verdeutlicht ihr über die letzten drei Jahrzehnte beschleunigter Zuwachs, dass sich die Friedhofskultur deutlich auf das Tier ausgeweitet hat, was in einer zunehmenden Intensivierung der Mensch-Tier-Beziehung begründet liegt. Die Ursachen dafür sind in strukturellen Einschnitten zu suchen, die teils bis in das 19. Jahrhundert zurückreichen. Dazu zählen vor allem die Industrialisierung und die daraus resultierende Urbanisierung, der technische beziehungsweise technologische Fortschritt, genauso aber auch der Prozess der Säkularisierung. All dies hat zu einer immer stärkeren Anonymisierung und Individualisierung der Gesellschaft geführt, nicht zuletzt auch deshalb, weil gesellschaftlich verbindende Institutionen wie zum Beispiel die Kirche oder das Vereinswesen massiv an Einfluss verloren und soziale Beziehungen an Stabilität eingebüßt haben. Dadurch konnte das Tier in zuneh-

mendem Maß in den Mittelpunkt des Interesses rücken, da viele in ihm – und nicht mehr so sehr im Menschen – eine soziale Konstante sehen, was eine Intensivierung der Mensch-Tier-Beziehung befördert. Ein markantes Abbild der gestiegenen Wertigkeit und Wahrnehmung des Tieres als Sozialpartner stellt aber nicht nur der stete Zuwachs an Tierfriedhöfen seit dem ausgehenden 20. Jahrhundert dar, sondern ebenso die zunehmende Errichtung von Tierkrematorien. Eine erste solche Anlage wurde im Jahr 2000 in München eröffnet, inzwischen ist ihre Anzahl auf bundesweit nahezu dreißig gestiegen. Die Einäscherung von Tieren liegt stark im Trend, denn sie bietet die Option, die Asche in einer Urne nach Hause mitzunehmen. Davon machten – so die Aussage des Bundesverbands der Tierbestatter – die meisten Tierhalter*innen auch Gebrauch. Perspektivisch kann davon ausgegangen werden, dass das Bedürfnis nach Optionen, welche einer würdevollen Abschiednahme vom verstorbenen Tier Rechnung tragen, anhalten wird. Nicht zuletzt auch deshalb, weil die Haustierpopulation in den vergangenen Jahren fast ausnahmslos zugenommen hat beziehungsweise sich schon lange auf einem hohen Niveau bewegt und absehbar nichts für eine deutlich gegenläufige Entwicklung spricht – vor allem auch in Anbetracht des demografischen Wandels mit tendenziell mehr kinderlosen Haushalten, was den Trend zum Tier weiterhin begünstigen dürfte. Das Konzept der gemeinsamen Bestattung von Mensch und Tier Die Tatsache, dass dem Ableben eines Haustieres inzwischen gesteigerte Aufmerksamkeit geschenkt und für dessen postmortalen Verbleib unter Wahrung seines Würdeerhalts Sorge getragen wird, hat inzwischen aber in einem noch anderen Bestattungskonzept Niederschlag gefunden. Dieses sieht das gemeinsame Begräbnis von Mensch und Tier vor. Was in zahlreichen Län-

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© Museum für Sepulkralkultur, Kassel, Bildarchiv

U n z e r t r e n n l i c h b i s i n d e n To d    2 3

Historische Postkarte von einem imposanten Hundegrab auf dem »Cimetière des chiens« in Asnières-sur-Seine, um 1910

dern schon seit längerem möglich ist (zum Beispiel Schweiz, Österreich, England, USA), wurde in der Bundesrepublik Deutschland erstmals im Jahr 2015 umgesetzt. Damals errichtete die Deutsche Friedhofsgesellschaft GmbH die ersten beiden Friedhöfe – in Braubach-Dachsenhausen und in Essen-Frintrop – auf der Grundlage dieses neurartigen Bestattungskonzepts. Inzwischen haben mehr als ein Dutzend weiterer Städte und Gemeinden nachgezogen. Ein ganz wesentliches Merkmal besagten Friedhofstyps besteht darin, dass ausnahmslos ein Humanfriedhof – und nicht etwa ein Tierfriedhof – den institutionellen Legitimationsort für die »postmortale Gemeinschaft« von Mensch und Tier bildet. Dafür werden in aller Regel gesonderte Flächen auf bereits bestehenden Friedhöfen ausgewiesen und von den anderen, herkömmlichen Grabfeldern optisch separiert. Die visuelle Abgrenzung geschieht aus Rücksicht auf jene Friedhofsbesucher*innen, denen ein solches Konzept »zu weit« geht, etwa weil sie dar-

in eine Gleichstellung von Mensch und Tier sehen und dies für ethisch unangemessen halten. Eine derartige Intention verfolgt das Konzept der Mensch-Tier-Bestattung allerdings nicht, zumal das Tier dem Humangrab lediglich »beigefügt« werden darf, das heißt, dem Tier rein rechtlich lediglich der Status einer Grabbeigabe zukommt. Grundvoraussetzung für diese Art der Beigabe sind die Einäscherung und die Überführung in einer Urne. Obgleich das Konzept von der Mensch-TierBestattung gewissermaßen den neuesten Trend in Bezug auf einen würdevollen Umgang mit dem Haustiertod markiert, darf daraus nicht geschlossen werden, als erlebe diese Bestattungsvariante seit ihrer Einführung einen regelrechten Ansturm. Vielmehr will ein solches Konzept dem gestiegenen Bedürfnis nach mehr Individualität und Selbstbestimmtheit, wie es innerhalb der Friedhofskultur seit nunmehr rund drei Jahrzehnten verstärkt zu beobachten ist und in der Etablierung vieler anderer »neuer« Bestattungs-

Auf den Hund gekommen

© Neurath

2 4   U l r i k e N e u r a t h

Die parkähnliche Anlage des Tierfriedhofs »Tierhimmel« des Tierbestattungszentrums Teltow, eröffnet 2002

formen und Grabarten Niederschlag gefunden hat, Rechnung tragen. Angesichts der Tatsache, dass sich immer mehr Menschen an ein Tier binden, verwundert es somit kaum, dass sich ebenso Friedhofskonzepte generieren, die von dieser neuerlichen Qualität im Mensch-Tier-Verhältnis inspiriert sind. Mit der Einrichtung von Mensch-Tier-Grabfeldern wird aber auch noch ein anderer, eher sachlich orientierter Zweck verfolgt. So bieten jene Grabfelder durchaus die Chance, die wirtschaftliche Krise, in der sich viele Friedhöfe aufgrund brachliegender Flächen (sogenannte Überhangflächen) befinden – dies ist dem ungebrochenen Trend zur Urnenbestattung geschuldet wie auch dem Trend zur Naturbestattung –, abzumildern. Ob sich dies als ökonomisch wirksam erweisen mag, bleibt abzuwarten, wie auch ansonsten noch nicht absehbar ist, ob sich die gemeinsame Bestattung von Mensch und Tier rein ideell als tragfähig erweist.

Literatur Aeternitas e. V.: Mensch-Tier-Bestattungen. Treue über den Tod hinaus. https://www.aeternitas.de/inhalt/bestatten_ beisetzen/themen/mensch_tier_bestattung/index_html (Zugriff am 23.12.2020). Deiters, S. (2007). Das Gräberfeld von Ense-Bremen. Begleitheft zur Ausstellung. Münster. Lederer, F. (1926). Berliner Merkwürdigkeiten. Bauten und Denkmäler. Berlin. Neurath, U. (2019). Tier und Tod. Mensch und Tier am Beispiel von Tierbestattungen. Frankfurt a. M. Volz, G. B. (Hrsg.) (1924). Friedrich der Große und Wilhelmine von Baireuth, Band 1. Leipzig (zit. nach: Sibylle Prinzessin von Preußen, Friedrich Wilhelm Prinz von Preußen [2006]: Die Liebe des Königs. Friedrich der Große, seine Windspiele und andere Passionen. München, S. 84 f.). Voß, K.-H. P. (1999). Die Tiergräber im Park von Sanssouci. In: Friedhofskultur, 89, 3. Anmerkung 1  Streng genommen meint der Begriff »Haustier« das im Laufe der Menschheitsgeschichte zu ökonomischen Zwecken domestizierte Tier, das seinen Ursprung in Wildtierarten hat. Im Rahmen dieses Beitrags ist jedoch das »Heimtier« gemeint, das eine Haustier-Untergruppe bezeichnet und nicht das ökonomisch genutzte, sondern primär aus Interesse und Freude gehaltene Tier definiert. Umgangssprachlich werden »Haustier« und »Heimtier« oft synonym verwendet beziehungsweise hat sich »Haustier« stellvertretend für »Heimtier« durchgesetzt.

Dr. Ulrike Neurath wurde an der Universität Hamburg promoviert im Fach Volkskunde/Kulturanthropologie zur Mensch-Tier-Beziehung am Beispiel von Tierbestattungen auf Tierfried­höfen. Sie ist Kustodin und (Co-)Kuratorin bei der Arbeitsgemeinschaft Friedhof und Denkmal e. V. / Museum für Sepulkralkultur in Kassel. Kontakt: [email protected] Website: www.sepulkralmuseum.de

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Martin Rütter

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Können Hunde depressiv sein?

Martin Rütter, geboren 1970, entwickelte schon in früher Jugend leidenschaftliches Interesse an Hunden, deren Verhaltensweisen und der Beziehung zwischen Mensch und Hund. Nach dem Studium der Tierpsychologie entschied er sich endgültig, diesen beruflichen Weg einzuschlagen. 1995 eröffnete er seine erste Hundeschule und entwickelte mit DOGS eine Philosophie zur individuellen und partnerschaftlichen Ausbildung von Mensch und Hund. Seitdem bildete er zahlreiche Menschen zum Hundetrainer aus, die ihre eigene Hundeschule eröffnen und Menschen und Hunden auf dem Weg zu einem harmonischen Miteinander helfen.   Seit 2003 verfolgen regelmäßig Millionen von Zuschauern Martin Rütter im Fernsehen und schauen ihm bei seiner Arbeit mit Mensch und Hund über die Schulter. Durch seine unermüdliche Arbeit rund um den Hund hat Martin Rütter maßgeblichen Anteil daran, dass heute deutlich mehr Hunde in unserer Gesellschaft ein hundegerechtes Leben führen als noch© vor Jahren. Website: www.martinruetter.com Leidfaden, Heft 4 / 2021, S. 25–25,können ISSN 2192-1202, 2021einigen Vandenhoeck & Ruprecht     

Alex Stiebritz

»In der tierpsychologischen Forschung sind Erkenntnisse über depressive Zustände bei Tieren noch sehr begrenzt, da systematische Untersuchungen nur sehr schwer durchgeführt werden können. Auch in Bezug auf das Trauerverhalten gibt es nur wenige gesicherte Erkenntnisse. Gerade in Bezug auf den Hund existieren jedoch einige Berichte, nach denen Hunde, die ihr Herrchen oder Frauchen verloren haben, stark trauern. Die Reaktionen reichen hier von Unruhe und Nervosität bis hin zu Teilnahmslosigkeit, Apathie und Nahrungsverweigerung – alles Merkmale, die tatsächlich an Symptome einer schweren Depression erinnern.«

26

Mamas letzte Umarmung – Abschied von einer Matriarchin Frans de Waal Mama lag zusammengerollt in ihrem Strohnest und blickte nicht einmal auf, als Jan wagemutig ihren Nachtkäfig betrat und sich ihr mit freundlichem Grunzen näherte. Wer mit Menschenaffen arbeitet, ahmt oft ihre typischen Laute und Gesten nach, und leises Grunzen wirkt besänftigend. Als Mama schließlich aus ihrem Schlummer erwachte, brauchte sie einen Moment, um zu begreifen, was geschah. Doch dann brachte sie eine enorme Freude darüber zum Ausdruck, Jan leibhaftig und ganz unmittelbar vor sich zu

Blue-Heaven/Pixabay

»Einen Monat vor Mamas 59. Geburtstag und zwei Monate vor Jan van Hooffs achtzigstem kam es zwischen diesen beiden betagten Hominiden zu einem bewegenden Wiedersehen. Mama, abgemagert und sterbenskrank, gehörte zu den ältesten Zoo-Schimpansen der Welt. Und Jan, dessen weißes Haar einen scharfen Kontrast zu seinem knallroten Anorak bildete, war der Biologieprofessor, der vor vielen Jahren meine Dissertation betreut hatte. Die beiden kannten sich seit über vierzig Jahren.

M a m a s l e t z t e U m a r m u n g   – A b s c h i e d v o n e i n e r M a t r i a r c h i n    2 7

sehen. Begeistert verzog sie das Gesicht zu einem Grinsen, wie es nur Schimpansen hinbekommen: Sie haben unglaublich flexible Lippen, die sie sogar nach außen stülpen können. Mama entblößte nicht nur ihre Zähne und das Zahnfleisch, sondern auch die Innenseite ihrer Lippen. Dann gab sie ein hohes Winseln von sich, wie Schimpansen es in besonders emotionalen Momenten zu tun pflegen. In diesem Fall war die Emotion eindeutig positiv, denn als sich Jan zu ihr herunterbeugte, langte sie nach seinem Kopf, strich sanft über sein Haar und legte dann einen ihrer langen Arme um seinen Hals, um ihn näher zu sich heranzuziehen. Während sie Jan umarmte, tätschelte Mama mit ihren Fingern seinen Hinterkopf und Nacken mit derselben beschwichtigenden Geste, mit der Schimpansen auch einen wimmernden Säugling beruhigen. Das war typisch Mama: Sie musste Jans Scheu beim Betreten ihres Reiches gespürt haben und machte ihm klar, dass er nichts zu befürchten hatte. Sie war hocherfreut, ihn zu sehen. Diese Begegnung war ein absolutes Novum. Obwohl Jan und Mama im Laufe ihres Lebens unzählige Fellpflegesitzungen durch die Gitterstäbe hindurch absolviert hatten, würde kein vernünftiger Mensch je den Käfig eines ausgewachsenen Schimpansen betreten. Die Tiere mögen uns klein erscheinen, aber ihre Muskelkraft übersteigt die unsrige bei weitem, und es gibt zahlreiche schreckliche Berichte über Angriffe auf Menschen. Selbst der stärkste Profiringer könnte es mit einem erwachsenen Schimpansen nicht aufnehmen. Als ich Jan fragte, ob er dasselbe bei einem anderen Schimpansen im Zoo getan hätte – bei einem, den er ebenfalls schon lange kannte –, erwiderte er, dass er viel zu sehr am Leben hinge, um so etwas auch nur in Erwägung zu ziehen. Schimpansen sind unberechenbar, und die einzigen Menschen, die nichts von ihnen zu befürchten haben, sind diejenigen, die sie selbst aufgezogen haben, was bei Jan und Mama aber nicht der Fall war. Doch Mamas geschwächter Zustand änderte die Lage. Außer-

dem hatte sie immer positiv auf Jan reagiert, und im Laufe der Jahre hatten die beiden Vertrauen zueinander gefasst. Das ermutigte Jan zu seinem ersten und einzigen hautnahen Besuch bei der unangefochtenen Königin der Schimpansen­ kolonie im Burgers Zoo von Arnheim in den Niederlanden. Auch ich hatte eine enge Beziehung zu Mama. Den Namen habe ich ihr wegen ihres Rangs als Matriarchin der Kolonie gegeben. Da ich jenseits des Atlantiks lebe, konnte ich beim Abschied nicht dabei sein. Wenige Monate zuvor hatte ich Mama zum letzten Mal gesehen. Als sie mein Gesicht aus großer Entfernung unter den Besuchern entdeckte, eilte sie trotz ihrer schmerzhaften Arthritis herbei, um mich zu begrüßen. Rufend und grunzend näherte sie sich dem Wassergraben, der uns trennte, und streckte mir einladend ihre Hand entgegen. Die Schimpansen im Arnheimer Zoo leben auf einer bewaldeten Insel – dem weltweit größten Außengehege dieser Art –, wo ich sie als junger Wissenschaftler geschätzte 10 000 Stunden lang beobachtet habe. Mama wusste, dass ich später, wenn alle Schimpansen in ihren Nachtkäfigen waren, auf einen privaten Plausch bei ihr vorbeischauen würde. Unsere Begrüßungen, die immer gleich herzlich abliefen, weckten auch das Interesse von Dokumentarfilmern. Bevor ich eintraf, ließ sich das Team zeigen, welcher der Schimpansen Mama war, und brachte die Kamera in Position, um ihre Reaktion einzufangen. Die Schimpansen ließ der Rummel kalt, und Mama ging unbeeindruckt der Fellpflege nach oder schlief, bis sie mich mit einem Mal von selbst entdeckte oder durch mein Rufen auf mich aufmerksam wurde. Dann sprang sie auf und lief laut grunzend und hechelnd auf mich zu. Das alles wurde gefilmt, ebenso meine eigenen Reaktionen und die einiger anderer Schimpansen, die mich ebenfalls erkannten. Die Menschen, die Zeugen dieser Begegnungen wurden, waren stets beeindruckt von Mamas gutem Gedächtnis und ihrer Begeisterungsfähigkeit.

Auf den Hund gekommen

2 8   Fr a n s d e Wa a l

Ich hingegen habe mich bei den Dreharbeiten nie ganz wohl gefühlt. Zum einen ging dadurch etwas von dem Zauber verloren, der einem Wiedersehen mit alten Freunden innewohnt. Zum anderen konnte ich nie nachvollziehen, warum alle so erstaunt über Mamas Verhalten waren. Jeder, der Schimpansen kennt, weiß, dass sie über hervorragende Gesichtserkennungsfähigkeiten und ein langes Gedächtnis verfügen. Was also war an Mamas Freude, mich wiederzusehen, so besonders? Traute man exotischen Tieren keine Gefühlsäußerungen zu oder war man perplex, dass zwischen Vertretern zweier unterschiedlicher Primatenarten eine Bindung bestand? Wenn ich ein Jahr im Ausland verbringen und nach meiner Rückkehr bei den Nachbarn vorbeischauen würde, käme kein Kamerateam je auf die Idee, mich zu begleiten und unsere Reaktionen zu filmen: Ich klingele, die Tür geht auf und meine Nachbarn rufen »Hallo, da bist du ja wieder!« Würde das irgendwen beeindrucken? Dass Mamas Reaktion regelmäßig Erstaunen auslöste, macht deutlich, wie sehr der Mensch die emotionalen und geistigen Eigenschaften von Tieren unterschätzt. Wer die Intelligenz von Tieren mit großen Gehirnen erforscht, ist skeptische Reaktionen gewöhnt, besonders von Kollegen, die mit Ratten oder Tauben arbeiten, denn deren Gehirne sind deutlich kleiner als die von Primaten. In den Augen dieser Wissenschaftler sind Tiere instinktgesteuerte Reiz-Reaktion­s-Maschinen ohne Befähigung zu komplexem Lernen. Das ganze Gerede von Gedanken, Gefühlen und Gedächtnis geht ihnen auf die Nerven. Dass diese Haltung hoffnungslos veraltet ist, habe ich in meinem letzten Buch – Are We Smart Enough to Know How Smart Animals Are? (2016) – dargelegt. Jans Begegnung mit Mama wurde mit einer Handykamera aufgezeichnet. Das Video, unterlegt mit Jans emotionalem Kommentar, wurde im niederländischen Fernsehen ausgestrahlt. Die Zuschauer der populären Talkshow waren zutiefst berührt. Sie posteten lange Kommentare auf der Webseite des Senders oder schrieben di-

Wer weiß, ob sich eine Katze im Keller verkriecht, weil ihr klar ist, dass sie bald sterben wird? Vielleicht will sie ja ­einfach nur ihre Ruhe haben, weil sie geschwächt ist oder Schmerzen hat.

rekt an Jan. Viele berichteten, sie seien vor dem Fernseher in Tränen ausgebrochen. Sie waren erschüttert. Das lag zum einen an dem traurigen Kontext, denn Mama war in der Zwischenzeit gestorben. Eine wichtige Rolle spielte aber auch die Art und Weise, wie die alte Schimpansendame den Professor umarmte und seinen Nacken tätschelte. Viele Zuschauer waren regelrecht schockiert darüber, wie sehr dieses Verhalten ihrem eigenen ähnelte. Offenbar wurde ihnen zum ersten Mal bewusst, dass eine vermeintlich »menschliche« Geste in Wahrheit auch bei anderen Primaten selbstverständlich ist. Oft sind

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Franz Marc, Die weiße Katze, 1912 / akg-images

M a m a s l e t z t e U m a r m u n g   – A b s c h i e d v o n e i n e r M a t r i a r c h i n    2 9

es die kleinen Dinge, die uns unsere evolutionären Gemeinsamkeiten vor Augen führen. Diese Gemeinsamkeiten betreffen übrigens 90 Prozent der menschlichen Ausdrücke, von der Gänsehaut (dem Aufrichten unserer spärlichen Körperhaare bei Angst oder Erregung) bis hin zum Schulterklopfen, das unter Männern ebenso üblich ist wie unter männlichen Schimpansen. Das lässt sich immer im Frühjahr beobachten, wenn die Schimpansen nach einem langen Winter wieder ins Außengehege gelassen werden und sichtlich das Gras und die ersten warmen Sonnenstrahlen genießen. In kleinen Gruppen stehen sie bei-

sammen, umarmen sich und klopfen sich gegenseitig auf die Schulter. Die offensichtliche Verwandtschaft verleitet Menschen aber auch dazu, sich über andere Primaten lustig zu machen: Zoobesucher äffen ihre haarigen Vettern oft nach oder lachen über ihr Verhalten. Bei Vorträgen zeige ich häufig Videos von Affen, und egal, was sie tun – das Publikum biegt sich vor Vergnügen. Diese Belustigung rührt daher, dass wir uns im Verhalten der Tiere wiedererkennen. Sie hat aber auch etwas mit dem Unbehagen zu tun, das mit dieser Spiegelung einhergeht (…)

Auf den Hund gekommen

3 0   Fr a n s d e Wa a l

1835 wurde im Londoner Zoo ein männlicher Schimpanse vorgeführt, den man in einen Matrosenanzug gesteckt hatte. Als Nächstes wurde ein weiblicher Orang-Utan in einem viktorianischen Kleid zur Schau gestellt. Königin Victoria sah sich die Tiere an und machte aus ihrer Abscheu keinen Hehl. Sie konnte ihren Anblick kaum ertragen und empfand sie auf erschreckende und abstoßende Weise als menschlich. Diese Wahrnehmung war damals weit verbreitet und ist auch heute noch anzutreffen. Sie lässt sich nur so erklären, dass die Menschenaffen etwas über uns erzählen, das wir nicht hören wollen. Auch der junge Charles Darwin besuchte die Primaten im Londoner Zoo. Er stimmte der Königin zu, was die menschlich anmutende Erscheinung der Menschenaffen betraf, fand sie aber nicht abstoßend. Er war der Meinung, dass jeder, der den Menschen für überlegen hielt, in den Zoo kommen und sich eines Besseren belehren lassen sollte. Vermutlich spielten alle diese unterschiedlichen Reaktionen eine Rolle, als Jan im Fernsehen auftrat und erklärte, warum er seine alte Freundin Mama am Totenbett besucht hatte. Für ihn hatte diese letzte Begegnung nichts Erstaunliches, Schockierendes oder gar Belustigendes an sich. Er hatte lediglich das Bedürfnis verspürt, sich von Mama zu verabschieden. Dass sie (Jan und Mama) unterschiedlichen Spezies angehörten, war nicht so wichtig. Es war eine Beziehung zwischen zwei Mitgliedern verwandter Arten, die sich schon lange kannten und einander als Individuen respektierten (…) Obwohl Mama also in Gefangenschaft gehalten wurde, genoss sie ein langes Leben in ihrem eigenen sozialen Universum, in dem Schimpansen geboren wurden und starben, sich fortpflanzten, Machtkämpfe austrugen, Freundschaften schlossen, Familienbande pflegten und was sonst noch alles zu einem Schimpansenleben gehört. Möglicherweise verstand sie, dass Jans außergewöhnlicher Besuch in ihrem Nachtkäfig mit ihrem Zustand zusammenhing, aber ob sie ahnte, dass sie bald sterben würde, wissen wir nicht. Sind sich

Menschenaffen ihrer Sterblichkeit bewusst? Die Geschichte von Reo, einem jungen Schimpansen am Primaten-Forschungsinstitut der Universität Kyoto, spricht eher gegen ein solches Bewusstsein. Infolge einer Rückenmarksentzündung war Reo vom Hals abwärts gelähmt. Er konnte zwar essen und trinken, aber nicht seinen Körper bewegen. Er verlor immer mehr an Gewicht und wurde sechs Monate lang rund um die Uhr von Tierärzten und Studenten gepflegt, bevor er sich langsam erholte. Interessant ist, wie er auf seinen Zustand reagierte. Offenbar änderte die Lähmung nichts an seiner Einstellung zum Leben. Er trieb weiterhin seine Späße mit den jungen Studenten und bespuckte sie mit Wasser, wie er es schon vor seiner Erkrankung getan hatte. Er war vollkommen abgemagert, wirkte aber unbekümmert und zu keinem Zeitpunkt deprimiert. Oft gehen wir davon aus, dass Tiere wissen, was ihnen bevorsteht, etwa wenn wir Rinder auf dem Weg zum Schlachthof sehen, oder wenn sich ein Haustier kurz vor seinem Tod an einen ruhigen Ort zurückzieht. Das ist jedoch weitgehend unsere menschliche Projektion, die auf dem beruht, was wir wissen. Die Frage ist, ob Tiere das ebenfalls begreifen. Wer weiß, ob sich eine Katze im Keller verkriecht, weil ihr klar ist, dass sie bald sterben wird? Vielleicht will sie ja einfach nur ihre Ruhe haben, weil sie geschwächt ist oder Schmerzen hat. In Mamas Fall war allen klar, dass sie nicht mehr lange leben würde, aber wir werden nie erfahren, ob sie selbst wusste, wie es um sie stand.« Aus: Frans de Waal: Mamas letzte Umarmung. Die Emotionen der Tiere und was sie über uns aussagen. Aus dem Englischen von Cathrine Hornung (Original: Mama’s Last Hug) © 2019 by Frans de Waal. Klett-Cotta, Stuttgart, 2020, S. 24 ff. Dr. Frans de Waal, niederländischer Biologe und Primatenforscher, Professor für Psychobiologie an der Emory Universi�ty und Direktor des Yerkes National Primate Research Center in Atlanta (USA). © Catherine Marin

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Palliativversorgung für Tiere Tyler Carmack, Tammy Wynn, Coleen Ellis Die Internationale Fachgesellschaft für die Hospiz- und Palliativversorgung von Tieren (Inter� national Association for Animal Hospice and Palliative Care, IAAHPC) wurde 2009 von Dr. Amir Shanan und einer kleinen Gruppe von Ehrenamtlichen gegründet, die sich für die Verbesserung der Versorgung am Lebensende von Haustieren einsetzten. Die Mission der IAAHPC lautet: »Die IAAHPC fördert eine beschützende Versorgung1 von Tieren mit chronischen und/oder lebenslimitierenden Krankheiten, die die körperlichen, psychologischen und sozialen Bedürfnisse umfasst. Wir fördern die körperliche, emotionale und spirituelle Unterstützung der pflegenden Tierhalter*innen. Außerdem schulen wir die Hauptamtlichen und bringen die Forschung im Feld der Hospiz- und Palliativversorgung von Tieren voran.« Im Jahr 2013 brachte die IAAHPC die ersten Leitlinien zur Hospiz- und Palliativversorgung von Tieren heraus, die 2016 überarbeitet von der IAAHPC und der American Animal Hospital Association (AAHA) neu herausgegeben wurden. Die IAAHPC ist über die letzten elf Jahre langsam gewachsen mit mittlerweile mehr als 1100 Mitgliedern und Vertretern von acht Ländern. Die IAAHPC veranstaltet jährliche Kongresse, zuletzt mit mehr als 250 Teilnehmenden. Im Jahr 2020 wurde die Konferenz zum ersten Mal virtuell angeboten, was sehr gut angenommen worden ist. 2016 startete die IAAHPC ein zertifiziertes Fortbildungsprogramm für Tierärzt*innen und Veterinärtechniker*innen, 2018 ein solches Programm für Sozialarbeit in der Hospiz- und Palliativversorgung von Tieren. Mittlerweile haben mehr als 215 Teilnehmende diese Programme mit Zertifizierung abgeschlossen. Im Jahr 2019

hat die University of Pennsylvania School of Ve� terinary Medicine als erste tierärztliche Hoch�schule das IAAHPC-Curriculum zur Hospiz- und Palliativversorgung von Tieren als Wahlfach für die Studierenden angeboten. Zusätzlich zu den bahnbrechenden Fortbildungsmaßnahmen bietet die IAAHPC ihren Mitgliedern zahlreiche Vorteile durch die Vernetzung, durch eine Handreichung zum Marketing, ein Geschäftskreisprogramm und mehrere Prämienprogramme für Mitglieder. Seit 2009 hat die Zahl der tierärztlichen Hospizangebote in den USA, Kanada und mehreren anderen Ländern stetig zugenommen. Diese Angebote umfassen einen weiten Bereich von Einrichtungen, von ambulanten Diensten, die nur Hausbesuche machen, bis hin zu spezialisierten Tierkliniken. Manche dieser Einrichtungen bieten ein großes Leistungsspektrum an, mit Schmerztherapie, Vorsorgeplanung, Akupunktur und ganzheitlicher Medizin, Supportivversorgung, während andere sich auf das Angebot von Euthanasie in der häuslichen Umgebung beschränken. Die meisten Dienste arbeiten mit den örtlichen oder überregionalen Selbsthilfegruppen nach Verlust eines Haustieres und den tierärztlichen Sozialarbeiter*innen zusammen, um Beratung zur Trauerhilfe zu leisten, sowohl für die Phase der antizipatorischen Trauer wie auch für die trauernden Familien nach dem Verlust ihres Haustieres.

3 2   Ty l e r C a r m a c k , Ta m m y W y n n , C o l e e n E l l i s

IAAHPC

Dr. Tyler Carmack, bisherige Präsidentin der IAAHPC, gründete das Hampton Roads Veterinary Hospice in Virginia Beach im Jahr 2011. Sie berichtet, dass »die Familien so dankbar sind für unsere Anleitung, Fürsorge und unser Engagement für eine auf Wohlbefinden, Trost und Entspannung zielende Versorgung ihrer tierischen Gefährten. Sie haben oft das Gefühl, dass ihre Bedürfnisse und die ihrer Haustiere, die am Lebensende zunehmen, nicht von ihrem Tierarzt ausreichend berücksichtigt werden, und sind so dankbar, wenn sie an einen spezialisierten Dienst verwiesen werden. Unser Ziel ist es, dass die Familien ihre letzten Momente mit dem geliebten Freund ohne Bedauern verbringen können.« Der Bedarf an einer respektvollen und würdevollen Versorgung am Lebensende für die Haustiere steigt mit der zunehmenden Liebe zu Haus-

Theos »Bucket List«: Er wurde als ehrenamtlicher ­Polizeihund vereidigt

tieren in den USA. Im Jahr 2020 liegt der Anteil der Haustierbesitzer*innen an der Bevölkerung bei 67 Prozent, und 80 Prozent der Tierhalter*innen sehen ihre Haustiere als Familienmitglieder an. Die Ausgaben für Haustiere erreichen 2020 einen neuen Höchststand von 99 Milliarden Dollar, mit der Generation der Millennials als häufigste Tierbesitzer, dicht gefolgt von den Babyboomern. Die Medien zeigen, wie die Millennials die einflussreichste Generation im Land wird. Diese Generation der 16- bis 25-Jährigen steht gerade am Beginn ihrer Berufslaufbahn und des Erwachsenenlebens. Sie schlagen aber einen anderen Kurs ein als die Generation vor ihnen, indem sie erst mal nicht heiraten, sondern mit einem Partner oder einer Partnerin zusammenleben. Damit einher geht die Entscheidung, die eigenen Kinder erst später zu planen und stattdessen die Elternschaft in einer Testphase mit einem Haustier zu prüfen. Die Babyboomer erleben seit 10 bis 15 Jahren das Empty-Nest-Syndrom, nachdem die Kinder aus dem Haus sind, und auch sie suchen nach einer Möglichkeit, ihre Rolle als Versorger zu verlängern, indem sie die nächste Phase ihres Lebens als Haustiereltern gestalten. Die Medien haben fasziniert berichtet von den Maßnahmen, die liebende Haustiereltern in den letzten 15 Jahren in der Versorgung ihrer Tiere unternommen haben. Sie haben über das exponentielle Wachstum der Ausgaben für Haustierpflege berichtet sowie über die Art und Weise der Versorgung, die liebende Tierbesitzer*innen für ihre pelzigen Familienmitglieder auswählen. In dem Maß, in dem passend zu der Nachfrage der Babyboomer und der Millennials luxuriöse Angebote und Dienstleistungen auf den Markt kamen, steigt nun auch die Nachfrage dieser Gruppen zur Versorgung am Lebensende. Wenn man diesen Haustieren ein außergewöhnliches Leben bieten möchte, beinhaltet dies auch ein ebenso außergewöhnliches Lebensende. Als Gründerin des ersten nur auf Tierbestattungen spezialisierten Bestattungsinstituts in den

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Pa l l i a t i v v e r s o r g u n g f ü r T i e r e    3 3

schläfern im Hospiz beleuchtet wurde. Die viralen Geschichten im Internet handelten auch von den letzten Arrangements und den Beerdigungen der geliebten Tiere, als Antwort auf die Forderung der Tierliebhaber nach einem guten Ende einer schönen Lebensgeschichte Einer der Punkte, in denen die Hospiz- und Palliativversorgung von Tieren sich von denen von Menschen unterscheidet, ist, dass die schöne Lebensgeschichte hier zwei Arten einbezieht. Eine allgemeine Grundvoraussetzung der Hospizund Palliativversorgung ist eine breite Definition, in der die Behandlungseinheit nicht nur das unheilbar erkrankte Individuum, sondern auch die pflegende Familie umfasst. In der menschlichen Hospiz- und Palliativversorgung besteht diese Behandlungseinheit komplett aus Menschen. In der Hospiz- und Palliativversorgung von Tieren

IAAHPC

USA im Jahr 2003 hat Coleen Ellis diese Entwicklung eines höheren Bedarfs an Versorgung am Lebensende beobachtet. Zu jedem Aspekt in der letzten Lebensphase und nach dem Tod des Tieres haben die Familien die Weiterentwicklung der Angebote gesteuert. Das begann mit einem ambulanten Angebot von Tierärzt*innen, Haustiere direkt in ihrer häuslichen Umgebung einzuschläfern. Die nächste Stufe war die Forderung nach einer Hospizund Palliativversorgung, als die Familien die Entwicklung der Hospizversorgung nachahmen wollten, die sie für ihre menschlichen Angehörigen erlebt hatten. Mit den ersten Erfahrungen solcher Dienste kamen auch die ersten Berichte im Internet zur Erledigung letzter Dinge (»Bucket Lists«) und denkwürdigen letzten Spaziergängen mit Haustieren, mit denen das Sterben oder Ein-

Letzte Vorkehrungen für Judas

Auf den Hund gekommen

3 4   Ty l e r C a r m a c k , Ta m m y W y n n , C o l e e n E l l i s

ist das unheilbar erkrankte Wesen ein Tier und die pflegenden Angehörige sind Menschen. Dies bedingt ein interdisziplinäres Team mit einem speziellen Versorgungsangebot für beide Arten. Dieses Team umfasst den Tierarzt, die Tierarzthelferin, Sozialarbeiter*innen oder andere psychosoziale Therapeuten. Die für beide Seiten vorteilhafte Beziehung zwischen einem geliebten Haustier und seiner Familie kann eine kraftvolle Mensch-Tier-Beziehung entstehen lassen. Die Aussage »wer hat wen gerettet?« ist mehr als ein Stoßstangenaufkleber. Das menschliche Sein bringt Schmerz und Leid in all ihren Formen mit sich. Die menschlichen Mitglieder der Familie können mit emotionalen und psychischen Problemen kämpfen, einschließlich Depressionen, Suizidgedanken, Abhängigkeiten oder einem ganzen Bündel von Persönlichkeitsstörungen. Die unbedingte Liebe, die ein Haustier bietet, kann die durch solche Störungen bedingten Bedürfnisse abfedern, die sonst unbefriedigt blieben. Grundsätzlich sind also die Menschen von der Beziehung zum Haustier genauso abhängig wie die Haustiere dies vom Menschen sind hinsichtlich ihrer Versorgung. Einige Klient*innen geben kleinlaut zu, dass sie den Verlust ihres Haustieres viel schrecklicher empfanden als den Verlust eines menschlichen Familienmitglieds. Selbst eine »gesunde« Familie, die nur wenige der aufgelisteten psychischen Gesundheitsprobleme hat, kann durch die Diagnose einer unheilbaren Erkrankung ihres Haustieres tief verstört werden. Wenn das Haustier letztendlich eine intensive Versorgung zur Symptomkontrolle braucht, kann sich die Beziehung sogar noch intensivieren, was sowohl den antizipierten wie auch den tatsächlichen Verlust noch schwerer erträglich macht. Die Fähigkeiten eines in der Hospiz- und Palliativversorgung von Tieren ausgebildeten Sozialarbeiters oder einer Psychotherapeutin im Team kann in solchen Situationen einen großen Unterschied machen. Die emotionale Unterstützung und der Hinweis auf Res-

sourcen, mit denen der menschlichen Familie vor, während und nach dem Verlust geholfen werden kann, ist ein wesentlicher Teil ihrer Kompetenz. Wie schon beschrieben betont die IAAHPC die Bedeutung der interdisziplinären Teamarbeit und bietet ein einzigartiges Schulungsprogramm an, um Sozialarbeitern dieses neue Arbeitsfeld nahezubringen. Die neu gewählte IAAHPC-Präsidentin Tammy Wynn ist Vorsitzende des Zertifizierungsprogramms für Sozialarbeiter. Als Referentin teilt sie ihr umfassendes Wissen und ihre Erfahrung sowohl als Tierarzthelferin wie auch als Sozialarbeiterin in diesem neuen Arbeitsfeld. Mit dem menschlichen Hospiz als richtungsweisendem Polarstern gründete sie 2010 ihr Tierhospiz Angel’s Paws (»Engelspfoten«). Ihre Einrichtung ist ein Spiegelbild der menschlichen Hospizversorgung mit einem Angebot zur häuslichen Rundum-die-Uhr-Versorgung für das Tier und seine Familie mit vollständigem interdisziplinären Team. Die mehr als 10.000 Familien, die diesen Dienst in den letzten zehn Jahren in Anspruch genommen haben, zeugen für den steigenden Bedarf der Tierbesitzer*innen nach einem bedeutungsvollen letzten Geschenk für ihre Haustiere, die ihnen so viel gegeben haben. Für sie ist die Palliativversorgung, die Lebensqualität erhält und einen sanften Übergang zu der Regenbogenbrücke ermöglicht, ohne Stress und mit dem Komfort des eigenen Heims, das bestmögliche Geschenk. Aus dem Amerikanischen von Lukas Radbruch Website: https://iaahpc.org Tyler Carmack war 2020 Präsidentin des IAAHPC (International Associaton for Animal Hospice and Palliative Care), Tammy Wynn ist Präsidentin im Jahr 2021 und Coleen ­Ellis ist Geschäftsführerin. Anmerkung 1  Der englische Begriff »Comfort Care« bildet ein Pflegekonzept zur Förderung von Wohlbefinden, Trost und Entspannung ab.

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»Multispecies Mourning« – Die Trauer um nichtmenschliche Tiere

Pascal Marcel Dreier

Claudia Paganini

An einem kalten Novemberabend des Jahres 2016 durchschreitet ein Trauerzug von rund 130 schwarz gekleideten Menschen die Züricher Badenerstraße. Sie tragen Kerzen mit sich, gedenken schweigend der Toten. Ihr Ziel ist der nahe gelegene Schlachthof. »Wir trauern im vollen Bewusstsein, dass viele (…) unsere Trauer nicht ernst nehmen oder uns als Spinnerinnen und Spinner ansehen werden«, wird einer der Redner später sagen. »Aber wir fin-

den eben nicht, dass die Spezies darüber entscheidet, wer Trauer verdient.«1 Trauer, die den Bereich des Privaten verlässt, zum öffentlichen Ereignis wird, zur Irritation – all das sind Facetten, die sich in der Institution der antiken Klageweiber ebenso finden lassen wie in literarischen Quellen – etwa den biblischen Klageliedern oder der »Antigone« des Sophokles –, aber auch in den Social-MediaBeiträgen der Gegenwart.

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Trauer und Protest

Pascal Marcel Dreier

Trauer ist vielfältig. Sie ist ein elementares Gefühl, das bei Abschied, Trennung oder Verlust, nach erlittenem Unrecht oder Gewalt, beim Erleben von Verletzlichkeit auftritt. Trauer macht passiv und ohnmächtig, setzt zugleich aber Energie frei, aktiviert Potenziale. Trauer ist etwas Persönliches, in gewisser Weise Intimes und hat doch auch eine

öffentliche Dimension, weshalb sie starker gesellschaftlicher Normierung unterliegt, etwa was die Frage der angemessenen Kleidung, der gemeinsam begangenen Rituale, die Art des Erinnerns oder ihre Intensität und Dauer betrifft (Hilpert 2017, S. 435). Dort, wo Menschen in einer ohnmächtigen Position mit Unrecht und Gewalt konfrontiert sind, birgt Trauer das Potenzial, Protest zu artikulieren und Veränderungen den Weg zu bereiten. So auch in der Tierrechtsbewegung. Anders nämlich als bei jener öffentlichen Trauer, die auf – von der Allgemeinheit als solche wahrgenommenen – Katastrophen folgt und bei der sich ein Kollektiv seiner gemeinsamen Werte zu vergewissern, die gefährdete Ordnung wiederherzustellen sucht, finden sich Menschen, die das Leiden nichtmenschlicher Tiere als moralisches Problem empfinden, in einer Welt wieder, die diesen Qualen gegenüber unempathisch und gleichgültig ist. Wenn sie in der Folge – wie eingangs geschildert – Zeichenhandlungen entlehnen, um damit sichtbar zu machen, dass in der MenschTier-Interaktion tagtäglich Unrecht geschieht, das beendet, zumindest aber betrauert werden müsste, dann tun sie damit nur zum Teil etwas Neues. Denn von der bereits erwähnten literarischen Gestalt der Antigone bis in die Gegenwart waren Menschen damit konfrontiert, dass sie Gewalt, Tod und Leid bezeugen mussten, zugleich aber auch den Umstand, dass das Geschehene von der Gesellschaft nicht oder nur ungenügend wahrgenommen wurde. Häufig waren es dann die Mütter, Schwestern oder Ehefrauen von Opfern, die dagegen protestierten, dass Unrecht nicht angemessen geahndet wurde, dass Fehler, wie beispielsweise Justizirrtümer und die aus ihnen resultierenden Hinrichtungen Unschuldiger, nicht »berichtigt« wurden (Charman u. Savage 2009). Immer wieder hat ihre öffentlich gezeigte Trauer dazu geführt, dass Massenbewegungen losgetreten wurden, wie etwa im Umfeld der von den US-amerikanischen Medien als »Peace Mum« (Murray 2012) titulierten Cindy Sheehan, deren anklagende Frage »For what noble cause did my

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» M u l t i s p e c i e s M o u r n i n g «   – D i e Tr a u e r u m n i c h t m e n s c h l i c h e T i e r e    3 7

Bewertung von Trauer Im Kontext der Mensch-Tier-Beziehung dage­ gen gilt es, die Sensibilität für bestimmte Themen überhaupt erst zu wecken und neue Sichtweisen zu eröffnen. Setzt man sich nämlich mit der Frage auseinander, wessen Leben es wert ist, betrauert zu werden, zeigt sich, dass die gängige Praxis äußerst selektiv ist, und zwar auch, wenn – zur Veranschaulichung dieser These – der Fokus noch einmal auf das menschliche Leben gerichtet bleibt. Für die Opfer der Anschläge auf das World Trade Center etwa wurden groß angelegte Gedenkveranstaltungen inszeniert, die Tausende Kinder, die im darauf folgenden Irakkrieg getötet wurden, fanden hingegen kaum Erwähnung (Butler 2005). Vor diesem Hintergrund kann öffentliche Trauer auch als Mittel eingesetzt werden, auf ein Ungleichgewicht in Wahrnehmung und Wertschätzung hinzuweisen. Nicht selten sind die Akteure Künstler*innen, die in diesem Fall nicht von einer persönlichen Verlusterfahrung angetrieben werden, sondern auf einen Missstand hinweisen wollen, der von der Mehrheit nicht gesehen werden kann oder will. Häufig handelt es sich dabei um Tod, Gewalt oder Unrecht, die sich über längere Zeit vollziehen, also keine punktuellen Katastrophen darstellen, sondern andauernde Katastrophen, die in gewisser Weise alltäglich geworden sind und damit umso mehr unsichtbar.

findet aber nicht nur gegen andere Menschen, sondern auch gegen Tiere statt. Entgegen der in diesem Kontext gern geäußerten Kritik bedeutet es nicht, die Opfer von Terroranschlägen oder Kriegen mit Schlachtkälbern oder im Labor gequälten Kaninchen auf eine Stufe zu stellen, wenn man festhält, dass (auch) das Leid dieser fühlenden Lebewesen zählt, dass das Unrecht und die Gewalt, die Menschen ihnen antun, ebenfalls von Bedeutung sind. Das geschieht zum einen, wenn Tierrechtsaktivist*innen ihre Trauer als Protest inszenieren, indem sie an etablierte Trauerrituale anknüpfen, diese aufgreifen und verfremden, so wie beispielsweise im Begräbnisumzug für die Züricher Schlachttiere, in Mahnwachen für

Pascal Marcel Dreier

son die?« sich in wenigen Wochen zu einer tausende Menschen aktivierenden Antikriegskampagne entwickeln sollte. Was solche – als Protest artikulierte – Formen von Trauer aber von der Trauer der Tierrechtsaktivist*innen unterscheidet, ist der Umstand, dass der Wert des Verlorenen im ersten Fall gemeinschaftlich anerkannt wird.

Trauer nach Gewalt Gewalt, die beim Betrachten mit Entsetzen, Mitgefühl und Scham für die durch Unterlassen stillschweigend begangene Mittäterschaft erfüllt,

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­ abortiere oder sogenannten »Pig Vigils«. Bei L Letzteren geht es allerdings nicht allein um Trauer, sondern auch darum, den Schweinen den Transport zum Schlachthof zumindest insofern erträglicher zu machen, als ihnen, wenn die LKWs anhalten, Wasser angeboten wird. Die Trauer um die vom Menschen zu Millionen und Milliarden gequälten Tiere wird zum anderen aber auch von Künstler*innen sichtbar gemacht, wobei die Grenze zwischen Aktivismus und Kunst selbstverständlich nicht ohne weiteres zu ziehen ist. Orientierungspunkte könnten neben der Fremd- und Selbstzuschreibung das Ausmaß an Plakativität beziehungsweise Verfremdung sein, der Umstand, dass Aktivismus eindeutig ist und unübersehbar, künstlerische Intervention dagegen das Vordergründige zu meiden sucht. Trauer und Kunst Um ein solches Kunstprojekt handelt es sich bei der Installation »Multispecies Mourning«2, in der sich der deutsche Künstler Pascal Marcel Dreier fragt, wie er als Mensch, der auf den Konsum von Produkten verzichtet, die nur durch das Misshandeln von Tieren produziert werden konnten, inmitten einer Welt leben kann, in der genau das selbstverständlich zu sein scheint. Anstatt zu argumentieren oder Beweismaterial zu sammeln, wie hochentwickelte Tiere bei Transport, Mästung und Schlachtung wissentlich gequält werden, wählt er als Form des Sichtbarmachens von Unrecht und Gewalt die Trauer. Für seine Arbeit hat er die Knochen von Tieren gesammelt, die mit dem Fleischkonsum seiner Partnerin in Zusammenhang standen, und diese erst zu Knochenasche, anschließend weiter zu einer Porzellanurne verarbeitet. Die Urne als Symbol der Trauer setzte er dann im Rahmen verschiedener Ausstellungen in Beziehung zu Knochenfragmenten sowie Bildern vom Entstehungsprozess, um damit auf die Ambivalenz der modernen Gesellschaft in ihrem Verhältnis zu Tieren als Objekten der industriel-

len Produktion einerseits und der emotionalen Nähe andererseits hinzuweisen. Die (öffentliche) Trauer um nichtmenschliche Tiere kann also als Chance verstanden werden, jene Empathie wachzurufen, die jedes Kollektiv braucht, das humaner und nicht roher werden will. Denn Leid, das einem fühlenden Lebewesen zugefügt wird, ist eine Infragestellung der sozialen Gerechtigkeit, und wenn ein Kollektiv das nicht zu begreifen vermag, kann sichtbar gemachte Trauer ein Weg sein, auf verleugnetes Unrecht hinzuweisen. Trauer ist dann nicht bloß eine Emotion, sondern ein Statement, ein nonverbales Argument, das – obgleich bloß Zeichenhandlung – eine Position im Reich der Gründe einzunehmen vermag. Prof.  Dr.  Claudia Paganini, Studium der Philosophie und Theologie, lehrt und forscht derzeit als Professorin für Medienethik an der Hochschule für Phi­ losophie in München. Ihre Forschungs­ schwerpunkte sind Medizin-, Tier- und Umweltethik. Sie ist Mitglied der Ethikkommission der Medizinischen Universität Innsbruck (MUI) sowie der Kommission für Tierversuchsangelegenheiten des österreichischen Bundesministeriums für Bildung, Wissenschaft und Forschung in Wien. Kontakt: [email protected] Literatur Butler, J. (2005). Gefährdetes Leben. Politische Essays. Frank­ furt a. M. Charman, S.; Savage, S. P. (2009). Mothers for justice? Gender and campaigns against miscarriages of justice. In: The British Journal of Criminology, 49,6, S. 900–915. Hilpert, K. (2017). Trauer. In: Spiritual Care 6/4, S. 435–436. Murray, B. (2012). For what noble cause: Cindy Sheehan and the politics of grief in public spheres of argument. In: Argumentation and Advocacy, 49, 1, S. 1–15. Anmerkungen 1 https://tier-im-fokus.ch/medienmitteilung/trauerfeier_ schlachthof_zh_2016_2. 2  Der Langtitel der Kunstinstallation, den Dreier bei Ausstellungen wählt, um – bereits auf den ersten Blick – sichtbar zu machen, dass es sich nicht bloß um ästhetisch ansprechende Porzellanartefakte handelt, lautet: »Collecting Bones my Partner Consumes, Turning them into a Porcelain Urn«. Die Arbeit ist Teil der Serie »Multispecies Archaeology«, bei der es unter anderem um die Imagination eines Futur II geht: Wie werden wir gehandelt haben und wie werden wir aus der Zukunft auf unsere Handlungen blicken?

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Haben Tiere (auch) eine Seele? Wonach wir fragen (können), wenn wir diese Frage stellen

Heike Baranzke Ob auch Tiere eine Seele haben, ist eine nicht leicht zu beantwortende Frage. Das liegt zuvorderst daran, dass Seelen nicht sinnlich wahrnehmbar sind. Trotzdem bevölkern vielfältige Seelenvorstellungen die Kulturen. Zwar können wir über Seelen nichts wissen, wohl aber über die Vorstellungen, die man sich von ihnen gemacht hat. Die Antworten finden sich folglich nicht im naturwissenschaftlichen, sondern im geistes- und kulturgeschichtlichen Feld. Wer fragt, ob »auch« Tiere eine Seele haben, setzt offenbar voraus, dass Menschen Seelen­wesen sind, und will eruieren, inwieweit Menschen und Tiere etwas gemeinsam haben, das sie verbindet. Die skeptische Form der Frage unterstreicht die anthropologische Ambivalenz, denn die geistesgeschichtlichen Seelendiskurse hatten in der Vergangenheit überwiegend die Form anthropologischer Identitätsdiskurse. Das hat sich in der Gegenwart stark verändert. Folglich reflektiert die Frage sich stets wandelnde menschliche Interessen, deren Vergegenwärtigung prononcierter darüber nachzudenken erlaubt, warum die Frage auch heute noch interessiert beziehungsweise was sie über uns und unser modernes Leben verrät. Alteuropäische Seelenvorstellungen und das Mensch-Tier-Verhältnis Die Frage, ob auch Tiere eine Seele haben, erstaunt angesichts der Tatsache, dass sich im Lateinischen die Bezeichnung »Tier« (animal) von »Seele« (anima) herleitet. Weist doch diese etymologische Spur Tiere per se als beseelte Wesen, als entia animalia, aus. Wie es trotzdem zur skeptischen Infragestellung der Beseeltheit von Tieren

kommen konnte, kann ein ideengeschichtlicher Rückblick auf Grundzüge einflussreicher Seelenkonzepte der europäischen Geistesgeschichte verständlich machen. Platons vielschichtige, vor allem ethisch-politisch konnotierte Seelenlehre hat die Weichen für einen anthropologischen Identitätsdiskurs gestellt und auch die christliche Theologie stark beeinflusst. Im Dialog »Phaidon« sichert er der Menschenseele die Unsterblichkeit durch ihre immaterielle Geistigkeit, die sie in Gegensatz zu dem materiellen und daher vergänglichen Körper bringt. Die Geistigkeit zeigt sich für Platon in dem universalen Vermögen der Vernunft, mit der der Mensch alles zu erkennen und erinnernd zu bewahren vermag und sich kraft seiner im verkörperten Lebensvollzug erworbenen Erinnerungen individuiert zu einer unverwechselbaren moralischen Identität und Persönlichkeit. Diese entscheidet über die Art der erneuten Verkörperung seiner Seele. Mit der Bindung der unsterblichen Seele an die Vernunft hat Platon Subjektphilosophie, Ethik und Theologie mit einem problematischen Intellektualismus versehen, der dazu geführt hat, dass die in der Stoa geradezu sprichwörtlichen »vernunftlosen Lebewesen« (griech. zoa aloga) aus jeder individuellen Heilshoffnung – sowohl aus der religiösen auf jenseitige Erlösung als auch aus der moralischen auf diesseitige Gerechtigkeit – ausgeschlossen worden sind. Tiere und sogar Pflanzen galten zwar bis zur frühen Neuzeit als beseelt, hatten aber nicht als Individuen, sondern nur qua Arterhaltung an der Unsterblichkeit teil. Aristoteles hielt am Intellektualismus seines Lehrers fest, milderte jedoch dessen Körper-

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Seele-­Dualismus durch sein integrativeres Konzept des Hylemorphismus, in dem Körper und Seele untrennbar aufeinander bezogen sind. Der biologisch interessierte Arztsohn fasste Seele als ein komplexes Vermögen, das als Lebensbewegungsprinzip Ernährung, Wachstum, Fortpflanzung, Sinnesempfindungen und rationale Operationen in den unterschiedlichen Körperwesen veranlasst. Nach dieser hierarchischen Vermögenspsychologie sind auch Pflanzen und Tiere beseelt, wenngleich nur mit den ihnen entsprechenden niedrigeren, vegetativen sowie sensitiven, Seelenvermögen. Der Mensch verfügt in dieser Konzeption neben den pflanzlichen und tierischen zusätzlich über die rationalen Seelenvermögen. Schon Aristoteles interpretierte seine protobiologisch gedeuteten Seelenvermögen in seinen zoologischen Schriften »physiologisch« und »medizinisch« – eine sich vermittels der arabischen und christlichen Aristoteles-Rezeption im Mittelalter bis in die Neuzeit fortführende Entwicklung, aus der René Descartes am Ende die philosophisch-mechanistische Konsequenz zieht: Da Tiere gemäß der platonischen Tradition über keine unsterbliche Geistseele verfügen, erklärt Descartes sie zu seelen-, empfindungs- und bewusstlosen Automaten, die nichts zu fürchten und zu hoffen haben. Der daraus hervorgehende physiologische Materialismus trieb im 19. Jahrhundert die Reste vitalistisch verpackter Seelenmetaphysik aus Biologie und einer empirisch gewordenen Psychologie aus. Sein Einfluss war noch in einem jegliches Tierbewusstsein ausblendenden Behaviorismus spürbar, gegen den Tierpsychologie und Tierrechtsbewegung noch im 20. Jahrhundert revoltierten. Die unsterbliche menschliche Geistseele, die Descartes noch als ein Bewusstseinsprinzip beibehalten hatte, wird schon bei John Locke zum assoziativen Selbstbewusstseinsstrom empirifiziert, der einer fortan introspektiv arbeitenden empirischen Psychologie als Objekt wissenschaftlicher Analyse dient.

Vom utopischen Potenzial der Frage nach der Tierseele Seit dem 17. bis zur Mitte des 20. Jahrhundert streiten Anti-Cartesianer und Anti-Behavioristen für die Empfindungs- und Bewusstseinsfähigkeit der Tiere – durchaus noch lange unter dem traditionellen Namen der Tierseele. Frühaufklärerische Metaphysiker und Theologen spekulieren nun auch, inspiriert durch Leibniz’ Monadologie, über eine individuelle Unsterblichkeit der

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H a b e n T i e r e ( a u c h ) e i n e S e e l e ?    4 1

ten aristotelischen Seelenstufenhierarchie entdeckt das moderne Denken nun die entscheidende Seelenverwandtschaft zwischen Menschen und Tieren. Der moderne europäische Mensch wendet sich vom rein geistigen Jenseits ab und sucht sein Glück zunehmend im diesseitigen Empfindungsleben, das im ausgehenden 18. Jahrhundert als universales Menschenrecht der »pursuit of happiness« ausgerufen wird, auf das auch die frühe Tierrechtsbewegung im Namen der »stummen Kreatur« Anspruch erhebt. Wo dieses ver-

  Tierseele I

Heike Baranzke

Tiere und integrieren sie in die christliche Erlösungshoffnung. Zugleich entwickelt sich ein diesseitsorientiertes Interesse an der Empfindungsfähigkeit, die von Moral-Sense-Vertretern auch moraltheoretisch aufgewertet wird. Die inneren Empfindungen und Gefühle, die unter dem Einfluss der antiken intellektualistischen Affektkontrolle meist unter Irrationalismusverdacht standen, sind seit jeher ein Charakteristikum der anima sensitiva, der Tierseele. Auf dieser mittleren Ebene der al-

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wehrt wird, entsteht Leiden, und zwar bei Mensch und Tier. »Quäle nie ein Tier zum Scherz, denn es fühlt wie du den Schmerz!« lautet der Imperativ der philanthropischen Pädagogik. Auch Jeremy Benthams anti-cartesianisch zugespitzte tierethische Frage »Can they suffer?« zeugt von der Wende zum Gefühl. Konrad Lorenz’ Charakterisierung der Tiere als »Gefühlsmenschen« indiziert eine Beziehungsebene, von der nicht nur Haustierbesitzer*innen überzeugt sind, sondern auch längst die tiergestützte Pädagogik und Therapie gezielt Gebrauch macht. Insbesondere da, wo frühkindliche traumatisierende Gewalterfahrungen das Beziehungsvertrauen tief erschüttert haben, vermögen Beziehungen zu Tieren emotional stärkende Brücken in die menschliche Beziehungswelt zu bauen. Hundebesitzer*innen profitieren nicht nur gesundheitlich vom Bewegungsdrang ihrer tierischen Gefährten, sondern auch kommunikativ durch die beiläufigen sozialen Kontakte auf dem Spazierweg. Tiere haben Eisbrecherqualitäten. Auch in der Kinderbetreuung, der Altenpflege und der Trauerbegleitung können Tiere emotionale Beziehungsstiftungswunder, Stressreduzierer und Trostspender sein. Doch da, wo Tiere menschliche ­Beziehungen ersetzen, droht beiden, Menschen und Tieren, auf Dauer psychosozialer Schaden, weshalb es nicht nur Therapietiere, sondern auch zunehmend therapiebedürftige Tiere gibt. Denn die emotionalen Bedürfnisse von Menschen und Tieren differieren, so dass nicht wenige Haustiere unter emotionalem Missbrauch durch ihre Halter*innen leiden – ein Aspekt, dem verantwortungsvolle Tiertherapeut*innen mit regelmäßigen Ruhepausen zwischen den Einsätzen und dem Gewähren tierischer Spielgefährten ihrer Therapietiere Rechnung tragen. Tiere vermögen menschliche soziale Bedürfnisse nicht restlos zu befriedigen wie auch umgekehrt. Deshalb verlässt schon im uralten Gilgamesch-­Mythos der Tiermensch Enkidu seine tierischen Gefährten zugunsten tieferer menschlicher Beziehungen – wie auch der

Wolfsjunge Mogli in R ­ udyard Kiplings »Dschungelbuch« Jahrtausende später. Daher zeugt die misanthrope Bevorzugung des treuen Hundes vor dem untreuen Menschen eher von einem sozialen Scheitern als von der Erlösung des Menschen durch das Tier, und Mensch-Tier-Fried­höfe sind vielleicht eher Zeichen für die Einsamkeit des Alters als für lebendige Mensch-Tier-Beziehungen. Hier die Frage nach der Unsterblichkeit der Tierseele erneut zu stellen, würde dann die Einsamkeit in den Himmel hinein verlängern und wäre eine mehr als fragwürdige Hoffnung. Denn bei genauerer Betrachtung verbirgt sich hinter diesem Bild nicht nur eine sentimental-anthropozentrische Verlängerung der emotionalen Ausbeutung der Haustiere, sondern auch die Naturvergessenheit einer Utopie, in der sich neben Menschen lediglich Hunde, Katzen und vielleicht noch Kühe und Schweine tummeln – wie auf unserer Erde auch. So geträumt hat dann auch der Himmel ein Biodiversitätsproblem und die Erde keine Hoffnung. Dr. theol. Heike Baranzke hat in Bonn Theologie und Chemie studiert. Seit 2003 unterrichtet sie theologische Ethik an der Bergischen Universität Wuppertal. Daneben hat sie in diversen interdisziplinären Forschungsprojekten zu vielfältigen Grenzsituationen des menschlichen Lebens sowie zu ethischen Grundlagen der Mensch-Tier-­ Beziehung gearbeitet und publiziert. Kontakt: [email protected] Literatur Aristoteles (1979). Über die Seele. Werke, Bd. 13. Übers. v. W. Theiler. 5. Auflage. Berlin. Bentham, J. (1789/1828/1970). An introduction to the principles of morals and legislation. London. Descartes, R. (1637/1995). Abhandlung über die Methode des richtigen Vernunftgebrauchs. Stuttgart. Das Gilgamesch-Epos (1988). Hrsg. von W. von Soden. Stuttgart. Kipling, R. (2016). Das Dschungelbuch 1 & 2. Hrsg. und neu übersetzt von A. Nohl. Göttingen. Lorenz, K. (1982). Vergleichende Verhaltensforschung. Grundlagen der Ethologie. München. Platon (1959). Phaidon. Hrsg. von F. Dirlmeier. 2.  Auflage. München. Ingensiep, H. W.; Baranzke, H. (2008). Das Tier. Stuttgart.

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Eine Nase gegen Covid-19 Luca Barrett schiedenen Ländern, noch im selben Monat zu erforschen, ob Covid-19-Hunde ausgebildet werden können. Schnell vernetzten sie sich, um sich und ihre Länder übergreifend unterstützen zu können. Allen voran der französische Veterinär Professor Dominique Grandjean. Im Projekt Nosaïs hat er zusammen mit Kollegen seit März 2020 Methoden entwickelt, um Hunde auszubilden, die frühzeitig eine Covid-19-Infektion erkennen können. Covid-Hunde vor Gefahren schützen Bevor die ersten Hunde ausgebildet werden konnten, stellte er sicher, dass für die Hunde keine Gefahr besteht. Als noch kaum Informationen

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Chronische Überarbeitung, Burn-out, ständig am Limit. Seit der Coronapandemie machen Pflegekräfte in Krankenhäusern und Pflegeeinrichtungen Überstunden und leisten schwere körperliche Arbeit in umfangreicher Schutzausrüstung. Ständig müssen sie in der Angst leben, sich oder andere anzustecken. Tausende gaben auf und hängten ihren Job an den Nagel. Andere Helfer in der Pandemie haben vier Beine: Covid-19-Hunde. Zu Beginn der weltweiten Krise, im März 2020, befürchteten Experten, dass es nicht genügend Tests für die gesamte Bevölkerung geben könnte. Das brachte Hundetrainer*innen und Tierärzt*innen zum Nachdenken. Unabhängig voneinander begannen sie in ver-

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über das neuartige Virus bekannt waren, war das gar nicht so einfach. Niemand wusste anfangs, wie genau sich das Virus überträgt und was sicher wäre. Warten, ob irgendwann verlässliche Daten vorliegen, war nicht möglich. Die Pandemie schritt schnell voran und es schien, je länger gewartet würde, bis mit der Hundeausbildung gestartet würde, desto mehr Menschenleben würde es kosten. Deshalb leitete Grandjean von seinem reichen Wissen und der bisherigen Wissenschaft Thesen ab, die schlüssig schienen. Er begann ausschließlich Schweißproben von Covid-19-Kranken zu wählen, weil angenommen wurde, dass Schweiß die Flüssigkeit ist, die am wenigsten ansteckend ist (Wolfel et al. 2020; He et al. 2020). Der Veterinär war sich so sicher, obwohl damals noch keine direkten Beweise dafür existierten, dass er anderen Hundeausbildern stets riet, ausschließlich mit Schweißproben der Achseln zu arbeiten. Er nannte das Training mit Speichelproben einen Fehler. Inzwischen konnte diese Annahme bewiesen werden. Türkische Wissenschaftler um Bengi Arslan (Arslan et al. 2021) veröffentlichen im Februar 2021 im »Irish Journal of Medical Science« eine Studie, die belegt, dass im Schweiß von Covid-19-Positiven-Patient*innen kein SARS-CoV-2 gefunden werden kann. Die türkischen Forscher untersuchten 50 Patient*innen in einer Bildungspflegeeinrichtung und einem Krankenhaus. Sie desinfizierten die Haut mit einem Alkoholtupfer. Dann entnahmen sie Schweiß von der Stirn und den Achselhöhlen. Die Tupfer verblieben hierfür 30 Minuten auf der Haut der Patient*innen. Diese Proben legten sie in sterile 2-ml-Transportbehälter, die umgehend in das Mikrobiologische Labor für einen RT-PCRTest gebracht worden sind. In keiner der Proben wurde das Virus nachgewiesen. Gleichzeitig achtete Grandjean auf die Details. Für die Schweißproben, mit denen die Hunde arbeiten, verwendet er nur Baumwollgaze, weil davon ausgegangen wird, dass dieses Material eine Übertragung verhindert (Shi-Yan et al. 2020). Hinzu kommt, dass eine Studie zum

ersten SARS-Virus ergab, dass das Virus nicht länger als 24 Stunden auf Baumwollgaze überleben kann (Lay, Cheng und Lim 2005). Aus diesem Grund wurden frische Covid-19-Proben erst nach 24 Stunden den Hunden präsentiert. Zudem achtete Grandjean bei seiner Planung darauf, dass die Hunde den Proben nicht nahekommen. Durch einen Trichter auf dem Probenbehälter können Hunde die Probe zwar riechen, aber nicht direkt an ihr schnüffeln. Herausfinden geeigneter Hunde In einer ersten Studie erforschten Dominique Grandjean, Riad Sarkis, Jean-Pierre Tourtier und Clothilde Julien-Lecocq im Juni 2020, ob es Hunden überhaupt möglich ist, das SARSCoV2-­Virus zu erkennen. Denn bisher waren nur Fälle von Bakterien und anderen Erkrankungen bekannt, die Hunde nachweislich bemerken konnten. Außerdem gingen einige Expert*innen davon aus, dass ein Virus keinen Eigengeruch trägt. Der einzige Hinweis, dass Hunde eventuell das Virus erschnüffeln können, lag in einer amerikanischen Untersuchung der Colorado State University und dem National Wildlife Research Center von 2018, in der Hunde das VogelgrippenVirus erschnüffelten. In der französischen Studie (Grandjean et al. 2020a) kam heraus, dass der Schweiß, der von Covid-­19-Betroffenen produziert wird, einen anderen Geruch hat als derjenige von Gesunden und Hunde diesen wahrnehmen können. Die Studie fand an drei verschiedenen Orten mit 18 Hunden statt. Aus drei Krankenhäusern nahmen Ärzte 198 Schweißproben unter den Achseln. Von den 18 Hunden zeigten sich nach ersten Probeläufen acht Hunde geeignet für das Training. Diese acht Hunde absolvierten jeweils 368 Durchgänge mit Proben. Vier Hunde konnten eine positive Probe mit einer Genauigkeit von 100 Prozent und die anderen Hunde zwischen 83 und 94 Prozent erkennen. Daraus schlossen die Wissenschaftler, dass Hunde in der Lage sind, infizierte Men-

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Hund als der Halter wussten nicht, wo die positive Probe versteckt war. Die Erfolgsrate der Hunde lag zwischen 76 und 100 Prozent. Diese Ergebnisse deuten darauf hin, dass Hunde eine Covid-19-Erkrankung zuverlässiger erkennen können als viele Antikörpertests, die teilweise nur eine Genauigkeit von 72 Prozent haben, wenn Erkrankte Symptome zeigen, und nur zu 58 Prozent richtig liegen bei asymptomatischen Menschen (Dinnes et al. 2021). Einsatzorte von Covid-Hunden Dominique Grandjean trug maßgeblich dazu bei, die Ausbildung von Covid-19-Hunden voranzutreiben. Mit seinem Trainingsplan bildete das Innenministerium der Vereinten Arabischen Emirate 39 Covid-19-Hunde aus, die zuerst am Flughafen in Dubai und inzwischen auch in Einkaufszentren, bei öffentlichen Veranstaltungen und in Wohneinrichtungen arbeiten. Auch im Libanon half der Franzose Covid-Hunde auszu-

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schen zu erkennen, weil der Schweißgeruch sich von dem Gesunder unterscheidet. Im Dezember 2020 folgte die Bestätigung der Ergebnisse von Dominique Grandjean et al. In einer weiterführenden Studie (Grandjean et al. 2020b) testeten sie, ob sechs ausgebildete Hunde Schweißproben von Covid-19-Erkrankten von denjenigen negativ getesteter Menschen unterscheiden können. An dieser Studie nahmen 177 Menschen (95 Covid-19-Kranke und 82 Menschen, die negativ auf das Coronavirus getestet wurden) aus fünf Krankenhäusern teil. Von jedem wurde eine Achselschweißprobe genommen. Jeder Hund erhielt ein bis drei Wochen Training. Ziel war, dass die Hunde die positiven Covid-19-Proben erkennen, die in jedem Durchlauf stichprobenartig in einer der drei oder vier Probenbehälter versteckt waren. In den anderen Probenbehälter befanden sich jeweils eine negative Covid-19-Probe sowie ein oder zwei leere Behälter. Jede positive Probe konnte maximal bis zu dreimal pro Hund verwendet werden. Sowohl der

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bilden, die am Flughafen arbeiten. In 41 Ländern von Covid-Hunden. Noch 2021 sollen möglichst werden derzeit Covid-Hunde eingesetzt. Nur sei- viele Besuchshunde ausgebildet werden, um den nem eigenen Land darf der Franzose bisher nicht kommenden Jahren eine starke Nase entgegenhelfen. Und das, obwohl sogar die Weltgesund- zusetzen. heitsorganisation (WHO) im November 2020 mit seiner Alfort Veterinärmedizinischen Schule eine Luca Barrett gründete 2008 das DeutKooperation eingegangen ist, um der Welt mit sche Assistenzhunde-Zentrum T.A.R.S.Q. und bildet seit 2011 AssistenzhundetraiCovid-19-Hunden helfen zu können.1 ner*innen aus. Inzwischen ist sie hauptDas französische Gesundheitsministerium sächlich als Fachautorin tätig und engagiert sich als Advokatin für die Rechte weigerte sich, die Erlaubnis zum Einsatz zu geben. von Assistenzhunden. Die Haltung der Regierung änderte sich nach der Kontakt: [email protected] letzten Studie von Grandjean. Die Politiker sahen ein, dass die Ergebnisse ebenso gut waren wie die PCR-Tests, die erst nach mehreren Stunden ver- Literatur Arslan, B.; Bercin, S.; Aydogan, S; Islamoglu, Y.; Dinc, B. fügbar sind. Hunde jedoch können das Ergebnis (2021). SARS-CoV-2 is not found in the sweat of COVID­19 positive patients. In: Irish Journal of Medical Science, nach Sekunden liefern. Im Mai 2021 stimmte das Feb12, 1–3. Ministerium dem Einsatz zu. Die ersten CovidDinnes,    J.; Deeks,    J. J.; Berhane,    S.; et  al. (2021). Rapid, Hunde werden voraussichtlich auf Großereignispoint‐of‐care antigen and molecular‐based tests for diagnosis of SARS‐CoV‐2 infection. In: Cochrane Database sen mit mehr als 1000 Menschen, die stattfinden of Systematic Reviews 2021, Issue 3. Art. No.: CD013705. können, wenn die Covid-Zahlen weiter sinken, DOI: 10.1002/14651858.CD013705.pub2. Accessed 21 June 2021. eingesetzt werden. Grandjean, D.; Sarkis, R.; Tourtier, J.-P.; Julien-Lecocq, C.; Jetzt träumt Grandjean davon, die französiet al. (2020a). Detection dogs as a help in the detection schen 300 Besuchshunde in Pflegeeinrichtungen of ­COVID-19: Can the dog alert on COVID-19 positive persons by sniffing axillary sweat samples? Proof-of-conund Altenheimen zu Covid-Hunden auszubilden. cept study. https://www.biorxiv.org/content/10.1101/2020 Diese Hunde sollen drei bis vier Monate Trai.06.03.132134v1. ning erhalten und anschließend regelmäßig Pfle- Grandjean, D.; Sarkis, R.; Lecocq-Julien, C.; et  al. (2020b). Can the detection dog alert on COVID-19 positive pergepersonal, Besucher*innen und Bewohner*insons by sniffing axillary sweat samples? A proof-of-concept study. In: PLoS ONE 15 (12): e0243122. nen testen. X.; Lau, E.; Wu, P.; et al. (2020). Temporal dynamics in Seine Studienergebnisse werden unterstützt He,viral shedding and transmissibility of COVID19. In: Nadurch eine Studie der deutschen Bundeswehr in ture Medicine, Apr15; 26, S. 672–675. Zusammenarbeit mit der Tierärztlichen Hoch- Jendrny, P.; Schulz, C.; Twele, F.; et al. (2020). Scent dog identification of samples from COVID-19 patients  – a pilot schule Hannover (Jendrny et al. 2020), eine finnistudy. In: BMC Infectious Diseases, 20, 536. sche Untersuchung der Universität Helsinki und Lay, M.; Cheng, P.; Lim, W. (2005). Survival of severe acute respiratory syndrome coronavirus. In: Clinical Infectious eine britische Studie.2 ­Diseases, 41, 7, S. 67–71. In Deutschland werden noch keine Covid-19-­ Shi-Yan, R.; Wen-Biap, W.; Ya-Guangh, H.; et al. (2020). Stability and infectivity of coronavirus in inanimate environHunde eingesetzt. Aber das wird sich in der Zuments. In: World Journal of Clinical Cases, Apr26; 8 (8), kunft ändern. Die Bundeswehr bildet gemeinS. 1391–1399. sam mit der Tierärztlichen Hochschule Hannover Wolfel, R.; Corman, V.; Seilmaier, M.; et al. (2020). Virological assessment of hospitalized patients with Covid-19. In: ­Covid-Hunde aus, die voraussichtlich bald bei Nature, April 1. Einlasskontrollen auf Großveranstaltungen arbeiAnmerkungen ten werden. 1  https://www.connexionfrance.com/French-news/WHOSeit März 2020 arbeitet das Deutsche Assisbacking-for-French-Covid-19-sniffer-dogs-tests. tenzhunde-Zentrum T.A.R.S.Q. im Netzwerk 2 https://www.lshtm.ac.uk/research/centres-projects-groups/ using-dogs-to-detect-covid-19#results. von Dominique Grandjean an der Ausbildung

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Der brave und der kluge Hans Ein Beitrag zur pferdegestützten Psychotherapie

Birgit Heintz Menschen und Pferde verbindet eine über sechstausend Jahre alte gemeinsame Kulturgeschichte. Pferde ermöglichten den Völkern, sich weit schneller zu bewegen und viel weiter auszubreiten, als es die eigenen Füße erlaubt hätten. Sie trugen den (männlichen) Menschen durch Schlachten und Kriege – fast drei Millionen Pferde wurden noch im Zweiten Weltkrieg von der deutschen Wehrmacht rekrutiert; das Leben der Soldaten hing am Leben ihrer Pferde, ihrer Schnelligkeit, ihrer Stärke, aber auch ihrer Treue und Bezogenheit. Mit ihrer Bereitschaft, den Menschen physisch und psychisch zu tragen, wurden sie nicht nur Sport- und Freizeitpartner, sondern auch therapeutische Wegbegleiter. • Zwei historische Entwicklungslinien führten zum Einsatz von Pferden in therapeutischen Maßnahmen. Zum einen entstand die Animal-Assisted Therapy (AAT) mit Beginn in den 1960er Jahren im angloamerikanischen Raum, sie wurde später auch unter dem Begriff der tiergestützten Therapie in Deutschland bekannt. Zum anderen entwickelte sich das Therapeutische Reiten, das auch die Hippotherapie als medizinischen / krankengymnastischen Zweig einschließt, seit den 1970er Jahren im deutschsprachigen Raum. • Während die tiergestützten Therapien und das therapeutische Reiten eher in (heil-)pädagogischen Arbeitsfeldern angesiedelt sind, etablierte sich die pferdegestützte Psychotherapie in der ambulanten Praxis als besondere Behandlungsvariante psychotherapeutischer Richtlinienverfahren. Die Arbeit mit dem Pferd als lebendigem Medium ist keine

neue Therapiemethode, sondern wird unter Einhaltung aller wesentlichen, verfahrensspezifischen Grundhaltungen in der Regel phasenweise, oder im Wechsel von Sitzung zu Sitzung, in die psychotherapeutische Behandlung in der Praxis integriert. Der brave Hans Meine eigene, persönliche »Pferdegeschichte« begann mit dem braven Hans, dem Pferd des letzten, kleinen bäuerlichen Betriebes in dem Dorf am Stadtrand von Köln, in dem ich aufwuchs. Nach der Kartoffelernte durfte ich auf ihm, der den schwer beladenen Wagen zum Hof zog, sitzen; immer, wenn er beim St. Martinsfest unseren Grundschullehrer im roten Mantel vor dem Laternenzug zu dem großen Feuer getragen hatte, durfte ich ihn durch die Nacht zurück zu seinem Stall reiten. Wenn Hans, ein ehemaliges Dülmener Wildpferd, nicht für den Bauern arbeiten musste, saß ich neben ihm im Stroh und erzählte ihm meine Sorgen, von denen es in dieser Zeit genug gab. Später radelte ich für mehrere Jahre nach (manchmal auch statt …) der Schule viele Kilometer bei Wind und Wetter zu einem Reitverein, wo ich mir mit täglicher Stallarbeit die Reitstunden verdiente und meine Pflegepferde versorgen durfte, die später zu Beritt- und Ausbildungspferden wurden. In der Königsdisziplin der Reiterei – dem Vielseitigkeitssport –, wo Pferd und Reiter neben Dressur- und Parcoursaufgaben einander in hohem Tempo über festen Hindernissen maximal vertrauen müssen, erlebte ich glückliche Jahre. Fast wäre ich beruflich bei der Reiterei geblieben, aber das Leben nahm andere Wendungen.

Franz Marc, Schwarzes Pferdchen, 1913 / akg-images

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Nach meiner analytischen Ausbildung am Züricher C.G.-Jung-Institut, den ersten Forschungsarbeiten zur Einbeziehung von Pferden, vor allem in Kinder- und Jugendlichenpsychotherapien, und den ersten sieben Jahren in eigener Praxis zog ich nach Niederbayern. Hier gab es eine ärztliche Kollegin mit einer ganz ähnlichen Biografie,

ebenso erfahren in der pferdegestützten Psychotherapie, aber deutlich mutiger im Umgang mit Traktoren, Mähwerken, Kreiselheuern und der eigenständigen Heuernte. Beide hatten wir dem Turniersport den Rücken gekehrt. 2003 führten wir unsere Erfahrungen und gemeinsamen Ideen auf der Hofstelle Kroed im Rottal zusammen. Uns

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verband eine therapeutische Grundhaltung, die dem einzigartigen, psychisch-seelischen Entwicklungspotenzial eines jeden Menschen allen Respekt zollt, und uns verband das gemeinsame Interesse an einer stets neu gestellten Frage: Was ist es im Wesen der Pferde, das heilsam auf die Seele der Menschen wirkt? Die Arbeit mit dem Pferd als psychotherapeutischer Übergangsraum Wenn wir mit unseren Patient*innen zu den Pferden gehen, begeben wir uns in einen Übergangsraum zwischen dem konkreten Raum unserer Praxis und der Außenwelt. Es ist eine Art potenzieller Raum, ein Ort des Erlebens, Erfahrens und Erkennens – im Beisein der Therapeutin und noch ganz im Schutz der therapeutischen Beziehung, aber doch bereits außerhalb des Praxiszimmers. Für viele beziehungstraumatisierte Menschen hat das Einbeziehen der Pferde die Bedeutung einer Brücke, über die sie den Schritt in eine Therapie wagen. Häufig ist es die Beziehung zu einem Therapiepferd, die ein Sich-Einlassen auf die Beziehung zu einer Therapeutin oder einem Therapeuten überhaupt erst ermöglicht. Die Pferde sind auf diese Weise Mittler, sie vermitteln zwischen Patient*in und Therapeut*in, sie triangulieren diese Beziehung in einem – in diesem Fall artübergrefenden – intersubjektiven Feld. Und es scheint, als sei es zumindest auch ihre Verletzlichkeit, ihre hohe, mitunter ängstliche Sensibilität, die sie als Fluchttiere schützt, durch die sich manche Patient*innen nah und vertraut fühlen, ihnen weit leichter vertrauen können als menschlichen Therapeut*innen. An der Schwelle zwischen Fantasie und Realität werden die Pferde selbst im Laufe solcher Therapieprozesse immer wieder zum Übergangsobjekt. Ein Übergangs­objekt ist in der psychoanalytischen Objekt­beziehungstheorie ein selbst gewähltes Objekt (zum Beispiel ein Kuscheltier), das den Raum zwischen Kleinkind und Mutter

(oder einer anderen nahen Bezugsperson) einnehmen und bei deren Abwesenheit überbrücken kann. Wünsche nach Bindung, Liebe und Beziehung können auf die Übergangsobjekte projiziert, aber auch mit ihnen realisiert werden. Wirksamkeitsforschung – Intersubjektivität und Empathie Wirksamkeitsstudien auf diesem Gebiet sind ebenso rar wie die Anzahl pferdegestützt arbeitender approbierter Psychotherapeut*innen. Jedoch wurden in den vergangenen Jahren immer wieder Einzelfallstudien und Praxisberichte veröffentlicht. In einer von uns durchgeführten qualitativen Studie zur tiefenpsychologisch fundierten beziehungsweise analytischen Psychotherapie mit dem Pferd untersuchten wir anhand semistrukturierter Interviews mit 16 Patient*innen und 6 Therapeutinnen pferdegestützte Therapieverläufe nach weitgehend abgeschlossenen Psychotherapien. Wir fokussierten in dem zugrundeliegenden Studienkonzept die subjektiven Wahrnehmungen beider Therapiepartner zu den Wirkungen und dem Einfluss der Pferde auf die psychotherapeutischen Prozesse. Und wir versuchten, über sich jeweils an die Interviews anschließende Imaginationen das Unbewusste ein Stück weit einzubeziehen und so das »Unsichtbare hinter dem Sichtbaren«, die Tiefendimension dieses hoch komplexen, zum Teil nonverbalen Interaktionsgeschehens zu erfassen (Heintz 2020; Heintz und Weiger 2020). Ohne die Ergebnisse der Studie an dieser Stelle referieren zu wollen: Neben der basalen, mitunter wiedergutmachenden körperlichen Erfahrung des Getragenseins in einem ganz umfassenden Sinne äußerten viele der befragten Patientinnen das Gefühl tiefen, wortlosen Verstandenseins durch die Pferde. Und sie berichteten, sich in der Nähe der Pferde wieder eingebunden zu fühlen in die Natur, wieder eins zu sein mit sich und der eigenen, inneren Natur.

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rungen im Oxytocin- und Cortisolsystem – das nonverbale Repräsentationssystem beziehungstraumatisierter Menschen bereichern und Aktualisierungen verankern können. Spiritual care Manchmal werden Pferde zu schwer kranken oder sterbenden Menschen gebracht – ein Beispiel ist Peyo, der mit seinem Besitzer Hassen Bouchakour von der Organisation »Les Sabots du Coeur« zwei mal im Monat Palliativstationen und Kinderkrankenhäuser in der Nähe von Calais in Frankreich besucht. Das Pferd hat gelernt, im Aufzug zu fahren, es trägt eine keimfreie Decke und wird vor seinen Krankenbesuchen jeweils mit einer aseptischen Lotion gewaschen. Peyo entscheidet selbst, in welche Krankenzimmer und zu welchen Menschen er gehen möchte! In Österreich ist der Lichtblickhof des Vereins e-motion um Roswitha Zink darauf eingerichtet, Palliativ-, Trauma- und Trauerbegleitung

https://youtu.be/qXn94K-3 l5o

Wie können Menschen sich von Pferden emotional »verstanden« fühlen? Verfügen Pferde über Bewusstsein, über empathische Fähigkeiten, über Emotionen? Die Geschichten und Erinnerungen der in unserer Studie interviewten Gesprächspartner*innen schienen die Annahme empathischer Fähigkeiten auf Seiten der Pferde zu bestätigen. Erkenntnisse aus Entwicklungspsychologie und Säuglingsforschung untermauern die Bedeutsamkeit intersubjektiver und interaffektiver Abstimmung für die Selbstentwicklung und die Bindungsfähigkeit. Ob und inwieweit die artübergreifende Verständigung, emotionale und körperliche Berührung und nonverbale Interaktionen mit Pferden defizitäre frühkindliche Interaktionen zwischen Säugling beziehungsweise Kleinkind und Bezugspersonen heilsam überwachsen können, sollte in zukünftigen Studien weiter untersucht werden. Alle bisherige Erfahrung lässt annehmen, dass positive Beziehungserfahrungen mit Pferden – auf neurobiologischer Ebene einhergehend mit Verände-

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Der kluge Hans Thomas Stephenson erinnerte in seinem Vorwort zur Buchpublikation unserer Pilotstudie an die Geschichte vom »Klugen Hans«, einem OrlowTraber, der zu Beginn des 20. Jahrhunderts von einem Herrn von Osten dem Publikum als rech-

nen könnendes Pferd vorgeführt wurde. Hans beantwortete die mathematischen Aufgaben seines Besitzers durch Klopfen mit dem Huf auf ein Tretbrett. Schließlich wurde eine Wissenschaftskommission eingesetzt, und das Rätsel wurde gelüftet: Hans beherrschte zwar nicht die Mathematik, konnte dafür aber feinste Nuancen in Mimik und Gestik des Herrn von Osten erkennen.  Voller Unverständnis reagierte die Wissenschaftswelt auf diesen »Betrug«, und – so resümiert Stephenson (2020, S. 10–12) – »damit waren die damals schon entstandenen Chancen für lange Zeit verspielt, die durch die Entdeckung der sensationellen Fähigkeiten des Pferdes entstanden waren: nämlich die Erkenntnis systematisch zu verfeinern und auszubauen, dass Pferde in viel souveränerer Weise unsere Mikrosignale entschlüsseln können, als menschliche Therapeut*innen auch nach langer Schulung es jemals können werden. (…) Hans, das Pferd, half letztlich uns allen – nach einer langen Zeit der Ignoranz gegenüber dem eigentlich interessanten Phä-

https://youtu.be/s0NoV_75RIA

mit Pferden und anderen Tieren für Kinder mit schweren Erkrankungen oder Behinderungen zu leisten. Standorte sind ein großes, an das Otto-­ Wagner-Spital in Wien angeschlossenes PferdeTherapiezentrum und ein Hof bei St. Pölten. Auch hier wird neben der pädagogischen und therapeutischen Arbeit zu den kommunikativen und Beziehungsangeboten der Pferde geforscht. Für die therapeutische Leitung und universitäre Anbindung zeichnet Prof. Dr. Thomas Stephenson, Sigmund Freud Universität Wien/Linz verantwortlich. Hier entstand der äußerst wertvolle Dokumentarfilm »Die heilende Sprache der Pferde« (Arte, 2011; https://youtu.be/f6NnND4lB84).

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nomen, das in der lächerlichen Empörung der Wissenschaft, dass das Tier doch nicht rechnen hat können, unterging –, immer tiefer einzudringen in das Geschenk der Möglichkeiten, das die Triangulierung durch das Pferd für Klient*innen und Therapeut*innen bedeuten kann.« Ausblick In unserer eingangs erwähnten Pilotstudie konnte gezeigt werden, dass die Einbeziehung der Pferde in die Therapien der interviewten Menschen mit katalytischen Wirkungen auf ihre therapeutischen Prozesse einherging. In einer von uns in Kooperation mit dem Deutschen Kuratorium für Therapeutisches Reiten (DKThR) und der SFU Linz geplanten Folgestudie möchten wir die gewonnenen Erkenntnisse vertiefen, diesmal jedoch pferdegestützte Psychotherapieprozesse von Beginn an begleiten. Wir freuen uns über die Unterstützung dieses kommenden Forschungsprojekts durch die Susan Bach Foundation Zürich, die Heidehof Stiftung und die Professor Dr. Heicke Stiftung. Da sich die (Selbst-)Erfahrungen mit dem Pferd auf der Ebene weitgehend vor- beziehungsweise nichtsprachlicher Resonanzprozesse ereignen, werden wir dem Bild im weitesten Sinne – gefilmten Bildern (Videodokumentationen der Stunden am Pferd), aber auch gemalten Bildern und anderen Gestaltungen – weit größeres Gewicht neben dem gesprochenen Wort einräumen. Damit schließen wir an das Forschungsinteresse einer der Stiftungsgründerinnen, Susan Bach (1902–1995), an. Ihre systematischen Studien von spontanen Bildern und Zeichnungen, besonders derjenigen schwerkranker Kinder, führten zu wesentlichen Erkenntnissen über sich darin ausdrückendes, zum Teil vorausweisendes »Wissen« um tiefe innere, psychische und psychosomatische Prozesse. Mit der universitären Anbindung der Folgestudie an die SFU Linz, Studiengang Psychotherapiewissenschaft, ist die pferdegestützte Psycho­

therapie in einer anerkannten Institution der Psychotherapieforschung angekommen. So hoffen wir, den wesentlichen Beitrag, den Pferde in der psychotherapeutischen Begleitung seelisch verletzter Menschen leisten können, auch gegenüber der Fachöffentlichkeit theoretisch fundieren und immer weiter wissenschaftlich untermauern zu können. Birgit Heintz ist Psychologische Psychotherapeutin in eigener Praxis für Kinder, Jugendliche und Erwachsene. Sie ist Dozentin am C.G. Jung Institut Zürich, Supervisorin und Lehranalytikerin am C. G. Jung Institut München und der Süddeutschen Akademie Bad Grönenbach und Mitglied der Fachgruppe Arbeit mit dem Pferd in der Psychotherapie (FAPP). Kontakt: [email protected] Literatur Bach, S. (1995). Das Leben malt seine eigene Wahrheit. Über die Bedeutung spontaner Malereien schwerkranker Kinder. Einsiedeln. Fachgruppe Arbeit mit dem Pferd in der Psychotherapie (FAPP), Deutsches Kuratorium für Therapeutisches Reiten e. V. (DKThR) (Hrsg.) (Bd. 1, 2005; Bd. 2, 2018). Psychotherapie mit dem Pferd – Beiträge aus der Praxis. Warendorf. Hanneder, S.; Papke, A. (2020). Das Pferdeprojekt der FU Berlin – Der Einsatz von Pferden als Medium in der Psychotherapie. In: Hauten, L.; Nölle, T.; Fenster, T. (Hrsg.): Siegfried Schubenz. Initiativen und Perspektiven (S. 163– 192). Göttingen. Heintz, B. (2018). Das Pferd als Symbol in Mythen, Märchen, Träumen und psychotherapeutischen Prozessen In: Fachgruppe Arbeit mit dem Pferd in der Psychotherapie (FAPP)/Deutsches Kuratorium für Therapeutisches Reiten e. V. (DKThR) (Hrsg.): Psychotherapie mit dem Pferd – Beiträge aus der Praxis, Bd. 2 (S. 169–189). Warendorf. Heintz, B. (2020). Empathie auf vier Hufen. Einblicke in Erleben und Wirkung pferdegestützter Psychotherapie Göttingen. Heintz, B., Weiger, M. (2020). Pferdegestützte Psychotherapie. Heilsame Wirkung auf die Seele. In: Deutsches Ärzteblatt PP, 6, S. 268–270. Heintz, B., Weiger, M. (2020). Pferdegestützte Psychotherapie. Ein neues Fachgebiet und zwei Pilotprojekte. In: Therapeutisches Reiten, 2, S. 28–34. Stephenson, T. (2020). Vorwort. In: B. Heintz, Empathie auf vier Hufen. Einblicke in Erleben und Wirkung pferdegestützter Psychotherapie (S. 9–12). Göttingen. Stern, D. (1992). Die Lebenserfahrung des Säuglings. Stuttgart. de Waal, F. (2011). Das Prinzip Empathie. Was wir von der Natur für eine bessere Gesellschaft lernen können. München.

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Tiergestützte Therapie im Hospiz Jen Barnes Die Diagnose und das Leben mit einer fortgeschrittenen oder terminalen Erkrankung kann zu vielen Veränderungen im Leben eines Patienten oder einer Patientin führen. Die Patient*innen müssen nicht nur mit den körperlichen Symptomen der Erkrankung zurechtkommen, viele berichten, dass sie auch einen Einfluss auf ihr seelisches Befinden hat. Sie merken, dass sie nicht mehr arbeiten können, und manchmal kostet es sogar viel Kraft und Überwindung, auch nur das Haus zu verlassen. Tiere können eine wichtige Rolle spielen bei der Suche nach unserem seelischen Gleichgewicht, wie viele Haustierbesitzer*innen wissen. Ob es nun unsere eigenen Hunde oder Katzen sind oder andere Tiere von einer örtlichen Hilfsorganisation oder einem Bauernhof in der Nähe: Das Streicheln eines Tieres verringert Stress und lässt uns ruhiger und glücklicher werden. Wegen dieses therapeutischen Nutzens sind die haupt- und ehrenamtlichen Mitarbeitenden des Phyllis Tuckwell Hospice immer bemüht, Tierbesuche für die Patient*innen zu organisieren. Das Hospiz kümmert sich in Farnham und in Beacon Centre in Guildford um Patient*innen mit fortgeschrittenen lebenslimitierenden Erkrankungen wie zum Beispiel Krebserkrankungen und um ihre Angehörige in den Regionen West Surrey und North East Hampshire. Das Phyllis Tuckwell Hospice bietet für die Patient*innen eine Versorgung am Lebensende und für die Angehörigen emotionale, spirituelle und praktische Unterstützung. Viele Patient*innen werden in der stationären Einrichtung betreut und können dort bleiben, bis die Symptome wie Schmerzen oder Übelkeit unter Kontrolle gebracht worden sind, und dann wieder nach Hause

zurückkehren. Andere bleiben dort für die letzten Lebenstage und werden rund um die Uhr von Ärztinnen, Pflegepersonal, Therapeutinnen und Seelsorgern versorgt. Insgesamt findet aber 85 Prozent der Hospizversorgung nicht im stationären Bereich, sondern in der häuslichen Umgebung statt. Der »­Living well«-Dienst unterstützt pro Jahr mehr als 800 Patient*innen und ihre Angehörigen dabei, mit der Krankheit zu leben, die krankheitsbedingten Veränderungen zu bewältigen, ihr Befinden zu verbessern und ihre Unabhängigkeit soweit wie möglich zu erhalten. Die Mitarbeitenden in der spezialisierten Palliativversorgung bieten ein breites Spektrum an Behandlungsangeboten zur Verbesserung des körperlichen, emotionalen und spirituellen Wohlbefindens. Im Tageshopiz können Patient*innen an drei Tagen in der Woche Pflege und Therapieangebote nutzen, sich bei einer Tasse Tee und Keksen unterhalten oder gemeinsam ein dreigängiges Mittagessen genießen. Viele der Patient*innen der stationären Einrichtung oder der Gäste von »Living Well« besitzen Haustiere. Wenn sie nicht in der eigenen häuslichen Umgebung versorgt werden, vermissen sie die Zeit mit dem geliebten Familientier. Aber es sind nicht nur diese Menschen, die einen der Tierbesuche genießen, den die Mitarbeitenden und Ehrenamtlichen von Phyllis Tuckwell Hospice organisieren. Viele Menschen lieben sowohl die regelmäßig geplanten wie auch die unerwarteten Besuche von einer ganzen Reihe von Tieren, darunter Hunde, Alpakas, Esel, Meerschweinchen und sogar ein Waldkauz. Therapiehunde (Pets as therapy = Haustiere als Therapie, PAT) lassen sich oft auf der Sta-

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Alle Fotos: Tuckwell Hospice

tion wie auch im ambulanten Bereich sehen. Die Besuche der Therapiehunde oder der Therapie­ katzen mit ihren Besitzer*innen in Pflegeheimen, Hospizen, Krankenhäusern oder Schulen können leicht über das PAT-Büro arrangiert werden, telefonisch oder über die Website. Diese Besuche sind umsonst, aber die Organisation braucht Spendengelder, um das Angebot aufrechtzuhalten. Der Nutzen dieser Tierbesuche bei den Patient*innen im Hospiz ist vielfältig, wie die Organisatorin Patricia erklärt: »Wir bringen Menschen zum Lächeln! Wir – oder genauer gesagt: der Hund oder die Katze, die wir ins Hospiz bringen – können oft einen Durchbruch erreichen, so dass die Menschen sich öffnen. Sie erzählen alles über die Haustiere, die sie mal hatten, und nach dieser Einleitung erzählen sie einfach weiter. Was ich am meisten höre, wenn ich mit meinem Hund zu Besuch komme, ist: ›Das ist das Beste, was mir passiert ist, seit ich hier-

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T i e r g e s t ü t z t e T h e r a p i e i m H o s p i z    5 5

hergekommen bin‹ – und das macht mir wirklich einen Kloß im Hals.« Die Therapiehund-Ehrenamtliche Penny stimmt ihr zu: »ich besuche das Hospiz jetzt schon seit mehreren Jahren mit meiner Therapiehündin Jenny. Sie ist ein gelber Labrador-Retriever-­Mix und sehr ruhig und gut trainiert. Wenn wir im Hospiz sind, geht sie zu jedem Patienten und legt ihren Kopf ruhig auf ihren Schoß für ein Streicheln. Die meisten Patient*innen lieben sie, weil sie sie ablenkt von den täglichen Problemen und eine beruhigende Wirkung auf sie hat. Sie gibt ihnen auch einen anderen Gesprächsstoff. Und für die Patient*innen, die ihr Haustier nicht mitnehmen konnten, ist sie ganz sicher eine zusätzliche Freude. Wir halten die Besuche bei jedem Patienten kurz und versuchen sensibel auf jede Situation einzugehen. Jenny hat die ideale Größe, weil sie groß genug ist, um ihren Kopf direkt auf das Bett zu legen, und oft reicht schon ein Blick in ihre großen braunen Augen, um ein Lächeln auf das Gesicht des Patienten zu bringen. Es ist wunderbar bereichernd, wenn wir eine solche Reaktion bekommen und wissen, dass sie jemanden aufgemuntert hat.« Neben den Therapiehunden haben die Patienten und Angehörigen im Phyllis Tuckwell ­Hospice auch schon mal Besuch von zwei Alpakas von einem Bauernhof in der Nähe, dessen Besitzer gefragt hatte, ob er sie mal mitbringen solle. Sie waren an der Leine, während sie das Tageshospiz und die Station besuchten, wo ein Patient kommentierte: »Die Alpaka-Therapie war ohne Zweifel der wesentliche Faktor zu meiner erfolgreichen Behandlung. Sie waren brillant!« »Alle Tierbesuche, die wir über das Jahr machen, helfen unseren Patienten«, sagt Caroline Rogers, die Managerin des stationären Bereichs. »Sie bringen so viel Freude, und haben auch noch eine entspannende Wirkung. Ein Tier zu streicheln ist sehr beruhigend und kann wirklich helfen, damit sich Patienten nicht gestresst oder ängstlich fühlen. Der Besuch der Alpakas ist etwas, das ich nicht vergessen werde. Einer der

­ atienten auf der Station war sehr depressiv und P wir hatten Mühe, eine Beziehung zu ihm aufzubauen. Als die Alpakas in seinen Raum kamen, lächelte er zum ersten Mal seit Monaten. Er war wie ausgetauscht – es bringt mich immer noch zum Weinen.« An Weihnachten hatte das Hospiz auch schon mal Besuch von einem Esel und einem Meerschweinchen von dem lokalen Verein Pony Pals, der eine festliche Stimmung für Patient*innen und Mitarbeitende gleichermaßen brachte. Mister Kipling, der Esel, wurde über die Station geführt und an das Bett der Patienten gebracht, wo er ruhig stehen blieb und sich streicheln ließ. Morris, das langhaarige Meerschweinchen, begleitete ihn und saß auf dem Schoß der Patienten, damit er gestreichelt werden konnte. Vor ein paar Jahren wurde die Station von einem hübschen Waldkauz namens Troy besucht, als ein Mitarbeiter des Falkenschutzverbandes in Andover ihn zu einem Patienten mitbrachte, der über fünf Jahre ehrenamtlich im Verband mitgearbeitet hatte. Der achtjährige Troy war daran gewöhnt zu reisen, da er oft für den Verband die örtlichen Schulen besuchte, wo über Naturschutz unterrichtet wurde, und war deshalb die Ruhe selbst im Hospiz. Vor jedem Tierbesuch muss ein eine Risiko­ bewertung durchgeführt werden. Die meisten Tiere bleiben während des Besuchs an der Leine und werden von Patient zu Patient geführt. Die Mitarbeitenden und Ehrenamtlichen prüfen erst einmal, wer froh ist über einen tierischen Besuch. Aber mehr Vorbereitungen sind nicht nötig, und so viel Gutes kann damit erreicht werden. Aus dem Englischen von Lukas Radbruch

Jen Barnes ist für Marketing und Öffentlichkeitsarbeit beim Phyllis Tuckwell H ­ ospice in Farnham und Guildford (GB) zuständig. Das Hospiz bietet erwachsenen Patient*innen mit einer fortgeschrittenen oder unheilbaren Krankheit und ihren Familien Unterstützung und Betreuung am Lebensende an. Kontakt: [email protected] Website: https://www.pth.org.uk

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Begleitung mit Greifvögeln – keine Kuscheltherapie Sigrun Müller Tiere spenden Trost durch Nähe Grundsätzlich eignen sich viele Tiere zum Einsatz in der Begleitung trauernder und krisenbeladener Menschen. Klassisch sind Haustiere, vor allem Hund, Katze und andere. Voraussetzung für solche Einsätze sind die Eignung der Persönlichkeit des Tieres und, im besten Fall, eine Ausbildung als Begleitteam von Mensch und Tier. Dennoch sollen in der Begleitung Trauernder oder Sterbender, in Hospizen und auf Palliativstationen, auch niedrigeschwellige Angebote wie der Einsatz von Besuchs- und Streicheltieren angeboten und keinesfalls gegenüber professionalisierten abgewertet werden. Gerade das Ehrenamt bietet hier einige Möglichkeiten, aktiv zu werden. Über die positiven Effekte solcher Einsätze lässt sich vieles sagen. Gerade im Haustierbereich, mit stark bindungsorientierten Tierarten, können ein Kontakt und Raum geschaffen werden, in dem es leichter fällt, Bedürfnisse und Affekte zu leben, die gegenüber Menschen aus Scham oder Angst vor Verletzung verborgen oder abgewehrt werden. Als Beispiel sei eine Witwe genannt, deren verstorbener Ehemann nicht nur als verlorener, geliebter Mensch betrauert wird, sondern auch als Erfüller vieler Bedürfnisse, die nun unbeantwortet bleiben. Dort kann ein zugewandtes Tier auch einmal Sozialpartner sein – beim gemeinsamen Spaziergang oder Frühstück. Manche Träne ist schon in dem Fell eines Tieres verschwunden, das nicht wertet, keine Gegenleistung fordert, verschwiegen und vertrauenswürdig ist. Fehlender menschlicher Körperkontakt kann etwas gemildert sein durch das Erleben von Nähe eines freudig Kontakt und Nähe suchenden Tieres.  Trost (und wo

er zu finden ist oder auch nicht) ist hier ein wichtiger Aspekt, den eine Begleitung thematisch aufgreifen kann. Gerade Menschen in vulnerabler Lage, die eher zu Misstrauen neigen, die vielleicht schon Erfahrung mit Ablehnung oder verletzenden »Ratschlägen« gemacht haben, können sich manchmal einem Tier leichter zuwenden als fremden Helfern, Behandlerinnen oder anderen Menschen. Ein schöner Effekt ist die Generalisierung einer erlebten Vertrauenserfahrung mit dem Tier auf den Begleiter, der den Kontakt ermöglicht und strukturiert. Nicht zuletzt eignen sich solche Begegnungen immer auch zur Reflexion über die beispielhaft genannten Themen wie Trost, Nähe, unbeantwortete Bedürfnisse. Tiere als kraftvolles Symbol … Der Raum kann aber auch zu weitergehenden Inspirationen hin geöffnet werden. Denn auch der Einsatz anderer Tierarten birgt zahlreiche Möglichkeiten zur Bewusstwerdung und vertieften Reflexion von relevanten Themen und Affekten in der Begleitung. Dazu sei beispielhaft der Einsatz von mit dem Menschen vertrauten Greif­vögeln genannt, wie er aus der Falknerei bekannt ist. Der Greifvogel hat einen mystisch-historischen Hintergrund und ist in jeder Kultur der Welt hochgeschätzt. Denken wir beispielsweise an den Adler als heiliges Tier der Native Americans, unseren Bundesadler oder das Wappentier ­Mohammeds. Nicht nur Kulturen, die zum Beispiel Hunde als unrein empfinden, werden durch die Arbeit mit Greifvögeln eher angesprochen und motiviert. Die Vögel faszinieren durch ihre Größe, ihre Kraft,

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ihre Eleganz und Unabhängigkeit, den freien Flug und ihre Existenz als Jäger bei gleichzeitiger Verletzlichkeit. Nicht zuletzt eignet sich der Einsatz von Greifvögeln auch aufgrund seiner Symbolstärke als Sinnbild der Seele des Menschen, der die irdische Gebundenheit verlässt, zur Reflexion über Diesseits und Jenseits, Trennung und Verbundenheit irdischer und geistiger Sphären, sofern der Klient oder die Klientin diesen Aspekt einbringen möchte. …   und ihre positiven Effekte auf Menschen Bindung und Respekt

S. Müller

Das behutsame Heranführen an Greifvögel kann bei Bindungsunsicherheit und Bindungsvermeidung und damit zusammenhängenden Verlustängsten hilfreich sein. Manche Klienten leiden unter ihrer Angst vor (zu viel) Nähe, gleichzeitig leben sie oder andere aus starker Verlustangst ein stark anklammerndes Verhalten in Partnerschaften und anderen Beziehungen. Im Umgang mit einem Greifvogel erleben sie, wie ein mit Wildheit, Freiheit und Unabhängigkeit assoziiertes Wesen Nähe zulässt und Vertrauen aufbaut und was es dazu vonseiten des Menschen braucht.  Das Tier steigt sodann vertrauensvoll auf den Handschuh des Klienten und wird zum Flug losgelassen. Nach einer Weile wird es freiwillig wieder die Nähe des Klienten suchen und zu ihm zurückkehren. Der Klient kann sich mit der Persönlichkeit des wilden Tieres identifizieren und erleben, was es braucht, um Vertrauen und Nähe aufbauen zu können, ohne die Freiheit einzuschränken oder zu verlieren. Genauso erlebt er die freie Entscheidung des Tieres, diesen Zeitpunkt selbst zu bestimmen, und kann sich daran orientieren. Im Greifvogel begegnet die Klientin einem Wesen mit sehr anderen Bedürfnissen als denen eines herkömmlichen Haustieres. Die genaue Beobachtung des Vogels lässt verstehen, dass es Geduld, Ruhe und radikaler Achtung vor ihm

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bedarf, damit er Vertrauen aufbaut und Nähe zulässt. Manchmal heißt Respekt auch, es auszuhalten, dass dies nicht geschieht. Mancher Falkner wird bei der Erinnerung daran schmunzeln, wie er lange Zeit unter einem Baum verharrte, in dem sich der Vogel seelenruhig putzte und sonnte, bevor er sich entschloss, wieder herabzukommen. Der Klient kann sich somit auch eigener Unabhängigkeitswünsche bewusstwerden, sich selbst Respekt zu erweisen und seine Selbstwahrnehmung schärfen, welche Umgebung und Menschen ihm in solchen Momenten guttun. Auch wird er an sich und anderen beobachten, dass distanzlose, intensiv affektiv aufgeladene Kontaktaufnahme zum Gegenteil des erwünschten Beziehungsaufbaus führen kann und gegebenenfalls Rückzug des Gegenübers hervorruft. Auch kann dem Begleiter, der Begleiterin im Prozess des Vertrautmachens und Trainings wieder bewusst werden, wie viel Zeit und Einsatz es manchmal braucht, um eine Beziehung aufzubauen. Und er oder sie wird dieses Wissen der Klientin oder dem Klienten zur Verfügung stellen und Verständnis dafür zeigen, welche Herausforderung es für manche Trauernde bedeutet, in der schmerzhaften Verlusterfahrung neue Bindungen einzugehen. Das Einräumen von Zeit und das Erleben von Zuverlässigkeit sind entscheidende Aspekte. Wer kennt nicht das Beispiel des Kleinen Prinzen und die Zähmung seines Fuchses: »Die Menschen haben keine Zeit mehr, um etwas kennen zu lernen. Sie kaufen sich alles fertig in den Geschäften. Da es aber keine Läden für Freunde gibt, haben die Menschen keine Freunde mehr. Wenn du einen Freund willst, dann zähme mich.« Und zähmen bedeutet nichts anderes als sich anzunähern und vertraut zu machen. Selbstwirksamkeit Immer wieder kann im Kontakt mit trainierten Tieren der Moment von Selbstwirksamkeit erlebt werden. Es ist ein selten einprägsames Erlebnis, einen Greifvogel aus dem Freiflug hoch oben in

den Wolken zu sich auf den Handschuh rufen zu können. Gerade manche Trauernde erleben sich gegenüber Tod und Verlust besonders ohnmächtig und ausgeliefert. Manchmal erscheint das ganze Umfeld verändert, und der Kontrollverlust wird intensiv erlebt. Der Rückzug von bisherigen Freunden ist hier nur ein Bespiel. Wie wohltuend können dann Erlebnisse von Selbstwirksamkeit und Resonanz sein, und seien sie noch so klein. Natürlich unterstützt und bestenfalls erläutert durch den Begleiter, der sich dieses Aspektes von Trauer bewusst sein darf. Fazit Der vorgestellte Einsatz von Greifvögeln soll eine Anregung für die Begleitung und Beratung sein. Auch weniger spektakuläre, kleinste Einsätze sind Gesprächsöffner und Kontakthersteller (zum Beispiel die Schildkröte mit ihrem verletzlichen Inneren und ihrer harten Panzerung oder das Aquarium im Hospiz mit seiner Bedeutung für Menschen mit Liebe zum Meer). Ob in der Gruppe oder für sich allein lohnen sich folgende Fragen: • Welche Tiere sind niederschwellig erreichbar oder stehen zur Verfügung? (Neben den klassischen Tieren können dies auch mal der Streichelzoo, die Falknerei oder eigene Tiere wie Reptilien, Amphibien, Nager, Hühner, Bienen sein.) • Für welche Einsätze würden sie sich eignen, und welche Themen könnten über sie spezifisch behandelt werden? Hinweis: Es ist an die Abklärung des rechtlichen Rahmens für den Einsatz zu denken. Sigrun Müller studierte Diplompäda­ gogik mit Schwerpunkt Erwachsenenbildung und Sozialpädagogik und ist in Weiterbildung zur tiefenpsycholo­ gisch fundierten Kinder- und Ju­gend­ lichenpsychotherapeutin. Kontakt: [email protected]

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Helfer auf vier Pfoten Wie Diensthunde einsatzgeschädigten Soldaten in der Traumatherapie helfen

Christine Graef und Andrea Beetz Babsi (Name geändert) freute sich auf den Beginn der tiergestützten Therapie. Doch bei der Ankunft am Gelände der Schule für Diensthundewesen der Bundeswehr fühlte sie ihr Herz schneller schlagen und ein mulmiges Gefühl breitete sich in ihr aus. Die Sicht auf das Kasernengelände und die Soldaten in ihren grünen Kampfuniformen triggerten die Bilder von damals in ihr. Damals, das war der 07. Juni 2003, als ein Selbstmordattentäter ein mit Sprengstoff beladenes Taxi auf der Jalalabad Road in Kabul in einen Bus der Bundeswehr lenkte und zur Explosion brachte. Vier Soldaten verloren ihr Leben, 29 weitere wurden teils schwer verletzt. Babsi war als Ärztin der Bundeswehr mit als Erste vor Ort, in einer unübersichtlichen Lage, inmitten von Chaos, Verwüstung und Tod. Auch wenn sie als Notärztin schon viel gesehen hatte in ihrem zivilen Leben, übertrafen diese Bilder alles bisher Erlebte. Es waren die eigenen Kameraden auf dem Weg vom Camp zum Flughafen. Sie sollten aus dem Einsatz nach Hause verlegt werden. Die Bilder lassen Babsi seither nicht mehr los. Sie drängen sich tagsüber auf und nachts hat sie Albträume. Werden die Erinnerungen zu belastend, dissoziiert sie, die Seele »schaltet ab«. Menschenmengen meidet sie genauso wie Situationen, die sie an ihren Auslandseinsatz erinnern. Ihr Körper befindet sich in einem immerwährenden Alarmmodus. Hierbei fühlt sie sich kontinuierlich innerlich stark angespannt, das sogenannte »Hyperarousal«. Sie empfindet sich all dem gegenüber »hilflos

ausgeliefert«. Babsi leidet, wie ca. 3 Prozent aller deutschen Soldaten mit Einsatzerfahrung, an einer posttraumatischen Belastungsstörung (PTBS), wobei nur rund die Hälfte diagnostiziert wird.1 Der Sanitätsdienst der Bundeswehr startete 2015 in Kooperation mit der Schule für Diensthundewesen der Bundeswehr die Pilotstudie »zur Prüfung von Effekten therapiebegleitender, hundegestützter Interventionen während leitliniengerechter Psychotraumatherapie-­B ehandlung« (Beetz et al. 2019). Hierbei sollten mögliche ­Effekte der tiergestützten Therapie (TGT) mit gut sozialisierten und wesensüberprüften Diensthunden untersucht werden. Die Zuteilung der Teilnehmenden zu den Teams geschah im Vorfeld. Dazu wurden Steckbriefe der Diensthunde mit deren Eigenschaften angefertigt und die Teilnehmenden passend zugeteilt. In den Jahren zuvor veröffentlichte Studien zur tiergestützten Therapie mit Hunden, vor allem aus dem anglo­ amerikanischen Raum, ergaben gute Hinweise auf einen zu erwartenden therapeutischen Effekt. Als Teilnehmerin an dieser Pilotstudie betrat Babsi nun das Kasernengelände. Das Kennenlernen des ihr zugeordneten Diensthundeteams, bestehend aus einem Diensthundeführer und seinem Diensthund, hat sie in sehr guter Erinnerung. Durch den Anblick des Hundes habe sie sich gleich deutlich entspannter gefühlt, trotz der triggernden Umge­

Wassily Kandinsky, Zwei Schwarze Flecke, 1923 / Photo © Christie’s Images / Bridgeman Images

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PTBS-Patienten fühlen sich oftmals hilflos und ­werden ­schreckhaft. Sie leiden vielfach unter Albträumen, sich ­aufdrängenden und wiederkehrenden Bildern des ­traumatischen Erlebnisses LEID FA D E N   – FAC H M AG A Z I N F Ü R K R sowie I S E N , L EDissoziationen. I D, T R AU E R   H e f t  4  /  2 0 21

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bung. Zu Beginn habe sie sich im Rahmen der ersten Interventionseinheit, bei der Diensthundeführer, Diensthund und Studienteilnehmende die Möglichkeit haben sollten, sich besser kennen zu lernen, die veterinärmedizinische Klinik auf dem Gelände anschauen können. Die Tierbilder an den Wänden und die Hunde vor Ort hätten sie in dieser potenziell an ihre Arbeit erinnernden Umgebung deutlich abgelenkt und entlastet. Der Interventionsteil der Studie erstreckte sich über einen Zeitraum von vier Wochen. Hierbei verbrachten die Teilnehmenden einmal wöchentlich drei Stunden Zeit mit dem zugeteilten Diensthundeteam an der Schule für Diensthundewesen. Fester Bestandteil der Interventionen bildete jeweils ein aktivierendes Modul, indem sich die Studienteilnehmenden mit den Hunden in Bereichen wie beispielsweise Agility, Unterordnung oder Suche ausprobieren konnten. Hierbei konnte das Diensthundeteam individuell auf die Bedürfnisse und Vorlieben der Studienteilnehmenden eingehen, während Aktivität und Pausen sich abwechselten. Babsi fand großen Gefallen daran, mit dem Diensthund Fährtenarbeit zu absolvieren und sich insgesamt mehr über die Ausbildung von Hunden beibringen zu lassen. Sie sei fasziniert gewesen, wie zielsicher der Hund die vorher gelegte Fährte aufgenommen und das Ziel gefunden habe. Das Aktivierungsmodul sollte helfen, durch die gemeinsame Interaktion im Team das Vertrauen der Studienteilnehmer zum Diensthund sowie zum Diensthundeführer aufzubauen. Babsi profitierte zudem von der körperlichen Aktivierung, die ihre ständige innere Anspannung etwas zu verringern vermochte. Zudem fühlte sie sich im Gegensatz zu einer regulären psychotherapeutischen Intervention in einer aktiveren Rolle und somit dem Gegenüber, hier dem Diensthundeführer, nicht »hilflos ausgeliefert«.

Im Anschluss an das Aktivierungsmodul folgte jeweils eine Entspannungseinheit. Hierbei konnten sich die Studienteilnehmer zum Beispiel um die Fellpflege kümmern, die Hunde füttern oder einfach nur die Interaktion mit dem Hund durch Streicheln und Kraulen des Fells genießen. Babsi half das Streicheln und Kraulen des Hundes in Triggersituationen, sich besser entspannen zu können, und es half gegen ihre immerwährende Traurigkeit über das erlebte Einsatzgeschehen. Der Hund habe ihr, wenn er sie anschaute, geholfen, den »Realitätscheck« durchzuführen. Das Taktile habe ihr geholfen, bei Flashbacks und drohenden Dissoziationen im »Hier und Jetzt« zu bleiben sowie Anspannung zu reduzieren. Die Interaktion mit dem Hund sei ihr insgesamt eine große Hilfe gewesen. Wissenschaftlich betrachtet wirkt der Kontakt zum Hund über mehrere Mechanismen positiv auf Patienten und Patientinnen mit einem PTBS. Das ständig in Alarmbereitschaft befindliche Gehirn der Betroffenen sorgt über die kontinuierliche Aktivierung des Sympathikus für dauerhaften Stress und Anspannung. Die Patienten fühlen sich oftmals hilflos und werden schreckhaft. Sie leiden vielfach unter Albträumen, sich aufdrängenden und wiederkehrenden Bildern des traumatischen Erlebnisses sowie Dissoziationen. Darüber hinaus sind sie teilweise schnell reizbar, meiden Situationen, in denen sie Triggerquellen vermuten, und ziehen sich sozial zurück. Die taktile Interaktion mit dem Hund, das Kraulen und Streicheln, führt unter anderem zur Ausschüttung des »Kuschelhormons« Oxytocin, das das vegetative Nervensystem günstig beeinflusst. Oxytocin führt zur Aktivierung des Parasympathikus, dem Gegenspieler des Sympathikus. Dies reduziert die kontinuierliche Anspannung der Patienten. Es fördert die Verminderung von Stresssymptomen und die Reduktion von Angst. Zudem stärken die Interaktion mit dem Hund und die Konzentration

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anjajuli / photocase.de

Die taktile Interaktion mit dem Hund, das ­Kraulen und Streicheln, führt zur Ausschüttung des »­Kuschelhormons« Oxytocin, das das ­vegetative Nerven­­system günstig beeinflusst.

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auf ihn die Achtsamkeit der Patienten, wodurch es ihnen leichter fällt, im gegenwärtigen Augenblick zu bleiben. Intrusionen und Dissoziationen können somit durch den Kontakt mit dem Hund reduziert werden. Auch der Aufbau von Vertrauen zu anderen Menschen kann durch die Oxytocinausschüttung unterstützt werden. Hunde können zudem durch ihre Anwesenheit in der Rolle als »soziale Katalysatoren« Menschen dabei helfen, mehr zu kommunizieren, was in Kombination mit der Oxytocinausschüttung den Beziehungsaufbau fördert. Durch die Arbeit im Team mit dem Diensthundeführer auch im Aktivierungsteil wuchs Babsis Vertrauen zu Menschen, das seit den Ereignissen 2003 deutlich gelitten hatte. Sie lernte wieder, dass sie sich auf Menschen verlassen konnte. Insgesamt zieht Babsi, auch fünf Jahre nach der Studie, ein sehr positives Fazit und untermauert mit ihren Erfahrungen die in der Studie gewonnenen Ergebnisse. Als besonders prägend und positiv empfand sie den körperlichen Kontakt zum Hund. Sie erlebte, dass es ihr möglich wurde, durch Fokussierung auf den Hund besser im »Hier und Jetzt« zu bleiben. Zudem lernte sie wieder Vertrauen zu Menschen aufzubauen und empfand den Umstand, sich in der Interaktion mit dem Hund im Team in einer aktiven Rolle zu befinden, als äußerst positiv. Auch die körperliche Bewegung in der Interaktion habe ihr sehr gutgetan. Allerdings habe sie den Studienzeitraum von vier Wochen als zu kurz empfunden, da die Zeitspanne nach dem Aufbau des Vertrauens bis zum Abschied zu kurz gewesen sei. Dies spiegeln die Studienergebnisse wider, bei denen in den Fragebögen der vierten Woche ein Rückgang in Bezug auf die positive Beziehung zum Diensthundeführer zu verzeichnen war, im Sinne einer Art Abschiedstrauer. Retrospektiv habe ihr die Intervention gutgetan. Sie habe sich

nach den Einheiten jeweils deutlich besser gefühlt. Auch dies zeigt sich in Übereinstimmung mit den Ergebnissen der Studie, bei der das negative Befinden der Teilnehmenden jeweils vor und nach der Intervention gemessen wurde. Hierbei fand sich in allen vier Wochen eine Reduktion des negativen Befindens zwischen der Erhebung vor und nach der jeweiligen wöchentlichen Intervention. Seit Beendigung der Pilotstudie hat sich die TGT als kontinuierlich supportive Begleittherapie für PTBS-Patienten am Bundeswehrzentralkrankenhaus Koblenz etabliert. Das Angebot erfreut sich großer Beliebtheit. Die Patienten und Patientinnen profitieren von dieser Therapieform und das Feedback zeigt sich in Begleiterhebungen durchweg positiv. Eine weitere Studie zur TGT für einsatzgeschädigte Soldaten und Soldatinnen mit längerer Interventionsdauer ist daher bereits in Planung. Oberfeldarzt Christine Graef, Fachärztin für Anästhesie, Schmerztherapie, sechs Auslandseinsätze, ist derzeit in der Facharztausbildung Psychiatrie und Psychotherapie am Bundeswehrzentralkrankenhaus Koblenz, Klink VI – Psychiatrie und Psychotherapie. Kontakt: [email protected] Prof. Dr. Andrea Beetz, Dipl.-Psych., ist Professorin für Heilpädagogik und Inklusionspädagogik an der IU Internationalen Hochschule (Deutschland). Kontakt: [email protected]

Literatur Beetz, A.; Schöfmann, I.; Girgensohn, R.; Braas, R.; Ernst, C. (2019). Positive effects of a short-term dog-assisted intervention for soldiers with post-traumatic stress disorder – A pilot study. In: Frontiers in Veterinary Science, 6, 170, S. 1–14. https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pmc/articles/PMC6568034/ Ernst, C.; Schöfmann,I.; Beetz, A. (2016). Hundegestützte Intervention in der Therapie PTBS-erkrankter Soldaten – eine Pilotstudie: Wirkt der Helfer auf vier Pfoten? In: Wehrmedizin und Wehrpharmazie, 1. Anmerkung 1  https://www.bundeswehr.de/de/betreuung-fuersorge/ ptbs-hilfe/trauma-ptbs/statistik.

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Tiere unterstützen Trauerprozesse im Freiheitsentzug Theres Germann-Tillmann und Bernadette Roos Steiger In der Gesellschaft wird oft von »Kuscheljustiz« gesprochen, wenn es um besondere Angebote für Inhaftierte geht. Unsere Erfahrung zeigt, dass das insbesondere auch für die tiergestützten Interventionen gilt. Denn wer kriminell wird, hat in den Augen mancher Menschen das Recht auf solchen »Luxus« verspielt. Trotz dieser teilweise noch verbreiteten Haltung in der Bevölkerung haben Angebote für tiergestützte Interventionen im Freiheitsentzug in den vergangenen Jahren stark zugenommen, und deren positive Wirkungen auf die körperliche und psychische Gesundheit sind mittlerweile auch im Freiheitsentzug anerkannt. Welche speziellen Aspekte der Trauer gibt es bei Inhaftierten? Trauer betrifft den ganzen Menschen, emotional, sozial, körperlich, geistig und spirituell. Ein großes Spektrum des menschlichen Leids und der Trauer findet sich gerade bei Menschen im Freiheitsentzug: Ehepartner, welche die Scheidung einreichen, weil sie die Beziehung nach der Tat und der Verurteilung nicht weiterzuführen in der Lage sind. Trauer um den Verlust der Kinder, die keinen Kontakt mehr zum Inhaftierten wünschen. Trauer um den Verlust der Hoffnung, wenn ein Entlassungsgesuch abgelehnt wurde. Trauer um all das, was man in der Freiheit zurückgelassen hat: die Arbeitsstelle, die Wohnung, die Katze, das Auto, den Garten. Und natürlich Trauer um den Verlust der Freiheit. Hinzukommt, dass sich Menschen abwenden, Angehörige, Freunde. Besonders schwierig wird es, wenn die Betroffenen ein Sexualdelikt began-

gen haben. In solchen Fällen hält sich das Mitgefühl von Verwandten und Kollegen oft in Grenzen, und die Unterstützung liegt dann ganz in professionellen Händen. Viele Strafgefangene kommen aus Ländern, in welchen sie Krieg erlebt haben, oder sie haben auf der Flucht traumatisierende Erfahrungen gemacht. Sie haben in ihrer Heimat viel zurückgelassen und hier nicht das erhoffte »Paradies« gefunden. Und nicht zuletzt gründet die Trauer von Inhaftierten oft darin, sich schuldig gemacht zu haben. Wie geht ein Mensch mit dieser Bürde um? Wer trägt einen solchen Menschen mit, gibt ihm Kraft und Hoffnung, um die Umstände zu akzeptieren und weiterzuleben? Diese Fragen führen uns zu tiergestützten In­ ter­ventionen im Freiheitsentzug. Wie können Tiere im Freiheitsentzug Trauerprozesse unterstützen? Tiere begleiten, ohne dass es Worte braucht. Die Betroffenen müssen nichts erklären, nichts rechtfertigen, nichts beschönigen. Das Tier interessiert es nicht, was dazu geführt hat, dass ein Mensch im Freiheitsentzug ist. Das Tier lebt im Hier und Jetzt und fragt nicht nach Schuld oder Sühne. Tiere können Trost spenden und das Gefühl vermitteln, geachtet, geliebt und gebraucht zu werden. Sie geben Zuneigung und vermitteln, dass man gut ist, so wie man ist. Die folgenden Fallbeispiele ermöglichen ei­ nen konkreten Einblick in das Thema Trauer und tiergestützte Interventionen im Freiheitsentzug.

T i e r e u n t e r s t ü t z e n Tr a u e r p r o z e s s e i m Fr e i h e i t s e n t z u g    6 5

Der mittlerweile 56-jährige Herr S. fühlt sich seit der Jugend zu präpubertären Jungen hingezogen und hat sich wiederholt sexueller Handlungen an Kindern schuldig gemacht. Da Herr S. trotz jahrelanger Therapie rückfällig wurde, ordnete das Gericht schließlich eine Verwahrung an. Herr S. führt in der Justizvollzugsanstalt ein angepasstes und zurückgezogenes Leben. Er geht regelmäßig arbeiten, verbringt seine Freizeit jedoch allein in seiner Zelle und geht den Mitgefangenen aus dem Weg. Selten bekommt er Besuch von seinem Vater. Nach einem Besuch des Vaters hängt Herr S. in seiner Zelle Fotos eines Schäferhundes auf. Ein Vollzugsangestellter spricht Herrn S. darauf an. Der ruhige, verschlossene Mann beginnt heftig zu weinen. Er erzählt, dass es sich bei dem Hund auf dem Foto um Pollux, seinen Schäferhund, handle. Der Vater habe Pol-

lux zu sich genommen, nachdem Herr S. einmal mehr inhaftiert worden sei, und nun sei der Hund verstorben. Wie bei einem Dammbruch vertraut Herr S. dem Vollzugsangestellten all seinen Schmerz an: die große Trauer um den geliebten Hund, die quälenden Schuldgefühle, die Hoffnungslosigkeit, die erdrückende Scham. Es ist das erste Mal, dass er sich öffnet und seine Gedanken und Gefühle offenbart. Der Vollzugsangestellte nimmt die Not von Herrn S. auf und regt eine hunde­ gestützte Therapie an. Die tiergestützte Intervention mit  Therapiebegleithunden Einmal wöchentlich kommt eine Therapeutin mit ihrem Therapiebegleithund zu Herrn S. Dieser absolviert unter Anleitung der Therapeutin verschiedene Laufübungen mit dem Hund, macht Spiele mit ihm und genießt am Schluss auf einer Decke neben dem Hund sitzend das Streicheln und die Zuwendung. Im-

© Känel

Trauer und Schuld: Noldi S. 

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mer öfter kommt es vor, dass Herr S. während der tiergestützten Therapie Freude zeigt und spontan aus seinem Leben erzählt. Nach einigen Monaten erklärt sich Herr S. bereit, an der hundegestützten Gruppentherapie teilzunehmen. Nach anfänglicher Zurückhaltung bewegt er sich in der Gruppe zugewandt und entspannt. Die konkrete Wirkungsweise des Tieres Hunde bringen als Therapiebegleittiere im Freiheitsentzug viele Vorteile mit. Sie können fast überall eingesetzt werden, auch in einer geschlossenen Justizvollzugsanstalt, und begegnen den Gefangenen unvoreingenommen und sensibel. Der Therapiebegleithund und die Therapeutin ermöglichen Herrn S. einen regelmäßigen Kontakt von außen. Durch das Tier erfolgt eine Anknüpfung an sein früheres Leben, seine Tierliebe und seinen eigenen Hund. Das Therapiebegleittier befriedigt das Bedürfnis von Herrn S. nach Nähe und Körperkontakt, fordert ihn körperlich und mental bei den Übungen und Spielen und verhilft zu Momenten der Freude und Entspannung. Durch die Teilnahme an den Gruppensitzungen kommt Herr S. auf eine ungezwungene Weise in Kontakt mit Mitgefangenen und erlebt ein Gefühl der Zugehörigkeit. Zusätzlich kann er die Trauer über seinen verstorbenen Hund aktiv angehen.

Trauer und Einsamkeit: Sebastian Z.  Sebastian Z., 43 Jahre alt, verbüßt eine langjährige Freiheitsstrafe, nachdem er seine Ehefrau getötet hatte. Die drei gemeinsamen Kinder des Paares haben sich von ihrem Vater abgewendet. Nach einem mehrjährigen reibungslosen Vollzugsverlauf in einer geschlossenen Justizvollzugsanstalt wird Herr Z. in ein offenes Vollzugsregime verlegt. Der Psychologin der Justizvollzugsanstalt berichtet Herr Z.

von seiner tiefen Einsamkeit und der Sehnsucht nach seiner verstorbenen Frau. »Sie ist in meinem Kopf und in meinem Herzen immer bei mir«, teilt er mit. Herr Z. ist immer von einer tiefen Trauer erfüllt, welche in den Jahren kaum abgenommen hat. Herr Z. vertraut seiner Therapeutin an, dass er sich selbst seit dem Tötungsdelikt nicht mehr traut. Er hat den Eindruck, keine Verbindung mehr zu sich zu haben. Er fühlt sich vollkommen allein und gegenüber allem Lebendigen beziehungslos. Die tiergestützte Intervention mit Pferden Herr Z. erhält auf Initiative seiner Psychotherapeutin die Gelegenheit, an einer pferdegestützten Therapie teilzunehmen, welche auf einem Hof in der Nähe der Justizvollzugsanstalt angeboten wird. Mit der ruhigen und zutraulichen Freiberger Stute Nora beschäftigt er sich nun ein Mal pro Woche auf verschiedene Weise. Er holt sie von der Weide, putzt sie ausgiebig und führt sie auf dem Platz durch einen Parcours, welcher immer wieder unterschiedlich aufgebaut ist. In den Stunden, die Herr Z. mit der Stute Nora verbringt, wirkt er gelöst und konzentriert. Seiner Therapeutin erzählt er, dass er, wenn er beim Pferd ist, Gefühle spüren kann wie Wärme und Verbundenheit, dass er sich auch außerhalb der tiergestützten Therapie zeitweise weniger einsam fühlt und dass er wieder etwas Selbstvertrauen in seine eigenen Fähigkeiten gewonnen hat. Die konkrete Wirkungsweise des Tieres Zuneigung und Verbundenheit sind archaische Gefühle aller Säugetiere. Eine Freundschaft zwischen einem Menschen wie Sebastian Z. und einem Pferd wie Nora kann dazu beitragen, dass er im Hier und Jetzt eine bessere Selbstwahrnehmung entwickelt, Selbstwirksamkeit spürt und sich einem Lebewesen verbunden fühlt.

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Herr Z. konnte mit dem Pferd in Kontakt treten und eine Beziehung aufbauen. Er lernte, seinen Körper und seine Stimme gezielt einzusetzen, konnte durch die Kommunikation mit dem Pferd dessen Kooperation gewinnen und sich als selbstwirksam erleben. Dass die große und starke Stute ihm vertrauensvoll folgt, gibt ihm Selbstvertrauen.

Trauer und Suizid: Die Geschichte von Sanja B.  Die 27-jährige Sanja B. befindet sich im gerichtlich angeordneten stationären Maßregelvollzug. Im Rahmen eines Streits mit ihrem Partner hatte Frau B. diesem eine Weinflasche an den Kopf geworfen und die Wohnung in Brand gesteckt, nachdem der Partner sie verlassen hatte. Frau B. leidet sehr unter dem Beziehungsverlust. Sie verspürt oft eine große Traurigkeit

und Verzweiflung. Sie beschäftigt sich häufig mit ihrer Vergangenheit und allem, was sie verloren hat. In solchen Gefühlszuständen kommt es immer wieder zu Suizidgedanken. Eine tiergestützte Intervention wird eingesetzt, damit Frau B. Ablenkung von ihrem Gedankenkreisen erfährt, Verantwortung übernehmen kann und zu einer Neuorientierung angeregt wird. Die tiergestützte Intervention mit Hühnern Frau B. hat die Aufgabe übernommen, die zur Institution gehörenden Hühner zu betreuen. Sie ist verantwortlich für die Fütterung, die Säuberung des Stalls, das abendliche Schließen und morgendliche Öffnen der Tür sowie das Einsammeln der Eier. Sie hat dieses Ämtchen am Anfang nur widerwillig übernommen, fand aber die ihr angebotenen Alternativen noch schlechter. Anfänglich hat Frau B. wiederholt vergessen, am Abend das Türchen des Hühnerhauses zu schließen. Einmal ist ihr

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ein Ei auf den Boden gefallen, worauf sie mit einem lauten Wutanfall reagiert hat. Die erschreckten Hühner haben sich in eine Ecke des Geheges zurückgezogen. Frau B. hat begonnen, sich für die Hühner zu interessieren. Sie liest in den vom Personal zur Verfügung gestellten Fachbüchern, stellt Fragen und beobachtet die Hühner oft. Im Umgang mit den Tieren gibt sie sich große Mühe, sich ruhig zu verhalten. Sie hat einen Wecker eingerichtet, mit welchem sie an das Schließen der Stalltür erinnert wird. Die konkrete Wirkungsweise der Tiere Hühner sind keine Kuscheltiere. Geht es bei der tiergestützten Intervention um das Ermöglichen von körperlicher Nähe und Berührung, sind sie dafür nicht gut geeignet. Hühner eignen sich hingegen ausgezeichnet zur Förderung von Beobachtungsgabe, Wahrnehmungsfähigkeit, Verantwortungsgefühl, Disziplin und Zuverlässigkeit. Frau B. hat durch die Betreuung der Hühner gelernt, die Bedürfnisse anderer Lebewesen wahrzunehmen und die Verantwortung zu übernehmen. Sie zeigt eine verbesserte Selbstkontrolle. Wenn sie sich mit den Hühnern beschäftigt, treten ihre persönlichen Verlusterlebnisse in den Hintergrund. Zum Schluss Weil Trauer den ganzen Menschen betrifft, bietet sich die tiergestützte Intervention als ganzheitlicher Ansatz bei Inhaftierten besonders an. Tiere bedürfen keiner Erklärungen hinsichtlich Trauern und wirken dort, wo es die Strafgefangenen brauchen. Nicht unerwähnt bleiben soll, dass es auch im Freiheitsentzug selbst zu Trauer um den Verlust von Tieren kommen kann; sei es, weil die Betroffenen in eine andere Institution verlegt werden, sei es, weil Nutztiere, welche mitbetreut werden, verkauft oder geschlachtet werden. Zu einem be-

sonders schmerzlichen Verlust kommt es, wenn ein Therapiebegleittier stirbt. Dieser Trauerprozess muss eng begleitet werden, und Rituale, wie man sie nach dem Tod von Menschen kennt, können helfen. Eine Möglichkeit ist das Verfassen eines Abschiedsbriefs. Ein Klient einer der Autorinnen fasste seine Trauer und Dankbarkeit in folgende Worte: »Das Jahr war für mich ein Jahr mit vielen Emotionen von Glück und Trauer. Die Trauer ist in dem Sinne, dass ich meine 4 Therapiehunde verlor. Nala Fee, die mich gelehrt hat, dass man nicht alles auf dem Silbertablett serviert kriegt. Dann ist da noch Indira, sie hat mich die Verbindung, das absolute Vertrauen gelehrt. Ich habe durch sie vieles gelernt. Filia hat mich nur kurz begleitet, aber sie war auch ein wunderbarer Hund gewesen, da bin ich dankbar. Zum Schluss ist da Enzia, mein erster Hund. Sie hat mich ohne Verurteilung willkommen geheißen. Das werde ich nicht wieder vergessen: ihre Augen bei der ersten Begegnung.« Tiergestützte Interventionen sind immer in Ergänzung zu konventionellen Therapien anzuwenden. Sie sind eine Option, die innerhalb und außerhalb des Freiheitsentzugs noch zu wenig ausgeschöpft wird. Das Wohl und der Schutz des Tieres müssen dabei oberste Priorität haben. Theres Germann-Tillmann, Pflegefachfrau HF, Berufsschullehrerin Pflege WPI, Schulleiterin SRK, Fachfrau für Tiergestützte Therapie/Pädagogik und Beratung, ist mit Therapiebegleithunden in den Fachbereichen Psychiatrie, Freiheitsentzug, Pädagogik und Sozialpäda­ gogik tätig. Bernadette Roos Steiger, Fachärztin für Psychiatrie und Psychotherapie mit Schwerpunkt Forensische Psychiatrie und Psychotherapie FMH, ist im forensisch-psychiatrischen Bereich als Gutachterin und in der Behandlung von psychisch kranken Straftätern im Freiheitsentzug tätig; seit 2018 in eigener forensisch-psychiatrischer Praxis. Sie setzt tiergestützte Interventionen und Therapien im forensischen Kontext ein.

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Der Partner mit der kalten Schnauze Luca Barrett

Die Ausbildung zum Assistenzhund All diese Aufgaben hat er in einer zweijährigen Ausbildung gelernt. Jeder Assistenzhund wird gezielt für seinen Assistenzhundepartner ausgebildet. Gemeinsam mit dem Betroffenen erörtert der Assistenzhundetrainer zu Beginn der Aus-

bildung, welche Aufgaben der Hund ausführen sollte, um die Behinderung zu mindern. Neben einer Körperbehinderung helfen Assistenzhunde Kindern und Erwachsenen mit psychischen Erkrankungen, Epilepsie, Diabetes, Asthma, Narkolepsie, Schlaganfällen, Migräne, Autismus, Hörbehinderungen, lebensgefährlichen Allergien und Demenz. Im ersten Lebensjahr durchlaufen alle Assistenzhunde eine Grundausbildung. Diese hat auf den ersten Blick erst einmal nicht viel mit den späteren Hilfsleistungen zu tun, ist aber mindestens ebenso wichtig. Dort erlernen Junghunde die Grundkommandos und wichtige lebenspraktische Fähigkeiten, um später für ihren Partner, ihre Partnerin arbeiten zu können. Entscheidend für Welpen ist das Erlernen von Ruhe und Gelassenheit,

Deutsches Assistenzhunde-Zentrum T.A.R.S.Q /  Christiane Kremser

»Tür auf«, ruft die 53-jährige Elsa dem schwarzen Labrador zu. Elsa leidet unter einer chronisch-degenerativen Erkrankung des zentralen und peripheren Nervensystems, Amyotrophe Lateralsklerose (ALS). Samson ist ihr Vertrauter. Immer wieder blickt er zu ihr, um zu ergründen, ob er ihr helfen kann, und er freut sich, wenn er eine Aufgabe geschafft hat. Seine Fröhlichkeit ist ansteckend. Neben dem Öffnen und Schließen von Türen, bringt er ihren Gehwagen, hilft bei der Balance, schaltet das Licht an und aus und hebt heruntergefallene Gegenstände auf. All das fällt Elsa zunehmend schwerer mit dem Fortschreiten der Krankheit. Samson ist 24/7 bei ihr. Er hört auf den Tonfall ihrer Stimme, liest ihre Körpersprache und achtet auf den Verlauf ihrer Atmung. Er stellt sich ganz auf sie ein und stellt ihre Bedürfnisse vor alles andere. Mit seiner ganzen Persönlichkeit sagt der Assistenzhund: »Ich bin bei dir.« Neben seiner aktiven Hilfe unterstützt er seine Besitzerin auch in anderen Bereichen. Wie viele Betroffene mit ALS hat Elsa mit Depressionen und Angstzuständen zu kämpfen. Seit der Rüde in ihrem Leben ist, geht es ihr auch psychisch viel besser. Samson tröstet sie, wenn sie traurig ist, fordert sie zum Aufstehen auf und beruhigt sie, wenn sie Angst hat.

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offizieller Assistenzhund darf er seinen Menschen an jeden öffentlichen Ort begleiten, auch dort, wo sonst keine Hunde erlaubt sind. Verschiedene Ausbildungswege Deutsches Assistenzhunde-Zentrum T.A.R.S.Q / Christiane Kremser

was nur im ersten Lebensjahr erlernt werden kann. Wird dies versäumt, kann das dazu führen, dass der Hund später nicht als Assistenzhund arbeiten kann. Es wird viel Wert auf das Einüben der Frustrationstoleranz und Impulskontrolle gelegt sowie auf den sicheren Umgang mit Umgebungsreizen. Zusätzlich lernt der angehende Hilfshund sich in der Öffentlichkeit, etwa in Geschäften, angemessen zu verhalten. Dazu gehört, nicht zu schnüffeln und sich von nichts ablenken zu lassen. Nur wenn dieses Fundament zu Beginn des Arbeitslebens gelegt wird, wird der Hund später in allen Situationen stets freundlich und gelassen bleiben und die Aufgaben souverän durchführen. Am Ende der Grundausbildung steht die Gesundheitsuntersuchung für den Hund an. Stellt ein Tierarzt auch die notwendige gesundheitliche Eignung fest, sodass ein Einsatz keine Schmerzen verursachen würde, steht dem zweiten Teil der Ausbildung nichts im Wege. Jetzt ist es an der Zeit, die Hilfsaufgaben zu lernen, für die ein Assistenzhund bekannt ist. Je nach Aufgaben und Persönlichkeit des Hundes nimmt dieser zweite Teil noch einmal sechs bis zwölf Monate in Anspruch. Erst nach dieser vollständigen Ausbildung kann der Hund die staatliche Prüfung ablegen, die es seit 1. Juli 2021 in Deutschland gibt. Die Prüfung macht ihn zum Assistenzhund. Als

Menschen mit Behinderungen oder ihre Angehörigen können aus drei Optionen ihren Weg zum Assistenzhund wählen: • Selbstausbildung • Teil-Selbstausbildung • Fremdausbildung Während der Selbstausbildung lebt der Assistenzhund ab dem Welpenalter bei dem oder der Betroffenen. Meist hat der Hundehalter zuvor Kontakt zu einem Assistenzhundetrainer aufgenommen, der Würfe bei Züchtern testet, bis ein geeigneter Welpe gefunden ist. Manchmal hat derjenige jedoch bereits einen eigenen Hund, der vom Trainer auf seine Eignung getestet wird. Wie in einer normalen Hundeschule treffen sich Hund und Halter etwa wöchentlich zu Trainingsstunden mit dem Assistenzhundetrainer. Zwischen den Treffen bekommt der Besitzer Hausaufgaben, die er zu Hause mit seinem Hund übt. In der Selbstausbildung leitet der Trainer das Team an, das eigentliche Üben übernimmt der Halter selbst. Die Teil-Selbstausbildung kombiniert die Selbst­ausbildung mit der Fremdausbildung. Für Menschen, die aufgrund ihrer Erkrankung die Erziehung und Grundausbildung eines Welpen nicht leisten können, wurde die Möglichkeit geschaffen, die Grundausbildung dem Trainer zu überlassen und nur den zweiten Teil der Ausbildung zu übernehmen. Sie bekommen einen be-

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Deutsches Assistenzhunde-Zentrum T.A.R.S.Q /  Laurence Opp | AdActa Fotomomente

D e r Pa r t n e r m i t d e r k a l t e n S c h n a u z e    7 1

reits einjährigen Hund, der die Grundausbildung abgeschlossen hat. In Folge treffen sie sich, wie in der Selbstausbildung, für die restliche Ausbildung wöchentlich mit einem Assistenzhundetrainer. Wie die Bezeichnung bereits zum Ausdruck bringt, wird bei der Fremdausbildung der Hund nicht vom Halter selbst ausgebildet. Der Assistenzhundetrainer bildet den Hund vollständig zwei Jahre lang aus, bevor der Hund mit dem zukünftigen Partner eingearbeitet wird und anschließend mit diesem die Prüfung absolviert.

Selbstausbildung werden ausschließlich die Trainingskosten bezahlt, wodurch insgesamt mit 2500 bis 4000 Euro zu rechnen ist. Bei der TeilSelbstausbildung fallen etwa 7000 bis 12.000 Euro an. Für die Fremdausbildung werden 15.000 bis 30.000 Euro benötigt. Kann ein Betroffener die Kosten nicht stemmen, sammeln einige Halter Spenden. In einigen Fällen, wie bei einer posttraumatischen Belastungsstörung, übernehmen der Fonds Sexueller Missbrauch im familiären Bereich (FSM) und der Weiße Ring die Kosten.

Ausbildungskosten Die Kosten eines Assistenzhundes müssen derzeit meist noch selbst getragen werden. Allerdings gibt es Überlegungen der gesetzlichen Krankenkassen, die Kosten in Zukunft zu übernehmen, wenn eine von 2022 bis 2024 dauernde Studie der Bundesregierung zur Ausbildung von Assistenzhunden erfolgversprechend ist. Wie viel ein Assistenzhund kostet, richtet sich nach der gewählten Ausbildungsmethode. In der

Luca Barrett bekam als Typ-1-Diabetikerin den ersten Diabetikerwarnhund Deutschlands, Finn. Als viele Betroffene ebenfalls einen solchen Assistenzhund wollten, gründete sie 2008 das Deutsche Assistenzhunde-Zentrum T.A.R.S.Q. Seit 2011 bildet sie Assistenzhundetrainer*innen aus. Inzwischen ist sie hauptsächlich als Fachautorin tätig und engagiert sich als Advokatin für die Rechte von Assistenzhunden. Kontakt: [email protected]

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Was kann die tiergestützte Therapie? Nadine Hennigs Hennigs, N. (2018a). Wertvolle Weggefährten: Ergebnisse einer Studie zur Qualität der Mensch-TierBeziehung. In: Tiergestützte Therapie, Pädagogik & Fördermaßnahmen, Heft 4. Hennigs N. (2018b). Expertenbefragung zur TGIPraxis in Deutschland: Wo stehen wir? Wo wollen wir hin? In: Tiergestützte Therapie, Pädagogik & Fördermaßnahmen, Heft 3. Zusammengefasst von Lukas Radbruch Besuch eines Therapiehundes auf der Palliativstation, Katzen im Pflegeheim bei Menschen mit Demenz – die tiergestützte Therapie ist mittlerweile in viele Bereiche der Versorgung am Lebensende eingezogen. Allerdings führen diese Interventionen immer noch eine Randexistenz im Vergleich zu vielen anderen Therapieangeboten. Warum ist das so und was ist das besondere Potenzial der tiergestützten Interventionen? Auskunft geben zwei Publikationen der Wirtschaftswissenschaftlerin, Bauernhofbesitzerin und Fachkraft für tiergestützte Interventionen, Dr. Nadine Hennigs. Die beiden Umfragen wurden im Januar und Februar 2018 durchgeführt. Zum einen wurden 543 Menschen mit einem Online-Fragebogen zur Einstellung zu Tieren im Allgemeinen und zu eigenen Haustieren im Besonderen befragt (Henning 2018a). Die Teil�nehmenden wurden über die Veröffentlichung des Links zum Fragebogen in sozialen Medien (zum Beispiel Facebook, Psychologie Heute, Unicum) gefunden. Zum anderen wurden in einer Online-Umfrage Expertinnen und Experten zur Praxis der tiergestützten Therapie befragt (Henning 2018b). Hier wurden die Experten über

­Adressdaten und Mitgliederverzeichnisse sowie über eine Google-Recherche identifiziert. Bei 192 eingeladenen Experten und Expertinnen konnten insgesamt 60 vollständig ausgefüllte Fragebögen in die Auswertung aufgenommen werden. Gleichzeitig wurden von der Autorin Internetauftritte aufgesucht, um Aktualität und Ausgestaltung der recherchierten Angebote zu überprüfen. Im Folgenden werden die wesentlichen Teile der Publikationen zusammengefasst. In der ersten Umfrage schrieben die Teilnehmenden den Tieren in hohem Maß menschliche Merkmale zu: Tiere könnten Leid, Angst und Schmerzen empfinden, aber auch Freude. Über 90 Prozent der Teilnehmenden stimmten eher oder sogar voll und ganz zu, dass Tiere über Bewusstsein, eigene Persönlichkeit und Intelligenz verfügen, und 74 Prozent waren der Meinung, dass Tiere dieselben moralischen Rechte wie Menschen haben sollten. Die Autorin sieht diese Anthropomorphisierung als Grundlage für den Beziehungsaufbau zwischen Menschen und Tieren. Nur 23 Prozent der Teilnehmer gaben an, dass derzeit kein Haustier in ihrem Haushalt wohnt. Die persönliche Beziehung zu eigenen Haustieren wurde nach der Lexington Attachment to Pets Scale und der Pet Bonding Scale erfasst. Hohe Zustimmungswerte zeigten sich bei den Aussagen zu Vertrauen und Respekt gegenüber dem Haustier, dem aus Sicht der Befragten die Rolle eines Freundes und großartigen Begleiters zukomme, der nie beurteile und der wisse, wann man sich schlecht fühle. Das Haustier wird als loyaler als viele Mitmenschen gesehen. Die Autorin betont, dass diese Ergebnisse belegen, dass Haustiere für Menschen einen individuellen Stellen-

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wert besitzen und es sich um eine Partnerschaft und Freundschaft handelt, die von gegenseitigem Respekt geprägt ist und wesentliche zwischenmenschliche Beziehungsmerkmale aufweist. Sie stellt auch fest, dass das Haustier in der Kommunikation mit anderen Menschen eine wesentliche Rolle einnimmt: Ein großer Teil der Befragten redet oft über das eigene Haustier, zeigt gern Bilder und beurteilt Mitmenschen danach, wie sie auf das Haustier reagieren. Mehr als zwei Drittel der Befragten gaben an, dass die Liebe zu ihrem Haustier ihnen dabei helfe, gesund zu bleiben. Sie gaben den Tieren dabei eine hohe Bedeutsamkeit, zum Beispiel in der Abmilderung von Aggressionen und Ängsten (95 Prozent deutliche oder moderate Zustimmung) und der Stärkung des Selbstvertrauens durch Liebe und Loyalität (94 Prozent Zustimmung). Tiere seien vielseitig einsetzbar und förderten die geistige Entwicklung (94 Prozent Zustimmung). Tiere hätten keine Vorurteile, würden aber durch ihre konsequente Art klare Werte vermitteln (84 Prozent Zustimmung). Die Ergebnisse liefern damit die empirische Bestätigung der sozio-emotionalen und bindungstheoretischen Erklärungsansätze zur Beziehung zwischen Menschen und Tieren. Sie liefern auch die Grundlagen für die Möglichkeiten und Wirkungen der tiergestützten Therapie. In der zweiten Umfrage unter den Experten und Praktikern der tiergestützten Therapie wird zunächst überprüft, welche Möglichkeiten in Deutschland umgesetzt werden. Ihre Angebote ordneten 60 Prozent der Teilnehmenden bei der tiergestützten Pädagogik ein, 53 Prozent als tiergestützte Therapie und 22 Prozent als allgemeine tiergestützte Aktivitäten (Mehrfachnennungen waren möglich). Hauptzielgruppen waren Kinder und Jugendliche (65 Prozent), Menschen mit psychischen Erkrankungen (37 Prozent), Menschen mit Behinderungen (28 Prozent), Senioren (25 Prozent) (Mehrfachnennungen waren möglich). Angebote wurden sowohl für das stationäre Setting (zum Beispiel in Wohngruppen, Kinderkliniken, Kinder- und Jugendpsychiatrie)

wie auch im ambulanten Bereich (zum Beispiel Jugendhilfe, Sprachheilstätten), beim Besuch in Kindergärten oder Schulen oder in der eigenen Praxis oder dem eigenen Bauernhof angegeben. In den Senioren- und Pflegeeinrichtungen wurden Angebote vor allem für Menschen mit Demenz und körperlichen Einschränkungen vorgehalten. In Krankenhäusern wurde der Einsatz der tiergestützten Therapie in der stationären Psychiatrie, Rehabilitation und Palliativmedizin benannt. In der eigenen Praxis oder auf dem eigenen Hof wurden vor allem Menschen mit psychischen und physischen Erkrankungen oder mit Störungen nach Trauma oder Verlusten behandelt, aber auch Coaching von Führungspersönlichkeiten wurde angeboten. Wie erwartet sind es vor allem Hunde, die von 80 Prozent der Befragten als Partner für die tiergestützten Tätigkeiten eingesetzt werden. An zweiter Stelle wurden Pferde und Ponys benannt von jeweils 57 Prozent, gefolgt von jeweils 37 Prozent Esel und (erstaunlicherweise!) Hühner. Schafe wurden von 30 Prozent der Befragten, Lamas, Alpakas und Kaninchen von 27 Prozent und Ziegen von 25 Prozent genutzt. Aber auch Katzen, Meerschweinchen oder Schweine wurden genannt und – wenn auch selten – sogar Rinder, Gänse, Insekten, Schnecken, Schildkröten, Fische, Enten und Ratten. Bei der tiergestützten Zusammenarbeit sahen die Teilnehmenden vor allem positive Effekte im Bereich der sozialen Interaktion und Integration (53 Prozent). Tiere wirken für die Klientinnen und Klienten als Eisbrecher und Türöffner. Die Tiere fordern keine Leistung ein und geben den Klienten nicht das Gefühl, unter Beobachtung zu stehen, beurteilt oder mit Defiziten konfrontiert zu werden. Damit können sie die Phase des Kennenlernens und Vertrauensaufbaus zwischen Klient und Therapeut wesentlich und positiv beeinflussen. Tiere steigern die Sozialkompetenz, weil den Klienten und Klientinnen über die Beziehung zu den Tieren und das Verständnis für deren Bedürfnisse ganz allgemein das Einfühlen

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in die Bedürfnisse anderer gelingt. Damit können sie zur Vermehrung der sozialen Kontakte beitragen. Mit der Bereitschaft zur Verantwortungsübernahme für ein Tier können eigene vorhandene und wieder zu aktivierende Fähigkeiten bewusst werden, neue Ressourcen entdeckt werden und die eigene Handlungsfähigkeit kann erweitert werden. Dies führt zur Zunahme von Selbstständigkeit und Bewältigungskompetenz und optimiertem Verhalten bei Alltagsaktivitäten (47 Prozent). Eine Steigerung von Selbstwertgefühl und Selbstbewusstsein wurde von 45 Pro-

zent berichtet. 23 Prozent der Befragten sahen eine verbesserte Motorik und einen erweiterten Bewegungsradius, mehr Ausdauer, Energie und Motivation zu körperlicher Aktivität. Im Umgang mit den Tieren kommt es zu emotionaler Stabilität, Lebensfreude und Optimismus, Beruhigung und dem Abbau von Ängsten, was wiederum zu einer Zunahme der subjektiven Lebensqualität und Lebenszufriedenheit der Klientinnen und Klienten führe (38 Prozent). Immerhin 11 Prozent gaben auch eine Verbesserung der kognitiven Leistungsfähigkeit bei ihren Klienten an.

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Franz Marc, zwei schlafende Hasen, 1913/akg-images

Die wesentlichen Herausforderungen in der täglichen Arbeit sahen die Experten und Praktiker vor allem in der richtigen Balance zwischen den Bedürfnissen von Mensch und Tier. In der tiergestützten Intervention wird die Dyade von Therapeut und Klient zu einer Triade mit Therapeut (oder Pädagoge), Tier und Klient. Es gilt, den spezifischen Bedürfnissen der Klienten gerecht zu werden, das Wohlbefinden der Tiere zu beachten und eine Überforderung des Therapeuten zu vermeiden. Für die Befragten war das tägliche Management mit Stallarbeit, Weidepflege,

Tierversorgung und Tiertraining auf der einen Seite, und Kundenakquise, Projektarbeit und Dokumentation auf der anderen Seite besonders herausfordernd. Die unzureichende Anerkennung und Wertschätzung der Arbeit wird als Belastung benannt, nicht zuletzt deshalb, weil die finanzielle Förderung und angemessene Bezahlung der Interventionen damit nicht gewährleistet sind. Weiter werden Vorgaben von außen, zum Beispiel als Hygienevorgaben in Krankenhäusern, fehlende Standards und die Suche nach zuverlässigem Personal als besonders schwierig benannt.

Im Umgang mit den Tieren kommt es zu emotionaler ­Stabilität, Lebens­ freude und O ­ ptimismus, Beruhigung und dem Abbau von Ängsten, was wiederum zu einer Zunahme der s­ ubjektiven Lebensqualität und ­Lebenszufriedenheit der Klientinnen und Klienten führt.

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haben sowie auch Spaß daran. Damit im Zusammenhang steht das Tierwohl, das von 38 Prozent der Befragten besonders hervorgehoben wurde. Zum Beispiel müsse auch jederzeit die Bereitschaft bestehen, zum Wohle des Tieres umzuplanen. Hennigs fasst zusammen, dass das Bedürfnis nach authentischen Natur- und Tierkontakten steigt und auch der Bedarf an zielgerichteten Konzepten tiergestützter Arbeit zunimmt. Aus der gesamtwirtschaftlichen Perspektive ergeben sich vielfältige Chancen für Anbieter und Anbieterinnen von tiergestützten Therapien. Hennigs fordert eine Strategie der weiteren Professionalisierung auf der Basis von klar definierten Leit­ linien und wissenschaftlich fundierter Kenntnisse. Das Ziel ist die Anerkennung einer Fachdisziplin der tiergestützten Interventionen im Gesundheitsund Sozialwesen mit entsprechenden Finanzierungs- und Fördermöglichkeiten.

Bildnachweis: Art_Andy / Shutterstock.com

Als spezifische Vorteile der tiergestützten In­ terventionen werden genannt: der Motivationscharakter der Tiere (für den Klienten wirkt es nicht als Arbeit, so dass auch schwer zugängliche oder therapiemüde Klienten erreicht werden können), ihre besondere Authentizität (ihre direkte und unverfälschte Reaktion auf Menschen) und die Vielseitigkeit an Gestaltungsmöglichkeiten, die im Beziehungsgeflecht der Triade zwischen Klient, Tier und Therapeut eine Vielzahl an Interaktionsbündnissen bietet. Die zentralen Erfolgsfaktoren sehen die Experten und Praktiker neben dem bedürfnisorientierten Einsatz und den Aspekten der Beziehungsebene (zwischen Therapeut und Tier, aber auch zwischen Therapeut und Klient sowie zwischen Tier und Klient) in einer fundierten Ausbildung und einem Tiertraining, mit dem die Tiere gut vorbereitet sind und eine hohe Bereitschaft zur Zusammenarbeit auch mit fremden Menschen

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FORTBILDUNG

Trauer um Tiere Thorsten Adelt Zeit: ca. 180 Minuten Gruppengröße: 9–24 Teilnehmende Ziel: Ausgehend von der Definition von Trauer soll für die Teilnehmenden erfahrbar und erfassbar werden, dass durch eine starke Bindung an ein Haustier und die damit verbundene Sinngebung dessen Verlust starke Trauerphänomene in all ihren Facetten wie tiefe Traurigkeit, Schuld, Scham, Wut etc. hervorrufen kann, dies vor allem in Verbindung mit früheren Verlusterfahrungen. Einführung in das Thema: Was ist Trauer? Definitionsversuch Schritt 1 (20 Minuten): Die Teilnehmenden teilen sich auf in Kleingruppen zu dritt oder viert. In den Kleingruppen sammeln sie, was einen erwachsenen Menschen dazu veranlassen könnte, sich ein Haustier anzuschaffen. Die einzelnen Begründungen sollen in Stichworten auf Moderationskarten festgehalten werden.  Schritt 2 (10 Minuten): Die Moderationskarten werden im Plenum gruppenweise vorgestellt und erläutert und in der Mitte ausgelegt. Schritt 3 (15 Minuten): Aus den in der Mitte liegenden Moderationskarten wählen die Teilnehmenden jeder für sich gedanklich eine oder mehrere Begründungen aus und versetzen sich so in die Lage einer Person, die sich ein Haustier anschafft. Welches Haustier wird das sein und warum wählen sie dieses Haustier? Dabei sollen sich die Teilnehmenden das von ihnen gewählte Tier gedanklich und bildlich vorstellen (gegebenenfalls Einsatz von Fingertierfiguren). Wie sieht es aus?

Welche Eigenschaften hat dieses Tier? Welchen Namen? Und sie sollen sich dabei vorstellen, dass sie dieses Haustier schon einige Jahre haben. Schritt 4 (30 Minuten): Paarübung. Zunächst wird die Methode »Erwärmen« aus dem Psychodrama vorgestellt und erklärt. Gegenseitig »erwärmen« die Teilnehmenden nun das Tier des Gegenübers. Dabei soll auch erfasst werden, welche emotionale Bedeutung das Haustier für den Besitzer oder die Besitzerin hat. 15 Minuten Pause Schritt 5 (10 Minuten):  Plenum. So keiner der Teilnehmende eine Galapagos-Schildkröte als Haustier gewählt hat, ist die Wahrscheinlichkeit groß, dass das Haustier noch zu Lebzeiten des Besitzers verstirbt. Dies kann durch einen Unfall, durch Krankheit und durch Alter in Verbindung mit Krankheit geschehen. Die Teilnehmenden sollen sich nun vorstellen, dass ihr Haustier gestorben ist. Wie ist das geschehen? Ist es zu Hause gestorben, in ihrem Beisein? Mussten sie es einschläfern lassen? Welche Gefühle stehen für sie im Vordergrund? Sie sind gebeten, auch diese Gedanken und Gefühle stichwortartig auf Moderationskarten festzuhalten. Schritt 6 (30 Minuten): Kleingruppen. Die Teilnehmenden teilen sich auf in kleine »Trauer um Tiere«-Gruppen und tauschen sich darüber aus, wie es ihnen vier Wochen nach dem Verlust ihres Haustieres, den mit dem Verlust verbundenen Umständen, geht. Auch darüber, wie es ist, in dieser Gruppe über den Verlust sprechen zu können

oblako3011 / Pixabay

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und wie es andererseits für sie sein könnte oder ist, mit Freunden, Kolleginnen, Nachbarn oder entfernteren Bekannten darüber zu sprechen. Schritt 7 (Zeit nach Gruppengröße variabel): Plenum. Die Teilnehmende streifen ihre Rollen ab mit den Worten »Bei dem vorgestellten Verlust meines Haustieres habe ich empfunden, dass …« und legen bei der Benennung ihrer Gefühle ihre Moderationskarten in der Mitte ab. Nachfolgend sollen sie auch berichten, welche Erkenntnisse sie aus dem Austausch in der »Trauer um Tiere«Gruppe gewonnen haben.

Schritt 8 (20 Minuten): Plenum. Betrachten der gemachten Erfahrungen und gegebenenfalls Vergleiche mit anders gearteten Verlusten. Zentrale Aspekte beim Betrachten der Trauer um ein Haustier werden von der Kursleitung auf Flipchartbögen festgehalten. Dipl.-Psych. Thorsten Adelt ist Psychologischer Psychotherapeut, psychoonkologischer Berater für Krebskranke und ihre Angehörigen sowie Supervisor und Coach für Führungskräfte im Gesundheitswesen. Kontakt: [email protected]

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REZENSIONEN

Der Freund

Monika Müller

Sigrid Nunez (2021): Der Freund. ­Roman. Berlin: Aufbau TB, 235 Seiten

Nunez, einst Assistentin der Schriftstellerin Susan Sontag, gelingt ein leichtes und doch tiefes Buch über Trauer. Der britisch-jüdische, promiskuitiv lebende Schriftsteller und Schreiblehrer der Ich-Figur war ganz kurz ihr Geliebter und für den Rest ihres Lebens der Freund, an den sie sich im Buch immer wieder mit einem liebevollen »Du« wendet. Nun hat er sich selbst das Leben genommen. Dieser Freund hat zwar keinen Abschiedsbrief hinterlassen, dafür aber seinen Hund. Der Verstorbene hat sich gewünscht, dass sich die Erzählerin seines Hundes annimmt. Das Problem: Die Wohnung der Schriftstellerin in New York misst gerade mal 45 qm, in der zudem keine Hunde erlaubt sind. Und der Hund ist eine Riesendogge, Stockmaß 85 cm, die man kaum verstecken kann. Sie sagt dennoch zu. Außer der Verpflichtung, die sie gegenüber dem Verstorbenen fühlt, ist es die Hoffnung auf eine durch den Hund bleibende Verbindung zu ihm. Das Buch beschreibt, wie Autorin und der Hund sich in ihrer beider Trauer näherkommen. Apollo, benannt nach dem Gott, der auch einer der Dichtkunst ist, lässt sich durch Vorlesen beruhigen, zerkaut genüsslich einen Knausgård-Band, bringt dem neuen Frauchen vorsichtig andere Bücher. 

Indem die Erzählerin ihre anfängliche Hilflosigkeit und Abneigung gegen das arthritische, sabbernde, stinkende, aber sanftmütige, melancholische Tier bezwingt, meint sie, in ihm fast menschliche Züge, Verhaltensweisen und Empfindungen zu erkennen – oder schreibt sie ihm zu, etwa wenn sie am Arbeitstisch sitzt, der Hund neben ihr steht und sich ihre Blicke auf Augenhöhe ineinander versenken. Zwischen den zwei einsamen Wesen, die nur eingeschränkt miteinander kommunizieren, sich aber dennoch verstehen können, entwickelt sich eine tiefe Beziehung gegenseitiger Anteilnahme, des Gebens und Nehmens. Stück für Stück finden die beiden gemeinsam zurück ins Leben. Ein Roman über Liebe, Freundschaft, Zeitund Gesellschaftskritik und die Kraft des Erzählens – und die Trauer um den Verlust einer höchst ambivalenten Beziehung.  Man muss nicht besonders tierlieb oder traueraffin sein, um dieses Buch mit großem Gewinn zu lesen. Was Sigrid Nunez schreibt, ist teils Gespräch (notgedrungen monologisch), teils Tagebuch, teils literarische Exkursion, teils Essay, teils Interpretationsschnipsel und vor allem viele kluge Zitate.

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Christoph Bevier

Traumatische Verluste

Roland Kachler (2021): Traumatische Verluste. Hypnosystemische Beratung und Therapie von traumatisierten Trauernden. Ein Leitfaden für die Praxis. Heidelberg: Carl-Auer Verlag, 212 Seiten

Mit großem Interesse und großem Gewinn habe ich das neue Buch von Roland Kachler zur Beschreibung und Therapie von traumatischen Verlusten gelesen. Es ist ein Lehrbuch, das hypnosystemische Schritte zur Therapie von Menschen beschreibt, die traumatische Verluste erlebt haben. Das Buch umfasst elf Kapitel und geht einen Weg von der Bestimmung und Beschreibung traumatischer Verluste über die Therapie hin zur Skizzierung eines Lebens, das den traumatischen Verlust integriert hat und wieder Erfahrungen von Freude und Glück erlaubt. In den elf Kapiteln behandelt Kachler folgende Themen: die Bestimmung des Begriffs »traumatische Verluste«, die Folgen von traumatischen Verlusten, in Kapitel drei das bipersonale Verlusttrauma als das Trauma des Verstorbenen und als Trauma des Hinterbliebenen. In Kapitel vier beschreibt er die Komplizierte Trauma-Trauer-Folge-Störung als mögliche Folge von Verlusttraumata und in Kapitel fünf die Stabilisierungsarbeit als Grundlage der folgenden Therapie. In den Kapiteln sechs bis acht wird die Traumatherapie dargestellt: als zweifache Ego-State-Arbeit mit dem Hinterbliebenen, einmal in Bezug auf den Verstorbenen und dann in Bezug auf den Hinterbliebenen, und als Arbeit an der inneren, traumatisierten Beziehung des Hinterbliebenen zum Verstorbenen und des Hinterbliebenen zu sich selbst. Im neunten Kapitel ist die Realisierungs-

arbeit beim Verlusttrauma Thema, im zehnten die Therapie der Folgestörungen eines Verlusttraumas. Im elften, dem Schlusskapitel, wird der Horizont eines Lebens aufgezeigt, in dem auch wieder Erfahrungen von Glück, Leichtigkeit und Genuss Platz finden. Kachler betont an einigen Stellen, dass die Therapie von Verlusttraumata und insbesondere die Komplizierte Trauma-Trauer-Folge-­Störung in die Hände von Psychologinnen und Psychologinnen mit hypnosystemischer Ausbildung gehören. Für die Therapie selbst gibt er einen Zeitrahmen von zwei bis drei Jahren an und für die Realisierung aller seiner sogenannten Einladungshorizonte (Überleben, Weiterleben/mit der Trauer und dem Verlust leben lernen/eine innere Beziehung zum Verstorbenen finden/wieder zu Glück und Freude fähiges Leben) einen Zeitraum von fünf bis sieben Jahren. Das zeigt sowohl die Schwere der Not der betroffenen Menschen als auch die Verantwortung, die Therapeutinnen und Therapeuten haben. Es ist allerdings nicht nur ein Buch für Fachleute, sondern hilfreich und nützlich zu lesen für alle, die beruflich mit Menschen mit Erfahrungen mit Traumata und Verlust zu tun haben. Wenn auch die Therapie selbst nur von Psychologinnen und Psychologen durchgeführt werden sollte, so bringt das Buch doch einen großen Erkenntnisgewinn und viele Anregungen für andere Berufs-

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gruppen im Gesundheits- und Sozialwesen und Seelsorge sowie für ehrenamtlich Engagierte, die mit Menschen mit traumatisierenden Verlusterfahrungen arbeiten. Auch Lehrerinnen und Lehrern würde ich das Buch zur Lektüre empfehlen. Allein die Kenntnis der Tragweite und der Auswirkungen von traumatischen Verlusten ist von großer Relevanz für einen sensibilisierten Umgang mit Betroffenen. Ich denke aber auch an die vielen konkreten Hinweise zu Körperarbeit, zum Arbeiten mit den Ego-States, zur Arbeit auf der inneren Bühne und anderem mehr, die ich als Seelsorger mit großen Interesse gelesen habe und für die Seelsorge als horizonterweiternd ver-

stehe. Auch um grundlegende Bedeutung der Stabilisierung zu wissen und die Vorschläge zu kennen, die Kachler für Stabilisierung macht – das kann eine große Hilfe für Menschen sein, die mit Betroffenen zu tun haben. Kachlers Sprache ist genau und in ihrer Lakonie und ihrem Verzicht auf übertriebenen Gebrauch von Termini technici sehr wohltuend. An keiner Stelle schweift er zu weit in Theorie ab, die nur einen theoretischen Anspruch befriedigen würde, sondern auch seine Sprache dient dem Anliegen, dient der Sache und damit auch den Therapeutinnen und Therapeuten und den Menschen, die an traumatischen Verlusten leiden.

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VERBANDSNACHRICHTEN

Besser geht immer – Evaluation von ­Trauergruppenangeboten Tanja M. Brinkmann, Manuela Kurzke, Angelika Thaysen

Das Versorgungsangebot für Trauernde hat in den letzten beiden Jahrzehnten quantitativ zugenommen und sich qualitativ ausdifferenziert. Trauergruppenformate sind dabei ein fester Bestandteil in der Versorgungslandschaft in Deutschland geworden. Viele qualifizierte Mitglieder des Bundesverbands Trauerbegleitung e. V. (BVT) bieten Trauergruppen an, bislang fehlt jedoch ein einheitliches Evaluationsinstrument. Aufgrund dessen hat unser dreiköpfiges Autorinnenteam auf der Jahrestagung des BVT im März 2020 den Auftrag erhalten, in Form einer Arbeitsgruppe einen entsprechenden Evaluationsbogen zu erstellen. Der Arbeitsprozess ist mittlerweile beendet, und mit diesem Beitrag stellen wir die Zielstellung des Evaluationsbogens, dessen Entwicklungsprozess, Design und Themen vor und letztlich auch den gesamten Inhalt, damit ihn Trauerbegleitende für ihre Arbeit zukünftig nutzen können. Frage- und Evaluationsbögen, die von erwachsenen Trauernden oder ihren Begleiter*innen beziehungsweise Behandler*innen ausgefüllt werden, sind im deutschsprachigen Raum bereits vorhanden. Dies sind vor allem Instrumentarien, die den Trauerprozess der betroffenen Person einschätzen und klassifizieren. Insbesondere durch den Diskurs und die Geburt der Diagnose »An-

haltende Trauerstörung« in der ICD-11 im Jahr 2019 sind Erhebungsinstrumente entstanden, die in der Akutdiagnostik klinisch relevante komplizierte oder ebenso störungswertige Trauerverläufe diagnostizieren sollen (vgl. Müller et al. 2020, S. 496). Deutschsprachig liegen sechs Instrumente vor, die entweder Trauer im Allgemeinen oder klinisch relevante Trauerverläufe im Speziellen messen (vgl. für einen hervorragenden Überblick der internationalen und deutschsprachigen Instrumente zur Messung von Trauer Müller et al. 2020). Zielstellungen des Evaluationsbogens Primäres Ziel unseres neu erarbeiteten Erhebungsbogens ist nicht die Einschätzung der Trauer beziehungsweise des Trauerverlaufs eines erwachsenen Trauernden, sondern die Evaluation der Qualität eines Gruppenangebots aus der Sicht von teilnehmenden Trauernden. Die ausgewerteten Evaluationsbögen dienen den Leiter*innen von Trauergruppenangeboten und zielen darauf ab, den Ist-Zustand der Qualität zu erkennen und Hinweise für die Qualitätsweiterentwicklung des Angebots auszumachen. Vor dem Hintergrund, dass es offene, geschlossene und halboffene Trauergruppenangebote gibt

L E I D FAHeft 4 / 2021, D E  N     – FAC H MISSN AG A Z I N F Ü©R2021 K RVandenhoeck I S E N , L E&I Ruprecht D, T R AU E R   Leidfaden, S. 82–88, 2192-1202,

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B e s s e r g e h t i m m e r   – E v a l u a t i o n v o n ­T r a u eVe r gr b r uapnpdes n a n c hg reibc h o t e n       8 3

und zudem die ausfüllenden Trauernden unterschiedliche kognitive Fähigkeiten haben, entstand in der Erarbeitung des Fragebogens der Anspruch, einen möglichst universellen und verständlichen Fragebogen in einfacher Sprache zu entwickeln. Der Evaluationsbogen soll von vielen Trauerbegleiter*innen einsetzbar sein, ohne ihn verändern oder an das eigene Angebot anpassen zu müssen. Nicht zuletzt sollte der Fragebogen nutzerfreundlich sein, also maximal zwei DIN-A4-Seiten umfassen, und dennoch möglichst konkrete Ergebnisse für die Trauerbegleiter*innen liefern. Themen des Evaluationsbogens

• Rahmenbedingungen • Leitungskompetenz und Methodik • Wirksamkeit des Trauergruppenangebots Um den Trauernden die Möglichkeit zu geben, selbst noch einmal für sie wichtige Dinge zu be-

AnastasiaNess/Shutterstock.com

Auf der Basis und durch die kritische Diskussion von bestehenden Instrumenten (zum Beispiel Müller 2014; Wissert 2013), die auch evaluative Aspekte erheben, konnten wir Inspirationen erfahren, aber auch Abgrenzungen vornehmen und Klarheit über den zu entwickelnden Erhebungsbogen finden. Da alle Teilnehmerinnen der Arbeitsgruppe selbst Trauergruppenformate anbieten oder angeboten haben, war unsere Kernfragestellung: Welche Qualitätsaspekte wollen wir von den Teilnehmenden einer Trauergruppe bewertet wissen, damit wir als Leitung unser Angebot anpassen und weiterentwickeln können? Nach einem Brainstorming- und Diskussionsprozess kristallisierten sich drei Themenschwerpunkte heraus: schreiben, werden im Evaluationsbogen am Ende folgende drei offene Fragen formuliert: • An der Trauergruppe hat mir besonders gut gefallen • An dem Trauergruppe hat mir nicht gefallen • Ich hätte mir noch gewünscht

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Auf das Erfassen wie Alter, Geschlecht, Bezug zum Verstorbenen etc. wird verzichtet, damit möglichst keine soziale Erwünschtheit erzeugt wird und keine Rückschlüsse auf einzelne Teilnehmende gezogen werden können. Aufbau des Evaluationsbogens Gerahmt wird der Evaluationsbogen zu Beginn durch einen einladenden Erläuterungstext. Gegebenenfalls kann das Logo der anbietenden Institution (zum Beispiel Hospizverein »XY« e. V.) eingefügt werden. Als Einstieg in den Erhebungsbogen wird der Trauernde nach seinem Zugangsweg zur Trauergruppe gefragt: »Wie haben Sie von der Trauergruppe erfahren?« Dies gibt den Leitungen und Veranstalter*innen von Trauergruppen wichtige Hinweise darüber, welcher Akquiseweg erfolgreich ist und welcher vielleicht noch ausgebaut werden kann. Den Kern des Erhebungsbogens bilden drei Tabellen entsprechend den benannten Themenschwerpunkten: Aussagen zu Rahmenbedingungen in Tabelle 1, Aussagen zu Leitungskompetenz und Methodik in Tabelle 2, Aussagen zur Wirksamkeit des Trauergruppenangebots in Tabelle 3. Anschließend werden die oben genannten drei offenen Fragen gestellt. Am Ende gibt es noch einen Hinweis auf den Ursprung des Bogens mit Verweis auf den BVT.

Blick.« Die Trauernden können dann zwischen vier Antworten wählen »stimme voll zu«, »stimme überwiegend zu«, »stimme weniger zu« und »stimme gar nicht zu«. Zur Diskussion stand auch eine fünfstufige Likert-Skala, die auch eine mittlere, neutrale Ausprägung ermöglicht (im Sinne einer eher neutralen Position oder »teils, teils«). Aussagekräftiger für Trauerbegleiter*innen erweist sich jedoch die geradzahlige vierstufige Skala, die die Befragten zwingt, sich für eine Seite zu entscheiden. Einsatzmöglichkeiten und -zeitpunkt Der Evaluationsbogen ist für Erwachsene konzipiert, die an einem (halb-)offenen oder geschlossenen Trauergruppenangebot teilgenommen haben. Bei geschlossenen Trauergruppen kann er beim letzten Treffen eingesetzt werden. Das hat den Vorteil, dass bei eventuellen Verständnisfragen die Leitung den Trauernden Antworten geben kann. Die Trauernden sollten zugleich den Bogen möglichst ungestört ausfüllen können, damit die Anonymität der Antworten gewährleistet ist. Gerade bei Trauergruppenangeboten, die sehr lange mit einem festen Teilnehmenden­kreis arbeiten (etwa bei den Verwaisten Eltern), kann der Evaluationsbogen auch als Zwischenevaluation genutzt werden, um das Angebot für den weiteren Verlauf gegebenenfalls anzupassen und zu verbessern.

Skalierung des Erhebungsbogens Für die Tabellen haben wir uns für eine einheitliche vierstufige Likert-Skala entschieden. Die meisten Items des Evaluationsbogens bestehen aus einer Aussage, zum Beispiel: »Die Leitung hatte den zeitlichen Rahmen der Treffen gut im

Fazit und Ausblick Pandemiebedingt fand die Erarbeitung des Evaluationsbogens ausschließlich digital statt. Nach der Fertigstellung wurde er dem gesamten Vorstand des Bundesverbands Trauerbegleitung zu-

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gestellt und im Rahmen einer Vorstandssitzung ohne Änderungsbedarf angenommen. Mit einzelnen Trauernden aus unseren eigenen Trauergruppenangeboten wurde der Bogen auf Handhabbarkeit und Verständnis getestet. Mit dieser Veröffentlichung und im Downloadbereich des BVT-Internetauftritts steht er jetzt allen Leitungen von Trauergruppen zur Verfügung. Wir erhoffen uns damit auch eine verbesserte Qualität von Trauergruppen in Deutschland. Die Wirksamkeit und Qualität von Trauergruppenangeboten ist hierzulande eindeutig unterbeforscht. Das wird auch dieser Evaluationsbogen nicht ändern, weil er eine andere Zielrichtung hat. Durch die Erarbeitung der einzelnen Items setzen wir jedoch Qualitätsstandards. So setzt etwa »Die theoretischen Informationen zu Verlust und Trauer waren hilfreich und wichtig« voraus, dass die Trauerbegleiter*innen theoretisches Wissen zur Verlustbewältigung praxisnah vermitteln. Dennoch gibt es unseres Erachtens noch offene Fragen, was ein gutes und wirksames Trauergruppenangebot ausmacht, so etwa: Finden ein verbindliches Vorgespräch und Eingangsassessment mit Interessierten statt? Auf welchem theoretischen Fundament wird Wissen vermittelt? Welche Mindestqualifikation sollte die Leitung haben? Oder sollte es immer ein Leitungsteam aus mehreren Personen sein? Um diese und andere Fragen zukünftig beantworten zu können, haben wir dem Vorstand eine weitere Arbeits-

gruppe vorgeschlagen, die sich mit der Qualität und Wirksamkeit von Trauergruppen auseinandersetzt. Immer mit dem Ziel: Das Angebot für trauernde Menschen qualitativ noch hochwertiger und wirksamer zu gestalten gemäß dem Motto »Besser geht immer«. Dr. Tanja M. Brinkmann ist promovierte Soziologin und ­ iplom-Sozialpädagogin. Sie ist als selbstständige TrauerbeD raterin in Bremen und im deutschsprachigen Raum als Trainerin zu Palliative Care, Trauer und Selbstsorge tätig. Kontakt: [email protected] Website: www.tanja-m-brinkmann.de Angelika Thaysen ist Psychoonkologin, Sterbe- und Trauerbegleiterin, Palliative-Care-Fachkraft, Coach und Super­ visorin, Referentin im Hospiz- und Palliativbereich und ­Autorin in Felde bei Kiel. Kontakt: [email protected] Manuela Kurzke ist Erziehungswissenschaftlerin M. A., Kinder- und Familientrauerbegleiterin, pädiatrische PalliativeCare-Fachkraft, Referentin im Hospiz- und Palliativbereich und derzeit Koordinatorin im ambulanten Hospiz- und Palliativberatungsdienst des Caritasverbands Meißen e. V. Kontakt: [email protected] Literatur Müller, H.; Berthold, D.; Bongard, S.; Gramm, J.; Hauch, H.; Sibelius, U. (2020). Komplizierte Trauer erfassen: Ein systematischer Review. In: PPmP – Psychotherapie · Psychosomatik · Medizinische Psychologie, 12, 70, S. 490–498. Müller, M. (2014). Trauergruppen leiten. Betroffenen Halt und Struktur geben. Göttingen. Wissert, M. (2013). Fragebogen Projekt »TrauErLeben«. Online: https://docplayer.org/43726750-Hochschule-ravens­ burg-weingarten-prof-dr-michael-wissert-postfach-1261d-weingarten.html (Zugriff am 27.07.2021).

Auf den Hund gekommen

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[Platz für Logo der anbietenden Institution]

Schön, dass Sie sich die Zeit nehmen und mithelfen, dieses Trauerangebot zu verbessern! Bitte geben Sie im Folgenden eine Rückmeldung, ob Ihnen die Trauergruppe gut getan hat, ob sie hilfreich für Sie auf dem Weg der Trauer war und was Sie eventuell vermisst haben. Wie haben Sie von der Trauergruppe erfahren? ☐ Internet ☐ Flyer

☐ Hospizdienst/stationäres Hospiz   ☐ Seelsorge   ☐ Krankenhaus ☐ Bekannte ☐ Sonstiges Stimme voll zu

Stimme überwiegend zu

Stimme ­weniger zu

Die Größe der Gruppe war angenehm.

Die Alterszusammensetzung der­ ­Teilnehmenden war passend. Der Räumlichkeiten der Trauergruppe ­waren gut erreichbar. Die Räumlichkeiten sind für eine ­Trauergruppe gut geeignet. Die Kosten für das Angebot waren ­angemessen. Die Uhrzeit der Trauergruppe war passend.

Die Abstände zwischen den einzelnen ­Treffen waren genau richtig. Die Dauer der einzelnen Treffen war ­ genau richtig.

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Stimme gar nicht zu

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Stimme voll zu

Stimme überwiegend zu

Stimme weniger zu

Stimme gar nicht zu

Stimme voll zu

Stimme überwiegend zu

Stimme ­weniger zu

Stimme gar nicht zu

Die Leitung hatte den zeitlichen Rahmen der Treffen gut im Blick. Die Leitung hat die Treffen gut strukturiert und moderiert. Die Leitung konnte flexibel auf die Bedürf­ nisse der einzelnen Teilnehmenden reagieren. Die Leitung hat vielfältige Impulse und Übungen in die Gruppe gegeben. Die theoretischen Informationen zu Verlust und Trauer waren wichtig und hilfreich. Die begleitenden Literaturtipps waren nützlich.

Ich habe mich in der Gruppe aufgehoben und wohlgefühlt. Die Einhaltung der Gruppenregeln hat mir Sicherheit gegeben. In der Gruppe konnte ich mit meiner Trauer so sein, wie ich bin. Der Austausch untereinander und die ­Erfahrungen der anderen Teilnehmenden haben mich weitergebracht. Die Zeit in der Trauergruppe hat mir ­geholfen, mein Leben (wieder) zukunftsorientiert zu denken und zu gestalten. Ich konnte mit meiner Trauer vertrauter werden und mich in meinen Trauergefühlen selbst besser kennenlernen.

Auf den Hund gekommen

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Stimme voll zu

Stimme überwiegend zu

Stimme ­weniger zu

Meine Trauer fühlt sich heute leichter an.

Ich würde dieses Trauerangebot weiterempfehlen. An der Trauergruppe hat mir besonders gut gefallen:

An der Trauergruppe hat mir nicht gefallen:

Ich hätte mir noch gewünscht:

Vielen Dank! Dieser Rückmeldebogen wurde vom Bundesverband Trauerbegleitung entwickelt [Stand: 2021]

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Stimme gar nicht zu

© Roland Kopp-Wichmann

Vorschau Heft 1 | 2022 Thema: Zuversicht Zuversicht am Lebensende Das Auf und Ab der Zuversicht in Krankheitstagen Resilienz und Zuversicht Das, was geht, wenn nichts mehr geht 10 Dinge, die Sie über Zuversicht ­wissen sollten Zuversichtsbilder in der Therapie von Kindern Zuversicht und Höllenangst – geht das zusammen? Zuversicht in der Katastrophe u. a. m.

Impressum Herausgeber/-innen: Monika Müller M. A., KAB-Ring 22, D-53359 Rheinbach E-Mail: [email protected] Prof. Dr. med. Lukas Radbruch, Zentrum für Palliativmedizin, Von-Hompesch-Str. 1, D-53123 Bonn E-Mail: [email protected] Dr. phil. Sylvia Brathuhn, Frauenselbsthilfe Krebs e. V., Landesverband Rheinland-Pfalz/Saarland e. V. Schweidnitzer Str. 17, D-56566 Neuwied E-Mail: [email protected] Prof. Dr. Arnold Langenmayr (Ratingen), Dipl.-Sozialpäd. Heiner Melching (Berlin), Dipl.-Päd. Petra Rechenberg-Winter M. A. (Hamburg), Dipl.-Pflegefachfrau Erika Schärer-Santschi (Thun, Schweiz), Dipl.-Psych. Margit Schröer (Düsseldorf), Rainer Simader (Wien), Prof. Dr. Reiner Sörries (Erlangen), Peggy Steinhauser (Hamburg) Bitte senden Sie postalische Anfragen und Rezensionsexemplare an Monika Müller, KAB-Ring 22, D-53359 Rheinbach Wissenschaftlicher Beirat: Dr. Colin Murray Parkes (Großbritannien), Dr. Sandra L. Bertman (USA), Dr. Henk Schut (Niederlande), Dr. Margaret Stroebe (Niederlande), Prof. Robert A. Neimeyer (USA) Redaktion: Ulrike Rastin M. A. (V. i. S. d. P.), BRILL Deutschland GmbH Vandenhoeck & Ruprecht Theaterstr. 13, D-37073 Göttingen Tel.: 0551-5084-423, Fax: 0551-5084-454 E-Mail: [email protected] Bezugsbedingungen: Leidfaden erscheint viermal jährlich mit einem Gesamtumfang von ca. 360 Seiten. Bestellung durch jede Buchhandlung. Die Bezugsdauer verlängert sich jeweils um ein Jahr, wenn das Abonnement nicht bis zum 01.10. bei der HGV gekündigt wird. Bestellungen und Abonnementverwaltung: HGV Hanseatische Gesellschaft für Verlagsservice mbH, Leserservice, Holzwiesenstr. 2, D-72127 Kusterdingen; Tel.: 07071-9353-16, Fax: 07071-9353-93, E-Mail: [email protected] Preise und weitere Informationen unter www.vandenhoeck-ruprecht-verlage.com. Verlag: BRILL Deutschland GmbH, Vandenhoeck & Ruprecht, Theaterstr. 13, D-37073 Göttingen; Tel.: 0551-5084-40, Fax: 0551-5084-454 www.vandenhoeck-ruprecht-verlage.com ISSN 2192-1202 ISBN 978-3-525-40770-7 ISBN 978-3-666-40770-3 (E-Book) Umschlagabbildung: Master1305 / Shutterstock.com Anzeigenverkauf: Ulrike Vockenberg, Kontakt: [email protected] Alle Rechte vorbehalten. Das Werk und seine Teile sind urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung in anderen als den gesetzlich zugelassenen Fällen bedarf der vorherigen schriftlichen Einwilligung des Verlages. © 2021 by Vandenhoeck & Ruprecht, Theaterstraße 13, 37073 Göttingen, Germany, an imprint of the Brill-Group (Koninklijke Brill NV, Leiden, The Netherlands; Brill USA Inc., Boston MA, USA; Brill Asia Pte Ltd, Singapore; Brill Deutschland GmbH, Paderborn, Germany; Brill Österreich GmbH, Vienna, Austria) Koninklijke Brill NV incorporates the imprints Brill, Brill Nijhoff, Brill Hotei, Brill Schöningh, Brill Fink, Brill mentis, Vandenhoeck & Ruprecht, Böhlau, Verlag Antike, V&R unipress. Gestaltung, Satz und Lithografie: SchwabScantechnik, Göttingen Druck und Bindung: Beltz Grafische Betriebe GmbH, Bad Langensalza Printed in Germany

Das Glück der Erde liegt auf dem Rücken der Pferde: Pferdegestützte Psychotherapie für Einsteiger und Fortgeschrittene

Birgit Heintz Empathie auf vier Hufen

Einblicke in Erleben und Wirkung pferdegestützter Psychotherapie 2021. 192 Seiten mit 22 teils farb. Abb., kartoniert € 28,00 D | € 29,00 A ISBN 978-3-525-40299-3 E-Book | E-Pub € 22,99 D | € 23,70 A

Preisstand 30.9.2021

Welche Wirkung können Pferde in einem tiefenpsychologisch fundierten Setting entfalten? In bewegenden Gesprächen mit Patient:innen und Therapeut:innen gewährt Birgit Heintz Einblicke in die faszinierende Arbeit mit Pferden. Ihre sehr persönlichen Perspektiven rahmt die Autorin mit aktuellen Erkenntnissen aus Neurobiologie und Säuglingsforschung sowie der Evolutionsgeschichte der Empathie. Resonanzphänomene und Einflüsse auf das Übertragungsgeschehen in dem Beziehungsdreieck Therapeut:in–Pferd– Patient:in beschreibt sie detailliert. Dieser fundierte Einblick in die Praxis pferdegestützter Psychotherapie ist ein Muss für all diejenigen, die sich sowohl für die psychologischen Zusammenhänge als auch für das Wesen der Pferde interessieren.

Tr auer begleit u ng ist eine zu nehmend gefr agte Kompetenz Monika Müller | Sylvia Brathuhn | Matthias Schnegg Handbuch Trauerbegegnung und -begleitung Theorie und Praxis in Hospizarbeit und Palliative Care 4., bearbeitete Auflage 2021. 296 Seiten mit 3 Abb. und 1 Tab., kartoniert € 30,00 D | € 31,00 A ISBN 978-3-525-40789-9 E-Book € 23,99 D | € 24,70 A

Das Buch will das Bewusstsein für Trauerleiden und -erleben schärfen und den Mitarbeiter:innen palliativer Versorgungsdienste und von Hospizen Handwerkszeug anbieten, mit diesem Thema kompetent umzugehen. Palliativmedizin und Hospizarbeit haben sich in den vergangenen Jahren in vielfältiger Weise entwickelt. In der Begleitung von schwerkranken und sterbenden Menschen sind Schmerz, körperliche und psychische Probleme, Leid, Abschied und Trauer allgegenwärtig. Das Handbuch gibt Antworten auf die zahlreichen Fragen zum Phänomen Trauer. Neben der Vermittlung theoretischen Grundwissens werden praktische Umgangsweisen mit Trauer wie auch mit den immer wieder auftauchenden Fragen von Schuld, Verzweiflung, Sinnsuche und Sehnsucht behandelt.

ISBN 978-3-525-40770-7

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