Artikel 12 GG - Freiheit des Berufs und Grundrecht der Arbeit. Der Verwaltungsvorbehalt: Berichte und Diskussionen auf der Tagung der Vereinigung der Deutschen Staatsrechtslehrer in Göttingen vom 3. bis 6. Oktober 1984 9783110906486, 9783110104608


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German Pages 288 Year 1985

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Table of contents :
Jahrestagung 1984
Erster Beratungsgegenstand: Artikel 12 GG – Freiheit des Berufs und Grundrecht der Arbeit
1. Bericht von Professor Dr. Hans-Peter Schneider
Leitsätze des Berichterstatters
2. Mitbericht von Professor Dr. Helmut Lecheler
Leitsätze des Mitberichterstatters
3. Aussprache und Schlußworte
Zweiter Beratungsgegenstand: Der Verwaltungsvorbehalt
1. Bericht von Professor Dr. Hartmut Maurer
Leitsätze des Berichterstatters
2. Mitbericht von Professor Dr. Friedrich E. Schnapp
Leitsätze des Mitberichterstatters
3. Aussprache und Schlußworte
Verzeichnis der Redner
Verzeichnis der Mitglieder der Vereinigung der Deutschen Staatsrechtslehrer
Satzung der Vereinigung
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Artikel 12 GG - Freiheit des Berufs und Grundrecht der Arbeit. Der Verwaltungsvorbehalt: Berichte und Diskussionen auf der Tagung der Vereinigung der Deutschen Staatsrechtslehrer in Göttingen vom 3. bis 6. Oktober 1984
 9783110906486, 9783110104608

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Veröffentlichungen der Vereinigung der Deutschen Staatsrechtslehrer — Heft 43 =

Hans-Peter Schneider und Helmut Lecheler

Artikel 12 GG Freiheit des Berufs und Grundrecht der Arbeit

Hartmut Maurer und Friedrich E. Schnapp

Der Verwaltungsvorbehalt

Berichte und Diskussionen auf der Tagung der Vereinigung der Deutschen Staatsrechtslehrer in Göttingen vom 3. bis 6. Oktober 1984

w DE

1985

Walter de Gruyter · Berlin · New York

Redaktion: Prof. Dr. Peter Häberle (Bayreuth/St. Gallen)

CIP-Kurztitelaufnahme

der Deutschen Bibliothek

Schneider, Hans-Peter: Artikel 12 G G - Freiheit des Berufs und Grundrecht der Arbeit / Hans-Peter Schneider u. Helmut Lecheler. Der Verwaltungsvorbehalt / Hartmut Maurer u. Friedrich E. Schnapp. Berichte u. Diskussionen aufd. Tagung d. Vereinigung d. Dt. Staatsrechtslehrerin Göttingen vom 3. bis 6. Oktober 1984. - Berlin; New York: de Gruyter, 1985. Veröffentlichungen der Vereinigung der Deutschen Staatsrechtslehrer; H. 43) ISBN 3-11-010460-1

© Copyright 1985 by Walter de Gruyter & Co., 1000 Berlin 30. Alle Rechte, insbesondere das Recht der Vervielfältigung und Verbreitung sowie der Übersetzung, vorbehalten. Kein Teil des Werkes darf in irgendeiner Form (durch Fotokopie, Mikrofilm oder ein anderes Verfahren) ohne schriftliche Genehmigung des Verlages reproduziert oder unter Verwendung elektronischer Systeme verarbeitet, vervielfältigt oder verbreitet werden. Printed in Germany Satz und Druck: Ludwig Vogt, 1000 Berlin 61 Buchbindearbeiten: Dieter Mikolai, 1000 Berlin 10

Inhalt Jahrestagung 1984

Seite 5

Erster Beratungsgegenstand: Artikel 12 GG - Freiheit des Berufs und Grundrecht der Arbeit 1. Bericht von Professor Dr. Hans-Peter Schneider Leitsätze des Berichterstatters

7 44

2. Mitbericht von Professor Dr. Helmut Lecheler Leitsätze des Mitberichterstatters

48 73

3. Aussprache und Schlußworte

76

Zweiter Beratungsgegenstand: Der Verwaltungsvorbehalt 1. Bericht von Professor Dr. Hartmut Maurer Leitsätze des Berichterstatters

135 167

2. Mitbericht von Professor Dr. Friedrich E. Schnapp Leitsätze des Mitberichterstatters

172 199

3. Aussprache und Schlußworte

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Verzeichnis der Redner

259

Verzeichnis der Mitglieder der Vereinigung der Deutschen Staatsrechtslehrer

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Satzung der Vereinigung

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Jahrestagung 1984 Die Jahrestagung 1984 fand vom 3. bis 6. Oktober im traditionsreichen Göttingen statt, das 1951 schon einmal Tagungsort der Vereinigung war. Hans Heinrich Rupp (Mainz) führte den Vorsitz. Die Diskussionsleitung war beim ersten Beratungsgegenstand dem Vorstandsmitglied Peter Häberle (Bayreuth/St. Gallen) anvertraut, beim zweiten Beratungsgegenstand dem Vorstandsmitglied Hans-Uwe Erichsen (Münster). Seit der letzten Jahrestagung sind 10 Kollegen neu in die Vereinigung aufgenommen worden. Zwei langjährige ausländische Mitglieder sind ausgetreten. Die Vereinigung zählt nunmehr 332 Mitglieder. Davon haben 182 an der Göttinger Tagung teilgenommen, zu einem nicht geringen Teil mit ihren Ehefrauen. Der erste Vorsitzende Hans Heinrich Rupp konnte ausländische Gäste sowie Vertreter deutscher Fachzeitschriften begrüßen. Ein besonderer Gruß galt dem 90jährigen Hermann Jahrreiß, dem die Versammlung am Ende seines Dankwortes, in dem er eindrucksvoll über seine Tätigkeit als langjähriger Präsident der Europäischen Rektorenkonferenz berichtete, eine „standing ovation" darbrachte. Jedem Anwesenden wird diese spontane Ehrung eines großen Gelehrten und Repräsentanten deutscher Rektorentradition unvergeßlich bleiben. In der Mitgliederversammlung wurde zweier verstorbener Mitglieder gedacht: Ernst Friesenhahn und Ernst von Hippel starben 1984. Beide Staatsrechtslehrer werden der Vereinigung menschlich und wissenschaftlich sehr fehlen. Die nächste Jahrestagung wird vom 2. bis 5. Oktober in Fribourg (Schweiz) stattfinden. Als Vorstand wurden in geheimer Wahl wiedergewählt: Hans Heinrich Rupp, Peter Häberle und Hans-Uwe Erichsen. Am ersten Abend wurden die Teilnehmer mit ihren Damen in der Mensa der Universität Göttingen vom Oberbürgermeister der Stadt Göttingen, Prof. Dr. G. Rinck, sowie vom Dekan der juristischen Fakultät, Prof. Dr. W. Sellen, willkommen geheißen. Vor Beginn des wissenschaftlichen Teils der Tagung am 4. Oktober (Vormittag) begrüßte die Teilnehmer der Vizepräsident der Georg-August-Universität Göttingen, Prof. Dr. Hans-LudwigSchreiber. Am zweiten Abend gab es im Foyer der Stadthalle in Göttingen namens der niedersächsischen Landesregierung durch den niedersächsischen Minister der Justiz Walter Remmers einen Empfang. Nach Abschluß des wissenschaftlichen Programms traf sich die Vereinigung zu ihrem schon traditionellen festlichen Gesellschaftsabend mit Damen. Die Tagung klang aus mit einer gemeinsamen herbst-

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Jahrestagung 1984

liehen Fahrt nach Goslar, die durch die Besichtigung und Erklärung der bedrückenden innerdeutschen Grenzanlagen im Oberharz unterbrochen und überschattet wurde. Die Göttinger Tagung war sorgfältig geplant und ideenreich organisiert. Sie erhielt durch den Charme und das persönliche Engagement der Gastgeber eine besondere Note. Großer Dank gebührt der gastfreundlichen Fakultät, allen voran Herrn Volkmar GöYzund seiner Gattin, sowie den Kollegen vor Ort und ihren liebenswürdigen Damen sowie zahlreichen tatkräftigen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern. Die nachstehend abgedruckten Referate wurden am 4. und 5. Oktober 1984 in der Aula der Georg-August-Universität Göttingen gehalten, in einem Raum, der sich durch eine einzigartige ambiance auszeichnet. Dort fanden, jeweils an den Nachmittagen, die Aussprachen statt.

Erster Beratungsgegenstand:

Artikel 12 GG - Freiheit des Berufs und Grundrecht der Arbeit 1. Bericht von Professor Dr. Hans-Peter Schneider, Hannover Inhalt Seite I.

II.

III.

IV

V

Vorüberlegungen zu „Arbeit" und „Beruf' als Gegenständen des Verfassungsrechts (verfassungsgeschichtliche Bestandsaufnahme). 1. Staatsphilosophische Wurzeln 2. Historische Entwicklung 3. Berufssoziologischer Befund

8 9 11 12

Die Arbeits- und Berufsfreiheit in der modernen Industriegesellschaft (verfassungstheoretische Grundlegung) 1. Arbeit als Existenzform 2. Beruf als Organisationsform 3. Die „Arbeits- und Berufsfreiheit" als einheitliches Grundrecht.

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Funktions- und Realisierungsbedingungen der Arbeits- und Berufsfreiheit im marktwirtschaftlichen System (verfassungspraktische Problemstellung) 1. Funktionswandel von Arbeit und Beruf 2. Berufsfreiheit und Berufslenkung 3. Berufsfreiheit und Arbeitsmarkt 4. Artikel 12 GG - ein Grundrecht unter „Konjunkturvorbehalt"?.

19 20 20 21 22

Das Grundrecht der Arbeits- und Berufsfreiheit im Grundgesetz (verfassungsrechtlicher Regelungsgehalt) 1. Schutzbereiche (Arbeit als „Beruf') 2. Schutzgegenstand „Beruf 3. Schutzgegenstand „Ausbildung" 4. Schutzgegenstand „Arbeit" 5. Schutzzwecke (Funktionen und Dimensionen) 6. Schutzumfang (Regelungsschranken)

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Die Arbeits- und Berufsfreiheit im Kontext von Verfassung und Rechtsordnung (verfassungsdogmatische Konsequenzen) 1. Verhältnis zu anderen Grundrechten und Ordnungsprinzipien . 2. Normative Kerngehalte der Arbeits- und Berufsfreiheit 3. Auswirkungen für einzelne Rechtsgebiete

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Hans-Peter Schneider

I. Vorüberlegungen zu „Arbeit" und „Beruf' als Gegenständen des Verfassungsrechts (verfassungsgeschichtliche Bestandsaufnahme) Kennen Sie den Unterschied zwischen Friseur und Perückenmacher? Wenn nicht, umso besser; Sie befinden sich in guter Gesellschaft: Auch Kant hatte nämlich bei dem Versuch, die Selbständigkeit des Menschen als „Bürger" zu bestimmen, seine Schwierigkeiten damit. Denn das Bürgerrecht setze voraus, daß jemand „sein eigener Herr (sui juris) sei, mithin irgendein Eigentum habe..., welches ihn ernährt" Hausbediente, Ladendiener oder Taglöhner dagegen J a „selbst der Friseur sind bloß operarii, nicht artifices..., mithin auch nicht Bürger zu sein qualifiziert". Obgleich sich beide, der Arbeiter und der Unternehmer, „in ganz ähnlichen Verhältnissen gegen mich zu befinden scheinen, so ist doch jener von diesem, wie Friseur vom Perückenmacher (dem ich auch das Haar dazu gegeben haben mag), also wie Taglöhner vom Künstler oder Handwerker ... unterschieden". Für sehr überzeugend freilich hielt der Philosoph diese Differenzierung schon damals nicht: „Es ist", so seufzt er, „ich gestehe es, etwas schwer, die Erfordernis zu bestimmen, um auf den Stand eines Menschen, der sein eigener Herr ist, Anspruch machen zu können"1. In weiser Voraussicht hätte Kant statt des Friseurs vielleicht besser das Beispiel des Pharmazeuten wählen sollen, um mit der Gegenüberstellung von selbständigem und abhängigem Apotheker als verschiedenen „Berufen" wenigstens die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts auf seiner Seite zu haben2. Oder sollte gar umgekehrt die derzeitige Verfassungsjudikatur noch hinter Kant zurückgefallen sein? Heute werden Arbeit und Beruf in der Bundesrepublik Deutschland durch Art. 12 GG, in Österreich durch Art. 6 Abs. 1 und 18 StGG und in der Schweiz durch Art. 13 quinquies und 31BV verfassungsrechtlich geschützt. Und dennoch bleiben wie ehedem viele Fragen offen: Umfaßt dieser Schutz in gleicher Weise die selbständige wie die abhängige Arbeit? Besteht er ausschließlich in einer Abwehr staatlicher Eingriffe oder begründet er auch Ansprüche auf Teilhabe an staatlichen Leistungen? Verpflichtet er

1

I. Kant, Über den Gemeinspruch: Das mag in der Theorie richtig sein, taugt aber nicht für die Praxis (1793), hg. von J. Ebbinghaus, 1968, S. 46 f. 2 Das BVerfG begründet diese Aufspaltung in zwei Berufe„innerhalb des einen Standes der ,Apotheker'" mit „allgemeiner Anschauung" und „dem Urteil der Berufsangehörigen selbst". Auf diese Weise wird „der Übergang von der Tätigkeit eines angestellten zur Tätigkeit eines selbständigen Apothekers" zu einem „Akt der Berufswahl ..., der dem Schutz des Art. 12 Abs. 1 Satz 1 GG untersteht" (BVerfGE 7, 377, 398 f.). Kritisch bereits H. Ridder, Die soziale Ordnung des Grundgesetzes, 1975, S. 120 f., über diesen „goldenen Herbst der Mittelstandsromantik".

Freiheit des Berufs - Grundrecht der Arbeit

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zugleich den Staat, lenkend und fördernd tätig zu werden, u m die realen Voraussetzungen einer effektiven Grundrechtswahrnehmung zu schaffen? Wie weit reicht hierbei die Regelungsbefugnis des Gesetzgebers und welchen Schranken oder Kontrollmaßstäben unterliegt sie? All dies ist - trotz verstärkter Bemühungen um die Berufsfreiheit als „Grundrecht der Arbeit" in jüngster Zeit 3 - noch immer weitgehend ungeklärt. So erweist sich der Art. 12 GG (mit einem Wort WalterJellineks) nach wie vor als die „schlimmste crux des Grundrechtsteiles" 4 . 1. Staatsphilosophische

Wurzeln

,Arbeit" und „Beruf gehören seit Beginn des konstitutionellen Zeitalters zum liberalen Kernbestand verfassungsrechtlicher Gewährleistung.

3

Vgl. vor allem die wegweisenden Arbeiten von P. Badura, Grundfreiheiten der Arbeit, FS Berber, 1973, S. 11 ff.; ders., Arbeit als Beruf (Art. 12 Abs. 1 GG), FS Herschel, 1982, S. 21 ff.; ferner die bei U. Scheuner entstandene Dissertation von U. Hannig, Die Berufsfreiheit (Art. 121 Grundgesetz) der Arbeitnehmer, Bonn 1970; H. Hege, Das Grundrecht der Berufsfreiheit im Sozialstaat, 1977; W. HoffmannRiem, Die grundrechtliche Freiheit der arbeitsteiligen Berufsausübung, FS Ipsen, 1977, S. 385 ff.; G. Hoffmann, Berufsfreiheit als Grundrecht der Arbeit, 1981; Κ. M. Meessen, Das Grundrecht der Berufsfreiheit, JuS 1982, S. 397 ff.; R. Pitschas, Berufsfreiheit und Berufslenkung, 1983; H. Ryffel/J. Schwartländer (Hg), Das Recht des Menschen auf Arbeit, 1983; darin: W. Brugger, Freiheit des Berufs und Recht auf Arbeit im Verfassungsrecht, S. 111 ff.; P. Häberle, Arbeit als Verfassungsproblem, JZ1984, S. 345ff.- Wichtig sind auch die umfangreichen neueren Kommentierungen des Art. 12 GG von R. Scholz, Maunz-Dürig, 1981, und von H. Rittstieg, AK-GG, 1984, Bd. 1, S. 944ff.sowie die Begleitaufsätze zu dieser Tagung von H.-J. Papier, Art. 12 GG - Freiheit des Berufs und Grundrecht der Arbeit, DVB1. 1984, S. 801 ff; R. Wendt, Berufsfreiheit als Grundrecht der Arbeit, DÖV1984, S. 601 ff; J. Pietzcker, Artikel 12 Grundgesetz - Freiheit des Berufs und Grundrecht der Arbeit, NVwZ 1984, S. 550 ff; B.-O. Bryde, Art. 12 Grundgesetz Freiheit des Berufs und Grundrecht der Arbeit, NJW1984, S. 2177 ff Inzwischen kann also von einem Nachholbedarf gerade der „abhängigen Arbeit" jedenfalls im Schrifttum zu Art. 12 GG keine Rede mehr sein. Zum „Recht aufArbeit" vgl. die in Fn. 102 und 104 genannte Literatur. - Aus älterer Zeit grundlegend: G. Uber, Freiheit des Berufs (Artikel 12 des Grundgesetzes), 1952; U. Scheuner, Handwerksordnung und Berufsfreiheit, Deutsches Handwerksblatt 1955, S. 339 ff, 361 ff, 387 ff.; ders., Das Grundrecht der Berufsfreiheit, DVB1.1958, S. 845 ff; Η. P. Ipsen, Verfassungsfragen zur Handwerksordnung, DVB1.1956, S. 358 ff; O. Bachof, Freiheit des Berufs, in: Bettermann/Nipperdey/Scheuner, Die Grundrechte, Bd. III, 1,1958, S. 155 ff; Η. H. Rupp, Das Grundrecht der Berufsfreiheit, NJW 1965, S. 993 ff - Informativ sind schließlich die Rechtsprechungsberichte von Η. H. Rupp, Das Grundrecht der Berufsfreiheit in der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts, AöR 92 (1967), S. 212 ff, und von P. J. Tettinger, Das Grundrecht der Berufsfreiheit in der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts, AöR 108 (1983), S. 92 ff. 4

W. Jellinek, Rezension zu G. Uber (Fn. 3), DÖV 1952, S. 383. Auch Scheuner (Handwerksordnung [Fn. 3], S. 340) hielt Art. 12 GG für „einen der am schwierig-

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Hans-Peter Schneider

Nachdem Grotius die Freiheit der Meere proklamiert5 und die Levellers schon Mitte des 17. Jahrhunderts den freien Warenverkehr gefordert hatten6, fand die Handels- und Gewerbefreiheit erstmals Eingang in die Verfassung der Französischen Republik von 17937. Das Preußische Allgemeine Landrecht enthielt hingegen noch den „Zunftzwang", nahm aber bereits Fabrikarbeiter („Fabrikanten") davon aus8. Mit den preußischen Reformen, vor allem durch das Edikt über die Bauernbefreiung (1807), das Gewerbesteueredikt (1810) und das Gewerbepolizeigesetz von 18119, wurde die Handels- und Gewerbefreiheit auch in Deutschland eingeführt. Diese Entwicklung beruhte auf Ideen frühbürgerlicher Rechts- und Staatsphilosophie. In Anknüpfung an die christliche Arbeitsethik hatte bereits Locke die menschliche Arbeit zur natürlichen Quelle des Eigentums und zum maßgeblichen Faktor aller Wertschöpfung erklärt10. Rousseau sah in der Arbeitsteilung die Hauptursache der Ungleichheit unter den Menschen11. Besondere Hochachtung wurde zusammen mit Besitz und Bildung der Arbeit im Deutschen Idealismus zuteil: Trotz seiner Geringschätzung des abhängigen Erwerbs erblickte Kant in ihr den „End-

eten zu interpretierenden Artikel des Grundgesetzes". Zuletzt Pietzcker (Fn. 3), S. 551: „ein schwieriges Grundrecht". 5 H. Grotius, Mare liberum (1609), übers, von R. Boschan, 1919. 6 Vgl. das zweite „Agreement of the People" vom 10.12.1648, Nr. 3 des Anhangs: „It shall not be in their power (der Abgeordneten) to continue or make any laws to abridge any person from trading unto any parts beyond the seas, unto which any are allowed to trade, or to restrain trade at home" (zit. nach A. S. P. Woodhouse, Puritanism and Liberty, 2nd ed., 1974, p. 364 sq.). 7 Vgl. Art. 17: „Nul genre de travail, de culture, de commerce ne peut etre interdit ä l'industrie des citoyens" (zit. nach F. Härtung, Die Entwicklung der Menschen- und Bürgerrechte von 1776 bis zur Gegenwart, 1964, S. 48). 8 Vgl. ALR II 8 §§ 179-400 (Von Handwerkern und Zünften), insbes. §§ 224 ff.; ferner §§ 401-423 (Von Künstlern und Fabrikanten), insbes. § 417. 9 Preuß. GS 263; die Reformedikte sind abgedr. bei E. R. Huber, Dokumente zur deutschen Verfassungsgeschichte, Bd. 1,1961, S. 38 ff., 43 f. Zur Geschichte der Handels- und Gewerbefreiheit vgl. F. Lütge, Deutsche Sozial- und Wirtschaftsgeschichte, 1976; H. Bechtel, Wirtschaftsgeschichte Deutschlands im 19. und 20. Jahrhundert, 1956; I. Mieck, Preußische Gewerbepolitik in Berlin 1806-1844, 1965; E. R. Huber, Deutsche Verfassungsgeschichte seit 1789, Bd. 1,1957, S. 203 ff; Bd. 4,1969, S. 973 ff. 10 J. Locke, Über die Regierung (The Second Treatise of Government [1689]), hg. von P. C. Mayer-Tasch, Hamburg o. J., Kap. V Nr. 25-32,36,40,45 (S. 26 ff.). 11 J.-J. Rousseau, Abhandlung über den Ursprung und die Grundlagen der Ungleichheit unter den Menschen (Discours sur l'origine et les fondements de l'inegalite parmi les hommes [1754]), hg. von H. Mende/K. Peter, 1955,2. Teil, S. 99 f.

Freiheit des Berufs - Grundrecht der Arbeit

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zweck" des Menschen12. Fichte erhob sie in seiner Arbeitslehre sogar zur „sittlichen Pflicht"13 und Hegel betrachtete die Arbeit als vornehmsten Ausdruck menschlicher „Selbstverwirklichung"14. Folglich mußte die fremdbestimmte (unfreie) Lohnarbeit aus materialistischer Sicht (ζ. B. bei Marx ) als ,yerdinglichung" und „Entfremdung" des Menschen erscheinen15. Für die Staats- und Gesellschaftstheorie vom 17. bis zum 19. Jahrhundert enthielten daher Arbeit, Beruf, Besitz und Bildung die Grundbedingungen menschlicher Freiheit und Gleichheit. 2. Historische Entwicklung Mit der Forderung nach freiem Handel und Wandel einerseits, der Arbeits- und Berufsethik andererseits waren zwei Komponenten der wirtschaftlichen und geistigen Entfaltung des Menschen anerkannt, die im Verfassungsstaat des Vormärz auf unterschiedliche Weise ihren positivrechtlichen Niederschlag fanden: (1) als Handels- und Gewerbefreiheit, die jeweils in Verbindung mit der Vereinigungsfreiheit (Aufhebung des Zunftzwangs), der Freizügigkeit und der Niederlassungsfreiheit geschützt sowie durch den Übergang von der Bürger- zur Gewerbesteuer fiskalisch abgesichert wurde (ökonomische Dimension) und (2) als Freiheit der Berufswahl, die - zum Bildungsgut erhoben - stets mit der freien Wahl der Ausbildungsstätte, der Wissenschaftsfreiheit, dem Recht zum Studium außerhalb der Landesgrenzen und dem Zugang zum Staatsdienst verknüpft worden ist (kulturelle Dimension)16. Seit Mitte des vori-

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1. Kant, Kritik der Urteilskraft (1790), § 83, in: Werke, hg. von W. Weischedel, 1981, Bd. 8, S. 551ff.- Vgl. dazu auch P. Krause, Die Lehre von der Arbeit in der Philosophie des Deutschen Idealismus und ihre Bedeutung für das Recht, Diss. jur. Saarbrücken 1965, S. 37 ff. (89); ferner H.-G. Deggau, Die Aporien der Rechtslehre Kants, 1983, S. 213 ff. 13 J. G. Fichte, Die Sittenlehre (1812), in: Nachgelassene Werke, hg. von I. H. Fichte, 1834/35, Bd. 11, S. 91 f., 96.; dazu Krause(Fn. 12), S. 118 ff. (177). Vgl. ferner Z. Batscha, Die Arbeit in der Sozialphilosophie J. G. Fichtes, in: Archiv für Sozialgeschichte XII (1972), S. 1 ff. 14 G. W.F. Hegel, Grundlinien der Philosophie des Rechts (1821), § 187 (bezogen vor allem auf die „harte Arbeit" der Bildung), §§ 196 ff., hg. von J. Hoffmeister, 4. Aufl. 1955, S. 168 f., 173 ff. - Dazu Krause (Fn. 12), S. 203 ff.; S.-Z. Lim, Der Begriff der Arbeit bei Hegel, 1963. 15 K. Marx, Zur Kritik der Nationalökonomie. Ökonomisch-philosophische Manuskripte (1844), in: MEW, Erg. Bd., 1. T., 1968, 465 ff. - Dazu W.Schild, Das Problem eines Rechts auf Arbeit bei Karl Marx, in: Ryffel/Schwartländer (Fn. 3), S. 153 ff. 16 Vgl. Art. 29 und 31 der Verfassungsurkunde für das Königreich Württemberg vom 25.9.1819 (RegBl. S. 633; abgedr. bei Huber, Dokumente [Fn. 9], S. 171 ff.); Art. 27 und 36 der Verfassungsurkunde fur das Kurfürstentum Hessen vom 5.1.

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Hans-Peter Schneider

gen Jahrhunderts wurde jedoch die kulturelle von der ökonomischen Dimension zeitweilig verdrängt oder überlagert. So garantierte die Weimarer Reichsverfassung neben dem Schutz der Arbeitskraft (Art. 157 Abs. 1) und der Arbeitspflicht (Art. 163) in Art. 111 und 151 Abs. 3 lediglich die freie Erwerbstätigkeit, unter die freilich schon seit der Paulskirchen-Verfassung auch die abhängige Beschäftigung fiel, wie der in beiden Texten verwendete Begriff des „Nahrungszweigs" zeigt, der bereits 1848 auf Drängen von Eisenbahn- und Fabrikarbeitern statt der Worte „Kunst und Gewerbe" in den Frankfurter Entwurf aufgenommen worden war17. Die landläufige Vorstellung, wonach das Grundrecht der Berufsfreiheit in Art. 12 GG lediglich auf die Handels- und Gewerbefreiheit des 19. Jahrhunderts zurückgehen und heute mit seinen umfassenden Gewährleistungen von selbständiger und abhängiger Tätigkeit sowie von Arbeit, Beruf, Gewerbe und Ausbildung „traditionssprengende Originalität"18 besitzen soll, ist verfassungsgeschichtlich unhaltbar. Trotz vorübergehender Akzentverschiebung von der kulturellen auf die ökonomische Dimension haben sich beide Traditionslinien eines schon seit dem Vormärz mehrschichtig verbürgten „Grundrechts der Arbeit" bis in die Gegenwart nebeneinander zu behaupten vermocht, wie ihre getrennte Verankerung in Art. 6 Abs. 1 und 18 StGG, aber auch die Unterscheidung zwischen „Berufswahl" und „Berufsausübung" in Art. 12 Abs. 1 GG noch zeigen. Diese historische Bipolarität der Berufsfreiheit darf durch einen „stufentheoretischen" Uniformismus nicht überspielt werden. 3. Berufssoziologischer Befund

Ein Blick auf die heutige Berufswirklichkeit läßt erkennen, in welch starkem Maße die Regelungsbereiche des Art. 12 GG gesellschaftlichen Einflüssen und damit tiefgreifenden Veränderungen unterliegen19. Die

1831 (GVS. S. 1 f f . , Huber, a. a. O., S. 201 ff.); Art. 28 der Verfassungsurkunde für das Königreich Sachsen vom 4.9.1831 (GVB1. S. 241; Huber, a. a. 0 . , S. 223 ff.); Art. 158 und 133 der Verfassung des Deutschen Reiches vom 28.3.1849 (RGBl. S. 101; Huber, a. a. O., S. 304 ff.). Auf diese über die Gewerbefreiheit hinausgreifenden kulturellen Aspekte der Berufsfreiheit haben schon Bachof (Fn. 3, S. 157) und Hoffmann (Fn. 3, S. 65) hingewiesen. 17 H. Scholler, Die sozialen Grundrechte in der Paulskirche, Der Staat 13 (1974), S. 51 ff. (57). Vgl. Art. 133 Abs. 1 RV1849. 18 So Papier (Fn. 3), S. 801: der durch Art. 12 GG bewirkte „Gewährleistungszusammenhang" sei „signifikant" und „neuartig"; R. Herzog, Art. „Berufsfreiheit", EvStL 19752, Sp. 186. 19 Dazu grundlegend H.-A. Hesse, Berufe im Wandel, 2. Aufl. 1972; vgl. auch ders., Der Einzelne und sein Beruf: Die Auslegung des Art. 12 Abs. 1 GG durch

Freiheit des Berufs - Grundrecht der Arbeit

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moderne Arbeits- und Berufswelt ist durch zunehmende Arbeitsteilung, Spezialisierung, Professionalisierung und Mobilität gekennzeichnet20. Die Arbeitsteilung verlangt nach einer rationalen Form der Erwerbstätigkeit, die - berechenbar, stetig und prinzipiell auf Dauer angelegt - in einer Vielzahl von „Berufen" organisiert ist. Diesem Pluralismus der Berufe21 entsprechen unterschiedliche, gesellschaftlich vorgeprägte „Berufsbilder", die durch bestimmte Tätigkeiten idealtypisch determiniert und als „Berufsrollen" Gegenstand einer Berufswahl sind. Zugleich bedingen der rasche soziale Wandel, die ökonomische Entwicklung und der technische Fortschritt ein hohes Maß an Flexibilität und Mobilität der Beschäftigten. Der mit dem Übergang vom Lebens- zum Zeitberuf verbundene Verlust an Rationalität und Verläßlichkeit muß einerseits durch verminderte Erwartungen an eine kontinuierliche Erwerbstätigkeit ausgeglichen, zum anderen in seinen gesellschaftlichen Folgen durch Maßnahmen der Erwerbssicherung aufgefangen werden. Der Beruf wird damit zur sozialen Lebensform des arbeitenden Menschen. Er setzt in der Regel eine spezielle Vor- oder Ausbildung voraus, knüpft an bestimmte Qualifikationen an22, vermittelt gesellschaftliche Anerkennung und Prestige. Überkommene Privilegien, Besitzstände und Gewohnheiten werden von individuell erworbenen Fähigkeiten, Fachkenntnissen und persönlichen Leistungen in den Hintergrund gedrängt. Demgemäß eröffnet die zum Beruf verfestigte Arbeit vorgegebene Aufstiegsmöglichkeiten (Karrieren) bei permanenter Kontrolle und Konkurrenz. Insgesamt können die durch Art. 12 GG geschützten Freiheiten unter den Bedingungen der Arbeitsteilung nur in ständiger Interaktion und Kooperation mit anderen Grundrechtssubjekten verwirklicht werden23. Beruf, Arbeit und Ausbildung stehen daher für den erwerbstätigen Menschen in einem untrennbaren gesellschaftlichen Funktionszusammenhang. Daraus ergibt sich für das heutige Verständnis der Berufsfreiheit die Notwendigkeit einer komplexen Betrachtungs-

das Bundesverfassungsgericht aus soziologischer Sicht, in: AöR 95 (1970), S. 449 ff.; ders., Die Einbeziehung der Soziologie in die juristische Dogmatik am Beispiel der Auslegung von Art. 12 GG, DVB1.1976, S. 657 ff.; ders., Die Berufsunfähigkeit des Arbeiters, in: Mitteilungen aus der Arbeitsmarkt- und Berufsforschung 16 (1983), S. 68 ff. 20 Vgl. H. Daheim, Der Beruf in der modernen Gesellschaft, 2. Aufl. 1970; Th. Luckmann/W. Μ. Sprondel (Hg.), Berufssoziologie, 1972; 0. Neuloh, Arbeits- und Berufssoziologie, 1973; U. Beck/M. Brater/H. Daheim, Soziologie der Arbeit und der Berufe, 1980. - Dazu Hoffmann (Fn. 3), S. 87 ff. 2' So Scholz (Fn. 3), RdNr. 250 ff. zu Art. 12 GG. 22 Dazu Hoffmann (Fn. 3), S. 137 ff. 23 Rittstieg (Fn. 3), RdNr. 12 zu Art. 12 GG; ähnlich schon Hoffmann-Riem (Fn. 3), S. 385 (et passim); kritisch Pietzcker (Fn. 3), S. 51 ff.

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Hans-Peter Schneider

weise, welche die sozialen Rückwirkungen einer vorwiegend berufsorientierten Grundrechtsdogmatik auf Arbeit und Ausbildung stets mitbedenkt.

II. Die Arbeits- und Berufsfreiheit in der modernen Industriegesellschaft (verfassungstheoretische Grundlegung) Die Tatsache, daß Art. 12 G G die menschliche Arbeit zum Gegenstand hat - sei es in Beruf, Ausbildung oder am Arbeitsplatz ist lange Zeit durch eine zu einseitig auf den „Beruf als selbständige Erwerbstätigkeit fixierte Interpretation verdunkelt worden24. Zwar wurde niemals ernsthaft bestritten, daß die Berufsfreiheit auch abhängig Beschäftigten zusteht 25 ; insoweit hielt man aber das geltende Arbeits- und Sozialrecht für eine ausreichende verfassungsgemäße Konkretisierung. Diese Verengung des Anwendungsbereichs von Art. 12 GG auf einen spezifischen „Mittelstandsschutz" hatte vielerlei Gründe: Zu unkritisch war man der schon in der Weimarer Zeit vertretenen 26 , irrigen Ansicht gefolgt, die Berufsfreiheit sei allein aus der Handels- und Gewerbefreiheit des 19. Jahrhunderts hervorgegangen. Hinzu kommt der Umstand, daß berufsbezogene Eingriffe des Staates in erster Linie direkt nur die Selbständigen und Unternehmer betreffen, weil die Arbeitnehmertätigkeit überwiegend nicht gesetzlich, sondern arbeits- bzw. tarifvertraglich geregelt ist und sich daher hier die Geltungsfrage für Art. 12 GG von vornherein höchstens als Drittwirkungsproblem stellt. Vor allem aber scheint völlig in Vergessenheit geraten zu sein, daß jeder berufstätige Mensch im weiteren Sinne zugleich ,»Arbeiter" ist, Arbeit und Beruf also keinen Standesunterschied mehr andeuten wie noch bei Kant, sondern lediglich funktionell zu differenzierende Daseinsformen ein und desselben Menschen sind. So gesehen, müßte - wenn dieser Hinweis erlaubt ist - unser Thema eigentlich „Freiheit des Berufs als Grundrecht der Arbeit" heißen.

24

So auch Häberle (Fn. 3), S. 345, der noch kürzlich daraufhingewiesen hat, daß die verfassungsrechtliche Literatur zum Thema „Arbeit" nach wie vor „nur zögernd" ihren Weg suche. Ähnlich Bryde (Fn. 3), S. 2177 f. 25 Seit BVerfGE 7, 377 (397 ff.) std. Rspr.; vgl. auch BVerfGE 54, 301 (322). In der Literatur hat sich diese Ansicht ebenfalls durchgesetzt: so bereits Bachof (Fn. 3), S. 160; weitere Nachweise bei Badura, Arbeit (Fn. 3), S. 23 ff. 26 Schon G. Anschütz (Die Verfassung des deutschen Reiches, 14. Aufl. 1932, Anm. 1 zu Art. 111) hielt in Art. 111 WRVdie „Freiheit der Berufswahl" für verbürgt. Ebenso noch v. Mangoldt/Klein, Das Bonner Grundgesetz, 2. Aufl. 1966, Anm. II, 1 zu Art. 12.

Freiheit des Berufs - Grundrecht der Arbeit 1. Arbeit als

15

Existenzform

Arbeit ist Ausdruck menschlicher Selbsterhaltung und Selbstentfaltung. Durch Arbeit vermag der Mensch nicht nur seinen Lebensunterhalt zu sichern, sondern darüber hinaus Produkte herzustellen, Leistungen zu erbringen und Wirklichkeit zu gestalten, in denen sich jeweils ein Stück objektivierter Persönlichkeit wiederfindet. Damit tritt der Mensch in der Arbeit „aus sich heraus", ek-sistiert als schaffendes Wesen und gewinnt aus dem Arbeitsprozeß einen Teil seiner Identität und Selbstachtung. So wird die Arbeit zur Existenzform des Menschen in der „vita activa" - und zwar auch dann, wenn sie ihm nicht oder nur sehr begrenzt ermöglicht, sich selbst zu „verwirklichen". Denn „Arbeit" bedeutet für ihn immer zugleich beides: Notwendigkeit und Freiheit. Der Mensch ist zur Arbeit verdammt und „zur Arbeit berufen" 27 ; in ihr manifestieren sich Wert und Würde der Person. Das Arbeitsleben bestimmt weitgehend seinen personalen Status. Das Verfassungsrecht wäre freilich überfordert, wenn man von ihm verlangen wollte, daß es dem Menschen zur „Selbstverwirklichung" verhilft (was immer dies heißen mag). Gleichwohl ergeben sich aus dem unmittelbaren Persönlichkeitsbezug der Arbeit für das Verständnis des Art. 12 GG drei wichtige Folgerungen: (1) Niemand darf vom Staat daran gehindert werden, sich durch eigene Arbeit seine Existenzgrundlage zu schaffen. In diesem „Recht zur Arbeit" ist der Menschenrechtskern der Berufsfreiheit enthalten28. (2) Angesichts vielfältiger Sach- und Systemzwänge, verstärkter Abhängigkeit von staatlichen oder gesellschaftlichen Vorgaben sowie wachsender Entpersönlichung des Arbeitsprozesses verlangt Art. 12 GG Vorkehrungen, welche die Arbeitsfreiheit für alle Bevölkerungsschichten und Berufsgruppen in der Weise gewährleisten, daß die reale Möglichkeit individueller Selbstbestimmung durch Arbeit auch unter den Bedingungen industrieller Produktion und maschineller Dienstleistung erhalten bleibt. (3) Schließlich wird die Auslegung der Berufsfreiheit insgesamt durch den existentiellen Charakter der Arbeit und ihren hohen Persönlichkeitswert geprägt.

27

So die Formulierung in der Enzyklika „Laborem exercens" vom 15. 5.1981, Vorrede (dt. Ausgabe, Aschaffenburg 1981, S. 16). Vgl. dazu W. Klei n/W. Krämer (Hg.), Sinn und Zukunft der Arbeit. Konsequenzen aus Laborem exercens, 1982; ferner A. Baruzzi, Arbeit und Beruf. Drei Thesen, in: Ryffel/Schwartländer (Fn. 3), S. 191ff.- Zur Sozialenzyklika „Mater et magistra": Chr. Holzel, Die Arbeit - ein Ausdruck des Personwesens des Menschen, Diss. Erlangen-Nürnberg 1964. 28 Ähnlich Scholz (Fn. 3), RdNr. 44 zu Art. 12 GG; vgl. auch ders., Recht auf Arbeit. Verfassungsrechtliche Grundlagen, Möglichkeiten und Grenzen der Kodifikation, in: Böckenförde/JekewitzJRamm (Hg.), Soziale Grundrechte, 1981, S. 75 ff. (75).

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2. Beruf als Organisationsform Beruf ist Ausdruck kulturell anerkannter und geordneter Erwerbstätigkeit29. Über historisch gewachsene Berufsformen und Berufszweige wird die Arbeit gesellschaftlich organisiert und verteilt. Obwohl inzwischen ständische Berufsgliederungen weitgehend durch ein ausbildungsabhängiges, zweckrational strukturiertes „Beschäftigungssystem" abgelöst worden sind, bildet der Beruf auch in der modernen Industriegesellschaft weiterhin die dominante Organisationsform der Arbeit30. In ihrer konkreten rechtlichen Ausprägung sind die einzelnen Berufssparten und Berufsrollen stets das Ergebnis einer „Gemengelage", eines Zusammenwirkens und Ineinandergreifens von öffentlicher (staatlicher oder gesellschaftlicher) Normierung und privater (individueller oder vertraglicher) Gestaltung. Dabei reicht die Skala der Regelungsdichte von umfassender staatlicher Berufsordnung (ζ. B. für Beamte oder staatlich gebundene Berufe) bis hin zur völligen persönlichen Berufsfreiheit (etwa des Astrologen). Obwohl der Gesetzgeber nicht gehindert ist, bestimmte „Berufsbilder" festzulegen31, wird unter „Beruf allgemein jede beliebige ertragbringende und der dauerhaften Sicherung des Lebensunterhalts dienende Beschäftigung verstanden 32 . Im Interesse einer möglichst freien, persönlichkeitsnahen Berufswahl ist an diesem von Rechtsprechung und Literatur gleichermaßen anerkannten „weiten" Berufsbegriff festzuhalten 33 . Denn im Beruf mani29

Dazu G. GundlachSJ/A. Horn, Art. „Beruf, in: Staatslexikon, 6. Aufl., Bd. 1, 1957, Sp. 1087 ff.; W. Conze, Art. „Beruf, in: O. Brunner/W. Conze/R. Koselleck (Hg.), Geschichtliche Grundbegriffe, Bd. 1,1972, S. 490 ff. 30 Dazu M. Brater/U. Beck, Berufe als Organisationsformen menschlichen Arbeitsvermögens, in: Littek/Rammert/Wachtler (Hg.), Einführung in die Arbeits- und Industriesoziologie, 1982, S. 208 ff. Ähnlich bereits H.-A. Hesse, Berufsunfähigkeit (Fn. 19), S. 69: „Daß die Arbeit beruflich organisiert ist, ist ein zentrales Moment der Arbeitsverfassung und des Arbeitsmarktes in Deutschland". - Für das Gesellschaftsrecht: E. J. Mestmäcker, Zur gesellschaftlich organisierten Berufsfreiheit, FS Westermann, 1974, S. 411 ff. 31 So BVerfGE 13,97 (106,117); vgl. auch BVerfGE 54, 301 (314,322 f.); 59,302 (315 f.). 32 Seit BVerfGE 7, 377 (397 ff.) std. Rspr.; zuletzt BVerfGE 54, 301 (313). Vgl. auch BVerwGE 1,54 in std. Rspr. - Von dieser Definition geht auch das Schrifttum aus: statt anderer Scholz (Fn. 3), RdNr. 17-27 zu Art. 12; M. Gubelt, in: I. v. Münch, Grundgesetz-Kommentar, 2. Aufl. 1981, RdNr. 8 zu Art. 12. 33 Er ermöglicht vor allem eine individuelle Entscheidung und gestattet es dem Einzelnen, „seinen Beitrag zur gesellschaftlichen Gesamtleistung" selbst zu bestimmen (so BVerfGE 7,377,397; 50,290,362). Mit dieser Anknüpfung an das „Selbstverständnis des Grundrechtsträgers" fällt zugleich ein Stück Definitionsmacht von Freiheit in die Kompetenz des Individuums: vgl. J. Isensee, Wer definiert die Freiheitsrechte?, 1980, S. 49. Insofern entspricht der weite Berufsbegriff auch dem personalen Charakter des Freiheitsrechts aus Art. 12 GG.

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festieren sich Erfolg und Leistung der Person, von denen wiederum weitgehend ihr sozialer Status abhängt34. Deshalb erübrigt, ja verbietet es sich sogar, unter „Beruf im Sinne von Art. 12 Abs. 1GG nur „erlaubte" Betätigungen zu verstehen oder wirtschaftlich sinnlose bzw. sozial schädliche Erwerbsformen davon auszuschließen35. Denn der Regelungsvorbehalt des Satzes 2 läßt in diesen Fällen hinreichend Spielraum für eine Schrankenziehung. Allerdings ist dabei zu bedenken, daß ein solch „offener" Berufsbegriff nach der „Stufentheorie"36 sofort auf die Ebene der Berufswahl durchschlagen kann, bei deren Begrenzung der Gesetzgeber erhöhten Begründungsanforderungen unterliegt. Zumindest hat sich die Judikatur durch den „weiten" Berufsbegriff genötigt gesehen, immer exotischeren Tätigkeiten die Weihe des „Berufs" zu verleihen und folglich, verstrickt in die Fesseln der eigenen Schrankendogmatik, schon relativ harmlose Ausübungsregelungen als Eingriff in die Berufswahl verwerfen zu müssen. Den bisherigen Rekord solcher „Bocksprünge auf dem Trampolin"37 hält seit kurzem - noch vor dem BGH, dessen „Richtungsanzeiger-Hersteller" durch eine Änderung der StVO geschädigt wird 38 - nunmehr das OYG Lüneburg mit der Erfindung des „WochenendautomarktGebrauchtwagenhändlers", der in seiner Berufswahlfreiheit durch das Feiertagsgesetz unzulässig eingeschränkt werde, weil er ein bestimmtes Betriebsgrundstück eben nur am Wochenende als Verkaufsgelände nutzen könne39. Ein solches Vorgehen, über einen weiten Berufsbegriff zugleich diejenigen Merkmale zu rechtfertigen, derentwegen der Gesetzgeber eingreifen zu müssen glaubt, erinnert fast an die Palmström'sehe

34

Nach einer treffenden Formulierung von Scholz (Fn. 3, RdNr. 9 zu Art. 12) ist die Berufsfreiheit als „Garantie selbstverantwortlicher Existenzgestaltung, individualer Persönlichkeitsbildung sowie sozialer Statusbestimmung des Einzelnen" zu verstehen. Ebenso Pitschas (Fn. 3), S. 477 ff. 35 So bereits W. Berg, Berufsfreiheit und verbotene Berufe, GewArch 1977, S. 249 ff.; im Anschluß daran auch Scholz (Fn. 3), RdNr. 23-29 zu Art. 12 GG. 36 Seit BVerfGE 7, 377 (399 ff.) std. Rspr., modifiziert allerdings bereits in BVerfGE 13, 97 (113 ff.); 25,1 (10 ff.); über neuere Entscheidungen dazu informiert Tettinger (Fn. 3), S. 117 ff. - Zur Kritik vgl. Rupp (Fn. 3), AöR 92 (1967), S. 232 ff.; Kidder (Fn. 2), S. 120 ff.; B. Schlink, Abwägung im Verfassungsrecht, 1976, S. 48 ff, 68 ff.; abgeschwächt Scholz (Fn. 3), RdNr. 319 zu Art. 12 GG. 37 In diesem Sinne Ridder{Fn. 2), S. 120. 38 BGH NJW1968,293; dazu Bryde{Fn. 3), S. 2181. 39 OVG Lüneburg, Urteil vom 22. 3.1984 - 12 OVG A 345/81 S. 10 f. Selbst Scholz (Fn. 3, RdNr. 263 ff. zu Art. 12 GG) erkennt an, daß es bei einem „autonomein) Berufsschöpfungs- und Berufsprägungsrecht" erhebliche „Abgrenzungsprobleme" gibt. Kritisch neuerdings vor allem Bryde{Fn. 3), S. 2181 f., derzu Recht darauf hinweist, daß sich mit Hilfe eines weiten Berufsbegriffs fast alle gesetzlichen Restriktionen in „Berufsverbote" umdefinieren lassen.

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Logik, freilich in umgekehrtem Sinne: „Und so Schloß Palmström absichtsvoll, daß auch sein muß, was nur sein soll!" Immerhin hat Hans Peter Ipsen in seinem weitsichtigen Aufsatz über „Wochenend' und Grundgesetz", wo er bereits 1950 die Regelung der Ladenschlußzeiten als „Fundgrube staatsrechtlicher Problematik" entdeckte, durchaus recht behalten mit der Feststellung: „Das Grundgesetz wirkt tief in den Alltag hinein"40. 3. Die „Arbeits- und Berufsfreiheit" als einheitliches Grundrecht Die in der Personalität und Sozialität des Menschen angelegte Verbindung von Arbeit und Beruf fuhrt bei Art. 12 Abs. 1GG nicht nur zu einer Kohärenz von kultureller und ökonomischer Dimension, d. h. von Berufswahl und Berufsausübung, sondern auch zu einer Verknüpfung von „werktätiger" Existenz- und Organisationsform. Daß die Arbeit in Berufen organisiert und damit notwendig auch staatlich reglementiert ist, macht die strukturelle Eigenart des Grundrechts der Berufsfreiheit aus. Insofern erscheint das Eingriffs- und Schrankendenken, welches die Ideologie einer „vorstaatlichen" Berufsfreiheit pflegt, in die der Staat nur unter erheblichem Legitimationszwang allenfalls nachträglich „intervenieren" darf, für Art. 12 GG besonders unangemessen. Schließlich sind infolge des wechselseitigen Funktionsbezuges von Arbeit, Beruf und Ausbildung in Art. 12 Abs. 1 GG - soweit nicht ausdrücklich genannt - bei „Beruf die Schutzbereiche „Arbeit" und „Ausbildung" stets mitzudenken (und umgekehrt). Demnach erweist sich Art. 12 GG als einheitliches Grundrecht der „Arbeits- und Berufsfreiheit" in dreifacher Hinsicht: (1) durch den von der „Stufentheorie" zutreffend hergestellten Sachzusammenhang zwischen Berufsausübung und Berufswahl, (2) durch den im Menschen selbst angelegten Konnex von Arbeit und Beruf sowie (3) durch die mit jeder staatlichen Regelung einhergehende Interdependenz von Ausgestaltung und Begrenzung. Der beherrschende Grundzug dieser so verstandenen einheitlichen -„Arbeits- und Berufsfreiheit" der sich (um den beliebten „roten Faden" zu vermeiden und Peter Häberles Kulturidee wenigstens symbolisch näherzukommen) gleichsam als „basso continuo" vielleicht sogar „ostinato" durch alle Themen und Variationen des Art. 12 GG hindurch Gehör verschafft, ist ihr personaler Charakter4l. Der verfassungsrecht-

40

Η. P. Ipsen, Wochenend' und Grundgesetz, DVB1.1950, S. 385 ff. Ebenso bereits BVerfGE 30,292 (334); vgl. auch BVerfGE 54,301 (313); 59, 172 (210); im Anschluß daran betonen den unmittelbaren Persönlichkeitsbezug des Art. 12 GG vor allem Badura, Arbeit (Fn. 3), S. 23 ff. (m. w. Nachw.); Häberle (Fn. 3), S. 351, und Bryde (Fn. 3), S. 2181 f. 41

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liehe Schutz von Beruf und Arbeit dient nicht nur der Sicherung existenznotwendiger materieller Daseinsgrundlagen, sondern soll dem Menschen zugleich als Person eine freie, autonome Gestaltung seines Erwerbslebens ermöglichen. Damit reiht sich die Arbeits- und Berufsfreiheit „dem Schutzversprechen ein, das dem Staat für die Würde des Menschen und die freie Entfaltung der Persönlichkeit obliegt"42. Im Hinblick auf seine existentiellen und organisatorischen Elemente weist Art. 12 Abs. 1GG mit jener personalen Grundtendenz eine der Glaubensund Bekenntnisfreiheit analoge Normstruktur auf. Mehr noch als die Eigentumsgarantie enthält er für den Lebensentwurf des Menschen in der modernen Industriegesellschaft das zentrale Freiheits- und Persönlichkeitsrecht43.

ΠΙ. Funktions- und Realisierungsbedingungen der Arbeits- und Berufsfreiheit im marktwirtschaftlichen System (verfassungspraktische Problemstellung) Um die konkrete verfassungspraktische Bedeutung und Tragweite der Arbeits- und Berufsfreiheit in der Gegenwart beurteilen zu können, darf die ihr zugrunde liegende und von ihr mitgeprägte soziale Wirklichkeit, insbesondere die marktwirtschaftliche Ordnung, nicht außer Betracht bleiben. Denn Art. 12 GG entfaltet seine personalen Schutzwirkungen ja nicht im luftleeren Raum. Vielmehr ist die Berufsfreiheit eingebettet in ein bestimmtes Wirtschaftssystem, fungiert insoweit jedoch zugleich als Maßstab und Grenze staatlicher Regelung. Ersteres fördert nun aber Erscheinungen zutage, die offenbar mit den Gewährleistungen des Art. 12 GG in eklatantem Widerspruch zu stehen scheinen. Was nützt die freie Wahl der Ausbildungsstätte beispielsweise jenen 70000 Jugendlichen, die in diesem Jahr noch keine Lehrstelle gefunden haben? Wieviel ist die freie Wahl des Arbeitsplatzes bei Beschäftigungsmangel und Massenarbeitslosigkeit noch wert? Um diese Fragen befriedigend beantworten zu können, ohne dabei einerseits vor einer angeblichen „Realitätsblindheit" der Verfassung zu kapitulieren und andererseits in einer Art „Verfassungsrausch"44 ihre normative Kraft zu überfordern, muß man sich jener verfassungspraktischen Problematik äußerst behutsam nähern. 42

So Badura (Fa. 3), S. 23, der damit eine Brücke zu Art. 1 Abs. 1 und 2 Abs. 1 GG schlägt; vgl. auch Wendt (Fn. 3), S. 601 f. 43 Ähnlich Scholz (Fn. 3), RdNr. 9 f. zu Art. 12 GG; vgl. bereits Scheuner, Handwerksordnung (Fn. 3), S. 361: im Verhältnis zu Art. 2 Abs. 1 GG die „umfassendere Gesamtregelung bestimmter Fragen aus dem Bereich von Arbeit und Beruf'. 44 So Papier (Fn. 3), S. 810.

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1. Funktionswandel von Arbeit und Beruf Bevölkerungswachstum, technologische Entwicklung und der Ausbau des Sozialstaates haben zu einem Funktionswandel von Arbeit und Beruf in der Gegenwart geführt, der zugleich die Geltungsvoraussetzungen des Art. 12 GG im marktwirtschaftlichen System tiefgreifend verändert. Angesichts fortschreitender Automatisierung des Produktionsprozesses, massenhafter Freisetzung von Arbeitskräften, der auf absehbare Zeit weder quantitativ noch qualitativ genügend neue Arbeitsplätze gegenüberstehen, und nicht zuletzt eines entsprechenden Mangels an Ausbildungsplätzen droht die menschliche Arbeit als Produktionsfaktor nachhaltig und dauerhaft entwertet zu werden. Da dies ein strukturell irreversibler Wandlungsprozeß zu sein scheint, stellt sich die Frage, ob das „Markt- und Kontraktprinzip"45 als maßgeblicher ökonomischer Steuerungsmechanismus die Arbeits- und Berufsfreiheit nicht partiell „leerlaufen" läßt und diese deshalb, soll sie nicht faktisch obsolet werden, von Staats wegen gefordert und verstärkt werden muß. Um hier Klarheit zu gewinnen, bedarf es zunächst einer Rückbesinnung auf die der Berufsfreiheit und der Marktwirtschaft gemeinsamen Elemente, sodann der Überprüfung falscher Alternativen, etwa des „Scheingegensatzes" von Berufsfreiheit und Berufslenkung, und schließlich einer kritischen Analyse der Realisierungsfähigkeit und -bedürftigkeit des Art. 12 GG am Beispiel des Arbeitsmarktproblems. 2. Berufsfreiheit und Berufslenkung Die Privatautonomie ist und bleibt unverzichtbare Grundlage sowohl des marktwirtschaftlichen Systems als auch der Arbeits- und Berufsfreiheit46. Damit wird jedoch eine staatliche Arbeits- und Berufsregulierung keineswegs ausgeschlossen, sondern geradezu notwendig, wenn und soweit die Privatautonomie des arbeitenden Menschen durch wirtschaftliche Abläufe oder technische Zwänge eingeschränkt oder ausgehöhlt ist. Wie bei Maßnahmen zum Schutze des Wettbewerbs im Rahmen des Kartellrechts wird staatliche Gestaltung zur Voraussetzung beruflicher oder wirtschaftlicher Freiheitsentfaltung47.

45

Dazu R. Scholz, Die Berufsfreiheit als Grundlage und Grenze arbeitsrechtlicher Regelungssysteme, ZfA 12 (1981), S. 265 ff. (274 ff.); ferner Wendt (Fn. 3), S. 604. 46 Unter „Privatautonomie" ist freilich nicht bloße Willkür oder Beliebigkeit, sondern immer schon (vor-)geordnete private Rechtsmacht zu verstehen. In diesem Sinne wohl auch Wendt (Fn. 3), S. 603 f. 47 So Rittstieg (Fn. 3), RdNr. 48 (m. w. Nachw.), insbes. unter Bezug auf Scheuner, Handwerksordnung (Fn. 3), S. 361, und Ipsen (Fn. 3), S. 360.

Freiheit des Berufs - Grundrecht der Arbeit

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Hinzu kommt, daß die Arbeits- und Berufsfreiheit bereits nach geltendem Recht in ein nahezu lückenloses System staatlicher Berufsregulierung eingefügt ist, das von der Gewerbeordnung über die gesamte Wirtschaftsverwaltung, die Strukturpolitik und die Unternehmensgestaltung bis hin zum Arbeits-, Sozial- und Ausbildungsrecht reicht. Angesichts sowohl des staatlichen Lenkungsbedarfs als auch dieser Lenkungsrealität können Berufsfreiheit und Berufslenkung nicht mehr als Gegensatz verstanden werden - etwa mit der Konsequenz, daß aus Art. 12 GG ein generelles Lenkungsverbot abgeleitet wird48. Um einer wirksamen Freiheitssicherung willen sind vielmehr beide wechselseitig aufeinander verwiesen. Damit wird die Berufslenkung letztlich sogar zum unverzichtbaren „Funktionselement" einer offenen Berufs- und Arbeitsordnung49. 3. Berufsfreiheit und

Arbeitsmarkt

Unter den Bedingungen gegenwärtiger Massenarbeitslosigkeit garantiert Art. 12 GG zwar weiterhin den freien Wettbewerb auf dem Arbeitsmarkt50, stellt dem Staat aber mit dem Regelungs- und Ausgestaltungsvorbehalt in Satz 2 zugleich die Aufgabe, zum Schutz der Arbeits- und Berufsfreiheit beschäftigungssichernde undausbildungsfördernde Maßnahmen zu ergreifen51. Diese Verpflichtung ergibt sich nicht erst sekundär oder subsidiär aus externen Strukturnormen, abgedrängt etwa in das Sozialstaatsprinzip, sondern ist wesentlicher Bestandteil der Arbeitsund Berufsfreiheit selbst und folgt insbesondere aus deren Menschenwürdegehalt und Persönlichkeitsbezug. Allerdings vermag Art. 12 GG nur das „Ob" staatlicher Arbeits- und Ausbildungsforderung zu verbürgen und für das „Wie" lediglich die Grenzen offensichtlicher Willkür oder

48

Vgl. Bryde (Fn. 3), S. 2180. Auch Scholz (Fn. 3), RdNr. 89 zu Art. 12 GG, (vgl. auch RdNr. 338) erkennt ein „bedingtes Mandat staatlicher Berufslenkung" an. Papier (Fn. 3, S. 814) wendet sich lediglich gegen eine gezielte „Bedarfslenkung". 49 So bereits I. Richter, Ausbildung und Arbeit, JZ 1981, S. 176 ff. (180); neuerdings insbes. Pitschas (Fn. 3), S. 262 ff. (et passim); ähnlich auch Hege (Fn. 3), S. 111 ff. 50 In diesem Sinne Scholz (Fn. 45), S. 279 ff. m. w. Nachw.; ders. (Fn. 3), RdNr. 84 zu Art. 12 GG, und vor allem D. Reuter, Die freie Wahl des Arbeitsplatzes - ein nicht realisierbares Grundrecht?, RdA 1973, S. 345 ff. 51 So U. Scheuner, Wirtschaftslenkung im Verfassungsrecht des modernen Staates, in: Die staatliche Einwirkung auf die Wirtschaft, 1971, S. 9 ff. (32). Ähnlich Pitschas (Fn. 3), S. 502 ff. im Sinne einer staatlichen Pflicht zur „Grundrechtsvorsorge"; vgl. auch BrydeQFn. 3), S. 2184. Badura (Grundfreiheiten, [Fn. 3], S. 21) und ihm folgend P. Schwerdtner (Die Garantie des Rechts auf Arbeit - ein Weg zur Knechtschaft?, ZfA 8 [1977], S. 47 ff. [69 f.]) sowie Scholz (Fn. 3, RdNr. 45 f. zu Art. 12 GG) stützen sich dabei allerdings lediglich auf das Sozialstaatsprinzip und Art. 109 Abs. 2 GG.

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Untauglichkeit festzulegen. Der Auftrag zu einer konkreten Beschäftigungspolitik oder gar zu bestimmten Einzelmaßnahmen (ζ. B. Arbeitsbeschaffungsprogrammen) läßt sich daraus nicht entnehmen 52 . Im übrigen stellt das Ziel der Vollbeschäftigung ein „überragend wichtiges Gemeinschaftsgut" dar, das auch Eingriffe in das Markt- und Kontraktsystem legitimieren kann, welche die Freiheit der Berufswahl berühren53. Der relativierende Hinweis auf das „gesamtwirtschaftliche Gleichgewicht" nach Art. 109 Abs. 2 GG als eines „offenen" wirtschaftspolitischen Optimierungsproblems innerhalb des „magischen Vierecks" geht insofern fehl, als den übrigen Komponenten: dem Wirtschaftswachstum, der Preisstabilität und dem außenwirtschaftlichen Gleichgewicht, eben gerade kein Grundrecht zur Seite steht, dessen „Maßgabedimension"54 sogar noch zusätzlich durch internationale Vereinbarungen verstärkt wird. Daher kann das Vollbeschäftigungsziel, nicht zuletzt wegen des Rechts auf freie Wahl des Arbeitsplatzes, verfassungsrechtliche Priorität beanspruchen55. 4. Artikeln

GG - ein Grundrecht unter

„Konjunkturvorbehalt"?

Der „Maßgabecharakter" des Art. 12 Abs. 1 GG läßt sich verallgemeinern: seine freiheitsverbürgende Wirkung verpflichtet Staat und Gesellschaft generell, die effektive Möglichkeit seiner Inanspruchnahme für jedermann und alle Berufe zu sichern und zu verstärken. Wenn damit der Arbeits- und Berufsfreiheit im Rahmen der Verfassung ein staatliches Mandat zur Grundrechtsrealisierung entnommen wird, bedeutet hierbei Verwirklichung" freilich nicht die Herstellung eines tatsächlichen

52

Dies würde im Widerspruch zur wirtschaftspolitischen „Offenheit" des Grundgesetzes stehen (vgl. BVerfGE 4, 7, 17 f.; 50, 290, 338). Danach darf der Gesetzgeber Jede ihm sachgemäß erscheinende Wirtschaftspolitik verfolgen, sofern er dabei das Grundgesetz, insbesondere die Grundrechte beachtet". Ebenso Scholz (Fn. 3), RdNr. 46 zur Art. 12 GG. - Zu den Möglichkeiten aktiver Arbeitsmarktpolitik vgl. Ph. Herder-Dorneich (Hg.), Arbeitsrecht und Arbeitsmarktpolitik, 1982; M. Kittner {Hg.), Arbeitsmarkt - ökonomische, soziale und rechtliche Grundlagen, 1982; K-J. Bieback u. a., Arbeitsmarktpolitik (Jahrbuch für Sozialökonomie und Gesellschaftstheorie), 1978. 53 So auch H.-J. Papier, Versagung der Nebentätigkeitsgenehmigung aus arbeitsmarktpolitischen Gründen, DÖV 1984, S. 536 ff. (539). 54 Vgl. Pitschas (Fn. 3), S. 543 ff. 55 M. Kriele (Menschenrechte zwischen Ost und West, 1977, S. 42) spricht sogar von einer „absoluten Priorität" der Vollbeschäftigungspolitik; a. A. Scholz (Fn. 3), RdNr. 44 ff; E. Benda, Zur Berufsfreiheit der Arbeitnehmer, in: FS Stingl, 1984, S. 35 ff. (42); Papier {Fn. 3), S. 811.

Freiheit des Berufs - Grundrecht der Arbeit

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Zustandes, sondern lediglich die Schaffung von rechtlichen und faktischen Voraussetzungen, welche dem einzelnen die reale Möglichkeit der Grundrechtsausübung eröffnen. Der Staat ist nicht verpflichtet, etwa die freie Wahl der Ausbildungsstätte in der Weise zu „verwirklichen", daß ein Jugendlicher tatsächlich mindestens zwei Lehrstellen zur Auswahl hat; er muß aber die Bedingungen der Möglichkeit einer freien Berufswahl gewährleisten, d. h. fur so viele Lehrstellen sorgen, daß jeder Bewerber wenigstens die reale Chance hat, überhaupt einen einzigen Ausbildungsplatz zu finden, und nicht zu ungelernter Beschäftigung gezwungen ist 56 . Es geht also bei der so heftig umstrittenen „Grundrechtsverwirklichung"57 niemals um den tatsächlichen Freiheitsgebrauch, sondern immer nur um die Bedingungen seiner realen Möglichkeit58. Anderenfalls bliebe die Arbeits- und Berufsfreiheit im marktwirtschaftlichen System weitgehend funktionslos. Bei Wirtschaftswachstum und Vollbeschäftigung wäre sie nahezu überflüssig, bei Arbeitslosigkeit und Mangel an Ausbildungsplätzen hingegen für einen Großteil der Bevölkerung praktisch ohne reale Bedeutung. Mit einer verfassungsrechtlichen Kapitulation vor ökonomischen Entwicklungen darf die freiheitssichernde Wirkung des Art. 12 GG aber nicht unter „Konjunkturvorbehalt" gestellt werden, wenn das Grundrecht der Arbeits- und Berufsfreiheit nicht zum Privileg selbständiger Erwerbstätigkeit verkümmern soll. Die Grundrechte enthalten zwar kein „Programm des sozialen Fortschritts"59, sind aber auch nicht nur ein „Spielball" des Schicksals und des Marktes60. Der Hinweis auf das Sozialstaatsprinzip allein würde diesen

56

Insofern würde staatliche Untätigkeit zumindest mittelbar auch die Berufsfreiheit des Einzelnen beeinträchtigen. Über den Zusammenhang von Berufsausbildung und Berufswahl Richter{Fn. 49), S. 176 ff.; ferner BVerfGE 59,172 (205 f.). 57 Vgl. Chr. Starck, Staatliche Organisation und staatliche Finanzierung als Hilfen zur Grundrechtsverwirklichung?, in: Bundesverfassungsgericht und Grundgesetz, 1976, Bd. 2, S. 480 ff. - Kritisch Badura, Arbeit (Fn. 3), S. 21. 58 So auch Meessen (Fn. 3), S. 404: „Die Gewährleistung des Art. 12 I umfaßt auch die tatsächlichen Voraussetzungen der Berufsfreiheit. Die Aufgabe, die Berufsfreiheit zu verwirklichen, und nicht irgendein grundrechtstheoretisches Modell, bestimmt die Auslegung von Art. 121". - Zur Gesamtproblematik eines „Grundrechtsvoraussetzungsschutzes" wegweisend M. Kloepfer, Grundrechte als Entstehenssicherung und Bestandsschutz, 1970, S. 15 ff. (et passim). 59 So mit Recht Badura, Arbeit (Fn. 3), S. 21. 60 Diesem Mißverständnis setzt sich aber Wendt (Fn. 3, S. 609) aus, wenn er einerseits davon spricht, daß die gesamte „verfassungsrechtliche Ordnung dem Vorbehalt des Schicksals wie des Marktes" unterliege, zum anderen aber im Sozialstaatsprinzip einen - offenbar konjunkturunabhängigen (?) - Auftrag zur Herstellung sozialer Gerechtigkeit erblickt.

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Funktionsmangel des Art. 12 GG 61 nicht zu beheben vermögen 62 , weil die Erfüllung sozialstaatlicher Postulate zu Recht von den jeweiligen wirtschaftlichen Bedingungen abhängig gemacht wird63. Diese Konsequenz aber erscheint bei Art. 12 GG als unangemessene Verkürzung seines Normgehalts. Denn „die Arbeit als,Beruf hat für alle gleichen Wert und gleiche Würde"64.

IV. Das Grandrecht der Arbeits- und Berufsfreiheit im Grundgesetz (verfassungsrechtlicher Regelungsgehalt) Ich komme nun zum verfassungsrechtlichen Regelungsgehalt der Arbeits- und Berufsfreiheit im einzelnen. Befragt man danach Rechtsprechung und Literatur, so zeigt sich, daß die Vielfalt und Mehrschichtigkeit des Normbereichs von Art. 12 Abs. 1 GG zwarzunehmend erkannt wird, sein Anwendungspotential aber noch keineswegs ausgeschöpft ist. Ein Delinquent, dessen Strafe ausgesetzt wurde, wendet sich gegen die Bewährungsauflage, zur Wiedergutmachung des Schadens unverzüglich ein Arbeitsverhältnis zu begründen 65 . Ein Diplom-Geologe hält die ihm vom Arbeitsamt angebotene Stelle als Prüfer elektronischer Bauteile für „unzumutbar" 66 . Eine Beamtin beanstandet die ihr auferlegte Verpflichtung, ihre vom Dienstherrn getragenen Ausbildungskosten bei einem Wechsel des öffentlichen Arbeitgebers sogar innerhalb desselben Bundeslandes zurückerstatten zu müssen 67 . Alle drei Beispiele aus der neueren Judikatur dreier Bundesgerichte betreffen in drei verschiedenen Rechtsgebieten von jenem bunten Spektrum des Art. 12 GG nur den schmalen Ausschnitt des „Arbeitszwangs" Auf der anderen Seite hatte man den Maßstab der Berufsfreiheit in der Mitbestimmungsdiskussion anfangs nahezu außer acht gelassen, obwohl in der Literatur der Zusammenhang zwischen Berufsfreiheit und innerbetrieblicher Mitbestim-

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Insofern stellt der Regelungsvorbehalt in Art. 12 Abs. 1 Satz 2 GG einen echten „Funktionsvorbehalt" dar (vgl. Rupp, Berufsfreiheit [Fn. 3], AöR 92 [1967], S. 227 f.); Pitschas (Fn. 3, S. 262 ff.) bezeichnet deshalb die Berufslenkung auch ausdrücklich als „Funktionselement der,offenen' Berufsverfassung". 62 Ebenso die Sachverständigenkommission „Staatszielbestimmungen/Gesetzgebungsaufträge" in ihrem Bericht vom Dezember 1983, RdNr. 119 (S. 78); zit.: Kommissions-Bericht (dazu E. Wienholtz, AÖR 109 [1984], S. 532 ff.). 63 Statt anderer J. Isensee, Der Sozialstaat in der Wirtschaftskrise, FS Broermann, 1982, S. 365 ff. 64 So BVerfGE 7, 377 (397); 50, 290 (362). 65 Vgl. BVerfGE 58, 358 (363 ff.). 66 BSG SozR 4100 § 119 AFG Nr. 3. 67 BAG AP Nr. 45 zu Art. 12 GG.

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mung längst erkannt worden war68. Trotz wachsender Aktualisierungsbereitschaft besteht daher für das Anwendungsfeld der Arbeits- und Berufsfreiheit noch immer ein beträchtlicher „Erschließungsbedarf'. 1. Schutzbereiche (Arbeit als „Beruf)

Der Schutzbereich des Art. 12 Abs. 1GG ist weit zu fassen. Die Arbeitsund Berufsfreiheit schützt sowohl die selbständige Erwerbstätigkeit in freien oder staatlich gebundenen Berufen als auch die abhängige Beschäftigung69. Da keine bestimmten „Berufsbilder" maßgeblich sind, erstreckt sich der Schutz auch auf freie oder faktische Arbeitsverhältnisse und schließt mit dem „Zugang zur Arbeit" sogar Arbeitslose und Sozialhilfeempfänger ein. Bezogen auf den arbeitsteiligen Produktionsprozeß in der Wirtschaft, umfaßt Art. 12 GG die Unternehmer- oder Arbeitgeberfreiheit einerseits70, aber zugleich auch die Arbeitnehmerfreiheit auf der anderen Seite71. Beide können zur Erreichung eines bestimmten Arbeitsergebnisses oder Produktionszieles nur gemeinsam aktualisiert werden und stehen daher - ähnlich wie bei Art. 9 Abs. 1 GG die Grundrechte von Vereinsmitgliedern - in einem funktionellen Kooperationszusammenhang72. Konflikte rufen hier eine grundrechtsinterne Kollisionslage hervor, die mangels unmittelbarer Drittwirkung des Art. 12 GG in erster Linie nach Maßgabe des einfachen Rechts zu entscheiden ist. Nur soweit dieses schweigt, wird ein schonender Ausgleich beider Positionen im Wege „praktischer Konkordanz" erforderlich73. 68

Statt anderer Dietz/Richardi, Betriebsverfassungsgesetz, 6. Aufl. 1982, RdNr. 4-7 der Vorbem. zu § 92. 69 Seit BVerfGE 7,377 (397 ff.) std. Rspr. - Im Schrifttum statt anderer Bachof (Fn. 3),S. 161; ihm folgend die gesamte Literatur mit Ausnahme von Uber{Fn.3, S. 83 ff.), der den Begriff „Beruf' nur auf selbständige Tätigkeiten bezieht, die abhängige Arbeit aber unter „Arbeitsplatz" subsumiert, und M. v. d. Heide (Das Recht der freien Berufswahl nach Art. 12 des Grundgesetzes, BB 1950, S. 485 ff), der abhängig Beschäftigte vollständig ausschließen will. 70 Vgl. BVerfGE 50, 290 (363); dabei ist für die Schutzintensität ebenfalls der personale Gehalt des Art. 12 GG maßgeblich: ferner BVerfGE 32, 311 (317); 46, 120 (137). 71 Zusammengefaßt im Begriff der „Erwerbsfreiheit" (vgl. Scholz [Fn. 3], RdNr. 21 zu Art. 12 GG m. w. Nachw.). Was „Arbeitnehmerfreiheit" im einzelnen bedeuten kann, wird in Verbindung mit dem Schutzgegenstand „Arbeit" erörtert (vgl. unten S. 30 ff). 72 Vgl. H.-J. Papier, Unternehmen und Unternehmer in der verfassungsrechtlichen Ordnung der Wirtschaft, in: W D S t R L 35 (1977), S. 55 ff. (87); in ähnlichem Sinne spricht auch Hoffmann-Riem (Fn. 3, S. 385 ff.) von „arbeitsteiliger Grundrechtsausübung". 73 Dazu BVerfGE 59,231 (261 ff.) in bezug auf den Ausgleich zwischen den aus Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG entnommenen Grundrechten der Rundfunkanstalten und der Rundfunkmitarbeiter.

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Über das Recht, ein Unternehmen zu gründen und zu betreiben, hinaus kann ein umfassender Schutz des Unternehmens selbst - nämlich als „sozialer Verband"74 im Sinne einer Personen- und Sachgesamtheit - aus der Arbeits- und Berufsfreiheit nicht direkt abgeleitet, sondern nur über Art. 19 Abs. 3 GG begründet werden. Dabei darf freilich die Grundrechtsfähigkeit von Unternehmen keinesfalls benutzt werden, um Beschränkungen zu durchbrechen, die ihnen gerade im Interesse individueller Freiheitssicherung auferlegt sind, wenn der personale Kerngehalt des Art. 12 GG nicht in sein Gegenteil verkehrt werden soll75. Aus ähnlichen Gründen ist zwar prinzipiell auch die klassische Handels- und Gewerbefreiheit mitverbürgt, aber nur in ihren subjektiven Elementen, nicht als objektives Prinzip der Wirtschaftsordnung76 (was gewisse institutionelle Gewährleistungen in Art. 12 Abs. 1 GG nicht ausschließt77). Ebensowenig geschützt wird eine bestimmte „Berufs"-, „Arbeits"- oder „Wirtschaftsverfassung"78, und zwar auch nicht als „offenes System"79, weil die Annahme überindividueller Systemstrukturen gleich welcher Art nicht nur der 74

Papier {Fn. 72), S. 66 ff. Vgl. W.Rupp-v. Brünneck, Zur Grundrechtsfähigkeit juristischer Personen, in: Verfassung und Verantwortung, hg. von H.-P. Schneider, 1983, S. 110 ff. (122). Befürwortend Papier {Fn. 72), S. 88; ablehnend Rittstieg{¥n. 3), RdNr. 65 zu Art. 12 G G ; zweifelnd BVerfGE 50,290 (363). 7 « So mit Recht BVerfGE 50,290 (362) unter Bezugnahme auf BVerfGE 7,377 (397). Zwar ist „auch die Freiheit..., eine Erwerbszwecken dienende Tätigkeit, insbesondere ein Gewerbe zu betreiben", in der Berufsfreiheit enthalten; diese reicht jedoch weiter als die Gewerbefreiheit (BVerfGE 21, 261, 266; vgl. auch BVerfGE 30, 292, 314; 38, 61, 85 f.; 50, 290, 364). 77 Dazu unten S.40; vgl. ferner U. Scheuner, Grundrechtsinterpretation und Wirtschaftsordnung. Zur Auslegung des Art. 12 GG, DÖV1956, S. 65 ff. 78 Neuerdings scheint jedoch die längst erledigte Kontroverse über eine dem Grundgesetz immanente „Wirtschaftsverfassung" (vgl. dazu H. C. Nipperdey, Soziale Marktwirtschaft und Grundgesetz, 3. Aufl. 1965; speziell zu Art. 12 G G : ders./K. Adomeit, Die Berufsfreiheit als ein Grundelement der sozialen Marktwirtschaft, in: BB 1966, S. 417 ff.; H. Krüger, Staatsverfassung und Wirtschaftsverfassung, DVB1.1951, S. 361 ff; kritisch//. Ehmke, Wirtschaft und Verfassung, 1961, S. 7 ff; vgl. auch Scheuner[Fn. 51], S. 21ff.)im Gewände des Art. 12 G G wiederaufzuleben : So sprechen mit Bezug auf Art. 12 G G Herzog (Fn. 18, S. 155) von „Wirtschaftsverfassung" Pitschas (Fn. 3, S. 262 ff.) von „Berufsverfassung", Scholz (Fn. 45, S. 270 f.) von „grundgesetzlicher Arbeitsverfassung" im Sinne eines „verfassungsrechtlich-systematischen Zusammenhangs arbeitsrechtlich wirksamer Verfassungsentscheidungen", Papier (Fn. 3, S. 807) von „gesamtgesellschaftlichen und gesamtwirtschaftlichen Funktionen des Art. 12 GG", die nicht ignoriert werden dürften, und Wendt{Fn. 3, S. 603) sogar von „wirtschafts- und arbeitsverfassungsrechtlichen Grundentscheidungen", zu denen auch die Berufsfreiheit gehöre. Vgl. schließlich R. Scholz, Bundesarbeitsgericht und Arbeitsverfassung, FS 25 Jahre BAG, 1979, S. 511 ff. 79 So insbes. Scholz (Fn. 3), RdNr. 81 ff. zu Art. 12 G G ; ihm folgend Wendt (Fn. 3), S. 603; dagegen bereits Scheuner (Fn. 51), S. 23 (Anm. 65). 75

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wirtschaftspolitischen Offenheit des Grundgesetzes für eine Vielzahl ökonomischer Optionen zuwiderlaufen, sondern auch mit dem personalen Grundzug der Arbeits- und Berufsfreiheit kaum vereinbar sein würde80. 2. Schutzgegenstand „Beruf

Schutzgegenstände der Arbeits- und Berufsfreiheit sind gleichermaßen „Beruf, „Arbeit" und „Ausbildung". Der Schutz des Berufs reicht von der Berufswahl über die Berufsvorbereitung, den Zugang zum Beruf und die Berufsausübung bis hin zur vorübergehenden oder dauernden Berufsbeendigung. Erneut an diese ausgedehnte Spannbreite der Berufsfreiheit zu erinnern, gibt sowohl die noch nicht überwundene Verengung der Judikatur auf die „Zugangsperspektive" Anlaß81, als auch die Tatsache, daß die genannten Berufsstationen zunehmend seltener in kontinuierlicher Abfolge stehen, sondern bei derzeit häufig anzutreffendem Berufswechsel oder Berufsausbau ineinander übergehen oder sich wiederholt ablösen („Mehrphasigkeit" der Berufsfreiheit). Deshalb hat die von der „Stufentheorie" vorgenommene Verknüpfung von Berufswahl und Berufsausübung zwar heute mehr denn je ihre Berechtigung; die darin enthaltene Schrankenskala vermag aber aus dem gleichen Grunde immer weniger zu überzeugen. Unter „freier Berufswahl" ist in erster Linie die Freiheit zur eigenen, autonomen Berufsentscheidung über die Art des Berufes und die Aufnahme einer Erwerbstätigkeit zu verstehen, die „Initiative des Individuums" 82 also, und damit zugleich die Freiheit von staatlichem Arbeitsoder Berufszwang (Art. 12 Abs. 2 GG) sowie auch das Recht, überhaupt keinen Beruf wählen, erlernen oder ausüben zu wollen (negative Berufsfreiheit)83. Gegenüber staatlichen Maßnahmen der Berufslenkung mit erdrosselnder Wirkung gewährt Art. 12 Abs. 1 GG dann Bestandsschutz,

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Die wirtschaftspolitische „Offenheit" des Grundgesetzes besteht vor allem darin, daß es keinem wirtschaftstheoretischen „Modell" folgt (weder der „neoliberalen" noch einer „sozialistischen" Konzeption), sondern konkrete Freiheiten verbürgt, deren personaler Kern in jedem Wirtschaftssystem gewahrt bleiben muß. Stattdessen wird mit dem Systemargument auch bei der Interpretation des Art. 12 GG „in weitem Umfang auf die von der materialen Verfassungstheorie der Weimarer Jahre mit Recht bekämpfte Methode zurückgegriffen, Grundrechte als Bestätigungen oder Modifikationen des bestehenden spezialgesetzlichen Rechtszustandes anzusehen" (so bereits Ehmke [Fn. 78], S. 56; vgl. auch S. 41 ff.). 81 Kritisch schon Scheu η er (¥n. 77, S. 68): „Man hat aus Art. 12 eine,Berufsfreiheit', d. h. eine Zulassungsfreiheit für selbständige Gewerbetreibende gemacht". 82 Vgl. W. Hamel, Das Recht der freien Berufswahl, DVB1.1958, S. 37 ff. 83 Vgl. BVerfGE 58, 358 (364).

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wenn die davon betroffenen Berufsangehörigen in aller Regel wirtschaftlich nicht mehr in der Lage sind, den gewählten Beruf zur Grundlage ihrer Lebensführung oder ihrer Unternehmertätigkeit zu machen84. Dabei kommt es nicht auf die politische Zielrichtung, sondern auf die tatsächlichen Folgen des Gesetzes an, so daß auch mittelbare Beeinträchtigungen die Freiheit der Berufswahl berühren können85. Staatliche Berufsbindungen sind ebenfalls an Art. 12 Abs. 1 GG zu messen, setzen aber die Erfüllung öffentlicher Aufgaben voraus und können mit Rücksicht darauf den Schutz der Berufsfreiheit zurückdrängen86. 3. Schutzgegenstand „Ausbildung"

Trotz ihres engen Zusammenhangs sowohl mit der Berufswahl als auch mit einer späteren Erwerbstätigkeit87 hat die Berufsausbildung als personaler Qualifikationsprozeß für den sozialen Status des einzelnen inzwischen so hohe Bedeutung erlangt, daß sie neben „Beruf und „Arbeit" als besonderer Schutzgegenstand des Art. 12 Abs. 1 GG von eigenem Gewicht angesehen werden muß88. Die Ausbildungsfreiheit erstreckt sich auf die gesamte, der Erlernung beruflicher Fertigkeiten dienende Vor-, Aus- und Weiterbildung, gleichgültig, ob diese auf Hochschulen, Berufsschulen oder Lehrstellen in Betrieben vermittelt wird. Die Festlegung von Ausbildungsgängen, Lehrinhalten und Prüfungsanforderungen durch den Staat muß sich auch an Art. 12 Abs. 1 GG daraufhin messen lassen, ob und inwieweit hierdurch die freie Berufswahl oder die freie Wahl der Ausbildungsstätte tangiert werden. Bei knappen Ressourcen und Kapazitäten rückt unvermeidlich der Zugang zur Ausbildungsstätte ins Zentrum der Diskussion. Häufig wird die Forderung erhoben, das Ausbildungswesen der Nachfrage anzupassen und das Beschäftigungsrisiko allein dem einzelnen zu überlassen. Die Rechtsprechung scheint solche Tendenzen mit dem strikten Verbot 84

So BVerfGE 30,292 (313 f.) unter Hinweis auf BVerfGE 13,181 (187); 16,147 (165); vgl. auch BVerfGE 38, 61 (85 f.); 50,290 (364). 85 Vgl. BVerfGE 13,181 (185 f.) sowie BVerfGE 22,380 (384); 41,251 (262); 46,120 (137,145). 86 Dazu BVerfGE 7,377 (397 f.); vgl. auch BVerfGE 16,6 (22); 17,371 (377); 54, 237 (249 f.). Entsprechendes gilt aber auch umgekehrt, etwa im Hinblick auf die Schaffung von Verwaltungsmonopolen; dazu W. Fiedler, Berufsfreiheit als Schranke der Verwaltungsmonopole, DÖV1977, S. 390 ff. 87 So BVerfGE 59,172 (205) unter Hinweis aufBVerfGE 33,303 (329 f.); 41,251 (261 fT.). 88 Vgl. Rittstieg (Fn. 3), RdNr. 120-156 zu Art. 12 G G ; grundlegend Η. P. Ipsen, Berufsausbildungsrecht für Handel, Gewerbe und Industrie, 1957; W. Thieme, Das Recht auf freie Wahl der Ausbildungsstätte, JZ1959, S. 265 fT.; I. Richter, Bildungsverfassungsrecht, 2. Aufl. 1977.

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staatlicher Bedarfslenkung zu unterstützen89. Eine derartige „Abkoppelung" der Berufsausbildung von anschließender Berufstätigkeit, insbesondere der Chance, einen Arbeitsplatz zu finden, ist jedoch mit Art. 12 Abs. 1 GG schon vom Wortlaut her kaum vereinbar90; sie steht auch im Widerspruch zu der Aussage des Bundesverfassungsgerichts, im Hinblick auf eine spätere Berufsaufnahme sei die Ausbildung als deren „Vorstufe ... integrierender Bestandteil eines zusammengehörigen Lebensvorgangs"91. Ist diese These richtig, so kann eine staatliche Bedarfsregulierung im Ausbildungssektor, zumal über die Steuerung durch Haushaltsmittel, bis zur Vertretbarkeitsgrenze grundsätzlich ebensowenig verfassungswidrig sein wie eine Berufslenkung. Von daher habe ich auch Zweifel, ob der Griff nach einem „Teilhaberecht" auf Hochschulzulassung unter Finanzierungsvorbehalt sehr glücklich gewesen ist und den gegenwärtigen Problemen der Berufsausbildung überhaupt gerecht zu werden vermag92. Vermutlich hätte das Gericht mit einer aus Art. 12 GG abgeleiteten „Staatsaufgabe" verstärkter Ausbildungsförderung, die weniger auf bloße Kapazitätsausweitung fixiert wäre, sein Ergebnis nicht nur überzeugender begründen können, sondern letztlich mehr erreicht und keine falschen Erwartungen geweckt. Zugleich erübrigte sich ein „Grundrecht auf Ausbildung"93. Interessanterweise wird in neueren Entscheidungen der Teilhabeanspruch auch kaum mehr bemüht 94 .

β' So BVerfGE 33,303 (330); vgl. auch BVerwGE 6,13; 7,287 und BVerwG JZ 1963,675. 90 Vgl. Richter {Fn. 49), S. 180. 91 BVerfGE 59,172 (205). 92 Der dogmatische Ansatz im „Numerus clausus"-Urteil (BVerfGE 33,303,329 ff.), daß nämlich ein Freiheitsrecht „ohne die tatsächliche Voraussetzung, es in Anspruch nehmen zu können, wertlos" wäre (331), ist durchaus zutreffend. Aber daraus kann letztlich kein Leistungsanspruch des Individuums erwachsen. Aus der umfangreichen Literatur vgl. P. Häberle, Das Bundesverfassungsgericht im Leistungsstaat, D Ö V 1972, S. 729 ff.; A. v. Mutius, Grundrechte als „Teilhaberechte" - zu den verfassungsrechtlichen Aspekten des „numerus clausus", VerwArch 64 (1973), S. 183 ff.; L.-R. Reuter, Soziales Grundrecht auf Bildung? Ansätze eines Verfassungswandels im Leistungsstaat, DVB1.1974, S. 7 ff.; J. Haider, Grundfragen eines gewandelten Grundrechtsverständnisses am Beispiel der Freiheit der Berufswahl, Der Staat 18 (1979), S. 31 ff.; zusammenfassend G. F. Schuppert, Der Zugang zu den Universitäten - eine Bilanz der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zum numerus clausus, FS M. Hirsch, 1981, S. 567 ff. (insbes. S. 572 ff), der in der Argumentationsfigur des „Teilhaberechts" lediglich ein Vehikel erblickt, „um strengere Anforderungen an die Kapazitätsnutzung und das Zulassungsverfahren stellen zu können" (574). 93 Dazu B. Schlink, Acht Thesen zur Kodifizierung eines Grundrechts auf Ausbildung, RdJB 1980, S. 209 ff. 94 Vgl. BVerfGE 66,155 (177 ff).

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4. Schutzgegenstand „Arbeit"

Als Ausschnitt aus dem Normbereich der Berufsausübung erstreckt sich der Schutz menschlicher Arbeit95 in differenzierter Weise auf die freie Wahl des Arbeitsplatzes, ferner auf Arbeitskraft, Arbeitsmittel und Arbeitsertrag sowie auf die Gewährleistung freier Arbeitsformen und Arbeitsbedingungen. Eine so weitgehende grundrechtliche Absicherung der Arbeitsfreiheit begegnet vielfach dem Einwand, Art. 12 GG entfalte keine unmittelbare Drittwirkung, so daß sich Art und Umfang des Schutzes der Arbeit abschließend aus dem positiven Arbeitsrecht ergäben96. Eine solche problemverkürzende Sicht verkennt jedoch die Tatsache, daß die Arbeits- und Berufsfreiheit als Grundsatznorm und Auslegungsregel in das einfache Recht hineinwirkt und sich deshalb die Frage nach ihrer Bedeutung insbesondere fur den Schutz der abhängigen Arbeit keineswegs erübrigt, zumal es dabei häufig um Konkordanz- und Abwägungsentscheidungen zwischen kollidierenden Grundrechten des Arbeitnehmers und des Arbeitgebers im Prozeß „kooperativer" Grundrechtsausübung geht97. Das Grundrecht der freien Wahl des Arbeitsplatzes98 wirkt zunächst in begrenztem Umfang als Zugangs- und Bestandssicherung (Recht „zum" und „am" Arbeitsplatz). Deshalb wäre zum Beispiel ein tarifvertraglich vereinbarter Einstellungsstop für bestimmte Industriezweige ebenso verfassungswidrig wie eine Beseitigung oder erhebliche Abschwächung des Kündigungsschutzes99, wobei freilich Mobilität und Arbeitsplatz-

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Dazu (außer den in Fn. 3 genannten Arbeiten) E. Stein, Freiheit am Arbeitsplatz, FS Brenner, 1967, S. 269 ff.; E. Benda, Zur Berufsfreiheit der Arbeitnehmer, FS Stingl, 1984, S. 35 ff. 96 So Uber (Fn. 3), S. 81, mit der Konsequenz, daß der Begriff,,, Arbeitsplatz' keinen positiven Rechtsinhalt" habe, sondern insoweit lediglich eine Freiheit von staatlichem Zwangverbürgtsei. Im Ergebnis ähnlich Papier(Fn. 3), S. 812, derfeststellt, „daß die richterrechtlichen Arbeitnehmerschutzregeln keinen Verfassungsrang und keine unmittelbare Fundierung in Art. 12 G G haben". Damit wird kurzerhand der gesamten, bisher auf Art. 12 GG gestützten Rechtsprechung des BAG der Boden entzogen. Ähnlich Wendt (Fn. 3), S. 609. 97 Vgl. Bryde (Fn. 3), S. 2183; kritisch Wendt (Fn. 3), S. 608. 98 Grundlegend E. Dorndorf, Freie Arbeitsplatzwahl und Recht am Arbeitsergebnis, 1979; H. Langwies er, Das Grundrecht der freien Wahl des Arbeitsplatzes Art. 12 Abs. 1 GG - , seine Bedeutung für das Arbeitsrecht, Diss. jur. Köln 1967; kritisch Reuter (Fn. 50), S. 345 ff. 99 Dazu S. Simitis (Referat) und W.Zöllner (Gutachten), Sind im Interesse einer gerechteren Verteilung der Arbeitsplätze Begründung und Beendigung der Arbeitsverhältnisse neu zu regeln?, in: Verh. d. 52. DJT, Bd. I, II, 1978. - Vgl. neuerdings auch das - insoweit nicht unbedenkliche - „Gesetz über den befristeten Arbeitsvertrag" in Art. I des Entwurfs eines Gesetzes zur Förderung der Beschäftigung vom März 1984, abgedr. in: RdA 1984, S. 169 ff.

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Sicherheit in einen Zielkonflikt geraten können 100 . D e m g e m ä ß sind auch arbeitsrechtliche Wettbewerbsverbote, Offenbarungspflichten, Rückzahlungsklauseln und Vertragsstrafen über den Grundsatz von Treu und Glauben (§ 242 BGB) im Lichte des Art. 12 Abs. 1 G G zu beurteilen 101 . Dagegen begründet die Arbeits- und Berufsfreiheit de lege lata kein „Recht auf Arbeit" im Sinne eines subjektiven Anspruchs auf Zuweisung von Arbeitsplätzen (Beschäftigungsgarantie) 102 . Soweit ein solches Recht in Landesverfassungen verankert ist 103 oder sich aus supra- bzw. internationalen Vereinbarungen ergibt104, normiert es lediglich das Ziel der Voll100

Vgl. BVerfGE 59,231 (265 ff.). Darauf verweist auch Reuter (Fn. 50), S. 350 ff. So vor allem Badura, Arbeit (Fn. 3), S. 30 ff. Vgl. ferner F. Gamillscheg, Die Grundrechte im Arbeitsrecht, AcP 164 (1964), S. 385 ff. (419 ff); G. Küchenhoff, Einwirkung des Verfassungsrechts auf das Arbeitsrecht, RdA 1969, S. 97 ff.; speziell zu Art. 12 GG die sehr sorgfältige Arbeit von F. W. Radü, Die Konkretisierung der Berufsfreiheit im Arbeitsrecht der Bundesrepublik Deutschland und der Schweiz, 1978. Aus der Rechtsprechung: BAG AP Nr. 26,29,45 und 50 zu Art. 12 GG. 102 So bereits BAG 16,134 (LS 4): „Das Grundrecht auf freie Berufswahl gewährt keinen Anspruch darauf, im erwählten Beruf Beschäftigung zu finden". - Zum „Recht auf Arbeit" allgemein: M. Betitele, Das Recht auf Arbeit in rechtsdogmatischer und ideengeschichtlicher Betrachtung, 1949; M. Rath, Die Garantie des Rechts auf Arbeit, 1974; P. Schwerdtner, Die Garantie des Rechts auf Arbeit - ein Weg zur Knechtschaft?, ZfA 1977, S. 47 ff.; U. Achten u. a., Recht auf Arbeit - eine politische Herausforderung, 1978; M. Kittner, Recht auf Arbeit: oberster sozialstaatlicher Verfassungsgrundsatz, in: Soziale Grundrechte (Fn. 28), S. 91 ff; R. Wank, Das Recht auf Arbeit im Verfassungsrecht und im Arbeitsrecht, 1980; J. P. Bauer, Arbeitsrecht und Recht auf Arbeit, RdA 1983, S. 137 ff; Th. Ramm, Das Rechtauf Arbeit und die Gesellschaftsordnung, in: Ryffel/Schwartländer(Fn. 3), S. 65 ff; B. Klees, Das Recht auf Arbeit - Bestandsaufnahme, Kritik, Perspektive, 1984. - De lege,ferenda: Badura, Grundfreiheiten (Fn. 3), S. 11 ff. (insbes. S. 33 ff); D. Schäfer, Die Kodifizierung eines „Rechts auf Arbeit" als arbeitsmarktpolitisches Instrument?, VSSR10 (1982), S. 297 ff; Kommissions-Bericht (¥n. 62), S. 67 ff; skeptisch E. Wienholtz, Arbeit, Kultur und Umwelt als Gegenstände verfassungsrechtlicher Staatszielbestimmungen, AöR 109 (1984), 532 ff. (537 ff). Rechtsvergleichend: J. Heilmann, Das Arbeitsrecht der sowjetischen Besatzungszone (1945-1949), Diss. jur. o. O., 1973, S. 125 ff.; Η. M. Pfarr, Zur Problematik des Rechts auf Arbeit. Exemplum: DDR, DuR 1 (1973), S. 124ff.;K. Westen, Das Recht auf Arbeit in den Prämissen sozialistischer Verfassungen, in: Ryffel/Schwartländer (Fn. 3), S. 135 ff.; Chr. Tomuschat, Das Recht auf Arbeit - rechtsvergleichende Aspekte (unveröffentl. Manuskript). 103 Vgl. Art. 166 Abs. 2 BayVerf; Art. 12 Abs. 1 BerlVerf; Art. 28 Abs. 2 HessVerf; Art. 24 Abs. 1 Satz 3 NRWVerf; Art. 53 Abs. 2 RhPfVerf; Art. 45 Satz 2 SaarVerf. Dazu H.-J. Papier, Die wirtschaftlichen Freiheitsrechte der Landesverfassungen in der Rechtsprechung der Landesverfassungsgerichte, in: Landesverfassungsgerichtsbarkeit, hg. von Starck/Stern, Bd. 3,1983, S. 319 ff. (352 ff). 104 Vgl. insbes. Art. 23 der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte der Vereinten Nationen von 1948; Art. I Ziff. 1 der Europäischen Sozialcharta von 1961; Art. 6 des Internationalen Pakts über wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte von 1966, in Kraft getreten am 3.1.1976 (BGBl. II S. 428); weitere Nachweise, insbes. zu entsprechenden Übereinkommen im Rahmen der ILO, finden 101

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beschäftigung als Staatsaufgabe105. Würde de lege ferenda ein Recht auf Arbeit in das Grundgesetz aufgenommen (wovon abzuraten ist), hätte es ebenfalls keine weiterreichende Bedeutung. Aber auch als Staatszielbestimmung oder Gesetzgebungsauftrag erscheint das Recht auf Arbeit im Grundgesetz entbehrlich, weil (1) das Vollbeschäftigungsgebot mit verfassungsrechtlicher Priorität bereits aus Art. 109 Abs. 2 GG in Verbindung mit Art. 12 Abs. 1 GG und dem Sozialstaatsprinzip folgt und (2) das Landesverfassungsrecht als Bestandteil einer gesamtstaatlichen Verfassungsordnung ebenso wie das Völkerrecht diese „Lücke" des innerstaatlichen Rechts zumindest partiell schließen106. Die eigentümliche Ambivalenz (Arbeitspflicht) und Dysfunktionalität einer staatlichen Arbeitsplatzgarantie ist zwar schon in der Paulskirche erkannt107, im Jahre 1884 aber von Bismarck offenbar völlig übersehen worden, als er im Reichstag leichtsinnigerweise das „Recht auf Arbeit" forderte und sich schon wenige Tage später mit unerfüllbaren Anträgen der Sozialdemokraten konfrontiert sah108. Unter dem Schutz der Arbeits- und Berufsfreiheit steht ferner die Arbeitskraft als das eigentliche „human capital" der abhängig Beschäftigten. Insofern erhält namentlich die Gesundheitsvorsorge am Arbeitsplatz verfassungsrechtliches Gewicht, und zwar nicht nur im Hinblick auf sich im Kommissions-Bericht, (Fn. 62), S. 71 ff. - Zum internationalen „Recht auf Arbeit": K. J. Partsch, Internationale Grundrechte der Arbeit, RdA 1951, S. 361 ff.; Ε. H. Riedel, Funktion, Wirkungsweise und Begründung wirtschaftlicher und sozialer Menschenrechte mit exemplarischer Darstellung der Rechte auf Eigentum und Arbeit in verschiedenen Rechtsordnungen, o. 0.(1983); M. Bothe, Das Recht auf Arbeit - völkerrechtliche Aspekte (unveröffentl. Manuskript). "κ So bereits der BayVerfGH DÖV1961,710; ferner HessStGH ESVGH 22,13 (17); 30, 1 f. - Neuere süd- und westeuropäische Verfassungen normieren das „Recht auf Arbeit" ebenfalls in Form einer Staatsaufgabe oder in Verbindung mit der Arbeitspflicht: vgl. Art. 22 der Griechischen Verfassung von 1975; Art. 59 Abs. 1 der Portugiesischen Verfassung von 1975 (dazu Ρ Häberle, Rezension von A. Thomashausen, Verfassung und Verfassungswirklichkeit im neuen Portugal, in: Jahrbuch für Internationales Recht 26 [1983], S. 474ff. [481ff.]);Art. 35 Abs. 1 der Spanischen Verfassung von 1978; Art. 19 Abs. 1 der geänderten Niederländischen Verfassung von 1983; eine „Staatszielbestimmung" enthält Art. 26 des Entwurfs zur Totalrevision der Schweizerischen Bundesverfassung. - In den USA wird das „right to work" als Menschenrecht betrachtet und aus der „due process clause" (substantive due process) hergeleitet: vgl. Lochnerv. New York, 198 U. S. 45 (1905). 106 Anders der Kommissions-Bericht (Fn. 62), RdNr. 88, S. 67, mit seinem Vorschlag, Art. 12 GG um einen Absatz 2 zu ergänzen, der die Verantwortung von Staat und Gesellschaft für Arbeit und Ausbildung ausdrücklich hervorhebt. 107 Vgl. Petzet/Sutter, Der Geist der Paulskirche, 1923, S. 139 ff. 108 Dazu Chr. U. Schminck-Gustavus, Recht auf Arbeit - zur Geschichte einer konkreten Utopie, in: Achten (Fn. 102), S. 15ff.(35 f.). Vgl. ferner die im wesentlichen auf Art. 15 GG gestützte, gegen die Kritiker des „Rechts auf Arbeit" gerichtete Argumentation von W. Däubler, Recht auf Arbeit verfassungswidrig?, ibid., S. 159 ff.

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Art. 2 Abs. 2 Satz 1 G G , sondern als bereichsspezifischer,»Arbeitsschutz" auch nach Art. 12 Abs. 1 G G , der bei permanenter Verletzung betrieblicher Sicherheits- oder Unfallverhütungsvorschriften den Betroffenen einen Anspruch auf staatliches Einschreiten verleihen kann109. Die Arbeitsmittel genießen, soweit sie Eigentum des Erwerbstätigen sind, nach § 811 Nr. 5 ZPO verfassungsrechtlich gebotenen Pfändungsschutz. Auch der Arbeitsertrag verlangt als Basis der „Existenzsicherung" 110 nach einem ausreichenden, grundrechtlich verbürgten Insolvenzschutz 111 . Schließlich garantiert Art. 12 Abs. 1 G G mit freiheitlichen Arbeitsbedingungen zugleich die berufsbezogenen Persönlichkeitsrechte des Arbeitnehmers, die ihn vor ungerechtfertigter betrieblicher Überwachung oder Ausforschung schützen 112 . 109

Etwa nach §§ 120a, 139b GewO für gewerbliche Arbeitnehmer; zum Anspruch auf staatliches Einschreiten vgl. R. Breuer, Grundrechte als Anspruchsnormen, FS 25 Jahre BVerwG, 1978, S. 89 fT. (103 ff.). Ähnlich auch die „Richtlinien für das Strafverfahren" (1970), Nr. 294: „Die menschliche Arbeitskraft ist ein besonders schutzwürdiges Gut". In diesem Sinne ferner E. Denninger, Staatsrecht 1,1973, S. 147 f.; Rittstieg (Fn. 3), RdNr. 26 zu Art. 12 GG. - Zur verfassungsrechtlichen Bedeutung des betrieblichen Gesundheitsschutzes BVerfGE 23,50 (57 ff.); 41, 360 (370 f.). Die Rechtsprechung des BAG zur „Karenzentschädigung" bei Wettbewerbsverboten scheint die Arbeitskraft jedoch eher als vermögenswertes Recht zu betrachten und damit in die Nähe von Art. 14 Abs. 1 GG zu rücken: vgl. BAG AP Nr. 25 zu § 611 BGB (Konkurrenzklausel) sowie AP Nr. 5 zu § 75 HGB; ähnlich im Ergebnis auch R Schiffauer, Recht auf Arbeit und Eigentum, EuGRZ 1981, S. 41 ff. (50 ff.). - Zum Schutz der Arbeitskraft nach Art. 157 Abs. 1WRV: G. Radbruch, Artikel 157 Abs. 1. Arbeitskraft, in: Die Grundrechte und Grundpflichten der Reichsverfassung, Bd. 3,1930, S. 349 ff. 110 So BVerfGE 40, 65 (84); dazu Hoffmann-Riem (Fn. 3), S. 397. 111 Zwar hat der Arbeitnehmer im Konkursfall nach §§ 141a fF. AFG einen sozialrechtlichen Anspruch auf Konkursausfallgeld, ist aber bei Ablehnung einer Konkurseröffnung mangels Masse mit länger als drei Monate zurückreichenden Lohnforderungen gegenüber dinglich Gesicherten im Nachteil, so daß hier von Verfassungs wegen zwischen Art. 12 und 14 Abs. 1 GG ein Ausgleich zu suchen wäre. 112 Dazu Badura, Grundfreiheiten (Fn. 3), S. 25: „Das Grundrecht wirkt hier vor allem in Richtung verhältnismäßiger und sachbezogener Anordnungen des Arbeitgebers und eines Ausschlusses entwürdigender und demütigender Verfahren und Einrichtungen" (ζ. B. bei Arbeitsüberwachungsgeräten, Torkontrollen, Leibesvisitationen). In die gleiche Richtung deutet § 75 Abs. 2 BetrVerfG: „Arbeitgeber und Betriebsrat haben die freie Entfaltung der Persönlichkeit der im Betrieb beschäftigten Arbeitnehmer zu schützen und zu fördern". Dazu M. Löwisch, Schutz und Förderung der freien Entfaltung der Persönlichkeit der im Betrieb beschäftigten Arbeitnehmer (§ 75 Abs. 2 BetrVerfG 1972), AuR 1972, S. 359 fT. Vgl. auch G. Wiese, Der Persönlichkeitsschutz des Arbeitnehmers gegenüber dem Arbeitgeber, ZfA 1971, S. 273 ff. - Scholz (Fn. 3, RdNr. 116 zu Art. 12 GG) verweist jedoch insoweit lediglich auf Art 2 Abs. 1 GG - ein typisches Beispiel der von Pietzcker (Fn. 3, S. 554) konstatierten „konstruktiven Asymmetrie" zum Nachteil abhängig Beschäftigter. - Zu den „Arbeistbedingungen" als Gegenstand der Berufsfreiheit vgl. schließlich Hege (Fn.3), S. 68 ff.

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5. Schutzzwecke (Funktionen und Dimensionen)

Für die Funktionsweise der Arbeits- und Berufsfreiheit im modernen Leistungsstaat113 sind die Schutzzwecke und Schutzdimensionen maßgebend, aus denen der personale, freiheitliche Normgehalt des Art. 12 GG reale Wirkungskraft gewinnt. Im Mittelpunkt der Judikatur steht dabei zu Recht die von der „Stufentheorie" ausdifferenzierte, klassische Abwehrfunktion, welche dem Staat unverhältnismäßige Eingriffe in die Berufsfreiheit verwehrt114. Wer sich freilich mit dieser Abwehrfunktion begnügt, sollte wissen, daß er dadurch entgegen dem Wortlaut „alle Deutschen" de facto über 90 v. H. der erwerbstätigen Bevölkerung aus dem Grundrecht verabschiedet und dem wohltätigen Regime des Sozialstaatsprinzips überläßt (zumal das Verbot des „Arbeitszwangs"115 zusätzlich in Abs. 2 und 3 geregelt ist). Deshalb kann schon aus rechtsstaatlicher Sicht nicht bestritten werden, daß die Arbeits- und Berufsfreiheit zugleich ein Element objektiver Verfassungsordnung darstellt und insoweit eine „Ausstrahlungswirkung" auf das einfache Recht (mittelbare Drittwirkung) entfaltet116. Das Grundrecht des Art. 12 GG umfaßt eine Vielzahl von Schutzfunktionen und Schutzzwecken, die in Anknüpfung an neuere Grundrechtstheorien117 mit dem Begriff der „Mehrdimensionalität"118 zutreffend

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Dazu wegweisend P. Häberle, Grundrechte im Leistungsstaat, WDStRL 30 (1972), S. 43 ff.; vgl. ferner den Bericht von W.Martens, ibid., S. 7 ff., sowie Κ. H. Friauf, Zur Rolle der Grundrechte im Interventions- und Leistungsstaat, DVB1. 1971, S. 674 ff.; neuerdings G. Haverkate, Rechtsfragen des Leistungsstaates, 1983. 114 Seit BVerfGE 7,377 (397 ff.) std. Rspr.; zuletzt BVerfGE 66,337 (353 ff). Zur Abwehrfunktion auch Hoffmann (Fn. 3), S. 234 ff. 115 Dazu G. Uber, Arbeitszwang, Zwangsarbeit, Dienstpflichten, FS Schack, 1966, S. 167 ff; Ε. H. Riedel, „Arbeitspflichten" vor Verwaltungsgerichten, VerwArch 74 (1984), S. 237 ff.; D. Merten, Die negative Garantiefunktion der verfassungsrechtlichen Berufs- und Ausbildungsfreiheit, FS Stingl, 1984, S. 285 ff.; ferner Papier {Fn. 3), S. 806. 116 Vgl. K. Hesse, Grundzüge des Verfassungsrechts der Bundesrepublik Deutschland, 14. Aufl. 1984, RdNr. 351-357 (S. 139 ff). Ebenso bereits Bachof (Fn. 3), S. 163 ff, 174; Papier (Fn. 3), S. 812. Für eine unmittelbare Drittwirkung im Hinblick auf das Sozialstaatsprinzip G. Müller, Drittwirkung von Grundrechten und Sozialstaatsprinzip, RdA 1964, S. 121 ff, sowie die Judikatur des BAG: vgl. BAG AP Nr. 1, 25 zu Art. 12 GG. 117 Dazu Er W. Böckenförde, Grundrechtstheorie und Grundrechtsinterpretation, NJW1974, S. 1529 ff; Η. H. Rupp, Vom Wandel der Grundrechte, AöR 101 (1976), S. 161 ff; F. Ossenbühl, Die Interpretation der Grundrechte in der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts, NJW 1976, S. 2100ff.;K. Hesse, Bestand und Bedeutung (der Grundrechte), in: HdVerfR 1983, S. 79 ff. 118 So bereits H.-P. Schneider, Eigenart und Funktionen der Grundrechte im demokratischen Verfassungsstaat, in: J. Pereis (Hg.), Grundrechte als Fundament der Demokratie, 1979, S. 11 f. (35); Häberle (Fn. 3), S. 352 ff.; Bryde (Fn. 3), S. 2183.

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gekennzeichnet ist und nicht nur rechtsstaatliche, sondern auch demokratische und sozialstaatliche Bezüge aufweist. Unter demokratischem Aspekt begründet Art. 12 Abs. 1 GG subjektive Mitwirkungsrechte im Prozeß „arbeitsteiliger Grundrechtsausübung"119, steht für das innerbetriebliche Verhältnis von Arbeitgeber und Arbeitnehmer in einem „kooperativen Ausübungszusammenhang"120 und erweist sich damit funktional als „Kooperationsgrundrecht", auf dem letztlich auch das Prinzip der Mitbestimmung basiert121. Da die Zuordnung konkreter Mitwirkungschancen und der Ausgleich unterschiedlicher Erwerbsinteressen im Unternehmen einer staatlichen Regelung bedürfen, wirkt Art. 12 Abs. 1 GG insoweit objektiv zugleich als Organisations- und Verfahrensgarantie mit dem Ziel der Herstellung und Erhaltung freiheitlicher Berufs- und Arbeitsbedingungen122. Aus sozialstaatlicher Perspektive begründet die Arbeits- und Berufsfreiheit einerseits subjektive Teilhabechancen, die sich freilich nur in ganz seltenen Fällen zu Leistungsansprüchen verdichten (so etwa das Recht auf Arbeitsvermittlung)123, überwiegend aber als Reflex aus dem Menschenwürde- und Persönlichkeitskern des Art. 12 Abs. 1 GG in staat-

Von „Dimensionen" oder „Gewährleistungsdimensionen" sprechen in diesem Zusammenhang auch Ossenbühl(Fn. 117), S. 2100ff.;Scholz^Fn. 3), RdNr. 37ff.zu Art. 12 GG; Tettinger (Fn. 3), S. 114 ff. 119 Hoffmann-Riem (Fn. 3), S. 385 ff. (et passim). Vgl. auch D. Suhr, Die Entfaltung des Menschen durch den Menschen, 1976, der von „Ausübungsgemeinschaften" spricht (insbes. S. 165 ff. et passim). 120 Scholz (Fn. 45), S. 301. - Für die Wissenschaftsfreiheit vgl. bereits BVerfGE 35, 79 (128). 121 Ebenso Dietz/Richardi, BetrVerfG, 6. Aufl. 1982, Vorbem. zu § 92, RdNr. 4-7; vgl. auch BAG DB 1983, 453 ff.; ferner BVerfGE 50, 290 (362 ff.) zur Unternehmensmitbestimmung. 122 Dazu bereits Rupp (Fn. 117), S. 187 ff.'Starck (Fn. 57), S. 488 ff. Allgemein H. Goerlich, Grundrechte als Verfahrensgarantien, 1981, S. 208 ff. Neuerdings zu Art. 12 GG: Scholz (Fn. 45), S. 284; Hege (Fn. 3), S. 151 ff.; Häberle (Fn. 3), S. 352; Pietzcker (Fn. 3), S. 555. Der verfahrensrechtliche Ansatz insgesamt geht zurück auf Häberles Denkfigur eines „status activus processualis" (in: Grundrechte [Fn. 113], S. 81, 86 ff). 123 Vor einer generellen Umdeutung der Grundrechte in Teilhabeansprwc/ie warnen zu Recht auch Hesseln. 116), RdNr. 289, S. 117 f.; Rupp (Fn. 117), S. 183 ff.; Ossenbühl (Fn. 117), S. 2104. Vgl. ferner K. Redeker, Zur Ausgleichsfunktion von Teilhaberechten zwischen Freiheit und Bindung, FS 25 Jahre BVerwG, 1978, S. 511 ff; H. Sendler, Teilhaberechte in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts, DÖV1978, S. 581ff.(differenzierend). Mit Bezug auf Art. 12 GG ablehnend Scholz (Fn. 3), RdNr. 39 ff. zu Art. 12 GG; Merten (Fn. 115), S. 295 f.; Pietzcker (Fn. 3), S. 555. Dennoch ist nicht zu verkennen, daß Art. 12 Abs. 1 GG „Teilhabeaspekte" aufweist (so Häberle [Fn. 3], S. 352). - Zum Arbeitsvermittlungsmonopol der BfA vgl. BVerfGE 21, 245 (249 ff), 261 (266 ff).

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lichen „Schutzpflichten"124 niederschlagen, deren Erfüllung allerdings nur bei evidenter Verletzung eingeklagt werden kann. Andererseits korrespondiert damit objektiv der Auftrag zur Sicherung ausreichender Berufs-, Arbeits- und Ausbildungsmöglichkeiten als Gesetzgebungsdirektive125. Ob und inwieweit die Verfassungspraxis freilich all diese Dimensionen zu aktualisieren vermag, ist keine Frage der Grundrechtstheorie, die lediglich Erkenntniswege aufzeigen kann, sondern bleibt primär der politischen Gestaltung des Gesetzgebers, in zweiter Linie auch der richterlichen Verfassungsanwendung überlassen. Unter allen Umständen muß hierbei vermieden werden, daß die Verfassung zum Vehikel tagespolitischer Forderungen oder Wünschbarkeiten verkommt und damit nicht nur an normativer Kraft, sondern auch an demokratischer Offenheit und Freiheitlichkeit verliert126. 6. Schutzumfang

(Regelungsschranken)

Es ist daher nur folgerichtig, wenn man - wie Scheunerund Ipsen schon Mitte der fünfziger Jahre127 - dem Gesetzgeber bei der Regelung und Ausformung der Arbeits- und Berufsfreiheit im Hinblick auf die wirtschaftspolitische „Offenheit" des Grundgesetzes weitgehenden Gestaltungsspielraum zubilligt128. Selbst das Bundesverfassungsgericht, das 124

In diesem Sinne bereits Badura, Arbeit (Fn. 3), S. 34 ff. unter Bezug auf BVerfGE 39, 1 (42 ff.); vgl. auch BVerfGE 35, 79 (114); 56, 54 (70 ff). Breuer (Fn. 109), S. 103 ff.; kritisch Pietzcker{Fn. 3), S. 554 f. (nur bei evidenter Verletzung rügefähig). 125 Grundlegend P. Lerche, Das Bundesverfassungsgericht und die Verfassungsdirektiven, AöR 90 (1965), S. 341ff.;vgl. auch E. Wienholtz, Normative Verfassung und Gesetzgebung, 1968; ders., Arbeit, Kultur und Umwelt (Fn. 102). Außerdem U. Scheuner, Die Funktion der Grundrechte im Sozialstaat. Die Grundrechte als Richtlinie und Rahmen der Staatstätigkeit, DÖV1971, S. 505 ff.; ders., Staatszielbestimmungen, FS Forsthoff, 1972, S. 325 ff; P. Badura, Die Verfassung als Auftrag, Richtlinie und Grenze der wirtschafts- und arbeitspolitischen Gesetzgebung, WiR 1/1974, S. 1ff.- In der Form „impliziter" Gesetzgebungsdirektiven sind in den klassischen „liberalen" Grundrechten auch die dem geltenden Bundesverfassungsrecht fremden „sozialen" Grundrechte aufgehoben: dazu W. Daum, Soziale Grundrechte, RdA 1968, S. 81 ff.; J. P. Müller, Soziale Grundrechte, ZfSchwR NF 92 (1973), S. 687 ff. (852 ff); J. Isensee, Verfassung ohne soziale Grundrechte, Der Staat 19 (1980), S. 367 ff; J. Lücke, Soziale Grundrechte als Staatszielbestimmungen und Gesetzgebungsaufträge, AöR 107 (1982), S. 15 ff. 126 In diese Richtung zielt auch die entschiedene Kritik an einem „rechten" oder „linken Verfassungsfundamentalismus" bei Badura (Fn. 125), S. 1 f. 127 Vgl. Scheuner, Handwerksordnung (Fn. 3), S. 387 ff.; ders., Grundrechtsinterpretation (Fn. 77), S. 66 ff.; Ipsen, Verfassungsfragen (Fn. 3), S. 361 ff.; a. Α. schon damals Bachof, Freiheit des Berufs (Fn. 3), S. 195 ff, 207 ff 128 So im Ergebnis auch Hege (Fn. 3), S. 141ff.;Pitschas (Fn. 3), S. 487 ff.; Rittstieg (Fn. 3), RdNr. 80 zu Art. 12 GG. Vgl. ferner BVerfGE 25,1 (12); 37,1 (21); 39,210 (225 f.); 46, 246 (257); 51,193 (208).

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dieser Auffassung mit seiner „Stufentheorie" unterstützt von Teilen der Literatur129, zunächst entgegengetreten war, hat seine Position später mit erheblichen Zugeständnissen an den Gesetzgeber modifiziert130 und ist heute der Sache nach bei einer schlichten Verhältnismäßigkeitsprüfung angelangt, auch wenn man in Karlsruhe weiterhin großen Wert darauf zu legen scheint, lieber auf den „Stufen" zu stolpern, als auf einer schiefen Ebene abzurutschen131. Gleichwohl läßt sich kaum bestreiten, daß Art. 12 Abs. 1 Satz 2 GG weniger Eingriffs-, als „Funktionsvorbehalt" bedeutet, aufgrund dessen der parlamentarisch-demokratische Gesetzgeber der Arbeits- und Berufsfreiheit „die in einer sozialen Rechtsgemeinschaft erforderliche Konturenschärfe verleiht"132. Die legislative Gestaltungsbefugnis reicht allerdings bei Art. 12 Abs. 1 GG nicht so weit wie bei Art. 3 Abs. 1 GG133. Der Gesetzgeber hat keineswegs nur die Willkürgrenze, sondern mit dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit zugleich auch das Übermaß verbot zu beachten134 sowie alle übrigen sich aus der Verfassung unmittelbar ergebenden Schranken (ζ. B. Art. 9 Abs. 3, aber auch Art. 14 GG). Die Prüfung der Geeignetheit und Erforderlichkeit einzelner Regelungen beschränkt sich freilich für alle „Stufen" auf eine Vertretbarkeitskontrolle aus der „ex ante"-Perspektive135. Bei wirtschaftspolitischen Maßnahmen indes verfügt der Gesetzgeber außerdem hinsichtlich ihrer Wirksamkeit über einen Prognosespielraum und bezüglich der Mittel-Zweck-Relation über eine Einschät-

129

Vgl. BVerfGE 7, 377 (397 ff.) sowie dazu 0. Bachof, Zum Apothekenurteil des Bundesverfassungsgerichts, JZ 1958, S. 468 ff.; W. Leisner, Die verfassungsrechtliche Berufsfreiheit, JuS 1962, S. 463 ff.; kritisch Scheuner (Fn. 77), S. 67 ff; P. Lerche, Zum Apothekenurteil des Bundesverfassungsgerichts, BayVBl. 1958, S. 231 ff. 130 Vgl. insbes. BVerfGE 25,1 (12 ff). 131 BVerfGE 61, 291 (307 ff); zuletzt BVerfGE 66,337 (353 ff). 132 So Rupp (Fn. 3), AöR 92 (1967), S. 227 f. 133 BVerfGE 7, 377 (403 f.). 134 Dazu P. Lerche, Übermaß und Verfassungsrecht, 1961; E. Grabitz, Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit in der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts, AöR 98 (1973), S. 568 ff.; L. Hirschberg, Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, 1981; in bezug auf Art. 12 GG weiterführend Pitschas (Fn. 3), S.525 ff. 135 So H. Schneider, Zur Verhältnismäßigkeitskontrolle insbesondere bei Gesetzen, in: Bundesverfassungsgericht (Fn. 57), S. 390 ff. (396 f.). Die „stufenspezifischen" Differenzierungen von Scholz, wonach die Prüfung von einer bloßen Evidenzkontrolle bei Berufsausübungsregelungen über die Vertretbarkeits- bis zur Inhaltskontrolle bei subjektiven und objektiven Zulassungsvoraussetzungen reiche (vgl. Fn. 3, RdNr. 320 ff. zu Art. 12 GG), sind mit den bekannten Unterscheidungsproblemen der „Stufentheorie" behaftet und daher letztlich kaum praktikabel.

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zungsprärogative nach Evidenzkriterien136, ist andererseits aber auch zur Berücksichtigung dadurch entstehender Ungleichheiten verpflichtet137. Zusätzliche Anhaltspunkte für die Bestimmung der Grundrechtsschranken im konkreten Einzelfall lassen sich aus der Zielrichtung, Intensität und Wirkung des Eingriffs gewinnen: Je nachdem, ob die kulturelle oder ökonomische Sphäre stärker berührt ist, ob „bei einer Gesamtabwägung zwischen der Schwere des Eingriffs und dem Gewicht der ihn rechtfertigenden Gründe die Grenzen der Zumutbarkeit noch gewahrt sind"138 und ob schließlich die Maßnahme selbst einen überwiegend personalen oder sozialen Bezug aufweist139, ist der Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers enger oder weiter gezogen. Je stärker eine staatliche Regelung also auf die Freiheit der Berufswahl oder -ausbildung einwirkt, den Einzelnen in seinen subjektiven Entfaltungsmöglichkeiten auf beruflichem Gebiet behindert oder den personalen Status individueller Lebensführung beeinträchtigt, desto höher sind die Anforderungen an ihren Rechtfertigungs- und Begründungsbedarf.

V. Die Arbeits- und Berufsfreiheit im Kontext von Verfassung und Rechtsordnung (verfassungsdogmatische Konsequenzen) Abschließend sollen nunmehr die Arbeits- und Berufsfreiheit im Kontext der Verfassung verortet und von anderen Grundrechten oder Organisationsvorschriften abgegrenzt, sodann zusammenfassend ihre vielfältigen normativen Wirkungsebenen, Schutzbereiche und Geltungsdimensionen auf wenige personale, institutionelle und funktionelle Kerngehalte zurückgeführt sowie beispielhaft noch einige dogmatische Folgerungen für verschiedene Rechtsgebiete gezogen werden. 1. Verhältnis zu anderen Grundrechten und

Ordnungsprinzipien

Als umfassendes Freiheits- und Persönlichkeitsrecht des erwerbstätigen Menschen verdrängt Art. 12 Abs. 1 GG auf den Gebieten „Beruf, ,Arbeit" und „Ausbildung" das allgemeine Recht auf freie Entfaltung der Persönlichkeit (Art. 2 Abs. 1 GG) vollständig (lex specialis)140, wobei nicht 136

Vgl. BVerfGE 25,1 (12); 39,210 (225 f.); vgl. auch BVerfGE50,290 (331 ff.); a. A. im Hinblick auf objektive Zulassungsvoraussetzungen Papier( Fn. 53), S. 540. 137 So BVerfGE 30,292 (326). 138 BVerfGE 61,291 (312) unter Hinweis auf BVerfGE 30,292 (316ff.);36,47 (59); 53,135 (144); vgl. auch bereits BVerfGE 16,147 (167). 139 Seit BVerfGE 50,290 (364 ff.) std. Rspr.; dazu Bryde (Fn. 3), S. 2182 f. 140 So BVerfGE 9,73 (77); vgl. auch schon BVerfGE 6,32 (37); zuletzt BVerfGE 60, 215 (229). Dazu W. Berg, Grundrechtskonkurrenzen. Zum Verhältnis der Art. 2 I, 41 und 12 GG, JuS 1969, S. 16 ff.

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nur die Vertragsfreiheit, soweit sie sich auf Arbeit und Beruf bezieht, sondern auch die berufsspezifischen Persönlichkeitsrechte des Arbeitnehmers, etwa das Recht auf menschenwürdige Arbeitsbedingungen141, an dieser Spezialität teilnehmen. Umgekehrt gehen andere Grundrechte mit beruflichem Einschlag, etwa die Wissenschaftsfreiheit (Art. 5 Abs. 3 GG)142, die Glaubens- und Bekenntnisfreiheit (Art. 4 GG)143 oder die hergebrachten Grundsätze des Berufsbeamtentums (Art. 33 Abs. 5 GG)144, ihrerseits der Arbeits- und Berufsfreiheit als speziellere Normen vor. Die kollektive Ordnung von Berufs-, Arbeits- und Ausbildungsangelegenheiten ist in Art. 9 Abs. 3 GG geregelt, der seinerseits die Ausgestaltungsbefugnis des Gesetzgebers nach Art. 12 Abs. 1 Satz 2 GG inhaltlich beschränkt145. Auf wirtschaftlichem Gebiet stehen Art. 12 Abs. 1 und 14 Abs. 1 GG in Gesetzeskoftkurrenz, sind also gegeneinander abzugrenzen146. Die geläufige Formel, wonach Art. 12 GG den „Erwerb", Art. 14 GG das „Erworbene" schützt147, ist wegen mancherlei Überschneidungen im konkreten Fall nur wenig brauchbar. Maßgeblich für die Anwendung des Art. 14 GG dürfte der unmittelbare Zugriff auf Vermögen oder Vermögenswerte Rechte sein, während im übrigen die umfassendere Arbeits- und Berufsfreiheit gilt. Es kommt also entscheidend darauf an, ob der Eingriff einen stärkeren Sach- oder Personbezug hat. - Die Organisationsnormen auf den Gebieten von Wirtschaft und Arbeit (Art. 74 Nr. 11 und 12 GG) sowie im Bereich der Finanzverfassung (Art. 104a, 109 Abs. 2,115 GG) verstärken im Sinne eines positiven Kompetenzverständ-

141

Anders Scholz (Fn. 3), RdNr. 115,116 zu Art. 12 GG, der nur die (berufliche) Vertragsfreiheit, nicht aber die Persönlichkeitsrechte einbezieht. Dabei entsteht emeut das in Fn. 112 am Ende angedeutete Problem. 142 Vgl. W. Schmidt, Wissenschaftsfreiheit als Berufsfreiheit, NJW1973, S. 585 ff. 143 Für die Gewissensfreiheit R. Pitschas, Mittelbare Wehrdienstverweigerung und Arbeitsförderungsrecht, NJW 1984, S. 889 ff. (893 ff.); U. Mayer, Arbeitsverweigerung aus Gewissensgründen, BIStSozArbR 22 (1983), S. 343 ff.; ferner BSG NJW 1983, S. 701 ff. 144 Ebenso BVerfGE 7,377 (397 f.); 11,30 (39); 16,6 (21 f); 17,371 (377); 39,334 (369); 54, 237 (246). 145 Vgl. Scholz (Fn. 3), RdNr. 190 zu Art. 12 G G ; ferner P. Pernthaler, Die arbeitsrechtlichen Rechtsetzungsbefugnisse im Lichte des Verfassungsrechts, FS Strasser, 1983, S. 3 ff. 146 Anders Scholz (Fn. 3), RdNr. 138 zu Art. 12 GG, der grundsätzlich von einer Idealkonkurrenz ausgeht. Vgl. ferner E. Forsthoff, Verfassungsmäßiger Eigentumsschutz und Freiheit des Berufs, in: Külz/Naumann (Hg.), Staatsbürger und Staatsgewalt, 1963, S. 19 ff.;//. Huber, Gewerbefreiheit und Eigentumsgarantie, in: Scheuner (Hg.), Die staatliche Einwirkung auf die Wirtschaft, 1971, S. 309 ff.; W. Leisner, Eigentümer als Beruf, JZ1972, S. 33 ff. i« So BVerfGE 30, 292 (334 f.); 31, 8 (32); offen gelassen in BVerfGE 17,232 (248).

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nisses die Arbeits- und Berufsfreiheit ebenso wie das Sozialstaatsprinzip als allgemeine Staatszielbestimmung. - Das Recht der Europäischen Gemeinschaft schließlich normiert die Berufsfreiheit nicht ausdrücklich in so umfassender Weise wie Art. 12 GG, sondern mit der Freizügigkeit (Art. 48 EWGV), der Niederlassungsfreiheit (Art. 52 EWGV) und der Dienstleistungsfreiheit (Art. 59 EWGV) nur die ökonomische Dimension. Die Einbeziehung kultureller Aspekte, insbesondere des Rechts auf freie Wahl der Ausbildungsstätte, ist hier noch ein Desiderat148. 2. Normative Kemgehalte

der Arbeits- und

Berufsfreiheit

Zusammengefaßt reduziert sich damit die Arbeits- und Berufsfreiheit nach Art. 12 GG auf drei normative Kerngehalte: Als Ausdruck der Menschenwürde und der freien Entfaltung der Persönlichkeit gewährleistet sie vor allem die individuelle Selbstbestimmung durch Arbeit, Beruf und Ausbildung (personaler Kern)149. Darüber hinaus dient sie zweitens mit ihren organisatorischen und verfahrensrechtlichen Sicherungen (Vertragsfreiheit, Mitbestimmung, Arbeitsschutz) der Schaffung und Erhaltung einer freiheitlichen, chancengleichen Arbeits- und Berufsordnung durch Staat und Gesellschaft (institutioneller Kern)150. Zum dritten schließlich enthält die Arbeits- und Berufsfreiheit über den Regelungsvorbehalt in Verbindung mit dem Sozialstaatsprinzip ein Mandat an den Gesetzgeber, im Arbeits- und Berufsleben die soziale Gerechtigkeit zu fördern und entgegengesetzte Interessen ebenso wie gesellschaftliche

148

Dazu grundlegend R. Stadler, Die Berufsfreiheit in der Europäischen Gemeinschaft, 1980; vgl. I. Pernice, Grundrechtsgehalte im europäischen Gemeinschaftsrecht, 1979, S. 47 ff., 174 f. 149 Vgl. A. Baruzzi, Recht auf Arbeit und Beruf? Sieben philosophisch-politische Thesen, 1983 (dazu Häberle [Fn. 3], S. 345 ff.); ders., Arbeit und Beruf, in: Ryffel/Schwartländer (Fn. 3), S. 191ff.;H. Ryffel, Philosophisch-anthropologische Aspekte der Arbeit im Hinblick auf ein Recht auf Arbeit, ibid., S. 211 ff. Dazu aus verfassungsrechtlicher Sicht die gedanken- und materialreichen Arbeiten von P. Häberle, Arbeit als Verfassungsproblem, JZ 1984, S. 345 ff; ders., Arbeit als sozialrechtlich vermitteltes Eigentum im Sinne des Art. 14 GG, in: Mitteilungen der Landesversicherungsanstalt Oberfranken und Mittelfranken, Nr. 12/1982, S. 483 ff; ders., Vielfalt der property rights und der verfassungsrechtliche Eigentumsbegriff, AöR 109 (1984), S. 36 ff. (69 f.); ders., Rezension von A. Thomashausen, Verfassung und Verfassungswirklichkeit im neuen Portugal, in: Jahrbuch für internationales Recht 23 (1983), S. 474 ff (481 ff). - Vgl. ferner P. Schiffauer, Recht auf Arbeit und Eigentum, EuGRZ 1981, S. 41 ff. 150 Ebenso Scheuner (Fn. 51), S. 31: „In den meisten grundrechtlichen Normen steckt neben der Sicherung individueller Freiheit auch ein Element der Gewährleistung institutioneller Ordnungen des Rechtslebens". Vgl. auch ders., Das Grundrecht der Berufsfreiheit, DVB1.1958, S. 845 ff - In die gleiche Richtung tendieren auch Hoffmann-Riem (Fn. 3), S. 400 ff, und Hege (Fn. 3), S. 151 ff.

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Benachteiligungen auszugleichen (funktioneller Kern)151. Alle drei Komponenten müssen zueinander in Beziehung gesetzt werden, wenn die Arbeits- und Berufsfreiheit wieder als das verstanden werden soll, was sie fur Ulrich Scheuner schon 1955 gewesen ist: nämlich „eine umfassende Gesamtregelung bestimmter Fragen aus den Bereichen von Arbeit und Beruf' 152 . 3. Auswirkungen für einzelne

Rechtsgebiete

Bezogen auf einzelne Rechtsgebiete, ergibt sich daraus exemplarisch153: Im Bereich der Berufsausbildung ist die freie Wahl der Ausbildungsstätte kein „Akademikerprivileg", sondern erstreckt sich auch auf die Bildungseinrichtungen im beruflichen Sektor. Bei übermäßigem Lehrstellenmangel ist der Staat nicht nur zur Erhebung einer Berufsausbildungsabgabe berechtigt 154 , sondern subsidiär auch zur Schaffung eigener Ausbildungsplätze (Lehrwerkstätten), ja im Rahmen seiner finanziellen Möglichkeiten nach Art. 12 Abs. 1 G G sogar dazu verpflichtet 155 .

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In diesem Sinne vor allem G. Hoffmann (Fn. 3), S. 193ff.Vgl. auch J. Haider, Die Freiheit der Berufsausübung im sozialen Rechtsstaat, JurBl. 1978, S. 359 ff.; R. Scholz/R. Pitschas, Sozialstaat und Gleichheit, FS 25 Jahre BSG, 1979, S. 627 ff; D. Suhr, Rechtsstaatlichkeit und Sozialstaatlichkeit, Der Staat 9 (1970), S. 67ff.(91 ff). 152 Scheuner, Handwerksordnung (Fn. 3), S. 361. - Eine solche Betrachtungsweise liegt bisher nur der umfangreichen Schrift von Pitschas (Fn. 3) zugrunde; vgl. dort insbes. S. 546 ff, 571 ff. 153 Dazu G. Hoffmann, Die objektiv-rechtliche Einwirkung der Berufsfreiheit auf arbeits-, sozial- und ausbildungsrechtliche Freiheitsprobleme, AöR 107 (1982), S. 177 ff. 154 Vgl. BVerfGE 55,274 (312 ff); danach kann der Staat von den Arbeitgebern erwarten, daß sie ihre Ausbildungsaufgabe so erfüllen, „daß grundsätzlich alle ausbildungswilligen Jugendlichen die Chance erhalten, einen Arbeitsplatz zu bekommen" (313). 155 Ähnlich befürwortet auch Sendler(¥n. 123), S. 588, den „Anspruch auf einen Minimalstandard an Bildungseinrichtungen" nicht zuletzt mit dem Hinweis auf das vom BVerfG in Ε 35,79 (114 f.) begründete Teilhaberecht der Professoren auf eine Mindestausstattung: „Was den Hochschullehrern im Rahmen ihrer Rechte auf verfassungsmäßige Hochschulorganisation recht ist, sollte unseren Kindern doch wohl billig sein". - Auch Häberle(Fn. 3, S. 348) bezeichnet die Jugendarbeitslosigkeit als das „Skandalon einer freiheitlichen Demokratie". Der gegen eine subsidiäre Pflicht des Staates zur Schaffung von Lehrstellen häufig vorgebrachte Einwand, die Teilhabe-Konzeption des BVerfG im „numerus clausus"-Urteil lasse sich wegen fehlender Monopolstellung des Staates nicht auf den Bereich der beruflichen Bildung übertragen, geht am Problem vorbei. Wenn schon eine Umstellung des dualistischen Systems auf eine rein staatliche oder staatlich geförderte Berufsausbildung nicht gegen Art. 12 GG verstößt, stellt demgegenüber die hier vertretene Lösung ergänzender staatlicher Aktivitäten lediglich ein „Minus" dar, zumal mit der Berufsausbildungsabgabe ein Finanzierungsinstrument schon

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Auf dem Gebiet des Arbeitsrechts obliegt dem Staat in besonderer Weise der Schutz der Arbeitskraft, des Arbeitsplatzes und der Arbeitsbedingungen156. Vorschriften über die Arbeitszeit mit gesundheitsschädigendem Charakter beeinträchtigen die Arbeits- und Berufsfreiheit ebenso wie eine Beseitigung oder Lockerung anderer Vorkehrungen (ζ. B. des Kündigungsschutzes), selbst wenn sie beschäftigungsfördernden Zwecken dienen157. Regelungen der Arbeits- und Betriebssicherheit oder der Personenkontrolle, welche die Freiheit am Arbeitsplatz gefährden, sind gleichfalls an Art. 12 GG zu messen und mit dem Recht des Arbeitnehmers auf freiheitliche Arbeitsbedingungen in Einklang zu bringen158. Für die innerbetriebliche Mitbestimmung ergibt sich aus Art. 12 Abs. 1 GG als Organisations- und Verfahrensgarantie ein Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats bei der Einführung von Personalinformationssystemen sowie ein Unterlassungsanspruch bei jeder Art von mitbestimmungswidrigem Handeln des Arbeitgebers159. Eine paritätische Unternehmensmitbestimmung wäre nach Art. 12 GG dann unbedenklich, wenn durch eine angemessene Repräsentanz von Betriebsangehörigen in den Aufsichtsgremien dem personalen Kerngehalt hinreichend Rechnung getragen würde160.

vorhanden ist. - Zum Berufsbildungsgesetz: F. H. Fredebeul, Berufsbildungsgesetzgebung, RdJB 1982, S. 410 ff.; H. Göring, Die Rechtsentwicklung aufgrund des Berufsbildungsgesetzes, RdJB 1982, S. 425 ff. 156 Dazu G. Küchenhoff(Fn. 101), S. 99 ff., mit starker Betonung des Persönlichkeitsrechts der Arbeitnehmer; ferner Badura, Grundfreiheiten (Fn. 3), S. 20 ff. 157 In dieser Hinsicht ist der neue Entwurf eines Beschäftigungsförderungsgesetzes vom März 1984 (Fn. 99), vor allem soweit er den Jugendarbeitsschutz lokkert, nicht frei von Mängeln. 158 Dazu W.Musa, Arbeits-und verfassungsrechtliche Grenzen bei der Einführung mechanischer Arbeitskontrollgeräte, AuR 1961, S. 357 ff; H. Monjau, Die Zulässigkeit von Arbeitskontrollgeräten am Arbeitsplatz, BB 1964, S. 224 ff; D. Gaul, Torkontrolle und Leibesvisitation, DB 1963, S. 1771ff.;ders., Kontrollgeräte, insbes. Telephonkontrolle und Mikrophonabhöranlage am Arbeitsplatz, BlStSozArbR1965, S. 27ff.- Z u r Gesamtproblematik auch Badura, Grundfreiheiten (Fn. 3), S. 25. Vgl. femer BAG DB 1983,453; DB 1984, 775 sowie das bisher noch nicht veröffentlichte Urteil vom 14.9.1984 - 1 A B R 23/82 - über die Mitbestimmungspflichtigkeit der Einführung von Personalcomputern, soweit sie zur Arbeitsüberwachung geeignet sind. 159 Anders bisher BAG NJW1984,196; über eine dagegen erhobene Verfassungsbeschwerde ist noch nicht entschieden. 160 Ähnlich auch Papier (Fn. 3), S. 807: „Träger einer paritätischen oder quasiparitätischen Mitbestimmung müssen rechtlich in den Unternehmensträgerverband inkorporiert sein". Gegen jede Vollparität Scholz (Fn. 3), RdNr. 58 zu Art. 12 GG, dessen Funktionsfähigkeitsargument allerdings eher bei Art. 14 GG anzusiedeln wäre, weil es hier in erster Linie um Vermögensentscheidungen geht.

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Weil im Sozialrecht ein Entzug staatlicher Leistungen nicht selten gravierendere Folgen für den Betroffenen hat als der hoheitliche Eingriff, sind Arbeitspflichten nach dem Bundessozialhilfegesetz als mittelbar „erzwungene" Arbeit verfassungsrechtlich bedenklich, wenn nicht zugleich das Existenzminimum davon unabhängig garantiert wird161. Ein Verlust des Anspruchs auf Arbeitslosengeld bzw. Arbeitslosenhilfe darf nur vorgesehen werden, wenn sich die Verweisung auf eine „zumutbare" Arbeit im Rahmen desjenigen Berufsfeldes bewegt, für das der Arbeitslose qualifiziert ist162. Dieses Verbot „mehrstufiger" Dequalifikation gilt selbst für jenen promovierten Politologen, der sich mit dem Nachweis einer Stelle als Bürogehilfe offenbar schon überfordert fühlte163. Diese wenigen Beispiele mögen zeigen, welch hohe Aktualität unser heutiges Thema besitzt. Die integrierende Kraft einer Verfassung hängt nicht zuletzt davon ab, ob und inwieweit sie die staatliche und gesellschaftliche Wirklichkeit in sich aufnimmt und den drängenden Fragen der Zeit gerecht zu werden vermag164. Allerdings ist sie auch keine wohlfeile Auskunftei für den politischen Hausgebrauch und noch weniger ein Patentrezeptbuch für leicht bekömmliche Schnellgerichte. Deshalb werden uns die Antworten von der Verfassung auch nicht einfach „serviert". Wir müssen uns schon selbst um sie bemühen, wenn die Verfassung Wirklichkeit gewinnen soll, oder - wie ein großer Gelehrter dieser ehrwürdigen Universität, Franz Wieacker, schrieb: „Der Wirklichkeitsbezug der Rechtswissenschaft ist ein Hauptthema, vielleicht das Grundthema unserer Berufsverantwortung"165. Wirsmd zur Arbeit mit der Verfassung berufen.

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So Ε. H. Riedel, „Arbeitspflichten" vor Verwaltungsgerichten, VerwArch 75 (1984), S. 237 ff. (248 ff). Von einem „mittelbar wirkenden Arbeitszwang" spricht auch Rittstieg (Fn. 3), RdNr. 160 zu Art. 12 GG. Vgl. ferner Wendt (Fn. 3), S. 606 f., und Bryde (Fn. 3), S. 2183. '« Dazu BSG SozR 4100§ 119 AFG Nr. 3,13; Nr. 9,41 f. InsgesamtΛ. Gagel, Vom Zumutbarkeitserlaß zur Zumutbarkeitsanordnung, BIStSozArbR 1980, S. 115 ff. Eine ähnliche Problematik besteht schon seit langem in der Rentenversicherung beim Anspruch auf Invalidenrente nach § 1246 RVO: vgl. BSG 4,1 (7); 31,106 (108); 45,276 (277); SozR 2200 § 1246 RVO Nr. 107,336; ferner BVerfGE 59,36 (46), einer Entscheidung im Verfahren der konkreten Normenkontrolle, der Bryde (Fn. 3, S. 2183) zu Recht vorwirft, daß Art. 12 GG nicht in Betracht gezogen worden ist. - Vgl. auch Hoffmann (Fn. 153), S. 193 ff.; K.-J. Bieback, Statusschutz und Mobilitätszwang im Sozialversicherungsrecht, DuR 5 (1977), S. 5 ff. 163 Vgl. LSG München NJW1982,303. 164 Ähnlich auch Starck(Fn. 57), S. 482. Vgl. ferner/). Grimm, Verfassungsfunktion und Grundgesetzreform, AÖR97 (1972), S. 499; R. Steinberg, Verfassungspolitik und offene Verfassung, JZ 1980,389 f. 165 F. Wieacker, Pandektenwissenschaft und industrielle Revolution, JuristenJahrbuch 9 (1968/69), S. 1 ff. (28).

Leitsätze des Berichterstatters über:

Artikel 12 GG - Freiheit des Berufs und Grundrecht der Arbeit I. Verfassungsgeschichtliche

Bestandsaufnahme

1. „Arbeit" und „Beruf'gehören seit Beginn des konstitutionellen Zeitalters zum liberalen Kernbestand verfassungsrechtlicher Gewährleistung. Für die Rechts- und Staatsphilosophie des 18. und 19. Jahrhunderts enthielten Arbeit, Beruf Besitz und Bildung die Grundbedingungen menschlicher Freiheit und Gleichheit. 2. Im Verfassungsstaat des Vormärz wurde die Arbeit als Erwerbstätigkeit (Beruf) auf zweierlei Weise geschützt: (1) als Handels- und Gewerbefreiheit in Verbindung mit der Vereinigungsfreiheit, der Freizügigkeit und der Niederlassungsfreiheit (ökonomische Dimension) und (2) als Freiheit der Berufswahl in Verbindung mit der freien Wahl der Ausbildungsstätte, der Wissenschaftsfreiheit und dem Zugang zum Staatsdienst (kulturelle Dimension). Beide Traditionslinien eines „ Grundrechts der Arbeit" haben sich bis in die Gegenwart nebeneinander behaupten können. 3. Die moderne Arbeits- und Berufswelt ist durch zunehmende Arbeitsteilung, Spezialisierung, Professionalisierung und Mobilität gekennzeichnet. Beruf, Arbeit und A usbildung stehen daher heuteßrden erwerbstätigen Menschen in einem untrennbaren Funktionszusammenhang.

II. Verfassungstheoretische Grundlegung 4. Arbeit ist Ausdruck menschlicher Selbsterhaltung und Selbstentfaltung (Existenzform). Der Mensch ist zur Arbeit „berufen"; in ihr manifestieren sich Wert und Würde der Person (personaler Status). 5. Beruf ist Ausdruck kulturell anerkannter und geordneter Erwerbstätigkeit (Organisationsform). Darunter fällt jede ertragbringende, der dauerhaften Sicherung des Lebensunterhalts dienende Beschäftigung. Im Beruf manifestieren sich Erfolg und Leistung der Person (sozialer Status). 6. Die in der Personalität und Sozialität des Menschen angelegte Verbindung von Arbeit und Beruf fuhrt bei Art. 12 Abs. 1 GG zu einer Verknüpfung

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von „werktätiger" Existenz- und Organisationsform: Bei „Beruf' sind Arbeit und Ausbildung stets mitzudenken (und umgekehrt). Damit erweist sich Art. 12 GG als einheitliches Grundrecht der „Arbeits- und Berufsfreiheit" Mehr noch als die Eigentumsgarantie stellt es für den Lebensentwurf des Menschen in der modernen Industriegesellschaft das zentrale Freiheits- und Persönlichkeitsrecht dar.

III. Verfassungspraktische Problemstellung 7. Bevölkerungswachstum, technologische Entwicklung und der Ausbau des Sozialstaates haben zu einem Funktionswandel von Arbeit und Beruf in der Gegenwart geführt, der zugleich die Geltungsbedingungen der Arbeitsund Berufsfreiheit im marktwirtschaftlichen System verändert. Mit zunehmender „Entwertung" der menschlichen Arbeit als Produktionsfaktor stellt sich die Frage, ob das Markt- und Kontraktprinzip als maßgeblicher ökonomischer Steuerungsmechanismus die Arbeits- und Berufsfreiheit nicht partiell „leerlaufen" läßt. 8. Die Privatautonomie ist und bleibt unverzichtbare Grundlage der Arbeits- und Berufsfreiheit. Damit wird jedoch eine staatliche Arbeits- und Berufsregulierung keineswegs ausgeschlossen, sondern geradezu geordert, wenn und soweit die Privatautonomie des arbeitenden Menschen durch wirtschaftliche Abläufe oder technische Zwänge eingeschränkt oder ausgehöhlt ist. Berufsfreiheit und Berufslenkung stehen nicht im Gegensatz zueinander; um einer wirksamen Freiheitssicherung willen sind sie vielmehr wechselseitig aufeinander verwiesen. 9. Unter den Bedingungen gegenwärtiger Massenarbeitslosigkeit garantiert Art. 12 Abs. 1 GG zwar weiterhin den freien Wettbewerb auf dem Arbeitsmarkt, stellt dem Staat aber mit dem Regelungs- und Ausgestaltungsvorbehalt in Satz 2 zugleich die Aufgabe, zum Schutz der Arbeits- und Berufsfreiheit beschäftigungs- und ausbildungsfördernde Maßnahmen zu ergreifen. 10. Darüber hinaus verpflichtet die freiheitsverbürgende Wirkung des Art. 12 GG Staat und Gesellschaft allgemein, die effektive Möglichkeit seiner Inanspruchnahmefür jedermann und alle Berufe zu sichern und zu verstärken. Anderenfalls bliebe die Arbeits- und Berufsfreiheit im marktwirtschaftlichen System weitgehendfunktionslos. Als „Grundrecht unter Konjunkturvorbehalt" wäre sie bei Wirtschaftswachstum und Vollbeschäftigung nahezu überflüssig, bei Arbeitslosigkeit und Mangel an Ausbildungsplätzen hingegen für einen Großteil der Bevölkerung praktisch ohne reale Bedeutung. Der Hinweis auf das Sozialstaatsprinzip allein würde dieses Funktionsdefizit des Art. 12 Abs. 1 GG nicht zu beheben vermögen. Denn „die Arbeit als,Beruf hat für alle gleichen Wert und gleiche Würde" (BVerfGE 7, 397; 50, 362).

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IV. Verfassungsrechtlicher Regelungsgehalt 11. Der Schutzbereich des Art. 12 Abs. 1GG ist weit zufassen. Die Arbeitsund Berufsfreiheit schützt sowohl die selbständige Erwerbstätigkeit in freien oder staatlich gebundenen Berufen (einschl. der Unternehmer- bzw. Arbeitgeberfreiheit) als auch die abhängige Beschäftigung (Arbeitnehmerfreiheit). Zugleich verbürgt sie die Handels- und Gewerbefreiheit, allerdings nur in ihren subjektiven (personalen) Bezügen, nicht als objektives Prinzip der Wirtschaftsordnung. Ebensowenig durch Art. 12 GG geschützt ist eine bestimmte Berufs-, Arbeits- oder Wirtschafts„verfassung". 12. Schutzgegenstände der Arbeits-und Berufsfreiheit sind gleichermaßen „Beruf, „Arbeit" und „Ausbildung", unabhängig davon, unter welchen Umständen eine Erwerbstätigkeit wahrgenommen wird. Der Schutz des Berufs reicht von der Berufswahl über die Berufsvorbereitung, den Zugang zum Beruf und die Berufsausübung bis hin zur vorübergehenden oder dauernden Berufsbeendigung. Der Schutz der Arbeit erstreckt sich auf die freie Wahl des Arbeitsplatzes, auf Arbeitskraft, Arbeitsmittel und Arbeitsertrag sowie auf die Gewährleistungfreier Arbeitsformen und Arbeitsbedingungen. 13. Dagegen begründet Art. 12 Abs. 1 GG de lege lata kein „Recht auf Arbeit" im Sinne eines subjektiven Anspruchs aufZuweisungvon Arbeitsplätzen (Beschäftigungsgarantie). Soweit ein solches Recht in Landesverfassungen verankert ist odersich aus supra- bzw. internationalen Verträgen ergibt, normiert es lediglich das Ziel der Vollbeschäftigung als Staatsaufgabe. Würde de legeferenda ein „Recht auf Arbeit" in das Grundgesetz aufgenommen (wovon abzuraten ist), hätte es ebenfalls keine weiterreichende Bedeutung. 14. Das Grundrecht der Arbeits- und Berufsfreiheit umfaßt eine Vielzahl von Schutzfunktionen und Schutzzwecken („Mehrdimensionalität"). In rechtsstaatlicher Hinsicht wirkt es als subjektives Abwehrrecht und zugleich als Element der objektiven Verfassungsordnung. Unter demokratischem Aspekt enthält es subjektive Mitwirkungsrechte im Prozeß „arbeitsteiliger" Grundrechtsausübung („Kooperationsgrundrecht") sowie objektiv entsprechende Organisations- und Verfahrensgarantien. Aus sozialstaatlicher Perspektive begründet es subjektive Teilhabepositionen - in Form von Leistungsrechten, aber auch als Grundlage staatlicher Schutzpflichten - und impliziert objektiv den Auftrag zur Sicherung von Berufs- und Arbeitsmöglichkeiten als Gesetzgebungsdirektive. 15. Bei der Konkretisierung und A ktualisierung der A rbeits- und Berufsfreiheit nach Art. 12 A bs. 1 Satz 2 GG hat der Gesetzgeber im Hinblick auf die wirtschaftspolitische „Offenheit" des Grundgesetzes weitgehende Gestaltungsfreiheit. Schranken ergeben sich generell aus dem Grundsatz der Ver-

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hältnismäßigkeit (dessen Prüfung auf eine Vertretbarkeitskontrolle reduziert ist) sowie im Einzelfall aus den Kriterien der Zielrichtung, der Intensität und der Wirkungen des Eingriffes.

V. Verfassungsdogmatische Konsequenzen 16. Im Gesamtkontext des Grundgesetzes stellt Art. 12 GG gegenüber Art. 2 GG das speziellere Freiheits- und Persönlichkeitsrecht dar. Im Verhältnis zu anderen Grundrechten mit beruflichem Einschlag(vgl.Art.4,5Abs.3,9 Abs. 3, 33 Abs. 4 und 5 GG) bildet die Arbeits- und Berufsfreiheit hingegen eine lex generalis. Die Organisationsnormen auf den Gebietenvon Arbeit und Wirtschaft sowie im Bereich der Finanzverfassung (ζ. B. Art. 74 Nr. 11 und 12, 109 Abs. 2 GG) verstärken im Sinne eines positiven Kompetenzverständnisses den personalen Freiheitsschutz des Art. 12 GG ebenso wie das Sozialstaatsprinzip als allgemeine Staatszielbestimmung. 17. Damit beschränkt sich die Schutzwirkung der Arbeits- und Berufsfreiheit im wesentlichen auf drei Kerngehalte: (1) den personalen Kern der individuellen Selbstbestimmung durch Arbeit und Beruf (in Verb, mit Art. 1 und 2 GG), (2) den institutionellen Kern der Schaffung und Erhaltung einer freiheitlichen und chancengleichen Arbeits- und Berufsordnung durch Staat und Gesellschaft (in Verb, mit Art. 2 und 3 GG) und (3) denfunktionellen Kern der Sicherung und Förderung der sozialen Gerechtigkeit im Arbeits- und Berufsleben durch den Gesetzgeber (in Verbindung mit dem Sozialstaatsprinzip). 18. Für einzelne Rechtsgebietefolgt daraus exemplarisch: Die Berufsausbildung ist vom Staat bei allen Erwerbszweigen zu fördern (notfalls durch Schaffung eigener Ausbildungsplätze). Im Arbeitsrecht obliegt dem Staat ein besonderer Schutz der Arbeitskraft, des Arbeitsplatzes und der Arbeitsbedingungen. Die Mitbestimmung in Betrieb und Unternehmen ist der organisatorische Ausdruck „kooperativer" Grundrechtsausübung. Im Sozialrecht sind der totale Leistungsentzug bei Arbeitsverweigerung und die mehrstufige Dequalifikation unvereinbar mit Art. 12 GG als personalem Freiheitsrecht.

Artikel 12 GG - Freiheit des Berufs und Grundrecht der Arbeit 2. Mitbericht von Professor Dr. Helmut Lecheler, Erlangen

Inhalt Seite I. Das Problem - Unterbewertung der Berufsfreiheit II. Die Ursache - Schwächung der Berufsfreiheit in ihrem „klassischen" Bereich 1. Öffnung des strengen Gesetzesvorbehalts 2. Inflation der Berufsbilder 3. Ungelöste Abgrenzung von Art. 2 Abs. 1 GG 4. Inhaltsleere der Stufentheorie

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III. Arbeit und Beruf - einheitlicher Schutz durch die Verfassung 1. Die Tradition 2. Neuere dogmatische Abgrenzungsversuche

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IV Die Hoffnung - gesteigerte Bedeutung des Art. 12 für die unselbständige Arbeit? 1. Art. 12 und das Arbeitsverhältnis 2. Die Grenzen der „Verarbeitsrechtlichung" 3. Die besondere soziale Schutzbedürftigkeit

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I. Das Problem - Unterbewertung der Berufsfreiheit 1. Als die „schlimmste crux" des Grundrechtsteils haben Walter Jellinek und Ulrich Scheuner Art. 12 GG einmal bezeichnet 1 . Heute aber zeigt sich überwiegend ein Bild akademischen Friedens. Der Unterschied ist erstaunlich. Haben wir die Probleme denn gelöst, die die Interpretation dieser Vorschrift stellt? Die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts wird im ganzen akzeptiert, lediglich in Einzelheiten wird sie noch kritisiert. Wenn wir aber unseren akademischen Campus verlassen und „im Lande herumhören", wie es denn mit der Berufsfreiheit bestellt sei, dann werden wir - furchte ich - wenig friedfertige Antworten hören. Die großen Streitfragen brechen in periodischer Regelmäßigkeit immer wieder auf 2 . Greifen wir ζ. B. heraus den Streit um die Apothekenkonzession, um die Konzessionen im Verkehrswesen und um das Ladenschlußgesetz. Was die vielen kleinen Lästigkeiten des Alltags angeht, so überschwemmt die vielbeklagte Normenflut auch und gerade die Berufsausübung. Auch das Europarecht tritt dem Bürger zunächst mit einer Fülle zusätzlicher Einschränkungen der Berufsfreiheit entgegen 3 . Und dort, wo es durch die Öffnung der Grenzen die Berufsmärkte ausweiten könnte, gibt es - abgesehen von gewissen Spezialistenberufen - eher Anlaß, die Zugangsvoraussetzungen fur Inländer so hoch anzusetzen, daß sie für die Bürger anderer EG-Staaten praktisch unüberwindliche Hürden darstellen4.

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W. Jellinek, Besprechung von Uber, Freiheit des Berufs, in: DÖV 1952, 383; U. Scheuner, Handwerksordnung und Berufsfreiheit, Deutsches Handwerksblatt 1955, 339/340. 2 Vgl. H.-J. Friehe, Überlegungen zu einer Neufassung des § 13 Abs. 2 PBefG, GewA 1982, 218/219; BVerwG, GewA 1982, 242 ff.; zum Nachtbackverbot vgl. NJW1981,1885; sowie die andauernden Diskussionen um neue Beschränkungen der Apothekenzulassung oder die aktuellen, bundesweiten Versuche, die Ladenschlußzeiten zu durchbrechen; vgl. ferner den Überblick bei Th. Strauch, Die Gesamtreform des GewR - eine Herausford. d. Wirtschaft an den Gesetzgeber, WuV 1982, 239 ff. 3 Vgl. die Nachweise bei Beutler-Bieber-Pipkorn-Streil, Die EG-Rechtsordnung und Politik, Baden-Baden, 2. Aufl., 1982,288 ff. sowie die Berichte der BReg über die Integration in der EG, etwa BtDs 9/960, 31. 4 Vgl. K. Hailbronner, Erläuterungen zum AufenthG/EWG, in: Das Deutsche BRecht, Stand März 1984, Vorbem. vor §§ 3-7,17; zu Erleichterungen für Ausländer vgl. H.-J. Papier, Die Verlängerung der kassenärztlichen Vorbereitungszeit, SGb 1984, 221/227. Art. 12 GG ist allerdings ganz bewußt als „Deutschen"-Grundrecht ausgestaltet worden aus Sorge, nicht alle Deutschen könnten sonst ihr Brot finden; vgl. die Nachw. bei M. Widmer, Die Gewerbefreiheit nach schweizerischem und die Berufsfreiheiten nach deutschem Recht, Diss. Bern 1966,11.

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2. Aus der freiheitsliebenden Schweiz wurde uns schon vor Jahren die Unterbewertung des Berufsschutzes vorgehalten5. Sie wurde damit begründet, daß der „Eigentumsschutz gegenüber der Staatsgewalt in Deutschland in einer älteren gefestigteren Tradition" stehe als die Wirtschaftsfreiheit des einzelnen. Viel spricht dafür, daß dies nach wie vor gültig ist, wie sich vor allem im folgenden zeigt: - Unser Unternehmensrecht ist bis heute in so einseitiger Weise auf Art. 14 GG ausgerichtet, daß zu Recht von einer „Strapazierung der Eigentumsgarantie"6 gesprochen wurde. Die unternehmerische Funktion, die mit Kapitalbesitz nicht identifiziert werden kann, ist in der Mitbestimmungsdebatte eindeutig zu kurz gekommen7. - Um die Rechte der Unselbständigen, der Arbeitnehmer haben sich Lehre und Judikatur weit mehr bemüht bei der „funktionalen" Ausweitung der Eigentumsgarantie auf Lohnansprüche als etwa bei der Sicherung ihrer beruflichen Bewegungsfreiheit. 3. Die Frage liegt also nahe, ob Art. 12 GG für die Unselbständigen denn keine Bedeutung habe oder ob die Berufsfreiheit sich nicht vielmehr gerade als „Grundrecht der Arbeit" bewähren müsse. Genauso wird aber hier schon deutlich, daß die Frage nach der Bedeutung des Art. 12 GG nicht auf die Unselbständigen beschränkt werden kann, sondern daß sie umfassender gestellt werden muß nach den Chancen der Berufsfreiheit in unserem Staate überhaupt. Nicht ein neues Grundrecht soll mit dem „Grundrecht der Arbeit" geschaffen werden, auch können nicht bürgerliche Freiheitsverluste aus dem Arbeitsrecht „kompensiert" werden; es muß vielmehr um die Aufwertung der beruflichen Freiheit insgesamt gehen! Von der Lösung dieser Aufgabe hängt nicht nur die künftige Bedeutung des Art. 12 GG ab: Sie entscheidet über die Zukunft der Grundrechte allgemein, weil hier bei einem für die große Masse der Wähler besonders wichtigen Grundrecht darüber entschieden wird, ob die Freiheitsgarantie auch heute noch ihre Gestaltungskraft behalten hat oder ob sie in soziale Teilhabe und in Bestandsschutz umgeformt werden muß.

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H. Huber, Gewerbefreiheit und Eigentumsgarantie, in: ders., Rechtstheorie Verfassungsrecht - Völkerrecht, Ausgewählte Aufsätze, hrsg. von K. Eichenberger, R. Bäumlin, J.P. Müller, Bern 1971,166/174,180; ähnlich M. Widmer( FN 4), 86. 6 Ε. Stein, Die Wirtschaftsaufsicht, Tübingen 1967, 62. 7 Das hebt in aller Klarheit hervor H. Buchner, Paritätische Mitbestimmung: Der Weg zu einer neuen Unternehmens- und Arbeitsordnung, ZfA 1974,147/174; R.iSW?o/zhat dies auch ausdrücklich eingeräumt (Die Berufsfreiheit als Grundlage und Grenze arbeitsrechtlicher Regelungssysteme, ZfA 1981, 265/300). Grdleg. dazu: E.-J. Mestmäcker, Zur gesellschaftsrechtlich organisierten Berufsfreiheit, in: FS für H. Westermann, Karlsruhe 1974,411/415 ff.

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Damit ist dann zugleich die letzte Frage nach der Zukunft des freiheitlichen Rechtsstaats gestellt. Es ist wirklich keine captatio benevolentiae, wenn ich daran zweifle, ob ich dieser Aufgabe gewachsen bin. In einem Anlauf wird sie sich sicher nicht lösen lassen; es wird wiederholter Anstrengungen bedürfen, und um der Chance fur die Freiheit willen hat es mich natürlich gefreut, daß ich an den Begleitaufsätzen zu unserem Thema 8 sehen konnte, daß ich hier nicht ganz allein stehen werde. 4. Der Ausgangspunkt sowie die Richtung meiner Überlegungen sollten also feststehen: In einem ersten Abschnitt ist eine Bestandsaufnahme zu machen, wieweit die Berufsfreiheit in ihrem sog. „klassischen" Bereich, also vor allem bei den Selbständigen und Freiberuflern, realisiert ist. Dabei wird sich zeigen, daß schon dort von einem wirksamen Schutz der Berufsfreiheit bald nicht mehr gesprochen werden kann, wenn nicht ganz entschiedene Anstrengungen einer Neuorientierung unternommen werden. Nur dann auch kann das Freiheitsrecht dem Arbeitsrecht Gewinn bringen. Im zweiten Abschnitt ist dann darzulegen, daß trotz neuerer dogmatischer Abgrenzungsversuche Beruf und Arbeit zusammen den Schutzbereich des Art. 12 GG bilden. Der Schritt in das Arbeitsrecht hinein, im dritten Abschnitt, wird ganz bewußt von der Frage geleitet, welchen Freiheitsgewinn die Unselbständigen von Art. 12 GG zu erwarten haben. Das ist die Voraussetzung für eine Abgrenzung der Grundrechtswirkung von der Sozialstaatsgarantie. Denn aus der grundsätzlichen Abgrenzung, nicht aus einer Harmonisierungsformel leben Freiheitsrecht und Sozialstaatsgebot im Rechtsstaat.

Π. Die Ursache - Schwächung der Berufsfreiheit in ihrem „klassischen" Bereich Die Bestandsaufnahme im Bereich der „klassischen" Berufsfreiheit, um damit zu beginnen, führt nicht - wie vielleicht erwartet - zu einem Ergebnis gesicherter Freiheit, sondern eher zu einer Liste ihrer Gefährdungen. Die geringere Bedeutung der Berufsfreiheit in Deutschland gegenüber der Schweiz kann heute nämlich nicht mehr nur aus einer traditionellen Überbetonung des Eigentums erklärt werden, auch nicht aus den besonderen Bedingungen, unter denen sich die Grundrechte in Deutschland

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B.-O. Bryde, NJW 1984, 2177 ff; H.-J. Papier, DVB1 1984, 801 ff.; J. Pietzcker, NVwZ 1984, 550 ff. sowie R. Wendt, DÖV1984,601 ff.

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durchsetzen mußten 9 . Die Geringschätzung der Berufsfreiheit in Deutschland geht heute eher darauf zurück, daß dieses Grundrecht weitgehend injustitiabel geworden ist. Soweit Verfassungsbeschwerden überhaupt erfolgreich die Verletzung der Berufsfreiheit rügten, geschah das mit Argumenten, die eigentlich unter dem Stichwort des Rechtsstaatsgebots hätten vorgetragen werden müssen. Daß wir in der Theorie, in den einleitenden - grundsätzlich genannten - Kapiteln mancher Lehrbücher des Wirtschaftsverwaltungsrechts der Berufsfreiheit zentrale Bedeutung zumessen, ändert daran nichts10. Zur Rechtfertigung der großen Worte fehlen weithin die entsprechenden Taten. Diese Unterbewertung der Berufsfreiheit zeigt sich vor allem in folgendem: 1. Öffnung des strengen Gesetzesvorbehalts

Die Berufsfreiheit steht erstens nicht mehr unter dem „strengen Gesetzesvorbehalt" des Parlamentsgesetzes. Das Bundesverfassungsgericht hatte es zunächst offen gelassen, ob „Gesetz" in der ursprünglichen Fassung des Art. 12 Abs. 1 Satz 2 im formellen Sinn zu verstehen sei11. Bei der Einführung der Notstandsverfassung in das Grundgesetz wurde die Regelung der Berufsausübung auch „auf Grund eines Gesetzes" zugelassen. Der Rechtsausschuß des Deutschen Bundestages, der diese Erweiterung anregte, wollte sie als eine bloße Klarstellung verstanden wissen12. Doch sie scheint eher die Konsequenz eines wachsenden berufsordnenden Drucks zu sein. Schon der Erlaß der Handwerksordnung, vor allem aber ihre Billigung durch das Bundesverfassungsgericht hatte eine Flut von Berufsordnungswünschen ausgelöst. Nach der Novelle zu Art. 12 GG gab es kein Halten mehr: Ausübungsregelungen bis hin zu Zugangsvoraussetzungen wurden zunehmend durch Verordnungen, Tarifverträge und Richterrecht getroffen. In erheblichem 9

Grundlegend dazu nach wie vor W. Leisner, Grundrechte und Privatrecht, München 1960,3-112. 10 Vor allem unsere Lehrbücher des Wirtschaftsverwaltungsrechts sind keineswegs „aus einem Grundrecht der Berufsfreiheit heraus" geschrieben worden. Nach einleitenden, oft als „grundsätzlich" bezeichneten Passagen wird der Blick sehr rasch auf die vielfältigen Formen staatlicher Berufsordnung gelenkt; das Interesse gilt vor allem deren Systematisierung. Immer wieder kommt dabei die Berufsfreiheit in Sicht - aber eher als ferne Grenze staatlicher Ordnungsgewalt, nicht so sehr als eine das Wirtschaftsleben tragende private Macht. 11 Vgl. BVerfGE 9, 63/70. 12 Die „aufgrund-FormeP war im Regierungsentwurf (BtDs V/1879) noch nicht enthalten. Sie wurde mit dem schriftlichen Bericht des Rechtsausschusses eingefügt (BtDs V/2878, 4).

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Umfang werden Berufspflichten heute ferner durch berufsständische Ordnungen festgelegt, vom Verbot unangemessener und marktschreierischer Werbung in Apotheken13 bis hin zur Zulassungssperre für bestimmte Facharztrichtungen14, so daß man schon von der Gefahr neuer Zunftmächte15, ja eines faschistischen Korporationsrechts sprechen kann. Dies alles hat zu einer Aushöhlung der Berufsfreiheit geführt, der nur dadurch begegnet werden kann und muß, daß sich der Gesetzgeber mehr als bisher an das Gebot hält, die wesentlichen Regelungen selbst zu treffen16, daß er also im Berufsrecht eine wirkliche Grundsatzgesetzgebung anstrebt. Diese Hoffnung ist freilich so lange kaum begründet, wie das Bundesverfassungsgericht jeden, gerade auch jeden wirtschaftslenkenden Eingriff in die Berufsausübung zuläßt17, eine objektiv berufsordnende Tendenz also nicht verlangt18. Wie soll er dann aber beurteilen, ob eine Regelung „wesentlich" und daher dem Gesetzgeber vorbehalten, ob sie „grundsätzlich" ist? 2. Inflation der Berufsbilder

Durch die Öffnung des Gesetzesvorbehalts ist - zweitens - das Berufserfindungsrecht eines jeden Deutschen weitgehend wertlos geworden. 13

BVerfGE 53,135/143; W. Leisner, Berufsordnungsrecht und Werbeverbote, München 1984. 14 Vor wenigen Wochen wurde allerdings die bisherige Sperre der Zulassung für eine Reihe von Fachrichtungen vom Landesausschuß der Arzte und Krankenkassen in Bayern aufgehoben. 15 W Leisner, Die demokratische Anarchie, Berlin 1982,265 ff.; ders., Der Führer, Berlin 1983, 336. 16 In diese Richtung BVerwGE 51,236 (GüKaG); OVG Münster, GewA 1980, 141/142; BVerwG, GewA 1982,242 (Zur Notwendigkeit der Neuregelung des § 13 Abs. 3 PBefG); den entgegengesetzten Weg schlägt C.-E. Eberle ein (Gesetzesvorbehalt und Parlamentsvorbehalt, DÖV 1984, 485/492), wonach der Parlamentsvorbehalt dort nicht gelte, wo Sachverhalte grundrechtlich „vorgeprägt" sind. Dies scheint mir dem Grundrechtsschutz evident zuwiderzulaufen; richtig demgegenüber R. Wahl, Der Vorrang der Verfassung und die Selbständigkeit des Gesetzesrechts, NVwZ 1984, 401/407. Die Kritik Kloepfers an der Wesentlichkeitstheorie des BVerfG, die den Gesetzesvorbehalt zum Parlamentsvorbehalt verenge und daher das Parlament „gewissermaßen vor sich selbst" schütze (Der Vorbehalt des Gesetzes im Wandel, JZ1984, 686/690) ist inkonsequent: Sie berücksichtigt nicht den Wandel in der Rechtsetzung, der zuvor (S. 688) zu Recht konstatiert wird. 17 BVerfGE 39,210/225 f.; 46,246/256 f.; 51,193/208; enger zurecht E. R. Huber, WirtschaftsverwR Bd. 2, Tübingen 1954,219 f. 18 Nachw. bei P. J. Tettinger(F~N 20), 115 f.; H.-J. Papier, Die Beeinträchtigung der Eigentums- und Berufsfreiheit durch Steuern v. Eink. u. Vermögen, Der Staat 11 (1972), 483/493 f.

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Er wird heute kaum noch eine Tätigkeit finden, die nicht schon irgendeinem der vielfaltigen „Berufsbilder" zugeordnet ist. Die Berufsfreiheit zeigt sich heute überwiegend nicht mehr darin, daß man jede Tätigkeit, für die man sich geeignet fühlt, zu seinem Beruf machen kann. Sie reduziert sich vielmehr auf die Kontrolle, ob der Gesetzgeber nicht sachfremde oder überflüssige Zugangs- und Ausübungsschranken errichtet. Die Berufsordnungsgewalten beschränken sich längst nicht mehr darauf, - wie bei Erlaß des Grundgesetzes - die Berufsbilder überkommener Berufe, wie dem des Rechtsanwalts, des Apothekers, des Arztes, der Hebamme und anderer mehr unserer Rechtsordnung und unserem Wirtschaftsleben anzupassen, wie wir das heute etwa bei der Ablösung der „Bürogehilfin" von 1940 durch die „Büroassistentin" unserer Tage erleben. In großer Zahl werden vielmehr täglich neue Berufsbilder geschaffen und dies, wie wir gesehen haben, nicht nur vom Gesetzgeber, sondern vor allem vom Verordnunggeber und in Tarifverträgen. Sogar Verwaltungserlassen wird ein bestimmender Einfluß hierauf zugestanden19. Nur wenige dieser „Berufe in fieri" haben eine Publizität wie der des anerkannten „Restaurators". Von all den Tätigkeiten, die hier zu Berufsbildern verfestigt werden, bleibt ausgeschlossen, wer die dort vorgesehenen Zugangsvoraussetzungen nicht aufweist20. Von seinem Berufserfindungsrecht kann der Deutsche also kaum mehr leben. Wirksam geschützt werden kann die Berufsfreiheit allenfalls durch die Kontrolle der Zugangsvoraussetzungen auf ihre Sachgerechtigkeit hin. 3. Ungelöste Abgrenzung von Art. 2Abs.l

GG

Eine Schwächung des Freiheitsschutzes muß es ferner - drittens bedeuten, wenn die Ablösung des Schutzbereichs der Berufsfreiheit von Art. 2 Abs. 1 bisher noch immer nicht voll gelungen ist. Bis heute besteht nämlich keine Einigkeit darüber, wie beide Grundrechte voneinander

19

Vgl. VG Minden, GewA 1984,87/88: Wenn die Frage zu beantworten ist, ob eine Tätigkeit fachlich zu einem handwerksfähigen Gewerbe gehört, kann ein „nur durch einen ministeriellen Erlaß anerkanntes Berufsbild" zur Auslegung herangezogen werden. Die Ausweitung des Kreises der „Berufsbildner" gibt der Gefahr, die Κ. H. Friauf hier vom Parlament - zu Recht - fürchtet (Die Freiheit des Berufs, JA 1984,538), eine ganz andere Dimension. 20 Daran setzt die Kritik an: Vgl. die ausführliche Darstellung bei FröhlerMörtel, Die Berufsbildfixierung im Handwerksrecht und die Frage ihrer verfassungsrechtlichen Problematik, Teil I, München 1978,197 ff.; vgl. ferner P. J. Tettinger, Das GrdR d. Berufsfreiheit in der Rspr. des BVerfG, AöR 108 (1983), 92/100 ff.

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abzugrenzen sind. Am Beruf des Unternehmers läßt sich das vielleicht am besten zeigen203. Unternehmerische Berufsausübung bedeutet „privatautonome Gründungs-, Planungs- und Leitungsmacht des Unternehmers"21. Sie schließt daher die unternehmerische Vertragsfreiheit sowohl bei der Anstellung von Arbeitskräften als auch bei der Preisgestaltung ein. Das wird noch immer bestritten22. Wir sollten aber endlich Schluß machen mit der isolierten Betrachtung einer vom Vertragsinhalt gelösten Vertragsfreiheit23. Zum Recht des Unternehmers auf Berufsausübung gehört auch die Freiheit, die Arbeitsplatzstruktur nach sachlichen Gegebenheiten auszurichten sowie über die Arbeitsplätze zu verfugen. Der Unternehmer ist nicht „Treuhänder der Allgemeinheit"24 bei der Verwaltung des hohen Guts der Arbeitsplätze. Seine Berufsausübung muß vielmehr in vollem Umfang dem Schutzbereich des Art. 12 GG unterstellt werden. Daher fallt auch sein Kündigungsrecht wie seine Produktionsund seine Wettbewerbsfreiheit unter den Schutz des Art. 12 GG und nicht unter den des Art. 2 Abs. 1. Das alles bedarf noch der Vertiefung. Vieles ist hier noch strittig. Die Vorträge auf der Heidelberger Tagung unserer Vereinigung im Jahre 1976 haben hierzu keine Klärung gebracht. Zu einseitig haben sie auf die Pflichten des Unternehmers abgestellt25. Daß die Meinungsverschiedenheiten bei der Bestimmung der verfassungsrechtlichen Schutznorm für die unternehmerische Berufsausübung so wenig Aufsehen erregen, läßt bereits vermuten, daß sich in der Praxis die Grundrechtsschranken des Art. 12 Abs. 1 sehr stark denjenigen des Art. 2 Abs. 1 angenähert haben. 4. Inhaltsleere

der

Stufentheorie

Die zentrale Schwäche der Berufsfreiheit zeigt sich in der Tat - und das ist der 4. Punkt - in der ungenügenden Eingrenzung staatlicher Regelun20a

Andere Disziplinen nähern sich diesem Gegenstand unbefangener und bieten daher dem Juristen eine Fülle interessanter Erkenntnisse: vgl. die Beiträge in W. Wittmann (Hrsg.), Unternehmer - Träger der Zukunft, Stuttgart 1981. 21 H.-J. Papier, W D S t R L 35, 57, 87. 22 Vgl. die ausführliche Kommentierung von R. Scholz, in: M-D-H-S, RN 50, 124 f. zu Art. 12 GG; vgl. ferner P. Krause, Die Rspr. des BVerfG zum Privatrecht, Teil 2, JZ 1984, 711/716 ff; für die Schweiz vgl. L. Schürmann, Wirtschaftsverwaltungsrecht, Bern 1978, 25. 23 So zu Recht R. Scholz (FN 7,275). 24 F. Gamillscheg, Die Grundrechte im Arbeitsrecht, AcP 164 (1964), 385/417. im nationalsozialistischen Recht (Gesetz zur Ordnung der nationalen Arbeit v. 20.01.1934, RGBl 1934,1,45, § 18 fT.) hatte der „Treuhänder der Arbeit" eine ganz andere Aufgabe: Er hatte als Reichsbeamter für die Erhaltung des Arbeitsfriedens zu sorgen. 25 Diese Ungleichgewichtigkeit kommt ganz besonders deutlich im Vortrag von P. Saladin zum Ausdruck ( W D S t R L 35,18 ff.).

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gen. Die Stufentheorie 26 konnte von Anfang an in beide Richtungen gehandhabt werden: für mehr Freiheit - aber auch für mehr Eingriff. Das hat zur Folge, daß der reale Freiheitsgehalt dieser Grundrechtsgarantie von der Liberalität des Staates und insbesondere seiner Richter abhängt. Von der Sicherheit des Freiheitsschutzes bleibt da wenig. Ganz anders ist das Idealbild vom freiheitsbewußten Bürger, der getrost die Gerichte anruft, sicher, in der Verteidigung seiner Rechte Unterstützung zu finden. Daß dieses Bild mit der Wirklichkeit nicht mehr übereinstimmt, hat die Bedeutung des Grundrechts der Berufsfreiheit entscheidend geschwächt. Die Stufentheorie hatte ursprünglich eine Aufgabe zu lösen, die für die frühen fünfziger Jahre von entscheidender Bedeutung war: die Frage nämlich, ob sich die allenthalben bestehenden Zulassungsbeschränkungen mit Art. 12 GG vereinbaren ließen. Zugangsregelungen konnten weder der Berufswahl, der sie nachfolgen, noch der Berufsausübung, der sie vorangehen, zugerechnet werden. Es bestand aber Einigkeit darüber, daß bei bestimmten Berufen Zugangsvoraussetzungen unerläßlich sind27. Schon bei der Einführung der Gewerbefreiheit in Preußen waren vierunddreißig Berufe ausdrücklich aufgeführt, bei denen Zugangsvoraussetzungen aufrecht erhalten werden sollten28. Mit Hilfe der Stufentheorie wurde also der Regelungsvorbehalt des Art. 12 Abs. 1 Satz 2 über die Berufsausübung hinaus erstreckt. Dem Bundesverfassungsgericht ging es aber trotzdem damals primär um Freiheitsschutz, nicht um Berufsordnung. Daß die konkret geprüfte Apothekenkonzession aufgehoben wurde, beflügelte die Liberalität, was in der Folge die bekannten Früchte29 trug: — Gewerberechtliche Genehmigungsentscheidungen wurden grundsätzlich als Rechtsentscheidungen verstanden, mit denen Ermessensbefugnisse der Behörden unvereinbar erschienen; — Bedürfnisklauseln erschienen grundsätzlich mit der Berufsfreiheit nur schwer vereinbar; — Berufsstandsschutz, Wettbewerbsschutz für beati possidentes sollten keine Rolle mehr spielen. 26

Vgl. die eingehende Darstellung von W. Leisner, Die verfassungsrechtliche Berufsfreiheit - BVerfGE 7, 377 (Apothekenurteil), JuS 1962, 463 ff. 27 Vgl. die ausdrückliche Kompetenz in Art. 74 Nr. 19 (Zulassung zu ärztlichen und anderen Heilberufen und zum Heilgewerbe). 28 Edikt v. 2. 11. 1818; vgl. dazu K. v. Rohrscheidt, Gewerbeordnung fur das Deutsche Reich, 2. Aufl., 1. Bd., Berlin 1912, XVII. 29 So schon O.Bachof, Freiheit des Berufs, in: Die Grundrechte, Handbuch der Theorie und Praxis der Grundrechte, hrsg. v. Neumann-Bettermann-NipperdeyScheuner, Bd. III, Halbband I, S. 60, 2. unveränderte Aufl., Berlin 1972; a. A. G. Uber, Freiheit des Berufs, Hamburg 1952, 84.

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Doch so klar blieb das Bild nicht; es gab Rückfälle und vor allem Unsicherheiten und dies schon auf der obersten Stufe bei den Zulassungsschranken: Aus der Natur der Sache heraus halten wir es ζ. B. für unproblematisch, daß das Atomgesetz die Anlagengenehmigung als Ermessensentscheidung ausgestaltet hat30. Argumente des Berufsstandsschutzes hat die Rechtsprechung immer wieder zugelassen31. Wenn der Ruin eines ganzen Gewerbezweiges droht, dann werden auch objektive Zulassungssperren für gerechtfertigt gehalten. Wann das der Fall ist, das wird in der Praxis in Übereinstimmung mit den Kriterien des Bundesverwaltungsgerichts danach beurteilt, „ob im Laufe der letzten Jahre einzelne Unternehmer in Konkurs gegangen sind", ob „aus allgemeinen betrieblichen Gründen Vollstrekkungsmaßnahmen ausgesetzt" wurden oder Gewerbetreibende „sogar wegen UnWirtschaftlichkeit ihren Betrieb aufgegeben haben"32. Wäre diese Faustregel richtig, so würde heute der Wiedereinführung einer objektiven Zulassungssperre im Apothekenwesen die Verfassung nicht im Wege stehen. Zu Recht ist auch eingewandt worden32, daß bisher praktisch nie die Probe aufs Exempel gemacht wurde, ob denn tatsächlich der Ausfall eines oder mehrerer Wettbewerber den Ruin des ganzen Gewerbezweiges bedeute - oder ob nicht doch der Markt für Anpassung sorgte! Die Gerichte müssen hier ganz entschieden der Freiheit mehr Spielraum geben; sie müssen den Gesetzgeber auf die Bekämpfung von Mißbräuchen in überbesetzten Berufen beschränken, statt ihm die Errichtung objektiver Zulassungssperren zu erlauben33. Diese können ihre Berechtigung nur dort haben, wo der Gewerbetreibende für seine Tätigkeit einer staatlichen Vorhaltung bedarf, wie dies etwa bei Messen, Märkten und ähnlichen Veranstaltungen der Fall ist. Für die Bewertung der einen Eingriff tragenden öffentlichen Interessen als „besonders wichtig" oder „überragend", für die Einschätzung der Beschränkung als „zwingend erforderlich" oder „unabweislich" fehlen bisher alle inhaltlichen Maßstäbe34. Gerade diese Inhaltsarmut machte die Stufenlehre „praktikabel", zugleich aber für das Freiheitsrecht 30

H. D. Jarass, Die Genehmigungspflicht für wirtschaftliche Tätigkeiten - Ein systematischer Überblick, GewA 1980,177/178 f, der daraus dann zu Unrecht die dogmatische Folgerung ableitet, freie und gebundene Genehmigung fielen also nicht völlig zusammen mit prävent. und repressivem Verbot. 31 BVerfGE 9,73/80 (Wirtschaftliche Leistungsfähigkeit der Apotheken); Ε11, 30/45 f. (Kassenarzt); Ε 8, 71/80 und 21,150 (Deutscher Winzerstand); Ε 23,50; Ε 39,210 (Kleinbetriebe); Ε 38,61; Ε 40,196 (Schutz der Bundesbahn); Ε 65,237 (Werbeverbot bei Verwechslungsgefahr zwischen Taxi und Mietwagen). 32 BVerwGE 23, 314/318; vgl. dazu auch H.-J. Friehe (FN 2), 218. 33 Zutreffend H.-J. Friehe, aaO., 219. 34 Η. H. Rupp, Das Grundrecht der Berufsfreiheit, NJW1965,993 ff.; B. Schlink, Abwägung im Verfassungsrecht, Berlin 1976.

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so gefährlich. Das Bundesverfassungsgericht darf sich gerade nicht auf die Position zurückziehen, die Stufentheorie sei praktisch nichts anderes als die Anwendung des allgemeinen Verhältnismäßigkeitsprinzips, wie es das zunehmend zu tun scheint35. Dessen Unbestimmtheit ist nämlich nur hinzunehmen, solange es letzte Schranke des Eingriffs bleibt, die nach den speziellen Grundrechtsschranken noch geprüft wird. Das Bundesverfassungsgericht muß zudem den Gesetzgeber zwingen, das Eingriffsinteresse zu benennen und auch zu bewerten. Hierfür genügen globale Großformeln wie „die Volksgesundheit", die „öffentlichen Verkehrsinteressen" die „Erfordernisse der Rechtspflege" nicht36. Solange diese erforderliche Konkretisierung im Gesetz nicht erfolgt, muß die berufsordnende Regelung aufgehoben werden. Daraus wird eine Werthierarchie der verschiedenen öffentlichen Interessen37 noch nicht über Nacht entstehen; die konkrete Bewertung des öffentlichen Interesses durch den Gesetzgeber wird aber erst dadurch nachprüfbar für das Bundesverfassungsgericht sowie einer öffentlichen Diskussion zugänglich. Und bei allen Vorbehalten gegen Rangordnungen von Werten 373 - mehr Sicherheit gewinnt man auch nicht dadurch, daß alles offen, alles in der Schwebe bleibt. Die Grundrechte dürfen im Rechtsstaat nicht nur Chancen geben, sie müssen vor allem Sicherheit verbürgen. Wenn das Gericht den Gesetzgeber zu einer offenen Gewichtung nicht zwingen kann, dann bleibt nur der Weg, den es gelegentlich auch eingeschlagen hat38, nämlich anhand der „Schwere" der Einschränkung in kontinuierlicher Kasuistik selbst eine Gewichtung der öffentlichen Interessen zu schaffen. Das ist freilich ein langer Weg, wie ein Blick auf Art. 14 GG zeigt, wo die „Enteignungsschwelle" erst mit Hilfe von „Sub-

35

R. Wahl(¥N 16) 406, kritisiert dies zu Recht an der Rechtsprechung zu Art. 14, indem er darauf verweist, daß das Spezifikum dieser Vorschrift bei einer undifferenzierten Anwendung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes verloren geht. 36 Zu gering sind daher die Anforderungen, die H. D. Jarass hier stellt (Wirtschaftsverwaltungsrecht, Frankfurt 1980, v. a. 51 ff.); was das BVerfG (in Ε13,97/ 107) sagt, ist in dieser Form zu weit: Der Gesetzgeber könne Gemeinschaftsinteressen, die sich „erst aus seinen besonderen wirtschafts-, sozial- und gesellschaftspolitischen Vorstellungen und Zielen ergeben... in den Rang wichtiger Gemeinschaftsgüter" erheben und diese Entscheidung sei für die Gerichte bindend, außer sie ist „offensichtlich fehlsam oder mit der Wertordnung des Grundgesetzes unvereinbar". 37 Zur Kritik an der Wertlehre vgl. K. Kröger, Grundrechtstheorie als Verfassungsproblem, Baden-Baden 1978,220 ff.; K. Stern, Verfassungsrechtliche wider ideologische „Deutung der Grundrechte" in: Wirtschaftswiss. Entwicklungslinien und gesellschaftl. Wandel, hrsg. v. Institut d. Deutschen Wirtsch., Köln 1983, 61 ff. 37a Vgl. dazu P. Häberle (FN 47, 3. Aufl.), 331. 38 BVerfGE 11, 42 f.

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formein" bestimmt werden konnte, die aus einer langen Rechtsprechungstradition herausgearbeitet wurden39. Die Notwendigkeit, den Regelungsvorbehalt über die Stufe der reinen Berufsausübung hinaus auszuweiten, hatte überdies die verhängnisvolle „Fernwirkung" diese erste Stufe zur „bloßen" Berufsausübung herabsinken zu lassen, die „ohne weiteres" eingeschränkt werden kann40. „Jedes vernünftige Interesse des Gemeinwohls", das die Einschränkung „zweckmäßig" erscheinen läßt, soll eine Ausübungsregelung tragen. Wenn das richtig ist, dann kann man sagen, daß in Deutschland zwar die Berufswahl, nicht aber die Berufsausübung von der Verfassung geschützt wird. Das ist aber unvereinbar mit der richtigen Auffassung, daß die Berufsfreiheit letztlich nicht in einen Ausübungs- und in einen Wahlaspekt aufgespalten werden kann, daß ihr vielmehr einheitlich Schutz geboten werden muß. Diese Einheit der Berufsfreiheit darf nicht nur zur Ausdehnung der Schranken nach oben benutzt werden. Der Schutz der Berufswahl muß vielmehr auch auf die Ausübung zurückstrahlen und verhindern, daß sie jedem beliebigen Eingriff offen steht. Dies kann aber nur durch eine Spezialisierung des Eingriffsinteresses und/oder die konsequente Voraussetzung der Erforderlichkeit des Eingriffs geschehen. Daßjedes Interesse des Gemeinwohls eine Ausübungsregelung rechtfertigen soll, das hat bisher zur Folge, daß diese Gemeinwohlinteressen beliebig austauschbar sind. Zwei Beispiele: Das Nachtbackverbot, im Jahre 1915 eingeführt aus Gründen der Mehlknappheit, wurde bei der Neufassung des Bäckerarbeitszeitgesetzes 1969 als soziale und arbeitsmedizinisch notwendige Schutzmaßnahme zugunsten der Arbeitnehmer bezeichnet; neuerdings wird aber gerade im Nachtbackverbot eine unzulässige Benachteiligung der im Bäckereigewerbe Tätigen gesehen, die zum Teil schon um 2 Uhr früh aufstehen müßten, um rechtzeitig am Arbeitsplatz zu sein; ein geregelter Schichtbetrieb sei demgegenüber vorteilhafter41. Die Kontingentierung bei Mühlenbetrieben begann 1933 39

W. Leisner, Sozialbindung des Eigentums, Berlin 1972,185 ff. Vgl. ζ. Β. H. D .Jarass (FN 36); Μ. Widm er (FN 4), 86; R.Scholz(M-O-H-S, RN 319 zu Art. 12) hält das zu Recht für einen Pleonasmus, der dem Gesetzgeber einen breiten Entscheidungsspielraum eröffnet. Historisch mag die Öffnung der Berufsausübung für staatliche Eingriffe daher kommen, daß § 1 GewO 1869 nur die Zulassung zum Gewerbebetrieb betraf; polizeiliche Vorschriften der Länder zur Regelung der Gewerbeausübung blieben zulässig (vgl. dazu Eyermann-Fröhler, Gewerbeordnung, Kommentar 1978, RN 21 zu § 1). Die Bewertung der Rspr. des BVerfG durch Friauf(FN 19,543) ist zu optimistisch abgesehen davon, daß auch ihr nur die Anwendung des ohnehin gebotenen Verhältnismäßigkeitsprinzips zugrunde liegt. 41 Vgl. R. Stober, Wirtschaftsverwaltungsrecht, 2. Aufl., Stuttgart 1980, S. 76 f.; zum LSchlG vgl. E. Schwerdtner, GewA 1982, 313 ff. (Wettbewerbssicherung/ Arbeitnehmerschutz/Selbstbestimmungsrecht des Einzelhandels wie der Konsumenten). 40

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und diente zunächst einer Warenlenkung unter volkswirtschaftlichen Gesichtspunkten; nach dem Krieg wurde sie mit der Sicherstellung der Ernährung begründet; das Mühlengesetz von 1957 rechtfertigte sich mit zeitlichen Beschränkungen des Eingriffs zur Behebung einer augenblicklichen Krisensituation42/43; das Mühlenstrukturgesetz von 1971 begründete den Eingriff mit dem Auslaufen der Restriktionen des Mühlengesetzes44; die zunächst „begrenzte Intervention" habe nicht ausgereicht, „um die erstrebte Ordnung herzustellen". Um diese Ordnungvorstellung und nicht um die Behebung einer Krise ging es von Anfang an. Die Einschränkung des Eingriffsinteresses ist bisher - soweit ersichtlich - nicht gelungen. Bei den Herrenchiemseer Beratungen wurde noch versucht, die Beschränkung aus dem Wesen des jeweiligen Berufes heraus zu begründen, die Grenzen also „von innen" zu bestimmen45. Bei tradierten Berufen ist das natürlich leichter als bei neuen Berufsbildern, bei denen die innere Notwendigkeit der Beschränkung von einer von außen herangetragenen Einschränkung praktisch nicht zu unterscheiden ist. Das Bundesverfassungsgericht hat den Anschein einer Grenzbestimmung „von innen" noch immer nicht aufgegeben, nur gelegentlich spricht es offen von einer Einschränkung46. Das wäre aber ehrlicher und würde zum anderen der berufsrechtlichen Realität besser entsprechen. Daran ändern alle Einwände gegen das sog. „Schrankendenken"47 nichts. Gescheitert sind bisher aber auch die Versuche, Eingriffe in die Berufsfreiheit nur zuzulassen, soweit das zur Abwehr von Gefahren erforderlich ist. Die Begriffe der öffentlichen Sicherheit und Ordnung48 haben inzwischen eine Erweiterung erfahren, die den Polizeivorbehalt einem allgemeinen Gemeinwohlvorbehalt sehr stark angenähert hat. Wenn aber das Eingriffsinteresse nicht wirksam eingeschränkt werden kann, dann muß auf der Ausübungsstufe wenigstens die Erforderlichkeit des Eingriffs zur Wahrung des angegebenen öffentlichen Zwecks konsequenter verlangt werden. Diese Erforderlichkeit darf nicht einem weiten, 42/43

BVerfGE 25,1/23. BVerfGE 39,210/234. 45 Vgl. JöR Bd. 1, S. 134. 46 Vgl. die Nachw. bei H.-U. Erichsen, Das Grundrecht der Berufsfreiheit, Jura 1980, 553 FN 30; zuletzt i. S. der (immanenten) Begrenzung, nicht einer Einschränkung: BVerfG U. v. 4.5.83, NJW1983, 2869. 47 Zu seiner Unverzichtbarkeit vgl. mit zahlr. Nachw. P. Häberle, Die Wesensgehaltgarantie des Art. 19 Abs. 2 GG, Vorwort zur 2. Aufl., in der 3. Aufl. (Heidelberg 1983) auf S. VII f. abgedruckt. Die Besonderheiten der Grundrechtsgeltung im Leistungsstaat, denen P. Häberle sich auf der Regensburger Tagung der VDStRL (1971, v. a. Thesen 3 u. 18) widmete (abgedruckt aaO., 3. Aufl., S. 454 ff.), bleiben davon unberührt. 48 Vgl. Κ. A. Bettermann, Grenzen der Grundrechte, Berlin-New York 1976,16, 19 f. W Martens, Wandlungen im Recht der Gefahrenabwehr, DÖV1982, 89 ff. 44

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ja politischen Beurteilungsermessen des Eingreifenden überlassen werden, sondern sie muß vom Gericht selbst nachgeprüft werden 483 . Ein selbstbewußter judizierender EuGH kann hier Vorbild sein. Das Resume des ersten Abschnitts dämpft also eher hochgesteckte Erwartungen. Es ist nicht so, daß es nur ein wenig guten Willens bedürfte, um die gesicherten Freiheiten der klassischen Berufsfreiheit auch den Unselbständigen zuteil werden zu lassen. Sind ihre Sicherungsbedürfnisse nicht ganz andere als die der Gewerbetreibenden, so daß der klassischen Freiheit eben doch ein anderes, ein neues Grundrecht an die Seite gestellt werden muß? Kommen aus der Welt der unselbständigen Arbeit mit ihrer besonderen sozialen Schutzbedürftigkeit nicht neue Gefahren auf die liberale Freiheit der Selbständigen zu? Oder - ist die Aufmerksamkeit, die in der jüngsten Zeit die unselbständige Arbeit findet, nicht Ausdruck einer grundrechtlichen Hoffnung, daß dort mit dem erstarkten Selbstbewußtsein der Unselbständigen und mit dem Gewicht ihrer großen Zahl erstritten wird, wovor Gewerbetreibende und Freiberufler heute eher zu resignieren drohen? Beides ist richtig - Gefahr und Hoffnung. So liegt es vielleicht nahe, daß man versucht, Beruf und Arbeit im Wege der Interpretation doch voneinander zu trennen, um die Probleme nicht auf die Spitze zu treiben.

III. Arbeit und Beruf - einheitlicher Schutz durch die Verfassung Im folgenden Abschnitt muß daher belegt werden, daß Art. 12 GG nach wie vor ein einheitliches Berufsrecht schützt. 1. Die Tradition

Zu diesem Zweck ist zunächst daraufhinzuweisen, daß beide Begriffe - Arbeit und Beruf - zwar eine lange Geschichte 49 haben, aber keine Tradition als Begriffe des Verfassungsrechts. Noch im 19. Jahrhundert wurde in Deutschland nämlich nicht in erster Linie um die Berufsfreiheit und um die Entfaltungsfreiheit der Arbeiter gestritten, sondern um die

48a

Das betont zu Recht auch Κ. H. Friauf(FN 19,544). W Conze, Stichworte: Arbeit, Beruf, in: Geschichtliche Grundbegriffe, Historisches Lexikon zur politischen Sprache in Deutschland, hrsg. von O. Brunner/W. Conze/R. Koselleck, Bd. 1, Stuttgart 1972,154 ff., 490 ff.; K. Dunkmann, Die Lehre vom Beruf - Eine Einführung in die Geschichte und Soziologie des Berufs, Berlin 1922; Th. Scharmann, Arbeit und Beruf - Eine soziologische und psychologische Untersuchung über die heutige Berufssituation, Tübingen 1956; R. König, Beruf und Arbeitsleben, in: ders., Soziologische Orientierungen, Vorträge und Aufsätze, Köln-Berlin 1965,177 ff. 49

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Gewerbefreiheit gegen eine zünftische Organisation der Wirtschaft, die praktisch alle Gewerbezweige erfaßt hatte. Was aber „Gewerbe" sei, was als solches frei betrieben werden sollte, das hat der Gesetzgeber ganz bewußt nicht definiert, „weil die Vielgestaltigkeit der gewerblichen Entwicklung eine scharfe Begriffsbestimmung nicht zuläßt"50. Dem „offenen" Berufsbegriff des Grundgesetzes ging also ein „offener Gewerbebegriff' voraus. Doch bei aller Unschärfe am Rande, im Kern galt bisher als gesichert, daß Gewerbe eine „mit Gewinnerzielungsabsicht unternommene selbständige Arbeitstätigkeit unter Beteiligung am wirtschaftlichen Verkehr" darstellte51. Das 19. Jahrhundert stand vor allem im Zeichen der Selbständigen in Handwerk, Gewerbe und freiem Beruf. Von den Arbeitern im späteren, sozialversicherungsrechtlichen Sinne, von den „abhängig Erwerbstätigen" ist kaum die Rede. Sie waren vielmehr noch eingebunden in eine handwerkliche Ordnung oder in die Landwirtschaft. Eine Industriearbeiterschaft bildete sich in Deutschland erst in der zweiten Hälfte des Jahrhunderts. Das dogmatische Interesse des entstehenden Arbeitsrechts aber war ausschließlich auf die Absonderung vom Zivilrecht gerichtet52, aus dessen Dienstvertragsregeln es sich entwickelte. Die Frage nach dem Verhältnis des Arbeitsrechts zum Verfassungsrecht stellte sich damals nicht. Damit kann aber natürlich nicht bewiesen werden, Art. 12 GG habe die Berufsfreiheit nur den Selbständigen oder gar nur den Freiberuflern gewähren, ein Grundrecht also für Zahnärzte, Ärzte und Rechtsanwälte, vielleicht noch für Kassenärzte schaffen wollen. Auch wenn über die Absichten des Parlamentarischen Rates wenig gesagt werden kann53/54, weil eine große berufspolitische Diskussion bei den Vorarbeiten zum Grundgesetz nicht stattfand, so bestand doch von Anfang an Einigkeit darüber, daß der Schutzbereich des Art. 12 GG weiter reichen soll als der alte Gewerbebegriff. Dies spricht eher für als gegen die Einbeziehung der abhängigen Arbeit. 2. Neuere dogmatische Abgrenzungsversuche

Auch neuere dogmatische Versuche, Beruf und Arbeit voneinander zu trennen, von denen zwei v. a. aufgegriffen werden sollen, können diese Vermutung nicht entkräften. 50

R. Stober, NJW1982, 804; RG, U. v. 4.5.1817, SW Nr. 44; auch die Schweiz. Bundesverf. definiert die Handels- und Gewerbefreiheit bewußt nicht, vgl. H. Marti, Handels- u. Gewerbefreiheit, Bern 1950, 30 f. 51 K. v. Rohrscheidt (FN 28), Anm. 3 zu § 1. 52 Vgl. R. Richardi, Arbeitsrecht und Zivilrecht, ZfA 1974,1 ff.; daß dies zunehmend anders wird, dazu vgl. R Häberle, Arbeit als Verfassungsproblem, JZ 1984, 345/349 FN 32. 53/54 So auch B.-O. Biyde (FN 8), 2178.

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a) Beruf und Arbeit können zunächst nicht so voneinander getrennt werden, daß man für den Besitz arbeite, einen Beruf aber um der Praxis willen ausübe55. Es ist schon höchst fraglich, ob eine solche Unterscheidung aus philosophischer Sicht überhaupt möglich und ob sie praktischpolitisch sinnvoll ist. Die grundsätzliche Behandlung hat Herr Kollege Schneider übernommen. In der täglichen, politisch wirksamen Praxis zeigt sich jedenfalls eine so allgemeine verdienst- und eigentumsbewußte Grundhaltung - man mag sie „materialistisch" nennen -, daß eine Kategorie Beruf als ,Arbeit um der Arbeit willen" wirklichkeitsfremd wäre - und überdies eine auch moralische Abwertung der Arbeit brächte, denn auch der Arbeiter ist doch nicht nur um Geld und Lohn tätig. Daß Art. 12 GG in diesem Sinne verstanden werden könnte oder gar müßte, dafür fehlt jeder Anhaltspunkt56. Gegen eine derartige Trennung von Arbeit und Beruf spricht schon die reichsverfassungsrechtliche Tradition, in der Art. 12 GG steht: Die Reichsverfassung von 1849 sowie die Verfassung von 1919 billigen jedem Deutschen das Recht zu, Jeden Nahrungszweig zu betreiben", eine ganz bewußt der Formulierung „Kunst und Gewerbe" vorgezogene Fassung. Eine Trennung von Arbeit und Berufwürde möglicherweise die Erwerbsarbeit563 aus dem Schutzbereich des Art. 12 GG ausklammern und diese Bestimmung zu einer Schutzvorschrift für Hobbygärtner oder gar zu einer verfassungsrechtlichen Fluchtburg für Schwarzarbeit machen. Im Streitfall hätte man nämlich nicht um des Erwerbs, sondern um der beruflichen Praxis willen mehr als zulässig gearbeitet. Vor allem aber würde der Arbeit in einer Zeit, in der so viel von „Sinnkrise" die Rede ist, von vornherein die Chance der Aufwertung genommen. Denn Reste von dem alten Verständnis des Berufs, aus denen durchaus auch rechtliche Konsequenzen noch abgeleitet werden, haben sich bis heute bei den Freiberuflern erhalten mit ihrer Betonung der Selbständigkeit und mit ihrer Eigenverantwortlichkeit56 b. Auch wer das als 55

Vgl. die Kritik P. Häberles (FN 52) an einer entsprechenden These Baruzzis. Auch wenn sich die heute wieder einmal unliebsame Doppelverdienerproblematik damit mit einem Schlag regeln ließe. Hier ist an die Entscheidung des BVerfG vom 17.1.1957 (E 6, 82) zu erinnern: „Zur Gleichberechtigung der Frau gehört aber, daß sie die Möglichkeit hat, mit gleichen rechtlichen Chancen marktwirtschaftliches Einkommen zu erzielen wie jeder männliche Staatsbürger". 56a Die Begründung eines Gesetzesentwurfs der Grünen v. 5.11.1984 zur Neuverteilung „gesellschaftlicher Zeitmengen" (BtDs 10/2188) will den Arbeitsbegriff auf „nicht erwerbswirtschaftliche" und nicht „organisierte", aber gleichwohl „gesellschaftlich notwendige" Tätigkeiten ausweiten und beides, „Erwerbsarbeit" und aus „Nichterwerbsarbeit" gleich verteilen - ein theoretischer Uberbau für einschneidende Arbeitszeitverkürzungen! 56 b Vgl. dazu F. Rittner, Unternehmen und freier Beruf als Rechtsbegriffe, Tübingen 1962, 21. 56

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ein bloßes Relikt ansieht - er sollte der Arbeit jedenfalls nicht die Chance abschneiden, gerade hier Humanisierung zu suchen, indem Selbständigkeit und Eigenverantwortlichkeit soweit nur irgend möglich in das Arbeitsrecht hineingetragen werden. Das ist um so wichtiger, als man vom Öffentlichen Dienst, der bisher das Arbeitsrecht durch ein Vorbild „abhängiger Selbständigkeit" befruchtet hat, solche Impulse nur noch in sehr begrenztem Maße erwarten darf. b) Es ist sodann auch nicht möglich, nur oder vor allem die abhängige „Arbeit als Beruf im Sinne von Art. 12 GG anzusehen, wie dies überpointiert kürzlich vertreten und damit begründet wurde, die Staatszielbestimmung, „Freiheit und Eigentum zu schützen", werde durch die Staatsaufgabe verdrängt, „Arbeit und soziale Sicherheit zu garantieren"57. Mit dem sog. „epochalen Vorgang einer sozialstaatlichen Überlagerung" ist diese Uminterpretation des Art. 12 GG nicht zu begründen. Dies ist wohl nicht der richtige Weg, um die Bedeutung des Art. 12 GG für die Arbeitswelt zu verstärken. Art. 12 GG würde auf diese Weise von all seinen historischen und geistigen Wurzeln abgeschnitten werden. c) Für das Verfassungsrecht ist vielmehr daran festzuhalten, daß Arbeit und Beruf, wie immer man sie voneinander abschichten mag, zusammenzusehen sind, daß beide dem Schutzbereich des Art. 12 GG unterfallen, daß sie Teil eines einheitlichen Berufsrechts sind58 - von einer „Berufsverfassung"59 sollte freilich nicht gesprochen werden. Aus dieser Einheitlichkeit des Berufsrechts folgt, daß gewerbliches Berufsund Arbeitsrecht verfassungsrechtlich in keinem unüberbrückbaren Gegensatz stehen. Arbeitgeber wie Arbeitnehmer - beide realisieren ihre Berufsfreiheit weitgehend in den Formen des Arbeitsrechts60. Daß Arbeitsrecht als soziales Schutzrecht in seiner Typik auf „abhängige Tätigkeiten" ausgerichtet ist, hat gewisse Besonderheiten zur Folge, die sogleich betrachtet werden. Am Grundsatz aber ändern sie nichts: Die Freiheit des Berufs ist nicht teilbar zwischen Selbständigen und Unselbständigen. Beider Freiheit wird von der Verfassung gesichert - sie kann nur einheitlich erhalten und verstärkt werden. IV. Die Hoffnung - gesteigerte Bedeutung des Art. 12 für die unselbständige Arbeit? Die Einbeziehung der unselbständigen Arbeit - ihr gilt der letzte Abschnitt - ist also unausweichlich. Sie ist deswegen so schwierig, ja viel57

P. Badura, Arbeit als Beruf, in: FS für W Herschel, München 1982, 21/23. Vgl. oben FN 29. „Aspekte einer Verfassungslehre der Arbeit" hat P. Häberle neuerdings in umfassendem Verfassungsvergleich vorgelegt in AöR 109 (1984), 630ίΤ. 59 So R. Scholz (FN 7), 266. 60 Vgl. auch R. Wendt (FN 8), 608. 58

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leicht sogar gefahrlich, weil sich dort die für unsere Epoche der Staatlichkeit entscheidende Frage nach der Verbindung von Freiheitsrecht und sozialem Bestandsschutz in besonderer Eindringlichkeit stellt, weit mehr als etwa im Sozialrecht im engeren Sinne. Dabei sind wiederum - wie im Wirtschaftsverwaltungsrecht Anspruch und Wirklichkeit zu unterscheiden: Das Grundrecht der Berufsfreiheit - so formuliert das Bundesverfassungsgericht61 - habe „Bedeutung für alle sozialen Schichten; die Arbeit als,Beruf hat für alle gleichen Wert und gleiche Würde". Gleichzeitig sind wir uns aber nahezu einig, daß Art. 12 GG im Arbeitsrecht bisher eine eher untergeordnete Rolle gespielt hat62. Wie steht es also damit? In drei Schritten soll dies nun konkreter betrachtet werden: 1. Art. 12 und das

Arbeitsverhältnis

Die Geltung des Art. 12 GG im Arbeitsleben wurde bisher überwiegend innerhalb des Arbeitsverhältnisses diskutiert, anhand der Frage, inwieweit vertragliche Vereinbarungen bzw. ein Verhalten des Arbeitgebers gegen dieses Grundrecht verstießen. Diese Wirkung des Art. 12 GG in den Arbeitsvertrag hinein ist heute grundsätzlich so allgemein anerkannt63, daß das Problem, wie diese Wirkung dogmatisch begründet wird, hier vernachlässigt werden kann. Vertiefung bedarf dagegen die Frage, in welchem Umfang Art. 12 GG in das Arbeitsverhältnis hineinwirkt63 a. Die Antwort muß ausgehen von einer Konkretisierung des Schutzbereichs für den unselbständigen Arbeitnehmer. Auch hier ist - wie beim Unternehmer - die Abgrenzung zu Art. 2 Abs. 1 unsicher64. Da Art. 12 GG den Arbeitnehmer wie den

61 62

Ε 7, 377/397 f.; 50, 290/362. Vgl. ζ. B. H.-S.Papier(FN 8), 802; J.Pietzcker(FN

8), 554; K.H. Friauf(FN 19),

539. 63

Vgl. R. Scholz, Bundesarbeitsgericht und Arbeitsverfassung, in: 25 Jahre Bundesarbeitsgericht, hrsg. v. F. Gamillscheg/G. Hueck/H. Wiedemann, München 1979,511/521 ff., L. Raiser, 46. DJT, Β 10 zu FN 63: Das gilt auch für die objektive Dimension der Grundrechte. Vgl. dazu: G. Hoffmann, Die objektiv-rechtliche Einwirkung der Berufsfreiheit auf arbeits-, sozial- und ausbildungsrechtliche Freiheitsprobleme, AöR 107 (1982), 177 ff. 63a Hoffmann-Riem geht zu Unrecht davon aus, Art. 12 spiele hier nur eine untergeordnete Rolle (Die grundrechtliche Freiheit der arbeitsteiligen Berufsausübung, in: FS für Η. P. Ipsen, Tübingen 1977,385/391). 54 Vgl. ζ. B. die Reichweite des Rechts, den Arbeitsplatz nicht ohne zwingenden Grund zu verlieren; dies ist entscheidend für die Frage, ob der Arbeitnehmer sich zur Begründung eines allgemeinen H^/terbeschäftigungsanspruchs während des Kündigungsschutzprozesses (über die Spezialregelung des 102 Abs. 5 BetrVG hin-

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Unternehmer umfassend in seiner beruflichen Entfaltung schützt, ist es zu wenig, ihm die notwendige Mobilität nur nach außen, für den Fall des Arbeitsplatzwechsels, zu erhalten, durch die Begrenzung von Vertragsklauseln über den Verfall von Darlehen, über die Rückzahlung von Ausbildungskosten, Gratifikationen, Umzugskosten, Urlaubsgeld und ähnliches mehr65. Der Arbeitnehmer kann von seinem Recht auf freie Berufsausübung grundsätzlich auch bei der Erfüllung seiner Vertragspflichten Gebrauch machen. Art. 12 GG beschränkt insoweit die Direktionsmacht des Arbeitgebers, der grundsätzlich die Leistung des Arbeitnehmers bestimmt. Soweit der Arbeitsvertrag nämlich dazu konkret nichts sagt, gibt ihm das Bürgerliche Recht in § 315 die Befugnis, die Leistung „nach billigem Ermessen" zu bestimmen. Dabei hat er die Berufsfreiheit des Arbeitnehmers zu berücksichtigen - ein typischer und dennoch - soweit ersichtlich - nirgends erörterter Fall66 der mittelbaren Drittwirkung. Die Konzentration auf die Grundrechtswirkung innerhalb des Arbeitsvertrages verkürzt die Probleme zudem in doppelter Weise: Einmal wird immer wieder die Bedeutung des Art. 12 GG für die Arbeitswelt mit der Begründung heruntergespielt, der unselbständig Erwerbstätige brauche zur Realisierung seiner Berufsfreiheit den Abschluß eines Vertrages, er müsse erst einen abschlußbereiten Vertragspartner finden. Dabei wird übersehen, daß die Existenz einer Vielheit von Arbeitgebern sowie die Freiheit, unter ihnen wählen zu können, die Grundlage für ein freies Arbeitsrecht bildet67. Die Freiheit zum Abschluß eines Arbeitsvertrages ist wesentlicher Bestandteil des Berufsschutzes für den Arbeitnehmer. Zum anderen macht die Verengung des Blicks auf den Innenbereich des Arbeitsverhältnisses den Arbeitgeber zum „geborenen", ja gelegentlich zum einzigen Feind der Berufsfreiheit des Arbeitnehmers68. Es hat aus) auf Art. 12 GG berufen kann; vgl. dazu etwa H. Brox, und W. Dütz, in: 25 Jahre Bundesarbeitsgericht (FN 63), 37 ff., 71 ff., P. Schwerdtner, Reform des Bestandsschutzes von Arbeitsverhältnissen - Versuch einer Zwischenbilanz, DB 1979, Beilage zu Heft 35; L. Wenzel, Der Weiterbeschäftigungsanspruch im Kündigungsprozeß unter rechtspolitischen und rechtsgrundsätzlichen Aspekten, AuR 1980, 97 ff. V a. die Vertragsfrciheit des ArbN wird z.T. dem Art. 2 Abs. 1 GG zugewiesen. Vgl. ferner M. Löwisch, Schutz und Förderung der Persönlichkeit der im Betrieb beschäftigten ArbN (§ 75 Abs. 2 BetrVG), AuR 1972, 359. 65 Vgl. etwa Ε .Frey, Die Berufsfreiheit des Art. 12 Abs. 1 GG in arbeitsrechtlicher Sicht, AuR 1967, 326/332 ff. mit weiteren Nachweisen. 66 Auch die ansonsten grundlegende Arbeit von R. Birk (Die Leitungsmacht des Arbeitgebers, Erlangen 1973) geht auf diese Frage nicht ein. 67 Dies betont zu Recht R. Scholz (FN 7), 279. 68 Vgl. F. Gamillscheg (FN 24), 408; W. Däubler, Das Grundrecht auf Mitbestimmung, 2. Aufl., Frankfurt 1974, 247 ff.; E. Frey (FN 65), 327.

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sich aber gezeigt, daß Rechtsverordnungen, Satzungen von Berufsverbänden und Kammern, Tarifverträge und Gerichtsurteile die Berufsausübung regeln können - und dies vielleicht am nachhaltigsten tun. Staat und Verbände stellen in ganz anderer Weise eine potentielle Bedrohung für die Berufsfreiheit des Arbeitnehmers dar als der Arbeitgeber, der im Zusammenwirken mit dem Arbeitnehmer zuerst einmal seine, eigene Berufsfreiheit verwirklichen, nicht ein echtes oder angebliches öffentliches Interesse verfolgen will. 2. Die Grenzen der „Verarbeitsrechtlichung"

Die Konzentration auf die Grundrechtswirkung innerhalb des Arbeitsvertrages übersieht, daß Art. 12 GG der arbeitsrechtlichen Typisierung selbst Grenzen zieht, daß er einer vollständigen Verarbeitsrechtlichung entgegensteht. Die Offenheit des verfassungsrechtlichen Berufsbegriffs, die auch dem Arbeitnehmer zugute kommt, verhindert es, die Vielfalt des Arbeitslebens über den einen Leisten des Arbeitnehmerbegriffs zu schlagen69, der nichts als eine Fiktion darstellt70. Die persönliche Abhängigkeit, die diesen Begriff konstituiert, hat viele Abstufungen, die weder abgebaut noch negiert werden dürfen. Ihre Berufsausübungsfreiheit sollen sie alle gebrauchen können, vom Werkmeister bis hin zur letzten Hilfskraft und zwar auch dann, wenn Berufe aus dem Arbeitsrecht herauswachsen, wie dies bei bestimmten Formen der freien Mitarbeiter71 oder der Außendienstmitarbeiter von Versicherungen72 der Fall ist. Wenn das geltende Recht diesen Personengruppen Schutz nur unter der Voraussetzung gewährt, daß ihre sog. Arbeitnehmereigenschaft bejahtwerden und demnach das Bestehen eines Arbeitsrechtsverhältnisses angenommen werden73 kann, so übt es damit einen Zwang zur Verarbeitsrechtlichung aus,

69

Zutreffend R. Scholz (FN 7), 273 und 287. Vgl. dazu eingehend F. Rancke, ArbeitnehmerbegrifF und sozio-ökonomischer Strukturwandel - Eine Analyse der Rechtsprechung des BAG, AuR 1979, 9 ff. 71 Vgl. dazu V Beuthien, Stellung und Schutz der freien Mitarbeiter im Arbeitsrecht, RdA 1978,2 ff. 72 M.Lieb, „UnternehmerähnlicheArbeitnehmer",ZVersWiss 1976,207ff.-Als Beispiel für das ///«umwachsen von Berufen in den Schutz des ArbR vgl. G. Wiese, Buchautoren als arbeitnehmerähnliche Personen, Wien 1980, 9 f. 73 V Beuthien (aaO): Steht es fest, daß sie Schutz brauchen, so bedeutet das nicht notwendig, daß dieser Schutz über das Arbeitsrecht gewährt werden muß. Ebenso die von Lieb näher geprüfte Frage, ob das BUrlG, die Regelungen über die Lohnfortzahlung im Krankheitsfall und die AZO unverändert oder modifiziert auf angestellte Mitarbeiter des Werbeaußendienstes der Versicherungswirtschaft angewendet werden müssen. 70

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der mit der Freiheit beruflicher Entwicklung aus Art. 12 Abs. 1GG nicht vereinbar ist. 3. Die besondere soziale Schutzbedürftigkeit

Die entscheidende Besonderheit der Arbeitswelt liegt darin - und dies ist der dritte Punkt - daß der unselbständige Arbeitnehmer tyischerweise stärkeren sozialen Schutz braucht als ein selbständig Berufstätiger. Diese richtige Einsicht darf aber rechtlich nicht einfach auf den Nenner eines „verfassungsunmittelbaren Zusammenhangs" zwischen Art. 12 GG und dem Sozialstaatsprinzips gebracht74 oder gar mit einem interpretatorischen Vorrang des „Anspruchs- und Teilhabedenkens" vor der abwehrenden Freiheitssicherung75 erklärt werden. Gerade hier muß differenziert werden: a) Es ist aber nicht immer einfach, Schutzwirkung und Freiheitsbeschränkung voneinander zu trennen. Als Schutz des Unselbständigen wird gelegentlich ausgegeben, was in Wirklichkeit nichts anderes als eine Einschränkung seiner Berufsfreiheit ist: Das läßt sich an den Beschränkungen der Arbeitnehmerüberlassung zeigen, die als Schutzmaßnahmen für den Leiharbeiter bezeichnet werden, in Wirklichkeit aber schon deren - der Leiharbeiter! - Berufsfreiheit beschränken76. Das Schutzbedürfnis selbst kennt ferner Abstufungen, ja Gegensätze, die auszugleichen sind. Als Beispiel bietet sich an die Konkurrenz von schutzbedürftigen Arbeitslosen und ebenfalls schutzbedürftigen „Arbeitsbesitzern" auf dem Arbeitsmarkt77 Schutzbedürfnis und Freiheitsrecht sind schließlich auch fur den Unselbständigen typischerweise Gegensätze. Daß auch ein wohlmei-

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R. Wendt (FN 8), 601/604, 609. So Richter am BVerwG A. Dickersbach, Tendenzen bei der Rechtsprechung zur gewerberechtlichen Erlaubnis, WuV 1979, 95. 76 Zwar ist richtig, was Badura (FN 57), 29 festhält, daßnichtjede beliebige kurzfristige Arbeit als Beruf bezeichnet werden darf; im Bereich der ArbeitnehmerÜberlassung hat aber ein sozialer Wandel stattgefunden, der zur Folge hat, daß auch Personengruppen nach Leiharbeit nachfragen, die an einer längerfristigen Beschäftigung beim Verleiher interessiert sind. Dem sollte gerade dadurch Rechnung getragen werden, daß die Verleihmöglichkeiten erweitert wurden, vgl. dazu vor allem B. Bückle/W. Handschuch/W. Walzel, Aktuelle Probleme der Arbeitnehmerüberlassung, GewA 1982, 209 ff. 77 Vgl. R. Scholz (FN 7), 280. Im Gewerberecht entspricht dem in etwa die Konkurrenz zwischen Erstanmeldern und denjenigen Personen, die ein vergleichbares Produkt später anmelden: Ders., Verfassungsprobleme zur Herstellerkontrolle im Verfahren behördlicher Produktkontrollen, GewA 1982, 345/345, 350: Wie der Erstanmelder so haben alle Nachanmelder einen Anspruch auf Zulassung ihres Produktes aus Art. 12 Abs. 1. 75

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nender Schutz Rechte stark einschränken, ja beseitigen kann, das kann auf dem Lehrlingsarbeitsmarkt demonstriert werden: Mit guten Gründen läßt sich nämlich vertreten, daß aus der Garantie der freien Wahl der Ausbildungsstätte, die das Grundgesetz neu in unser Verfassungsrecht eingebracht hat, ein besonders starker Schutz der Berufsvorbereitung abgeleitet werden muß78, dem praktisch nur durch die Verankerung von Ausbildungspflichten Rechnung getragen werden kann, soll es vermieden werden, daß Jugendlichen der Eintritt in das Berufsleben von vornherein versperrt ist. Der Freiheitsgarantie des Grundrechts entspricht es dabei, mit einer solchen Ausbildungspflicht die Privaten, Handwerk und Industrie, zu belasten und nicht den Staat. Eine solche Pflicht würde natürlich kollidieren mit den Grundrechten der Arbeitgeber auf freie Ausübung ihres Berufes und wäre nur dann hinnehmbar, wenn der sozialstaatliche Mindestschutz der Auszubildenden im Verein mit der bürokratischen Belastung der Ausbilder nicht so drückend würde, daß er der Mehrheit gerade kleinerer Handwerksbetriebe nicht mehr zugemutet werden kann. b) Wichtiger noch als eine so differenzierte Sicht des Schutzbedürfnisses ist die Frage nach der „Anspruchsgrundlage" hierfür. Auf der einen Seite steht der Sozialstaatsauftrag - im Berufsrecht durch Art. 109 Abs. 2 GG verstärkt -, auf der anderen das Recht des Gesetzgebers, die Grundrechte zu konkretisieren, die Bedingungen zu ihrer Verwirklichung in der sozialen Ordnung zu verbessern; das kann man als Gesetzgebungsauftrag, aber nicht ohne weiteres als eine verfassungsrechtliche Schutzverpflichtung79 verstehen, der dann auch noch subjektiv-öffentliche Rechte der Grundrechtsträger entsprechen könnten. Darin liegt vielmehr das Verdienst der sog. „sozialen Rechte"80, wie sie in Ansätzen in den Eingangsbestimmungen des allgemeinen Teils des Sozialgesetzbuchs, im Stabilitätsgesetz, im Arbeitsförderungsgesetz oder im Betriebsverfassungsgesetz verankert sind, daß der Gesetzgeber den Sozialstaatsauftrag in einfachgesetzliche Leistungsansprüche des Bürgers verdichtet. Dort überall sind Ansätze zur Formulierung von 78

Vgl. vor allem M. Kloepfer, Grundrechte als Entstehenssicherung und Bestandsschutz, München 1970, 87. 19 So aber H.-J. Papier (FN 8), 807, 813 m. w. Nachw; richtig R. Wahl (FN 16), 408 f.; zurecht zurückhaltend auch G. Haverkate, Rechtsfragen des Leistungsstaats, Tübingen 1983,102. Anders ist das etwa in der it. Verf., die in Art. 35 der Republik Italien ausdrücklich die Verpflichtung auferlegt, die Arbeit in all ihren Formen und Ausübungsmöglichkeiten zu schützen (vgl. dazu Th. Ritterspach EuGRZ 1984,297/299). 80 Vgl. dazu H. F. Zacher, Sozialstaat und Recht, Grundlagen - Entwicklungen Krise, VSSR 1983,119 ff.; J. Isensee, Verfassung ohne soziale Grundrechte, Der Staat 19 (1980), 367 ff.

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„Grundrechten der Arbeit" in einem weiteren Sinne zu sehen, wie sie von einer schon 1970 einmal eingesetzten Kommission zur Ausarbeitung eines neuen Arbeitsgesetzbuches umfassend formuliert werden sollten; in dieselbe Richtung geht die von der Sachverständigenkommission „Staatszielbestimmungen - Gesetzgebungsaufträge" jetzt diskutierte Ergänzung des Art. 12 GG, über die eine Einigkeit allerdings nicht erzielt werden konnte. Alles das geht aber in eine andere Richtung als der Schutz, den die Freiheitsgarantie gewährt: Dem Bürger soll ein Mindestbestand gefestigt werden, der nach der eigenen Ordnungsvorstellung des Staates in einer sozialen Gesellschaft gesichert sein sollte. Was hier an politischen Wünschen offen bleiben muß, das kann der Freiheitsgarantie des Art. 12 GG nicht angelastet werden. Das gilt vor allem für das „Recht auf Arbeit"81, soweit es verstanden wird als ein subjektiv-öffentliches Recht auf Zuweisung eines der Neigung des Arbeitslosen entsprechenden Arbeitsplatzes. Mit der Garantie seiner freien Wahl sollte und kann der Staat nicht verpflichtet werden, neue Formen von ateliers nationaux zu errichten - wie sie im Frankreich Leblancs oder im Berlin Bismarcks bestanden. Während der Gesetzgeber bei der Verwirklichung des Sozialstaats also selbst gestaltet, schützt er bei der Konkretisierung des Freiheitsrechts die Bürger in Eigenverantwortlichkeit, bewahrt er ihnen die Freiheit, nach ihren eigenen Vorstellungen und nicht nach denen des Staates zu leben. Quantitativ mag für die Unselbständigen der Ausbau sozialer Rechte vielleicht im Vordergrund stehen; qualitativ aber steht die Schutzwirkung der Freiheitsgarantie dem sozialstaatlichen Schutz nicht nach - und zwar auch nicht für die Unselbständigen: Ein Beispiel für diesen Freiheitsschutz bieten die Bestimmungen des HGB und der Gewerbeordnung, in denen die Vereinbarungen von zu einschneidenden Wettbewerbsverboten für unwirksam erklärt werden82. Als zweites Beispiel eignen sich noch einmal die Gesetzesänderungen für die Arbeitnehmerüberlassung, mit denen der Gesetzgeber auf eine wachsende Spezialisierung im Arbeitsleben reagieren will. Sie sind Ausdruck einer veränderten Einstellung, mit der Arbeitnehmer heute ein flexibleres Verhältnis zwischen Arbeitszeit und Freizeit wünschen. Diese Entwicklung muß der Staat - berufsrechtlich gesehen - hinnehmen, auch wenn es den Gewerkschaften schon deswegen nicht gefällt, weil der Leiharbeiter den Grundsatz der Tarifeinheit durchbricht. Auf Gefahren wird 81

Eingehend dazu P. Schwerdtner, Die Garantie des Rechts auf Arbeit - Ein Weg zur Knechtschaft?, ZfA 1977,47 ff.; P. Schiffauer, Recht auf Arbeit und Eigentum, EuGRZ 1982, 41 ff. 82 §§ 74 ff. HGB, 133 f. GewO.

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der Staat hier allerdings achten müssen83. Das Arbeitnehmerüberlassungsgesetz von 197284 hatte den grundsätzlich richtigen Weg eingeschlagen, indem es versuchte, den Mißbrauch der Leiharbeit zu verhindern, spezielle Gefahren zu bekämpfen, anstatt die Arbeitnehmerüberlassung generell zu verbieten. Mit dem partiellen Verbot der Arbeitnehmerüberlassung im Baugewerbe durch eine Änderung des AFG hat der Gesetzgeber diesen Weg Ende 198185 wieder verlassen. Daß damit nicht nur die Berufsfreiheit der gewerblichen Arbeitnehmerverleiher, sondern auch die der Leiharbeiter tangiert ist, sei nur am Rande erwähnt. An weiteren Betätigungsfeldern für eine freiheitsfördernde Konkretisierung der Berufsfreiheit fehlt es nicht. Als Beispiel sei die Verbesserung des betrieblichen Vorschlagswesens genannt. In diesem Zusammenhang gehört es schließlich auch, wenn das Bundesverfassungsgericht für den Fall von Ausbildungsmonopolen das Freiheitsrecht um einen Teilhabeaspekt erweitert86. Die Leistungsfähigkeit der Freiheitsgarantie hat sich gerade hier, in der Ausnahmesituation bewiesen. Ihr kann es nicht angelastet werden, daß die Wissenschaftsfreiheit dem Teilhabeaspekt der Berufsfreiheit zu Unrecht bedingungslos untergeordnet worden ist und daß offenkundig unserem Staat gegenwärtig die Fähigkeit fehlt, ein sachgerechtes Verfahren fur die Verteilung der Zugangschancen zu entwickeln. Auf das Arbeitsleben läßt sich das nicht ohne weiteres übertragen, obwohl die Garantie der freien Wahl der Ausbildungsstätte für Hochschulen und Lehrstellen gleichermaßen gilt. Noch immer ist das Ausbildungsmonopol auf dem Lehrstellenmarkt Ausnahme und nicht die Regel. Es herrscht die Konkurrenz unzähliger privater Auswahlverfahren. Sie sollten auch erhalten bleiben87. Vor der Illusion, mehr grundrechtliche Gerechtigkeit durch staatliche Verfahrensregelung, Freiheit also „durch Verfahren" sichern zu wollen88, kann nach den Erfahrungen

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Vgl. die Grundsätze des BSGE 31,235 (ζ. B. Verleiher muß Arbeitgeberrisiko - Lohnfortzahlung - tragen). 84 v. 12.10.72 BGBl. 1 1393. 85 Einfügung eines § 12 a in das AFG durch das G zur Konsolidierung der Arbeitsförderung vom 22.12.1981 BGBl. 11497. 86 v. a. BVerfGE 33,303 ff.; 43,34 ff.; eingehend dazu P. Häberle, W D S t R L 30, 43 ff., bes. 114 ff. 87 H. Dichgans, Ausbildungsstätte und Arbeitsplatz - Zur Auslegung des Art. 12 des GG, in: Die Freiheit des Anderen, FS für M. Hirsch, hrsg. v. H. J. Vogel/ H. Simon/A. Podlech, Baden-Baden 1981,553/558. Daß Fragen des N C im Parlament. Rat nicht diskutiert worden wären (so Κ. H. Friauf, FN 19, 542), ist so nicht richtig. 88 Η. H. Rupp, Rechts- und Organisationsfragen der außeruniversitären „staatlichen" Forschung, WissR 17 (1984), 1/5; G. Lübbe-Wolff, Stufen des Grundrechts-

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beim Hochschulzugang nur gewarnt werden. Die pragmatische Vielfalt privater Auswahlverfahren sichert die Zugangschance am Ende besser. Setzen wir auf die Freiheit - oder auf staatlichen Eingriff? Das ist im Arbeitsrecht wie im Gewerberecht wie auch im Grundrechtsbereich schlechthin die entscheidende Frage. Unsere dogmatischen Bemühungen, beiden - der Freiheit und dem ordnenden Eingriff - ihren legitimen Raum zuzuweisen, sind nur kleine, aber notwendige Schritte, solange wir überhaupt abgrenzen wollen, solange Freiheit und ordnender Eingriff uns nicht eins sind. Die Abgrenzung führt aber immer wieder in Zonen des Zweifels, der Übergänge. Hier kann Dogmatik praktikable Ergebnisse nur liefern, wenn sie ihr Ziel kennt: Praktikabilität für den Staat oder für den Bürger? Beides zugleich erreichen zu wollen, das hat sich gerade bei Art. 12 als unmöglich erwiesen. Wer Partei ergreift, handelt nicht professionell - ich weiß es. Dennoch habe ich hier Partei ergriffen für den Bürger, für seine Freiheit, weil ich den anderen Vorwurf mehr fürchte, den man der Rechtswissenschaft immer wieder gemacht hat - den Aufgaben der Zeit nicht gerecht zu werden. An professionellen, an „Berufs-Demokraten" fehlt es in Deutschland heute nicht - eher sind aus falscher Professionalisierung Gefahren zu furchten fur diesen Staat: Die Grundfragen der Demokratie - und die heute behandelte zählt dazu - kann man nicht professionell lösen; hier muß man Partei ergreifen, auch und gerade als Professor!

schutzes gegen Verfahrensverstöße, in: J. Schwarze/W. v. Vitzthum, Grundrechtsschutz im nationalen und internationalen Recht, Baden-Baden 1983, 248 ff., jeweils m. w. Nachw.

Leitsätze des Mitberichterstatters über:

Artikel 12 GG - Freiheit des Berufs und Grundrecht der Arbeit 1. a) Bei der Interpretation des Art. 12 GG herrscht im ganzen akademischer Friede. Die Berufstätigen aber scheinen mit dem realen Maß ihrer Berufsfreiheit eher unzufrieden zu sein. Eine solche Unzufriedenheit belegt, was uns aus der Schweiz schon seit langem vorgehalten wird: eine Unterbewertung der Berufsfreiheit! 1. b) Vor allem bei den Bemühungen, den Verfassungsschutz für die Arbeitnehmer zu verstärken, liegt der Schwerpunkt bisher eindeutig bei der Eigentumsgarantie. Die Frage nach der Bedeutung des Art. 12 GG für die abhängige Arbeit ist also überfällig. Trotzdem erfaßt sie nur einen Teilaspekt des Problems und sollte umfassender gestellt werden: nach den Chancen für die Berufsfreiheit generell in unserem Staat. Damit ist unlösbar verbunden die künftige Bedeutung der Grundrechte allgemein wie auch die Zukunft der rechtsstaatlichen Demokratie. 2. Bereits das „klassische" Grundrecht der Berufsfreiheit ist weitgehend injustitiabel geworden. Soweit die Verletzung der Berufsfreiheit mit Erfolg gerügt werden konnte, geschah dies fast immer mit Argumenten, die eigentlich unter dem Stichwort der Rechtsstaatsverletzung hätten vorgebracht werden müssen. 2. a) Das Grundrecht der Berufsfreiheit unterliegt nicht mehr dem Vorbehalt eines Gesetzes im formellen Sinn. Das führte zu einer Flut von Berufsregelungen durch Rechtsverordnungen, Tarifverträge, Standesrecht und Richterrecht. Mehr als bisher hat der Gesetzgeber dem Gebot des Rechtsstaats Rechnung zu tragen, wesentliche Eingriffe selbst vorzunehmen, sich im Berufsrecht zu einer Grundsatzgesetzgebung aufzuraffen. 2. b) Das Berufserfindungsrecht, Konsequenz des „offenen" Berufsbegriffs, ist weitgehend wertlos geworden. Die Deutschen werden kaum mehr Tätigkeiten finden, die nicht schon irgendwelchen Berufsbildern zugeordnet sind. Der Freiheitsschutz kann sich nur noch in der Kontrolle der Zugangsvoraussetzungen auf ihre Sachgerechtigkeit bewähren. 2. c) Bis heute ist die Abgrenzung der Berufsfreiheit von der allgemeinen Wirtschaftsfreiheit des Art. 2 Abs. 1 GG nicht voll gelungen. Am Beruf des Unternehmers läßt sich das am deutlichsten zeigen.

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Die unternehmerische Berufsausübung muß in vollem Umfang dem Schutzbereich des Art. 12 GG zugeordnet werden. 2. d) Die Stufenlehre hat im Grunde jeden faßbaren Inhalt verloren. Gerade diese Inhaltsarmut macht sie so „praktikabel", zugleich aber so gefährlich für den Freiheitsschutz, weil der reale Freiheitsgehalt mehr von der Liberalität des Staates und seiner Richter abhängt als von der Grundrechtsgarantie. Das BVerfG darf sich nicht darauf zurückziehen, daß die Stufenlehre nichts anderes als die Anwendung des allgemeinen Verhältnismäßigkeitsprinzips bedeute. Es muß vielmehr den Gesetzgeber zwingen, das Eingriffsinteresse zu benennen und zu bewerten. Globale Großformeln wie die der „Volksgesundheit" genügen hierfür nicht. Mit der Einheit des verfassungsrechtlichen Schutzes der Berufsfreiheit ist es unvereinbar, von der „6/o/ten"Berufsausübung zu sprechen, die „ohne weiteres" eingeschränkt werden kann. Der Schutz der Berufswahl muß vielmehr auf die Ausübung zurückstrahlen und es verhindern, daß ihr Schutz leerläuft. Da die „Gemeinwohlinteressen" bisher jeder Einschränkung erfolgreich widerstehen konnten, bleibt nur ein Weg: die Erforderlichkeit des Eingriffs ernster zu nehmen. 3. Arbeit und Beruf sind Teil eines einheitlichen Berufsrechts, das in Art. 12 GG geschützt wird. Der klassischen Berufsfreiheit muß also kein neues „Grundrecht der Arbeit" erst an die Seite treten. 3. a) Arbeit und Beruf haben zwar eine lange Begriffsgeschichte, jedoch keine Tradition als Begriffe des Verfassungsrechts. 3. b) Der Schutz der Berufsfreiheit in Art. 12 GG ist aus der Garantie der Gewerbefreiheit für Selbständige hervorgegangen. Damit kann aber nicht bewiesen werden, Art. 12 GG habe Berufsfreiheit nur dem Selbständigen gewähren wollen. Bei den Vorarbeiten zum Grundgesetz bestand vielmehr Einigkeit darüber, daß der Schutzbereich des Art. 12 GG weiter reichen sollte als der alte Gewerbebegriff. Das spricht von vornhereinfür die Einbeziehung auch der abhängigen Arbeit in den Schutzbereich des Art. 12 GG. 3. c) Beruf und Arbeit können insbesondere nicht so voneinander geschieden werden, daß die Arbeit dem Erwerb, der Beruf der Praxis diene. Dies würde einerseits der reichsverfassungsrechtlichen Tradition des Art. 12 GG widersprechen, in der es schonfrüher jedem Deutschen erlaubtwar, Jeden Nahrungszweig zu betreiben". Zum anderen würde es eine moralische Abwertung der Arbeit bedeuten, denn auch der Arbeiter ist nicht nur um Geld und Lohn tätig. Der abhängigen Arbeit würde von vornherein die Chance der Aufwertung in Richtung auf den alten Berufsgedanken genommen.

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3. d) Ebensowenig läßt sich vertreten, daß vor allem die abhängige „Arbeit als Beruf im Sinne des Art. 12 GG anzusehen ist. Für das Verfassungsrecht ist vielmehr daran festzuhalten, daß Arbeit und Beruf Teil eines einheitlichen Berufsrechts sind, das die Verfassung schützt. Die Freiheit des Berufs ist nicht teilbar zwischen Selbständigen und Unselbständigen. Sie kann nur einheitlich erhalten und verstärkt werden. 4. Art. 12 GG muß sich auch für die Unselbständigen in erster Linie als Freiheitsrecht bewähren. Dem Gesetzgeber kommt es zu, diese Freiheit zu konkretisieren. Der Sozialstaatsauf trag hat insoweit nur sekundäre Bedeutung. 4. a) Die Wirkung des Art. 12 GG wird bisher zu stark für den Binnenbereich des Arbeitsverhältnisses diskutiert. Dabei hat die Frage, wie diese Wirkung dogmatisch begründet wird, zu Recht an Bedeutung verloren. Der Vertiefung bedarf dagegen die Frage, in welchem Umfang Art. 12 GG in das Α rbeitsverhältnis hineinwirkt. 4. b) Bei einer zu starken Konzentration auf die Grundrechtswirkung innerhalb des Arbeitsvertrages wird leicht übersehen, daß die Existenz einer Vielzahl von Arbeitgebern sowie die Freiheit, unter ihnen zu wählen, vom Schutz des Art. 12 GG umfaßt wird und die Grundlagefür ein freies Arbeitsrecht darstellt. Die Verengung des Blicks auf den Arbeitsvertrag erweckt zudem den Eindruck, der Arbeitgeber sei der „geborene", vielleicht gar der einzige Feind der Berufsfreiheit des Arbeitnehmers. Staat und Verbände werden ebenfalls, wenn auch in anderer Weise, seiner Berufsfreiheit gefährlich, da sie im Namen eines schwer überprüfbaren öffentlichen oder Verbands-Interesses tätig werden. 4. c) Art. 12 GG zieht der arbeitsrechtlichen Typisierung Grenzen und steht einer vollständigen „Verarbeitsrechtlichung" entgegen. Eine solche bedeutet es aber, wenn das geltende Recht die Anwendung von Schutzgesetzen (Urlaubsgesetz, Lohnfortzahlung im Krankheitsfall) von der Arbeitnehmereigenschaft und damit vom Bestehen eines Arbeitsrechtsverhältnisses abhängig macht. 4. d) Die entscheidende Besonderheit der abhängigen Arbeit liegt in der besonderen Schutzbedürftigkeit des unselbständigen Arbeitnehmers. Schutz hat dieser aber nicht nur vom Sozialstaatsgebot, sondern vor allem von Art. 12 GG und seiner Konkretisierung durch den Gesetzgeber zu erwarten. Anwendungsfälle hierfür stellen diejenigen Bestimmungen dar, die die Vereinbarungvon allzu weitgehenden vertraglichen Bindungen an den Arbeitgeberfür unwirksam erklären. Als Beispiel weiterer Betätigungsfelder für den freiheitsfördernden Gesetzgeber sei die Verbesserung des betrieblichen Vorschlagswesens genannt.

3. Aussprache und Schlußworte

Art. 12 GG - Freiheit des Berufs und Grundrecht der Arbeit Vorsitzender (Häberle): Verehrte Kollegen, liebe Gäste, ich eröffne die heutige Aussprache zu unserem ersten Beratungsgegenstand und darf Sie im Namen des Vorstandes herzlich begrüßen. Erlauben Sie mir zwei Vorbemerkungen: Die erste bezieht sich auf die inhaltliche Strukturierung unserer Diskussion - ich habe sie bereits heute früh vor der Mittagspause entworfen; die zweite betrifft den organisatorisch-technischen Ablauf. Auch nach Rücksprache mit den beiden Referenten möchte ich mich in der jüngeren Tradition der Aussprachen unserer Vereinigung halten und keinen durchdifferenzierten Gliederungskatalog vorlegen, sondern nur einige Schwerpunkte nennen. Denn es soll ja fur Sie alle genügend Raum sein fur „brainstorming", für Ad-hoc-Ideen, für Originalität und Spontaneität. So - ohne vorzugreifen - einige Schwerpunkte für die Diskussion, auch in Erinnerung an die kontrastreichen Thesen der beiden Referenten des Vormittags. Der erste sachliche Schwerpunkt ist die Vergewisserung über das Problem: Was heißt,Arbeit", was heißt „Beruf', jeweils für Abhängige und Unabhängige? Welches sind die geistesgeschichtlichen und ökonomischen Entwicklungsvorgänge zu diesen Themen bzw. Lebensbereichen? Was ergibt die berufssoziologische Entwicklungsperspektive und Analyse? Dazu haben sich beide Referenten geäußert. Der zweite Themenschwerpunkt könnte lauten: Welchen Grundrechtstexten haben wir die Sache „Beruf und die Sache „Arbeit" zuzuordnen?, insbesondere also Art. 12 GG - Einheit von Arbeit und Beruf innerhalb des Art. 12 -, aber auch anderen Nachbar-Grundrechten, wie Art. 1 Abs. 1,5 Abs. 3,9 Abs. 3 GG, sowie Staatszielbestimmungen. In einem dritten Schwerpunkt hätte man sich zu überlegen, wie wir das Grundrecht Freiheit des Berufs und der Arbeit dogmatisch strukturieren, gemeint ist die vielseitige Statuslehre, der abwehrrechtliche Status, der so betont wurde, aber auch die anderen Status, die objektive Seite, die Teilhabeseite, die Schutzpflichtendimension etc. Hier sollten wir auch die Schrankenproblematik einbeziehen, die vielfältigen Stufentheorien behandeln. Ich bitte insgesamt, daß der eine oder andere Redner die international-menschenrechtliche, auch europarechtliche Seite mitberücksichtigt, spätestens gegen Schluß der Diskussion. Der vierte Schwerpunkt gilt den „arbeitsmarktpolitischen Problemen", ein hier einschlägiges Stichwort ist die Berufslenkung, Vollbeschäftigung etc. In den beiden,

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durchaus kontrastreichen Referaten finden Sie hierzu unterschiedliche Positionen, wofür man als Vorsitzender natürlich dankbar ist. D e n f ü n f t e n und letzten Schwerpunkt nenne ich „Leertitel" oder „Einzelfragen", die Sie freilich wieder zu „Grundsatzfragen" ausdehnen bzw. intensivieren mögen, damit durchgängig Spontaneität und Originalität Platz haben. Mein fünfter Gliederungspunkt ist also sozusagen der „Geniekatalog" oder die „Genieziffer". Hier können Sie die Aspekte des Themas unterbringen, die wir bisher nicht berücksichtigt haben und die Ihnen vielleicht erst am Schluß einfallen. Nun ein Wort zum Prozessual-Organisatorisch-Technischen, zum Teil auch schmerzliche Nachrichten: Um 17.30 Uhr muß ich das Schlußwort an die beiden Referenten geben, ein Zwischenwort von ihnen kann der Entlastung dienen. Das heißt, daß wir immerhin knapp drei Stunden Zeit fur die Aussprache haben. Dies bedeutet auch, daß ich beim besten Willen jedem normalen Diskussionsredner, jedem regulären Diskussionsredner, nur vier Minuten einräumen kann (ich ordne sie je nach Eingang themenbezogen und im Interesse eines förderlichen Ablaufs). Ich weiß, dies ist wenig. Ich habe mir im gemeinsamen Interesse gestufte Sanktionen überlegt: Wenn Sie als Redner der Vier-Minuten-Grenze nahekommen, dann lege ich mein Uhrarmband sichtbar ab, wenn Sie sie überschritten haben, dann zeige ich Ihnen meine Uhr demonstrativ. Wir haben aber, verehrte Kollegen, noch ein ,yentil" eingebaut. Ich möchte auch hier der neueren Tradition unserer Aussprachen folgen. Wir kennen sog. „Spontanbeiträge"; diese sind dem Vorstand höchst willkommen die wirklichen Spontan- und Ad-hoc-Beiträge und Repliken meine ich. Wir können ihnen freilich nur zwei Minuten einräumen. Sie melden sich dafür, indem Sie beide Hände hochstrecken. Weniger erfreut ist der Vorstand über die sog. „Quereinsteiger". Diesen plastischen Begriff hat, wenn ich mich recht erinnere, Herr Mußgnug auf einer früheren Tagung unserer Vereinigung geprägt. Gemeint sind Kollegen, die ankündigen, sie würden sich „spontan" melden, die dann aber doch „quer" einsteigen. Darum das Sanktionsinstrument der nur zwei Minuten! Ich bitte herzlich um Verständnis. Für die laufenden Tonbandaufnahmen ist wichtig, daß Sie dem tragbaren Mikrophon zunächst Ihren Namen und dann Ihren Hochschulort nennen, auch wenn der Ort in der Druckfassung später wegfallen sollte. Wir haben mehrere Kollegen desselben Namens in unseren Reihen, zur Identifizierung bei der Abschrift des Tonbandes brauche ich daher den Hochschulort. Sie wissen alle, daß sich Herr von Münch wissenschaftlich auch durch den Begriff des „Spagatprofessors" unsterblich gemacht hat. Die Redner mögen also bitte den Ort nennen, an dem sie arbeiten, d. h. wo sie Art. 5 Abs. 3 i. V m. Art. 12 GG verwirklichen. Es gibt freilich auch Spagatprofessoren neuer Art, d. h. solche Kollegen, die an mehreren Orten arbeitsam sind. Diese bitte ich, den Arbeits-

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Aussprache

ort zu nennen, an dem sie ihr „Standbein" haben. Auf diese Weise möchte ich ζ. B. erfahren, ob Herr Senator Scholz sich für München, Bonn oder Berlin entscheidet, ich hoffe, er kommt noch zur heutigen Aussprache. Zum Technischen noch eine letzte Bemerkung: Wir haben im Vorstand lange beraten, wie wir unsere lieben Schweizer und Österreichischen Kollegen möglichst lebendig in die Diskussion integrieren können. Sie wissen, seit langem besteht die Tradition der „Landesberichte". Diese Landesberichte haben vieles für sich. Wir wollen aber einmal versuchsweise anderes wagen: nicht formell werden jetzt gleich zweimal fünfzehn Minuten vorweg Landesberichte erstattet, vielmehr haben wir uns erlaubt, einen Österreichischen und einen Schweizer Kollegen, nämlich die Herren Öhlinger und Georg Müller zu bitten, sich bereit zu halten, um ad hoc zu einem bestimmten Punkt des Gliederungsvorschlags die Rechtslage aus ihrem Land zu schildern und so in die allgemeine Diskussion zu integrieren; damit könnte die lange Anlaufzeit der Landesberichte entfallen. Sollte sich dieses Verfahren heute nicht bewähren, kehren wir auf späteren Tagungen wieder zur Tradition zurück. Zum ersten Themenkreis der Grundsatzfragen „Beruf, Arbeit, geistesgeschichtliche Bezüge, berufssoziologische Überlegungen" darf ich jetzt als ersten Redner Herrn Kollegen Badura bitten. Badura: Verehrte Kollegen! Wir müssen der Vereinigung, dem Vorstand und den Referenten dankbar sein für ein gut ausgesuchtes Thema und für die interessanten Vorträge des heutigen Vormittags. Herr Lecheler hat - für meinen Geschmack - das Thema hauptsächlich aporetisch aufgefaßt und eine Reihe von sehr bedenkenswerten Kritikpunkten gegenüber den herrschenden Auffassungen und der herrschenden Rechtspraxis, vor allem in seiner These 2, vorgetragen. Ich finde es richtig, sachlich richtig, daß er die Berufsfreiheit nach wie vor als ein Freiheitsrecht versteht und daß er die notwendige Einfügung des sog. „Grundrechts der Arbeit", wie es hier im Thema heißt, in die Berufsfreiheit unter dem Blickwinkel des Freiheitsrechts vorgenommen hat. Das Berufsrecht der Arbeitnehmer kann, wie ich glaube, nicht vollständig oder in seinen wesentlichen Zügen aus dem Art 12. allein gewonnen werden. Es wäre dann notwendig, insbes. Art. 9 Abs. 3, die Koalitionsfreiheit, zu berücksichtigen. Ich möchte sachlich - und entgegen dem Bericht von Herrn Schneider- auch meinen, daß das arbeitsrechtliche Schutzprinzip nicht Inhalt der Berufsfreiheit ist, sondern nur eine mögliche Schranke des Art. 12 Abs. 1. Herr Schneider hai seinen Bericht hauptsächlich thetisch vorgetragen. Er hat zwar eine Fülle von Einzelheiten mit Wenn und Aber und Einschränkungen erläutert. Er hat aber, wie ich glaube, dem Ganzen eine bestimmte, verhältnismäßig monolithische Vorstellung zugrunde gelegt.

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Die kurze Zeit zwingt mich abzukürzen. Die „personale" Grundrechtssicht erweist sich hier ein weiteres Mal als Trittstein für erweiterte sozialstaatliche Eingriffe. Die Vorschrift des Art. 12 Abs. 1 kann nicht einfach daraus erklärt werden, wie es der Z)wr/gschen Theorie entspricht, daß man sie auf Art. 1 Abs. 1 und 2 Abs. 1 zurückfuhrt. In dieser Vorschrift wird vielmehr eine bestimmte Seite der wirtschaftlichen Wertschöpfung erfaßt subjektiviert erfaßt, und mit einer dezentralisierten Zielsetzung. Es fällt ja nicht jede wirtschaftliche Betätigung unter die Berufsfreiheit; denn nicht jede wirtschaftliche Betätigung ist ein Beruf. Und ich glaube deswegen auch, daß nicht jede Arbeit ein Beruf ist und daß man nicht einfach die Freiheit des „erwerbstätigen Menschen" als den eigentlichen Inhalt der Berufsfreiheit - wie es hier geschehen ist - bezeichnen darf, noch dazu wenn man ein eigenes, neues Wort erfindet (sc. „Grundrecht der Arbeits- und Berufsfreiheit") und damit den Inhalt des Grundrechts in bestimmter Weise präformiert. Die Staatsaufgabe der Arbeits- und Sozialpolitik ist nicht einfach ein Grundrecht. Man kann auch nicht sagen, daß Berufsfreiheit und Berufslenkung eigentlich sehr nahe zueinander kämen und nicht als Gegensatz verstanden werden dürften. Der Sinn des Grundrechts kann nur als Freiheitsrecht, auch und gerade für die abhängige Arbeit verstanden werden; es ist eigentlich nicht einzusehen, warum gerade die abhängige Arbeit in besonderer Weise einer Lenkung unterworfen werden muß. Die Beschäftigungspolitik - um einen letzten Satz, wiederum auch thetisch, zu sagen - ist Sache von Regierung und Parlament und nicht des Bundesverfassungsgerichts. Vorsitzender: Vielen Dank, Herr Badura, für diese grundsätzliche Einführung. Ich darf als nächsten Redner Herrn Kollegen Leisner bitten. Leisner: Es hat sich, wie ich glaube, heute vormittag vor allem eines herausgestellt: Wir müssen, wenn wir die Rechte der abhängig arbeitenden Menschen betrachten, sowohl den Art. 12 in Betracht ziehen als auch das Sozialstaatsprinzip, das eine ergänzt das andere. Wir sollten uns auch darüber im klaren sein, daß sich hier Spannungen ergeben, von denen Herr Lecheler ja gesprochen hat. Den Begriff des „Arbeitsmarktes" müssen wir zunächst stärker in den Mittelpunkt stellen, entscheidend ist, daß es einen funktionsfähigen Arbeitsmarkt gibt, der auch vom Arbeitnehmer als ein solcher empfunden wird. Dafür müssen im Lichte der Sozialstaatlichkeit die Voraussetzungen, auch durch Schutz des Arbeitnehmers, geschaffen werden. Dies alles aber ist immer nur, aus der grundrechtlichen Sicht, Vorbedingung für ein zweites und wichtigeres Ergebnis: daß nämlich dann dieser Arbeitsmarkt in jener Freiheit funktioniert, den wir eben in einem freien Gemeinwesen brauchen - dies ist ein Gebot des Art. 12 GG. Insofern ergänzen sich die Sozialstaatlichkeit und der

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Aussprache

Freiheitsanspruch aus Art. 12. Das Höchste und Erste aber bleibt die Freiheit. Ein weiterer Punkt: Der oft beschworene Gegensatz zwischen abhängiger und unabhängiger Arbeit sollte nicht überzeichnet werden. Die Entwicklungen laufen in vielen Bereichen darauf hin, daß selbst in der abhängigen Arbeit eben doch auch etwas wie unternehmerische Initiative entfaltet werden kann, und wir sollten sorgsam alles beachten, was dahin fuhren kann. Angeklungen sind bereits Komplexe wie Direktionsrecht, Unternehmererfindungen u. ä. Gerade auch in der Großindustrie ist es heute doch üblich, daß der verantwortliche Meister in einem bestimmten Bereich mit seiner Arbeitsgruppe antritt und durchaus eine gewisse quasi-unternehmerische Selbständigkeit im großen Betrieb, am Hochofen etwa, entwickelt. Das Stichwort der Verantwortlichkeit und ihrer Stärkung scheint mir wesentlich zu sein. Das führt dann weiter, so daß wir sogar sagen könnten: Es gibt auch etwas wie den Arbeitnehmer als Unternehmer. Es hat sich ferner herausgestellt, daß gerade in jenem Bereich des Art. 12 GG, der heute gerne als ein Ausgangspunkt für neue Partizipationsmodelle gesehen wird - denken wir nur an den Ausbildungssektor -, gerade nicht das realisiert wird, was viele wünschen: daß nämlich eine völlige Umfunktionierung vom Status negativus in einen Status positivus - wenn nicht gar zum Status activus - stattfindet. Gerade die Referate von heute haben aber bewiesen, daß auch an diesem Punkt die grundsätzliche alte liberale Konzeption beizubehalten ist, mit der die Grundrechte stehen und fallen: Partizipation nur in Ausnahmefällen und nicht einfach eine „Institutionalisierung aus den Grundrechten heraus". Das scheitert auch bei Art. 12 GG, und das scheint mir ein wichtiger Beitrag dieses Vormittags zur allgemeinen Grundrechtsdogmatik zu sein. Ein letztes Wort: Der Arbeiter, der Arbeitnehmer, muß als Bürger begriffen werden, der ein Bürgerrecht hat. Es geht darum, daß er eben nicht nur jemand ist, der, wie es der Marxismus einst predigte, die liberalen Rechte hat, aber unter Brücken verhungern darf, sondern daß er auch eine nutzbringende, eine nützliche Freiheit gewinnt aus den guten, alten, liberalen Grundrechten. Unsere Aufgabe ist es, dies zu entwickeln.

Vorsitzender: Danke, Herr Leisner. Sie haben zugleich mehrere der Schwerpunkte miteinander verknüpft, was erneut zeigt, daß und wie sehr die Teil-Themen zusammenhängen. Ich möchte jetzt zur Flankierung der eher geistesgeschichtlichen Überlegungen Herrn Grimm bitten, im Rahmen der Grundfragen zu sprechen: Er hat als Stichwort angekündigt „Realbedingungen der Berufsfreiheit". Wir sollten jetzt sozusagen die andere Seite aufmachen.

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Grimm: Herr Häberle hat eine glückliche Hand, denn in der Tat stehe ich Herrn Leisners Vertrauen in das klassisch-liberale Grundrechtsverständnis, an dem auch Herr Lecheler heute weitergefeilt hat, skeptisch gegenüber. Herr Lecheler glaubt ja, wie gegen Ende seines Referats deutlich wurde, die Problematik des Themas auf die Alternative von Bürgerfreiheit oder Staatsreglementierung reduzieren zu können, und schlägt sich dann auf die Seite der Bürgerfreiheit. Dogmatisch wirkt sich das in dem Bemühen aus, die Abwehrsubstanz des Art. 12 gegen Staatseingriffe wieder zu stärken. Ungeachtet mancher Zustimmung im Detail lassen sich dagegen zwei grundsätzliche Einwände erheben. Der erste Einwand bezieht sich auf die dem Referat zugrundeliegende Freiheitsauffassung. Herr Lecheler scheint mir von einem in der Gesellschaft vorhandenen festen Quantum an Freiheit auszugehen mit der Folge, daß sich jeder Kompetenzgewinn des Staates auf der anderen Seite als Freiheitsverlust des Bürgers niederschlägt. Diese Auffassung trifft aber nur dann zu, wenn man Freiheit bloß formal, d. h. als Abwesenheit staatlichen Zwangs, versteht. Indessen hat die Erfahrung gelehrt, und dazu verliere ich kein weiteres Wort, daß formale Freiheit nicht hinreicht, dem Einzelnen real nutzbare Freiheit zu verschaffen, auf die es letztlich ankommt. Die tatsächlichen Voraussetzungen der Freiheit können heute nicht mehr, wie das in vorindustrieller Zeit wenigstens teilweise noch möglich war, als gegeben unterstellt werden. Sie bedürfen vielmehr planvoller staatlicher Bewirkung. Unter diesen Umständen haben wir es aber nicht mit einem Nullsummenspiel zu tun, sondern mit einem Verhältnis, in dem staatlicher Kompetenzzuwachs gleichzeitig eine Steigerung von Individualfreiheit bedeuten kann. Insofern glaube ich, daß, im Prinzip jedenfalls, Herr Schneider mit seiner These 8 richtiger liegt als Sie, Herr Lecheler. Das grundrechtliche Kernproblem verschiebt sich dann freilich auf die Frage nach der Grenze, hinter der die Zunahme staatlicher Aktivitäten im Bereich von Art. 12 die Freiheit nicht mehr optimiert, sondern bedroht. Dazu hätte ich mir von Herrn Schneider noch ein Wort mehr erhofft. Der zweite Einwand betrifft die hinter dem Referat stehende Einschätzung der gegenwärtigen Freiheitsgefahren. Wenn Herr Lecheler sich vorwiegend um die Abwehrsubstanz von Art. 12 kümmert, bringt er damit ja zum Ausdruck, daß er die Hauptgefahr fur die Freiheit im Eingriff sieht. Das mag zur Zeit des liberalen Staates so gewesen sein. Nach der Ausweitung der Staatstätigkeit, die nach wie vor anhält, hat sich der Schwerpunkt der Freiheitsgefährdung aber von punktuellen Eingriffen in eine vorgegebene Freiheitssphäre auf die umfassende Regulierung der Rahmenbedingungen individueller Freiheit verlagert. Im Bereich von Art. 12 lauten die Stichworte etwa Steuerung von Ausbildungskapazitäten, Umschulungs- und Beschäftigungsprogramme, Förderung bestimmter Technologien und Eindämmung anderer, Aus- und Abbau von

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Aussprache

Subventionen, Beihilfesysteme etc. All diese Maßnahmen bewegen sich im Vorfeld des Eingriffs und determinieren die Freiheitsmöglichkeiten des Einzelnen doch weit nachhaltiger als mancher direkte Eingriff. Das fuhrt zu einer Divergenz zwischen Problemstruktur und grundrechtlicher Lösung, der mit Feinkorrekturen der Eingriffsdogmatik nicht beizukommen ist. Es erhebt sich vielmehr die Frage, inwieweit denn die Grundrechte den neuartigen Freiheitsgefahren überhaupt zu begegnen vermögen. Herr Schneider verweist dazu auf die objektivrechtliche Komponente der Grundrechte und entnimmt ihnen Zielvorgaben für den politischen Prozeß, muß dann aber die Erwartungen sogleich wieder dämpfen, indem er diese auf das Ob beschränkt, während das Wie der politischen Entscheidung überlassen bleibt. Nun scheint es mir aber so zu sein, daß viele der aus Art. 12 ableitbaren Ziele erheblich stärkere Imperative hinter sich haben, als ein Grundrechtsauftrag sie vermitteln könnte, Vollbeschäftigung und Lehrstellenangebot etwa die Wahlchancen der Parteien, so daß ich mich frage, wie es eigentlich um die Wirksamkeit der Grundrechte bestellt ist, wenn sie nur noch auf die zweitwichtigsten Freiheitsgefahren antworten und bei der Bekämpfung der wesentlicheren im Grunde leerlaufen. Vorsitzender: Vielen Dank, Herr Grimm, vielleicht eine kurze Anmerkung : So fruchtbar diese allgemeinen grundrechtstheoretischen Überlegungen sind, wir müssen in der weiteren Diskussion auch darauf achten, daß wir sehr speziell die konkreten Fragen des Art. 12 GG aufarbeiten, denn der Vorstand hat sich bei der Planung des heutigen Themas bewußt einmal für ein konkretes Einzelgrundrecht entschieden. In diesem Sinne danke ich Ihnen sehr, Herr Grimm, für die Brücke, die Sie vom Allgemeinen zum Konkreten schon geschlagen haben. Ich darfjetzt Herrn Kollegen Oppermann aufrufen. Ist er sichtbar? Ja. Oppermann: Verehrte Frau Kollegin, liebe Kollegen, ich möchte in den Dank meinerseits nicht nur die beiden fruchtbaren Referenten einschließen, sondern hier in Anwesenheit der Verleger gerade bei dem jetzigen Thema auch die „Dritt- und Viertreferenten" in den Zeitschriften. Beispielsweise der Beitrag von Herrn Papier im Verwaltungsblatt ist ein höchst interessantes und qualifiziertes Drittreferat zum heutigen Gegenstand gewesen. Wir sollten uns bewußt sein - vielleicht werden die Landesberichte dies in wenigen Minuten erhärten -, daß wir bei unserer Behandlung des Art. 12 es mit einer Art von „deutschem Unikat" zu tun haben. Dies hängt sehr stark zusammen mit Art. 1 Abs. 3, mit der unmittelbaren Wirksamkeit der Grundrechte, mit unserer weitgespannten Justiziabilität. Wir behandeln hier ja nur die Blütenspitzen der Verfassungsgerichtsbarkeit.

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Aber wo in der Welt gibt es das sonst noch, daß sich veritable Verwaltungsrichter sozusagen mit dem Zentimetermaß in der Hand in Anatomiehörsälen verlieren, um festzustellen, ob nicht tatsächlich noch drei weitere Medizinstudenten hineinpassen könnten! Das ist nur leicht übertrieben. Das zu der m. E. sehr ernsten Frage, ob wir uns zumindest bei der Numerus-Clausus-Rechtsprechung zu Art. 12 nicht bereits unter einem wirklichen „Gouvernement des juges" befinden. Hauptsächlich möchte ich mich bei den beiden Referenten bedanken, daß sie bei aller Bedeutsamkeit der individuellen Aspekte des Themas auch das im Auge behalten haben, was Herr Papier die gesamtwirtschaftliche Funktion des Art. 12 genannt hat. Man sollte, ohne die berühmtberüchtigte Diskussion über die Wirtschaftsverfassung des Grundgesetzes zu erneuern, doch sagen - das ist m. E. schwer bestreitbar -, daß wir es bei Art. 12 mit einem Eckstein der Verfassungsordnung in wirtschaftlicher Hinsicht zu tun haben, und zwar - das ist verschiedentlich zu Recht schon angeklungen - in grundsätzlich liberal-freiheitlicher Ausprägung. Art. 12 enthält nicht nur für die individuellen Ansprüche, sondern für die staatliche Aktion insgesamt sehr wesentliche Aussagen. Ich würde insofern Herrn Lechelers Trennungsthese nachdrücklich zustimmen, daß in dieser Richtung die eigentliche sedes materiae und Aussagekraft des Art. 12 liegt, während daneben, Herr Leisner, das Sozialstaatsprinzip aus Art. 20 oder der Art. 109 als gesamtwirtschaftliches Gleichgewicht die soziale Seite der Aktion des Staates rechtfertigt. Art. 12 leistet demgegenüber einen spezifisch freiheitsgerichteten Beitrag. Wenn man im Rahmen des Art. 12 die soziale Komponente verstärken wollte, müßte man an seinem Wortlaut etwas ändern. Wir haben uns darüber lange in der Staatszielkommission unterhalten - mit unterschiedlichem Erfolg. Ich will das jetzt nicht vertiefen. Zweite und letzte Bemerkung: Ausbildung ist mit Recht als eine weitere Komponente des Art. 12 sehr stark hervorgehoben worden. Ich würde sagen: Ausbildung ist das Vorfeld des Berufs, und wenn man die beschäftigungspolitische Komponente legitimerweise als Staatsaufgabe jedenfalls im Umfeld des Art. 12 anerkennt, dann muß man im Rahmen der traditionellen Auslegung des Art. 12 allmählich in manchen Punkten etwas umdenken. Ich begrüße insofern nachdrücklich, was Sie gesagt haben, Herr Schneider, sowie Herr Pitschas in seiner schönen Monographie, daß beispielsweise zu dem Thema ,yerbot der Berufslenkung" und ähnlichen Schreckworten ein neuerliches Nachdenken notwendig ist. Wie könnte dies im Rahmen der Grundrechtsdogmatik zu lösen sein? Zwei Aspekte sind hervorzuheben. Wir müssen uns auch bei Art. 12 stärker des Gedankens der Einheit der Verfassung und der Abwägung mit anderen Verfassungspositionen bewußt werden. Ein Beispiel aus dem Bereich der Universität: Sie haben den Art. 5 Abs. 3 erwähnt, Herr

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Schneider, und Sie haben diesen Aspekt ebenfalls am Ende anklingen lassen, Herr Lecheler. Es ist sehr wichtig, darüber nachzudenken, was sich etwa aus der Qualität wirklich wissenschaftlicher Tätigkeit aus Art. 5 Abs. 3 fur die verantwortbare „Kapazität" einer Hochschule ergibt und wie das zu vereinen ist mit der notwendigerweise sehr starken Kapazitätsmaximierungskonzeption des Art. 12 in der Auslegung der Verwaltungsgerichte. Konkretes Beispiel: die Lehrdeputatsverordnungen sehen jetzt, im Entwurf für Baden-Württemberg jedenfalls, 8 Stunden fur den Professor, 8 Stunden aber auch ζ. B. für den frisch bestallten Assistenzarzt vor. Die werden kapazitätsmäßig einfach gleich gerechnet. Sind aber die Stunden des jungen Arztes tatsächlich mit der entsprechenden Lehrzeit des erfahrenen, habilitierten Klinikchefs so mir nichts, dir nichts austauschbar? Entspricht das dem Inhalt des Art. 5 Abs. 3, wenn man an die wissenschaftsfreiheitsrechtlichen Differenzierungen in der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts denkt? Kein Geringerer als Herr Benda hat neulich in einem WRK-Referat darauf hingewiesen, daß im Verhältnis Art. 5 Abs. 3 zu Art. 12 noch viel terra incognita liegt. Abschließend möchte ich den glücklichen Gedanken des „erforderlichen Nachweises" von Herrn Lechelemoch einmal aufgreifen. Bei der nötigen Mitberücksichtigung nicht nur der subjektiven Ausbildungswünsche einzelner, sondern auch der legitimen öffentlich-gesellschaftlichen Bedürfnisse wird der Staat zwar plausibel nachzuweisen haben, weshalb er in bestimmtem Sinne eingreifend und lenkend tätig werden will. Wenn ihm dieser Nachweis aber gelingt, wird man ihn nicht in einseitiger Fixierung auf Art. 12 und Verweis auf ein vermeintliches Dogma „Verbot der Berufslenkung" lahmlegen dürfen. Insofern halte ich beispielsweise im Bereich des Lehrerbedarfs, in dem die Dinge relativ genau ausrechenbar sind, das in treulicher Wiederholung der traditionellen Rechtsprechung jüngst ergangene Urteil des Verwaltungsgerichtshofs Mannheim, das wiederum jeden Gedanken der Kapazitätslenkung als verfassungsrechtlichen Sündenfall von sich weist, nicht für das letzte sinnvolle Wort.

Vorsitzender: Herr Oppermann, vielen Dank. Sie haben zu Beginn Ihres Votums die schöne Frage gestellt: Wo in aller Welt versteht man sonst einen Art. 12 GG so wie bei uns? Das ermutigt mich jetzt dazu, die ausländischen Kollegen einzubeziehen. Vielleicht können sie Ihre Frage beantworten, die Sie mit der Intuition eines verdienten Altvorstandes gestellt haben; als ersten darf ich den Schweizer Kollegen, Herrn Georg Müller aus Zürich bitten, nunmehr im Rahmen der Grundfragen zu votieren, wie mit ihm abgesprochen - er hat etwas mehr Zeit, weil er ein Schweizer ist.

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G. Müller: Ich bedanke mich für das Zugeständnis. In der schweizerischen Bundesverfassung findet sich der Begriff der Berufsfreiheit nirgends. Gewährleistet wird in Art. 31 die Handels- und Gewerbefreiheit. Nach dem Wortlaut der schweizerischen Verfassung steht also die Freiheit des Handel und Gewerbe Treibenden, des selbständigen Unternehmers klar im Vordergrund. Bis 1958 konnten sich denn auch nach der Praxis des Bundesgerichts nur selbständig Erwerbende auf die Handelsund Gewerbefreiheit berufen. Heute allerdings schützt dieses Grundrecht anerkanntermaßen auch den Arbeitnehmer. Im Ergebnis ist also die Rechtslage trotz anderslautender Verfassungsbestimmungen ähnlich wie in Deutschland: garantiert wird die freie Wahl und Ausübung des Berufs; Einschränkungen dieses Grundrechts sind nur zulässig, wenn sie auf einer gesetzlichen Grundlage beruhen, im öffentlichen Interesse liegen und verhältnismäßig sind. Wir kennen in der Schweiz allerdings keine Stufentheorie. Da fehlt uns Schweizern offenbar wieder einmal das notwendige Differenzierungsvermögen. Nach dem, was Herr Lecheler heute morgen gesagt hat zur Praxis der Stufentheorie, brauchen wir uns deswegen, wie mir scheint, allerdings nicht zu schämen. Nun kommt aber etwas hinzu, was Herr Peter Saladin als europäische Singularität bezeichnet hat - es gibt hier, Herr Oppermann, nicht nur ein deutsches Unifikat, sondern wir nehmen auch etwas Singuläres in Anspruch in diesem Bereich - : Die Handels- und Gewerbefreiheit, also auch die Berufsfreiheit, darf nur aus polizeilichen und sozialpolitischen, nicht aber oder jedenfalls nicht aus beliebigen wirtschaftspolitischen Gründen eingeschränkt werden, es sei denn, die Bundesverfassung ermächtige ausdrücklich dazu. Gewährleistet ist also in der Schweiz nicht bloß die Berufsfreiheit, sondern (in den Schranken der Verfassung) auch und anders als in Deutschland das System der freien Konkurrenz im Wirtschaftsleben. Es besteht mit anderen Worten ein Verfassungsvorbehalt. Da sind wir vielleicht einmal den Deutschen in der Begrifflichkeit etwas voraus. Es besteht ein Verfassungsvorbehalt für bestimmte, besonders qualifizierte Staatseingriffe in dieses System. Welche Maßnahmen ohne Verfassungsgrundlage unzulässig sind, ist allerdings heftig umstritten. Die Auseinandersetzungen um die Begriffe der Wirtschaftspolitik, der „Abweichungen" von der Handels- und Gewerbefreiheit beschäftigen uns zuweilen so sehr, daß wir darob die praktisch oft viel bedeutsameren Probleme der Berufsfreiheit etwas vernachlässigen. Herr Lecheler hol uns zwar heute morgen sehr gelobt dafür, daß wir die Bedeutung der Berufsfreiheit hoch einschätzen, aber das bezieht sich wohl eher auf die Wirtschaftsfreiheit im Sinne des Schutzes vor bestimmten Staatseingriffen in den Wirtschaftsprozeß. Die schweizerische Bundesverfassung garantiert wie das Grundgesetz kein Recht auf Arbeit im Sinne eines gerichtlich durchsetzbaren sozialen

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Grundrechts oder Teilhaberechts. Zwei Völksinitiativen, die auf Einfuhrung eines solchen Rechts durch Verfassungsrevision abzielten, sind von Volk und Ständen verworfen worden. Das Bundesgericht hat es auch - im Gegensatz zum deutschen Bundesverfassungsgericht - abgelehnt, aus der Handels- und Gewerbefreiheit einen Anspruch auf Zugang zu staatlichen Bildungseinrichtungen, insbesondere zu Hochschulen, abzuleiten. Immerhin hat das Gericht die Bedeutung der Bildung als Voraussetzung für die Verwirklichung der Berufsfreiheit und für eine freie und harmonische Entwicklung der Persönlichkeit dazu veranlaßt, das Legalitätsprinzip auf den Bereich der Leistungsverwaltung auszudehnen und zu verlangen, daß Zulassungsbeschränkungen an Hochschulen durch ein formelles Gesetz geregelt werden müssen. Das Gericht hat sogar angedeutet, daß die Nichtzulassung eines fähigen Bewerbers zum Studium an allen Schweizer Universitäten einen Eingriff in die persönliche Freiheit darstellen könnte. Da kommt doch wieder sehr deutlich der Persönlichkeitsbezug der Berufsfreiheit zum Ausdruck. Von diesem Ansatz abgesehen zeigen sich keine Versuche, aus einer konstitutiv verstandenen Berufsfreiheit staatliche Schutzpflichten zu entwickeln, wie dies Herr Schneider heute für die Auslegung des Art. 12 des Grundgesetzes gefordert hat. Das hängt nach meiner Auffassung damit zusammen, daß wir über eine im Vergleich zum Grundgesetz sehr detaillierte Arbeitsverfassung verfügen, die den Bundesgesetzgeber mit relativ präzisen Aufträgen und Zielsetzungen im Bereich der Beschäftigungspolitik, der Ausgestaltung der Arbeitsmarktfreiheiten, des Arbeitsrechts und des Arbeitnehmerschutzes sowie der Berufsbildung anleitet, aber auch in Schranken hält. Diese Kompetenznormen stehen im gleichen Rang wie die Handels- und Gewerbefreiheit. Die darin zum Ausdruck kommenden Wertungen sind zu harmonisieren mit denjenigen, welche sich aus der Garantie der Wirtschaftsfreiheit ergeben. Bei einer solchen gesamtheitlichen Betrachtung der Wirtschafts- und Arbeitsverfassung scheint mir der Schutz der Arbeitnehmer ausreichend gesichert - in der Schweiz jedenfalls -, ohne daß die Handels- und Gewerbefreiheit konstitutiv gedeutet werden muß. Unsere Verfassung ist - und darin dürfte ein wesentlicher Unterschied zum Grundgesetz liegen - in hohem Maße ein Fechtboden der Politik, oder wie Herr Schneider wohl sagen würde, ein Vehikel tagespolitischer Entscheidungen. Wir tragen viele Kontroversen, über die in Deutschland der Gesetzgeber zu entscheiden hat, auf Verfassungsebene aus. Auch die Arbeitsverfassung ist zur Zeit wieder Gegenstand solcher Auseinandersetzungen. Vor dem Parlament liegen zwei einschlägige Volksinitiativen auf Partialrevision der Bundesverfassung, eine erste betreffend Kündigungsschutz im Arbeitsvertragsrecht und eine zweite für eine gesicherte Berufsbildung und Berufsumschulung, die auf Schaffung zusätzlicher, durch den Staat und die Arbeitgeber

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finanzierter Ausbildungsplätze, Umschulungs- und Weiterbildungsmöglichkeiten abzielt. Ferner hat der Schweizerische Gewerkschaftsbund vor ein paar Wochen eine Volksinitiative - wieder auf Revision der Verfassung - zur Herabsetzung der Arbeitszeit eingereicht. In der Schweiz werden sich deshalb künftig nicht nur die Staatsrechtslehrer und die Politiker, sondern voraussichtlich sogar die Stimmbürger an der Urne über die Ausgestaltung der Berufsfreiheit und des Grundrechts auf Arbeit aussprechen müssen. Ich danke Ihnen. Vorsitzender: Vielen Dank, Herr Müller. Sie haben praktisch schon viele Gesichtspunkte, die wir in unseren späteren deutschen Gliederungsschwerpunkten noch behandeln müssen, für die Schweiz bereits integriert. Offen bleibt allenfalls die Frage, ob es nicht schweizerische Kantonsverfassungen gibt, etwa die des Kantons Jura (1977), die durchaus nicht nur ein Grundrecht der Arbeit, sondern vielleicht sogar ein Grundrecht auf Arbeit verankert haben. Ich will dies aber nicht weiter vertiefen; es steht mir leider hier und heute nicht zu. Ich darf stattdessen in diesem Rahmen zur weiteren Integrierung des deutschsprachigen Auslandes Herrn Kollegen Öhlinger herzlich um sein Votum bitten. Öhlinger: Da meine Wortmeldung unmittelbar durch eine Frage von Herrn Oppermann ausgelöst wurde, möchte ich als erstes ihm sagen, daß aus österreichischer Sicht seine Vermutung zu bejahen wäre. Trotzdem möchte ich Herrn Schneider danken, daß er entgegen dem ihm vorgegebenen Titel seines Referats in seiner Einleitung durchaus auch die österreichische Rechtslage einbezogen und der deutschen Rechtslage gleichgestellt hat. Dies ist vom Text der Verfassung her gesehen absolut richtig. Wir haben in Österreich, was das positive Verfassungsrecht anlangt, eine zumindest sehr ähnliche Rechtslage. Wir haben die Grundrechte der Berufswahl, der Berufsausbildung und auch der Ausübung des Berufs in sehr ähnlichen Worten in unserem Verfassungstext verankert, allerdings in einer Verengung, die ebenfalls Herr Schneider unter dem Aspekt einer kulturellen Dimension und einer ökonomischen Dimension angedeutet hat. Das Recht der Berufswahl und Berufsausbildung findet sich in Art. 18 StGG an fast letzter Stelle des Grundrechtskatalogs im Anschluß an die Wissenschaftsfreiheit, während die Berufsausübung in klassischer Weise als ein Recht der freien Erwerbstätigkeit in Art. 6 Staatsgrundgesetz in unmittelbarem Zusammenhang mit Freizügigkeit, Freiheit des Liegenschaftsverkehrs usw. normiert ist. Wir haben diese Rechtslage im wesentlichen unverändert seit 1867. Und diese lange Geschichte haftet der Interpretation dieser Bestimmungen ganz deutlich an. Die Eierschalen der Entstehungszeit haben diese Bestimmungen in der verfassungsrechtlichen Judikatur nicht ablegen können. Der Verfas-

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sungsgerichtshof versteht einmal alle diese Bestimmungen als rein staatsgerichtete Abwehrrechte. Zwar hat er schon in einer relativ frühen Entscheidung betont, daß die Berufsfreiheit natürlich außer fur Selbständige auch für Unselbständige gelte, aber das ist eine Formel geblieben, die keine praktischen Auswirkungen hatte. Dieses Grundrecht wurde auch nie herangezogen, um gesetzliche Regelungen des Arbeitnehmerschutzes oder überhaupt des Arbeitsrechts auf ihre Verfassungsmäßigkeit zu prüfen. Noch weniger wurde dem Gedanken Rechnung getragen, eine direkte Einwirkung auf den individuellen Arbeitsvertrag in einer Art mittelbaren oder gar unmittelbaren Drittwirkung anzunehmen. Alle diese Bestimmungen werden an sich betont historisch ausgelegt, so, wie sie an sich ursprünglich gemeint waren, nämlich als Beseitigung ständischer und zünftischer Beschränkungen des Zugangs zu bestimmten Berufen. Der Gesetzesvorbehalt, der sich ausdrücklich nur bei der Erwerbsfreiheit findet, wird praktisch auch auf die Berufswahl ausgedehnt, so daß sich dieses Recht in Wahrheit beschränkt auf den intellektuellen Akt der Entscheidung für einen bestimmten Beruf. Das hat natürlich wenig praktische Bedeutung. Im übrigen findet sich gerade in Österreich eine äußerst intensive Reglementierung der Berufstätigkeit und all ihrer Vorstufen, vor allem sind Ausbildungsvorgänge in detaillierter Weise für fast alle Berufe vorgeschrieben, aber auch sachliche Voraussetzungen wie Bedarfsprüfungen gibt es. Sie wurden vor einigen Jahren stark reduziert, jedoch ohne ausdrücklichen Bezug zur Verfassung, sondern aus ökonomischen und wirtschaftspolitischen Überlegungen. Ich will aber hier nicht ein Landesreferat, das nicht vorgesehen ist, einschmuggeln, sondern möchte nur einen Aspekt aufgreifen. Dieses restriktive Verständnis aller mit dem Beruf zusammenhängenden Grundrechte wird eigentlich in Österreich von niemandem besonders kritisiert und auch von niemandem als besonderer Mangel empfunden, weder in der Staatsrechtslehre noch, wie ich glaube, auch in der Öffentlichkeit und bei den politischen Organen. Und das, obwohl die österreichische Politik in den letzten Jahren Maximen gefolgt ist, wie sie zum Teil Herr Schneider in seinen Thesen 8 bis 10 als verfassungsrechtliche Maximen formuliert hat. Sie wurden in Österreich als ausschließlich politische Maximen verstanden. Aber ich glaube, die Priorität der Arbeitsplatzsicherung hat in Österreich wirklich Priorität gehabt, in höherem Maße vielleicht als in Ihrem Land. Um die Sicherung von Lehrplätzen für Jugendliche wurde mit sehr intensivem staatlichem, auch finanziellem, Einsatz immerhin erfolgreich gekämpft. Wir können tatsächlich sagen, daß die Jugendarbeitslosigkeit, verglichen mit anderen westeuropäischen Ländern, marginal ist. Die Politik ist also sehr stark von solchen Maximen getragen. Sie werden aber nicht als verfassungsrechtliche Maximen verstanden. Mir ist am heutigen Vormittag, nicht zum ersten

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Mal, wieder bewußt geworden - und das deckt sich ein wenig, meine ich, mit dem, was Herr Müller zuvor gesagt hat -, daß offenbar in Österreich bei aller Skepsis und bei allem Wissen um seine Unzulänglichkeit - das Vertrauen in die Mechanismen des politischen Prozesses und insbesondere auch in die Mechanismen der Auseinandersetzung zwischen den organisierten Interessen - Stichwort: Sozialpartnerschaft - offenbar doch um einiges größer ist, wie umgekehrt die Skepsis, in diesen Fragen, die doch politisch, nicht unbedingt parteipolitisch, in höchstem Maße kontrovers sind, die richtige Lösung von einem Verfassungsgericht zu erwarten. Das gilt auch für jene Fragen, wenn ich das noch ganz kurz sagen darf, die möglicherweise auch bei uns eine Rolle spielen werden, auch in der verfassungsrechtlichen Judikatur, und die die neue Problematik der Verteilung des knapp gewordenen Guts der Arbeit betreffen. Auch bei uns diskutiert man Nebenbeschäftigungsverbote, Einschränkungen von Arbeitszeit usw. und natürlich könnte hier die Frage, ob das noch mit der Freiheit der Berufsausübung, wie sie die Verfassung garantiert, vereinbar ist, auftauchen. Aber all diese Fragen sind ja gerade unter diesem Gesichtspunkt ambivalent; was zweifellos für den einen eine Einschränkung der Freiheit ist, ist vielleicht fur einen anderen Bedingung der Möglichkeit, überhaupt einen Beruf ausüben zu können. Und eben aus diesem Grunde, vermute ich, wird man kaum diese Fragen verfassungsrechtlich thematisieren. Und hier möchte ich auch noch eine Kritik an Herrn Lecheler anmerken: In Ihrer doch eher traditionelleren Deutung dieses Rechts als Freiheitsrecht stehen Sie natürlich im Ergebnis den Österreichern etwas näher als vielleicht Herr Schneider. Das gilt für das Ergebnis, aber kaum für die Begründung. Nur an einem Beispiel illustriert: Sie haben das Verbot der Leiharbeit genannt und gesagt, das sei keine Schutzvorschrift mehr, sondern eine reine Beschränkung. Hier würde ich als Verfassungsjurist sagen, ich weiß das nicht. Ich glaube, die Verhältnisse sind doch komplizierter, als daß man das so einfach abtun könnte, so daß die Frage, ob nicht solche Auseinandersetzungen doch eher den Interessenvertretungen, letztlich dem Parlament, zu überlassen sind, ohne sie von vornherein verfassungsrechtlich zu determinieren, m. E. berechtigt ist. Darf ich noch einen allerletzten Punkt sagen? In einem Punkt ist die Berufsfreiheit in Österreich, das Grundrecht der Berufsfreiheit, doch sehr effektiv gewesen. Das betrifft die Frage des Numerus clausus. Hier war man in Österreich immer der Überzeugung, daß ein solcher mit dem Recht, daß jedermann seinen Beruf frei wählen und sich dafür ausbilden kann, wo und wie er will - so der Text unserer Verfassung - nicht vereinbar wäre. Man hat offenbar in Österreich nicht nur weniger Phantasie in der Ausgestaltung der Grundrechte, sondern auch weniger Phantasie bei der Beschränkung der Grundrechte entwickelt. Danke.

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Vorsitzender: Vielen Dank, Herr Öhlinger. Es ist selbstverständlich, ja natürlich, daß Herr Lecheler Ihnen als Österreicher nähersteht denn Herr Hans-Peter Schneider. Denn Herr Lecheler kommt aus Bayern und Herr H.-P. Schneider ms Hannover. Wir möchten für die spätere Diskussion aus Ihrem Votum manches als Merkposten festhalten, weil es bei uns auch aktuell werden könnte: unter dem Themenschwerpunkt 4 (Berufslenkung) etwa die Frage, wie das mit dem Verbot von Nebenbeschäftigungen im öffentlichen Dienst im Deutschland des GG wäre. Ich möchte nunmehr Herrn von Arnim aufrufen, der sich ebenfalls zum Schwerpunkt 1 gemeldet hatte. Allmählich sollten wir dann den Übergang zum Schwerpunkt 2 leisten, der ja von einigen der Redner bereits angedeutet worden ist. v. Arnim: Meine Bemerkungen betreffen das Referat von Herrn Schneider. Ich bin der Meinung, daß viele Ihrer Thesen zusammenhängen mit der Gretchenfrage: „Wie hältst Du's mit der Ökonomie Τ Das läßt sich vor allen Dingen an den Verbindungen, Rückwirkungen und Kollisionen zeigen, die Sie, Herr Schneider, zwischen Art. 12, Art. 109 Abs. 2 und Art. 9 Abs. 3 GG hergestellt haben. Ich möchte die Richtung in Zweifel ziehen, die Sie hierbei eingeschlagen haben. Sie gehenja von zweierlei aus: Art. 12 bewirke eine Priorität des Völlbeschäftigungsziels im Rahmen des Art. 109 Abs. 2. Sie sprachen von einem Vollbeschäftigungsgebot, einer Priorität vor allem gegenüber dem Ziel Preisniveaustabilität. Und weiter gehen Sie davon aus, Art. 12 habe als lex generalis hinter Art. 9 Abs. 3 als lex specialis zurückzutreten; dies war Ihre These 16. Dazu nun zwei kritische Fragen. Erstens: Besteht zwischen Vollbeschäftigung und Preisstabilität aus ökonomischer Sicht wirklich ein Alternatiwerhältnis, wovon Sie ausgegangen sind, oder besteht nicht vielleicht in vielen Situationen ein Verhältnis der gegenseitigen Ergänzung, der gegenseitigen Komplementarität, das sich dann schlagwortartig in dem Satz zusammenfassen ließe: Preisstabilität ist nicht alles, aber ohne Preisstabilität ist alles nichts. Und die zweite Frage: Ist der einseitige Vorrang der Vollbeschäftigung, den Sie gegenüber der Preisstabilität konstruiert haben, zusammen mit dem Zurücktreten von Art. 12 hinter Art. 9 Abs. 3 nicht deshalb außerordentlich gefährlich, weil dann die Tarifvertragsparteien aus ihrer Mitverantwortung für beides, für einen hohen Beschäftigungsstand und für Preisstabilität, tendenziell entlassen werden? Meines Erachtens zeigen sich die Gefahren, wenn man einen Blick auf die jüngere Wirtschaftsgeschichte der Bundesrepublik wirft. Bekanntlich hat in den ersten siebziger Jahren der damalige Bundeskanzler Willy Brandt eine Völlbeschäftigungsgarantie öffentlich abgegeben. Dies hatte mit zur Folge - so sehen es heute viele Ökonomen daß Lohnsteigerungen in einer Höhe vereinbart wurden, die hohe Preissteigerungen mitverur-

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sachten und auch mit dazu führten, daß das Ziel „hoher Beschäftigungsstand" dann ab Mitte der siebziger Jahre ins Rutschen geriet. Heute sehen viele Ökonomen deshalb in der damaligen Vollbeschäftigungsgarantie einen Kardinalfehler, weil sie die Tarifvertragsparteien von ihrer Mitverantwortung für Beschäftigung und Preisniveau zu befreien schien und dadurch der folgenden Preissteigerung und Arbeitslosigkeit Vorschub leistete. Wenn diese Ökonomen Recht haben und die regierungsamtliche Vollbeschäftigungsgarantie damals ein politökonomischer Fehler ersten Ranges war, wiederholen Sie dann, Herr Schneider, nicht auf verfassungsrechtlicher Ebene eben diesen Fehler? Vor diesem Hintergrund möchte ich einen Vorrang von Vollbeschäftigung gegenüber Preisniveaustabilität, den Sie konstruiert haben, in Frage stellen; das gleiche gilt für Ihre These vom Vorrang des Art. 9 Abs. 3 gegenüber Art. 12; zwischen 9 Abs. 3 und 12 besteht meines Erachtens ein wechselbezügliches Verhältnis, kein einseitiger Vorrang. Vorsitzender: Vielen Dank. Ich darf jetzt Herrn Zacher ums Wort bitten. Bei ihm kommt es sicherlich zu einer Koinzidenz sowohl von „regulärem Beitrag" als auch von „spontanem Beitrag". Könnten Sie bitte auch allmählich auf Punkt 2 überleiten, mit Verlaub? Zacher: Herr Vorsitzender, meine Damen und Herren! Zunächst eine Frage an Herrn Lecheler: Ich habe bei Ihrem Referat schmerzlich darauf gewartet, daß Sie mir einen besseren Aufschluß geben über die Problematik, ob die Grenze zwischen der Freiheit und dem öffentlichen Interesse, wie wir sie in der Stufenlehre ausgedrückt finden, dogmatisch der Person des Freiheitsinhabers oder der Organisation gewisser Betätigungen zuzuordnen ist. Ich meine damit ζ. B., daß die Grenzen des Arztberufes an die Person geknüpft sind und auch jemand, der sozusagen ärztliche Tätigkeit als Unternehmer ausübt, das nur durch Ärzte tun kann, daß auf der anderen Seite aber, wenn in einem Handwerksbetrieb Tätigkeiten verrichtet werden, es vollkommen genügt, wenn ein Handwerker da ist. Die anderen in dem Betrieb können dann so dumm sein, wie sie wollen. Wir kennen die Problematik aus dem Ingenieurgesetz usw. Ich glaube, diese Grenzziehung zwischen selbständiger und abhängiger Tätigkeit bedürfte noch einer Vertiefung. Ein zweiter Punkt gilt der Realanalyse. Ich glaube, man müßte noch einen Akzent nachtragen, einen Akzent, der zur ganzen Problematik' gehört, nämlich daß wir nicht nur einen immensen Übergang von der selbständigen zur unselbständigen Tätigkeit zu verzeichnen haben, sondern daß wir innerhalb der unselbständigen Tätigkeiten auch einen weiteren Übergang, nämlich eine Konzentration bei Großarbeitgebern, zu verzeichnen haben. Wir haben ein unglaubliches Anwachsen des ganzen

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öffentlichen Dienstes, und wir haben immer mehr - ich habe das auch einmal mit Zahlen veröffentlicht - Arbeitnehmer, die bei Großunternehmen beschäftigt sind. Da ist nun auch eine Wechselwirkung gegeben. Es ist einerseits so, daß die Entwicklung des Arbeitsrechts, der Betriebsverfassung, der ganzen Komplikationen des Arbeits- und Sozialrechts ja auch ein Beitrag dazu ist, warum immer nur noch größere Unternehmen sich rentieren, und andererseits, daß diese arbeitsrechtlichen Schutzvorschriften überhaupt schon so berechnet sind, daß Großunternehmen als Ansprechpartner da sind - mit Juristen, mit Bürokratien. Wir haben also eine Bürokratisierung des Arbeitslebens auf der Seite der Arbeitgeber, aber auch eine Art „kalter Sozialisierung" des ganzen Arbeitslebens, indem immer mehr Großarbeitgeber das Arbeitsleben bestimmen. Wir haben damit ja auch eine gewisse Annäherung zwischen öffentlichem Dienstrecht und gesamtem Arbeitsrecht. In vielen Garantien sehen wir das, nicht zuletzt, wenn die Existenz von Unternehmen und Arbeitsplätzen bedroht ist. Dahin geht ja auch ein gesamtnationaler Wunsch. Die Menschen wollen ja kaum noch selbständige Tätigkeit. Sondern sie wollen Arbeitnehmer werden: entweder direkt mit den Sicherungen des Beamten oder indem sie bei so großen „guten" Unternehmen tätig sind, daß sie sagen können: uns kann es höchstens besser gehen, als es Beamten geht. Dieser Aspekt der Realanalyse fuhrt m. E. zu Konsequenzen gerade im Hinblick auf den Zugang zur Arbeit und auf die Freiheit in der Arbeit, die jedenfalls vom Werthorizont der Bevölkerung her weitgehend so gedacht wird wie die Freiheit zur Arbeit und in der Arbeit im öffentlichen Dienst seit langem schon gedacht wird - letztlich also: eine Ausdehnung des Art. 33 Abs. 4,5 auf den Bereich der Freiheit des Arbeitslebens! Nun zur Rolle des Sozialrechts. Zwei Unterpunkte. Der erste: Herr Lecheler, Sie haben von der Prägung gesprochen, die unsere Berufsfreiheit erfahren hat durch unterverfassungsgesetzliches Recht. Ich möchte hier nur noch nachtragen: nicht zuletzt auch durch das Sozialrecht. Das Rentenalter etwa ist etwas sehr Prägendes geworden. Über 65 hört die Freiheit des Berufs auf, weil man da sagt, da kann man schon in Rente gehen. Zu der faktischen Prägung zählt hier das Sozialrecht. Nun aber zu dem zweiten Unterpunkt: zu dem Komplex, den vor allem Herr Schneider angesprochen hat - ich würde sagen: zur Alternativität zwischen Arbeit und Sozialeinkommen. Wir müssen uns hier, glaube ich, eine Ausgangsfrage stellen. Unser Sozialrecht geht zunächst einmal von einer Freiheit zum Beruf aus, nicht von einer Freiheit gegen den Beruf: Beruf in dem Sinne, daß man sich den Lebensunterhalt selbst verdient oder verdienen kann. Das heißt also, Ausgangspunkt ist die Selbstverantwortung eines jeden dadurch, daß er seinen Lebensunterhalt durch einen Beruf selbst verdient. Die Frage dagegen: wie wird die Berufswahl, die einmal getroffen ist, respektiert, wenn sie getroffen ist,

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ist unglaublich differenziert. Und fur sie gibt es aus dem Art. 12 heraus keine einheitliche Antwort. Die ursprüngliche Antwort unterscheidet etwa so. Wenn die Freiheit der Wahl aus subjektiven Gründen desavouiert ist, d. h. also, wenn jemand invalide geworden ist und deshalb nicht mehr die volle Freiheit oder überhaupt keine Freiheit mehr hat, dann stellt man ihn sozialrechtlich so, als ob er die gesamte Wahlfreiheit noch einmal hätte. Man verweist ihn auf das gesamte Arbeitsleben. Davon gehen unsere „Minderung der Erwerbsfähigkeit" und unsere Erwerbsunfähigkeitstatbestände aus. Wir haben Zwischentatbestände in gewissen Sonderbereichen - Sonderleistungen bei Minderung der Erwerbsfähigkeit, in der Berufsunfähigkeitsrente. Aber die Basisregel ist: Du mußt dich so stellen lassen, als könntest du alles noch einmal rekapitulieren. Wir haben dagegen, wenn die Einschränkung der Wahl subjektiv-gesellschaftliche Gründe hat, wie es typisch ist für die Arbeitslosigkeit, wo wir nicht genau wissen, ob sie gesellschaftlich oder individuell verursacht ist, durch die Zumutbarkeitsregel immer schon eine weiche Form des Übergangs. Und wir haben dort, wo die Ursachen unspezifisch sind wie im Bereich der Sozialhilfe, eine ebenso diffuse Reaktion des Rechts: einige Sondertatbestände und darüber hinaus die Regelung, daß, wenn jemand nicht arbeitet, er keinen Anspruch hat, aber trotzdem zu unterhalten ist. Wir haben dann den Rückzug vom subjektiven Recht auf die alte objektive Pflicht zur Fürsorge. Wir haben jetzt aber zwei zentrale Irritationen, und die, glaube ich, müssen wir auseinanderhalten. Die erste Irritation ist, daß gerade die jungen Richter, überhaupt die jungen Leute, die im Geist des Art. 12, als eines Teilhaberechts usw., erzogen worden sind, jetzt sagen: nein, der Art. 12 muß sich auch hier durchsetzen. Das heißt also: Freiheit zu Lasten der Solidargemeinschaft! Das ist eines der Konzepte, die wir gerade in Entscheidungen finden. Die andere Irritation ist die faktische Irritation, daß wir gar nicht mehr sagen können: Entscheidet er sich jetzt gegen die Arbeit, entscheidet er sich borniert für eine bestimmte Berufswahl oder gibt es für den wirklich keine Arbeit? Das ist hier die ganz zentrale Irritation, die von der Arbeitswelt ausgeht. Und das ist die Frage: ob wir hier es uns jetzt leisten können, durchzustoßen zur Freiheit der Berufswahl zu Lasten der Solidargemeinschaft oder - und diese Alternative kann ja auch sehr hart sein - ob wir wirklich sagen können, Unterbeschäftigung geht voll zu Lasten der Freiheit des einzelnen. Das ist eine Schere, eine ganz gewaltige Schere, die uns sozial ebenso wie im Lichte des Art. 12 etwas ratlos zurückläßt. Im Augenblick, glaube ich, können wir es uns nicht leisten zu sagen: Freiheit der Berufswahl auch zu Lasten der Solidargemeinschaft! Nicht nur aus Gründen der Finanzierbarkeit, sondern primär aus systematischen Gründen, aus rechtspolitischen Gründen, weil unser ganzes Sozialrechtssystem auf der Regel basiert, daß die Frei-

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heit der Berufswahl zu Lasten des einzelnen geht, und total durcheinander gerät, funktionsunfähig wird, wenn wir diese Regel preisgeben. Auf der anderen Seite ist es sozialstaatlich bedenklich zu sagen: Ausübung der Freiheit geht nur zu Lasten des einzelnen, auch wenn ihm gar nicht nachgewiesen werden kann, daß seine Freiheitsausübung schuld ist an seinem Schicksal. Auf kurze Sicht werden wir das mit Beschäftigungspolitik, Verfolgung des Vollbeschäftigungsziels, vor allem mit der Forderung - das ist ein Aspekt, den ich zu Ihnen, Herr Schneider, nachtragen möchte - nach Arbeits- und Berufsförderung als positiver Dimension aus Art. 12 GG zu lösen haben. Auf längere Sicht werden wir aber fragen müssen: Entweder paßt sich unser Arbeitsleben der alten Grundregel wieder an, oder wir müssen tatsächlich unser Sozialleistungssystem den neuen Arbeitsverhältnissen anpassen. Vorsitzender: Vielen Dank, Herr Zacher. Wir sind mit Ihrer Hilfe jetzt mitten im Schwerpunkt 2 und 3, dazu darf ich auch Herrn Stern bitten. Stern: Herr Vorsitzender, meine Damen und Herren! Ich glaube, daß der Vorstand richtig getan hat, eine Einzelexegese eines Grundrechts zum Thema eines Referats und eines Korreferats gewählt zu haben. Beides war notwendig und fruchtbar gerade in der gegenwärtigen Lage. Ich meine auch, daß es unseres Berufes ist, in dieser Situation eines schwierigen Arbeitsmarktes und schwieriger ökonomischer Umstände zum Grundrecht des Art. 12, dem Berufsgrundrecht, dem Arbeitsgrundrecht und Ausbildungsgrundrecht, Stellung zu nehmen. Denn aus dieser Grundrechtsnorm können doch einige Maßstäbe abgeleitet werden für wirtschaftspolitische Grundsatzentscheidungen bei aller Anerkennung dessen, daß der wirtschaftspolitische Spielraum von Regierung und Gesetzgeber im Rahmen einer economical-question-Doktrin, wie man es einmal genannt hat, groß ist. Ich respektiere auch in vollem Umfang die Realbedingungen, die gerade Herr Zadzerangesprochen hat, wenn er auf den Konzentrationsprozeß, wenn er auf den Verlust von selbständigen Existenzen hingewiesen hat, wenn er an die besondere Situation des Mittelstandes erinnert, der in großen Schwierigkeiten ist angesichts der weitgreifenden Großindustrie. Gerade wenn wir diese Grundbedingungen ins Auge fassen, dann möchte ich Herrn Scft/ie/iferzustimmen, daß er den persönlichkeitsrechtlichen Ansatz des Grundrechts an die Spitze seines Referats gestellt hat, und weniger - dies gegen Herrn Badura - den sozialstaatlichen Aspekt mit seiner Ermächtigung und mit seiner Schrankengrundlage. Nun könnte man fragen, was bringt das eigentlich? Im Letzten - das hat Herr Lecheler mit seiner Schlußbemerkung gesagt - bringt es eben doch einiges. Und da bin ich jetzt etwas verwundert, Herr Schneider, daß bei den

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konkreten Folgerungen, die Sie in der Einzelinterpretation des Art. 12 gezogen haben, eigentlich diese persönlichkeitsentfaltende, individualsubjektiv-rechtliche Linie doch etwas verlorengegangen ist. Da stimme ich im Grundsatz voll der freiheitsfördernden - so hat er es, glaube ich, genannt - Linie von Herrn Lecheler zu. Ich habe den Eindruck, Herr Schneider, Sie haben ein bißchen zu viel gerechtfertigt. Herr Vorsitzender, mit Verlaub, zwei Einzelfragen: Staatliche Lehrlingswerkstätten, Berufsbildungsabgabe, wenn ich es richtig verstanden haben sollte, dies unter Art. 12 gerechtfertigt - das würde mir etwas merkwürdig erscheinen. Ein Wort zum Thema „Mitbestimmung". Das haben beide Referenten angesprochen und haben sich - wenn ich es recht im Ohr habe - beklagt, unter Art. 12 sei das nicht so recht behandelt worden. Dagegen müßte ich eigentlich als einer derjenigen, der im Hearing damals im Bundestag beteiligt war, Widerspruch einlegen und würde sagen, da war einiges gesagt worden. Auch hier schlägt immer wieder der individualrechtliche Aspekt der Mitbestimmung durch, der ja leider nicht in dem Maße zum Ausdruck gebracht ist, wie es die Grundrechte gewollt haben; es ist vielmehr der kollektive, also Mitbestimmung durch die Gewerkschaftsseite, in den Vordergrund getreten. Damit ist aber gleichzeitig der Gesichtspunkt angesprochen, der Art. 12 in Verhältnis setzt zu anderen Grundrechten. Bei beiden Referaten habe ich die Verbindungslinien etwas vermißt, insbesondere zu Art. 9 Abs. 3. Von Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen ist da die Rede. Also beide Grundrechte müssen in mancher Hinsicht zusammen gesehen werden. Und schließlich ist auch die Verbindung zu Art. 109 Abs. 2 zu berücksichtigen. Herr Oppermann und Herr von Arnim sind auf diese Frage bereits eingegangen und, Herr Schneider, Sie sind ja auch in Ihrem Referat - Stichwort: gesamtwirtschaftliches Gleichgewicht - darauf eingegangen. Freilich meine ich in etwas einseitiger Weise - das ist auch in verschiedenen Beiträgen schon angeklungen. Zunächst einmal in Art. 109 Abs. 2 i. V. m. § 1 Stabilitätsgesetz steht nicht „Vollbeschäftigung", sondern „hoher Beschäftigungsstand". Das ist ein kleiner, aber immerhin doch bemerkenswerter Umstand, und vielleicht sollte man einmal darüber nachdenken, was eigentlich die Vorstellung war, die man damit gehabt hat, welche Quote noch zulässig ist in der Arbeitslosensituation. Sie haben, Herr Schneider, hier die Verbindungslinie zu Art. 12 in bezug auf Vollbeschäftigung gezogen, die anderen Elemente dieses gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichts aber nicht mit Grundrechten in Verbindung gebracht. Ich meine, daß man auch hier Preisstabilität - Unternehmerfreiheit in Zusammenhang mit Wirtschaftswachstum hat Herr Lecheler unter Art. 12 subsumiert - mit Grundrechten verknüpfen kann. Insgesamt gesehen frage ich mich allerdings, und das wäre die gegenteilige Grundsatzposition: Ist es überhaupt richtig, diese Ziele des gesamt-

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wirtschaftlichen Gleichgewichts mit Grundrechten in Verbindung zu bringen? Ist es nicht besser zu sagen: Diese Ziele sind Staatsziele, Staatsaufgaben, Staatszweckvorgaben und laufen daher eher auf der Schiene: Einschränkungen für Grundrechte. Im übrigen würde hierauch noch das Stichwort „Staatsverschuldung" bei gesamtwirtschaftlichem Gleichgewicht eine Rolle spielen, und die hängt ja auch mit dem Thema „Beschäftigung, Preisstabilität usw." zusammen. Interessant fand ich, daß Sie, Herr Lecheler, die Unternehmensfreiheit nicht mehr unter Art. 2, sondern unter Art. 12 bringen. Man muß diesen Überlegungen nachgehen. Sie haben natürlich erhebliche Konsequenzen. Nun ein letztes Wort: Das Stichwort „Wirtschaftsverfassung" ist bei Ihnen angeklungen, Herr Schneider, und in vielen der Begleitaufsätze, die zu dieser Tagung geschrieben wurden. Natürlich kann der Streit um die Wirtschaftsverfassung, der lange währte, hier nicht aufgewärmt werden und sollte es auch nicht. Aber wir sollten uns erinnern: Das Thema, das damals in der Entstehungsgeschichte eine Rolle spielte, war: Wollen wir etwas zu den sozialen Lebensordnungen sagen oder nicht? Das war der große Kampf: Auf der einen Seite Theodor Heuss ,yöllig unmöglich!", auf der anderen Seite andere, die etwas gesagt haben wollten. Das Ergebnis war, daß Art. 12 als eine dieser Entscheidungen herausgekommen ist, Art. 9, Art. 14, Art. 2 sind andere. Auch das Stichwort Arbeitsverfassung von Herrn Müller aus der Schweizer Bundesverfassung spielt hier eine Rolle. Und hier würde ich meinen, daß der Art. 12 als eine wirtschaftsordnungspolitische Richtungsentscheidung, eine wirtschaftsordnungsbezogene Richtungsentscheidung ist und als solche gewertet werden muß. Insofern Zustimmung zu dem Schlußgedanken von Herrn Lecheler. Art. 19 Abs. 3 ist bei ihm nicht angeklungen, aber wohl implizit mitgedacht worden. Allerletzter Punkt: Einzelfragen. Bei Herrn Lecheler kam das Stichwort „Tarifverträge" vor. Als Schranke? Wir stehen ja vor dieser Fragestellung gerade nach den letzten Tarifvertragsabschlüssen. Es ist doch sehr wohl denkbar, daß Arbeitgeber, Unternehmer und Arbeitnehmer mehr arbeiten wollen als es die Tarifverträge erlauben. Wirkt da nicht doch auch der Art. 12 in die Richtung, mehr Freiheit zu gewähren? Hier hätte ich gern ein Wort von Herrn Schneider zu seinem Stichwort „Kooperationsgrundrecht" gehört. Kooperationsgrundrecht wäre wohl im Zusammenhang von Arbeitgeber und Arbeitnehmer zu sehen. Vielen Dank. Vorsitzender: Vielen Dank, Herr Stern, für dieses grundsätzliche Votum. Mittlerweile hat sich eine Reihe von Problemen angesammelt, auf die die beiden Referenten bestimmt gerne antworten möchten. Nach ihrem Zwischenwort will ich allmählich auf Punkt 3 übergehen. Zu

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Punkt 2 hatte sich aber noch Herr Schmidt-Jortzig gemeldet, und das schließt auch an die kritischen Fragen von Herrn Kollegen Stern an Herrn H-R Schneider an. Darum jetzt Herr Schmidt-Jortzig. Schmidt-Jortzig: Mein Beitrag ist im Grunde ein Bündel von Fragen zu einem sektoral ganz bestimmten Teil der Ausführungen von Herrn Schneider. Ich gestehe, daß mir der liberalistische Auslegungsentwurf von Herrn Lecheler gedanklich und gefühlsmäßig an sich näher liegt. Desto mehr hat mich das, was Sie, Herr Schneider, an Konkretisierungsarbeit zu Art. 12 vorgetragen haben, interessiert, bewegt und engagiert; helfen Sie mir deshalb bitte noch ein wenig bei meinem Verständnis und auch bei meinem Versuch des Abschätzens, des Abwägens der Einsichten, die Sie dargelegt haben. Ganz konkret also, und da treffe ich mich mit dem, was Herr Stern anfänglich gefragt hat: Was kommt an praktischen Erträgen heraus? Liegt das Hauptziel Ihrer Bemühungen i. S. eines ganz materiellen Verfassungsverständnisses darin, daß ein neuer verständnismäßiger, kultureller Entwicklungsstand dokumentiert werden soll? Die Rechtsgemeinschaft möge an einem bestimmten Artikel ihrer Verfassung zeigen, wie sie zu den Problemen der Gegenwart steht. Oder geht Ihr Ansatz doch schon auf griffigere, substantiellere Gehalte aus? Und für diesen Fall dann weiter: Sehen Sie bereits eine gewisse Appellfunktion bei Art. 12, d. h. den Aufruf zur Verwirklichung des Grundrechtes in den neuen Dimensionen? Noch konkreter: Ergeben sich womöglich reale Gesetzgebungsaufträge, und wenn ja, gezielt schon, fest eingebunden auf bestimmte Sachverwirklichungen, oder nur allgemeine Anstöße, fördernd tätig zu werden? Weiter dann: Lassen sich Wirkungen und Ergebnisse vorstellen auch bezüglich der Auslegung einfachen Rechts, etwa in dem Sinne, daß durch die neuen Dimensionen des Art. 12 unbestimmte Gesetzesbegriffe Präzisierung finden oder Ermessenseröffnungen zweckgebundener werden? Verteilen sich möglicherweise bei Abwägungskonstellationen (Stichwort „praktische Konkordanz") die Gewichte neu? Wenn ich all dies erwäge und Sie dabei um Hilfe bei der Aufklärung bitte, dann stellt sich zum Schluß auch die Kardinalfrage: Besteht überhaupt noch ein Unterschied zur Form einer Staatszielbestimmung? Sie haben es zwar abgelehnt, im Grundgesetz de lege ferenda die Einfügung oder de lege lata die gezielte Herausfilterung einer Staatszielbestimmung des Rechts auf Arbeit zu fordern. Aber machen Sie nicht tatsächlich etwas ganz ähnliches, nur daß Sie die neuen Dimensionen mit Ihrer Auslegung quasi stillschweigend nachträglich hineinbringen und damit die wirklichen Effekte verschleiern? Danke sehr. Vorsitzender: Vielen Dank, Herr Schmidt-Jortzig. Ehe ich das Zwischenwort an Herrn Lecheler gebe, bitte ich um eine Vormerkung": wir wollen

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anschließend den Themenschwerpunkt 3 ins Auge fassen, hier liegen einige Wortmeldungen bereits vor. Ich darf Sie an die Stichworte erinnern: „Mehrdimensionalität" des Grundrechts, die dogmatische Strukturierung der Freiheit des Berufs bzw. des Grundrechts der Arbeit, Teilhabe etc. Das fuhrt dann in den 3. Schwerpunkt. Aber jetzt darf ich zu einem Zwischenwort zunächst Herrn Lecheler und dann Herrn H.-P. Schneider bitten. Lecheler: Danke schön, Herr Vorsitzender. Herr Badura, Sie haben völlig recht, und es überrascht mich, daß so klar herausgekommen ist, was hinter dem Vortrag auch wirklich steht, nämlich eine gewisse aporetische Prägung, wenn ich dieses Wort richtig ableite von der Aporie. Ich wollte es ein bißchen vor Ihnen verbergen, weil ich ja schließlich befürchtete, daß Sie sagten: Das sei ja schön, was ich hier vorgetragen habe, aber wir könnten dann nach Hause gehen und ein Klagelied singen, wir hätten aber keinen Ansatz, hier wirklich etwas zu tun. Und das kann ja nicht ganz Aufgabe unserer Vereinigung sein. In der Tat - eine gewisse Aporie - ist nicht zu leugnen. Das werde ich sicher auch im Schlußwort noch einmal deutlich machen müssen. Diese Aporie zeigte sich bereits bei dem Versuch, den Problemkatalog, der sich nur hinter diesem Grundrecht des Art. 12 verbirgt, auf 22 Maschinenseiten grob gesprochen zusammenzufassen. Ich erinnere mich noch an die Einleitung von Herrn Bachof, der damals bei der Dogmatik des allgemeinen Verwaltungsrechts (WDStRL 30,194) die Probleme auflistete. Ich fühlte mich in einer vergleichbaren Lage. Ich bin mir also bewußt darüber, daß ich eine ganze Menge von Dingen außer acht gelassen habe. Es fängt natürlich an - Sie haben es zu recht moniert, Sie und Herr Stern - mit Art. 9 Abs. 3. Aber bei der Produktivität des Bundesverfassungsgerichts in der Auslegung gerade dieser Bestimmung - ich habe die Grundrechte nicht gezählt, die hier alle im einzelnen abgeleitet werden bei der Produktivität der Literatur war es mir unmöglich, dies einzubeziehen. Wir waren mit dem Vorstand vorher auch einig geworden dahin, daß wir alle speziell geprägten Berufe draußen lassen - Art. 5 Abs. 3 also Wissenschaft, Numerus clausus, auch die Presse, usw. Das war ein Verzicht natürlich - er schien notwendig. Es geht weiter - und hier leite ich schon über auf die eine Frage von Herrn Grimm -: Natürlich habe ich eine ganze Reihe von heute vielleicht gewichtigeren Bedrohungen völlig außer acht gelassen - ich wollte die Aporie ja nicht ins Grenzenlose treiben - , also die Offenheit des Art. 12 gegen den Steuergesetzgeber (obwohl mein Habilitationsvortrag sich gerade damit befaßte, mit der Berufsordnung durch Steuerrecht), die Offenheit den Subventionen gegenüber; die Offenheit gegenüber der Wirtschaftslenkung ist gelegentlich angeklungen, und was ich dazu gesagt habe, in zwei Halbsätzen, bedürfte erheblicher Vertiefung. Das ist

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ja gerade einer der Punkte, wo der Unterschied eben zur Schweiz sehr deutlich markiert werden muß. Wir nehmen hier Dinge als ganz selbstverständlich hin, die für den Schweizer undenkbar sind. Das gilt aber auch fur die andere Seite: Ich habe Bedrohungen, die sehr aktuell sind, bewußt außer acht gelassen, die darin etwa liegen, daß man zunehmend beginnt, freien Berufen öffentliche Aufgaben aufzuerlegen und sie solange zu verstärken, bis man den Beruf aus dem Schutzbereich des Art. 12 heraus und in die Fittiche des Art. 33 übernehmen kann. Da gibt es eine große Bandbreite. Ich mußte dies alles weglassen, und ich weiß auch, daß manche von Ihnen von mir etwas erwartet hätten zu der Rolle des Art. 12 im Bereich des öffentlichen Dienstes - auch dazu habe ich mich einmal geäußert. Ich habe schon deswegen dies hier etwas zurückgedrängt. Das gilt auch, wenn ich, Herr Leisner, auf Sie zukommen darf, für die Frage: zentrale Stellung des Arbeitsmarktes. Sicherlich ist das einer der zentralen Punkte. Ich habe auch hier einmal schriftlich, in einem kleinen Beitrag „Öffentlicher Dienst und Arbeitsmarkt" die These vertreten - schon wieder in die aporetische Richtung -, daß hier vom freien Markte nur noch wenig bleibt. Auch das habe ich bewußt hier etwas unterbelichtet. Ich habe ferner bewußt beiseite gelassen die Frage: Persönlichkeitsbezug des Art. 12 - eine besondere Charakterisierung dieser Bestimmung? Hier komme ich zu Ihrer Frage, Herr Zacher, „die Verortung zur Organisation oder zur Person"; dahinter steht die Frage wenn das stimmt und im Grunde kann man es wohl nicht bestreiten -: Hat dann das Großunternehmen, über Art. 19 Abs. 3, überhaupt die gleiche Freiheit? Ich habe ja, Hen Stern, nicht von Unternehmensfreiheit gesprochen, ich habe von Unternehmerfreiheit gesprochen, will aber hier durchaus Position beziehen, daß damit grundsätzlich kein Unterschied gemacht werden kann. Soviel zu der Liste der Probleme, die ich draußenlassen mußte, einfach, weil ich mich auf ein paar Grundlinien beschränken wollte. Ich wollte eine falsche Sicherheit, von der ich glaube, daß sie weithin bestehen könnte, wegnehmen. Ich wollte aber die Negativbilder nicht zu weit treiben. Nun, Herr Grimm, zu Ihrer zentralen Frage: zum Freiheitsbegriff. Hier könnte ich sehr viel sagen, obgleich Hen Schneider ja den Grundsatzpart übernommen hatte. Ich muß hier natürlich Position beziehen, und ich tue das auch zunächst ganz pragmatisch. So einfach sind die Dinge ja nun leider nicht, wie es auch Sie hier nur andeuten konnten, denn ich bestreite natürlich nicht, daß ein staatlicher Kompetenzzuwachs einen Freiheitsgewinn bedeuten kann. Aber betrachten wir doch schon ganz konkret den Lehrstellenmarkt: Es bleiben unter dem Strich eine ganz bestimmte Anzahl von Lehrlingen in jedem Jahr unvermittelbar. Wie viele das sind, spielt für uns hier gar keine Rolle, ist streitig. Wahrscheinlich würde für diese Gruppe eine staatliche Organisation einen Freiheitsgewinn bedeuten. Sie würden vermittelt werden - einfa-

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eher, besser, als es ohne staatliche Hilfe geht. Ebenso wahrscheinlich scheint mir, daß ein Freiheitsverlust fur die große Zahl der anderen damit verbunden wäre. Zweiter Kritikpunkt: Ich weise das, was Sie sagen, prinzipiell keineswegs zurück. Aber - und da muß ich nun den Unterschied zu Herrn Öh linger markieren: Offenbar ist in Österreich das Vertrauen in die Mechanismen der Politik größer. Ob das berechtigt ist, muß ich als Leser überwiegend bundesdeutscher Zeitungen zwar bezweifeln, aber dazu, glaube ich, brauche ich mich hier nicht näher äußern. Wenn also, Herr Grimm, wirklich die Frage: Freiheitsgewinn durch staatliche Kompetenz auch nicht generell verneint werden kann, so sind wir an einem Punkt, wo wir an diesem Staat, so, wie er im Augenblick bei uns funktioniert, zweifeln müssen, ob er wirklich diese Freiheit uns verschaffen kann. Dies ist eine Frage, die wir uns doch ganz real stellen müssen. In dieser Situation - ich bekenne ganz offen - stelle ich mich zunächst einmal auf die Position eines formalen Freiheitsbegriffs. Zu den Landesberichten will ich hier nichts sagen, nur eines vielleicht: Ich wollte die Schweiz ja gar nicht loben. Ich wollte uns nur aus dem Spiegel der Schweizer einmal betrachten, und ich fand es ganz interessant, was da gesagt wurde, und es lief ja auch in die Richtung der Justitiabilität. Das gilt vor allem für den Polizeivorbehalt; ich glaube, daß bei uns dies so gar nicht halten würde. Aber das ist ein Punkt für sich. Zur Realanalyse, Herr Zacher: Ich habe an zwei Punkten Zweifel. Natürlich ist sie wichtig, und ich habe in meiner Antwort zum Freiheitsbegriff ja selbst versucht, in diese Richtung zu gehen. Ich weiß nicht, ob es richtig ist, daß der Trend zur Großindustrie so deutlich ist. Die neuesten Zahlen in Bayern jedenfalls bemerken einmal einen ganz erheblichen Zuwachs, einen ganz erstaunlichen Trend zur Selbständigkeit. Zum zweiten: Ich habe zwar die Statistik 1983 vom Bundesarbeitsministerium nicht vorliegen. Ich glaube mich aber zu erinnern, dort gelesen zu haben, daß der Anteil der Beschäftigten in Mittel- und Kleinbetrieben noch immer die erhebliche Mehrzahl ausmacht. Aber selbst wenn diese Konzentration - und letztlich ist die Zahlenfrage ja auch sekundär - zutrifft, ausgehend von der These „Unternehmerfreiheit = Unternehmensfreiheit", muß hier im Grunde das gleiche gelten. Und die Chancen für eine Verstärkung der Freiheit sehe ich im Großunternehmen noch größer, und ich sehe meinen Ansatz von heute morgen dort noch viel berechtigter als im Kleinunternehmen, als beim Handwerksmeister. Zu Herrn Stern - ich bitte um Nachsicht, wenn ichjetzt vielleicht nicht allen Einwendungen gerecht werden kann -: Herr Stern, warum man im Stabilitätsgesetz vom hohen Beschäftigungsstand und nicht von der Vollbeschäftigung spricht - ist das nicht einfach darauf zurückzufuhren, daß Nationalökonomen nicht nur bei der Kommentierung, sondern auch am Erlaß dieses Gesetzes maßgeblich beteiligt waren, daß man uns Juristen klarmachen wollte, daß Völlbeschäfti-

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gung nicht, wie wir glauben könnten, 100 Prozent Beschäftigung ist. Vielleicht hat man uns das einfach verdeutscht. Ich habe die Ziele des Art. 109 ja auch bewußt in Zusammenhang mit dem Sozialstaat gebracht, bewußt neben die Grundrechtlichkeit gestellt, und ich kann natürlich - auch da muß ich jetzt auf Ihre Ausführungen, Herr Leisner, verweisen - völlig falsch verstanden werden, wenn ich sagen würde: Diese Komponente spielt keine Rolle. Ich lege nur Wert auf eine Abgrenzung. Zum Stichwort „Tariffreiheit, Tarifverträge" noch als letztes: Sicherlich, die Tarifverträge müssen eher zur Schranke gerechnet werden. In einem der Begleitaufsätze - ich weiß nicht mehr, in welchem das war - hieß es, dies sei unproblematisch, weil die Tarifverträge der Grundrechtsbindung unterliegen. Aber ich lese in der Kommentierung von Herrn Dürig, iq: Maunz/Dürig/ Herzog/Scholz, in der Randnummer 116, daß hier gerade keine Grundrechtsbindung der Tarifverträge vorliegt, und das ist natürlich einer der Punkte, die noch sehr viel stärker die Bedenken unterstreichen, die ich heute früh zum Ausdruck gebracht habe. Ich würde also sagen: Dies sind Schranken, und ich würde meinen, daß wir beim gegenwärtigen Stand eigentlich nicht mehr vertreten können, daß die Tarifverträge, nur weil die Rückführung auf das staatliche Ermächtigungsgesetz problematisch ist, aus der Grundrechtsbindung, also aus der Pflicht, entlassen sind. Vielen Dank. Vorsitzender: Vielen Dank. Jetzt Herr Schneider. H.-P. Schneider: Erlauben Sie mir zunächst einige grundsätzliche Bemerkungen, die an die Beiträge der Herren Badura, Grimm, Oppermann, Öhlinger und Stern anknüpfen. Herr Badura, ich stimme Ihnen zu, daß Art. 12 GG in der Tat nicht das gesamte Berufsrecht der Arbeitnehmer enthält, weder in seiner vollen Entfaltung noch in wesentlichen Details, sondern insoweit, als im Arbeitsrecht der personale Kern der Berufsfreiheit aktualisiert wird. Es besteht also eine Wechselwirkung zwischen dem Art. 12 GG und dem Arbeitsrecht als dessen Konkretisierung in doppelter Richtung: Die dem personalen Schutz des Arbeitnehmers dienenden Regelungen des Arbeitsrechts haben in der Berufsfreiheit ihr verfassungsrechtliches Fundament, ebenso wie umgekehrt deren grundlegende Bedeutung als Element objektiver Ordnung auf das Arbeitsrecht einwirkt und ausstrahlt. Ich sehe hier keinen Gegensatz, sondern eine sehr enge Beziehung, eine Wechselwirkung, soweit es um den personalen Kern von Arbeitnehmerrechten geht. Im übrigen wäre ich mißverstanden, wenn mein Ansatz gewissermaßen als „monolithische Konzeption" charakterisiert oder gar so gedeutet würde, als könne er Grundlage fur weitere sozialstaatliche Eingriffe sein.

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Die Problematik meiner Konzeption, insbesondere im Hinblick auf staatliche „Schutzpflichten", ergibt sich vor allem daraus, daß sich sofort die Frage stellt: Wo und nach welchen Maßstäben wird darüber entschieden? Entscheidet in erster Linie das Parlament oder das Gericht, indem es deren Nicht- oder Schlechterfüllung feststellt? Mein Eindruck ist, daß unsere bisherige Verfassungstheorie zu stark auf die richterliche Kontrolle fixiert ist und zu wenig das Verhältnis von Verfassung und Gesetzgebung in den Blick nimmt. Nicht alles und jedes, was sich möglicherweise aus Art. 12 GG ergibt, ist justitiabel. Ich würde die „Schutzpflichten" allerdings noch für justitiabel halten. Deswegen sind sie gleichsam als „Reflex" aus einer sozialstaatlich verstandenen Teilhabechance gedacht und insoweit auch verfassungsbeschwerdefähig, als eine evidente Verletzung behauptet wird. Dieser Kontrollmaßstab sollte hier freilich sehr flexibel und offen gehandhabt werden. Dagegen halte ich mögliche, sich aus Art. 12 GG ergebende „Gesetzgebungsdirektiven" als objektive Ausformung dieser sozialstaatlichen Dimension nicht für justitiabel. Der Einbau solcher richtungweisenden, direktiven Elemente in die Berufsfreiheit ist in der Tat ein Stück Weiterentwicklung der herkömmlichen Grundrechtsdogmatik, zumal dann gewiß, Herr Schmidt-Jortzig, die Grenze zur Staatszielbestimmung nur noch schwer zu ziehen ist. Ich würde den Ausdruck „Staatszielbestimmung" aber gern den Verfassungsgrundsätzen, also dem Sozialstaatsprinzip, vorbehalten wollen und bei den Grundrechten - etwa in Analogie zu Art. 6 Abs. 5 GG - lieber von „Gesetzgebungsdirektive" sprechen. Wo liegt hier die Grenze zur Politik? Herr ÖhlingerhaX diesen Punkt angeschnitten. Ich meine, daß jene Grenze nur im Einzelfall bestimmt werden kann und nicht abstrakt festzulegen ist. Da aber die Verfassung wesentlich auch den Gesetzgeber in Pflicht nimmt, scheint mir vor allem ihm gegenüber eine solche vorsichtige Weiterentwicklung der Grundrechtsdogmatik im Hinblick auf„Schutzpflichten" und „Gesetzgebungsdirektiven" mit begrenzter verfassungsgerichtlicher Überprüfbarkeit bei Art. 12 GG gerade im Hinblick auf die abhängige Beschäftigung zulässig und geboten zu sein. Was sonst soll eigentlich der Schutz des Arbeitnehmers durch das Grundrecht der Berufsfreiheit konkret bedeuten? Auch die Frage, ab wann Staatstätigkeit in Freiheitsverlust umschlägt, Herr Grimm, ist nicht abstrakt zu beantworten. Herr Stern hat im Anschluß an diese mir etwas mißverständlich unterstellte Verstaatlichungstendenz davon gesprochen, daß bei meinem Ansatz der Freiheitsschutz zu kurz käme, die individuelle Linie verloren gegangen sei. Dagegen muß ich mich verwahren, denn es geht mir ebenso wie Ihnen, Herr Stern, hauptsächlich um Freiheitsschutz auch und gerade in jenem alten, liberalen Sinne, den Herr Leisner in seinem Diskussionsbeitrag hervorgehoben hat.

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Herr Zacher hat dies ebenfalls sehr deutlich artikuliert. Soll man angesichts der Alternative: mehr Freiheit, mehr Berufswahlfreiheit für den einzelnen mit der Folge stärkerer Belastung der Solidargemeinschaft einerseits oder mehr Schonung der Versicherten mit der Folge eines individuellen Freiheitsverlustes andererseits, den Begriff der „Zumutbarkeit" einer Verweisung auf andere Arbeit im Sozialrecht nun sehr eng fassen, wie das bisher nach der Reichsversicherungsordnung der Fall war, oder soll man hier eine „weiche Lösung" finden, wie im Arbeitsförderungsgesetz oder im Bundessozialhilfegesetz. Meine Auffassung dazu ist im Grunde: mehr Freiheit für den einzelnen im liberalen Sinne. Also: Wenn wir schon ein Versicherungssystem haben, dann muß es auch auf die modernen Bedingungen der Berufswirklichkeit reagieren können oder entsprechend umgestaltet werden, so daß die Verweisungsfolgen, die entstehen, wenn der bisherige Beruf - aus welchen Gründen auch immer - nicht mehr ausgeübt werden kann, dann eben die Solidargemeinschaft treffen und nicht die Freiheit des einzelnen berühren. Dies ist in der Tat eine Konsequenz, in der ich ein Stück individueller Freiheit für den einzelnen in jenem liberalen Sinne wiedererkenne, von der Herr Leisner und Herr Stern gesprochen haben. Freiheit ist ein zunehmend knapper werdendes Gut; es ergeben sich hier schwierige Verteilungsprobleme, bei denen in erster Linie der Gesetzgeber aufgerufen ist, politisch zu entscheiden, daneben aber auch das Bundesverfassungsgericht gefordert wird, welches unter Umständen bei evidenter Verletzung einer staatlich oder gesellschaftlich bedingten „Fehlleitung" von Freiheitschancen eine gewisse Kontrollfunktion ausüben kann. Wir müssen hier möglicherweise zwischen der Bedeutung der Verfassung als Regelungsdirektive für die Gesetzgebung (Funktionsnorm) und als Prüfungsmaßstab für die Verfassungsgerithtsbarkeit (Kontrollnorm) methodisch unterscheiden. Dies scheint mir eine wichtige Aufgabe künftiger Verfassungstheorie zu sein, nämlich das Verhältnis von Verfassung und Gesetzgebung stärker zu beachten und zu durchdenken. Der nächste Punkt - ich fasse mich etwas kürzer - betrifft den Beitrag von Herrn Leisner, über den ich mich sehr gefreut habe. Das Sozialstaatsprinzip und die Berufsfreiheit haben in der Tat vielfältige Berührungsflächen. Im Rahmen der Auslegung von Art. 12 GG können sozialstaatliche Postulate ebenso aktualisiert werden wie umgekehrt auch das Sozialstaatsprinzip mit grundrechtlichen Elementen angereichert und neu wirksam gemacht werden muß. Herr Oppermann hat die Frage angesprochen und Herr Stern hat sich ebenfalls dazu geäußert, ob Art. 12 GG ein „Eckstein der Verfassungsordnung" sei und inwieweit er ein Stück „Wirtschaftsverfassung" enthält. Diese Frage ist doch seit langem ausdiskutiert. Nach den wegweisenden Beiträgen von Ulrich Scheuner steht fest,

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daß man jedenfalls nicht in den Fehler verfallen darf, der Berufsfreiheit mit dem Begriff „Wirtschaftsverfassung" ein bestimmtes ökonomisches System zu unterschieben. Die Folge wäre nicht nur eine weitgehende Identifizierung des Inhalts von Art. 12 GG mit dem geltenden Wirtschafts- und Arbeitsrecht, sondern vor allem eine Schwächung der normativen Kraft und zugleich eine ideologische Verengung der Offenheit des Verfassungsrechts. Diese Absage an eine „Wirtschaftsverfassung" schließt freilich gewisse institutionelle Verbürgungen der Berufsfreiheit nicht aus, die allerdings vom Gesetzgeber zu aktualisieren sind. Nun zum Thema Ökonomie, Herr von Arnim - in der Tat ein sehr schwieriges Problem. Natürlich meint „Vollbeschäftigung" nicht, daß jeder Arbeit hat, sondern „hoher Beschäftigungsstand" Wenn ich diesem Ziel verfassungsrechtliche Priorität zubillige, so stütze ich mich dabei nicht nur auf das Grundrechtsargument, sondern auch auf die Tatsache, daß es zahlreiche internationale Vereinbarungen gibt, die hier eine gewisse Verstärkungswirkung im Hinblick auf die verfassungsrechtliche Gewichtung einer Vollbeschäftigungspolitik innerhalb des „magischen Vierecks" entfalten. Die ökonomischen Zusammenhänge zwischen den einzelnen Elementen des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichts sind evident. Allerdings muß sich dann jede Stabilitäts- oder Wachstumspolitik letztlich am Vollbeschäftigungsziel des Art. 12 GG orientieren und legitimieren können. Es muß also die Zielrichtung der gesetzgeberischen Initiative in erster Linie auf Arbeitsplatzsicherheit gerichtet sein, wobei freilich auch hier nur evidente Untätigkeit oder Untauglichkeit von Maßnahmen gerichtlich überprüfbar sind. Schließlich noch ein Wort zur Berufsausbildung. Mir ist besonders schwer gefallen, Herr Oppermann, mich zu einer begrenzten Bedarfslenkung auf diesem Gebiet durchzuringen. Sie lag aber in der Konsequenz meines Ansatzes. Ich bin Ihnen besonders dankbar, daß Sie mich hierin unterstützt haben. Allerdings ist wahrscheinlich mit der subsidiären Verpflichtung des Staates zur Einrichtung von Ausbildungswerkstätten die Grenze des verfassungsrechtlich noch Vertretbaren erreicht, und zwar nur im alleräußersten Fall, soweit das Problem des Lehrstellenmangels im Rahmen des dualistischen Systems nicht auf andere Weise durch Selbstregulierung bewältigt werden kann. Die Jugendarbeitslosigkeit hier darf ich Herrn Häberle zitieren - ist ein „Skandalon der freiheitlichen Demokratie". Art. 12 GG verpflichtet daher den Staat, Bedingungen zu schaffen, unter denen jeder Bewerber wenigstens die reale Möglichkeit hat, einen Ausbildungsplatz zu finden. Dies ist für ganz bestimmte Gruppen (man kann hier bereits gruppentypische Benachteiligungen etwa für Haupt- oder Realschüler feststellen) heute nicht mehr in vollem Umfang gewährleistet.

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Vorsitzender: Vielen Dank, Herr Schneider. Zum Glück sehe ich einen Ad-hoc-Beitrag zweiminütiger Art von Herrn Kollegen Leisner. Leisner: Soeben ist gesagt worden, wir müßten bei der Wirkung des Grundrechts des Art. 12, vielleicht bei der Wirkung der Grundrechte überhaupt, unterscheiden oder stärker differenzieren zwischen einer Wirkung auf den Gesetzgeber und einer Wirkung auf das Bundesverfassungsgericht oder über dieses Gericht. Ich will nicht verkennen, daß es auch eine Verfassung als lex imperfecta geben kann. Aber ich vermag diese beiden Aspekte nicht zu trennen. Wenn wir wieder dahin kommen wollten, daß die Verfassung den Gesetzgeber leiten soll, ohne daß er durch ein Gericht dazu gezwungen wird - derartiges ist ja generationenlang vergeblich versucht worden -, dann wäre dies ein großer Rückschritt. Es gibt nur eines: Wirkung der Verfassung auf den Gesetzgeber - ja, aber immer dahinter die Sanktion des Bundesverfassungsgerichts. Eine Differenzierung kann ich mir hier nicht vorstellen, und ich glaube auch nicht, daß es Sinn hat, dies zu vertiefen. Vorsitzender: Vielen Dank, Herr Leisner, für dieses spontane Votum, Frau Staff unmittelbar - zu Herrn Leisner oder zu Herrn Schneider? Zu beiden! Staff: Dies ist wirklich ein Spontanbeitrag: Mir scheint, es entsteht allmählich ein Verwirrungszustand hinsichtlich des grundrechtlichen Freiheitsbegriffes. Denn keineswegs alles, was hier als liberales Grundrechtsverständnis gekennzeichnet wird, gehört m. E. dazu. Art. 12 ist deutlich von Herrn Lecheler, dann von Herrn Leisner als ausschließlich liberales Grundrecht interpretiert worden und nun, Herr Schneider, schwenken Sie zu meiner Verwirrung auch in diese Richtung ein und stimmen Herrn Lm«e/-ausdrücklich zu. In Ihrem Referat habe ich Sie anders verstanden, und ich sähe die für mich bestehende Diskrepanz gern geklärt. Ich habe Sie so verstanden, daß sie sagen: Art. 12 wirkt hinsichtlich der Zielbestimmung der Vollbeschäftigung durch auf Art. 109. Ich würde Sie in diesem Punkt sogar weiter interpretieren: Vollbeschäftigung im Sinne des magischen Vierecks kann niemals isoliert gesehen werden, vgl. nur Kommentar Stern, sondern steht im Kontext der übrigen Zielbestimmungen von § 1 StabGes. Wenn aber Art. 12 insoweit durchwirkt, also sozusagen Art. 109 II verstärkt, dann haben Sie aufjeden Fall eine Grundrechtswirkung, die über das liberale Grundrechtsverständnis hinausgeht. Wenn Sie sagen, ich bin auch für ein liberales Grundrechtsverständnis, dann wäre das nur haltbar mit der Argumentation: wenn ich über Art. 109 plus Sozialstaatsprinzip die Freiheit des Berufs für alle, auch für die Arbeitslosen geschaffen habe, dann kann ich wieder zum liberalen Freiheitsbegriff

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zurückkehren und das ist ja auch richtig, denn dann hätte jajeder das, mit dem er seine Freiheit im liberalen Sinne des 19. Jh. verfechten könnte. Mich interessiert: wollen Sie dabei bleiben, daß Sie sagen, mein Grundrechtsverständnis ist ein liberales oder meinen Sie es nicht doch so, wie Sie in Ihrem Referat angesetzt haben: wir haben in Art. 12 eine Grundrechtsbestimmung, die wir im Sinne der Sozialstaatsklausel, verstärkt durch Art. 109 II, sehen müssen und die dadurch dem liberalen Grundrechtsverständnis zumindest variierend entgegensteht. Diese Frage sähe ich gern beantwortet. Vorsitzender: Vielen Dank, Frau Staff, fur Ihren Beitrag, der mehr war als nur eine authentische Interpretation von H.-P. Schneider. Offenbar jetzt ein Ad-hoc-Beitrag von Herrn Rauschning. Rauschning: Herr Schneider. Zur Klärung nur ein Fall: Was bedeutet das, was Sie Herrn Zac/ier geantwortet haben, für folgenden Fall: Ich rate jemandem, Indologie zu studieren. Da es nicht so viele Stellen für Indologen gibt, kann er sein Leben lang sich an die Solidargemeinschaft halten auf Grund seiner Freiheit? Oder hat er nicht auch bei seiner Berufswahl eine Verantwortung, hängt hier nicht das Recht, auch Recht im liberalen Sinne, mit einer persönlichen Verantwortung zusammen? Vorsitzender: Danke sehr, Herr Rauschning. Eine kurze Antwort von Herrn Schneider auf die beiden lebendigen Ad-hoc-Beiträge. H.-P. Schneider: Ich denke, wir sind hier an einem ganz zentralen Punkt angelangt, und möchte dazu kurz folgendes sagen: Wenn ich von liberaler Freiheit spreche, so meine ich in erster Linie nicht die natürliche Freiheit, sondern eine Freiheit von gleichberechtigten Bürgern, eine „rechtsgleiche" Freiheit, wie sie sich im vorigen Jahrhundert gegen die Privilegienstruktur des geburts- oder berufsständischen Systems entwickelt hat. In diesem Sinne habe ich Freiheit verstanden wissen wollen, Frau Staff und nicht irgendwie „sozialstaatlich" überhöht, sondern auf eine stark individualistisch geprägte, „personale" Weise. Damals wie heute geht es um eine möglichst gleichmäßige Verteilung von Freiheitschancen in der bürgerlichen Gesellschaft. Es ist vorhin mit Recht gesagt worden: Im Rahmen der hierbei erforderlichen Abwägungsentscheidungen wird dem einen immer etwas genommen und dem anderen etwas gegeben. Das ist unvermeidlich so, weshalb es auch keinen Sinn hat, an Art. 12 GG nur mit einer Eingriffsperspektive heranzugehen, weil man die notwendig dazugehörige Leistungsseite des Grundrechts damit weitgehend ausblendet. Herr Rauschning, Ihre Frage ist natürlich mit „nein" zu beantworten. Sie dürfen das Element staatlicher Bedarfslenkung in

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meinem Konzept nicht vergessen. Das heißt, auch der Staat ist neben aller wünschenswerten persönlichen Verantwortung des einzelnen verpflichtet, nicht erst die sozialen Schäden zu reparieren, sondern seinerseits schon im vorhinein eine gewisse bedarfslenkende Berufspolitik zu betreiben. Verzichtet er darauf, dann muß gerade um des liberalen Freiheitsrechts im Sinne eines chancengleichen, personalen Schutzes willen die Solidargemeinschaft der Versicherten die Konsequenzen tragen. Vorsitzender: Vielen Dank. Ich sehe jetzt die Ankündigung eines weiteren Spontanbeitrags. Karpen: Ganz kurz im Anschluß an Ihre Auskunft, Herr Schneider. Wir haben das Problem der Lehrerarbeitslosigkeit. Geht die staatliche Garantie so weit, wie es Herr Leisner angedeutet hat, daß der Staat wegen des klar absehbaren Mangels an Arbeitsplätzen für Lehrer etwa die Kapazitäten reduzieren muß? Klar absehbarer Mangel deshalb, weil der Staat Monopolist ist, nicht weil er Sozialstaat ist, sondern weil er als Abnehmer Monopolist ist. Wie ist es aber dann mit der individuellen Freiheit? Wenn einer sagt: Freiheit ist für mich die freie Entscheidung, trotz der schlechten Berufsaussichten Philosophie und Musikwissenschaften zu studieren. Ich möchte diese Plätze zur Verfugung gestellt haben, denn der Staat garantiert die Ausbildung - wir haben ja nur wenige Privathochschulen -, und ich möchte einen Studienplatz einnehmen. Das Risiko ist nicht das Risiko des Staates i. S. von Herrn Zacher, sondern ist mein späteres Risiko. Vorsitzender: Herr Karpen, vielen Dank für Ihre Fragen und Antworten. Ich bitte Sie, damit einverstanden zu sein, daß Herr Schneider Ihnen erst im Schlußvotum antwortet. Herr Bachof, bitte sehr zu Ihrer Spontanmeldung. Bachof: Auch zu Herrn Schneider. Herr Schneider, ist nicht Ihre Aussage: „Liberale Freiheit" und „Verteilung von Freiheitschancen" ein Widerspruch in sich? H.-P. Schneider: Ich würde sagen „nein" und möchte das kurz historisch begründen. Als in Preußen das Edikt über die Bauernbefreiung und das Gewerbesteueredikt erlassen waren, wurde sogleich der Ruf des Bürgertums nach einem Gewerbepolizeigesetz laut, also nach einer staatlichen Regelung mit berufslenkenden Elementen zur Absicherung jener neu gewonnenen Freiheit. Da bedurfte es selbstverständlich der Abwägung, ob und inwieweit der Staat hier regulierend tätig werden darf. Das Bürgertum selbst hat also zum Schutz der Gewerbefreiheit den Gesetz-

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geber aufgefordert, mit der Gewerbeordnung zugleich Regelungen über eine sachgerechte Verteilung von Freiheitschancen zu treffen. Beides, Freiheit und Ordnung, sind untrennbar miteinander verbunden. Vorsitzender: Vielen Dank, Herr Schneider. Ich möchte zum 3. Schwerpunkt übergehen. Ich darf Sie an die Stichworte erinnern: Multidimensionalität unseres Grundrechts, Schrankenproblematik, Staatszielbestimmung, Teilhabe, Strukturprobleme des Grundrechts der Berufsfreiheit bzw. des Grundrechts der Arbeit. Eine Fülle von Wortmeldungen liegt vor, die ich kurz nennen darf, damit sich die Herren Kollegen darauf einrichten können. An erster Stelle Herr Hans Peter Ipsen, sodann die Herren Püttner, Isensee, Jörn Ipsen, anschließend die Herren Raschauer, Haverkate, Dagtoglou, Papier, Selmer, Meessen, Steinberg und Meyer. Sie darf ich jetzt schon bitten, sich in Bereitschaft zu halten. Herr Soell wird nach Herrn Meyer kommen, weil seine Wortmeldung zeitlich später eingegangen ist. Als ersten möchte ich Herrn Hans Peter Ipsen bitten. Η. P. Ipsen: Meine erste Bemerkung schließt unmittelbar an das eben Erörterte an. Ich verweise, aus dem Referat von Herrn Schneider, auf die Thesen 8 und 9 in ihrem Zusammenhang mit These 14. In These 8 heißt es, Berufslenkung und Berufsfreiheit stünden nicht im Gegensatz zueinander, sondern seien aufeinander verwiesen. Und dann in These 9: Infolgedessen - so verstehe ich das - habe der Staat die Aufgabe, zum Schutz u. a. der Berufsfreiheit, auch der Arbeitsfreiheit, Maßnahmen zu ergreifen, Maßnahmen normativer Art, die in ihrem Effekt zu Beschränkungen der Berufs- und Arbeitsfreiheit führen können oder vielleicht auch führen müssen. In der These 14 nehmen Sie dasselbe Thema auf, und dort ist dann davon die Rede, daß objektiv das Grundrecht den Auftrag zur Sicherung von Berufs- und Arbeitsmöglichkeiten als Gesetzgebungsdirektive umfasse und enthalte. Wie verhält sich nun dogmatisch oder begrifflich Ihre Vorstellung von solcher Gesetzgebungsdirektive zu den Lenkungsmaßnahmen, von denen Sie vorher mit berufsfreiheitsbeschränkender Wirkung gesprochen haben? Bedeutet Direktive in diesem Sinne lediglich Inhaltsbestimmung und Ausrichtung jener möglichen Lenkungsmaßnahmen, oder meinen Sie mit der Gesetzgebungsdirektive etwas normativ Schwächeres und Weicheres, Programmatisches? Zweite Frage: Wer ist Träger der Berufsfreiheit? Das ist nur sehr wenig, und zwar wohl nur von Herrn Lecheler in der These 2 c, angesprochen worden unter dem Aspekt, den Herr Stern hervorgehoben hat, Art. 19 III die Plazierung dieses Grundrechts fur juristische Personen. Hen Lecheler hat in seiner Zwischenbemerkung sorgfältig unterscheiden wollen zwischen Unternehmer- und Unternehmensfreiheit. Das kann für

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mich im Rechtssinne kein Unterschied sein. Eine juristische Person, die ein Unternehmen betreibt, steht im Genuß des Art. 12. Und wenn Sie in Ihrer These den Zusammenhang hergestellt haben, Herr Lecheler, mit dem Begriff der Wirtschaftsfreiheit, dann darf ich, wie immer bei solchen Gelegenheiten, wiederholen, was ich schon oft zu vertreten versucht habe - ich glaube, mit einer gewissen Gefolgschaft von Herrn Papier, in dessen Nähe man sich nur wohlfühlen kann - , wonach die Berufsfreiheit qua Unternehmer- oder Unternehmensfreiheit sich artikuliert in unserem Wirtschaftsleben als das, was wir Wirtschaftsfreiheit nennen. Und sie, glaube ich, läßt sich konstituieren nur durch die Zusammenschau von drei Grundrechten, nämlich der Art. 2,12 und 14. Herr Lecheler meint dazu, die Abgrenzung zwischen der allgemeinen Wirtschaftsfreiheit und der Berufsfreiheit sei befriedigend noch nicht gelungen. Ich bin gegen solche Abgrenzungen, ich bin für die eben beschriebene Zusammenschau, Nun zum 3. Punkt, nämlich zur These 4 b von Herrn Lecheler. Dort ist davon die Rede, der einzige Feind der Berufsfreiheit sei nicht der Arbeitgeber für den Arbeitnehmer, Feinde seien auch Staat und Verbände, wenn auch in anderer Weise, da sie im Namen eines schwer überprüfbaren öffentlichen Interesses tätig werden. Herr Lecheler, nun nennen Sie doch einmal das Kind beim Namen! Was halten Sie denn von den Gewerkschaften, die im Arbeitskampf arbeitswillige Arbeitnehmer von Zuliefererbetrieben daran hindern, ihrer Arbeit nachzugehen? Wir haben das ja erlebt. Da sind also Verbände tätig gewesen - ich nehme an, daß Sie die Gewerkschaften dazuzählen. Und dann sind wir mit Ihrer Schlußformulierung, sie würden im Namen eines schwer überprüfbaren öffentlichen Interesses tätig, bei der These, gegen die ich mich mit aller Entschiedenheit wende, daß nämlich Gewerkschaften für sich auch nur Partikel öffentlichen Interesses in Anspruch nähmen. Dazu würde ich sehr gern Ihre entschiedene, hoffentlich mir zustimmende Antwort hören. Wie das dogmatisch unterzubringen ist, ist eine weitere Frage. Wenn Sie meinem Gedanken folgen, würde sich hier wohl zu Art. 12 eine Art Drittwirkung ergeben, wenn der arbeitswillige Arbeitnehmer des Zulieferbetriebes sich geschützt wissen will gegen solche Beschränkungen der Berufsfreiheit. Das wäre dann ja, weil die Gewerkschaften - Gott sei Dank, unterstreiche ich - keine Träger öffentlicher Gewalt sind, ein Adressatenkreis, den man mit Drittwirkung einfangen müßte. Die letzte Frage gilt im wesentlichen dem Gedächtnis von Herrn Scheuner. Aber weil ich in seiner guten Gesellschaft war, darf ich auch für mich sprechen. Herr Scheuner und ich haben vor dem Apothekenurteil den Standpunkt vertreten, der Gesetzgeber sei berufen, auch seinerseits den substantiellen Inhalt der Berufsfreiheit konstitutiv zu gestalten. Das hat uns das Bundesverfassungsgericht nicht geglaubt. Aber - in dem spä-

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teren Handwerksordnungs-Urteil findet sich der oft zitierte Satz, wonach es dem Gesetzgeber obliege, die öffentlichen Interessen zu qualifizieren in einer bestimmten Richtung, die hier einschlägig ist. Ich frage, und zwar beide Referenten: Was halten Sie von unserem alten Kollegen Scheuner und seiner These? Vorsitzender: Haben Sie vielen Dank, verehrter Uenlpsen. Für potentielle spätere Diskussionsredner möchte ich daran erinnern, daß im Themenkreis 3 ja durchaus eine Kontrapunktik zwischen dem Referenten und dem Koreferenten steckt, auch in der Betonung der Sache Arbeit, die man vielleicht noch etwas stärker ins Tageslicht heben könnte. Jetzt Herr Püttner, bitte, Sie sind der Nächste! Püttner: Meine verehrten Kollegen! Herr Schneider, ich kann mich auch nach den gegebenen Antworten noch nicht ganz mit Ihrer Grundthese anfreunden, daß man aus Art. 12 so weitreichende Folgerungen ableiten soll. Wenn ich also Ihnen folge, müßte der Art. 12 eigentlich lauten: Jeder hat Anspruch auf einen Ausbildungs- und Arbeitsplatz nach seiner Wahl. So steht es aber nicht im Text, sondern anders; ich will dies hier deutlich vermerken. Vielleicht überzeugen Sie mich im Laufe der Zeit noch von Ihren Thesen. Ich bewundere den Mut, mit dem Sie sehr viele Details bis hin zum Beschäftigungsprogramm und einer Lehrstellenbeschaffung aus diesem Artikel abgeleitet haben. Aber wenn Sie das nun schon tun, dann möchte ich eigentlich ergänzend fragen, ob man betont man so stark wie Sie das Recht, als abhängiger Arbeitnehmer tätig sein zu dürfen in dem gewählten Beruf - dann nicht zumindest sagen muß, daß jedermann in seinem Beruf Anspruch haben müsse, den gewählten Beruf als abhängiger Arbeitnehmer ausüben zu dürfen, wenn er das möchte, und nicht gezwungen werden kann, einen bestimmten Beruf freiberuflich ausüben zu müssen. Ich erinnere daran, daß es im Arztrecht, zumindest im Kassenarztrecht Regeln gibt, wonach Ärzte (oder Kassenärzte zumindest) nur freiberuflich tätig sein dürfen, und daß angestellte Ärzte nicht existieren sollen, weil das mit dem Wesen des freien Berufs angeblich unvereinbar sei (bei Anwälten ist das zwar anders, aber vielleicht ist das eben kein echter freier Beruf - wer weiß?). Das müßten Sie dann eigentlich kritisieren und es mit Art. 12 für unvereinbar halten. Ich bin auf Ihre Antwort gespannt. Ebenso würde man doch wohl deduzieren müssen, daß der Arbeitnehmer auch das Recht haben müsse zu verlangen, daß er nur halbtags tätig sein dürfe und daß ihm das von Staats wegen nicht verwehrt werden dürfe, möglicherweise auch nicht im öffentlichen Dienst. Herr Zacher hatte schon die Frage angesprochen, ob man nicht auch im Pensionsalter den gleichen Anspruch haben muß, seinen Beruf auszuüben. Es käme

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eine weitere Frage hinzu, nämlich ob auch die negative Freiheit geschützt ist. So, wie Sie es gesehen haben, könnte man vermuten, daß sie nicht mehr gelten kann, denn Ihre Betrachtungen (Teilhabe usw.) lenken ein bißchen in das Fahrwasser einer Ordnung, in der jeder seine Arbeit und seinen Beruf zu tun hat und die negative Komponente, keinen Beruf zu wählen und keiner Arbeit nachzugehen, möglicherweise nicht mehr gegeben sein soll. Ich bin auch insoweit auf Ihre Antwort gespannt. Ein weiterer Punkt, den ich nicht ganz nachvollziehen kann, ist der Punkt der Mitbestimmung. Das, was wir gemeinhin unter Mitbestimmung verstehen, ist ja eine kollektive Mitbestimmung, sei es vermittelt durch Betriebsräte oder Personalräte oder aber auch durch gewählte Arbeitnehmervertreter in den Aufsichtsorganen der Unternehmen. Wenn wir es also mit einer kollektiven Mitbestimmung zu tun haben, ergeben sich für mich persönlich Schwierigkeiten, aus dem Individualrecht des Art. 12 GG einen Anspruch auf diese kollektive Mitbestimmung abzuleiten. Vielleicht sagen Sie dazu auch noch ein klärendes Wort. Danke schön. Vorsitzender: Vielen Dank, Herr Püttner. Glücklicherweise fühlt sich Frau S/a/fdurch Herrn Püttner provoziert: Ich darf Sie um einen zweiminütigen Ad-hoc-Beitrag bitten. Staff: Ich brauche wirklich keine zwei Minuten. Herr Püttner, lesen Sie einmal Ziffer 13 der Thesen von Herrn Schneider. Da ist bereits in aller Klarheit gesagt, Art. 12 begründe kein Recht auf Arbeit. Na also! Vorsitzender: Herr Isensee\ Isensee: Herr Schneider warnte heute morgen vor einem ,yerfassungsrausch". Und ausgerechnet durch seine „multidimensionale" Grundrechtsinterpretation fühle ich mich in einen solchen versetzt. Bisher gewohnt, das Grundrecht der Berufsfreiheit in unvermischt liberaler Deutung aufzunehmen, über das altrechtsstaatliche Freiheits-Schranken-System und die Stufentheorie, wird mir nun eine Mixtur aus unterschiedlichsten Grundrechtstheorien kredenzt: aus Freiheit und Teilhabe, aus Sozialem und Demokratischem, aus Individuellem und Institutionellem, aus Staatsabwehrrechten und staatlichen Schutzpflichten. Überdies sind alle Thesen des Referats gespickt mit Antithesen, mit Vorbehalten und Gegenvorbehalten. Der Hörer fragt ratlos, was aus dem Pluralismus der Dimensionen für das praktische Rechtsproblem juristisch herauskommt. Als Test die These Herrn Schneiders, es sei ein „rechtsstaatliches Skandalon", daß heute nicht jeder Jugendliche eine Lehrstelle finde. Hinter dem politischen Klischee steht die Meinung, daß Art. 12 GG die objektiv-

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rechtliche Garantie eines hinreichenden Angebots an Lehrstellen enthalte. Unterstellt nun, das quantitative Angebot entspräche im ganzen Lande der Zahl der Jugendlichen: wie ist die Rechtslage, wenn Jugendliche sich weigern, eine Lehrstelle anzunehmen, weil sie außerhalb der Stadt liegt, in der sie allein arbeiten möchten, und sich auf das liberale Grundrecht der Freizügigkeit und der freien Wahl der Ausbildungsstätte berufen ? Wie ist die Rechtslage, wenn jugendliche Aussteiger aus Prinzip jedes Angebot ausschlagen unter Berufung auf das liberale Grundrecht, nicht arbeiten, keinen Beruf ausüben oder erlernen zu müssen? Soll die objektive Grundrechtsgarantie auch dann gelten, wenn der Großteil der Jugendlichen, einer plötzlichen Modewelle entsprechend, keine andere Ausbildung begehrt als die zum Feinmechaniker und jede andere Ausbildung ablehnt? Die neuartige objektivrechtliche Garantie gerät in unauflösbaren Widerspruch mit dem altliberalen Grundrecht, das individuelle Neigungen und Bedürfnisse freisetzt, die Staat und Arbeitsmarkt nicht aufTangen und erfüllen können. Die Programme und Hoffnungen, die landläufig mit dem Recht auf Arbeit verknüpft werden, erscheinen nun als Bestandteil der Berufsfreiheit. Herr Schneider beschwört zwar das konventionelle Prinzip der offenen Wirtschaftsverfassung, aber er sorgt im weiten Interpretationsfeld des Art. 12 GG für ein geschlossenes (wenn auch nicht für ein widerspruchsfreies) Konzept einer solchen Wirtschaftsverfassung. Was der historische Verfassunggeber bewußt unterlassen hat, wird nun durch Verfassungsinterpretation kompensiert, ja überkompensiert. Im multidimensionalen Grundrechtsmodell ist nicht nur das juristische Resultat unklar, sondern auch das dogmatische Fundament. Die klassisch liberalen Kategorien von Freiheit und Schranke werden multidimensional aufgehoben. Freiheit und Schranke, Inhalt und Grenze, Eingriff und Schutz werden identisch. Das zeigt sich, wenn die Institute des Arbeitsrechts wie der Kündigungsschutz zum Inhalt der Berufsfreiheit gerechnet werden: als „zugeteilte" Freiheit. Nach herkömmlich liberalem Verständnis war der Kündigungsschutz ein Eingriff in den grundrechtlichen status negativus, die Berufsausübungsfreiheit des Unternehmers, und zwar ein grundsätzlich sozialstaatlich legitimierbarer Eingriff. Nun soll der Kündigungsschutz sich als Grundrechtsschutz des Arbeitnehmers erweisen: als Status-positivus-Element. Begünstigt wird jedoch allein der Arbeitnehmer, der einen Arbeitsplatz besitzt. Der Besitzstandschutz des einen ist zugleich die Zugangssperre für den anderen, der möglicherweise tüchtiger, arbeitswilliger oder sozial bedürftiger ist. Im übrigen wirkt diese neuartige „Dimension" des Grundrechtsschutzes dahin, daß der Arbeitsmarkt immobil wird. Jeder materielle Vorteil, der nach den Vorstellungen Herrn Schneiders grundrechtlich abgesichert wird, jede Freiheit, die von Staats wegen

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zugeteilt wird, kostet ihren Preis. Wer trägt die Kosten? An erster Stelle der Arbeitgeber. Er ist der grundrechtliche Packesel. Seine Freiheit wurde von Herrn Schneider praktisch aus Art. 12 GG herausdefiniert. Sodann fallen die grundrechtlichen Lasten den Arbeitssuchenden zu. Der Schutz der etablierten Arbeitnehmer vollzieht sich auf Kosten der nichtetablierten. Das dichte arbeitsrechtliche Programm, das Herr Schneider in Art. 12 GG hineinliest, verkürzt den Spielraum der Tarifautonomie, damit das liberale Grundrecht der Koalitionsfreiheit. Die Schaffung grundrechtlicher Leistungsansprüche gegenüber der Sozialversicherung führt zur Belastung der Sozialgemeinschaft, damit der Gesamtheit der Arbeitnehmer, die ihre Mitglieder sind. Die Grundrechtswohltat, die der eine in Anspruch nimmt, ist Grundrechtslast der anderen. Die liberale Substanz der Berufsfreiheit droht heute zu ersticken unter dem Übermaß der Schutz-, Fürsorge-, Lenkungsmaßnahmen des Sozialstaats - selbst dann, wenn man diese Maßnahmen nicht, wie Herr Schneidern fordert, auch noch grundrechtlich polstert. Wir erleben in der Realität aber auch als Folge sozialstaatlichen Übermaßes eine Explosion liberaler Berufsfreiheit: im Schwarzarbeiter. Der Schwarzarbeiter ist normalerweise kein Arbeiter, sondern ein Selbständiger im altliberalen Sinn, der auf eigenes Risiko, nach individuell ausgehandelten Konditionen, ohne soziales Netz tätig ist. Die Usurpation wirtschaftlicher Freiheit wird bei einer bestimmten Überdehnung des sozialstaatlichen Schutzes letztlich auch grundrechtlich legitimierbar. Der Schwarzarbeiter ist der Partisan der Privatautonomie im Sozialstaat. Vorsitzender: Vielen Dank, Herr Isensee. Ich möchte jetzt Herrn Jörn Ipsen bitten. Jörn Ipsen: Meine sehr verehrten Damen und Herren. In manchem kann ich anschließen an das, was Herr Isensee soeben gesagt hat, und möchte noch einmal den Finger in die Wunde des Schneiderschan Freiheitsbegriffs legen. Freiheit, haben Sie gesagt, ist ein Gut, das rar ist und verteilt werden muß. Ich würde mich einer solchen Definition nicht anschließen können. Was Sie vermutlich meinen, sind die zu verteilenden Sozialchancen oder Verdienstchancen; diese allerdings können und müssen ggf. verteilt werden. Das aber ist nicht Freiheit. Denn die Verteilung von Sozialchancen kann nur auf Kosten der Freiheit erfolgen. Ich möchte sodann das griffige Wort vom Grundrecht unter Konjunkturvorbehalt aufgreifen, mit dem Herr Schneider eine brennende Problematik gekennzeichnet hat, neige im Ergebnis aber mehr zur liberalen Linie, die Herr Lecheler hier gezogen hat. Die prinzipielle Frage, die schon mehrfach angesprochen wurde - und ich bitte, es mir nachzusehen, daß ich das noch einmal wiederhole - ist", ob eine Freiheitsgarantie auch gleichzeitig

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das Substrat der Freiheit garantieren kann, nämlich Vollbeschäftigung und Wirtschaftsprosperität. Ich würde diese Ziele ebenfalls, wie einige meiner Herren Vorredner es schon getan haben, einer guten Wirtschaftsund Beschäftigungspolitik zuordnen, diese Politik auch als rechtlich gefordert ansehen, nicht jedoch als grundrechtlich garantiert. Eine über eine solche Abwehrfunktion und einen gewissen institutionellen Gehalt hinausgehende Interpretation würde nämlich Art. 12 eine ganz eigentümliche Dialektik zumessen: zum einen Abwehrrecht gegen staatliche Eingriffe, zum anderen aber Legitimation für Eingriffe, die die gewohnten Dimensionen zu sprengen geeignet sind. Denken Sie doch bitte daran, daß die einfachste Lösung des Arbeitslosenproblems zweifellos die wäre, alle Beschäftigten nur noch halb so viel arbeiten zu lassen, um die Arbeit auf diese Weise zu verteilen. Vielleicht würde sich mancher der geschätzten Kollegen mit einem Deputat von vier Stunden ganz wohl fühlen, ganz sicher nicht mit gekürzten Bezügen. Ich möchte zu bedenken geben und knüpfe auch hier an Herrn Lecheler an, ob die Abwehrfunktion des Art. 12 immer genügend beachtet worden ist, ob staatliche und berufsständische Reglementierung und Bürokratisierung in manchen Berufen nicht ein solches Ausmaß erreicht haben, das wiederum Auswirkungen auf die aktuelle Beschäftigungslage befürchten läßt. Neben diesem liberalen Gehalt, so würde ich meinen, kann man Art. 12 keine noch so vage Beschäftigungsgarantie abgewinnen. Damit verbindet sich auch eine gewisse Skepsis gegenüber dem Vorschlag, die Vollbeschäftigung als überragendes Gemeinschaftsgut zur Legitimierung neuer Eingriffe in die Berufsfreiheit zu benutzen, die letztlich an den Marktverhältnissen würden scheitern müssen. Angesichts der rechtlich offenbar nicht steuerbaren Konjunkturverläufe scheint mir Art. 12 damit tatsächlich ein Grundrecht unter Konjunkturvorbehalt zu sein, und man wird - verzeihen Sie mir diese Sottise - nur zu dem Fazit kommen können: Die Gelehrten im Elfenbeinturm - ratlos. Vorsitzender: Vielen Dank, Herr Jörn Ipsen. Ich möchte darauf aufmerksam machen, daß wir uns die bereits vorhandenen Wörtmeldungen im Rahmen des uns zur Verfugung stehenden zeitlichen Spielraums nur noch dann leisten können, wenn jeder höchstens vier Minuten spricht. Ich darf Herrn Raschauer aus Österreich bitten. Raschauer: Ich darf noch einmal an die Frage der Einheitlichkeit anknüpfen und möchte mich dabei nicht auf Österreich beschränken: Professor Walter hat vor genau 17 Jahren eine Untersuchung zu diesem heute gegenständlichen Thema gemacht, und er ist damals zu dem Ergebnis gekommen, daß das Grundrecht der Berufsfreiheit constitutione non distinguente selbstverständlich auch für die unselbständig Erwerbstäti-

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gen gilt, daß sich aus diesem Befund jedoch in Anbetracht des Gesetzesvorbehalts, der dem Grundrecht beigefugt ist, nichts Nennenswertes ergebe. Das ist auch das Ergebnis aller später veröffentlichten einschlägigen Untersuchungen. Insoweit, scheint es, treffen sich diese Aussagen mit den Thesen 3 von Herrn Lecheler und 6 von Herrn Schneider. Trotzdem möchte ich eines zu bedenken geben: Wenn dem so wäre, dann müßte ja wohl das Zwangsarbeitsverbot, das wir in Österreich in Art. 4 der Menschenrechtskonvention verfassungsrechtlich garantiert haben, auch für Gewerbetreibende gelten, und dann wären mit einem Schlag die ganzen Betriebspflichten, Fortbetriebspflichten, die Gewerbetreibende treffen, in Frage gestellt. Ich habe immerhin heute gehört, daß Arbeit und Beruf für alle die gleiche Würde haben. - Aber bitte, ich meine das natürlich rhetorisch. Ich möchte nämlich, entgegen der These 4 c von Herrn Lecheler, doch meinen, daß es eine spezifische Schutzgesetzgebung, die auf die Arbeitnehmereigenschaft abstellt, sehr wohl geben darf, wie es auch ein spezifisches Recht auf einen eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb gibt und geben darf. Die andere Hälfte der Aussagen von Walter wird man wahrscheinlich, zumindest aus österreichischer Sicht, aber doch unterstreichen müssen. In der derzeitigen Marktlage werden vielfaltige Maßnahmen ergriffen. Nur zwei Beispiele: Frühpensionierungen etwa - sie helfen uns, die Arbeitslosenrate auf ein erträgliches Maß herunterzudrücken - sind doch wohl primär eine Frage des Gleichheitssatzes, sie werfen nämlich die Frage auf, ob diese Diskrepanz zwischen den Beitragspflichten und den Leistungsrechten im Rahmen des Sozialrechts von einem „umfassenden Solidaritätsgedanken" getragen werden kann. Oder aber generelle gesetzliche Arbeitszeitverkürzungen. Da stellt sich zumindest in Österreich die Frage: Ist dies nicht eher ein kompetenzrechtliches Problem, ist der Bund überhaupt befugt, solche Regelungen zu erlassen, die nicht mehr spezifisch dem Arbeitnehmerschutz dienen, sondern eine Kontingentierung zum Ziele haben. Worauf ich hinaus will: Diese arbeitsmarktspezifischen Probleme sind in den seltensten Fällen - wenn man es näher betrachtet - wirklich Berufsfreiheitsfragen. Nun der andere Punkt: Das Grundrecht der Berufsfreiheit ist jedenfalls in Österreich, wie Herr Öhlinger schon ausgeführt hat, ein staatsgerichtetes Abwehrrecht. Wenn sich Österreich - und jetzt greife ich zumindest hinweisartig die Anregung des Vorsitzenden auf, in den Art. 1 ff. der Europäischen Sozialcharta, Art. 6-9 des UNO-Weltsozialpaktes sowie im Rahmen der ILO verpflichtet hat, die wirksame Ausübung des Rechts auf Arbeit, des Rechts auf gerechte, sichere und gesunde Arbeitsbedingungen, des Rechts auf ein gerechtes Arbeitsentgelt zu gewährleisten, so handelt es sich dabei nicht nur um völkerrechtliche Pflichten, sondern um selbstverständliche Maximen des politischen Handelns. Nicht alles,

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was in der Tagespolitik selbstverständlich ist - da lege ich schon Wert darauf - ist deshalb auch schon verfassungsrechtliche Pflicht. Ich habe immer gemeint, daß das, was Österreich von Deutschland in dem Punkt unterscheidet, wenn man in Deutschland von verfassungsrechtlichen Rechten und Pflichten spricht, die Sozialstaatsklausel des Bonner Grundgesetzes sei. Daher bin ich heute überrascht, daß Sie, Herr Schneider, die Sozialstaatsklausel - wenn man von einem fußnotenartigen Klammerzusatz in These 17 absieht - eigentlich nicht erwähnt haben und doch unmittelbar aus dem Freiheitsrecht die staatliche Pflicht zu Berufslenkung und Ausbildungsförderung, das verfassungsgesetzliche Recht auf effektive Chancen ableiteten. Und ernsthaft haben Sie davon gesprochen, daß jemand, dem nur ungelernte Arbeitsplätze offenstünden, einer Form unmittelbaren Arbeitszwanges unterliege. Dann haben Sie noch einen verfassungsrechtlichen Anspruch auf Schutz der Arbeitskraft, ja sogar auf Arbeitsvermittlung aus einem Freiheitsrecht abgeleitet. Daß die österreichische Dogmatik solchen verfassungstextunabhängigen Höhenflügen des deutschen Geistes nicht zu folgen bereit ist, ist bekannt, das brauche ich hier nicht ausführen. Ich möchte aber ganz prinzipiell zu bedenken geben, daß man doch nicht immer, wenn sich das zentrale historische Anliegen eines Grundrechts erfüllt hat, fast krampfhaft nach neuen Anwendungsbereichen suchen muß. Eines hat mir Herr Isensee gerade vorweggenommen, und daher in aller Kürze: Wir haben in Österreich vieles, was auf sozialpartnerschaftlicher Ebene in diesem Bereich akkordiert wird, wo der Gesetzgeber also nur mehr ratifizieren kann, was andernorts beschlossen wurde. Ich kann doch nicht den Staat in Pflicht nehmen: Er soll dann gewissermaßen schauen, wie er mit den Sozialpartnern zurecht kommt. Ich glaube, ein staatsgerichteter Anspruch in diesem Zusammenhang muß notwendig zur Vernichtung der Tarifautonomie führen. Und zum Schluß noch ein letzter Punkt: Dadurch, daß die Staatspolitik die Sicherung der Arbeitsplätze als immer umfassendere und selbstverständlichere tagespolitische Aufgabe aufgreift, daß wir in Österreich aber ein hohes Maß an verstaatlichten Unternehmen, deren Töchter, Enkel usw. haben, mit immer mehr Töchtern von großen Multis, die mit Subventionen angelockt werden, besteht eine Gefahr - ich weiß nicht, ob sie auch außerhalb von Österreich besteht -, daß wir in eine neue ZweiKlassen-Gesellschaft geraten, die wiederum das historische Anliegen dieser Freiheitsgarantie gefährdet. Wir sprechen in Österreich nämlich schon ganz offen von „geschützten Betrieben" und „geschützten Arbeitsplätzen" und von „nichtgeschützten Betrieben" und „nichtgeschützten Arbeitsplätzen". Wenn nämlich dort das Feuer brennt, gibt es Feuerwehrmaßnahmen in der Form von kanalisierten Wirtschaftsforderungen des Bundes, der Länder, Arbeitmarktförderungsleistungen usw. Und daher

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sind zwei Klassen von Betrieben und Arbeitsplätzen entstanden. Ich möchte beileibe nicht der Gießkanne das Wort reden, aber doch zu bedenken geben, ob es nicht das Anliegen dieses Grundrechts war und ist, daß nicht der Staat „besser wissen" soll, welche Unternehmen und welche Arbeitsplätze lebenswert und erhaltenswert sein sollen und daher überleben dürfen. Danke. Vorsitzender: Vielen Dank, Herr Raschauer. Als nächste Redner möchte ich aufrufen: Herrn Haverkate, Herrn Dagtoglou und Herrn Meessen.

Haverkate: Drei Bemerkungen. Zur ersten veranlaßt mich der Beitrag von Herrn Öhlinger: zur Freiheit des Studiums. Wir haben in der Bundesrepublik seit zwei Jahrzehnten Zulassungsbeschränkungen im Hochschulbereich und seit über einem Jahrzehnt das zentralisierte bürokratische Verteilungsverfahren. Das ist eine Materie, die ohne eine über das Formelle hinausgehende Regelung durch den Gesetzgeber geblieben ist - alle sachlich einschneidenden Regelungen haben allein die Verordnungsgeber gesetzt; eine Materie, bei der auch seit über einem Jahrzehnt keine Anstöße aus dem Verfassungsrecht gekommen sind, über eine freiheitsfreundlichere Alternative zu dem bürokratischen Verteilungsverfahren nachzudenken. Dabei hätten wir jeden Anlaß gehabt, über eine Alternative nachzudenken - wenn wir die Folgen der bestehenden Regelung bedenken: nicht nur für die Studienbewerber, sondern vor allem auch für die Universitäten, gegen die sich ja das zentrale Verteilungsverfahren richtet, die Folgen für die gesamte Freiheit im Bildungswesen; wie sollte sich eine sinnvolle Pädagogik in der Schule gegen die vorgegebene Notenfixierung durchsetzen? Wir haben zu wenig nachgedacht über das Problem der Freiheit im Bildungswesen. Wir haben die innovatorische Kraft des Grundrechts aus Art. 12 GG nicht - oder viel zu wenig - mobilisiert. Zwei Folgerungen daraus - die erste Folgerung: Eine noch so fein gesponnene Grundrechtsdogmatik verhindert offenbar nicht, daß wesentliche Fragen über lange Zeit übergangen werden; die zweite Folgerung: Wenn der Staat auftritt, um Freiheit zu schützen, dann werden wir sehr genau beobachten müssen, ob das Ergebnis tatsächlich dieser Zweckangabe entspricht. Die zweite Bemerkung ganz kurz, da die Zeit drängt: Herr Schneider hat sich für eine - cum grano salis - leistungsstaatliche Interpretation des Art. 12 in Verbindung mit Art. 109 Abs. 2 GG ausgesprochen. Sie wollen, Herr Schneider; das „Ob" einer staatlichen Völlbeschäftigungspolitik als grundrechtlich verbürgt ansehen; für das „Wie" soll allein der Gesetzgeber zuständig sein. Das ist ein Versuch, ein Verfassungsgebot zu konstruieren, irgendetwas zu tun; was aber getan werden soll, bleibt dann

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dem Gesetzgeber überlassen. Das erinnert mich an den König im „Kleinen Prinzen", der ganz entschieden jedem befiehlt, das zu tun, was er ohnehin gerade hatte tun wollen. Der dritte Punkt: Wenn man der von Herrn Sc/we/cfervorgeschlagenen grundrechtlichen Begründung eines Vollbeschäftigungsgebots nicht folgt, wird ja der Vorschlag der Kommission „Staatszielbestimmungen" umso aktueller, nämlich: ein Recht auf Arbeit oder ein Vollbeschäftigungsgebot als Staatszielbestimmung in die Verfassung aufzunehmen. Das Problematische an diesem Vorschlag scheint mir folgendes zu sein: Eine solche Staatszielbestimmung zielt ja nicht eigentlich auf Rechtsfolgen. Sie soll daher auch nicht justitiabel sein. Sie zielt vielmehr auf politisch-moralische Persuasion. Also die Frage: Weshalb eine Verfassungsbestimmung, um eine politisch-moralische Wirkung zu erzeugen? In welche Richtung soll die Wirkung gehen? Nun hat die Kommission „Staatszielbestimmungen" dies genau formuliert, und ich vermute das gleiche Anliegen bei Herrn Schneider. Die Kommission hat damals gesagt: Wir wollen eine solche Staatszielbestimmung, um den politischen Druck, der in der Zeit hoher Arbeitslosigkeit entsteht, aufzufangen. Ich frage aber: Wie kann man politischen Druck auffangen durch eine Verfassungsbestimmung? Das scheint mir doch nur dadurch gelingen zu können, daß in der Öffentlichkeit geglaubt wird, es habe sich durch die Einfuhrung einer solchen Formel etwas geändert. Ich sage es etwas schärfer: Indem man den Eindruck erweckt, „als ob" - als ob sich etwas geändert habe. In Wirklichkeit müßten wir klar und ehrlich zugeben: Es hat sich nichts geändert. Das Bedenkliche, scheint mir, und das ist der zentrale Punkt: Wir spekulieren hier auf einen Glauben des Bürgers an die Kraft der Verfassung und wir wissen, daß wir diesen Glauben enttäuschen werden - durch eine Staatszielbestimmung, die eine Art frommer Wunsch in der Verfassung bleiben muß. Vorsitzender: Danke sehr, Herr Haverkate. Sie haben den Art. 109 GG erwähnt, dazu hatte sich schon früher Herr Meessen gemeldet. Herr Meessen, darf ich Sie jetzt vorziehen? Meessen: Fromme Wünsche gibt es ja einige im Grundgesetz. Insofern meine ich - ich denke etwa an das Wiedervereinigungsgebot -, daß es durchaus ernstzunehmen ist, wenn aus Art. 12 ein Auftrag abgeleitet wird, beschäftigungspolitische Maßnahmen zu ergreifen. Ich möchte zu diesem Thema auch noch einmal Stellung nehmen, aber von einer anderen Seite her, von den möglichen Folgen her. Wir gehenja von einem Problembefund aus. Ein Problembefund, der den Vorstand offenbar veranlaßt hat, das Thema auf die Tagesordnung zu nehmen, ist, daß wir nicht nur keine „Vollbeschäftigung", sondern auch keinen „hohen Beschäfti-

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gungsstand" im Sinne des Stabilitätsgesetzes und zugleich des Art. 109 haben. Was kann man dagegen tun? Man kann beschäftigungspolitische Maßnahmen auf zwei Ebenen einleiten, einmal auf der gesamtwirtschaftlichen Ebene der Konjunkturpolitik und längerfristigen Stukturpolitik und zum anderen auf einzelwirtschaftlicher Ebene. Was geschieht in der Bundesrepublik? Ich glaube, in erster Linie ist auf letzterer Ebene, auf der einzelwirtschaftlichen Ebene, vorgegangen worden. Unternehmen haben gesagt, Arbeitsplätze seien in Gefahr, und haben daraus Wünsche abgeleitet auf ein Baugrundstück, auf eine Subvention, auf einen Staatsauftrag. In allen Fällen war die Folgerung des Staates, daß etwas getan werden muß, zumal wenn sich örtlicher Druck über Wahlkreisabgeordnete, über Bürgermeister bemerkbar machte. In dieser Hinsicht ist, meine ich, kein Defizit an beschäftigungspolitischem Bemühen in der Bundesrepublik festzustellen. Das Defizit stellt sich vielmehr auf der gesamtwirtschaftlichen Ebene, und dort fehlen dann eben die Mittel, um eine Beschäftigungspolitik zu betreiben, denn die finanziellen Mittel sind dafür verbraucht worden, unproduktive Arbeitsplätze in maroden Betrieben auf einzelwirtschaftlicher Ebene zu erhalten. Folglich können diese Mittel nicht für Konjunkturprogramme und insbesondere nicht fur zukunftsweisende Maßnahmen der Strukturpolitik eingesetzt werden. Mir würde es daher, Herr Schneider, etwas problematisch erscheinen, aus Art. 12 eine Priorität für die Beschäftigungspolitik abzuleiten und diese Priorität mit dem Individualbezug des Art. 12 besonders zu begründen. Denn mir scheint, gerade dieser Individualbezug würde die einzelwirtschaftliche Ebene betonen und dazu führen, daß im politischen Raum derartige Forderungen - wenn Arbeitsplätze angeblich oder wirklich in Gefahr sind - nun auch noch mit verfassungsrechtlichen Argumenten verfochten würden. Wir hätten dann die Problematik - die wir auch haben, wenn man über Deutschlandpolitik nachdenkt -, daß man leicht in die Gefahr gerät, einer Haltung beschuldigt zu werden, die sich mit der Verfassung anhand irgendwelcher Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts oder eben anhand von Darlegungen deutscher Staatsrechtslehrer nicht vereinbaren läßt. Mir scheint es daher durchaus relevant zu sein, hierüber nachzudenken. Ich würde aber für extreme Vorsicht plädieren. Insbesondere würde ich dafür plädieren, daß man nicht den Bestandsschutz an Arbeitsplätzen unbedingt in den Vordergrund stellt, sondern dem Art. 12 allenfalls Aufträge zu Umschulungsmaßnahmen u. dgl., die sich auch in eine gesamtwirtschaftliche Beschäftigungspolitik einbauen lassen, entnimmt. Ich sehe hier zwar keine dogmatischen Hindernisse - Art. 12 auf eine Eindimensionalität i. S. eines Abwehrrechts zurückzustutzen, hieße weite Teile der Judikatur des Bundesverfassungsgerichts völlig außer acht zu lassen; insofern ist der Schritt zur Mehrdimensionalität längst getan es geht jedoch darum,

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genau zu überlegen, ob ein Gewinn an realer Freiheit i. S. des Art. 12 herausschaut. Vorsitzender: Vielen Dank. Ich habe noch folgende reguläre Diskussionsbeiträge, in bezug auf die ich um Disziplin hinsichtlich der Zeit bitten möchte. Folgende Kollegen sollten sich bereithalten: die Herren Dagtoglou - Herr Papier, halten Sie Ihren Beitrag aufrecht?, offenbar nein! - Herr Selmer, Herr Steinberg, Herr Hans Meyer, Herr Soell, Herr Fromont und Herr Tomuschat. Zuerst Herr Dagtoglou, unser Kollege aus Athen bzw. Regensburg. Dagtoglou: Es handelt sich um eine Frage des 3. Schwerpunkts, zu der sich Herr Schneider bereits in seinem Zwischenwort ganz kurz geäußert hat. Es scheint eine sehr verbreitete Meinung zu sein, daß Art. 12 keine objektive Garantie enthalte. Wieso das so selbstverständlich ist, ist mir nicht ganz klar, zumal man die Ablehnung eines Grundrechts auf Arbeit auch mit strukturellen, d. h. objektiven, Argumenten begründet. So meint Herr Schneider in These 11 seines schönen Referats, daß die Arbeits- und Berufsfreiheit die Handels- und Gewerbefreiheit nur in ihren subjektiven personalen Bezügen nicht als objektives Prinzip der Wirtschaftsordnung verbürge; ebensowenig durch Art. 12 geschützt sei eine bestimmte Berufs-, Arbeits- und Wirtschaftsverfassung. Dann sagte er allerdings in Leitsatz 8, die Privatautonomie sei und bleibe unverzichtbare Grundlage der Arbeits- und Berufsfreiheit. Das klingt objektiv. Auch heißt es in Leitsatz 14, das Grundrecht der Arbeits- und Berufsfreiheit wirke als subjektives Abwehrrecht und zugleich als Element der objektiven Verfassungsordnung. Schließlich geht es in Leitsatz 17 um einen der drei Kerngehalte des Grundrechts, nämlich den institutionellen Kern der Schaffung und Erhaltung einer freiheitlichen chancengleichen Arbeits-und Berufsordnung durch Staat und Gesellschaft. Handelt es sich um einen echten Gegensatz oder einen Scheingegensatz, der der Klärung bedarf? Im übrigen, Herr Vorsitzender, ein Blick auf diesen Saal zeigt eindeutig, daß jeder Tagungsteilnehmer irgendwann im Laufe des zweiten Teils des Aussprachenachmittags eine Pause einlegt. Wäre es nicht sinnvoller, wenn wir eine offizielle Pause hätten? Vorsitzender: Vielen Dank, Herr Dagtoglou für Ihr weiterführendes Votum. Ihre „Pausen'-Anregung für Fribourg, unseren nächsten Tagungsort, werden wir gewiß gerne aufgreifen, wobei ich den Pausenbegriff durchaus auch im Sinne einer anderen Art von „Selbstverwirklichung" und damit auch Arbeit in einem weiteren Sinne interpretieren darf. Jetzt Herr Selmerl

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Selmer: Herr Schneiderhat in Leitsatz 11 ausgeführt, der Schutzbereich des Art. 12 I G G sei „weit zu fassen", und Herr Lecheler hat in These 1 a gemeint, es müsse von einer „Unterbewertung der Berufsfreiheit" gesprochen werden. Ich möchte beiden Thesen entgegentreten, mich hierbei allerdings auf die Abwehrfunktion des Art. 121 GG beschränken. Insoweit freilich möchte ich im Gegensatz zu jenen Thesen den Satz wagen, daß Art. 121 GG im Laufe der letzten zehn Jahre thematisch sogar zu kleiner Münze geworden ist - und das nicht ohne Mitwirkung auch des Bundesverfassungsgerichts. Das Bundesverfassungsgericht hat, was den thematischen Einzugsbereich des Art. 12 I GG betrifft, zunächst - ich glaube, es war in der Schankerlaubnissteuer-Entscheidung des 13. Bandes - eine objektiv berufsregelnde Tendenz gefordert (BVerfGE 13,186). Diese Abgrenzung war überzeugend, wenngleich in ihrer Aussagekraft vielleicht auch nicht eindeutig. Immerhin hat sie für eine ganze Reihe von Jahren dazu beigetragen, Art. 121 GG als Maßstabsnorm für eine verfassungsrechtliche Überprüfung von Normen der allgemeinen Rechtsordnung auszuschließen. Das Bundesverfassungsgericht ist dieser Eingrenzung leider nicht treu geblieben. Im Zusammenhang der Überprüfung einer fernmeldetechnischen Benutzungsregelung (BVerfGE 46,137 f.) und wenig später im Zusammenhange der Überprüfung einer steuerlichen Bestimmung (BVerfGE 47, 21) hat es bekanntlich die genannte Voraussetzung aufgegeben und eine rein tatsächliche Berührung der berufsfreiheitlichen Sphäre ausreichen lassen. Heute scheinen mir für den Aspekt der Abwehrfunktion des Art. 12 I GG die Dämme nahezu gebrochen, gibt es doch jetzt in weiten Bereichen kaum noch eine Vorschrift der allgemeinen Rechtsordnung, die nicht potentiell auch im Hinblick auf Art. 12 I GG thematisch relevant erscheint. Herr Lecheler, Sie selbst haben für das Steuerrecht vor einiger Zeit in diesem Sinne ausgeführt, steuerliche Vorschriften mit auch nur faktischen Auswirkungen auf die berufliche Sphäre aktualisierten durchgehend den spezifischen Grundrechtsschutz aus Art. 121 GG. Ich frage mich nach wie vor, ob das richtig ist. Allerdings weiß ich, es wird schwer sein, hier die Dämme noch zu halten. Die Literatur der letzten Jahre geht eindeutig in die auch von Ihnen, Herr Lecheler, gewiesene Richtung. Ich sehe ansonsten eigentlich vor allem noch Herrn Bachof, sofern er nicht den Thesen seines Beitrags im Bettermann-Nipperdey-Scheuner (Die Grundrechte III /1, 1958, S. 195 ff.) untreu geworden sein sollte, und Herrn Friauf, die gleichermaßen an einer gewissen Grenzlinie, was die thematische Einschlägigkeit des Art. 12 I GG anbetrifft, festhalten wollen. Ulrich Scheuner ist heute verschiedentlich in Anspruch genommen worden; erlauben Sie mir, dies auch zu tun. Er hat 1971 - in der DÖVwar es, glaube ich - einen Beitrag zur Funktion der Grundrechte geschrieben und hier die Feststellung getroffen: Jedes Grundrecht habe seinen spezifischen Gewährlei-

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stungsgehalt; im übrigen füge es sich an seinem Rande in die allgemeine Rechtsordnung ein, und es wäre ganz falsch, die tatsächlichen Begrenzungswirkungen dieser allgemeinen Rechtsordnung auf die Betätigung der Grundrechte als grundrechtsrelevante „Eingriffe" zu bewerten (vgl. DÖV1971, S. 510 f.). Ich kann dem noch heute nur zustimmen und meine, daß die Art. 3 I G G und - gegebenenfalls - 2 I G G ausreichen, um hier außerhalb des Art. 12 I GG den notwendigen Grundrechtsschutz zu gewährleisten. Vorsitzender: Vielen Dank, Herr Selmer. Ich bitte jetzt Herrn Steinberg. Die folgenden Redner sind die Herren Hans Meyer, Soell, Fromont und Tomuschat. Damit möchte ich dann die Rednerliste schließen. Steinberg: Ich möchte zur Struktur des Grundrechts des Art. 12 Abs. 1 Stellung nehmen. Bei allen Unterschieden im Detail und auch in der Fragestellung sind mir gerade bezüglich der Grundrechtsstruktur eine Reihe von Übereinstimmungen zwischen Referent und Korreferent aufgefallen. Das betrifft zum einen die Frage der personellen Komponente und die Ablehnung eines überzogenen institutionellen Verständnisses. Beides scheint mir sehr wesentlich zu sein. Zum zweiten glaube ich aber auch, daß Herr Lecheler und Herr Schneider in manchen Punkten nur unterschiedliche Akzente gesetzt haben, aber beide mehrere Dimensionen dieses Grundrechts im Blick gehalten haben. Ich glaube nicht, Herr Isensee, daß es ein besonderes Problem von Art. 12 Abs. 1 ist, hier von einer Multidimensionalität zu sprechen. Das wird mittlerweile selbst bei Art. 2 Abs. 2, einem relativ einfach strukturierten Freiheitsrecht, so gesehen, bei komplizierteren Grundrechten wie Art. 5 Abs. 1 oder 5 Abs. 3 oder 14 oder 9 Abs. 1 und 9 Abs. 3 ist das ganz selbstverständlich, und das sollte uns auch bei Art. 12 Abs. 1 nicht überraschen. Herr Lecheler hat vor allem die negative, die abwehrrechtliche Komponente des Grundrechts betont, und ich stimme ihm mit Nachdruck zu, daß hier die Konturen des Inhalts der Verbürgung und auch die Voraussetzungen der Beschränkung des Grundrechts sehr oft verwischt worden sind. Also: Ihre Kritik an der Aufgabe der Stufentheorie der Sache nach teile ich. Ich habe aber eine Frage - eine Nachfrage - : Müßten Sie nicht bei Ihrem Ansatz, den Sie in These 4, und zwar vor 4 a formulieren, dem Gesetzgeber komme es zu, diese Freiheit zu konkretisieren, noch einige Überlegungen nachliefern? Sie gehen doch offensichtlich davon aus, daß auch Art. 12 Abs. 2 keine natürliche Freiheit, sondern eine rechtlich konstituierte und konkretisierungsbedürftige Freiheit ist. Stimmt das nicht doch ein wenig stärker, als es gelegentlich den Anschein hat, mit den Ausführungen von Herrn Schneider überein, der vielleicht die freiheitsrechtliche Komponente ein wenig schwächer behandelt hat und die Frage der Realität der

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Grundrechtsverwirklichung ein wenig stärker in den Vordergrund seiner Überlegungen gehoben hat ? Wie verstehen Sie diesen Satz, den Sie hier geschrieben haben, Herr Lechelerl Herr Schneider- es ist einiges bereits gesagt worden zu Ihrem Verständnis: Gesetzesdirektive - Staatszielbestimmung. Dazu will ich mich hier nicht äußern, sondern den anderen Begriff aufgreifen, und zwar der staatlichen Schutzpflicht. Das scheint ja ein Begriff zu sein, der den neuesten Trieb am Baume der Grundrechtstheorie markiert, und man wird erst einmal abwarten müssen, ob das ein tragfähiger Trieb wird. Ich stimme Herrn Lechelervoll zu, wenn er diesen Schutzpflichten eine individualrechtliche Komponente abspricht und würde von Ihnen wissen, Herr Schneider, ob Sie damit übereinstimmen, ob die Schutzpflicht letztlich also doch in der Nähe objektiver Regelungsaufträge bleibt und überhaupt, wie Sie sich den rechtlichen Ertrag einer derartigen Konzeption vorstellen. Hier teile ich durchaus Bedenken, wie sie von Herrn Leisner oder anderen geäußert wurden. Man muß doch wohl abwarten, was bei einer derartigen dogmatischen Neukonstruktion herauskommt; wo liegt der Ertrag? Ganz am Schluß noch eine Bemerkung: Ich habe zwar gesagt, das sei der neueste Trieb, aber das ist natürlich ganz alt, denn bereits Anfang der sechziger Jahre des letzten Jahrhunderts hat das Münchener Oberamtsgericht (Seufferts Archiv Bd. 14 [1861], 354 ff.) aus der Bayerischen Verfassung Schutzpflichten, staatliche Schutzpflichten, begründet, und zwar in Richtung der Begründung einer Gefährdungshaftung gegen die von ambulierenden Maschinen - das war die Eisenbahn - ausgehenden Gefahren; hier sollte man, wenn man diese dogmatische Konstruktion weiter vertieft, auch einmal nachsehen, welchen Ertrag sie damals, also vor mehr als 100 Jahren, gebracht hat. Vielen Dank. Vorsitzender: Vielen Dank, Herr Steinberg! Wir freuen uns natürlich besonders, daß in diesem Fall Frankfurt einmal etwas von Bayern gelernt hat. Ich darf nunmehr Herrn Hans Meyer aus Frankfurt bitten. Hans Meyer: Zunächst zwei „Spontanbemerkungen" Herr Isensee, die spezifisch unternehmerische Leistung des Schwarzarbeiters erschöpft sich darin, daß er die Sozialabgaben und die Steuer vermeidet. Zum zweiten: Die Jugendarbeitslosigkeit ist kein rechtsstaatliches Skandalon, wie ein Vorredner gesagt hat, sondern ein politisches Skandalon. Das reicht auch. Zu den Referenten: Herr Stern hat erklärt, seine Erwartungen seien erfüllt - meine in der Mitgliederversammlung geäußerten Erwartungen ebenfalls. Ich mache es kurz und schmerzhaft. Herr Lechelerhat sich zum Schluß bemüßigt gefühlt zu sagen, er habe die Fahne der Freiheit hochgehalten. Ich habe sie nicht gesehen. Herr Lecheler, wenn Sie die Fahne

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der Freiheit hochgehalten hätten, hätten Sie zumindest sagen müssen, daß schon das Handwerks-Urteil der erste große Fehltritt des Bundesverfassungsgerichts gewesen ist. Wenn es wirklich einen verfassungslegitimen Grund gibt, von Friseuren zu verlangen, daß sie die Meisterprüfung machen, dann kann die Bedeutung von Art. 12 nicht sehr groß sein. Man hätte das Panier der Freiheit ä la Ipsen/Scheuner hochhalten können; wenn es aber so wenig einbringt, sollte man es lieber am Boden lassen. Herr Schneider, so sympathisch mir Ihre Thesen sind, ich kann Ihnen im Grunde nicht zustimmen. Zunächst - das gilt für beide - hat mich verwundert, mit welcher Leichthändigkeit Art. 12 ausgelegt ist. Ich hatte keinen Text dabei, und während der Referate bin ich langsam verwirrt worden, ob eigentlich meine Erinnerung stimmt, daß Art. 12 Abs. 1 lautet: Alle Deutschen haben das Recht, Beruf, Arbeitsplatz und Ausbildungsstätte frei zu wählen. Und dann folgt als Satz zwei: Die Berufsausübung kann durch Gesetz geregelt werden. Sie haben beide - HQTT Lecheler, wie ich meine, ohne jede Begründung, Herr Schneider mit dem Versuch einer Begründung - „die Arbeit" auf einmal voll einbezogen, obwohl es ζ. B. keinen Gesetzesvorbehalt für „die Arbeit" gibt und obwohl Art. 9 Abs. 3 die Arbeitsbedingungen in einen ganz anderen Kontext stellt und „die Arbeit" vielleicht deswegen nicht in Art. 12 geregelt ist. Wenn man aber „die Arbeit" in Art. 12 voll einbezieht und dann noch, wie es Herr Schneider getan hat, Art. 12 weit auslegt, dann stellt sich die Frage nach der Begründung. Herr Schneider hat eine geistesgeschichtliche Begründung herangezogen, die ich aus der heutigen Situation attackieren möchte. Er hat das Lob der Arbeit als praktische Existenzerfullungsmöglichkeit gesungen. Ich möchte demgegenüber ein Lob der Faulheit singen, und ich nehme an, daß ζ. B. mediterrane Völker seine Vorstellung von Arbeit und Verhältnis zu unserer Existenz jedenfalls so nicht akzeptieren würden. Unsere Jugend akzeptiert sie zum Teil auch nicht, und der technische Fortschritt ermöglicht es, daß wir sehr viel mehr leisten, ohne zu arbeiten. Irgendeine Auswirkung auf die Verfassungsexegese müßte das wohl haben. Herr SchneidermW nun Art. 12 weit auslegen, und er hat eine Reihe von Folgerungen gezogen, die, wie ich glaube, nicht aus Art. 12 gezogen werden können. Auch scheinen mir die Vorwürfe, die gemacht worden sind, er müsse konsequenterweise die Möglichkeiten und die Bedingungen fur den Arbeitsplatz staatlich garantieren - er hat diese Konsequenz selbst nicht gezogen - berechtigt zu sein. Ich hielte das fur falsch, denn dann müßte zum Beispiel, wenn die Kirchenaustritte weiter zunehmen, der Staat die Bedingungen und Möglichkeiten der Religionsausübung schaffen etc. Was ich aber für schlimmer halte: Herr Schneider hat Art. 12 hoch aufgeladen und dann Angst vor der eigenen Courage bekommen. Er hat nämlich gesagt, dies alles gehöre zum Schutzbereich des Art. 12, aber berufen dürfe sich niemand darauf. Wir hätten also sozu-

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sagen objektives Verfassungsrecht besonderer Art, und hier, meine ich, sind wir in der Gefahr, die Verfassung zur reinen Verfassungsrhetorik verkommen zu lassen. Außerdem befindet er sich in einem Irrtum. Denn Art. 100 läßt sich nicht ignorieren. Auch wenn der einzelne sich nicht auf das Grundrecht berufen kann, kann immer noch jedes Gericht sich darauf berufen, daß ein Gesetz gegen diese objektive Norm verstößt; und schon haben Sie die Judikatur, die Sie vermeiden wollten. Vorsitzender: Danke sehr, jetzt Herr Soell! Die dann folgenden Redner sind Herr Fromont aus Dijon und Herr Tomuschat. Soell: Herr Schneider, ich muß mich zunächst an Sie wenden. Ihr Vortrag war ja sehr ansprechend und mit vielen Gedanken gespickt; aber ein Punkt scheint mir doch noch sehr diskussionswürdig zu sein, und zwar: Sie argumentieren mit dem Begriff der Schutzpflicht. Herr Steinberg hai es schon angesprochen. Im Grunde ist die Schutzpflicht bisher auch in der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts so verstanden worden, daß der Staat verpflichtet sein soll, gegen Eingriffe - rechtswidrige Eingriffe - Dritter in das grundrechtliche Schutzgut die notwendigen Maßnahmen zu treffen. Das wäre der Fall, den Herr Ipsen vorhin im Streikbereich angesprochen hat. Was Sie meinen, ist doch nicht eine Schutzpflicht, sondern eine Förderpflicht. Das ist doch weitergehend als das, was wir bisher unter Schutzpflicht verstanden haben, und deshalb kommen Sie auch dazu, daß die Vollbeschäftigung Vorrang haben soll vor den anderen Zielen des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichts. Ich weiß nicht, ob man den Art. 109 wirklich so aufladen darf, nämlich von Art. 12 her. Im Grunde ist er bisher immer im Zusammenhang mit dem Sozialstaatsprinzip gesehen worden, und das Sozialstaatsprinzip seinerseits steht ja nun im Staatsorganisationsrecht an der Spitze in Art. 20 und eröffnet dem Gesetzgeber einen weiten politischen Entscheidungsspielraum. Den engen Sie jetzt aber über den Gedanken der Förderpflicht, wie ich sie nennen würde, ein, und ich muß dann fragen, ob das nicht auch Auswirkungen haben muß, auf die Geldpolitik der Bundesbank beispielsweise. Dann müßte doch auch die Bundesbank mit geldpolitischen Mitteln diesem Ziel des Art. 12 verpflichtet sein, und dann müßte man ja auch fragen, ob die Bundesbankautonomie nicht insofern jedenfalls über die Verfassung, nämlich über ihr Verständnis des Art. 12, eingeschränkt werden kann, wenn die Regierung, nämlich in Erfüllung des Verfassungsauftrags, Weisungen der Bundesbank erteilt, nicht die Geldwertstabilität an die Spitze ihrer Geldpolitik zu stellen, sondern die Vollbeschäftigungspolitik, die ja kollidieren kann mit der Stabilitätspolitik. Zu Herrn Lecheler noch ganz kurz: Hen Lecheler, mit Unternehmensfreiheit und der Unternehmerfreiheit, die Sie ja beide in Art. 12 einbringen wollen bei der Real-

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analyse - das hat Herr Zacher schon kurz angesprochen ist es doch so, daß wir auch in Deutschland, nicht nur in Österreich, zwei Gruppen von Unternehmen haben: die Großunternehmen, die kein unternehmerisches Risiko mehr haben, weil sie in eine Größenordnung hineingewachsen sind, daß es eine sozialpolitische oder allgemein wirtschaftspolitische Fragestellung geworden ist, ob man das Unternehmen in Konkurs gehen läßt oder nicht. Und wenn das unternehmerische Risiko fehlt, dann muß doch auch in verstärktem Umfange eine Sozialpflichtigkeit dieses Großunternehmens die Folge sein. Auf der anderen Seite die Kleinunternehmen - es geht ja nicht nur um den Konkurs; es geht auch beispielsweise um die Methode der Ansiedlung von Großunternehmen. Wir haben es in Regensburg jetzt mit der BMW-Ansiedlung erlebt, daß Hunderte von Millionen für diese Ansiedlung ausgegeben werden, wobei pro Arbeitsplatz, der dadurch geschaffen wird, etwa eine Subvention von bis zu 30 000 DM errechnet worden ist. Kein Kleinunternehmer in der Bundesrepublik oder mittelständischer Unternehmer würde je mit einem solchen Subventionsbeitrag pro Arbeitsplatz rechnen können.

Vorsitzender: Vielen Dank. Verehrte Kollegen, unsere Vereinigung hat den Vorzug, seit Anfang der sechziger Jahre einen französischen Staatsrechtslehrer als Mitglied in ihrer Mitte zu haben; so freuen wir uns auf den Diskussionsbeitrag von Herrn Fromont.

Fromont: Ein ganz kurzer rechtsvergleichender Hinweis: In Frankreich ist das Recht auf Arbeit verfassungsrechtlich verankert. Vor einem Jahr hatte der Conseil constitutionnel den folgenden Fall zu entscheiden: Ein Gesetz enthielt die folgende Bestimmung: Leute, die pensioniert sind, die im Ruhestand sind, dürfen Erwerbstätigkeiten nicht mehr weiter ausüben. Dann haben Beschwerdeführer, die Oppositionsabgeordnete waren, dagegen geltend gemacht, eine solche Bestimmung beschränke unzulässigerweise die Berufswahlfreiheit, die aus der Gewerbefreiheit vom Conseil constitutionnel abgeleitet wurde. Und dann hat der Conseil constitutionnel diesen Fall so entschieden: Das Gesetz ist verfassungskonform. Warum ? Weil es das Ziel des Gesetzgebers war, den Arbeitern so viele Arbeitsplätze wie möglich anzubieten. Und ein solches Ziel rechtfertigt eine Beschränkung der Berufswahlfreiheit. Der Konflikt zwischen Recht auf Arbeit und Berufswahlfreiheit wurde somit zugunsten dieses Rechts auf Arbeit gelöst. Das bedeutet, daß das Recht auf Arbeit nicht als subjektiv-öffentliches Grundrecht interpretiert wurde, sondern als Staatszielbestimmung, aber es hat in diesem Fall doch eine Wirkung gehabt. Danke.

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Vorsitzender: Danke sehr, Herr Fromont. Unmittelbar jetzt Herr Bachof, bitte. Bachof: Ich darf noch ein ganz kurzes Resümee aus meiner Sicht ziehen. Herr Selmer hat mich auf meinen alten Aufsatz im Handbuch der Grundrechte angesprochen: Ich halte nachdrücklich am damals vertretenen Standpunkt fest, daß der Schwerpunkt von Art. 12 G G auf der Freiheitsgewährung liegt. Mir ist heute viel zu viel dem Art. 12 aufgepackt worden, was m. E. nicht dahin gehört, sondern eine Frage des Sozialstaatsgebots ist; was nicht aus der Freiheit des Art. 12 folgt, sondern sie umgekehrt eingrenzt. Man sollte solche Grenzen dort lassen, wo sie hingehören: beim Sozialstaatsgebot. Vorsitzender: Vielen Dank, verehrter Herr Bachof, für diese Intervention und Zusammenfassung, auch für diesen besonderen Akzent. Wir sind nunmehr schon weit in Punkt 4 und 5 hinübergewandert und haben die Gliederung insofern fast „erfüllt". Herr Tomuschat hatte sich gerade dazu gemeldet. Er wäre dann der letzte Diskussionsredner, bevor ich noch in der Zeit - genau in der Zeit! - die beiden Referenten um das Schlußwort bitten darf. Tomuschat: Herr Vorsitzender, meine Damen und Herren! Die Massenarbeitslosigkeit ist die große politische Herausforderung unserer Tage, und es steht der Vereinigung wohl an, sich mit diesem Phänomen auseinanderzusetzen. Insofern befand sich aber Herr Schneider m. einer schwierigeren Lage als Herr Lecheler, der im wesentlichen auf vertrautem Gelände gewandelt ist, dort einiges zurechtgerückt und neu geordnet hat, aber doch nicht so sehr in die politische Kontroverse hineingeraten ist. In diesem Zusammenhang möchte ich an die Bemerkung von Herrn Fromont anknüpfen und zwar mit einem kurzen Ausblick auf die Rechtslage in den südeuropäischen Verfassungen Italiens, Spaniens und Portugals. Dort hat man sich in einem gewissen Überschwang dazu entschlossen, ein Recht auf Arbeit in die Verfassungstexte hineinzuschreiben, in dem Glauben, damit Wirklichkeit gestalten zu können. Eine Durchsicht der praktischen Ergebnisse der Auslegung dieser Vorschriften zeigt, daß die Hoffnungen sich im wesentlichen zerschlagen haben. Der italienische Verfassungsgerichtshof hat in einer sehr frühen Entscheidung feststellen müssen, daß es sich hier um ein allgemeines Gebot für die Gesetzgebung handele. Der spanische Verfassungsgerichtshof hat zwar vor kurzem in einem Urteil erklärt, das Recht auf Arbeit der spanischen Verfassung gewähre jedermann einen Anspruch auf einen Arbeitsplatz im Sinne eines subjektiven Rechts, doch hat diese verbale Feststellung nur den Charakter eines obiter dictum, da sich ihre Relevanz durch den

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Sachverhalt nicht bestätigt findet. Wenn man nachliest, stellt sich heraus, daß lediglich eine Altersbegrenzung fur verfassungswidrig erklärt wurde. Der Verfassungsgerichtshof hielt diese generelle Begrenzung der Lebensarbeitszeit auf 69 Jahre für unvereinbar mit der Gewährleistung des Rechts auf Arbeit. Hier handelt es sich aber ganz offensichtlich um eine Wirkungsweise dieses Rechts im Sinne des klassischen Abwehrrechts und nicht um ein Recht auf Verschaffung eines Arbeitsplatzes. Das Urteil zeigt exemplarisch die dialektische Spannung, die der Denkfigur innewohnt: Recht auf Arbeit, wie Herr Bachof das eben gesagt hat, als Rechtfertigung eines Eingriffs in das Recht zur Arbeit. So gibt es auch in der Rechtsprechung anderer Länder Entscheidungen, die solche Begrenzungen aus dem Recht auf Arbeit, dem Recht der anderen nämlich, rechtfertigen. Herr Vorsitzender, lassen Sie mich noch einen zweiten Punkt erläutern. Es ist Herrn Schneider der Vorwurf gemacht worden, er packe dem Art. 12 zu viel auf, sein Begriff der Schutzpflichten sei geradezu revolutionär. Ich kann diesen Vorwurf eigentlich nicht für berechtigt halten. Es ist doch bisher geradezu gemeinsame Überzeugung gewesen, daß Grundrechte auch Staatsziele konstituieren. Um so mehr befremdet es mich, daß nunmehr fast ebenso unisono gesagt worden ist, diese Konzeption gehe über die anerkannte liberale Freiheitsdimension zu weit hinaus. Aber die Frage lautet natürlich: Wenn man in der Schneiderschen Terminologie „Schutzpflichten" konstruiert, was gewinnt man? Ich halte eigentlich nichts davon, das ganze in dem üblichen Dreieck von Gesetz, Verwaltungsakt und Urteil zu diskutieren. Insbesondere das Bundesverfassungsgericht erscheint in diesem Bilde als der große Segenspender, von dem die Arbeitsplätze fließen sollen: salus ex Karlsruhe. Solche Vorstellungen können eigentlich nicht richtig sein, und ich meine, daß wir sehr eingehend über neue Institutionen nachdenken müssen. Die einfache Anschauung der Verhältnisse zeigt, daß eine neue Qualität der Zusammenarbeit von Staat und Gesellschaft erforderlich ist. Wir brauchen vielleicht eine neue Konzertierte Aktion - kurzum neue Formen! Es geht ja gar nicht um den Einzelfall, sondern es geht darum, Rahmenbedingungen zu schaffen, die das Recht auf Arbeit sicherstellen. Vorsitzender: Herzlichen Dank, Herr Tomuschat. Ich möchte nunmehr die Referenten um das Schlußwort bitten. Sie werden sich bitte knapper fassen, weil Sie in dem Zwischenwort schon ausgiebig Zeit hatten. Zunächst Herr Lecheler. Lecheler: Herr Vörsitzendei; knapper fassen nicht deswegen, weil wir beim Zwischenwort schon Zeit hatten, sondern weil die Zeit, wie Sie sagten, drängt. Ich bitte um Verständnis: Ich werde thesenhaft antworten.

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Bei Herrn Tomuschat beginnend - der Hinweis auf die italienische Verfassung: Wir könnten natürlich auch auf die türkische, die niederländische, die griechische, die portugiesische usw. hinweisen; das alles bringt im Moment, glaube ich, hier nicht furchtbar viel, das ist zwar interessant, aber es ist eine ganz andere Dimension. Zu dem zweiten Punkt: Grundrechte als Staatsaufgaben, als Staatsziele, verweise ich der Einfachheit halber einfach auf den Aufsatz von Herrn Wahl in der NVwZ vor ein paar Wochen. Das ist die Linie, die ich so in etwa anzustreben versuche. Zurück zum Anfang: Zwei Sätze nur zu der Zwischendiskussion, an der ich ja nicht beteiligt war, um den Freiheitsbegriff. An sich sollte ja ich die Historie übernehmen, habe das aus Gründen der Zeit aber auch streichen müssen - die Verhältnisse waren ja historisch ganz anders, wenn wir nur denken an die Rolle der Staatsaufsicht gegen eine klerikale Herrschaft über die Schule, wenn wir daran denken, daß tatsächlich mit der Staatsaufsicht als Freund der Freiheit des Bürgers gegen die zünftische Willkür vorgegangen wurde. Hier war in der Tat die Staatsaufsicht in einer ganz anderen Position, hier müssen wir sehr aufpassen mit Folgerungen für die Gegenwart. Das war der Grund, weshalb ich die Geschichte ganz herausgestrichen habe. Zu Herrn Ipsen: Ich soll Ihnen zustimmen, Herr Ipsen; das kann ich im ersten Punkt: Unternehmergleich Unternehmensfreiheit. Im zweiten Punkt kommt es darauf an: Meine These „Abgrenzung" Art. 21,12 - Ihre Gegenthese: Zusammenschau Art. 2,12,14. Ich muß antworten: Ich bin gegen Zusammenschau, weil ich da nicht mehr durchschauen kann. Ich habe nichts dagegen, wenn die Zusammenschau so aussieht, daß die speziellste Schranke den Ausschlag gibt, aber dann sehe ich eigentlich keinen großen Sinn in der Zusammenschau - also hier wohl eher ein klares Nein. Zur Frage: „öffentliche Interessen der Verbände", sprich: der Gewerkschaften. Hier muß ich einfach sagen: Auch das mehrfache Lesen der Thesen läßt einen eben doch gewisse Dinge übersehen. Ich habe natürlich hier ansprechen wollen mit dem öffentlichen Interesse den Staat. Ich kann hier Ihrer Position vorbehaltlos zustimmen. Zu Herrn Püttner ganz kurz - er hat mich nicht angesprochen, aber zu zwei, drei Punkten möchte ich dennoch etwas sagen - : Ich bin der Meinung, daß der Zwang des Sozialversicherungsrechts und anderer Bestimmungen, daß der Kassenarzt als selbständiger Arzt handeln muß, daß das unter dem Aspekt des Art. 12 noch einmal überdacht werden muß, daß in der Tat das Verhältnis zum Anwaltsberuf und auch die Schlüssigkeit der Begründung neu überlegt werden muß. Dies kommt auch bei anderen Gebieten auf uns zu, wenn ich erinnern darf an das Urteil des Europäischen Gerichtshofs in der Frage: Kann ein Anwalt zugleich eine Kanzlei in München oder Düsseldorf und Paris oder Rom haben? Er hat diese Frage bejaht, während wir hier noch der Meinung sind, die Interessen der Rechtspflege vertrügen

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sich nicht damit, eine Kanzlei in München und Düsseldorf zu haben. Da werden wir eben doch neu nachdenken müssen. Die Frage der Pensionierung, Ende der Berufsfreiheit dort? - Wir haben uns damit abgefunden natürlich, das ist einer der Punkte, wo wir längst resigniert haben - wir kennen ja immer noch so etwas wie Emeritierung, das ist so die auslaufende Berufsfreiheit; aber - das war einmal ein Problem, die Einfuhrung der Altersgrenzen, und es war nicht immer so unproblematisch, daß damit die Berufsfreiheit ein Ende findet. Das Individualrecht aus Art. 12, wie das einen Anspruch auf kollektive Mitbestimmung begründen soll, hier wäre ich in der Tat mißverstanden worden, genau gegenteilig: Das Individualrecht des Art. 12 auch mit einbeziehen als Grenze auch für eine kollektive Mitbestimmung, also genau gegenteilig hatte ich es gemeint. Zu Herrn Isensee: Die Schwarzarbeiter als Partisanen der Privatautonomie. Ich hatte die Schwarzarbeiter auch im Vortrag - ich zögerte, ich wollte die Berufsfreiheit, die Verfassung nicht allzu sehr aus der Illegalität heraus erklären, wenngleich ich in der Tat der Meinung bin, daß dies ein Phänomen ist, das wirklich zeigt, was die Leüte wollen. Sie wollen eben in der Tat bestimmte Freiheiten. Und, Herr Meyer, Sie legen zu recht Wert auf scharfsinnige Unterscheidung, hier verwechseln Sie aber Ursache und Wirkung. Einmal schaffen tatsächlich die Schwarzarbeiter etwas, sie sind ein ganz erheblicher Wertschöpfungsfaktor. Und - sie werden nicht tätig, weil sie die Sozialabgaben hinterziehen wollen, sondern sie müssen die Sozialabgaben und die Steuern hinterziehen, weil sie tätig sein wollen, über die genormte Arbeitszeit hinaus. Zu Herrn Raschauer: Er hat es nur ironisch gemeint - die Betriebspflichten. Ob denn nicht das Zwangsarbeitsverbot auch gelte? Natürlich gilt es. Ob dann Betriebspflichten verfassungswidrig seien? Ich würde meinen - ich will es gar nicht so pauschal sagen -, nicht alle jedenfalls; im Ansatz ist so etwas möglich. Ob nun jede Fortführungspflicht vor der Verfassung hält, ist eine ganz andere Frage. Und ohne Einschränkung ist ja auch das Verbot der Zwangsarbeit nicht gewährleistet. Das zeigen ja die Strafgefangenenentscheidungen usw. Es gibt mittelbar auch den Beschäftigungszwang aus dem Sozialrecht. Herr Haverkate-gerne würde ichja etwas sagen zu dem Problem des Numerus clausus. Ich bestreite, daß dies nur formale Regelungen sind. Wenn hier alle Universitäten gleich behandelt werden, obwohl sie wahrhaftig nicht gleich sind, wenn dem Studenten zwar eine Wahlmöglichkeit gegeben wird, irgendwohin zu gehen, wobei es offenbar gleichgültig ist, ob ich Rechtswissenschaft in Tübingen, München oder Osnabrück studiere, wobei ich nichts gegen Osnabrück sagen möchte - ich kenne es überhaupt nicht. Das sind tiefere Wirkungen, das kann man nicht so ganz leicht nehmen. Dann - der Staatsauftrag, irgendetwas zu tun, das Verfassungsgebot, irgendetwas zu tun - solche Verfassungsaufträge würde ich nicht so sehr schätzen. Zu Herrn Selmer - das ist eine wichtige Bemer-

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kung gewesen, der Hinweis auf die Schankerlaubnissteuer: damals die Forderung einer objektiv berufsregelnden Tendenz mit der Folge natürlich, daß alles, was diese Tendenz nicht hat, sofort aus dem Prüfungsrahmen des Art. 12 herausfallt, so, wie es, glaube ich, auch Herr Bachof vertreten hat und, wie es, am Anfang jedenfalls, mehrfach vertreten worden ist. Hier ist in der Tat eine Schranke gefallen. Auf der anderen Seite muß aber auch festgestellt werden, daß der Gesetzgeber im Laufe derselben Entwicklung auch die Schranken, die im Kompetenzkatalog einmal da waren, aufgebrochen hat. In der extensiven Interpretation des Art. 74 Nr. 11; in der extensiven Interpretation der Steuergesetzkompetenzen, wo ja nun theoretisch sogar schon vertreten wird, daß das Abgabengesetz überhaupt keinen Einnahmeerzielungseffekt mehr haben brauche, wenngleich das natürlich nicht herrschende Meinung ist. Hier kann eigentlich nur belegt werden, und deswegen gehe ich schnell wieder weg - es verstärkt die Aporie, daß wir jeden Boden unter den Füßen verloren haben, und da ist auch der Punkt, und an dem, wie ich meine, wir auch ansetzen müssen. Deswegen trifft mich der Vorwurf nicht, daß ich mich mit „konservativen" Gebieten beschäftigt habe. Es ist egal, ob ich diese Aporie an „konservativen" oder an neuen Problemen klarmache. Ich habe mich bewußt fur die „konservativen" entschieden, um sie hier noch drastischer zu zeigen. Das Problem ist, daß wir die Maßstäbe aus den Händen verloren haben, daß uns alles zerronnen ist, und daß wir irgendwo hier wieder ansetzen müssen. Ich habe nur ganz kleine Steinchen geben können. Eine Bemerkung dazu vielleicht ganz am Schluß. Zu Herrn Steinberg: da zögere ich. Meinten Sie jetzt Art. 121 oder 12 II, wenn ich das schnell fragen darf? Art. 121! Hier zögere ich in der Tat. Natürliche oder rechtlich konstituierte Freiheit? Ich meine eigentlich eher eine natürliche Freiheit als eine staatlich konstituierte. Ich weiß, daß ich mich mit dem „Regelungs"-Vorbehalt in Widerspruch setze. Das ist aberjedenfalls nicht der typische Fall der staatlich konstituierten Freiheit. Art. 9 III scheint mir hier besser zu sein als Beispiel. Zu Herrn Meyer: Auch ich habe etwas gegen Verfassungsrhetorik; ich ziehe mir solchen Vorwurf nicht gerne zu. Überdies habe ich eine Fahne auch nicht gezeigt. Ich habe generell etwas gegen Fahnen, egal, wer sie zeigt. Ich habe - da haben Sie schlecht zugehört, Herr Meyer - tatsächlich die Handwerksordnung wenn auch sehr zurückgehalten - als einen der möglichen Wendepunkte genannt. Ich habe davon gesprochen, daß nach der Akzeptanz der Handwerksordnung eine Flut von Berufsordnungswünschen ausgelöst wurde, weil alle sagten: Na, wenn die Friseure sich so schützen können, dann können wir das auch! Das hat eine vordergründige Plausibilität. Sie könnten dies international noch verstärken, indem Sie sagen: Wir allein auf der Welt, glaube ich - jedenfalls in Europa—haben so etwas wie eine Handwerksordnung. Dennoch muß man hier differenzieren, kann man

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schon etwas zugunsten dieser Regelung sagen. Dazu bin ich in Stichworten jetzt nicht in der Lage. Ich räume ein, daß von da an eine gewisse Zurückhaltung eingetreten ist, und daß von da an unser Problem stärker geworden ist, wirklich zu zeigen: Wie weit soll die Freiheit gehen ? Wo soll sie ein Ende finden? Zu Herrn Soell: Ich würde genau umdrehen und nicht sagen: Wenn unternehmerisches Risiko fehlt - verstärkte Sozialpflichtigkeit, sondern umgekehrt: Es sollte im Rahmen des Möglichen dafür gesorgt werden, daß das unternehmerische Risiko nicht ausfällt. Auch das ist ein weites Feld. Daß die Bindungen großer Unternehmen wachsen, mag sein. Ich möchte jedenfalls nicht meinen, wir sollten mit einer nicht mehr leistungsfähigen Wirtschaft hinein in den Sozialstaat; denn dann, in der Tat, müßte ich noch einmal zu Herrn Meyer zurück, zu seinem Lob der Faulheit. Hen Meyer, da haben Sie, furchte ich, recht. Die objektive Wirkung des Grundrechts geht in diese Richtung. Das erklärt ja auch, daß wir im Gegensatz zu Amerikanern und anderen Ländern so wenig Wirtschaftswachstum haben, kaum neue Arbeitsplätze schaffen können, sondern von dem Recht auf individuelle Freiheit in eine Stagnation hineingeraten. Wenn ich mit zwei letzten Sätzen sagen darf, worauf es mir vor allem ankam: Wir haben kein berufsrechtliches Paradies. Wir haben im Arbeitsrecht, einem Gebiet, das mir keineswegs vertraut ist, eine Menge von Arbeitsmöglichkeiten. Wir sollten in ein Gespräch kommen mit den Arbeitsrechtlern. Allein so können wir ja den Vorrang der Verfassung unter Beweis stellen, daß wir uns vor den Problemen nicht drücken und nicht sagen: Arbeitnehmerüberlassung ist zu schwierig. Das entscheidende Problem aber - und das kam immer wieder auf - ist das folgende: Wir haben es hier mit Leerformeln zu tun, wir haben die Sinninhalte verloren. Die Stufenlehre sollte ja einmal einen konkreten Inhalt haben. Sie war nicht einfach in einem Vorgriff auf die Ausweitung des Verhältnismäßigkeitsprinzips entfaltet. Sie werden es mir als gebürtigem Bamberger gestatten, darauf hinzuweisen, daß es ein Mitglied des Bamberger OLG war, der hier ja maßgeblich an den ersten Entscheidungen mitgewirkt hat, der auch eine klare philosophische Vorstellung davon hatte, was hier dahinterstehen muß, als er vom OLG Bamberg an das Bundesverfassungsgericht ging (Jose/Wintrich). Es hat mich verwundert, daß in der Diskussion hierzu so gar nichts kam, nicht einmal aus Österreich, dem doch grundsätzlichere Stufenlehren in so eindrucksvoller Weise vertraut sind - zum heute möglichen philosophischen Hintergrund unserer konkreten Stufenlehre zu Art. 12. Vielen Dank. Vorsitzender: Danke, Herr Lecheler. Nunmehr das Schlußwort von Herrn H.-P. Schneider. H.-P. Schneider: Zunächst ein kurzes persönliches Wort zu Ihnen, Herr Meyer. Sie haben, aus Ihrer Sicht, ein Lob der Faulheit gesungen. Sie

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haben auf Anhieb nicht präsent gehabt, daß durch Art. 12 GG auch die freie Berufswahl geschützt wird. Könnte Ihre Enttäuschung in diesem konkreten Fall nicht vielleicht auch mit einer etwas zu extensiven Interpretation Ihrer negativen Berufsfreiheit bei der Vorbereitung auf diese Tagung zusammenhängen? Herrn Püttner möchte ich antworten: Keine Ansprüche! Ich habe mich vehement gegen solches Anspruchsdenken gewandt und deshalb auch die Figur eines „Teilhabeanspruchs" kritisiert - also keine Ansprüche aus Art. 12 GG! Ich bin auch der Meinung, daß Art. 12 GG keinen Anspruch auf Mitbestimmung begründet. Wo aber Mitbestimmung gesetzlich vorgeschrieben ist, gewährt er ζ. B. dem Betriebsrat einen Unterlassungsanspruch gegen permanente Verstöße des Arbeitgebers gegen solche Mitbestimmungsregelungen. Jener Unterlassungsanspruch ist zwar auch schon im Betriebsverfassungsgesetz vorgesehen, aber nur bei groben Verstößen. Ich meine, daß dies für alle Verstöße gelten muß, wenn die Berufsfreiheit als Organisations- und Verfahrensgarantie im betrieblichen Bereich Effektivität gewinnen soll. Herr Isensee, Ihr Beitrag hat deutlich gemacht, wie leicht man sich im Irrgarten der Berufsfreiheit verlieren kann. In der Tat - all die Probleme, die Sie angesprochen haben, drängen sich auf; aber es gibt dazu eben keine Antwort aus Art. 12 GG, keine Antwort aus der Verfassung. Sie liegen sämtlich auf der Ebene konkreter politischer Entscheidungen, bei denen der Gesetzgeber Gestaltungsfreiheit besitzt. Damit stellt sich abschließend die Frage: Was bleibt eigentlich von der Berufsfreiheit als Freiheit der Arbeit übrig? Aus meiner Sicht sind es drei Aspekte, die ich noch einmal betonen darf. Erstens: der Gedanke einer verfassungsrechtlichen Priorität des Völlbeschäftigungsziels aus Art. 12 in Verb, mit Art. 109 Abs. 2 GG trotz aller ökonomischen Interdependenz, Herr von Arnim. Diese Interdependenz ist Bestandteil des Vollbeschäftigungszieles selbst. Zweitens: es bleiben die „Schutzpflichten", die insofern eine subjektive Komponente haben, als sie verfassungsbeschwerdefahig sind und dem Verfassungsgericht damit die Möglichkeit eröffnen, bei evidenter Verletzung einzugreifen und gegebenenfalls sogar verfassungswidriges Unterlassen des Gesetzgebers festzustellen, also offensichtliche Untauglichkeit oder Untätigkeit zu rügen. Es bleibt drittens die „Gesetzgebungsdirektive" die zwar ein normatives Strukturelement des Art. 12 GG bildet, sich aber als „Auftrag und Schranke" im Sinne Scheuners lediglich an den Gesetzgeber wendet. Bei einer solchen Auslegung der Berufsfreiheit, Herr Oppermann, besteht dann weniger die Gefahr als bei den Vorschlägen der Sachverständigenkommission „Staatszielbestimmungen", daß durch eine positiv-rechtliche Formulierung im Grundgesetz Erwartungen geweckt werden, die letztlich unerfüllbar sind. Mit einer Gesetzgebungsdirektive hingegen, von der Verfassungsrechtswissenschaft formuliert und kontrolliert, kann auch ohne

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Sanktionsmöglichkeit immerhin ein Stück öffentliches Problembewußtsein erzeugt, ein Stück Verfassungskultur geformt werden, welches letztlich auch die Erfüllung solcher impliziten Gesetzgebungsaufträge politisch erleichtert. Konkrete gerichtliche Kontrollmaßstäbe lassen sich allerdings aus einer Gesetzgebungsdirektive nicht entwickeln. Herrn Hans Peteripsen kann ich nur zustimmen, wenn er an das eindrucksvolle Votum Ulrich Scheuners für einen weiten berufsregulierenden Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers noch vor dem „ApothekenUrteil" erinnert, wobei er allerdings die Bedeutung seines eigenen, in die gleiche Richtung zielenden Beitrags heute ein wenig zu bescheiden hintangestellt hat. Mißverstanden fühle ich mich von denen, die sagen, ich hätte Art. 12 GG zu stark „aufgeladen". Ich habe zwar neue Schutzdimensionen und Schutzgegenstände benannt, bin aber nicht der Meinung, daß alles dies gerichtlich einklagbar wäre. Damit möchte ich schließen, um Ihre Zeit nicht über Gebühr in Anspruch zu nehmen. Ich möchte zunächst Herrn Häberlefür die Diskussionsleitung danken, dann aber vor allem fiir Ihr Interese und Ihre vielfältigen Beiträge. Über Ihre Zustimmung habe ich mich gefreut, die Kritik wird mich zu weiterem Nachdenken anregen und ermutigen. So haben wir hier und heute gemeinsam ein Stück unserer Berufsfreiheit aktualisiert. Nicht zuletzt dieses Erlebnis hat mich in der Überzeugung bestärkt, daß Art. 12 GG doch ein „Kooperationsgrundrecht" ist. Vorsitzender: Verehrte Kollegen, erlauben Sie mir zwei Schlußbemerkungen: Die erste ist eine Formulierung des Dankes. In der Tat hat unsere gesamte Wissenschaftlergemeinschaft den Zusammenhang von Art. 5 Abs. 3 und Art. 12 GG hier und heute auf ihre Weise hergestellt: Wissenschaft als Beruf und Arbeit. Ich möchte allen Diskussionsrednern, aber auch allen, die hier in diesem Räume waren, und insbesondere den beiden Referenten, die sich in der Diskussion so gut behauptet haben, herzlich danken. Erlauben Sie mir ein letztes Wort: Ich glaube, heute war für unsere Vereinigung auch insofern ein besonderer Tag, als wir in dieser eindrucksvollen Aula in Göttingen versammelt sind. Denn viele von uns haben in den letzten zehn Jahren zwei besondere Höhepunkte gerade hier erlebt, Höhepunkte auch in meiner Erinnerung: einmal die große Gedächtnisfeier für Rudolf Smend, mit einer Rede von Gerhard Leibholz wohl im Jahre 1975 -, zum zweiten die eindrucksvolle letzte große Geburtstagsfeier von und für Gerhard Leibholz vor drei Jahren zu seinem 80. Geburtstag. Diese Erinnerung wird uns mit diesem Raum, den uns die Göttinger Fakultät und Universität dankenswerter Weise überlassen haben, auf besondere und neue Weise verbinden.

Zweiter Beratungsgegenstand:

Der Verwaltungsvorbehalt 1. Bericht von Professor Dr. Hartmut Maurer, Konstanz Inhalt I.

II.

III.

IV

V

Begriffliche und sachliche Vorklärungen 1. Begriffliche Bestimmung des Verwaltungsvorbehalts 2. Arten des Verwaltungsvorbehalts a) Faktischer Verwaltungsvorbehalt b) Normativer Verwaltungsvorbehalt c) Allgemeiner Verwaltungsvorbehalt und Teilvorbehalte 3. Methodisches Vorgehen Historische Aspekte 1. Beschränkung der monarchischen Staatsgewalt durch Aussonderung der Gesetzgebung und Rechtsprechung 2. Gesetzgebung und ,yerwaltungsvorbehalte" zur Zeit des Konstitutionalismus 3. Die Fragestellung zur Weimarer Zeit

Seite 137 137 140

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Verfassungsrechtliche Grundlagen 1. Anknüpfung an allgemeine Verfassungsgrundsätze? 2. Das Gewaltenteilungsprinzip, insbesondere die Kernbereichslehre a) Literatur und Rechtsprechung b) Die Inkonsistenz der Kernbereichslehre c) Die grundgesetzspezifische Gewaltenteilung

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Regierung und Parlament 1. Die verfassungsrechtlichen Zuständigkeiten der Regierung 2. Die Staatsleitung als gemeinsame Aufgabe von Parlament und Regierung 3. Die politische Planung

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Verwaltung und Gesetzgebung 1. Zum Funktionsbereich der Verwaltung 2. Gesetzesvorbereitung 3. Gesetzesfreie Verwaltung 4. Gesetzesvollzug a) Gesetzesvollzug als Verwaltungsaufgabe b) Die rechtsstaatliche Bedeutung der Unterscheidung von Gesetzgebung und Gesetzesvollzug c) Konsequenzen für das Einzelfallgesetz d) Konsequenzen für die Regelungsdichte e) Ergänzende Grundsätze

154 154 156 156 156

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Hartmut Maurer

VI.

Originäre Rechtsetzungskompetenz der Exekutive?

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VII.

Der exekutivinterne Bereich 1. Die regierungs- und verwaltungsinterne Willens- und Entscheidungsbildung 2. Die Regelung der Organisation und des Verfahrens

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VIII. Schlußbemerkungen

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Der Verwaltungsvorbehalt

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I. Begriffliche und sachliche Verklärungen Gesetzesvorbehalt und Richtervorbehalt sind traditionelle Rechtsbegriffe, die die Entwicklung des Verfassungsrechts dokumentieren und wesentliche, unsere Verfassungsordnung prägende Grundsätze zum Ausdruck bringen. Der Verwaltungsvorbehalt taucht zwar in der Literatur verschiedentlich auf1, ist aber noch kein anerkannter oder auch nur allgemein bekannter RechtsbegrifF. Ob er heute aus der Taufe gehoben wird, wird sich erst am Schluß der Diskussion heute abend sagen lassen. Daher ist das Thema vorerst als Hypothese zu behandeln. Es geht um die Frage, ob es überhaupt einen Verwaltungsvorbehalt gibt und wie er sich ggf. begründen, bestimmen, begrenzen und rechtfertigen läßt. 7. Begriffliche Bestimmung des

Verwaltungsvorbehalts

Da der Verwaltungsvorbehalt offenbar ein Pendant zum Gesetzesvorbehalt und zum ebenfalls neuen Parlamentsvorbehalt sowie zum Richtervorbehalt bilden soll, liegt es nahe, ihn im Vergleich mit jenen Parallel-

1

Vgl. dazu - in unterschiedlichem Zusammenhang und mit unterschiedlichen Ergebnissen - Vogel, WDStRL 24 (1966) S. 125 (168ff.); Herzog, ebenda, S. 183 (187 ff.); Kaufmann, ebenda, S. 220; Kloepfer, W D S t R L 40 (1982) S. 63 (74) und 135; Häberle, Öffentliches Interesse als juristisches Problem, 1970, S.48,57 ff, 129 ff., 146,187,190,234 ff, 470,484,495,606,628,666,698,715,728; ders., BayVBl. 1977, 745 = Verfassung als öffentlicher Prozeß, 1978, S. 663; Erichsen, VerwArch. Bd. 70 (1979) S. 249 ff, ders. WDStRL40 (1982) S. 128. - Ferner Böckenförde, Die Organisationsgewalt im Bereich der Regierung, 1964, S. 84,106 („gesetzesfester Kernbereich"); ders., Gesetz und gesetzgebende Gewalt, 2. Aufl. 1981, S. 387f.; Starck, Der Gesetzesbegriff des Grundgesetzes, 1970, S. 195 ff. („Vorbehalte der vollziehenden Gewalt"); Achterberg, DVB1 1972, 844 („Exekutivmonopole" im nichtrechtsetzenden Bereich); Jarass, Politik und Bürokratie als Elemente der Gewaltenteilung, 1975, S. 28 ff („gesetzesfeste Räume"); Scholz, WDStRL 34 (1976) S. 149 („prinzipaler Funktionsvorbehalt"); Schmidt-Aßmann, Festschrift fur Ipsen, 1977, S. 341ff.(,yorbehaltsbereich der Exekutive" im Blick auf die Organisationsgewalt); Zimmer, Funktion-Kompetenz-Legitimation, 1979, S. 217,222 ff. („Wirkvorbehalt"); Stern, Das Staatsrecht der Bundesrepublik Deutschland, Bd. I, 2. Aufl. 1984, S. 795; Bd. II, 1980, S. 757 f. („unantastbarer Verfassungsvorbehalt der Verwaltung"); Herzog, in: Maunz/Dürig, Grundgesetz, Art. 20 (1980) Abschnitt V Rn. 81,96 ff; Lerche, Bayerisches Schulrecht und Gesetzesvorbehalt, 1981, S. 31 ff. („obligatorische exekutive Eigenständigkeit"); ders., in: Maunz/Dürig, Grundgesetz, Art. 83 (1983) Rn. 60. - Vgl. ferner die Autoren und Gerichte, die einen Kernbereich der Exekutive im Rahmen der Gewaltenteilung annehmen, dazu unten in und zu Fn. 31. - In die gleiche Richtung zielt die vielzitierte, von Peters (in der gleichnamigen Schrift 1965) geprägte Formel von der „Verwaltung als eigenständige Staatsgewalt", ohne daß freilich immer klar wird, inwieweit damit ein Vorbehaltsbereich gemeint ist. - Vgl. schließlich noch die Begleitaufsätze mit dem gleichen Titel von Degenhart, NJW1984, 2184ff; W.Schmidt, NVwZ1984, 545ff; Schröder, DVB1.1984, 814ff; Stettner, DÖV1984,611 ff.

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begriffen näher zu bestimmen. Das erfordert allerdings wegen der noch uneinheitlichen Begriffsbildung zunächst einige Klarstellungen. Überwiegend wird der Parlamentsvorbeha lt in Abgrenzung zum weitergehenden Gesetzesvorbehalt auf das formelle Gesetz, das vom Parlament beschlossene Gesetz, bezogen2. Das mag im Rahmen des Gesetzesvorbehalts richtig sein, ist insgesamt betrachtet aber zu eng. Das Parlament ist zwar das zentrale, aber nicht das einzige Gesetzgebungsorgan, andererseits hat es Aufgaben, die nicht in der Form eines Gesetzes, sondern durch einfache Beschlüsse zu erledigen sind. Deshalb wird folgende Terminologie vorgeschlagen und verwendet: Der Parlamentsvorbehalt erfaßt alle Zuständigkeiten des Parlament und ist somit kompetenzorientiert. Der Gesetzesvorbehalt stellt dagegen primär auf die Form der staatlichen Entscheidung ab, indem er eine Regelung durch Gesetz oder aufgrund eines Gesetzes verlangt, wobei diese beiden Alternativen durch die Ausdrücke unmittelbarer und mittelbarer Gesetzesvorbehalt unterschieden werden können. Als dritte, hier jedoch nicht weiter interessierende Kategorie wäre noch der Rechtssatzvorbehalt zu nennen, der irgendeinen Außenrechtssatz fordert, aber auch genügen läßt. Der Richtervorbehalt auf der anderen Seite ist wiederum eindeutig. Er knüpft an die Zuständigkeit der Gerichte an und ist damit wie der Parlamentsvorbehalt primär kompetenzorientiert. Wenn der Verwaltungsvorbehalt neuerdings stärkeres Interesse findet, so ist das wohl in erster Linie auf die Entwicklung des Gesetzesvorbehalts zurückzuführen. Er ist in den letzten zwei Jahrzehnten zunehmend ausgedehnt worden, ohne daß es bislang gelungen wäre, seinen Umfang klar zu bestimmen3. Auch die Wesentlichkeitstheorie des BVerfG4 bringt keine klare Abgrenzung. Daher liegt die Frage nahe, ob er sich von der Gegenseite her, von der Verwaltung aus, begrenzen läßt5. Gesetzesvorbehalt und Verwaltungsvorbehalt schließen sich jedoch nicht lückenlos aneinander. Es gibt Bereiche, die der Gesetzgeber nicht regeln muß, aber regeln kann, die nicht dem Gesetzesvorbehalt, aber dem Zugriffsrecht des Gesetzgebers unterliegen. Der Verwaltungsvorbehalt markiert die Grenze der gesetzgeberischen Regelungsbefugnis und damit nur die äußerste Grenze des Gesetzesvorbehalts. Andererseits könnte er der 2

So schon Häberle, DVB1.1972,912 Fn. 49; ferner etwa BVerfGE58,257 (268); Erichsen, VerwArch. Bd. 69 (1978) S. 396; Bd. 70 (1979) S. 250; Krebs, Jura 1979,311; Eberle, DÖV1984, 486 m. w. N. - Kritisch Ossenbühl, Festschrift für Bosch, 1976, S. 756 Fn. 26; vgl. zur Terminologie auch Magiern, Parlament und Staatsleitung in der Verfassungsordnung des Grundgesetzes, 1979, S. 287 Fn. 78. 3 Vgl. dazu Stern, Staatsrecht, Bd. I, S. 802 ff., Bd. II, S. 571 ff. 4 BVerfGE 33,125 (158); 33,301 (346); 40,237 (249); 41,251 (259f); 49,89 (126f.); 57,295 (320 f.); 58,257 (268 f.). 5 Vgl. dazu Böckenförde, Gesetz (Fn. 1), S. 387 f.

Der Verwaltungsvorbehalt

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rechtspolitischen Diskussion über die Eindämmung der vielbeklagten Normenflut eine verfassungsrechtliche Korsettstange einfügen 6 . Begrifflich entsprechen sich jedoch Gesetzesvorbehalt und Verwaltungsvorbehalt wegen ihrer unterschiedlichen Anknüpfungspunkte nur bedingt. Da die Verwaltung weder auf eine bestimmte Handlungsform noch auf eine bestimmte Verfahrensart festgelegt ist, kann der Verwaltungsvorbehalt nur organisations- und damit zuständigkeitsbezogen sein. Er entspricht somit genau genommen nicht dem formorientierten Gesetzesvorbehalt, sondern dem kompetenzorientierten Parlamentsund Richtervorbehalt. Fraglich ist nur noch, ob er sich auf die Verwaltung i. e. S. beschränken oder - weitergehend als Exekutiworbehalt - auch die Regierung erfassen soll. Das letztere ist hier anzunehmen. Dafür spricht, daß die Regierung und die Verwaltung vom Grundgesetz unter dem gemeinsamen Begriff der vollziehenden Gewalt zusammengefaßt und der Legislative und Judikative gegenüber gestellt werden (Art. 1 III, 20 II und III GG), daß sie über die Exekutivspitze institutionell und funktionell eng miteinander verknüpft sind und daß sie schließlich zumindest im Verhältnis zum Parlament und zur Gerichtsbarkeit eine, wenn auch weitverzweigte Einheit darstellen. Der Gesetzesvorbehalt kommt allerdings wieder ins Visier, wenn man nicht auf das Gesetz, sondern auf den Gesetzgeber und dessen Tätigkeit, die Gesetzgebung, abstellt. Es geht dann um die Frage, ob der Exekutive Bereiche vorbehalten sind, die der Gesetzgeber nicht präjudizieren darf, die gesetzesfest sind. Die abstrakte Formel vom Gesetzgeber darf jedoch nicht darüber hinwegtäuschen, daß die Exekutive an der Gesetzgebung beteiligt ist, ja sie sogar de facto weithin bestimmt. Die Verwaltungsgesetze können geradezu als parlamentarisch sanktionierte Selbstbindungen der Exekutive bezeichnet werden. Das zeigt, daß der Verwaltungsvorbehalt in Wirklichkeit in ein komplexes Beziehungssystem gerät. Wagt man schließlich eine Definition, so besagt der Verwaltungsvorbehalt, daß der Exekutive im organisatorischen Sinne bestimmte Aufgaben- oder Funktionsbereiche ausschließlich zustehen. Er richtet sich einmal gegen Einwirkungen des Parlaments und des Gesetzgebers und zum anderen gegen Einwirkungen der Gerichtsbarkeit. Im folgenden wird nur der erste Komplex näher behandelt. Er steht auch im Vordergrund, zumal die Abgrenzung zur Gerichtsbarkeit weitgehend von der Gesetzesbindung abhängt7. Ferner beschränkt sich das Referat auf die 6

Vgl. zur „Gesetzesflut" und „Übernormierung" Eichenberger und Kloepfer, W D S t R L 40 (1982) S. 15 und 68 ff. sowie die daran anschließende Diskussion. 7 Vgl. zum Verhältnis von Verwaltung und Verwaltungsgerichtsbarkeit die Referate von Scholz und Schmidt-Aßmann auf der Augsburger Tagung, W D S t R L 34 (1976) S. 145 ff.

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rechtlich verbindlichen Einwirkungen; die Relevanz der unverbindlichen, wenn auch u. U. politisch durchaus bedrängenden Maßnahmen der parlamentarischen Kontrolle bleiben also ausgeklammert. 2. Arten des Verwaltungsvorbehalts a) Das Thema zielt eindeutig auf die Frage, ob der Exekutive in rechtlicher Sicht bestimmte Aufgaben und Funktionen vorbehalten sind, ob also ein normativer Verwaltungsvorbehalt besteht. Es gibt jedoch zahlreiche staatliche Aufgaben, die schon aus tatsächlichen Gründen nur von der Exekutive oder sogar nur von bestimmten Behörden oder bestimmten Organwaltern innerhalb der Exekutive wahrgenommen werden können, so etwa im Bereich der kommunalen Daseinsvorsorge, des Schulwesens, der Wirtschaftslenkung oder der militärischen Verteidigung8. Die Vornahme der vielfältigen Maßnahmen rein tatsächlicher Art im staatlichen Bereich fällt schon deshalb der Verwaltung zu, weil den Parlamenten und Gerichten die dafür erforderliche personelle und sachliche Ausstattung fehlt. Dieser faktische Verwaltungsvorbehalt ist auch rechtlich interessant, weil er auf Bereiche hinweist, die dem Gesetzgeber und dem Parlament von vornherein entzogen sind. Im Einzelfall kann es jedoch zweifelhaft sein, ob die Grenzen des faktischen Verwaltungsvorbehalts schon erreicht sind, ob der Gesetzgeber eine bestimmte Materie noch angemessen regeln kann oder nicht - es sei nur auf die Diskussion über die gesetzliche Regelung von Unterrichtszielen und Lehrplänen im Bereich der Schule verwiesen. b) Der normative Verwaltungsvorbehalt kann auf verschiedenen Ebenen angesiedelt sein. Von einem gesetzlichen Verwaltungsvorbehalt kann man sprechen, wenn der (einfache) Gesetzgeber der Verwaltung durch Einräumung von Ermessens- oder Beurteilungsspielräumen oder durch Regelungsverzicht gewisse Freiräume gewährt9. Er interessiert hier jedoch nicht weiter, da er lediglich gesetzgeberische Restriktionen, keine dem Gesetzgeber von außen gezogenen Schranken zum Ausdruck bringt. Anders ist es nur, wenn der Gesetzgeber verfassungsrechtlich zur Gewährung solcher Freiräume verpflichtet ist. Damit ist die zentrale Frage erreicht, nämlich ob die Verfassung selbst der Exekutive einen oder einige Vörbehaltsbereiche vermittelt, wobei noch weiter danach differenziert werden könnte, ob diese Vörbehaltsbereiche nur verfassungsrecht-

8

Herzog, W D S t R L 24 (1966) S. 190 f., 192; ders., in: Maunz/Dürig, Grundgesetz, Art. 20 Abschnitt V Rn. 82,109,112; ferner etwa im Blick auf die Schule Nevermann, VerwArch. Bd. 71 (1980) S. 241 ff. und Lerche, aaO Fn. 1, dazu BVerfGE 58, 257 (269 ff.). 9 Eingehend dazu Häberle, aaO Fn. 1.

Der Verwaltungsvorbehalt

141

lieh festgelegt sind oder über Art. 79 III GG auch gegenüber dem Zugriff des verfassungsändernden Gesetzgebers abgesichert werden. c) Der sonach verfassungsrechtlich zu bestimmende Verwaltungsvorbehalt kann in unterschiedlichen Erscheinungen auftreten10. Er kann als allgemeiner Verwaltungsvorbehalt umfassend sein oder als Auffangvorbehalt einige Einzelzuständigkeiten erfassen. Er kann als Sachbereichsvorbehalt bestimmte Lebens- oder Sachbereiche oder als Funktionsvorbehalt die Art und Weise der Erledigung von Sachaufgaben betreffen. Er kann als absoluter Vorbehalt einen bestimmten Kernbereich bilden oder als relativer Vorbehalt im Gravitationsfeld von Abwägungen variabel sein. Er kann sich ferner als Regierungsvorbehalt, Verwaltungsvorbehalt i. e. S. oder Behördenvorbehalt auf bestimmte Gliederungen des Exekutivbereichs beziehen. Damit soll keine Begriffsjurisprudenz getrieben, sondern nur gezeigt werden, auf was man sich möglicherweise einläßt, wenn man dem Verwaltungsvorbehalt nachgeht. Wenn auch das Thema auf den allgemeinen Verwaltungsvorbehalt zielt11, so wäre die Entdeckung eines Teilvorbehalts wenigstens ein gewisser Erfolg. 3. Methodisches

Vorgehen

In methodischer Hinsicht bieten sich bei der Suche nach dem Verwaltungsvorbehalt zwei entgegengesetzte Anknüpfungspunkte an. Man kann einmal von den Zuständigkeiten des Parlaments bzw. des Gesetzgebers ausgehen und deren Grenzen bestimmen. Dort wo diese definitiv enden, müßte der Verwaltungsvorbehalt beginnen, vorausgesetzt, daß nicht schon die Grenzen des staatlichen Wirkens überhaupt erreicht sind. Die weitgehende Entleerung des Gesetzesbegriffes macht diesen Weg freilich fraglich. Andererseits bietet die Verfassung in dieser Hinsicht einige deutliche Markierungen. Man kann aber auch umgekehrt bei der Verwaltung ansetzen mit der Frage, ob sich aus den sie betreffenden Regelungen und Grundsätzen ein vom Parlament und vom Gesetzgeber zu respektierender Eigenbereich feststellen läßt. Dieser Ansatz wird offenbar durch die Themenstellung intendiert und soll auch hier verfolgt werden. Er wird sich freilich nicht konsequent durchhalten lassen, weil die Frage nach dem Verwaltungsvorbehalt in ein Beziehungsgeflecht von parlamentarischen und exekutiven Zuständigkeiten führt und daher nicht nur von einer Seite aus betrachtet werden kann. Das zeigt bereits der historische Überblick, dem wir uns nunmehr zuwenden, um das Thema in einen etwas größeren Rahmen zu bringen. 10 11

Stettner, DÖV1984, 614 ff. So auch Schröder, DVB1.1984, 816 und 820.

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II. Historische Aspekte 1. Beschränkung der monarchischen Stadtsgewalt durch Aussonderung der Gesetzgebung und Rechtsprechung Zur Zeit des Absolutismus konnte sich die Frage nach irgendwelchen Vorbehalten schon deshalb nicht stellen, weil die gesamte Staatsgewalt beim Monarchen lag. Die folgende konstitutionelle Bewegung führte nicht zur Herausbildung und Abgrenzung eines Exekutivbereichs, sondern zur Aussonderung bestimmter Funktionen aus der bislang umfassenden Staatsgewalt des Monarchen, nämlich einmal der Rechtsprechung durch die Verselbständigung der Gerichte und zum anderen der Gesetzgebung durch die den Volksvertretungen eingeräumten Mitwirkungsrechte. Im übrigen blieb aber die Staatsgewalt ausschließlich beim Monarchen. Für seine Zuständigkeit sprach die Vermutung12. In dieser Sicht war auch die bekannte Formel, daß zur Exekutive oder zur Verwaltung alles gehöre, was nicht der Gesetzgebung oder der Rechtsprechung zuzurechnen sei13, nicht nur eine Verlegenheitslösung. Sie brachte vielmehr die Fülle der beim Monarchen verbliebenen Staatsgewalt zum Ausdruck. Gesetzesvorbehalt und Richtervorbehalt bezeichneten die dem Monarchen gezogenen Grenzen. Für einen Verwaltungsvorbehalt bestand eigentlich kein Anlaß. 2. Gesetzgebung und „Verwaltungsvorbehalte" zur Zeit des / Konstitutionalismus Wenn gleichwohl Erich Kaufmann gegen Ende des Konstitutionalismus von „Verwaltungsvorbehalten" sprach14, so liegt das an der Ausdehnung der Gesetzgebung. Das konstitutionelle Gesetz, das vom Monarchen und vom Parlament gemeinsam beschlossen werden mußte und den damaligen Dualismus von Staat und Gesellschaft widerspiegelte, wirkte in doppelter Hinsicht. Einmal regelte und begrenzte es die Eingriffe der monarchischen Exekutive in den verfassungsrechtlich abgesicherten gesellschaftlichen Bereich. Zum anderen ermöglichte es aber

12

Meyer/Anschütz, Lehrbuch des Deutschen Staatsrechts, 7. Aufl. 1919, S. 20, 272 f.; Jesch, Gesetz und Verwaltung, 1961, S. 88 m. w. N. 13 0. Mayer, Deutsches Verwaltungsrecht, Bd. 1,1. Aufl. 1895, S. 9; Fleiner, Institutionen des Deutschen Verwaltungsrechts, 1. Aufl. 1911, S. 8; vgl. ferner Laband, Das Staatsrecht des Deutschen Reiches, Bd. 2, 5. Aufl. 1911, S. 175, der allerdings S. 176 f. die Verwaltung auch positiv durch das Merkmal des Handelns bestimmt. 14 Erich Kaufmann, Verwaltung, Verwaltungsrecht, in: Stengel/Fleischmann, Wörterbuch des Deutschen Staats- und Verwaltungsrechts, 2. Aufl. 1914, Bd. III, S. 688 fT. (698); wieder abgedruckt in: Kaufmann, Autorität und Freiheit, Gesammelte Schriften, 1960, Bd. I, S. 78 ff. (98).

Der Verwaltungsvorbehalt

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auch der Volksvertretung Einwirkungen auf den monarchischen Bereich. Die Verfassungen selbst verlangten für bestimmte, dem Exekutivbereich zuzurechnende Hoheitsakte die Form des Gesetzes, so insbesondere für die Feststellung des Haushaltsplanes oder die Aufnahme von Krediten. Darüber hinaus konnten grundsätzlich alle Angelegenheiten gesetzlich geregelt werden15. Neben den obligatorischen, verfassungsrechtlich vorgeschriebenen Gesetzen wurden auch fakultative Gesetze für zulässig erachtet16. Das lag durchaus in der Logik des konstitutionellen Verfassungssystems. Der Monarch hatte durch die oktroyierten oder vereinbarten Verfassungen bestimmte Beschränkungen akzeptiert; er konnte nicht mehr dahinter zurückgehen, aber er konnte weitere Zugeständnisse machen und in seinen Bereich einwirkenden Gesetzen zustimmen. In der Praxis sind solche Gesetze auch relativ häufig vorgekommen. Sie betrafen allgemeine Regelungen über die Verwaltungsorganisation, die Leistungsverwaltung und das besondere Gewaltverhältnis, alles Gebiete, die nicht oder nicht eindeutig dem Gesetzesvorbehalt unterfielen, aber auch - als Einzelfallgesetze - konkrete Vorhaben, etwa den Bau einer bestimmten Eisenbahnlinie, die Festlegung der Flottenstärke sowie die Gewährung einzelner Dotationen und Subventionen17. Der dem Monarchen zustehende Exekutivbereich war damit der Legislative offen, aber er war ihr nicht ausgeliefert, weil der Monarch zugleich an der Gesetzgebung beteiligt war und deshalb unerwünschte Einwirkungen durch Verweigerung seiner Zustimmung ausschließen konnte. Überwiegend wurden solche Gesetze sogar von der Regierung veranlaßt, etwa um das Parlament in die Verantwortung einzubeziehen oder die spätere Finanzierung der gesetzlich beschlossenen Projekte zu sichern. Das Gesetz war also Schlüsselbegriff im doppelten Sinn: Mit seiner Hilfe konnte der 15

Vgl. etwa Laband, aaO Fn. 13, S. 2 ff, 61 ff.; clers., Reichsstaatsrecht, 7. Aufl. 1919, S. 130; Meyer/Anschütz, aaO Fn. 12, S. 637ff.; Kaufmann, Gesammelte Schriften (Fn. 14), S. 94; Göz, Das Staatsrecht des Königreichs Württemberg, 1908, S. 210 f.; Walz, Das Staatsrecht des Großherzogtums Baden, 1909, S. 210; Fleiner, Verwaltungsrecht, S. 16 Fn.2; ferner retrospektiv: Mußgnug, Der Haushaltsplan als Gesetz, 1976, S. 268 ff.; ders., in: Jeserich/Pohl/von Unruh (Hg.), Deutsche Verwaltungsgeschichte, Bd. II, 1983, S. 99 f., 118; Böckenförde, Gesetz (Fn. 1), S. 151. 16 Vgl. zum Begriff „fakultative Gesetze" Mußgnug, aaO Fn. 15; Nawiasky, Bayerisches Verfassungsrecht, 1923, S. 112 f., 344. 17 Eingehende Nachweise sind aus Raumgründen nicht möglich. Eine Durchsicht der Gesetzblätter des 19. Jahrhunderts fordert reichhaltiges, bislang kaum beachtetes Material. Um wenigstens einige Beispiele für die erwähnten Einzelfallgesetze zu nennen vgl. zum Eisenbahnbau das Bad. Gesetz vom 29.3.1838 (Staats- und RegBl. S. 147) und das Preuß. Gesetz vom 12.5.1851 (GS S. 260), zum Flottenbau das Reichsgesetz vom 10.4.1898 (RGBl. S. 165) und zu Einzelsubventionen das Preuß. Gesetz vom 16.4.1860 (GS S. 172) und das Bad. Gesetz vom 25.7.1876 (RegBl. S. 197). Vgl. nun auch die umfassende Übersicht bei Grawert, Der Staat, Beiheft 7,1984, S. 113 ff, insbes. S. 126 ff.

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Monarch in den gesellschaftlichen Bereich und das Parlament in den staatlich-monarchischen Bereich eindringen, aber - und das ist fur die damalige Zeit charakteristisch - jeweils nur mit Zustimmung der anderen Seite. Die konstitutionelle Staatsrechtslehre befaßte sich vorwiegend mit den in den gesellschaftlichen Bereich eingreifenden Gesetzen, mit dem Gesetzesvorbehalt18. Das war ja auch das Problem des Konstitutionalismus, dem es um die demokratische und rechtsstaatliche Beschränkung der monarchischen Staatsgewalt im Verhältnis zur gesellschaftlichen Sphäre ging. Darauf bezog sich auch der damals entwickelte, allerdings kontrovers gebliebene materielle Gesetzesbegriff. Es war aber allgemein anerkannt, daß sich die Form des Gesetzes nicht darauf beschränkte, sondern inhaltlich für alle Rechtsakte offen war19. Repräsentativ, wenn auch vielleicht besonders zugespitzt, dürfte die 1914 von Erich Kaufmann vertretene Meinung gewesen sein, daß die gesetzgebende Gewalt als oberste Gewalt selbst die Grenzen nach unten, d. h. zur Verwaltung, ziehe und nach souveränem Ermessen darüber entscheide, ob sie allgemeine oder individuelle Sätze aufstelle, ob sie die staatlichen Behörden oder die Untertanen zu Adressaten mache, ob und inwieweit sie Detailbestimmungen treffe oder sich mit allgemeinen Ermächtigungen und Direktiven begnüge20. In diesem Kontext erscheint dann auch, soweit ersichtlich, erstmals der Verwaltungsvorbehalt. Die Verfassungsurkunden hätten es für nötig befunden, so führte Kaufmann weiter aus21, einige besonders wichtige grundsätzliche Beziehungen unter die besondere Garantie der Verfassung zu stellen, und deshalb verfassungsmäßige Vorbehalte" sowohl zugunsten der Gesetzgebung wie zugunsten der Verwaltung geschaffen. Die „Verwaltungsvorbehalte", die er sodann beispielhaft aufzählt - nämlich die auswärtige Verwaltung, die Militärgewalt, die oberste Leitung der Politik durch Ernennung und Entlassung der Minister, das Belohnungswesen (Orden, Titel usw.) und das Begnadigungswesen -, gehören durchweg der Regierungsebene an, ja entpuppen sich bei näherem Zusehen als die traditionellen Prärogativen des Monarchen. Den wichtigsten, zwar nur formalen, aber übergreifenden Vorbehalt der

18

Vgl. dazu Böckenförde, Gesetz (Fn. 1). Die Praxis orientierte sich an der „Wichtigkeitstheorie", vgl. dazu Franz Rosin, Gesetz und Verordnung nach badischem Staatsrecht, 1911, S. 65,90 ff., 101, - eine Theorie, die über hundert Jahre später in der vom BVerfG entwickelten Wesentlichkeitstheorie wiederkehren sollte, nunmehr allerdings nicht als politischer Begriff, sondern als Rechtsbegriff. 19 Vgl. die Nachweise oben Fn. 15. 20 Kaufmann, Gesammelte Schriften (Fn. 14), S. 94. 21 Kaufmann, aaO, S. 97 f; vgl. auch Kaufmann, in: Die Übertragung rechtsetzender Gewalt im Rechtsstaat, 1952, S. 174 f.; ders., W D S t R L 24 (1966) S. 220.

Der Verwaltungsvorbehalt

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Exekutivspitze, nämlich den Zustimmungsvorbehalt für Gesetze, erwähnte er nicht, obwohl gerade er für das konstitutionelle Verfassungsrecht charakteristisch war und die erwähnten Verwaltungsvorbehalte nicht nur absicherte, sondern auch relativierte. 3. Die Fragestellung zur Weimarer Zeit

Zu grundlegenden Änderungen führte der Zusammenbruch der Monarchie im Jahre 1918 und das Inkrafttreten der Weimarer Reichsverfassung und der Landesverfassungen. Im einzelnen braucht darauf nicht weiter eingegangen zu werden. Wesentlich in unserem Zusammenhang ist, daß die Gesetze nun nicht mehr der Zustimmung der Exekutive bedurften, sondern allein vom Parlament erlassen werden konnten. Das mußte zu der Frage fuhren, ob der weite GesetzesbegrifF des Konstitutionalismus, der jede Regelung aufnehmen konnte, fortbestehen sollte. Richard Thoma hat diese Frage im Handbuch des Deutschen Staatsrechts 1932 klar formuliert: „Festzustellen ist" so führt er wörtlich aus, „ob man aus dem Vorkriegsrecht den Satz übernehmen darf, daß die Legislative auch solche allgemeinen Normierungen treffen könne, zu deren Erlassung an sich die Verwaltung zuständig wäre. Denn was damals, als die Spitze der Verwaltung die Gesetze sanktionierte, selbstverständlich war, ist es heute nicht mehr"22. Er bejahte dies dann nicht nur für allgemeine Normierungen, sondern anschließend auch für individuelle Akte. Etwas anderes sollte nach Thoma nur gelten, wenn die Verfassung selbst der Legislative Schranken ziehe, die man, wie er an späterer Stelle sagte, „als Vorbehalte der Gerichte und der Verwaltungsorgane bezeichnen könnte", wobei er zu den letzteren vor allem die dem Reichspräsidenten und der Reichsregierung zugewiesenen Kompetenzen rechnete23. Thoma folgte somit - bewußt oder unbewußt - der Linie Kaufmanns. Diese Auffassung - umfassende Gesetzeskompetenz, soweit nicht eine anderweitige Zuständigkeit begründet ist - entsprach der damaligen h. L. und Praxis24. Politisch-psychologisch war sie verständlich, weil man nach dem endgültigen Durchbruch der parlamentarischen Demokratie dem Parlament schwerlich das verweigern konnte, was ihm früher bereits

22

Thoma, HdbDStR Bd. II, 1932, S. 146. Thoma, aaO, S. 146 ff., 221 24 Vgl. Nawiasky, Bayerisches Verfassungsrecht, S. 112f., 344; Rothenbücher, Die Stellung des Ministeriums nach Bayerischem Verfassungsrechte, 1922, S. 24; Heller, W D S t R L 4 (1928) S. 121 ff.; Apelt, Geschichte der Weimarer Verfassung, 2. Aufl. 1964, S. 238ff.;femer E. R. Huber, Deutsche Verfassungsgeschichte, Bd. VI, 1981, S. 404 ff., 413 ff. Bezüglich der Nachweise aus der Praxis vgl. bereits die Bemerkung oben Fn. 17. 23

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zustand. Verfassungsrechtlich und verfassungstheoretisch war sie freilich problematisch, weil die Zuständigkeitsfragen nunmehr in neuem Lichte beurteilt werden mußten 25 . Die h. L. blieb denn auch nicht unbestritten. Neben den Autoren, die eine Begrenzung der Gesetze aus deren Wesen heraus forderten 26 , ist vor allem Carl Schmitt zu nennen, der im Blick auf das Gewaltenteilungsprinzip und die Rechtsstaatsidee die Begrenzung der Gesetze auf generelle Regelungen und deren Anwendung durch den Richter und die Verwaltungsbehörden forderte 27 . Insgesamt blieb aber der tendenziell umfassende, inhaltlich weitgehend entleerte Gesetzesbegriff vorherrschend. Das, was Verwaltungsvorbehalte genannt wurde, waren verfassungsrechtlich festgelegte Zuständigkeiten der Exekutive insbesondere auf der Regierungsebene.

III. Verfassungsrechtliche Grundlagen 1. Anknüpfung an allgemeine Verfassungsgrundsätze? Die dargelegte, durch den weiten Gesetzesbegriff bestimmte Entwicklung wirkt bis heute fort. Ob und inwieweit sie von der Gesetzgebung her aufgefangen und eingeschränkt werden soll und kann, muß hier auf sich beruhen bleiben. Dem Thema entsprechend geht es um die Frage, ob die früher verschiedentlich angenommenen Exekutiworbehalte fortbestehen oder sogar zu einem allgemeinen Exekutiworbehalt ausgebaut werden können. Diese Frage muß vom Verfassungsrecht aus geklärt werden. Verfassungstheoretische und verwaltungswissenschaftliche Gesichtspunkte mögen Hilfestellungen geben, können aber den normativen Verwaltungsvorbehalt nicht begründen. Ferner müssen sich die folgenden Überlegungen auf das deutsche Recht beschränken, so nützlich rechtsvergleichende Hinweise auch wären. Die besonderen Aspekte des schweizerischen und des österreichischen Rechts werden ja ohnehin in der Diskussion von berufenerer Seite zur Sprache gebracht werden. Im Grundgesetz ist - ebenso wie in den Landesverfassungen - von einem Exekutiv- oder Verwaltungsvorbehalt weder ausdrücklich noch implizit die Rede. Es fragt sich daher, ob ersieh deduktiv aus allgemeinen Verfassungsprinzipien oder induktiv aus mehreren verfassungsrecht-

25

Rothenbücher, aaO Fn. 24. Vgl. dazu E. R. Huber, Deutsche Verfassungsgeschichte, Bd. VI, S. 406 ff. m. w. N. 27 Carl Schmitt, Verfassungslehre, 1928, S. 138 ff., insbes. S. 151 f.; im Ergebnis trafen sich allerdings Thoma und Schmitt zum Teil, so etwa im Blick auf GrundrechtseingrifFe, vgl. Thoma, aaO, S. 150. Völlig anders dagegen Carl Schmitt nach 1933, vgl. Zeitschrift der Akademie für Deutsches Recht 1935, S. 438 f. 26

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Der Verwaltungsvorbehalt

liehen Einzelregelungen gewinnen läßt. Der erste Weg wurde bekanntlich beim Gesetzesvorbehalt beschritten. Obwohl er in einer Reihe von verfassungsrechtlichen Einzelvorschriften erscheint, wird er - zumindest zusätzlich - als allgemeiner Gesetzesvorbehalt aus dem Demokratie-und Rechtsstaatsprinzip abgeleitet28. Sucht man für den Verwaltungsvorbehalt nach solchen allgemeinen Verfassungsprinzipien, dann kommt man in Verlegenheit. Eine Anknüpfung an das Demokratie-, Rechtsstaats- oder Sozialstaatsprinzip erscheint nicht möglich, sofern man nicht in Platitüden verfallen will, etwa die Feststellung, daß der Sozialstaat eine funktions- und leistungsfähige Verwaltung erfordere und deshalb das Sozialstaatsprinzip eine entsprechende Gewährleistung enthalte. Lediglich die Differenzierung zwischen genereller Regelung und individuellem Vollzug hat eine rechtsstaatliche Dimension, wie noch darzulegen sein wird. Andererseits ergeben sich aus diesen oder anderen verfassungsrechtlichen Prinzipien auch keine Argumente gegen einen Verwaltungsvorbehalt. Die allgemeinen Hinweise auf die Organsouveränität oder die Vorrangstellung des Parlaments oder auf eine Kompetenzvermutung zugunsten des Parlaments29 sind schon für sich betrachtet fraglich30, schließen aber jedenfalls - ebenso wie die Hinweise auf die unmittelbare demokratische Legitimation des Parlaments, den Vorrang der Gesetze usw. - nicht aus, daß es doch noch einen verfassungsrechtlich gewährleisteten Reservatbereich der Exekutive gibt. 2. Das Gewaltenteilungsprinzip,

insbesondere

die

Kernbereichslehre

Es bleibt das Gewaltenteilungsprinzip. Nach der h. M. legt Art. 20 II 2 GG das traditionelle Gewaltenteilungsmodell als tragenden Verfassungsgrundsatz fest. Es sei allerdings, so wird ausgeführt, nicht rein verwirklicht, sondern werde durch zahlreiche Durchbrechungen und Verschränkungen bestimmt; es verlange nur prinzipielle Geltung und gestatte Ausnahmen. Der Kernbereich der einzelnen Gewalten müsse jedoch gewährleistet bleiben31. Der Kernbereich der Exekutive könnte der von uns gesuchte Verwaltungsvorbehalt sein.

28

So insbes. das BVerfG, vgl. die Nachweise oben Fn. 4. Vgl. dazu die beachtenswerten Darlegungen von Jesch, aaO Fn. 12, S. 99 ff., 171 f. 30 Vgl. etwa BVerfGE 49, 89 (124 ff.); Ossenbühl, Verwaltungsvorschriften und Grundgesetz, 1968, S. 187 ff. 31 Vgl. dazu etwa Wernicke, Bonner Kommentar, Art. 20, Anm. II 2g; von Mangoldt/Klein, Das Bonner Grundgesetz, 2. Aufl. 1966, Art. 20 V5 b (S. 599); Maunz, in: Maunz/Dürig, Art. 20 (Erstbearbeitung 1960) Rn. 81; Schnapp, in: von Münch, Grundgesetz-Kommentar, Bd. 1, 2. Aufl. 1981, Art. 20 Rn. 34; Schweiger, in: Nawiasky/Leusser/Schweiger/Zacher, Die Verfassung des Freistaates Bayern, 29

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Bei näherer Betrachtung zeigt sich jedoch, daß die Kembereichslehre auf schwachen Füßen steht. a) Zunächst fällt auf, daß die Stellungnahmen in der Literatur und Rechtsprechung meist sehr knapp und vage sind. So wird oft nicht deutlich, ob mit dem Hinweis auf die Durchbrechungen und Ausnahmen lediglich der verfassungsrechtliche Befund beschrieben oder zusätzliche Einschränkungen für zulässig erklärt werden sollen. Soweit die zweite Alternative gemeint ist, bleibt zweifelhaft, auf welcher Ebene die Einschränkungen erfolgen dürfen. Das BVerfG, das von der h. L. als Kronzeuge in Anspruch genommen wird, hatte sich mit sehr verschiedenartigen Fällen zu befassen und zu prüfen, ob der originäre Verfassungsgeber, der verfassungsändernde Gesetzgeber oder der einfache Gesetzgeber gegen das Gewaltenteilungsprinzip verstoßen hat32. Daß sich dabei die Kernbereichsfrage unterschiedlich stellen mußte, wird meist verkannt, allerdings auch vom Gericht selbst nicht hinreichend herausgestellt. Im übrigen werden die Äußerungen des BVerfG zur Gewaltenteilung und zum Kernbereich in der Literatur zum Teil auch überschätzt. In der Leitentscheidung, der Entscheidung zum Bremer Personalvertretungsgesetz33, erwähnte das Gericht die Gewaltenteilung nur beiläufig. Die zentrale Aussage, daß eine „funktionsfähige und verantwortliche Regierung" bestehen müsse, wurde nicht mit dem Gewaltenteilungsprinzip, sondern mit dem Hinweis auf den „demokratischen Rechtsstaat" begründet und richtete sich nicht gegen die Legislative, sondern gegen selbständige Ausschüsse innerhalb der Exekutive. In neueren Entscheidungen taucht die Kernbereichsthese überhaupt nicht mehr auf, auch nicht im Kalkar-Urteil34, so daß sich die Frage stellt, ob sie nicht inzwischen stillschweigend aufgegeben worden ist. Diese Frage erledigt sich auch nicht

2. Aufl. 1976 Art. 5 Rn. 10; Stern, Staatsrecht Bd. I, S. 795; Bd. II, S. 541 ff., 755; Fürst/ Günther, Grundgesetz, 3. Aufl. 1982, S.38; Bullinger, Vertrag und Verwaltungsakt, 1962, S. 94; Kopp, Verfassungsrecht und Verwaltungsverfahrensrecht, 1971, S. 234; Ossenbühl, DÖV1980,548; Meyn, Kontrolle als Verfassungsprinzip, 1982, S. 215 f., 355; Stettner, DÖV 1984,620; ferner aus der Rechtsprechung BVerfGE9,268 (280); 30, 1 (28); 34, 52 (59); BayVerfGHE 7,113 (121 f.); 18, 85 (97); Bad.-Württ. StGH ESVGH23,135 (143); Hess. StGH ESVGH19,141 (146); OVG Münster, DVB1.1978, 62 (63). Kritisch Hesse, Grundzüge des Verfassungsrechts der Bundesrepublik Deutschland, 14. Aufl. 1984, Rn. 476 ff.; Herzog, in: Maunz/Dürig, Art. 20, Abschnitt V Rn. 115 ff.; ablehnend Leisner, DÖV 1969,405 (407 ff.); Achterberg, Probleme der Funktionenlehre, 1970, S. 189fF., insbes. S.200f.; ders., Parlamentsrecht, 1984, S. 229, 425; Zimmer, aaO Fn. 1, S. 23 ff; Degenhart, NJW1984,2186 f. 32 In BVerfGE 3, 225 (237, 247 f.) zum originären Verfassungsgeber, in BVerfGE 30,1 (28) zum verfassungsändernden Gesetzgeber. 33 BVerfGE 9,268 (279 ff). 34 BVerfGE 49, 89 (124 ff).

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durch die ganz neue Entscheidung des BVerfG zur Aktenherausgabe an parlamentarische Untersuchungsausschüsse35, wo vom „Kernbereich exekutiver Eigenverantwortung" die Rede ist, da es dort nicht um die Abgrenzung der Funktionsbereiche Legislative und Exekutive, sondern um den regierungsinternen Bereich geht. b) Die Kernbereichslehre ist bereits in sich nicht konsistent. Die Vorstellung eines Kernbereichs ist zwar unserer Verfassungsordnung nicht fremd, wie die Wesensgehaltsgarantie der Grundrechte (Art. 19 II GG) und der Kernbereich der kommunalen Selbstverwaltungsgarantie (Art. 28 II GG) zeigen36. Aber sie läßt sich nicht auf die Gewaltenteilung übertragen. Schon die Kernbereiche der Grundrechte und der Selbstverwaltungsgarantie sind nicht unproblematisch. Immerhin ergeben sich Anknüpfungspunkte - für die Grundrechte der vorstaatlich gegebene Menschenrechtsgehalt und für die Selbstverwaltungsgarantie sachlich der örtliche Bezug und der nachbarschaftliche Verbund der Gemeinde sowie rechtlich der institutionelle Charakter der Selbstverwaltungsgarantie. Entsprechende, substantiell oder institutionell begründete Anhaltspunkte bestehen für die Staatsfunktionen nicht. Es kann daher nicht überraschen, daß die bisherigen Versuche, den Kernbereich der Exekutive inhaltlich zu bestimmen, unergiebig geblieben sind. Sicherlich gibt es wesentliche und typische Verwaltungstätigkeiten; aber sie betreffen fast den gesamten Verwaltungsbereich, so daß sie sich nicht zu einem kompakten Kernbereich verdichten lassen. Der Gesichtspunkt der Abwägung führt ebenfalls nicht weiter. Da das Gewaltenteilungsprinzip mit materiellen Verfassungsprinzipien, etwa dem Rechtsstaats- oder Sozialstaatsprinzip, nicht kommensurabel ist, kommt allenfalls eine gewaltenteilungsinterne Abwägung in Betracht, etwa in dem Sinn, daß Übergriffe in den Bereich einer anderen Gewalt zulässig sind, solange nur die Gleichgewichtslage insgesamt bestehen bleibt37. Dadurch wird jedoch nicht nur der Kernbereich relativiert (was ein Widerspruch in sich ist), sondern auch das Gewaltenteilungsprinzip insgesamt denaturiert, weil beliebige Verschiebungen möglich wären, sofern nur die Einschränkung auf der einen Seite durch eine Zugabe auf der anderen Seite ausgeglichen wird, ganz abgesehen davon, daß es kaum möglich sein dürfte, die verfassungsrechtlich festgelegte Gleichgewichtslage auch nur einigermaßen verläßlich zu bestimmen.

35

BVerfG DVB1.1984, 827 (830 f.), vgl. dazu auch unten VII1. Entsprechende Vergleiche mit ebenfalls negativem Ergebnis bei Leisner, DÖV1969, 407 f.; Achterberg, aaO Fn. 31, S.191 ff. 37 Auf die Gleichgewichtslage (kein „Übergewicht" einer Gewalt über die andere) verweisen beispielsweise BVerfGE9, 268 (279); 22,106 (III); 34,52 (59); OVG Münster DVB1.1978, 62 (63); Stern, Staatsrecht II, S. 542. 36

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Ferner setzt die Vorstellung eines absolut geschützten Kernbereichs schon rechtslogisch ein relativ geschütztes Umfeld voraus. Es müßten daher zunächst das Umfeld, der Schutzbereich der Exekutive, abgesteckt und die EingrifFsvoraussetzungen dieses Bereichs bestimmt werden. Erst wenn festgestellt ist, daß in den Schutzbereich eingegriffen wurde und eingegriffen werden durfte, kann sich die Kernbereichsfrage stellen. Da die Gewaltenteilung verfassungsrechtlich verankert ist, müßten folgerichtig auch die Eingriffe und Beschränkungen verfassungsrechtlich legitimiert sein. Der Rückzug auf den Kernbereich reduziert die Eingriffsproblematik in unzulässigerWeise. Das gilt insbesondere für die Legislative, die sonst die ihr gezogenen Zuständigkeitsgrenzen beliebig bis zum Kernbereich der Exekutive verschieben könnte. Wenn überhaupt, dann kann die Kernbereichstheorie nur für den verfassungsändernden Gesetzgeber im Rahmen des Art. 79 III GG maßgeblich sein. c) Der Haupteinwand gegen die Kernbereichslehre richtet sich jedoch nicht gegen diese immanenten Schwächen und Widersprüche, sondern gegen den Grundansatz, die Auffassung, das Grundgesetz habe ein bestimmtes Modell der Gewaltenteilung übernommen, das nur bedingt gelte und deshalb wenigstens in seinen Kernbereichen erhalten bleiben müsse. Die von Montesquieu entwickelte Lehre von der Dreiteilung der Gewalten setzte sich im 19. Jahrhundert in der Staatsrechtslehre und in der Staatsrechtspraxis weitgehend durch. Sie gilt heute als integrierender Bestandteil einer rechtsstaatlichen Verfassung. Auch das Grundgesetz knüpft an diese Tradition an. Es hat aber nicht das Modell oder ein Modell der Gewaltenteilung rezipiert, sondern die Vorstellungen der traditionellen Gewaltenteilung gleichsam als Modelliermasse übernommen und daraus ein eigenes Konzept der Gewaltenteilung entwickelt. Das klassische Gewaltenteilungsprinzip wird in Art. 20 II 2 GG zwar konzeptionell aufgenommen, aber sodann in den folgenden Grundgesetz-Artikeln durchaus eigenständig - unter Einbeziehung weiterer Strukturprinzipien, etwa des Föderalismus, der Verfassungsgerichtsbarkeit usw. - durch eine Reihe mehr oder weniger detaillierter Regelungen konkretisiert, modifiziert und weiterentwickelt38. Das, was sich für die h. L. als Durchbrechungen und Ausnahmen darstellt, sind in Wirklichkeit die Eigenarten der grundgesetzspezifischen Gewaltenteilung. Damit entfallen auch die als Gegenausnahmen gedachten Kernbereiche. Das entspricht durchaus auch den Grundgedanken der Gewaltenteilungslehre39. Ziel der Gewaltenteilung ist die Mäßigung der Macht durch 38

Hesse, Verfassungsrecht, aaO Fn. 31, Rn. 481 ff.; ferner Stern, Staatsrecht II, S. 535 ff.; Ossenbühl, aaO Fn. 30, S. 200 ff. 39 Grundlegend zur Gewaltenteilungslehre Kägi, Zur Entstehung, Wandlung und Problematik des Gewaltenteilungsprinzipes, 1937, und die in Rausch (Hg.), Zur heutigen Problematik der Gewaltentrennung, 1969 abgedruckten Beiträge.

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Teilung und Kontrolle zur Sicherung der persönlichen Freiheit sowie die Gewährleistung einer funktionsgerechten Organisation zur arbeitsteiligen Bewältigung der vielfältigen staatlichen Aufgaben. Diese Zielsetzungen lassen sich nur erreichen, wenn die besonderen Verhältnisse der jeweiligen Zeit berücksichtigt und ihr entsprechende Organisationsregelungen gefunden werden. Schon Montesquieu hatte die Verhältnisse seiner Zeit im Auge und wollte für sie ein brauchbares Modell entwickeln. Die Verfassungen des Konstitutionalismus knüpften an den Dualismus von Monarch und Bürgertum an. Im demokratischen Staat der Gegenwart, in dem die gesamte Staatsgewalt vom Volke ausgeht, wird die Gewaltenteilung zur Kompetenzordnung, die die Wahrnehmung der Staatsaufgaben auf verschiedene, sich ergänzende und kontrollierende Organe verteilt. Methodisch ist daher von den verfassungsrechtlichen Kompetenzregelungen auszugehen. Dieser induktive Weg ist auch mehrfach eingeschlagen worden, so auch in der Kalkar-Entscheidung des BVerfG40. Damit wird Art. 20 II 2 GG nicht bedeutungslos. Er bildet eine allgemeine, insbesondere auch traditionelle Erwägungen legitimierende Richtlinie und kommt ggf. subsidiär zur Anwendung. Die sonach gebotene Einzelprüfung wird sich auf drei Problembereiche erstrecken müssen, die zwar eng miteinander zusammenhängen, aber doch wieder ihre spezifischen Eigenarten haben, nämlich den Bereich der Regierung, den Bereich der Verwaltung und den Innenbereich der Exekutive.

IV. Regierung und Parlament I. Die verfassungsrechtlichen Zuständigkeiten

der Regierung

Auf der Regierungsebene lassen sich ziemlich leicht einige Zuständigkeiten ausmachen. Zu nennen sind - im Blick auf das Grundgesetz - vor allem die Richtlinienkompetenz des Bundeskanzlers und die Ressortleitungskompetenz der Bundesminister, die auswärtigen Angelegenheiten, die militärische Befehls- und Kommandogewalt sowie die finanzverfassungsrechtlichen Befugnisse, insbesondere die Aufstellung des Haushaltsplans, die Bewilligung außer- und überplanmäßiger Ausgaben und die Zustimmung zu finanzwirksamen Gesetzen41. Sie können, wenn man so will, als Regierungsvorbehalte, im Blick darauf, daß sie zum Teil auch den der Regierung nachgeordneten Verwaltungsbehörden gewisse Kom-

40 41

BVerfGE 49, 89 (125 f.). Vgl. Art. 65, 591, 65 a, 110 II und III, 112 und 113 GG.

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petenzen vermitteln, sogar als Exekutiworbehalte bezeichnet werden. Indessen ist diese Qualifizierung schon deshalb zweifelhaft, weil alle diese Zuständigkeiten zwar beachtliche politische Gestaltungs- und Führungsmöglichkeiten begründen, aber fast durchweg nur im Zusammenwirken oder im Zusammenhang mit dem Bundestag. Das gilt selbst für die Richtlinien- und Ressortleitungskompetenz, da die vom Bundeskanzler oder einem Bundesminister entwickelten Programme und Initiativen in der Regel noch der gesetzlichen Verwirklichung oder zumindest der etatmäßigen Absicherung bedürfen. 2. Die Staatsleitung als gemeinsame Aufgabevon Parlament und Regierung Dieser Befund wird bestätigt und abgerundet, wenn man die einzelnen Regierungskompetenzen nicht isoliert betrachtet, sondern im größeren Zusammenhang sieht. In der Staats- und Verwaltungsrechtslehre ist die verfassungsdogmatische Stellung der Regierung lange vernachlässigt worden, einmal, weil sich die Regierung nicht oder nur schwer in das am Gesetz und Gesetzesvollzug orientierte Gewaltenteilungsschema einordnen ließ, und zum anderen, weil das Hauptinteresse der rechtsstaatlichen Beschränkung der Staatsgewalt und damit der den Bürger unmittelbar betreffenden Verwaltung galt42. Erst in den zwanziger Jahren hat RudolfSmend43 mit seiner Bezugnahme auf das Politische die Voraussetzungen fur ein neues, weiterführendes Verständnis der Regierung geschaffen. Scheuner hat diese Ansätze aufgegriffen und institutionell ausgebaut. Er wies daraufhin, daß die Regierungstätigkeit das Ganze des Staates, seine Zielsetzung und Leitung, betreffe und daher nicht nur der Regierung im organisatorischen Sinn, sondern auch dem Gesetzgeber zukomme, also über die Unterscheidung Gewalten hinausreiche44 Friesenhahn hat dann auf der Staatsrechtslehrertagung 1957 die Formel geprägt, daß die Staatsleitung der Regierung und dem Parlament „gewissermaßen zur gesamten Hand" zustehe45. Diese Formel ist inzwischen

42

Kennzeichnend ist etwa die abweisende Behandlung der Regierung bei 0. Mayer, Verwaltungsrecht, Bd. I, S. 1-13. 43 Smend, Festschrift für Kahl, 1923, III, S. 1 6 - Staatsrechtliche Abhandlungen, 2. Aufl. 1968, S.79; ferner ders., Verfassung und Verfassungsrecht, 1928, S. 102 und 105=Staatsrechtliche Abhandlungen, S.211 und 213; vgl. auch J. Heckel, HdbDStR II (1932) S. 389. 44 Scheuner, Festschrift für Smend, 1952, S. 253 f f , insbes. S. 268 ff. 45 Friesenhahn, W D S t R L 16 (1958) S. 37 f.; ders., in: Randelzhofer (Hg.), Deutsch-Spanisches Verfassungsrechts-Kolloquium, 1981, S. 43 f.; vgl. ferner schon Menzel, W D S t R L 12 (1953) S. 194 ff. im Blick auf die auswärtige Gewalt.

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Allgemeingut geworden46. Sie darf freilich nicht mißverstanden werden. Während in privatrechtlichen Gesamthandsgemeinschaften grundsätzlich alle Rechtsakte von allen Beteiligten gemeinsam und gleichberechtigt vorgenommen werden müssen, haben Parlament und Regierung im Prozeß der Staatsleitung je ihren eigenen Part. Parlament und Regierung stehen in einem System der Verbindung, Trennung und Kooperation. Die Verbindung wird durch das parlamentarische Regierungssystem hergestellt, das die grundsätzliche politische Übereinstimmung von Parlamentsmehrheit und Regierung bewirkt. Die Trennung ergibt sich aus der unterschiedlichen Ausgestaltung, Ausstattung und Arbeitsweise der beiden Organe sowie aus der Aufgabenverteilung. Die Kooperation schließlich besteht in der gemeinsamen, wenn auch arbeitsteiligen Wahrnehmung der Aufgaben der Staatsleitung. Während die Regierung mehr zur Initiative, Planung und Koordination berufen ist, obliegt dem Parlament vornehmlich die abschließende Beratung und verbindliche Beschlußfassung in einem öffentlichen, die Opposition einbeziehenden Verfahren sowie die parlamentarische Kontrolle. Dabei hat es einen Anspruch auf Partizipation am Sachverstand und Informationspotential der Regierung. Die „Gewaltenteilung" besteht sonach nicht mehr, wie im 19. Jahrhundert, im Gegenüber von Parlament und Regierung, sondern in einem Ineinandergreifen verschiedener, sich ergänzender und zur abschließenden Entscheidung weiterführender Maßnahmen von Parlament und Regierung. Dieser Wandel entspricht den Anforderungen unserer Zeit. Scheiterte im letzten Jahrhundert ein Gesetz, dann blieb die Angelegenheit eben der Autonomie des jeweiligen Bereichs überlassen. Der Sozialund Leistungsstaat der Gegenwart muß dagegen handlungs- und entscheidungsfahig sein. Das Grundgesetz gewährleistet dies durch das parlamentarische Regierungssystem und das parlamentarische Mehrheitsprinzip, mußte dafür allerdings andere Sicherungen im Sinne der Gewaltenteilungsvorstellungen einbauen, auf die hier aber nicht weiter einzugehen ist47. 46

Vgl. etwa Stern, in: Arndt/Swatek, Grundfragen der Infrastrukturplanung für wachsende Wirtschaften, 1971, S. 77; ders., Staatsrecht I, S. 966; Böckenförde, Der Staat Bd. 11 (1972) S. 444; Kewenig, DÖV1973,29; Ossenbühl, 50. Deutscher Juristentag, 1974, Gutachten B, S. 75 ff.; Herzog, in: Maunz/Dürig, Grundgesetz, Art. 20 Abschnitt V Rn. 103 f.; Magiera, Parlament und Staatsleitung in der Verfassungsordnung des Grundgesetzes, 1979, S. 218ff., 246 ff.; Oldiges, Die Bundesregierung als Kollegium, 1983, S. 9; Liesegang, in: von Münch, Grundgesetz-Kommentar, Bd. 2,2. Aufl. 1983, Art. 62, Rn. 13; BayVGH BayVBl 1983,723 (725); - kritisch zu dieser Formel Scheuner, Festschrift für Werner Weber, 1974, S. 383. 47 Hinzuweisen ist ζ. B. auf die Verfassungsgerichtsbarkeit, die aber auch nicht im bloßen „Veto" besteht, sondern durch ihre Verfassungsbindung rationalisierende, stabilisierende und weiterführende Züge aufweist.

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In einem solchen System ist für einen allgemeinen Regierungsvorbehalt kein Platz. Die unter dem Trennungsaspekt auftauchenden Einzelbefugnisse der Regierung mögen als Regierungsvorbehalte bezeichnet werden. Nur muß man sich im klaren sein, daß sich daraus keine weiteren Folgerungen ergeben. Die zweifelhaften Abgrenzungsfragen, etwa ob qualifizierte Sperrvermerke des Haushaltsausschusses zulässig sind48, ob nur der Abschluß oder auch die Kündigung völkerrechtlicher und staatsrechtlicher Verträge der Zustimmung des Parlaments bedürfen 49 , wieweit die sog. Notkompetenz des Bundesfinanzministers reicht50 usw., lassen sich mit dieser Kennzeichnung nicht lösen J a nicht einmal angemessen erfassen. 3. Die politische

Planung

In diese Konzeption fügt sich auch die im Grundgesetz nicht geregelte politische Planung ein, die hier allerdings nur noch anhangsweise erwähnt werden kann. Früher wurde die politische Planung als „genuin exekutivische Tätigkeit", als „sachlogisch gouvernementale" Aufgabe der Regierung zugewiesen51, dann erfolgte weithin ein Umschwung zugunsten des Parlaments, inzwischen dürfte eine Mittellage erreicht sein. Das dargelegte Kooperationsmodell ermöglicht eine differenzierte, sach-und funktionsgerechte Einordnung der verschiedenartigen Planungen in das Verhältnis von Regierung und Parlament 52 .

V. Verwaltung und Gesetzgebung 1. Zum Funktionsbereich

der Verwaltung

Die Verwaltung wird im Grundgesetz eher beiläufig behandelt. Das entspricht der deutschen Verfassungstradition und ist insoweit nicht auffällig. Die Art. 83 ff. GG enthalten lediglich die notwendigen Vorschriften über die Verteilung der Verwaltungskompetenzen zwischen Bund und

48

Vgl. dazu Kewenig, Staatsrechtliche Probleme parlamentarischer Mitregierung am Beispiel der Arbeit der Bundestagsausschüsse, 1970, S.29ff.; Tomuschat, Der Staat Bd. 19 (1980) S. 12 ff.; von Mutius, WDStRL42 (1984) S. 183; Schuppen, ebenda, S. 233 f. 49 Vgl. bezüglich völkerrechtlicher Verträge die Nachweise bei Rojahn, in: von Münch, Grundgesetz-Kommentar (Fn. 46), Art. 59 Rn. 53 und bezüglich staatsrechtlicher Verträge BVerwGE 60,162 (175 ff.). 50 BVerfGE 45,1 ff. 51 Vgl. die Nachweise bei Ossenbühl, aaO Fn. 46, S. 62 f.; Stern, Staatsrecht II, S. 717. 52 Näher dazu Stern, Staatsrecht II, S. 717 ff. m. w. N.

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Ländern sowie einige Organisationsbestimmungen. Daraus lassen sich vielleicht Rückschlüsse für einzelne Verwaltungstätigkeiten und Verwaltungszweige, aber keine Folgerungen für den Gesamtbereich oder gar einen unantastbaren Eigenbereich der Verwaltung gewinnen53. Art. 20 II 2 GG stellt zwar u. a. auf die Organe der vollziehenden Gewalt und damit wohl auch auf den Funktionsbereich der vollziehenden Gewalt ab, läßt aber offen, worin er bestehen soll. Zudem wird er durch zwei weitere Vorschriften, die die Gesetzesbindung und die gerichtliche Kontrolle der Verwaltung festlegen (Art. 20 III und Art. 19IV GG), umrahmt und relativiert. Die vielzitierte, auf Art. 20 II 2 GG gestützte Formel von der „Eigenständigkeit der Verwaltung" übertüncht dies nur unvollkommen. Die Versuche in der Literatur, die Verwaltung im materiellen Sinne positiv zu bestimmen, haben trotz beachtlicher Ansätze54 bislang zu keinem auch nur halbwegs anerkannten Ergebnis geführt. Dies liegt nicht nur an den oft erwähnten Schwierigkeiten, die Verwaltungstätigkeit in ihrer Vielfalt begrifflich zu erfassen, zumal eine verwaltungswissenschaftliche Umschreibung ohnehin nicht maßgeblich wäre. Vielmehr deutet dies daraufhin, daß die Verwaltung überhaupt keine fest abgrenzbare Größe bildet, sondern in einem variablen Bezugsfeld rechtlicher und tatsächlicher Determinanten liegt. So steht die Verwaltung in einem Komplementärverhältnis zum Gesetzgeber. Bemerkenswert ist bereits der Sprachgebrauch, der zwischen Gesetzesvollzug und gesetzesfreier Verwaltung unterscheidet, wobei noch die Gesetzesvorbereitung als weiterer Aufgabenbereich hinzuzufügen wäre. In der Tat hat die Verwaltung auf die Gesetzgebung zu reagieren, sei es, daß sie die vorliegenden Gesetze aus- und weiterführt, sei es, daß sie dort, wo Gesetze (noch) fehlen, eigeninitiativ tätig wird, sei es, daß sie gesetzliche Neuregelungen vorbereitet. Die negative Abgrenzung hat also weiterhin noch ihren Sinn, wenngleich sie nicht mehr die nur eingeschränkte Präponderanz der Exekutive, sondern umgekehrt deren Gesetzesbezug zum Ausdruck bringt. Damit läßt sich auch die an sich erstaunliche Tatsache erklären, daß die Verwaltungsrechtsdogmatik bislang ohne Definition ihres Gegenstandes ausgekommen ist. Die Frage nach dem Verwaltungsvorbehalt dürfte ebenfalls durch eine positive Bestimmung keine Förderung erfahren, zumal sie nicht auf den Gesamtbereich, sondern nur auf einen unantastbaren Restbereich abzielt. In unserem Zusammenhang genügt es, von den genannten Aufgabenbereichen der Verwaltung - dem Gesetzesvoll-

53

Immerhin ist die in Art. 83 ff. GG gewährleistete Vollzugskompetenz der Länder zu beachten, vgl. dazu unten in und zu Fn. 71. 54 Vgl. etwa Peters, Lehrbuch der Verwaltung, 1949, S. 5; Wplff/Bachof, Verwaltungsrecht I, 9. Aufl. 1974, § 2 III; Bachof, Evang. Staatslexikon, 2. Aufl. 1975, Sp. 2773.

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zug, der gesetzesfreien Verwaltung und der Gesetzesvorbereitung - auszugehen. 2.

Gesetzesvorbereitung

Die Gesetzesvorbereitung55 kann durchaus als Verwaltungsaufgabe bezeichnet werden. Sie obliegt im Rahmen der politischen Direktiven des Ministers der Ministerialbürokratie, die sich dabei auf die von unten nach oben weitergeleiteten Erfahrungen, Kenntnisse und Impulse der Vollzugsbehörden stützen kann. Als Annex zur Gesetzesinitiative der Regierung ist sie verfassungsrechtlich abgesichert, begründet aber - wie diese - keinen eigentlichen Exekutiworbehalt, da die Gesetzesinitiative nicht auf die Regierung beschränkt ist. 3. Gesetzesfreie Verwaltung

Die gesetzesfreie Verwaltung stellt sicherlich auch heute noch ein weitreichendes und bedeutendes administratives Tätigkeitsfeld dar. Gesetzesfrei bedeutet aber nicht gesetzesfest. Es kann nicht zweifelhaft sein, daß der Gesetzgeber seine Regelungen grundsätzlich auf alle Lebensund Sachbereiche erstrecken kann, sofern sie überhaupt regelungsfähig sind56. Der potentielle Verwaltungsvorbehalt ist sonach nicht in irgendwelchen sektoral abgegrenzten Sachbereichen, sondern im Funktionellen, in der Art und Weise der Erledigung staatlicher Aufgaben zu suchen. Er begrenzt nicht die Reichweite, sondern allenfalls die Dichte und die Intensität gesetzlicher Regelungen. Insofern besteht - wenn man die oben entwickelte Terminologie zugrunde legt - allenfalls ein Funktionsvorbehalt, nicht aber ein Sachbereichsvorbehalt. Das lenkt den Blick auf den Gesetzesvollzug, wo die damit aufgeworfenen Fragen aktuell werden. 4.

Gesetzesvollzug

a) Daß der Vollzug der Gesetze im Einzelfall der Verwaltung zugewiesen ist, ergibt sich bereits aus der Bezeichnung „vollziehende Gewalt", 55

Dazu Eichenberger, W D S t R L 4 0 (1982) S. 29ff.(„Präparation"); H. Schneider, Gesetzgebung, 1982, S. 58 ff.; ferner schon Kaufmann, W D S t R L 2 4 (1966) S.219f. 56 So auch Vogel, W D S t R L 2 4 (1966) S. 175; Herzog in: Maunz/Dürig, Grundgesetz, Art. 20 Abschnitt II Rn. 84, Abschnitt V Rn. 79, Abschnitt VI Rn. 44; Art. 62 (1983) Rn. 61; vgl. ferner BVerfGE 52,1 (41); 62,169 (182). - Der von Herzogerwendete Ausdruck „Allzuständigkeit des Gesetzgebers" ist allerdings nicht eindeutig, da er sich nicht nur auf die Reichweite, sondern auch auf die Intensität der Regelung (Regelung von Einzelfragen?) beziehen kann.

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aber auch aus zahlreichen verfassungsrechtlichen Einzelregelungen sowie aus der Organisation und der Ausgestaltung der Verwaltung insgesamt57. Wenn auch der Gesetzesvollzug schon per se in Bindung an die Gesetze erfolgt, so macht er die Verwaltung doch nicht zum bloßen Befehlsempfänger, zum subalternen Vollzugsapparat und dgl.58. Die Verwaltungsbehörden werden - wie alle rechtsanwendenden Staatsorgane auch rechtsschöpferisch tätig, indem sie die Gesetze im Blick auf den konkreten Fall prägen und weiterentwickeln59. Sie sind sogar besonders befähigt, die Wirklichkeit in die Rechtsauslegung einzubeziehen, da sie diese nicht nur aus eigener Erfahrung kennen, sondern gerade auch durch die Rechtsanwendung zu gestalten haben. Dazu kommt, daß sich durch die hierarchische Struktur der Verwaltung mit ihren Weisungssträngen von oben nach unten und ihren Informationssträngen von unten nach oben die besondere Orts- und Sachkunde der Vollzugsbehörden mit der größeren Übersicht, den breiteren Informationen und den spezifischen Sach- und Rechtskenntnissen der höheren Verwaltungsbehörde verbinden. Das Eigengewicht der Verwaltung nimmt zu, wenn die Gesetze Ermessen einräumen oder sich auf bloße Zielangaben oder ausfüllungsbedürftige Generalklauseln beschränken. Selbst wenn die Verwaltung durch einen sog. Totalvorbehalt durchgängig gesetzlich gebunden wäre, was zwar niemand ernsthaft behauptet, in der Literatur aber immer wieder als Übertreibung moniert wird, bliebe ihr mit der Aufgabe des Gesetzesvollzugs immer noch ein weiter Bereich eigener Verantwortung und Entscheidung. Im einzelnen soll auf die Vollzugsaspekte nicht weiter eingegangen, sondern die verfassungsdogmatische Stellung des Gesetzesvollzugs mit ihren Folgerungen betrachtet werden. b) Die Unterscheidung von Gesetzgebung und Gesetzesvollzug hat eine rechtsstaatliche Dimension, die auf die Gewaltenteilungslehre des 19. Jahrhunderts zurückgeht und bereits im traditionellen Gesetzesvorbehalt seinen Ausdruck fand60. Dahinter steht eine tiefere Einsicht. Das 57

Vgl. Zimmer, aaO Fn. 1, S. 223, der zu Recht auf „die reale Bedeutung der Vollzugskompetenz" hinweist; Herzog, in: Maunz/Dürig, Grundgesetz, Art. 20 Abschnitt V Rn. 110; Schröder, DVB1.1984, 821. 58 So im Blick auf eine zu weit gehende Vergesetzlichung der Verwaltung Bullinger, aaO Fn. 31, S. 94 f.; Röttgen, JöR Bd. 11 (1962) S.186; Ipsen, W D S t R L 24 (1966) S. 222 f; Ossenbühl, aaO Fn. 30, S. 208. 59 Vgl. zur Rechtsauslegung und Rechtskonkretisierung etwa Scholz, W D S t R L 34 (1976) S. 161 ff.; Kriele, Theorie der Rechtsgewinnung, 1967; W. Schmidt, Gesetzesvollziehung durch Rechtsetzung, 1969, S. 114 ff.; Rhinow, Rechtsetzung und Methodik, 1979. 60 C. Schmitt, Verfassungslehre, 1928, S. 151 ff.; R. Thoma in: Nipperdey, Die Grundrechte und Grundpflichten der Reichsverfassung, Bd. 1,1929, S. 37; ders., HdbDStR II, 1932, S. 150.

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Gesetz - wenigstens das hier zunächst interessierende typische Gesetz generalisiert und abstrahiert. Es ergeht ohne Ansehung der Person, indem es eine allgemeine Regelung festlegt, die für alle verbindlich ist und jedermann treffen kann. Der Gesetzesvollzug erfaßt dagegen den Einzelfall mit seinen Besonderheiten. Er erfolgt in Ansehung der Person, kann aber nicht mehr zur Willkür ausarten, weil die fallbezogenen Maßnahmen gesetzlich gebunden sind. Das Gesetz schafft Distanz, wie Kloepfer auf der Trierer Tagung hervorgehoben hat61, der Gesetzesvollzug hebt diese Distanz wieder auf, was seine Kritiker übersehen haben. Schon in dieser Funktionentrennung liegt ein Stück Gewaltenteilung. Selbst wenn Gesetzgebung und Gesetzesvollzug bei einem Organ lägen, hätte ihre Unterscheidung eine gewisse Disziplinierung zur Folge, weil zunächst eine generelle Leitlinie entwickelt und festgelegt und dann auf dieser Grundlage der konkrete Einzelfall entschieden werden müßte. Seine eigentliche Bedeutung und Wirkung erlangt sie aber durch die Verlagerung auf verschiedene Organe. Was bereits für das Verhältnis von Parlament und Regierung festgestellt worden ist, gilt in noch stärkerem Maße für das Verhältnis von Gesetzgeber und Verwaltung. Die grundgesetzliche Gewaltenteilung zielt nicht auf gegenseitige Hemmung oder gar Blockierung, sondern auf gegenseitige Ergänzung, auf einen arbeitsteiligen Prozeß mit ineinandergreifenden Funktionen zur Erreichung bestimmter Ziele. Durch dieses Zwei-Takt-Verfahren von generellem Gesetz und individuellem Vollzug erhält auch die verfassungsrechtlich verbürgte Rechtsschutzgarantie ihre Basis. Denn nur wenn normative Maßstäbe vorhanden sind, kann der konkrete Akt überprüft und ggf. als rechtswidrig verworfen werden. c) Die Vollzugskompetenz der Verwaltung hat Rückwirkungen auf die Gesetzgebung. Sie fordert vollzugsfähige und damit generell-abstrakte Gesetze. Diese Forderung richtet sich nicht schlechthin gegen Maßnahmegesetze, da diese überwiegend zwar auf konkrete Situationen zweckbedingt reagieren, aber doch noch genereller Natur sind und deshalb vollzogen werden können und vollzogen werden müssen. Sie wendet sich aber gegen Einzelfallgesetze, die einen konkreten Fall abschließend regeln und damit keiner Vollzugsentscheidung, sondern allenfalls noch einer Vollstreckungshandlung bedürfen62. Das wird durch Art. 19IGG für den Grundrechtsbereich bestätigt. Im übrigen können Einzelfallgesetze nicht durchweg ausgeschlossen werden, zumal es immer wieder einma61

Kloepfer, WDStRL 40 (1982) S. 65 ff. Vgl. zur Abgrenzung von Maßnahmegesetz und Einzelfallgesetz H. Schneider, Festschrift für Carl Schmitt, 1958, S. 159 (161 ff.); ders., aaO Fn. 55, S. 23,119; Meessen, DÖV 1970, 314 ff Vgl. ferner BVerfGE 25, 371 (396 ff). 62

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lige und unwiederholbare Sachverhalte geben wird, die gesetzlich zu regeln sind. Aber sie müssen doch - das ergibt sich u. a. aus der Vollzugskompetenz der Verwaltung - die Ausnahme bleiben und sich sachlich besonders legimitieren lassen. In diesem Sinne hat auch das BVerfG festgestellt, daß die Legalenteignung „nur in eng begrenzten Fällen" zulässig sei, obwohl sie in Art. 14 III 1 GG uneingeschränkt neben der Administrativenteignung erscheint. Die klassische Enteignung, also der Entzug vermögenswerter Objekte, sei, so fuhrt das Gericht aus, eine typische Aufgabe der Verwaltung und müsse auch aus rechtsstaatlichen Gründen, insbesondere im Blick auf den beschränkten Rechtsschutz gegen formelle Gesetze, grundsätzlich durch den Verwaltungsakt aufgrund eines Gesetzes erfolgen63. Ähnliche Erwägungen sprechen gegen die vor einigen Jahren erhobene Forderung, die Genehmigung einzelner Kernkraftwerke dem Gesetzgeber zuzuweisen64. Daß eine gesetzgeberische Genehmigung nicht erforderlich ist, obwohl es sich um weitreichende und im allgemeinen Sinne durchaus wesentliche Entscheidungen handelt, hat das BVerfG im Kalkar-Urteil klargestellt65. Sie wäre aber nicht einmal zulässig, da sie in die Vollzugskompetenz der Verwaltung eingreifen und die in der Unterscheidung von generellem Gesetz und individuellem Vollzug liegenden rechtsstaatlichen Gewährleistungen, insbesondere den Rechtsschutz, beeinträchtigen würden66. Das Gesetz vermag seine rechtsstaatliche Funktion nur zu erfüllen, wenn es generell-abstrakt ist und damit noch des komplettierenden Vollzugs durch die Verwaltung bedarf. Der Gesetzgeber muß sich grundsätzlich auf das Normative beschränken. Darin liegt zugleich die Sicherung der Vollzugskompetenz der Verwaltung. d) In diesem Zusammenhang stellt sich noch die Frage der Regelungsdichte. Sie dürfte sogar das Hauptproblem sein, da echte Einzelfallgesetze heute nur selten vorkommen, andererseits aber zunehmend dar-

63

BVerfGE 24, 367 (399 ff.); 45, 227 (331 ff.); 58, 300 (331); ebenso BayVerfGHE32,74 (83); vgl. ferner schon Dürig, JZ1954,7. - Die Legalenteignung wird dadurch nicht obsolet, da sie zumindest dann in Betracht kommt, wenn durch eine zukunftsorientierte Neuregelung des Eigentumsinhalts zugleich rechtmäßig bestehende Eigentumspositionen beseitigt oder beschränkt werden, vgl. BVerfGE 45, 297 (332); 52,1 (28); 58, 300 (331 f.); Hendler, DVB1.1983, 877. 64 So Listl, DVB1.1978,10 ff. 65 BVerfGE 49, 89. 66 Vgl. dazu H. Hofmann, Rechtsfragen der atomaren Entsorgung, 1981, S. 95; Ronellenfitsch, Das atomrechtliche Genehmigungsverfahren, 1983, S. 162 f.; anders für die Einzelentscheidung über die Standortfestlegung großtechnischer Anlagen Lerche, Bayerisches Schulrecht (Fn. 1), S. 37.

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über geklagt wird, die Gesetze seien zu detailliert, zu engmaschig und häufig auch nicht aufeinander abgestimmt. Das Problem der Regelungsdichte erscheint hier freilich unter einem anderen als dem sonst üblichen Vorzeichen. Während sonst unter den rechtsstaatlichen Aspekten der Voraussehbarkeit und Berechenbarkeit des Rechts erörtert wird, ob die gesetzlichen Vorschriften hinreichend bestimmt sind, ob und inwieweit der Verwaltung durch Gewährung von Ermessen oder Verwendung von unbestimmten Rechtsbegriffen Handlungs- und Entscheidungsspielräume gewährt werden dürfen61, geht es nun umgekehrt darum, ob solche Handlungs- und Entscheidungsspielräume gewährt werden müssen. Es gibt sicherlich Verwaltungsaufgaben, die nur dann sachgerecht, effektiv und praktikabel erledigt werden können, wenn die sachkompetenten und praxisnahen Verwaltungsbehörden ausreichende Bewegungsfreiheit erhalten, es sei nur wiederum auf das Schulwesen, die Großtechnik und die Wirtschaftsförderung hingewiesen. Zum Teil dürfte es sich dabei bereits um Angelegenheiten handeln, die unter den faktischen Verwaltungsvorbehalt fallen bzw. gesetzlich nicht oder nicht angemessen geregelt werden können. Der Gesetzgeber wird in diesen Fällen schon aus verwaltungspolitischen Erwägungen Zurückhaltung üben. Das erübrigt aber nicht die Frage nach der verfassungsrechtlichen Relevanz. Die Grundsätze der Effektivität, Praktikabilität und Sachgerechtigkeit des Verwaltungshandelns hängen eng mit der Verwaltungskompetenz zusammen und sind daher auch verfassungsrechtlich, insbesondere in Art. 20 II GG, verankert68. Lerche nennt sie „materienbedingte Verfassungswerte"69. Als solche können sie in die Abwägung eingebracht, etwa zur Begrenzung der Wesentlichkeitstheorie herangezogen werden. Damit ist die verfassungsrechtliche Problematik jedoch noch nicht erschöpft. Man müßte konsequenterweise weitergehen und fragen, ob diese Grundsätze dem Gesetzgeber unmittelbare Schranken ziehen und ihre Verletzung die Verfassungswidrigkeit eines Gesetzes auslösen kann70. Bejaht man dies, dann hätte das BVerfG Gesetze nicht nur wegen 67

Vgl. BVerfGE 8,274 (325 f.); 9,137 (146ff.); 49,89 (133 ff., 145 ff.); BVerwGE 11, 95 (96); 56,254 (257ff.); Dürig, in: Maunz/Dürig, Grundgesetz, Art. 3 (1973) Rn. 17, 54, 426 ff.; Wolff!Bachof, Verwaltungsrecht (Fn. 54), § 31 II a; Meyer, in: Meyer/ Borgs, Verwaltungsverfahrensgesetz, 2. Aufl. 1982, § 40 Rn. 8 ff; Ossenbühl, DÖV 1968, 618 ff. 68 Vgl. zur verfassungsrechtlichen Relevanz der Verwaltungseffizienz etwa bejahend Häberle, Festschrift für den Boorberg-Verlag, 1977, S. 80 f.; Kopp, aaO Fn. 31, S. 200 ff; verneinend Schenke, VB1BW1982,315 ff; ferner die Referate von Wahlund Pietzcker, WDStRL41 (1983) S. 151ff.mit insoweit kontroversen Diskussionsbeiträgen von Wagener(S. 273 ff), Schenke (S. 274 f.), Häberle (S. 277), Kisker (S. 277) und Püttner (S. 282). 69 Lerche, Bayerisches Schulrecht (Fn. 1), S. 4,38 ff, 41. 70 Degenhart, NJW1984, 2187.

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mangelnder Bestimmtheit, sondern ggf. auch wegen mangelnder Unbestimmtheit für verfassungswidrig und nichtig zu erklären. Schon diese Zuspitzung zeigt, daß dies, wenn überhaupt, nur in extremen Ausnahmefallen in Betracht kommen kann, etwa wenn eindeutig die Grenzen des praktisch Möglichen erreicht sind; aber dann erledigt sich die gesetzliche Regelung auch ohne Nichtigerklärung. Es wäre überhaupt zu überlegen, ob man sich nicht von der strikten Alternative: verfassungsmäßig - verfassungswidrig vorsichtig lösen und als Zwischenstufe das verfassungsrechtlich Geforderte annehmen sollte, das zwar verfassungsrechtlich favorisiert wird, dessen Nichtbeachtung aber noch nicht das Verdikt der Verfassungswidrigkeit und Nichtigkeit auslöst71. In diesem Sinne ist wohl auch Lerches Formel von den ,yerfassungswerten" zu verstehen. Gerade die hier erörterten Grundsätze geben ein Beispiel dafür. Sie würden damit aus dem Bereich des bloß Verwaltungspolitischen in den verfassungsrechtlichen Rang erhoben, ohne daß gleich ein neuer, im Einzelfall ohnehin in aller Regel fraglicher Nichtigkeitsgrund geschaffen würde. e) Im übrigen bleibt noch anzumerken, daß in diesem Zusammenhang weitere Gesichtspunkte ins Spiel kommen. Das Rechtsstaatsprinzip verlangt nicht nur im Blick auf die Berechenbarkeit des Verwaltungshandelns strikte Regelungen, sondern auch im Blick auf die Einzelfallgerechtigkeit offene Regelungen. Der Grundsatz der Verwaltungseffizienz wirkt ebenfalls ambivalent, da präzis abgefaßte Gesetze der Verwaltung klare Leitlinien an die Hand geben. Weitere Forderungen für die Regelungsdichte ergeben sich aus der kommunalen Selbstverwaltungsgarantie und der Hochschulautonomie, die zwar gesetzliche Regelungen nicht ausschließen, aber doch die Beachtung der verfassungsrechtlichen Garantiegehalte verlangen. Schließlich sind auch noch föderative Aspekte zu beachten; die Kompetenz der Länder zum Vollzug der Bundesgesetze (Art. 83 ff. GG) darf nicht durch zu dichte, die Völlzugsentscheidung bereits vorwegnehmende Gesetze beengt oder gar unterlaufen werden72.

VI. Originäre Rechtsetzungskompetenz der Exekutive? Zu den Dauerthemen der deutschen Staats- und Verwaltungsrechtslehre gehört die Frage, ob eine originäre, d. h. verfassungsunmittelbare Kompetenz der Exekutive zur Rechtsetzung im Außenbereich besteht.

71

Vgl. dazu auch Maurer, DÖV1980,9. Vgl. dazu Schneider, Gesetzgebung, S. 22; Hofmann, aaO Fn. 66, S. 95; Ronellenßtsch, aaO Fn. 66, S. 161. 72

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In der letzten Zeit ist sie im Hinblick auf die Wesentlichkeitstheorie und den Gesetzesvollzug wieder verstärkt erörtert worden73. Wenn auch das Administrativrecht schon deshalb kein eigentliches Vorbehaltsproblem ist, weil es unbestritten vom Gesetzesrecht verdrängt werden kann, so ist darauf doch wegen des sachlichen Zusammenhangs wenigstens kurz einzugehen. Es ist sicher richtig, daß die Wesentlichkeitstheorie auch begrenzende Wirkung hat74. Aber diese Begrenzung besteht lediglich in der negativen Kehrseite der positiven Aussage, nämlich darin, daß eben nur die wesentlichen Angelegenheiten vom Gesetzesvorbehalt erfaßt werden. Daraus ergeben sich keine weiteren Folgerungen für den vorbehaltsfreien Bereich. Verfehlt wäre es insbesondere, wenn man aus der Wesentlichkeitstheorie im Umkehrschluß folgern würde, daß für alle unwesentlichen Angelegenheiten ein originäres Rechtsetzungsrecht der Exekutive besteht743. Mehr Beachtung verdient die Auffassung, die über den Gesetzesvollzug zu einer originären Rechtsetzung im gesetzesdirigierten Bereich75, zu einer originären, aber zugleich auch gesetzesabhängigen, konkretisierenden und spezifizierenden Rechtsetzung gelangen will76. Gemeint ist wohl eine verfassungsunmittelbare Rechtsetzung der Exekutive zur Ausführung von Gesetzen, wie sie in einigen Landesverfassungen77, aber eben nicht im Grundgesetz vorgesehen ist. Gewiß ist es möglich, daß der Gesetzesvollzug in verschiedenen Stufen erfolgt, daß sich zwischen das generell-abstrakte Gesetz und den endgültigen Einzelvollzugsakt rechtskonkretisierende Zwischenstufen schieben. Die Gretchenfrage ist jedoch die rechtliche Qualifizierung dieser Zwischenstufen. Wenn sie als selbständige Rechtsakte mit unmittelbarer Außenwirkung qualifiziert werden, dann handelt es sich um nichts anderes als administratives Außenrecht, das mit Art. 801GG kollidieren muß. Der Vorschlag, sie als Rechtskonkretisierungsakte von den Rechtsverordnungen als delegierte

73

Krebs,VerwArch. Bd.70 (1979) S.259ft.;Böckenförde, Gesetz(Fn. 1) S.389ff.; Scheuing, W D S t R L 40 (1982) S. 158 ff.; Bryde, in: von Münch, Grundgesetz-Kommentar, (Fn. 46) Art. 80 Rn. 9 a; Schröder, DVB1.1984,816, 821 f. 74 Böckenförde, aaO S. 392. 74a So im Ergebnis Kisker, NJW1977,1318 Fn. 36. 75 Krebs, aaO S. 269. 76 Böckenförde, aaO S. 394; Schröder, DVB1.1984, 821. 77 So Art. 55 Nr. 2 BayVerf.; Art. 47 I BerlVerf.; Art. 124 Brem.Verf.; entsprechende Regelungen in der Rhl.-Pf. Verf. und der SaarlVerf. sind gestrichen worden.

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Gesetzgebung abzugrenzen 78 , erscheint nicht haltbar79. Denn alle Rechtssätze, die zwischen der Verfassung als oberster Rechtsnorm und dem abschließenden Vollzugsakt angelegt sind, enthalten sowohl rechtserzeugende als auch rechtsanwendende Elemente. Die Rechtsverordnung ist schon ihrer verfassungsrechtlichen Funktion gemäß vorwiegend auf die Gesetzeskonkretisierung ausgerichtet. Es besteht aber auch kein Bedürfnis nach einem solchen originären Administrativrecht. Die über den Gleichheitssatz hergestellte Außenwirkung der Verwaltungsvorschriften genügt offenbar den Anliegen der Praxis und ist dogmatisch immer noch die überzeugendste Lösung80. Nur sie vermag zu erklären, warum eigentlich Verwaltungsvorschriften auch außenrechtlich relevant sind. Nur sie vermag auch die allgemein anerkannten Unterschiede zwischen den echten Rechtssätzen und dem sog. Administrativrecht, insbesondere den Einzelfallvorbehalt81, zu erklären. Daß die Verwaltungsvorschriften ζ. T. wie echte Rechtssätze in Erscheinung treten, rechtfertigt nicht, über die dogmatischen Unterschiede hinwegzusehen.

VII. Der exekutivinteme Bereich Der regierungs- und verwaltungsinterne Bereich wird von Herrn Schnapp näher behandelt, so daß ich mich auf einige wenige Bemerkungen zur Abrundung der bisherigen Darlegungen beschränken kann. 1. Die regierungs- und verwaltungsinterne Willens- und Entscheidungsbildung Der regierungsinterne Willens- und Entscheidungsbildungsprozeß sowie der damit im Zusammenhang stehende Arkanbereich der Regierung ist gegen Einwirkungen von außen, insbesondere gegen Einwirkun-

78

So Krebs, aaO S. 269, 270. So auch Brohm, Verwaltungsvorschriften als administrative Rechtsquellen ein ungelöstes Problem des Innenrechts, in: ders, (Hg.), Drittes deutsch-polnisches Verwaltungssymposium, 1983, S. 23 ff., insbes. S. 26; Gusy, GewArch. 1980, 327; Oldiges, NJW1984,1930. 80 Vgl. dazu BVerwGE34,278 (280);36,323 (327);44,72(74f.); BVerwGNJW 1979,280; Stern, Staatsrecht II, S. 654 ff.; Oldiges, NJW 1984,1930 f. mit jeweils weiteren Nachweisen und Hinweisen auf Ausnahmen und Gegenpositionen. 81 Vgl. dazu Ossenbühl, in: Erichsen/Martens, Allgemeines Verwaltungsrecht, 6. Aufl. 1983, § 7 IV 4 a. E.; ferner nachdrücklich Bachof, W D S t R L 40 (1982) S. 310 ff. 79

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gen von Seiten des Parlaments, abgesichert82. Das ergibt sich bereits aus dem ZuständigkeitsbegrifF, der das Recht zur eigenverantwortlichen und damit störungsfreien Wahrnehmung der durch die Zuständigkeit begründeten Aufgaben impliziert. Dasselbe gilt fur die Verwaltung, insbesondere für die Verwaltungsvorschriften als exekutivinterne Steuerungsinstrumente 83 . 2. Die Regelung der Organisation

und des Verfahrens

Davon zu unterscheiden ist die Frage, wer befugt ist, die Rahmenbedingungen der exekutivinternen Willens- und Entscheidungsbildung festzulegen, d. h. die organisatorischen Grundlagen und den Ablauf des Verfahrens im allgemeinen zu regeln. Sie betrifft wieder die Abgrenzung der Zuständigkeitsbereiche von Legislative und Exekutive und damit die Vorbehaltsproblematik. Bei der Lösung ist zwischen dem Regierungsund dem Verwaltungsbereich zu unterscheiden. Die Regierung kann ihre Selbständigkeit gegenüber dem Parlament nur behaupten, wenn sie ihre Organisations- und Verfahrensfragen selbst regeln kann. Das wird vom Grundgesetz anerkannt, bezüglich der Geschäftsordnung der Bundesregierung sogar ausdrücklich geregelt (Art. 65 S. 4)84. Anders liegt es dagegen bei der Verwaltungsorganisation und beim Verwaltungsverfahren. Sie können, ja müssen sogar weitgehend gesetzlich geregelt werden. Dafür sprechen bereits allgemeine Ordnungsgesichtspunkte, ferner der Grundrechtsbezug von Organisation und Verfahren, die Verknüpfung von materiellem und formellem Recht sowie der Grundsatz der Rechtssicherheit. Der Exekutive bleibt daher im Organisationsbereich im wesentlichen nur der Vollzug, die Einrichtung der Behörden, vorbehalten, während ihr im Verfahrensbereich schon im Blick auf die Verwaltungsflexibilität größere Bewegungsfreiheit eingeräumt werden muß. VIII. Schlußbemerkungen Das Referat war von dem Bemühen getragen, einen rechtserheblichen Verwaltungsvorbehalt ausfindig zu machen. Als Ergebnis können die

82

Vgl. dazu BVerfG DVB1.1984,827 (830f.); ferner - zwar im Blick auf eine spezielle Regelung der Hamburger Verfassung, aber doch mit grundsätzlicher Bedeutung - Hbg.VerfG DÖV1973, 745 und 747; dazu Schenke, in: Starck/Stem (Hg.), Landesverfassungsgerichtsbarkeit, Bd. III, 1983, S. 28 f.; H.-P. Schneider, ebenda, S. 101 f. 83 BVerfGE 26, 338 (396); BVerwG DÖV 1957, 863; BVerwGE 52,193 (197); Hömig, DVB1.1976, 860 ff. (allerdings unter Berufung auf den Kernbereich der Exekutive, vgl. dazu oben III 2b). 84 Vgl. dazu grundlegend Böckenförde, Organisationsgewalt (Fn. 1).

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Kompetenz der Verwaltung zum Vollzug der Gesetze, einige verfassungsrechtlich fundierte Regierungskompetenzen sowie möglicherweise gewisse Reservate im verwaltungsinternen Bereich festgestellt werden. Das sind jedoch nur Teilvorbehalte, die zwar, wie die Vollzugskompetenz, durchaus Gewicht haben, aber auch zusammengenommen nicht dem entsprechen, was man unter einem Verwaltungsvorbehalt als selbständigem RechtsbegrifF erwartet. Der allgemeine Verwaltungsvorbehalt sollte ja nicht nur einige, zudem disparate Kompetenzen erfassen, sondern einen eigenen Kompetenzbereich begründen und rechtfertigen, also nicht nur deklarierende, sondern konstituierende und legitimierende Bedeutung haben. Dieses Ergebnis kann freilich letztendlich auch nicht überraschen. Das wird deutlich, wenn man die anderen Vorbehalte" noch einmal vergleichend heranzieht. Sie sind keine bloßen Formalkategorien, sondern Ausprägungen materieller Verfassungsgrundsätze mit sachlichen Aussagen. Der Parlamentsvorbehalt ist aus dem Demokratieprinzip, der Richtervorbehalt aus dem Rechtsstaatsprinzip und der Gesetzesvorbehalt gleich aus beiden Prinzipien hervorgegangen. Eine entsprechende Triebfeder besteht für den Verwaltungsvorbehalt nicht. Er läßt sich weder in historischer noch in verfassungsrechtlicher Sicht auf einen materiellen Verfassungsgrundsatz zurückfuhren. Ihm fehlen daher auch die zusätzlichen Sicherungen, die die anderen Vorbehalte implizieren, etwa der Parlamentsvorbehalt das öffentliche, die Opposition einbeziehende Verfahren oder der Richtervorbehalt die besondere Ausgestaltung der Gerichtsorganisation und des Gerichtsverfahrens sowie die Form der rechtskräftigen Entscheidung, von den verschiedenen Garantien des Gesetzesvorbehalts ganz abgesehen. Ferner hat der Verwaltungsvorbehalt nicht - wie jene - über den staatlichen Bereich hinausreichende Wirkungen für die Sicherung des Bürgers oder für die Repräsentanz der gesellschaftlichen Kräfte. Lediglich die Vollzugskompetenz der Verwaltung besitzt eine rechtsstaatliche Dimension, die ihm eine weitere, auch und gerade für den Bürger erhebliche Rolle zuweist, aber - und das ist bemerkenswert - gerade im Zusammenhang mit dem Gesetz. Es besteht aber auch aus der Sicht der Verwaltung kein Bedürfnis für einen Verwaltungsvorbehalt. Die Verwaltung zeichnet sich, wie Ossenbühl formulierte85, durch Permanenz, Ubiquität und Präsenz aus. Sie ist als tätige Staatsgewalt stets und überall vorhanden. Ihr Aktionsfeld ist praktisch fast unbegrenzt. Das Problem war und ist und wird auch bleiben, die Verwaltungstätigkeit rechtlich zu lenken und zu begrenzen, ohne daß dies jemals voll erreicht oder auch nur angestrebt wird.

85

Ossenbühl, Verwaltungsvorschriften (Fn. 30), S. 195 f.

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Eine gleichsam an das Mark gehende Gefährdung der Verwaltung durch den Gesetzgeber ist nicht ernsthaft zu befürchten. Dagegen spricht schon der Vergleich der beiderseitigen Kapazitäten. Dagegen spricht ferner, daß die Verwaltung ihrerseits auf die Gesetze Einfluß zu nehmen vermag, und zwar bereits beim Erlaß, aber auch später beim Vollzug, der ja nicht nur eindimensional verläuft, sondern durchaus ambivalenter Natur ist. Das Problem der großen Zahl oft zu engmaschiger und inhaltlich unzureichender Gesetze ist nicht zu bestreiten. Diese Mängel sind jedoch vor allem durch die komplizierten Verhältnisse und die vielfaltigen Anforderungen im Sozial- und Leistungsstaat der Gegenwart bedingt. Sie lassen sich nicht durch die Annahme irgendeines Verwaltungsvorbehalts, sondern nur durch eine verbesserte Gesetzgebungstechnik beseitigen. Wenn sich sonach auch kein allgemeiner Verwaltungsvorbehalt feststellen läßt, so bleibt doch der Verwaltung entsprechend ihrer Bedeutung für Staat, Gesellschaft und Bürger sowohl in tatsächlicher als auch in rechtlicher Sicht ein weiterer Bereich zu kreativer und eigenverantwortlicher Tätigkeit, obwohl, ja vielleicht sogar gerade weil er sich nicht auf eine kurze Formel bringen läßt.

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Leitsätze des Berichterstatters über:

Der Verwaltungsvorbehalt I. Begriffliche und sachliche Vorklärungen 1. Das Thema ist als Hypothese zu verstehen, da der Verwaltungsvorbehalt noch kein anerkannter Rechtsbegriff ist. 2. Wenn der Verwaltungsvorbehalt neuerdings zunehmend Interesse findet, so liegt das vor allem an der Ausdehnung des Gesetzesvorbehalts und an der vielbeklagten Gesetzesflut, die von der Verwaltungsseite her eingedämmt werden sollen. 3. Begrifflich entspricht der Verwaltungsvorbehalt jedoch nicht dem Gesetzesvorbehalt, sondern dem Parlamentsvorbehalt und dem Richtervorbehalt, da er wie diese organisations- und damit zuständigkeitsbezogen ist. A Is Exekutiworbehalt ist er auf die gesamte Exekutive im organisatorischen Sinne (Regierung und Verwaltung) zu erstrecken. Der Gesetzesvorbehalt kommt ins Blickfeld, wenn man nicht auf das Gesetz, sondern den Gesetzgeberund dessen Tätigkeitsbereich, die Gesetzgebung, abstellt, wobei allerdings zu beachten ist, daß die Exekutivorgane an der Gesetzgebung beteiligt sind. 4. Der „Verwaltungsvorbehalt" besagt sonach, daß der Exekutive im organisatorischen Sinne bestimmte Aufgaben- oder Funktionsbereiche ausschließlich zustehen. 5. Es kann zwischen faktischem Verwaltungsvorbehalt und normativem Verwaltungsvorbehalt unterschieden werden. Das Thema zielt auf den normativen, und zwar den verfassungsrechtlich festgelegten Verwaltungsvorbehalt. Auch insoweit läßt sich noch differenzieren, insbesondere zwischen allgemeinem Verwaltungsvorbehalt und Auffangsvorbehalt, Sachbereichs- und Funktionsvorbehalt, absolutem und realtiven Vorbehalt, Regierungs-, Verwaltungs- und Behördenvorbehalt. 6. Methodisch kann bei den Grenzen der Parlaments- und Gesetzgebungszuständigkeiten oder bei den Kompetenzen der Verwaltung angeknüpft werden. Der zweite Weg ist durch das Thema aufgegeben. Er läßt sich jedoch nicht konsequent durchhalten, weil die Frage nach dem Verwaltungsvorbehalt in ein Beziehungsgeflecht parlamentarischer und exekutiver Zuständigkeiten führt.

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II. Historische Aspekte 7. Die konstitutionelle Bewegung führte nicht zur Herausbildung eines Exekutivbereichs, sondern zur Aussonderung der Gesetzgebung und Rechtsprechung aus der bislang unbeschränkten monarchischen Staatsgewalt 8. Der konstitutionelle Gesetzesbegriff war ambivalent. Das Gesetz ermächtigte einmal die Exekutive zu Eingriffen in den verfassungsrechtlich abgesicherten gesellschaftlichen Bereich und ermöglichte zum anderen der Volksvertretung Einwirkungen in den monarchischen Bereich. Durch Gesetz konnten grundsätzlich alle dem Exekutivbereich zuzurechnenden A ngelegenheiten geregelt werden, allerdings nur mit Zustimmung des Monarchen, weil die Gesetze eines übereinstimmenden Beschlusses des Monarchen und der Stände bedurften. Erich Kaufmann ging von diesem weiten Gesetzesbegriff aus und stellte ihm, wohl erstmals, die „Verwaltungsvorbehalte" gegenüber, die sich freilich bei näherem Zusehen als die Prärogativen des Monarchen erweisen. 9. Der weite Gesetzesbegriff wurde in der Weimarer Zeit von der h. L. beibehalten, obwohl der Zustimmungsvorbehalt der Exekutivspitze nun weggefallen war. Diese Auffassung blieb allerdings nicht unbestritten. Unter „Vorbehalten der Verwaltungsorgane"verstand Richard Thoma die der Gesetzgebung durch die verfassungsrechtlich eingeräumten Zuständigkeiten der Exekutive inbesondere auf der Regierungsebene gezogenen Schranken. III. Verfassungsrechtliche Grundlagen 10. Der Verwaltungsvorbehalt läßt sich nicht aus allgemeinen Verfassungsprinzipien ableiten. Lediglich die Vollzugskompetenz der Verwaltung kann zusätzlich mit rechtsstaatlichen Erwägungen abgesichert werden. IL Nach der h. M. gewährt die in Art. 20112 GG begründete Gewaltenteilung jeder Gewalt einen unantastbaren Kernbereich. Der Kernbereich der Exekutive könnte der gesuchte Verwaltungsvorbehalt sein. Die Kernbereichslehre ist jedoch nicht haltbar. Sie ist nicht nur in sich inkonsistent, weil sie weder den Kernbereich noch dessen Umfeld zu bestimmen vermag, sondern geht auch zu Unrecht von einem vorgegebenen Gewaltenteilungsschema aus, das zu Ausnahmen und Gegenausnahmen (Kernbereichen) zwingt. Das Grundgesetz knüpft zwar an traditionelle Gewaltenteilungsvorstellungen an, entwickelt jedoch sein eigenes Gewaltenteilungskonzept. Methodisch ist daher von den grundgesetzlichen Kompetenzregelungen auszugehen. IV. Regierung und Parlament 12. Das Grundgesetz weist der Regierung bzw. einzelnen Regierungsmitgliedern bestimmte Kompetenzen zu, deren Bezeichnung als Regierungsvor-

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behalte aber schon deshalb fraglich ist, weil sie überwiegend nur im Zusammenwirken mit dem Bundestag wahrgenommen oder realisiert werden können. Entsprechendes gilt für die Landesverfassungen. 13. Parlament und Regierung stehen in einem System der Verbindung, Trennung und Kooperation. Die „Gewaltenteilung" besteht nicht mehr im Gegenüber von Parlament und Regierung, sondern im Ineinandergreifen verschiedener, sich ergänzender und zur abschließenden Entscheidung weiterführender Maßnahmen von Regierung und Parlament. In einem solchen System ist für einen allgemeinen Regierungsvorbehalt kein Raum. Die sich aus dem Trennungsaspekt ergebenden Einzelbefugnisse können als Regierungsvorbehalte bezeichnet werden, ohne daß sich daraus allerdings weitere Folgerungen ergeben. 14. In diese Konzeption läßt sich auch die im Grundgesetz nicht geregelte politische Planung kompetenzmäßig einordnen. V. Verwaltung und Gesetzgebung 15. Das Unvermögen, die Verwaltung im materiellen Sinne positiv zu bestimmen, liegt nicht nur an der tatsächlichen Vielfalt der Verwaltungsaufgaben, sondern auch an der rechtlichen Einordnung. Die Verwaltung steht in einem Komplementärverhältnis zur Gesetzgebung. Ihre Aufgabenbereiche (Gesetzesvollzug, gesetzesfreie Verwaltung und Gesetzesvorbereitung) zeigen, daß sie auf die Gesetzgebung reagiert, indem sie die Gesetze aus- und weiterführt oder im (noch) gesetzesfreien Bereich eigeninitiativ tätig wird oder gesetzliche Neuregelungen vorbereitet. 16. Die Gesetzesvorbereitung wird durch das Recht der Regierung zur Gesetzesinitiative verfassungsrechtlich abgesichert, bildet aber keinen eigentlichen Vorbehaltsbereich, weil die Gesetzesinitiative der Regierung nicht ausschließlich zusteht. 17. Die gesetzesfreie Verwaltung bildet ein weites administratives Tätigkeitsfeld, stellt aber keinen gesetzesfesten Bereich dar, weil der Gesetzgeber grundsätzlich alle Sachbereiche in seine Regelungen einbeziehen kann. Der potentielle Verwaltungsvorbehalt richtet sich somit nicht gegen die Reichweite, sondern allenfalls gegen die Dichte und Intensität gesetzlicher Regelungen. 18. Der Gesetzesvollzug ist der Verwaltung vorbehalten. Er stellt eine eigenständige Funktion dar, da er die Gesetze in der Praxis verwirklicht und zugleich der Rechtskonkretisierung und der Rechtsfindung dient. Das gilt um so mehr, als er nicht nur der einzelnen Vollzugsbehörde, sondern dergesamten hierarchisch aufgebauten Verwaltung obliegt.

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19. Die Unterscheidung von Gesetzgebung und Gesetzesvollzug ist auch rechtsstaatlich begründet. Die Vollzugskompetenz der Verwaltung fordert vollzugsfähige und damit generell-abstrakte Gesetze und wendet sich demnach sowohl gegen Einzelfallgesetze als auch gegen zu enge gesetzliche Regelungen. Die Forderung nach Effektivität und Flexibilität des Verwaltungshandelns hat einen verfassungsrechtlichen Bezug, muß aber im Kontext anderer teils ergänzender, teils rivalisierender Verfassungsgrundsätze gesehen werden. VI. Originäre Rechtsetzungskompetenz der Exekutive? 20. Die Exekutive hat keine originäre Rechtsetzungskompetenz. Auch die neueren Versuche, durch Umkehrschluß aus der Wesentlichkeitstheorie oder durch Anknüpfung an die Rechtskonkretisierungsaufgabe der Verwaltung eine verfassungsunmittelbare Rechtsetzungskompetenz der Exekutive im gesetzesdirigierten Bereich zu begründen, vermögen nicht zu überzeugen. Die über den Gleichheitssatz vermittelte Außenwirkung der Verwaltungsvorschriften genügt den praktischen Bedürfnissen und entspricht den Anforderungen an eine dogmatisch einsichtige Lösung.

VII. Der exekutivinterne Bereich 21. Der regierungsinterne Willens- und Entscheidungsbildungsprozeß sowie der damit zusammenhängende Arkanbereich der Regierung ist gegen Einflußnahmen von außen grundsätzlich abgesichert. Entsprechendes gilt für den internen Verwaltungsbereich. 22. Die Regelung der Organisations- und Verfahrensfragen im Bereich der Regierung ist dieser grundsätzlich selbst vorbehalten. Die Verwaltungsorganisation und das Verwaltungsverfahren unterliegen dagegen weitgehend dem Zugriff des Gesetzgebers, so daß der Exekutive insoweit allenfalls kleinere Reservatbereiche verbleiben.

VIII.

Schlußbemerkungen

23. Zusammenfassend läßt sichfeststellen, daß der Exekutive der Vollzug der Gesetze, einige verfassungsrechtlich fundierte Regierungskompetenzen sowie gewisse exekutivinterne Bereiche „vorbehalten" sind. Das begründet aber noch keinen allgemeinen Verwaltungsvorbehalt als selbständigen Rechtsbegriff 24. Während die traditionellen Vorbehalte im Demokratieprinzip oder Rechtsstaatsprinzip oder sogar in beiden begründet sind, bietet sich für den Verwaltungsvorbehalt kein allgemeines Verfassungsprinzip als Grundlage

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an. Ihm fehlen daher auch die besonderen Sicherungen und Aufgaben jener Vorbehalte. 25. Es besteht kein Bedürfnis nach einem Verwaltungsvorbehalt. Die Exekutive wird durch die Gesetzgebung nicht ernsthaft beengt oder gar beeinträchtigt. Der allgemein beklagten Gesetzesflut und Übernormierung kann nicht durch die Annahme irgendeines Verwaltungsvorbehalts, sondern nur durch eine bessere Gesetzgebungstechnik wirksam begegnet werden.

Der Verwaltungsvorbehalt 2. Mitbericht von Professor Dr. Friedrich E. Schnapp, Bochum Inhalt Seite I. Einleitung 1. Allgemeine Vorbemerkung 2. Diskussionsstand 3. Die vollziehende Gewalt als „vergessene Funktion" II. Verfassungsrechtliche Sperren für einen Verwaltungsvorbehalt 1. Vorbemerkung 2. Anmerkungen zum Totalvorbehalt 3. Rechtsstaatsprinzip und Gesetzesvorbehalt 4. Organsouveränität des Parlaments? 5. Die Reichweite des Parlaments- und des Gesetzesvorbehalts (Anmerkungen zur Wesentlichkeitsdoktrin) III. Verfassungsdogmatische Wege zu einem Verwaltungsvorbehalt 1. Zum konstitutiven Charakter verfassungsrechtlicher Kompetenzzuweisungen 2. Die Exklusivität von Kompetenzzuweisungen a) Allgemeines b) Durchbrechungen? 3. Funktionaler oder kompetenzieller Problemzugang? 4. Die Verknüpfung von Verantwortung und Sachverstand mit Kompetenz

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IV. Organisationsgewalt, Geschäftsleitungsgewalt und Personalhoheit als Steuerungsinstrumente des Exekutivapparates 1. Organisationsgewalt a) Verfassungsunmittelbare Beleihungen b) Verfassungsmittelbare Verwaltungsvorbehalte 2. Geschäftsleitungsgewalt 3. Personalhoheit

192 192 192 193 195 196

V

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Schlußbemerkung

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I. Einleitung 1. Allgemeine Vorbemerkung Wer sich anschickt, Überlegungen zum Verwaltungsvorbehalt anzustellen, sieht sich - zu welchem Ergebnis er auch immer gelangen mag vor einem unausweichlichen Dilemma: Entweder lächeln Erich Kaufmann und Hans Peters vom Juristenhimmel milde auf ihn herab, während er sich den Mißmut der irdischen Legisten zuzieht, oder aber es zucken zornige Blitze auf ihn hernieder, wobei freilich seine Schmerzen durch den Beifall der Protagonisten eines allumfassenden Gesetzesvorbehalts hier auf Erden gelindert werden. Aber dergleichen gehört wohl zum Berufsrisiko eines Referenten bei dieser Vereinigung. Angesichts der erfolgreichen Bemühungen von Rechtsprechung und Wissenschaft um die Erstreckung von Gesetzes- und Parlamentsvorbehalt auf vordem im rechtlichen Halbdunkel angesiedelte Bereiche erscheint „Der Verwaltungsvorbehalt" zunächst als ein neues Thema. Bei näherem Hinsehen entdeckt man indessen, daß es sich um ein wiederbelebtes Ewigkeitsthema handelt1. Zum Beleg dessen braucht man nicht unbedingt auf John Locke zurückzugreifen, der in seinem „Second Treatise on Government" eine Prärogative der vollziehenden Gewalt postuliert hat2. Für unseren Rechtskreis genügt der Hinweis auf Erich Kaufmann, der bereits 1914 das heutige Thema ausdrücklich formuliert hat, als er in Stengel-Fleischmanns Wörterbuch den Vorbehalten der Verwaltung (man beachte den Plural!) einen eigenen Abschnitt widmete 3 . Er hat den dort entwickelten Ansatz auch unter der Geltung des Grundgesetzes aufrechterhalten, als er auf der Würzburger Staatsrechtslehrertagung 1965 bemerkte: „Ich glaube darum in der Tat, daß man von einem Vorbehalt auch der Verwaltung sprechen sollte"4. 2. Diskussionsstand Läßt man einige neuere Äußerungen zum heutigen Beratungsgegenstand Revue passieren, so stößt man etwa auf das Staatsrechtslehrbuch von Klaus Stern, der dort die Ausbildung eines unantastbaren Verfas-

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Ähnlich M. Schröder, DVB1.1984, 814 (815). John Locke, Zwei Abhandlungen über die Regierung, dt. Ausgabe 1977, S.301. 3 E. Kaufmann, Art. „Verwaltung, Verwaltungsrecht", in: v. Stengel/Fleischmann, Wörterbuch des Deutschen Staats- und Verwaltungsrechts, 3. Band 1914, S. 688 ff. (698). 4 E. Kaufmann, W D S t R L 24 (1966), 220. 2

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sungsvorbehalts der Verwaltung postuliert hat5, sowie auf Rupert Scholz^, dem das Bundesverfassungsgericht7 mit der Formulierung gefolgt ist, die Verantwortung der Regierung gegenüber Parlament und Volk setze notwendigerweise einen Kernbereich exekutivischer Eigenverantwortung voraus. Freilich scheint schon Konrad Adenauer - das mag als historisches Aper?u gestattet sein - im Jahre 1948 die Brisanz des heutigen Themas erahnt zu haben, als er an den damaligen Ministerpräsidenten von Nordrhein-Westfalen Karl Arnold telegrafierte: „Entscheidung über Sitz der Zentralbank für Nordrhein-Westfalen gehört als politische Angelegeheit zu der Zuständigkeit des Landtags. Erhebe ... gegen die Absicht des Kabinetts, die Angelegenheit durch Kabinettsbeschluß zu erledigen, Einspruch."8 Wenn sich in den letzten Jahren in der prinzipiellen dogmatischen Diskussion wenig bewegt hat9, so scheint sich die Prognose von Hans-Uwe Erichsen zu bewahrheiten, der die Befürchtung äußerte, angesichts des derzeitigen Standes der Bemühungen werde man in naher Zukunft kaum mit einer befriedigenden Formulierung eines Verwaltungsvorbehalts rechnen können10. Ganz im Mittelpunkt des Beratungsthemas steht die Frage nach der Verteilung der Kompetenzen zwischen den organisatorischen Funktionseinheiten der Legislative und der Exekutive, nicht etwa zwischen den materiellen Funktionen Gesetzgebung und Verwaltung. Die Grenzzie-

5

Das Staatsrecht der Bundesrepublik Deutschland, Bd. II, 1980, S. 757 f. Außer in den Begleitaufsätzen zum Beratungsgegenstand von Degenhart, NJW 1984, 2184 fT.; W.Schmidt, NVwZ 1984, 545 ff.; M. Schröder, DVB1.1984, 814 ff.;Stettner, DÖV1984, 611 ff. finden sich in neuerer Zeit Äußerungen zum Thema etwa bei Achterberg, Probleme der Funktionenlehre, 1970, S. 178 ff.; Ε-W. Böckenförde, Die Organisationsgewalt im Bereich der Regierung, 1964, S. 79 ff; dems., Gesetz und gesetzgebende Gewalt, 2. Aufl. 1981, Nachwort; Erichsen, VerwArch 70 (1979), 249 ff.; Häberle, Öffentliches Interesse als juristisches Problem, 1970, S. 57 ff, 85 ff, 129 ff, 187 ff, 235 ff, 438 f., 484; Herzog, in: Maunz/Dürig, Grundgesetz, Art. 20 V, Rdn. 79 ff., 99 ff. Krebs, Kontrolle in staatlichen Entscheidungsprozessen, 1984, S.93 f., 147 f.; Lerche, Bayerisches Schulrecht und Gesetzesvorbehalt, 1981, S.32 ff, 37 ff, 53 ff, 84 ff; Ossenbühl, Verwaltungsvorschriften und Grundgesetz, 1968, S. 178 ff; Hans Peters, Die Verwaltung als eigenständige Staatsgewalt, 1965; Schlink, Die Amtshilfe, 1982, S. 120 f. mwN; Schreyer, Pluralistische Entscheidungsgremien im Bereich sozialer und kultureller Staatsaufgaben, 1982, S. 110 f.; Starck, Der Gesetzesbegriff des Grundgesetzes, 1970, S. 198 ff; Vogel ηηά Herzog, W D S t R L 24 (1966), S. 125 ff. (166 ff), 183 ff. (188). 6 R. Scholz, AöR 105 (1980), 564 (598). 7 U. v. 17. 7.1984, NJW 1984,2271 (2275). 8 Adenauer, Briefe 1947-1949, bearb. ν. Η. P. Mensing, 1984, S. 175. 9 Böckenförde, Gesetz (FN 5), S. 383; M. Schröder, DVB1.1984, 815. 10 Erichsen, VerwArch 70 (1979), 249 (255); ähnlich M.Schröder, DVB1.1984,816.

Der Verwaltungsvorbehalt

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hung zwischen Gerichten und Exekutive haben Rupert Scholz und Eberhard Schmidt-Aßmann bereits ergiebig ausgeleuchtet11. Der Verwaltungsvorbehalt im heute vorgegebenen Verständnis läßt sich thematisch umreißen in einer Kontrastierung zu zwei geläufigeren Begriffen: dem Gesetzes- und dem Parlamentsvorbehalt. In einer Kurzbeschreibung zielen sie auf folgendes: Das Prinzip des Gesetzesvorbehalts12 verlangt, daß die von ihm erfaßten Maßnahmen nur durch Gesetz oder aufgrund eines Gesetzes erfolgen dürfen. Der Parlamentsvorbehalt ergreift einen Ausschnitt davon, steht also in einem „Stufenverhältnis" dazu13 und umschreibt den Bereich der delegationsfeindlichen Regelungen, die durch parlamentsbeschlossenes Gesetz selbst vorzunehmen sind14. Der Verwaltungsvorbehalt dagegen meint diejenigen Bereiche, die für die exekutivischen Funktionseinheiten rechtssatzmäßig reserviert und parlamentarischer Regelung - zumindest prinzipiell - verschlossen sind15. Das läßt sich wie folgt in Frageform kleiden: 1. Was darf nur gesetzlich oder gesetzesabgeleitet geregelt werden? 2. Was muß das Parlament innerhalb dieses Rahmens selbst regeln? 3. Was darf das Parlament nicht regeln? 16. Dabei erscheint es angebracht, sich mit Bezug auf die Thematik zu vergegenwärtigen, daß das Grundgesetz nur eine Form rechtsverbindlicher Parlamentsregelung kennt; nämlich den Gesetzesbeschluß nach Art. 77 Abs. 1. Der Regelungsvorbehalt zugunsten des Parlaments hat unter dem Etikett der Wesentlichkeitstheorie seine zwar nicht unumstrittene, aber doch weitgehend akzeptierte Dogmatisierung erfahren17. In jüngerer Zeit mehren sich freilich Stimmen, die gegen eine allzu forsche Ausdehnung des Parlaments- und des Gesetzesvorbehalts Bedenken anmelden18. Die 11

R. Scholz, W D S t R L 34 (1976), 145 ff.; Schmidt-Aßmann, ebd., 221 ff. Zusammenfassend Krebs, Jura 1979, 304 ff.; Böckenförde, Gesetz (FN 5), S. 382 ff.; dazu jüngst auch Eberie, DÖV1984, 485 ff. 13 Erichsen, in: FS zum 125jährigen Bestehen der Juristischen Gesellschaft zu Berlin, 1984,113 (113). Daß beide Begriffe nicht immer hinlänglich auseinandergehalten werden, belegt zuletzt die Entscheidung des Hess StGH, DÖV 1984,718 (719 f.). 14 Erichsen (FN 13), S. 113; Krebs, Jura 1979, 312; Schnapp, Amtsrecht und Beamtenrecht, 1977, S. 239 ff. 15 Böckenförde, Gesetz (FN 5), S. 387 f. 16 Herzog, W D S t R L 24 (1966), 183 (188). 17 Böckenförde, Gesetz (FN 5), S. 385; ferner Erichsen, VerwArch 70 (1979), 249; Stern, Das Staatsrecht der Bundesrepublik Deutschland, Bd.1,2. Aufl. 1984, S.812; Eberie, DÖV 1984, 487 ff. 18 S. etwa Kopp, BayVBl. 1983,673; ferner Nachweise bei Degenhart, NJW1984, 2185 in Fn. 17. Zur Kritik s. a. Ellwein, in: Benda/Maihofer/Vogel (Hrsg.), Handbuch des Verfassungsrechts der Bundesrepublik Deutschland, 1983, S. 1093 ff. (1112 ff). 12

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Argumente, die insoweit vorgebracht werden (Niedergang des Gesetzgebungsverfahrens19, Überforderung des Gesetzgebers) sind beachtlich und artikulieren einen Appell, den man nicht nachdrücklich genug unterstützen kann. Dennoch ist kaum ersichtlich, daß damit zwingende verfassungsrechtliche Tabuzonen für den Gesetzgeber aufgezeigt worden wären. Die nachfolgenden Überlegungen bemühen sich vornehmlich darum, verfassungsnormative Grundlagen für einen Verwaltungsvorbehalt auszumachen. 3. Die vollziehende Gewalt als „vergessene Funktion"

Klopft man das Grundgesetz daraufhin ab, ob es „gesetzesfeste"20 Bereiche der Verwaltung gibt, dann wird man zunächst feststellen, daß die beiden anderen Organgruppen - Legislative und Judikative - im Hinblick auf die ihnen zustehenden Sachaufgaben ungleich ausgiebiger bedacht worden sind als die Exekutive. Während Art. 92 GG - über alle föderativen Grenzen hinweg - die Ausübung rechtsprechender Gewalt abschließend und monopolartig den Richtern anvertraut21, während den Legislativorganen des Bundes ausgiebige Kompetenz- und Verfahrensvorschriften zur Verfugung gestellt sind, erscheint die vollziehende Gewalt sub specie Aufgabenzuweisung als eine eher vernachlässigte, wenn nicht vergessene Annexfunktion. Sie gewinnt gleichsam erst Gewicht im Gefolge der föderativen Aufgabenverteilung, indem die horizontale Gewaltenseparierung innerhalb der Verwaltung vertikal und zwar nicht prinzipiell und geschlossen, sondern eher punktuell - weitergeführt wird22. Es kommt hinzu, daß im Bereich von Gesetzgebung und Rechtsprechung die organisatorischen Einheiten gleich mit ausgewiesen sind (Bundestag, Bundesrat, Gerichte), während die Verwaltung - abgesehen von Bestimmungen über die Regierung - als noch amorphe, nicht organisatorisch fixierte Funktion erscheint, wobei nur Typen und Grundlinien einer Aufgabenzuordnung auszumachen sind. Der Umstand, daß die Art. 83 ff. GG schwerpunktmäßig sogleich in die Länderexekutiven hineinverweisen, die Tatsache, daß das Hauptgewicht der Vollziehung bei ihnen zu finden ist, legt die Vermutung nahe, daß das

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So der Titel des Beitrages von Hans Schneider, FS für Gebhard Müller, 1970, S. 421. 20 So Jarass, Politik und Bürokratie als Elemente der Gewaltenteilung, 1975, S. 28. 21 Dazu W. Meyer, in: GGK, Bd. 3, 2. Aufl. 1983, Art. 92 Rdn. 4; Herzog, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 92 Rdn. 99. 22 Vgl. Kirschenmann, JuS 1977, 565 ff.; Ossenbühl(FN 5), S. 363; zu letzterem Aspekt auch Stettner, DÖV1984, 615.

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Grundgesetz weniger konkrete Aussagen über die Exekutive insgesamt bereithält, als man nach manchen Darstellungen anzunehmen geneigt sein könnte. Um Bestimmungen, denen Konzises über die Exekutive entnommen werden könnte, ist es also im Grundgesetz „verhältnismäßig schlecht" bestellt23. Insofern läßt sich ein Mangel an normativer Dichte unserer Verfassung konstatieren. II. Verfassungsrechtliche Sperren für einen Verwaltungsvorbehalt 1. Vorbemerkung Gerade weil der Verwaltungsvorbehalt ein zartes Pflänzchen im Dogmengarten ist und noch wenig Konturen aufweist, gerade auch weil es um das „Ob" und nicht bloß, wie das Thema in seiner lapidaren Kürze insinuieren könnte, um das „Wieviel" eines Verwaltungsvorbehalts geht24, erscheinen einige prinzipielle dogmatische und methodische Bemerkungen in einiger Ausführlichkeit angebracht. Dabei geht es zunächst darum, gleichsam via negationis diejenigen Barrieren einer Betrachtung zu unterziehen, die der Annahme eines Verwaltungsvorbehalts hinderlich im Wege stehen könnten. In dem komplexen Gefüge föderativer und gewaltengliedernder Funktions- und Aufgabenzuweisungen nach einem Verwaltungsvorbehalt zu suchen, wäre von vornherein müßig, wenn man verfassungsrechtlich genötigt wäre, eine (potentielle) universelle Regelungsbefugnis des Gesetzgebers anzunehmen, eine Befugnis der Parlamente also, zu regeln, was sie einer legislativen Regelung für nötig und würdig befinden 25 bzw. was zu regeln sie für opportun halten 26 , oder wenn es gar einen ubiquitären Regelungszwang für die Parlamente gäbe27. Man könnte geneigt sein, die These von der Allmacht des Gesetzgebers beiseitezuräumen mit einem kursorischen Hinweis auf einige explizite Kompetenzzuweisungen an Exekutivorgane, verbunden mit der Thomaschen These von der Rechtsvermutung für die Exklusivität ausdrücklich statuierter Kompetenzen 28 . Indessen werden hier grundsätzliche Fragestellungen angesprochen; eine zumindest ansatzweise Auseinandersetzung mit ihnen erscheint unausweichlich.

23

Herzog, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 20 V, Rdn. 97. So zutreffend W. Schmidt, NVwZ 1984,545. 25 Herzog, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 20 V, Rdn. 79; VI, Rdn. 44. 26 Ossenbühl (FN 5), S. 262 mwN in Fn. 69. 27 Darauf würde die Lehre vom Totalvorbehalt in letzter Konsequenz hinauslaufen; dazu unten im Text II 2. 28 Thoma, in: HdbDStR II, 1932, S. 149. 24

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2. Anmerkungen zum Totalvorbehalt

Ein Verwaltungsvorbehalt wäre a limine ausgeschlossen, wenn sich ein Totalvorbehalt zugunsten der Legislative verfassungsrechtlich belegen ließe. Zwar sind Verfechter eines durchgehenden kompromißlosen Totalvorbehaltes in der deutschen Staatsrechtslehre derzeit nicht auffindbar29. Aber dennoch ist die These zu bedenken, weil sie immerhin auf der grundsätzlichen Annahme beruht, infolge eines Wandels der Verfassungsstruktur habe nicht nur eine Änderung in den Staat-Bürger-Beziehungen stattgefunden, sondern daß ebenso - und dies ist die zweite Seite der Medaille - eine Neubestimmung der Relation von Legislative und Exekutive erforderlich sei30. Diese funktionsorientierte Betrachtungsweise ist aber prinzipiell und nicht auf einen Teilausschnitt staatlicher Handlungen beschränkt. Auf der anderen Seite kann es bei kurzen Anmerkungen verbleiben, weil es die Referatsökonomie erfordert, die Diskussion nicht über diejenige Ebene hinauszufuhren, auf welcher der Gesetzesvorbehalt auch von seinen engagiertesten Vertretern debattiert wird. Im Zeitalter des Konstitutionalismus bestand bei verfassungsrechtlichen Zuständigkeitszweifeln oder beim Schweigen der Verfassung eine Kompetenzpräsumtion zugunsten der monarchischen Exekutive. Diese Vermutungsregel ist - darüber besteht Einigkeit - weggefallen. Daraus allein läßt sich aber weder auf eine Verlagerung dieser Vermutung zugunsten des Gesetzgebers schließen noch gegen eine verfassungsunmittelbare Verleihung von Handlungsbefugnissen an die Verwaltung argumentieren31. Ferner stützt Jesch seine These darauf, das Parlament sei - weil als einziges Verfassungsorgan unmittelbar demokratisch legitimiert - das höchstrangige Staatsorgan, gewissermaßen der Souverän im demokratischen Staat. Deshalb sei die Exekutive nur dann handlungsbefugt, wenn sie zuvor „an die Kette" des Gesetzgebers gelegt sei und von ihm ihre Handlungsimpulse empfange32. Insofern sei vorab die Feststellung getroffen, daß das Grundgesetz selbst zwischen der Legitimation von Organen (Art. 20 Abs. 2) und deijenigen von Organwaltern (Art.38 Abs. 1) unterscheidet. Davon wird noch zu sprechen sein.

29

Vgl. Ossenbühl (FN 5), S. 219; Magiera, Parlament und Staatsleitung in der Verfassungsordnung des Grundgesetzes, 1979, S. 291. 30 Jesch, Gesetz und Verwaltung, 2. Aufl. 1968, S. 171. 31 Ossenbühl( FN 5), S. 213; Konrad Huber, Maßnahmegesetz und Rechtsgesetz, 1963, S. 175; Vogel, W D S t R L 24 (1966), 125 (148); Rupp, Grundfragen der heutigen Verwaltungsrechtslehre, 1965, S. 133 ff.; Krebs, Vorbehalt des Gesetzes und Grundrechte, 1975, S. 106 mwN. 32 Jesch (FN 30), S. 171, 205.

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Jesch macht allerdings selbst bedeutsame Vorbehalte. Erfuhrt nämlich aus, die Exekutive sei nach der Struktur der grundgesetzlichen Ordnung echte vollziehende Gewalt geworden und damit für alle Handlungsformen abhängig von einer parlamentarischen Ermächtigung, sofern ihr die Verfassung nicht selbst eine ausreichende Kompetenz zuweist3. Ferner wird die These von der Organsouveränität des Parlaments dadurch relativiert, daß dies nicht gelten soll bei „echten politischen Entscheidungen auf Regierungsebene'^. Auf die beiden letztgenannten Thesen braucht aber inhaltlich nicht näher eingegangen zu werden, denn Jesch hat schließlich Fragen der Organisationsgewalt, die einen Teil dieses Referats bilden sollen, explizit aus seinen Untersuchungen ausgeklammert35. Damit ist aber der Weg zum Untersuchungsgegenstand freigehalten: Es geht auch und gerade um die Frage nach der Identität der vollziehenden Gewalt mit sich selbst, d. h. darum, ob verfassungsunmittelbare Verleihungen zugunsten der Verwaltung36 nachzuweisen sind, welche eine Regelungsbefugnis des Parlaments ausschließen37. 3. Rechtsstaatsprinzip und Gesetzesvorbehalt Soweit Überlegungen in Richtung auf einen Totalvorbehalt aus rechtsstaatlichen Gedankengängen gespeist werden38, ist dazu folgendes zu bemerken 39 : Das Grundgesetz kennt nicht das „Rechtsstaatsprinzip" schlechthin40, vielmehr wird das Gesamtbild des Typus „Rechtsstaat" von einer Reihe von Einzelelementen geprägt, die im Grundgesetz in unterschiedlichster Weise ihren normativen Niederschlag gefunden haben. 33

Jesch (FN 30), S. 205. Jesch (FN 30), S. 171, 205 (Hervorhebung von mir). 35 Jesch (FN 30), S. 2 Fn. 1; dazu Rupp (FN 31), S. 145 f.; Achterberg (FN 5), S. 207 f. 36 Dabei ist die „Regierung" mit umfaßt, weil die Funktionentrias des Art. 20 Abs. 2 Satz 2 GG schon wegen der Grundrechtsbindung (Art. 1 Abs. 3 GG) eine geschlossene bleiben muß. Dazu, daß es neben Gesetzgebung, vollziehender Gewalt und Rechtsprechung keine weitere eigenständige Gewalt gibt, vgl. Η. P. Ipsen, W D S t R L 24 (1966), 222; Achterberg, Parlamentsrecht, 1984, S. 165,382 Fn. 149, 426, 499 Fn. 334, 506 Fn. 372; dens., Allgemeines Verwaltungsrecht, § 8 Rdn. 9, S. 122; Erichsen, Staatsrecht und Verfassungsgerichtsbarkeit 1,3. Aufl. 1982, S. 99; E. Kaufmann, W D S t R L 24 (1966), 221. 37 Vgl. vorerst Schmidt-Aßmann, in: FS für Η. P. Ipsen, 1977, S. 333 (347); Schnapp, AöR 105 (1980), 243 (270). 38 Rupp (FN 31), passim; nicht ganz deutlich Götz, Recht der Wirtschaftssubventionen, 1966, S. 285; unentschieden auch Kloepfer, JZ 1984,685. 39 Schnapp, in: FS für Scupin, 1983, S. 899 (905 f.); ders., in: GGK, Bd. 1,3. Aufl. 1985, Art. 20 Rdn. 21. 40 Pointiert Ridder, in: Alternativkommentar zum Grundgesetz, Bd. 1, 1984, Art. 20 Rz. 35. 34

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Das Rechtsstaatsprinzip ist - um mit Roman Herzog zu sprechen - „ein außergewöhnlich vielseitiges, ganz unterschiedliche verfassungsrechtliche Aspekte zusammenfassendes Rechtsprinzip, in dem zahlreiche, untereinander sehr heterogene Unterprinzipien zusammengefaßt werden". Trifft dies aber zu, dann kann der Rechtsstaatsgrundsatz nicht weiter reichen und ist er nicht mehr als der Inbegriffjener verfassungsrechtlich belegbaren Einzelprinzipien, die ihn ausmachen. Das hat zur Konsequenz, daß nicht aus einem normativ nicht näher belegten, quasi monolithischen Rechtsstaatsprinzip einzelne Grundsätze „hergeleitet" werden können42, will man nicht einer petitio principii anheimfallen und in einer „unbesehen übernommenen Rechtsstaatsklausel"43 zuvor das verbergen, was man ihr hernach wieder entbirgt. Dieser Sichtweise ließe sich entgegenhalten, Verfassungsrecht verweise nicht bloß auf den Verfassungstext, sondern zugleich auf die „Tradition der politischen Ideen"44, die in der Verfassung rezipiert seien. Ähnlich könnte man mit dem Bundesverfassungsgericht45 argumentieren, das Verfassungsrecht bestehe nicht nur aus den einzelnen Sätzen der geschriebenen Verfassung, sondern auch aus gewissen sie verbindenden, innerlich zusammenhaltenden allgemeinen Grundsätzen und Leitideen, die der Verfassungsgeber, weil sie das vorverfassungsmäßige Gesamtbild prägen, von dem er ausgegangen sei, nicht in einem besonderen Rechtssatz konkretisiert habe. Die Gesamtbild-Methode steht aber in der ständigen Gefahr, daß einer „Zusammenschau" nur zu oft das „Wegschauen" vom allein maßgeblichen Text des Grundgesetzes inhärent ist46. Die Rezeptionsthese hingegen beschreibt einen Zirkel; denn welche politischen Ideen das Grundgesetz normativ aufgenommen hat, läßt sich intersubjektiv einsichtig nur anhand des Verfassungstextes nachweisen47. Eine normorientierte Betrachtungsweise hat sich an der konkreten Ausgestaltung auszurichten, welche die Staatsstrukturbestimmungen im Grundgesetz im einzelnen gefunden haben 48. Thesen zum Parlaments- und Gesetzes41

Herzog, in Maunz/Dürig, GG, Art. 20 VII, Rdn. 3, 21 mwN. So bereits Hans Schneider, in: Bundesverfassungsgericht und Grundgesetz, Bd. 2,1976, S. 390 (391). 43 Lerche, Übermaß und Verfassungsrecht, 1961, S. 32. 44 Badura, W D S t R L 24 (1966), 212. 45 Ε 2, 380 (403). 46 Ridder (FN 40), Art. 20 Rz. 46. 47 Vogel, W D S t R L 24 (1966), 232; Schnapp (FN 14), S. 249. 48 Vgl. etwa im Hinblick auf das Rechtsstaatsprinzip Hesse, Grundzüge des Verfassungsrechts der Bundesrepublik Deutschland, 14. Aufl. 1984, § 6 Rdn. 184; Böckenförde, Organisationsgewalt (FN 5), S. 91; Stern (FN 17), S. 782 f. Ebenso bezüglich des Demokratieprinzips Kriele, W D S t R L 29 (1971), 46 (47); Schnapp, GGK (FN 39), Art. 20 Rdn. 12. 42

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vorbehält wie übrigens auch zu einem Verwaltungsvorbehalt sind unter dieser Prämisse des Einzelnachweises bedürftig; ein Rekurs auf „das" Rechtsstaatsprinzip kann diese Aufgabe nicht leisten. 4. Organsouveränität des Parlaments? Der Annahme eines Verwaltungsvorbehalts würde es ferner hinderlich im Wege stehen, wenn man - wie vielfach behauptet 49 - dem Grundgesetz Aussagen oder Andeutungen in Richtung auf eine Parlamentssouveränität entnehmen könnte. Davon kann jedoch nicht die Rede sein. In einem gewaltengliedernden Verfassungsstaat richten sich gegen die Annahme der Höchstrangigkeit irgendeines Verfassungsorgans Einwände prinzipieller Natur. In deutlicher Erkenntnis des Strukturwandels in der Verfassung nach Ablösung des konstitutionellen Systems führte Erich Kaufmann bereits 1920 aus50: „Der erste und wichtigste allgemeine Satz, der niemals aus dem Auge verloren werden darf, ist der, daß kein Organ ... eine unbeschränkte oder auch nur präsumtiv unbeschränkte Gewalt hat." Diese Aussage hat heute wie damals Gültigkeit: Das „importierte Wort Souveränität"51 ist ebensowenig wie der Verfassungssituation in den kontinentaleuropäischen Territorien der Neuzeit unserer heutigen angemessen; denn Souveränität bedeutet immer den Ausschluß eines Nebeneinanders und eines Pluralismus' von Herrschaftsgewalten. Für eine Denkfigur wie „Souveränität" ist in einem aufgaben- und befugnisverteilenden Verfassungssystem wie dem unsrigen von vornherein kein Raum. Konsequent zu Ende gedacht, würde die Zuerkennung von Souveränität an ein Organ oder eine Organgruppe jegliches verfassungsrechtliche Gewaltenteilungsmodell (normativ) wieder aushebeln, letzten Endes also zur Leugnung einer rechtlich verbindlichen Kompetenzordnung fuhren 52 . Der Versuch zur definitiven Beantwortung der Frage nach einem obersten Staatsorgan ist das „Kennzeichen des absoluten Staates"53, so daß 49

So etwa Jesch (FN 30), S. 92 ff., 99,171,205; Hans-Jürgen Hansen, Fachliche Weisung und materielles Gesetz, 1971, S. 61; Achterberg, DVB1.1974, 693 (696 f.); anders jetzt ders., Parlamentsrecht, 1984, S. 15; ferner Friesenhahn, W D S t R L 16 (1958), 9 (33 Anm. 62); Reinhard Hoffmann, Haushaltsvollzug und Parlament, 1972, S. 32; Mußgnug, Der Haushaltsplan als Gesetz, 1976, S. 354. 50 E. Kaufmann, Untersuchungsausschuß und Staatsgerichtshof, 1920, S. 10; s. a. Carl Schmitt, Verfassungslehre, 3. unveränderte Auflage 1957, S. 98. 51 Dieser Ausdruck bei Quaritsch, Staat und Souveränität, Bd. 1,1970, S. 400. 52 Kriele, Einführung in die Staatslehre, 1975, S. 112; in diesem Sinne auch Magiera (FN 29), S. 169 f.; Doehring, Das Staatsrecht der Bundesrepublik Deutschland, 3. Aufl. 1984, S. 157. 53 R. Bäumlin, Staat, Recht und Geschichte, 1961, S. 40.

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die Verwendung des Begriffs der Organsouveränität „besser unterbleibt"54. Begründen läßt sich eine Parlamentssuprematie, die identisch wäre mit einem gegenständlich unbeschränkten Recht der Parlamentsgesetzgebung55, auch weder aus dem in Art. 20 Abs. 3 GG statuierten Vorrang des parlamentsbeschlossenen Gesetzes 56 noch unter Rückgriff auf die Unmittelbarkeit der demokratischen Legitimation der Parlamente57 und der daraus angeblich folgenden demokratischen Präponderanz. Die verfassungsrechtlich angeordnete Höherrangigkeit von parlamentsbeschlossenen Gesetzen gegenüber Verwaltungsmaßnahmen bedeutet lediglich eine Derogationswirkung in denjenigen Feldern, die zulässigerweise von ihnen besetzt werden. Sie beinhaltet jedoch nicht, daß der parlamentarische Gesetzgeber auf allen beliebigen Bereichen mit Verbindlichkeitsanspruch tätig werden dürfte58. Kurzformelhaft ausgedrückt: Ubiquitärer Vorrang zulässiger, bindender Parlamentsprodukte impliziert nicht eine allumfassende Kompetenz: Ranganordnungen beinhalten keine Kompetenzzuweisungen oder -erweiterungen. Zudem stehen Rangfragen und Kompetenzfragen aufje einem anderen Blatt59. Des weiteren wird beim Argumentieren aus der „unmittelbaren demokratischen Legitimation" der Legislative und der daraus gefolgerten „Führungsrolle des Parlaments"60 jedenfalls im Hinblick auf das Beratungsthema folgendes übersehen: Darüber, daß auch die Exekutivorgane institutionell unmittelbar, wenn auch personell mittelbar demokratisch legitimiert sind, braucht mittlerweile wohl kein Wort mehr verloren zu werden61.

54

Achterberg, Parlamentsrecht, S. 95. In diesem Sinne offenbar auch Frowein, DÖV1977,555 (556); s. a. Degenhart, NJW1984, 2187 r. Sp. 56 So aber ζ. B. Achterberg, Allgemeines Verwaltungsrecht, 1982, § 17 Rdn. 27, S. 265; ähnlich Herzog, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 20 VI, Rdn. 44. 57 S. hierzu die Nachweise bei Magiera (FN 29), S. 170, Fn. 44; Schwan, Zuständigkeitsregelungen und Vorbehalt des Gesetzes, Diss. Berlin 1971, S. 50 ff. 58 Natürlich ist das Parlament nicht gehindert, Beschlüsse aller Art zu fassen. Zu welchen rechtlichen Irritationen und politischen Reibungsverlusten das jedoch führen kann, haben die Vorgänge um das Kraftwerk Buschhaus zur Genüge gezeigt. Dazu, daß nicht alle Parlamentsbeschlüsse rechtlich verbindlich sind, Magiera (FN 29), S. 212 f. mit umfangreichen Nachweisen in Fn. 250; G. Brunner, Kontrolle in Deutschland, 1972, S. 143 f. 59 Magiera (FN 29), S. 212 f. mwN; Ossenbühl(FN 5), S. 475; Schnapp (FN 14), S. 193. 60 Jesch (FN 30), S. 205. 61 Siehe dazu Β VerfGEA9,89 (125); Krebs (FN 31), S. 106 mit allen erforderlichen Nachweisen. 55

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Zu widersprechen ist auch einer gelegentlich anzutreffenden Grundhaltung, bei welcher die Überzeugung mitzuschwingen scheint, „Mittelbarkeit" demokratischer Legitimation von Sachwaltern bedeute gleichsam ein Minus oder eine Organlegitimation zweiter Klasse62. Dem ist entgegenzuhalten, daß Mittelbarkeit demokratischer Legitimation kein verfassungsrechtliches Defizit der Organstellung signalisiert, vielmehr ein verfassungsimmanenter, vom Grundgesetz normativ angeordneter Baustein unserer Rechtsordnung ist63. Denn die vollziehende Gewalt ist als Institution und Funktion durch Art. 20 Abs. 2 GG verfassungsunmittelbar konstituiert und nicht etwa para-konstitutionell64. In der Stufenleiter der personellen Ableitungskette mag die Parlamentsbesetzungdem „Volkswillen" näher stehen als die exekutivischen Funktionseinheiten65, „demokratischer" ist das Parlament als Organ darum noch nicht66. Auch ein Rekurs auf Art. 20 Abs. 3 GG vermag hiergegen (abermals) nicht zu verfangen: Diese Bestimmung bindet die vollziehende Gewalt an vorhandenes Gesetz und Recht, besagt aber nicht, daß sie allein durch ein parlamentsbeschlossenes Gesetz zuallererst handlungsfähig gemacht würde67. Schließlich aber ist der Topos demokratischer Legitimation welcher Provenienz auch immer von sehr beschränkter Aussagekraft dann, wenn es um die verfassungsrechtliche Aufgabenverteilung auf Organe oder Organgruppen geht, welche die im Grundgesetz ausgewiesenen Staatsfunktionen wahrzunehmen haben. Jedenfalls soweit die Kompetenzverteilung zwischen Gesetzgebungs- und Verwaltungsorganen in Frage steht, vermag der Umstand „stärkerer" demokratischer Legitimation der Parlamentsbesetzung nicht weiterzuhelfen: Eine „starke" demokratische Legitimation ist nicht in der Lage, Kompetenzen zu begründen oder neue zu schaffen, eine „schwache" demokratische Legitimation kann nicht zur Leugnung oder Entziehung einer einzigen rechtssatzmäßig zugewiesenen Kompetenz führen 68 . Für die Frage nach einem

62

Dagegen zutreffend Böckenförde, in: FS für Eichenberger, 1982, S. 301ff.;ferner Magiern (FN 29), S. 101 ff. 63 S. a. Magiern (FN 29), S. 101. 64 Ossenbühl(FN 5), S. 200; Böckenförde, Organisationsgewalt (FN 5), S. 78 ff. 65 Dabei ist noch außer acht gelassen, daß man genötigt wäre, zwischen Direktund Listenmandaten zu unterscheiden sowie außerdem den Umstand in Betracht zu ziehen hätte, daß alle Kandidaten durch die Parteien mediatisiert sind. Dazu Hans Meyer, W D S t R L 33 (1975), 69 (91). 66 Götz (FN 38), S.285. 67 Böckenförde/Grawert, AöR 95 (1970), 1 ff. (26) mwN. 68 In diesem Sinne auch Friauf, Der Staat 1970,223 (227).

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Verwaltungsvorbehalt kommt es ausschlaggebend darauf an, wie der pouvoir constituant den pouvoir constitue heteronom vorgeordnet hat. 5. Die Reichweite des Parlaments- und des Gesetzesvorbehalts (Anmerkungen zur Wesentlichkeitsdoktrin)

Ein Verwaltungsvorbehalt könnte sich schließlich als in Existenz und Reichweite abhängig von Parlaments- und Gesetzesvorbehalt erweisen. Insofern müssen jedoch Thesen genügen. (1) Die notwendige Reichweite von Parlaments- und Gesetzesvorbehalt bezeichnet nicht automatisch den möglichen Geltungsbereich eines Verwaltungsvorbehalts. Denn erstens markieren die dem Parlament vorbehaltenen Bereiche nicht auch - negativ - die ihm verschlossenen. Ebensowenig verbietet der Vorbehalt des Gesetzes den materiell gesetzgebenden Instanzen schon von sich aus, über diesen von ihnen zwingend zu regelnden Bereich hinauszugreifen. M. a. W: Die obligatorische Erstreckung des Gesetzesvorbehalts bestimmt für sich allein keinen zugriffsfesten Vorbehaltsbereich der Verwaltung, vielmehr markieren umgekehrt - Vorbehaltsbereiche der Verwaltung die Grenzen von Parlaments- und Gesetzesvorbehalt. (2) Die Termini „Parlamentsvorbehalt" und „Gesetzesvorbehalt" bewegen sich auf disparaten Ebenen. Der erstere zielt auf eine Institution, der zweite auf Handlungsformen, während ,yerwaltungsvorbehalt" im hier verstandenen Sinne69 wiederum auf zugriffsfeste Handlungsbereiche von (Verwaltungs-) Institu tio η en abhebt70. (3) Versteht man sich mit dem Bundesverfassungsgericht dazu, die Wesentlichkeitstheorie - die ja auch eine kompetenzzuweisende Funktion entfaltet71 -, dahingehend zu präzisieren, im grundrechtsrelevanten Bereich bedeute „wesentlich" in der Regel „wesentlich fur die Verwirklichung der Grundrechte"72, und ist man73 andererseits bereit, mit einer im Vordringen befindlichen Ansicht den Vorbehalt des Gesetzes in den

69

Nicht ganz eindeutig W.Schmidt, NVwZ 1984, 545. In diesem Sinne wohl auch Degenhart, NJW1984, 2185 sub 2 a. 71 Erichsen, Staatsrecht und Verfassungsgerichtsbarkeit II, 2. Aufl. 1979, S. 103; Krebs, Jura 1979, 308. 72 BVerfGE34,165 (192) - hess. Förderstufe; Ε40,237 (248 f.) - Rechtsschutzverfahren im Strafvollzug; Ε 41,251 (260 f.) - Speyer-Kolleg; Ε 47,46 (79) - Sexualkunde-Entscheidung. 73 Vogel, W D S t R L 24 (1966), 125 (149 ff.); Krebs, Jura 1979, 310; Schnapp (FN 14), S. 248 ff. 70

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Grundrechtsbestimmungen zu verorten74, so liegt das Verdikt nahe, daß im Grundrechtsbereich die Wesentlichkeitstheorie überflüssig ist75. Im übrigen müßte nach dieser Theorie die Legislative im sog. grundrechtsrelevanten Bereich u. U. mehr regeln, als sie nach Art. 80 Abs. 1 Satz 1GG zu regeln gehalten ist. Dieses Dilemma fehlender Deckungsgleichheit ist dem Bundesverfassungsgericht denn auch nach einiger Zeit bewußt geworden76. So hat es sich genötigt gesehen, die Inhalt-, Zweckund Ausmaßklausel sub specie Wesentlichkeitstheorie gleichsam einer korrigierenden bzw. variablen Auslegung zu unterziehen und die Anforderungen je nach Grundrechtsrelevanz unterschiedlich hoch anzusetzen. Damit komme ich zu dem Zwischenergebnis, daß das Grundgesetz keine Barrieren errichtet, die der Annahme eines Verwaltungsvorbehalts hinderlich im Wege stehen könnten.

III. Verfassungsdogmatische Wege zu einem Verwaltungsvorbehalt Bei rechtssatzangeleiteter Suche nach einem Verwaltungsvorbehalt scheint mir derzeit der einzig erfolgversprechende Weg deijenige zu sein, nach verfassungsrechtlich zugewiesenen oder eingeräumten Kompetenzbereichen zu fragen. 1. Zum konstitutiven Charakter verfassungsrechtlicher Kompetenzzuweisungen Eine erste Vorantwort ist zu geben, wenn man sich die Frage vorlegt, ob verfassungsrechtlichen Kompetenzzuweisungen konstitutiver, lediglich limitativer oder gar nur deklaratorischer Charakter zukommt. Daß die Antwort in ersterem Sinne auszufallen hat, ergibt sich nicht nur aus einer dogmenhistorischen Kontrastierung. Der Verfassungsstaat des Grundgesetzes ist in allen seinen Erscheinungsformen nicht „Subjekt autonomer Freiheit"77; Verfassung ist nicht nachträgliche Beschränkung einer bereits bestehenden, sondern Grundlage einer verfaßten Staatsgewalt78.

74

So wohl auch das BVerfG, siehe FN 72. So ausdrücklich Erichsen (FN 71), S. 104; kritisch ferner Badura, WDStRL40 (1982), 106; Roellecke, W D S t R L 40 (1982), 109: („Fehlstelle in der Verfassungsdogmatik"); Kisker, NJW1977,1313 ff.; Kloepfer, JZ 1984, 689. 76 Vgl. ζ. B. BVerfGESS, 257 (278). Zum Problem auch Kloepfer, JZ 1984, 690 f. 77 Rupp, Festgabe aus Anlaß des 25jährigen Bestehens des Bundesverwaltungsgerichts, 1978, S. 539 ff. (541). 78 Böckenförde, Organisationsgewalt (FN 5), S. 33. 75

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Unter dem Grundgesetz ist der Staat, der pouvoir constitue, in der Tat „Geschöpf seiner Verfassung"79. Das bedeutet: Für alle Organgruppen gilt, daß sie durch die Verfassung allererst handlungsfähig gemacht werden. Dies folgt aus Art. 20 Abs. 2 GG 80 . Für die Exekutive heißt dies, daß sie zwar durch die Verfassung, nicht aber notwendig durch das einfache Gesetz erst in die Lage versetzt wird, rechtsverbindliche Handlungen vorzunehmen. 2. Die Exklusivität von Kompetenzzuweisungen a) Allgemeines Hieraus gilt es die weiteren Konsequenzen zu ziehen. Ich formuliere zunächst die These: Der konstitutive Charakter von Kompetenzzuweisungen indiziert ihre Exklusivität. Bereits Richard Thoma hatte sich unter der Geltung der Weimarer Reichsverfassung im Sinne einer Rechtsvermutung für die Ausschließlichkeit von Kompetenzzuweisungen an die Reichsregierung ausgesprochen81. Aus dieser These läßt sich die Präsumtion eliminieren und durch eine fixe Rechtsregel ersetzen82. Staatstheoretischer Hintergrund ist, daß Perfektion und Funktionsfähigkeit eines Rechtssystems in entscheidendem Maße davon abhängen, daß ein engmaschiges Netz von Kompetenzzuweisungen existiert, welches weder Überschneidungen noch offene „Grauzonen" zuläßt83. Dogmatisch gewendet: Aufgabenzuweisungen an staatliche Funktionseinheiten sind janusköpfig; sie beinhalten eine positive und eine negative Komponente. Die Zuweisung einer Aufgabe bedeutet: Diese Aufgabe muß wahrgenommen werden; es dürfen - gerade auch unter dem Gesichtspunkt der Gesetzmäßigkeit staatlichen Handelns - keine anderen Aufgaben wahrgenommen werden; dies wiederum impliziert für alle anderen Funktionseinheiten einen arret de pouvoir. Der Verpflichtung zur Kompetenzwahrnehmung korrespondiert ein Verbot der Kompetenzüberschreitung. Als ausgemacht gilt dies auf den unteren Sprossen der organisatorischen „Stufenleiter": Ein Beamter hat sein Amt und nur sein Amt

79

Diese Formulierung bei Badura, Das Verwaltungsmonopol, 1963, S. 313. Magiern (FN 29), S. 77; s. ferner Jesch (FN 30), S. 98\E.R. Huber, Deutsche Verfassungsgeschichte, Bd. 6,1981, S. 89 f. 81 Thoma (FN 28), S. 149. 82 Grundsatz der Ausschließlichkeit der Zuständigkeit: H. Krüger, Allgemeine Staatslehre, 2. Aufl. 1966, S. 108 ff.; im Anschluß an ihn Stettner, DÖV1984, 614. 83 Schnapp, Rechtstheorie 1978,275 (296). 80

Der Verwaltungsvorbehalt

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wahrzunehmen 84 . Dieser Grundsatz setzt sich fort auf der Behördenebene: Zuständigkeitszuweisungen haben Ausschließlichkeitscharakter85. Auch ergäbe die Eröffnung von Organstreitverfahren wenig Sinn, wenn der Aufgabenwahrnehmungspflicht nicht auch ein Wahrnehmungsmonopol entspräche, sondern disponible ZugrifFsrechte zugunsten anderer Funktionsträger existierten, die sich nach dem Prioritätsprinzip einer Aufgabe bemächtigen. Dies schließt freilich die Existenz der bereits erwähnten Grauzonen nicht aus. Sie ergeben sich vor allem bei folgenden Konstellationen: Entweder sind Aufgaben normativ überhaupt nicht zugewiesen (Bsp.: mittelfristige Finanzplanung, Beleihung), oder Grauzonen resultieren daraus, daß die in den Zuweisungsnormen verwendeten Termini einen hohen Grad an Vagheit aufweisen86. Im letzteren Falle handelt es sich allerdings m. E. nicht um ein Kompetenzproblem, sondern um eine Interpretationsfrage: Die Ungewißheit über die Zuständigkeit wird nicht ausgelöst durch die Struktur der Norm, sondern durch ihre sprachliche Gestalt. b)

Durchbrechungen?

Die Exklusivität von Kompetenzzuweisungen würde allerdings Einbrüche und Relativierungen erfahren, wenn es einen „flexiblen Zwischenbereich mit parlamentarischem Zugriffsrecht" gäbe87. Wenn man sich dieser Figur zuwendet, muß man jedoch feststellen, daß unter diesem Terminus mehrerlei begriffen wird. (1) Teilweise wird vom Zugriffsrecht dann gesprochen, wenn dem parlamentarischen Gesetzgeber mit einer „Soweit"-Klausel88 legislative 84

Schnapp (FN 14), S. 211 ff. (214); ders., AöR 105 (1980), 277. Rasch, VerwArch 50 (1959), 1 (5 f.); Hans J. Wolff, in: Wolff/Bachof, Verwaltungsrecht II, 4. Aufl. 1976, § 72 IV a 1; Bleutge, Der Kommunalverfassungsstreit, 1970, S. 94. S. auch Burmeister, Innenrecht der Verwaltung zur Gewährleistung der Kooperation von Verwaltungsträgern und der Koordination von Verwaltungszwecken, in: Brohm (Hrsg.), Drittes deutsch-polnisches Verwaltungssymposion, 1983, S. 45 ff. (57 f.). 86 Beispiele bei Schmidt-Aßmann (FN 37), S. 342; Hans Peters, WDStRL 16 (1958), 247. 87 Hierzu v. a. Böckenförde, Organisationsgewalt (FN 5), S. 103 ff.; Ossenbühl, (FN 5), S. 261 f. mwN; Schwan (FN 57), S. 5 mwN in Fn. 1; Schmidt-Aßmann (FN 37), S. 333 ff, 343, 350, 351. 88 Vgl. etwa Art. 60 Abs. 1,84 Abs. 1,85 Abs. 1,86 Satz 2 GG; dazu Böckenförde, Organisationsgewalt (FN 5), S. 286, 299; Baedeker, Die Organisationsgewalt im Bund und der Vorbehalt des Gesetzes, Diss. Köln 1969, S. 57 ff; Oldiges, Die Bundesregierung als Kollegium, 1983, S. 223; dort auch Nachweise zur Diskussion um das Regel-Ausnahme-Verhältnis dieser Vorschriften. 85

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Organisationsbefugnisse eingeräumt sind. Macht das Parlament davon Gebrauch, so handelt es sich lediglich um die Inspruchnahme einer verfassungsrechtlich eingeräumten Kompetenz. Allenfalls stellt sich die Frage, ob diese Vorschriften nicht insofern eine Vorbehaltswirkung zugunsten der Verwaltung entfalten, als das Parlament diese Befugnis nicht zur Gänze ausschöpfen darf. Das ist mit der h. M. anzunehmen 89 , weil ansonsten die Regelungsbefugnis des jeweiligen Exekutivorgans zu einem nudum ius entkleidet würde. Eine übermäßige Inanspruchnahme der erwähnten Gesetzgebungsvorbehalte würde also nicht nur das vom Grundgesetz angestrebte Balanceverhältnis zwischen Bund und Ländern, sondern zugleich dasjenige zwischen Exekutive und Legislative verfehlen90. (2) In einem anderen Sinne wird der Terminus „Zugriffsrecht" dann verwendet, wenn - wie etwa in den Landesverfassungen - die Organisationsgewalt verteilt ist auf eine parlamentarische und eine exekutivische Steuerungsbefugnis91. Hier wird die Ansicht vertreten, zwischen dem parlamentarischen und dem exekutivischen Vorbehaltsbereich liege eine „Zwischenzone", in der sowohl Parlament wie Regierung kraft eigenen Rechts handeln könnten. Nach dieser These existiert neben einem verfassungsoriginären Vörbehaltsbereich der Verwaltung auch in diesem Zwischenbereich immerhin noch ein Eigenbereich der Verwaltung minderen Grades. Die These steht unter der Prämisse, daß man die entsprechenden Bestimmungen als flexible Abgrenzungsnormen begreift, die aus Gründen der Praktikabilität mit Hilfe der Bedeutsamkeitsdoktrin korrigierend ausgelegt werden müssen und dergestalt Zuweisungsgehalt gewinnen. (3) Bedenken sind spätestens dort anzumelden, wo ein „Zugriffsrecht der Legislative auf dem Kompetenzbereich der Exekutive"92 diskutiert wird. Wenn Gewaltenseparierung ihren Sinn behalten soll, dann darf nicht einer Organgruppe eine Option, und das heißt: eine KompetenzKompetenz, auf den einer anderen Organgruppe eingeräumten Kompetenzbereich zugestanden werden93. Das würde darauf hinauslaufen, daß die Grenzziehung zwischen den Staatsgewalten einer von diesen in die 89

v. Mangoldt/Klein, Das Bonner Grundgesetz, 2. Aufl., Bd. 2,1966, Art. 60 Anm. III 6; Böckenförde, Verfassungsfragen der Richterwahl, 1974, S. 27; Hemmrich, in: GGK, Bd. 2,2. Aufl. 1983, Art. 60 Rdn. 11; a. A.: Lecheler, Die Personalgewalt öffentlicher Dienstherren, 1977, S. 151 f.; Hamann, in: Hamann/Lenz, Komm, zum GG, 3. Aufl. 1970, Art. 60 Anm. Β 3. 90 Vgl. Böckenförde, in: FS für Friedrich Schäfer, 1980, S. 182 (193); Stettner, DÖV1984, 613 mwN in Fn. 29/30. 91 Umfassend dazu Schmidt-Aßmann (FN 37), S. 333 ff. 92 So wörtlich Böckenförde, Organisationsgewalt (FN 5), S. 103 . 93 H. Krüger, W D S t R L 16 (1958), 254.

Der Verwaltungsvorbehalt

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Hand gegeben wäre, was - anders ausgedrückt - den einfachen Gesetzgeber zum verfassungsändernden Gesetzgeber machen würde. Zugriffsrecht in diesem zuletzt erörterten Sinne ist nichts anderes als Kompetenzusurpation. 3. Funktionaler oder kompetenzieller Problemzugang? Bei der Frage, ob man auf der Suche nach einem Verwaltungsvorbehalt einen funktionalen oder einen kompetenziellen Lösungszugang wählen soll, scheiden sich die Geister: Man kann sich entweder um eine inhaltlich-begriffliche Bestimmung der Exekutivfunktion bemühen 94 oder man fragt nach rechtssatzmäßig explizit getroffenen Zuordnungen von Kompetenzen95. Die Einwendungen, die sich gegen einen funktional-begrifflichen Lösungszugang richten, rühren weniger aus der Schwierigkeit, Unmöglichkeit96 oder gar der rechtlichen Irrelevanz97 der Versuche her, die Verwaltungsfunktion materiell-inhaltlich zu bestimmen. Die Bedenken liegen im Vorfeld. Eine positive, abschließende, materielle Definition der Verwaltung ergäbe rechtsdogmatisch nur dann einen Sinn, wenn es nicht nur um die Darstellung einer Verwaltungsphänomenologie ginge, sondern sich hernach auch die Aufgabe stellen würde, denjeweiligen Institutionen die ihnen „gemäßen" Aufgaben zuzuordnen. Dies ist aber nicht nur ein Versuch, der sich noch vor jeder Rechtsordnung bewegt, sondern auch ein Anliegen, dessen Realisierung - wie bereits G. Jellinek98 aufgezeigt hat - in der Staatspraxis schwerlich möglich ist. Würde man an dieser Methode festhalten, so könnte es geschehen, daß man sich positiv-rechtlichen Bestimmungen gegenübersähe, die diesem Zuordnungsschema zuwiderlaufen. Daß dies etwa in bezug auf das Kriterium der „politischen Wichtigkeit" eintreten würde, hat das Bundesverfassungsgericht im Kalkar-Beschluß aufgezeigt99. 94

S. etwa Erichsen, VerwArch 70 (1979), 254 f.; Stern (FN 5), § 41 III lc (S. 757 f.); pointiert Hans Peters, Die Verwaltung als eigenständige Staatsgewalt, 1965, passim. 95 So nachdrücklich G. Zimmer, Funktion-Kompetenz-Legitimation, 1979, S. 46 ff., 188 ff.; die Alternative ist formuliert bei Böckenförde, Gesetz (FN 5), S. 388 fT.; M. Schröder, DVB1.1984, 817. 96 So Herzog, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 20 V, Rdn. 96 ff. 97 In dieser Richtung wohl Winkler, Orientierungen im öffentlichen Recht, 1979, S. 1 ff. 98 Allgemeine Staatslehre, Nachdruck der 3. Aufl., 1966, S. 615; das Postulat, daß formelle und materielle Funktionen einander überschneidungslos zugeordnet sein sollten, findet sich bei Achterberg (FN 5), S. 14. 99 BVerfGE 49, 89 (124 fT.); s. a. Böckenförde, Gesetz (FN 5), S. 389; Zimmer (FN 95), S. 56 f.

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Geht man davon aus, daß Antworten auf verfassungsrechtliche Kompetenzfragen aufgrund der hic et nunc geltenden Verfassungsordnung gesucht werden müssen100, dann ergäbe der Schluß von der auszuübenden Funktion auf das zuständige Organ nur dann einen Sinn, wenn das Grundgesetz selbst ein Prinzip solcher Zuordnung aufstellen würde, wie es etwa in Art. 92 geschehen ist. In bezug auf den Beratungsgegenstand drängt sich Art. 20 Abs. 2 GG auf. Bei Lichte besehen benennt diese Norm jedoch nur Modi der Ausübung aller Staatsgewalt und ordnet an, daß sie durch besondere, d. h. voneinander geschiedene Organe durchzuführen sind. Jeder Versuch, in dieser Norm die Festschreibung eines Gewaltenteilungsmodells quasi in „Reinkultur" zu erblicken oder ihren Gehalt durch Rückgriff auf vorverfassungsmäßige Konturen eines Gewaltenteilungsdogmas anzureichern, muß zwangsläufig zu Widersprüchen101 oder dazu führen, daß man - wie das Bundesverfassungsgericht - 102 „Durchbrechungen" durch das Grundgesetz selbst konstatiert und die Verfassung dergestalt als eine Agglomeration von Pathologien erscheint. Art. 20 Abs. 2 GG hat jedoch keine Zuweisungsfunktion, weil die Einräumung von Kompetenzen immer schon benannte Organe voraussetzt; dieser Vorschrift kann kein handhabbarer Rechtssatz über die den Organgruppen zukommenden Aufgaben entnommen werden bzw. darüber, welchen organisatorischen Einheiten welche Kompetenzen zustehen103. Kommt es darauf an, einen Eigenbereich der Verwaltung normativ zu erschließen, so bietet sich m. E. nur ein Weg an, den bereits Erich Kaufmannm angedeutet hat: Man kann nicht aus apriorischen oder von der Verfassung jedenfalls nicht explizierten materiellen FunktionsbegrifFen auf die bestimmten organisatorischen Einheiten zukommenden Aufgaben schließen. Wenn die Verfassung ausdrückliche Zuordnungen getroffen hat, dann dürfen diese nicht wieder durch materielle Funktionsbegriffe aufgesprengt werden. Ansonsten würde die Verfassung ich greife eine Formulierung von Ε.-W. Böckenförde auf105 - „ihre positiven Regelungen und Entscheidungen zur Disposition einer in ihr selbst angelegten Prinzipienargumentation stellen und damit in ihrem normativen Geltungsanspruch aufheben"106.

100

Ossenbühl (FN 5), S. 189. Hesse (FN 48), § 13 11, Rdn. 477 ff. 102 Ε 18, 52 (59). 103 Herzog, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 20 X Rdn. 38, 43; s. a. Götz (FN 38), S.284; Krebs (FN 31), S. 106. 104 E. Kaufmann (FN 3), S. 695. 105 Böckenförde, Gesetz (FN 5), S. 389. 106 In diesem Sinne auch M. Schröder, DVB1.1984, 819. 101

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Da aber das Grundgesetz und - nicht zu vergessen - die Landesverfassungen eine Reihe von Vorschriften darüber enthalten, welche Entscheidung in die Zuständigkeit welchen Organs fällt, ist zunächst von diesem normativen Befund auszugehen. Daß dem Art. 20 Abs. 2 GG oder einem materiellen VerwaltungsbegrifF gleichwohl eine rudimentäre Andeutungsfunktion verbleiben und in diesem Rahmen auch die Kernbereichstheorie ihren sinnvollen Platz haben könnte, ist dabei nicht ausgeschlossen. 4. Die Verknüpfung von Verantwortung und Sachverstand mit Kompetenz Teilweise wird versucht, eine innere Verbindung zwischen Verantwortung und Sachverstand mit Kompetenzfragen herzustellen. So stellt das Bundesverfassungsgericht die Erwägung an, wo eine Entscheidung „besser aufgehoben" sei107. Auch Gesichtspunkte der Praktikabilität, Flexibilität, Parlamentskapazität oder der VerwaltungsefFizienz werden in diesem Zusammenhang herangezogen und ζ. T. mit Verfassungsrang ausgestattet108. Hierzu ist zu bemerken: ζ. T. betreffen diese Topoi lediglich die sog. vorbehaltsähnlichen Phänomene, bezeichnen also faktische Schranken fur die Parlamente. Dabei ist nicht zu übersehen, daß die faktischen Vorbehalte normative Entsprechungen aufweisen können109. Auch erscheint mir zweifelhaft, ob und ggf. wie man die genannten Figuren verfassungsrechtlich festmachen könnte110. Gewiß ist es Sinn organisierter Zuständigkeitsverteilung, eindeutige Verantwortlichkeiten zu begründen111, aber Verantwortung begründet keinerlei Kompetenz, sondern folgt ihr nach112. Ähnlich gilt in bezug auf Sachverstand und Struktur von Funktionsträgern, daß sie zwar Voraussetzungen für eine adäquate Kompetenzwahrnehmung sind, es aber stets der rechtssatzmäßigen Vermittlung von Aufgaben und Befugnissen bedarf, damit die Kompetenzen wahrgenommen werden dürfen113. Wenn es wirklich stimmte, daß Sachverstand bereits Kompetenzen

107

BVerfGE 49, 89 (129 f.). Kopp, BayVBl. 1983, 673 f. mwN; Lerche (FN 5), S. 93 f.; Κ Nevermann, VerwArch 71 (1980), 241 (254 f.); zum Problem zusammenfassend zuletzt Arndt, Praktikabilität und Effizienz, 1983, S. 102 ff. 109 M. Schröder, DVB1.1984, 820 sub 2 a. 110 Bedenken auch bei Degenhart, NJW 1984, 2188; M. Schröder, DVB1.1984, 822 r. Sp. 111 Dreier, Stichwort „Organlehre", in: EvStL, 1966, Sp. 1424 ff. 112 Zimmer (FN 95), S. 179 Fn. 147; siehe auch Lecheler (FN 89), S. 193. 113 Zimmer (FN 95), S. 173,182. 108

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begründet, dann hätten wir hier im Räume allesamt noch mehr zu tun, als ohnehin unseres Amtes ist. An diesem Punkt scheint mir freilich das legitime Einfallstor der Organisationssoziologie zu sein. Zwar hält sie „keine Lehrsätze bereit, an die das Verwaltungsorganisationsrecht bequem anknüpfen und sie in seine eigenen Dogmen einbringen könnte"114. Insbesondere: Verwaltungssoziologie vermag keine Kompetenzen zu begründen. Sie kann allerdings die personellen und strukturellen Bedingungen aufzeigen, unter denen exekutivische Organisationseinheiten für eine sachgerechte und effiziente Aufgabenerflillung in den Stand gesetzt werden und dadurch die faktischen Vorgaben legislativer und exekutiver Organisation klären helfen.

IV. Organisationsgewalt, Geschäftsleitungsgewalt und Personalhoheit als Steuerungsinstrumente des Exekutivapparates Abredegemäß wende ich mich abschließend und bloß exemplarisch den Sachbereichen zu, welche die Binnensteuerung des Exekutivapparates markieren: Organisations- und Geschäftsleitungsgewalt sowie Personalwesen. Herr Maurer hat bereits Exekutivkompetenzen auf der grundgesetzlichen Ebene abgehandelt. Deshalb nur die folgenden Anmerkungen: Es gilt als ausgemacht, daß auf der Ebene der Ministerialorganisation auch politisch bedeutsame Regelungen legislativer Regelung verschlossen bleiben müssen, soll die Exekutive nicht die Identität mit sich selbst verlieren115. Das heißt nichts anderes, als daß die Wesentlichkeitsdoktrin hier ihre Konturen verliert, ja geradezu auf den Kopf gestellt wird. Im übrigen bieten die Landesverfassungen reichhaltiges, aber auch differenzierteres Anschauungsmaterial, als ein Teil der bisherigen Diskussion vermuten läßt. 1.

Organisationsgewalt

a)

Verfassungsunmittelbare

Beleihungen

Schon ihre positiv-rechtlichen Regelungen belegen, daß die Organisationsgewalt keine im gesetzesfernen oder -freien Raum liegende, monolithische Funktion ist116. An ihnen läßt sich zudem aufzeigen, daß die

114

Schmidt-Aßmann (FN 37), S. 338. Böckenförde, Organisationsgewalt (FN 5), S. 106, 291 ff.; Schmidt-Aßmann (FN 37), S. 347; Oldiges(FN 88), S.225; Schnapp, AöR 105 (1980), 270; a. A. Friesenhahn, W D S t R L 16 (1958), 70 LS II 4. 116 S. bereits Richter, Die Organisationsgewalt, 1926, S. 6 f. 115

Der Verwaltungsvorbehalt

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Frage nach der Kompetenz zur Ausgestaltung und Steuerung des Exekutivapparates kaum einer schematischen Entweder-Oder-Lösung zugeführt werden kann. Bei der Analyse der einschlägigen Bestimmungen117 hat SchmidtAßmannm zwei „Verteilungsmodelle" ausgemacht: Einige Länderverfassungen weisen Legislative und Exekutive je einen inhaltlich umschriebenen Vorbehaltsbereich zu, d. h. sie favorisieren eine materiell-rechtliche Lösung. Einer kompetenziellen Verteilungstechnik folgen hingegen das Grundgesetz in Art. 86 Satz 2 sowie die Verfassungen von Hessen und Rheinland-Pfalz: Die Einräumung einer umfassend formulierten exekutivischen Organisationsgewalt ist mit der Hypothek eines gesetzgeberischen Zugriffs belastet, welcher ebenso umfassend formuliert ist. Ob diese Verteilungsmodelle in praxi nicht konvergieren und wie die Vorschriften im einzelnen zu interpretieren sind, ist in diesem Zusammenhang weniger erheblich. Wesentlich ist jedenfalls, daß die materiellrechtlich konzipierten Verfassungsbestimmungen der Exekutive einen zugrifFsfesten Eigenbereich an Organisationshandlungen zuweisen119. Aber auch dort, wo dem Gesetzgeber mit Hilfe einer „Soweit"-Klausel ein vom Wortlaut her unbegrenzter „ZugrifFsvorbehalt" eingeräumt ist, besteht Einigkeit dahingehend, daß dem Parlament eine Sperrgesetzgebung mit dem Ziel der Ausklammerung ganzer Bereiche aus der exekutivischen Organisationsgewalt und dem Effekt eines präventiven Gesetzesvorbehalts versagt ist120. Bei allen möglichen Nuancen des Meinungsstandes läßt sich also feststellen, daß auch hier ein zugriffsfester Eigenbereich der Exekutive besteht. b) Verfassungsmittelbare Verwaltungsvorbehalte

Neben diesen verfassungsunmittelbaren Beleihungen der Exekutive mit Organisationsbefugnissen gibt es Konstellationen, bei denen es aus anderweitigen verfassungsrechtlichen Gründen dem Parlament untersagt sein kann, eine bisher der Exekutive überlassene Materie wieder an

117

Art. 77 Verf. NW, 70 Verf. B.-W, 77 Bay. Verf., 29 1,43 II Verf. Nds., 38 Verf. Schl.-Holst, 116 Verf. Saarl., 57 Verf. Hamburg, 86 S. 2 GG, 104 II Verf. Hess., 105 II Verf. Rh.-Pf. >18 Schmidt-Aßmann (FN 37), S. 341 ff. 119 Schmidt-Aßmann (FN 37), S. 350; Köngen, W D S t R L 16 (1958), 154 ff. (171); Böckenförde, Organisationsgewalt (FN 5), S. 106; Spanner, DÖV1957, 640 (641). 120 Quantitativ zu verstehende Kernbereichslehre: Köttgen, VVDStRL 16 (1958), 154 (171); Böckenförde, Organisationsgewalt (FN 5), S. 106 f.; SchmidtAßmann (FN 37), S. 350 f.; Ossenbühl (FN 5), S. 272; Kröger, Die Ministerverantwortlichkeit in der Verfassungsordnung der Bundesrepublik Deutschland, 1972, S. 131 f.

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sich zu ziehen. Zwar gibt es - abgesehen von Art. 19 Abs. 1GG - kein Vollzugsmonopol der vollziehenden Gewalt121; das Grundgesetz errichtet keine Sperren gegen eine präzisere Gesetzgebung122, wenngleich der Exekutive prinzipiell der letzte Konkretisierungsakt verbleibt. Hat aber einmal das Parlament durch eine Verordnungsermächtigung einen Gegenstand aus seiner Regelungsgewalt entlassen, dann darf es diese Materie dann nicht wieder an sich ziehen, wenn dies ohne sachlichen Grund (systemwidrig, willkürlich) erfolgt und aus dem Wechsel der Handlungsform eine Rechtsschutzverkürzung resultiert123. An dieser Stelle erweist sich nebenbei, daß das förmliche Gesetz nicht notwendig die bürgerfreundlichste staatliche Handlungsform darstellt und der Gesetzgeber nicht der „geborene Garant" staatsbürgerlicher Freiheiten ist124. Ein aktuelles Anschauungsbeispiel bietet der Fall des Hamburger Gymnasiums Wilhelmsburg. Dort hatte der Verordnungsgeber in zwei vergeblichen Anläufen versucht, die Eingangsstufe dieses Gymnasiums abzuschaffen. Daraufhin griff die Bürgerschaft zur Form des Gesetzes. Demgegenüber hat das VG Hamburg im einstweiligen Rechtsschutzverfahren den Antragstellern mit der Begründung zur Einschulung verholfen, das Gesetz sei systemwidrig und verkürze den Rechtsschutz. Dieser Grundgedanke läßt sich m. E. auf alle Kostellationen übertragen, bei denen eine Kompetenzverteilung zwischen Legislativ- und Exekutivorganen auf einfach-gesetzlicher Ebene vorgenommen worden ist. Ein Beispiel aus dem Sozialrecht mag das veranschaulichen: Durch § 225 RVO sind die Träger der gesetzlichen Krankenversicherung der Art nach „gebildet" (im Sinne der WolfFschen Terminologie). Errichtet werden aber ζ. B. Ortskrankenkassen gem. § 231 RVO durch „Beschluß des Gemeindeverbandes", also durch einen Exekutivakt. Es würde nun nicht nur die Garantiefunktion des abstrakt-generellen Gesetzes tangieren, sondern auch ein Abweichen von einmal statuierten Präferenzreihen bedeuten, wollte der parlamentarische Gesetzgeber selbst durch förmliches Gesetz eine einzelne Krankenkasse errichten.

121

Herzog, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 20 V, Rdn. 81. Zur Dispositionsfreiheit bei der Wahl staatlicher Handlungsformen s. etwa v. Mutius, in: FS für Hans J. WolfF, 1973, S. 180 ff.; Schnapp, VSSR1974,191 (199 ff.). 123 BVerfGE 10,89 (105); BVerfG, E. v. 24.10.1980 - 1 BvR 471/80; VG Hamburg, B. v. 27.7.1984-3 VG 1898/84. 124 Siehe dazu Dürig, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 1 Rdn. 103; J.P.Müller, in: FS für Eichenberger, 1982, S. 169 (171) unter Bezugnahme auf amerikanische Forschungsergebnisse in Fn. 12; Stettner, DÖV 1984, 611; Zuck, NJW 1979,1681 (1681 ff). 122

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2. Geschäftsleitungsgewalt Während „Organisationsgewalt" den institutionell-statischen Aspekt anspricht, zielt die Geschäftsleitung auf den prozeduralen Teil administrativer Aufgabenerfüllung125. Die außenwirksamen Verwaltungsverfahren sind legislativ besetzt. Davon ist hier nicht zu handeln; es kann bei der Frage nach einem Verwaltungsvorbehalt nur um die Binnensteuerung der Exekutive gehen. Instrumente dieser Steuerung sind die von Ossenbühl126 so genannten aktionslenkenden Verwaltungsvorschriften und die amtlichen Weisungen. Daß die Exekutive sich ihrer aus eigenem Recht bedienen darf, resultiert aus ihrer Geschäftsleitungsgewalt, die in der Weisungsgebundenheit des Amtswalters ihren gesetzlich festgelegten korrespondierenden Ausdruck findet127. Nach einer weitgehend vertretenen Ansicht128 darf diese Geschäftsleitungsgewalt von den übrigen Organgruppen nicht in Anspruch genommen werden. Fragt man danach, ob dieser Bereich gegenüber legislativen Ingerenzen völlig immun ist, so erscheint gleichwohl eine Differenzierung angebracht. Was die verhaltenslenkenden Verwaltungsvorschriften angeht, so stellen sie sich als generalisierte amtliche Weisungen zur Gesetzesvollziehung dar. Im Hinblick darauf ist die Legislative nicht gehindert, das normative Netz enger zu knüpfen bis hin zu dem Punkt, an dem in der Tat nur eine einzige Entscheidung richtig ist129 oder indem auf den einzelnen Amtswalter durchgegriffen wird130. Gleichwohl verbleibt der jeweiligen Exekutivspitze131 ein unangreifbares Reservat: Vermöge ihrer Weisungsbefugnis gegenüber dem Amtswalter an der Front kann sie dem förmlichen Gesetz den Rang ablaufen. Ob man diesen Umstand rechtskonstruktiv als „Rangverlust des Außenrechts"132 etikettiert oder mit der Primärverbindlichkeit der bestätigten Vorgesetztenweisung erklärt133, ist in diesem Zusammenhang zweitrangig. Jedenfalls hat die Exekutive kraft der inneradministrativen Weisungsgewalt die Herrschaft über den Gesetzesvollzug, die lediglich an der Menschenwürde und an den Strafgesetzen ihre Grenze findet.

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Zu den unterschiedlichen „Führungssträngen" s. Oldiges (FN 88), S. 219. 126 (pN § 282 ff. 455. 127 Ossenbühl (FN 5), S. 285; s. auch Schnapp (FN 14), S. 169 ff. 128 Stellv. Ossenbühl (FN 5), S. 285; Oldiges (FN 88), S. 219 f. 129 Bsp.: es gibt nur eine ziffernmäßig richtige Rente. 130 Bsp.: § 163 StPO. 131 Zu Zuständigkeitsfragen Ossenbühl (FN 5), S. 456 ff. 132 Rupp (FN 31), S. 54 ff. 133 Schnapp (FN 14), S. 169 ff., 189 ff.; in diesem Sinne auch Battis, Bundesbeamtengesetz, 1980, § 56 Anm. 3.

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3. Personalhoheit Im Bereich des Personalwesens schließlich gehen Verfassung und Gesetze verschlungenere Pfade, als es der einheitliche Begriff der Personalgewalt anzudeuten scheint, der zudem in seinen Konturen nicht unumstritten ist134. In den Bereichen der Organisations-, Geschäftsleitungs- und Personalgewalt eine weitere deflatorische Festlegung anzustreben, kann nicht Anliegen dieses Referats sein. Diese Termini werden denn auch nur als Typenbegriffe verwendet, über deren Kern eine allgemeine Vorstellung besteht, die aber in den Rändern ausfasern oder sich überlappen. Deshalb ist es nicht ausschlaggebend, welche Einzelakte welcher „Gewalt" zuzurechnen sind. Gefordert ist vielmehr der Nachweis, daß bestimmte Befugnisse der Exekutive verfassungskräftig zu eigenem Recht zustehen. Dabei ergibt sich folgendes Bild: Auf der grundgesetzlichen Ebene hat der Bundespräsident die Ernennungs- und Entlassungsbefugnisse in bezug auf Bundesrichter, Bundesbeamte, Offiziere und Unteroffiziere beschränkt freilich wiederum durch einen Gesetzesvorbehalt. Aber auch insofern ist wieder mit der überwiegenden Meinung135 davon auszugehen, daß dem Parlament eine Sperrgesetzgebung untersagt ist. Im übrigen sind die Befugnisse im Rahmen einer umfassend verstandenen Personalgewalt zwischen Parlamenten und Exekutivspitzen aufgeteilt, wobei wiederum die Regelungen der Landesverfassungen reichhaltiges Anschauungsmaterial bieten. Einzelregelungen hier darzustellen, würde den Rahmen des Referats sprengen. Unter Inkaufnahme von Randunschärfen läßt sich aber - auf Beamte beschränkt - folgende Typik feststellen136: Das Beamtenrecht einschließlich der Disziplinar-, der Besoldungsund Versorgungsregelungen sowie die Budgetaufstellung sind Agenden der Legislative, die damit generelle Voraussetzungen für die Funktionsfähigkeit des administrativen Apparates schafft. Der Schwerpunkt individueller personeller Steuerungsmaßnahmen, also Ernennung, Beförderung, Versetzung, Abordnung, Entlassung, liegt bei den Exekutivspitzen - wobei hier offenbleiben kann, ob diese Befugnisse kollegial, individuell vom Regierungschef, vom Behördenleiter oder aufgrund einer Delegation von nachgeordneten Stellen ausgeübt

134

Vgl. Lecheler (FN 89), S. 40 ff., 74 ff., 132 ff. Hemmrich, in: GGK, Bd. 2,2. Aufl. 1983, Art. 60 Rdn. 11; Herzog, in: FS für Gebhard Müller, 1970, S. 117 (133); Nierhaus, Entscheidung, Präsidialakt und Gegenzeichnung, 1973, S. 117; Knöpfle, DVB1. 1966, 713 (720); a. A. Lecheler (FN 89), S. 151 mwN zur Gegenmeinung. 136 Siehe dazu auch Lecheler (FN 89), S. 142 ff. 135

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werden, weil sämtliche Stellen sich innerhalb der Exekutive befinden137. Wesentlich ist wiederum, daß diese personalbezogenen Steuerungsmaßnahmen als verfassungskräftig eingeräumte Exklusivkompetenz zu begreifen sind138, soweit nicht, wie ζ. B. in Hessen 139 ein Gesetzesvorbehalt statuiert ist. In einem Zwischenbereich, welcher Ernennung und Entlassung der Landtagsbeamten sowie der Mitglieder der Rechnungshöfe betrifft, sind Maßnahmen entweder an eine Beteiligung des Parlaments140 gebunden oder einer parlamentarischen Entscheidung unterworfen, an welche die ernennende Stelle gebunden ist141. Auch im Bereich des Personalwesens läßt sich also eine Diversifikation von Entscheidungsbefugnissen feststellen, die allerdings vergleichbaren Grundmustern folgt. Wie die Ausgestaltung im einzelnen aussieht und wie sie sich etwa im Bereich von Selbstverwaltungskörperschaften fortsetzt, muß hier dahinstehen. Im „Normalfall" stehen jedenfalls die Individualakte im Rahmen der Personalhoheit der Exekutivspitze zu und bilden - versteht man sich zu der hier vertretenen These von der Exklusivität von Kompetenzzuweisungen - einen gesetzesfesten Vorbehaltsbereich der Verwaltung.

V. Schlußbemerkung Die Begleitaufsätze und Referate zum heutigen Beratungsgegenstand haben gezeigt, daß mit dem Stichwort „Verwaltungsvorbehalt" das Tor zu einem thematisch weiten Feld aufgestoßen worden ist. An dieser Stelle müßte eigentlich eine Defizitliste mit einer Aufzählung derjenigen Sachbereiche folgen, die nicht abgehandelt werden konnten. Allein das aber würde übermäßigen Raum beanspruchen. Immerhin läßt sich bei einer Analyse der Rechtsgrundlagen das Fazit ziehen, daß es eine Reihe von zugriffsfesten Vorbehaltsbereichen der exekutivischen Funktionseinheiten gibt. In den Bereichen der Organisation, der Geschäftsleitung und des Personalwesens dienen sie der administrativen Feinsteuerung des Exekutivapparates, für dessen Funktionie-

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Nähere Darstellung bei Lecheler (FN 89), S. 169 ff.; Nürmann, Die Organisation des Personalwesens in der Ministerialverwaltung von Bund und Ländern, 1975, passim. 138 Ζ. Β. nach Art. 58 Verf. NW; dazu Geller/Kleinrahm/Dickerzbach, Die Verfassung des Landes Nordrhein-Westfalen, 3. Aufl. 1977, Art. 58 Erl. 5 b. 139 Art. 108 Landesverfassung. 140 Oder von Teilen; vgl. etwa Art. 32 Abs. 3 Satz 3 Verf. B.-W.; Art. 86 Satz 2 Verf. Hess.; Art. 85 Abs. 3 Satz 2 Verf. Rh.-Pf.; Art. 71 Abs. 1 Satz 3 Verf. Saarl. 141 Ζ. B. Art. 87 Abs. 2 Verf. NW

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ren die vollziehende Gewalt politisch und rechtlich verantwortlich ist. Diese Deckungsgleichheit zwischen Kompetenz und Verantwortung bezeichnet zwar keinen normativen Automatismus, erscheint aber als ein Gebot staatspolitischer Klugheit und rechtlicher Kultur. Denn „keine Rechtsordnung kann auf die Dauer eine Verteilung der Zuständigkeiten ohne Schaden ertragen, die zu einer Gefährdung oder Auflösung ihres inneren Zusammenhanges fuhrt. Eine solche Gefährdung bedeutet es, wenn die Zuständigkeitsverteilung die Befugnis zur Regelung und die politische Verantwortung für ihre Folgen verschiedenen Instanzen zuweist"142.

142

Biedenkopf, Grenzen der Tarifautonomie, 1964, S. 64. Zur Interdependenz von Zuständigkeit und Verantwortung s. a. Burmeister (FN 85), S. 58.

Leitsätze des Mitberichterstatters über:

Der Verwaltungsvorbehalt I. Einleitung 1. Thematisch zielt der Verwaltungsvorbehalt auf diejenigen Materien, die für die exekutivischen Funktionseinheiten rechtssatzmäßig reserviert und parlamentarischer Regelung verschlossen sind. 2. Das Grundgesetz ist insofern relativ aussagenarm: Parlamente und Gerichte sind als solche ausgewiesen; die vollziehende Gewalt erscheint als eher amorphe, organisatorisch noch nicht fixierte Funktion. Eine Ausnahme bilden die Regierungsorgane. II. Verfassungsrechtliche Sperren für einen Verwaltungsvorbehalt 3. Die Lehre vom Totalvorbehalt macht selbst Ausnahmen von einem ubiquitären Regelungszwang für die Parlamente: a) Die Exekutive ist dort nichtvon einer legislativen Ermächtigung abhängig, wo ihr die Verfassung selbst ausreichende Kompetenzen zuweist. b) Der Totalvorbehalt gilt nicht bei „echten politischen Entscheidungen auf Regierungsebene". c) Die Lehre vom Totalvorbehalt des Gesetzes ist explizit nurfür den sog. Außenrechtsbereich (Staat-Bürger-Beziehungen) entwickelt worden; die staatliche Binnenstruktur ist ausgespart geblieben. 4. Das Rechtsstaatsprinzip ist nicht geeignet, eine durchgängige Abhängigkeit der Exekutive vom parlamentsbeschlossenen Gesetz zu begründen, weil es nicht weiter reicht als die Summe der verfassungsrechtlich belegbaren Einzelprinzipien, die es ausmachen. 5. In dem aufgaben- und befugnisverteilenden Verfassungsstaat des Bonner Grundgesetzes istfür eine Organsouveränität des Parlaments kein Raum. 6. Die Vorranganordnung von Art. 20 Abs. 3 GG impliziert keine Kompetenzzuweisungen oder -erweiterungen. 7. Die Art der demokratischen Legitimation des Parlaments ist für sich nicht geeignet, eine durchgängige parlamentarische Führungsrolle zu begründen: a) Einigkeit besteht darin, daß auch die Exekutive institutionell und funktional demokratisch legitimiert ist.

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b) Mittelbarkeit demokratischer Legitimation signalisiert kein verfassungsrechtliches Defizit, sondern ist ein verfassungsimmanentes Element des Grundgesetzes. c) Die Unmittelbarkeit der demokratischen Legitimation des Parlaments bezieht sich lediglich auf die personelle Zusammensetzung; funktionell und institutionell sind Legislative und Exekutive gleichrangig auf Verfassungsebene installiert. 8. Die notwendige Reichweite von Parlaments- und Gesetzesvorbehalt bezeichnet für sich allein keinen zugriffsfesten Eigenbereich der Verwaltung. III. Verfassungsdogmatische Wege zu einem Verwaltungsvorbehalt 9. Kompetenzzuweisungen haben für alle Organe und Organgruppen konstitutiven und nicht lediglich limitativen oder gar nur deklaratorischen Charakter. 10. Kompetenzzuweisungen beinhalten eine positive und eine negative Komponente: Dem Gebot der Kompetenzwahrnehmung korrespondiert ein Verbot der Kompetenzüberschreitung (Exklusivität der Kompetenz). 11. Ein Zugriffsrecht des Parlaments in dem Sinne, daß die Legislative Kompetenzbereiche der Exekutive für sich reklamieren dürfte, ist abzulehnen, weil auf diese Weise dem Parlament eine Kompetenz-Kompetenz zugestanden würde. 12. Sofern der Legislative „Zugriffsbefugnisse" durch eine „Soweit "-Klausel eingeräumt werden, handelt es sich um eine Inanspruchnahme verfassungsrechtlich normierter Befugnisse und nicht um einen Zugriff im eigentlichen Sinne. 13. „Grauzonen" in denjenigen Bestimmungen, die Organisationsbefugnisse auflegislative und exekutivische Organeverteilen, sind Resultanten von deren sprachlicher Gestalt, nicht ihrer Normstruktur. 14. Verwaltungsvorbehalte lassen sich nicht mit Hilfe von materiellen Funktionsbeschreibungen der Verwaltung gewinnen, sondern nur aufgrund positiv-rechtlicher Aufgabenzuweisungen. Für Art. 20 Abs. 2 GG verbleibt insoweit eine rudimentäre Andeutungsfunktion. 15. Verantwortung, Sachverstand, Kapazitätsgründe und Effizienzerwägungen vermögen keine Kompetenzen zu begründen, zu entziehen, zu erweitern oder einzuschränken. Sie sind ζ. T. Voraussetzungenfür Kompetenzzuweisungen, teils folgen sie ihnen nach. Hier befindet sich das legitime Einfallstor der Organisationssoziologie: Sie kann personelle und strukturelle Bedingungen aufzeigen, unter denen exekutivische Funktionseinheiten zu einer optimalen Aufgabenerfüllung instandgesetzt werden.

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IV. Die Binnensteuerung des Exekutivapparates: Organisationsgewalt, Geschäftsleitungsgewalt und Personalhoheit 16. Organisationsbefugnisse sind durch das Grundgesetz und die Landesverfassungen auf Legislative und Exekutive verteilt. Ungeachtet der Fassung der jeweiligen Bestimmungen bleibt der Exekutive ein gesetzesfester Eigenbereich an Organisationsbefugnissen. 17. Ein solcher Eigenbereich verbleibt der Exekutive u. U. auch dann, wenn ihr auf einfach-gesetzlicher Ebene Organisationsbefugnisse eingeräumt sind. Ein Verbot parlamentarischer Ingerenz resultiert in diesen Fällen daraus, daß ein Wechsel der staatlichen Handlungsform willkürlich erfolgt und zu einer Rechtsschutzverkürzungführt. 18. Das außenwirksame Verwaltungsverfahren ist legislativ besetzt. Ein Verwaltungsvorbehalt kann sich nur auf administrative Binnensteuerung erstrecken. Gegenüber einer präziseren Gesetzgebung gibt es - abgesehen von Art. 19 Abs. 1GG - keine verfassungsrechtlichen Sperren. Jedoch hat die Exekutive kraft ihrer dienstrechtlichen Weisungsbefugnis die Herrschaft über den Gesetzesvollzug. 19. Regelungsbefugnisse im Bereich des Personalwesens sind zwischen Legislative und Exekutive aufgeteilt. Jedoch liegt das Schwergewicht individueller personaler Steuerungsmaßnahmen bei der Exekutive. 20. Die Befugnisse der Exekutive zur Feinsteuerung des administrativen Apparates sind von dem Grundgedanken getragen, daß sie für einen geordneten Gesetzesvollzug politisch und rechtlich verantwortlich ist.

3. Aussprache und Schlußworte

Der Verwaltungsvorbehalt Vorsitzender (Erichsen): Sehr verehrte Frau Kollegin, sehr geehrte Herren Kollegen, wir wollen auch heute nachmittag die Diskussion in der Weise gestalten, daß sie sich verhältnismäßig frei entwickeln kann; ich darf mir aber ebenso wie gestern erlauben, ein paar Schwerpunkte für die Ordnung der Diskussion vorzuschlagen, und es wäre hilfreich, wenn Sie bei ihrer schriftlichen Anmeldung zur Diskussion den Schwerpunkt kurz bezeichnen könnten. Es bedarf keines besonderen Hinweises, daß die Bezeichnung der Schwerpunkte natürlich nicht abschließend ist und daß in dieser Vereinigung die Tradition besteht, daß man sich zur Diskussion unter Bezug auf bestimmte Leitsätze meldet. Ich darf vorschlagen, daß wir uns heute nachmittag zunächst mit dem Verwaltungsvorbehalt im Gefiige der Vorbehalte beschäftigen. Es dürfte sich anbieten, in diesem Zusammenhang auf Fragen der Differenzierung der einzelnen Vorbehalte, etwa Verwaltungs- und Regierungsvorbehalte, aber auch auf Fragen der Gewaltenteilung oder Funktionengliederung und, damit zusammenhängend, der Kernbereichslehre einzugehen. Ein weiterer Schwerpunkt könnte in dem Gedankenaustausch über die Natur und Wirkung von Kompetenzzuweisungen liegen. Im Verbund damit könnte die Frage nach dem Verwaltungsvorbehalt als einem sektoral oder sachbereichsorientiert oder einem modal, etwa durch Konkretion geprägten Reservat der Verwaltung gestellt werden. Dann könnten die geistes-, verfassungs- und verwaltungsrechtsgeschichtlichen Grundlagen Gegenstand der Diskussion sein. Sodann sollten wir uns verwaltungswissenschaftlichen Ansätzen zuwenden, die ja auch kurz angesprochen worden sind. In diesem Zusammenhang würde ich etwa Fragen des praktischen Verwaltungsvorbehalts, u. a. die Frage ansprechen, inwieweit er u. U. fur einen bestimmten normativen Befund symptomatisch sein kann. Schließlich in bewährter Manier als letzten Schwerpunkt Einzelfragen; in diesem Zusammenhang könnten wir Einzelheiten der Kompetenz- und Aufgabenbeschreibungen, wie sie ja in den Referaten stattgefunden haben, und auch Einzelfragen, die in Zusammenhang mit der Kompetenzausübung stehen, nachgehen. Im Hinblick auf die allgemeinen Geschäftsbedingungen dieser Diskussion darf ich auf das Bezug nehmen, was mein verehrter Kollege

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Häberle gestern hier vorgegeben hat. Ich darf dann jetzt Herrn Kollegen Denninger bitten, die Diskussion zu eröffnen. Denninger: Herr Vorsitzender, meine Dame, meine Herren, zunächst darf ich mit Zustimmung vermerken, daß das Thema vorwiegend als das behandelt worden ist, was es ist - nämlich ein staatsrechtliches Thema und nicht ein eigentlich verwaltungsrechtliches Thema, obwohl ja normalerweise am zweiten Tag der Tagung hier immer verwaltungsrechtliche Themen im Vordergrund stehen. Meine zweite Bemerkung bezieht sich auf den Begriff, den Terminus ,yerwaltungsvorbehalt". Ich glaube, wir sollten uns hier um eine prägnante Begriffsverwendung bemühen, und dann kann mit Vorbehalt nicht einfach das gemeint sein, was gesetzlich vorbehalten ist, sondern nur das, was gesetzlich vorbehalten bleiben muß. Ich möchte mich also dagegen aussprechen, hier den Begriff Vorbehalt schlicht im Sinne von Kompetenz oder Zuständigkeitszuweisung zu verwenden. In diesem Sinne ist er heute morgen vielfach gebraucht worden, wenn ich das richtig sehe, insbesondere bei den Ausführungen von Herrn Schnapp über Organisationsgewalt, Geschäftsleitungsgewalt und die damit zusammenhängenden Dinge. Wenn ich versuche, einen prägnanten Begriff von Vorbehalt in diesem Zusammenhang zu bilden, scheint mir, daß es sich um einen Gegenbegriff zur KompetenzKompetenz handelt; und ich würde geradezu sagen, der Vorbehaltsbegriff in unserem thematischen Zusammenhang ist die Negation einer Kompetenz-Kompetenz oder eine negative Kompetenz-Kompetenz. Drittens nun zu den Auswirkungen, insbesondere im Verhältnis Gesetzgebung-Verwaltung, das mir besonders prekär zu sein scheint. Ich stimme zunächst Herrn Maurer, dessen Ausführungen mir überhaupt in ihrer Klarheit ganz besonders gut gefallen haben, auch darin zu, daß man hier nicht nach Sachbereichen abscheiden muß, sondern nur modal oder funktional, nach Handlungsformen differenzieren kann. Dann stellt sich die Frage, ob der Gesetzesvollzug wirklich eine definierbare eigenständige Kategorie ist, insbesondere wenn ich einmal den Grundrechtsbereich verlasse. Im Grundrechtsbereich, Herr Maurer, da stimme ich Ihnen vollkommen zu, ist schon wegen des notwendigen Rechtsschutzes und der Rechtsschutzmöglichkeit zu verlangen, daß wir versuchen, mindestens zwischen abstrakt generellen Regelungen und dem dazugehörigen Einzelvollzug zu unterscheiden. Das gleiche gilt für den Bereich, in dem die Planungshoheit etwa der Gemeinden (Art. 28) berührt ist. Aber außerhalb dieses Bereiches scheint es mir sehr schwierig zu sein, eine klare Begriffsbildung durchzuführen. Hier muß man doch an das Diktum des Bundesverfassungsgerichts in der Lex-Rheinstahl-Entscheidung erinnern, daß Maßnahmegesetze verfassungsrechtlich irrelevant sind. Etwas ähnliches würde man wahrscheinlich auch von Einzelfallgesetzen

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sagen müssen, soweit eben nicht der Grundrechtsbereich betroffen ist. Das gilt für Organisationsakte und wohl auch ζ. T. mindestens für Standortentscheidungen. Ich versuche einmal das Beispiel eines negativen Kalkar-Urteils, einer negativen Kalkar-Entscheidung in den Raum zu stellen, d1. h. wie wäre es, wenn ein Standortgesetz Kalkar gemacht worden wäre und dagegen geklagt worden wäre. Ich bin eigentlich ziemlich sicher, daß das Bundesverfassungsgericht eine solche Klage abgewiesen hätte, aber da würde ich mich gerne belehren lassen. Eine letzte Bemerkung zu dem Versuch, hier vom Kompetenzbegriff her einen Vorbehalt zu begründen, das betrifft im wesentlichen die Thesen 9 bis 11 von Herrn Schnapp. Sie gingen aus - Herr Schnapp - vom Prinzip der Exklusivität der Kompetenz; ich möchte dem nur hinzufügen, auch kritisch zu bedenken geben, daß zwar sicherlich Kompetenzüberschneidungen aktueller Art nicht sein dürfen, daß sie aber sehr wohl potentieller oder latenter Art sein können, nämlich überall dort, wo die Verfassung Kompetenz-Kompetenzen vorsieht, und das tut sie an einer Reihe von Stellen in limitierter Weise. Musterbeispiel: Art. 801, aber auch das Verhältnis der Bundesratszustimmung zu Verordnungen und zu Gesetzen im Bereich von Art. 83, 84 wäre ein weiteres Beispiel. Unsere Verfassung kennt also solche limitierten Kompetenz-Kompetenzen, und ich glaube deshalb nicht, daß man mit dem Kompetenzbegriff allein unserer Problematik hier Herr werden kann. Dankeschön. Vorsitzender: Dankeschön, Herr Denninger. Jetzt zum Begriff des Verwaltungsvorbehalts, dazu hat auch Herr Thieme seine Diskussionsmeldung abgegeben. Thieme: Die Frage, wie man den Begriff des Verwaltungsvorbehalts, wie man überhaupt Begriffe definiert, ist eine Sache der Verabredung. Insofern möchte ich mich, wenn ich jetzt einen etwas anderen Begriff des Verwaltungsvorbehalts ins Spiel bringe, nicht von der Vereinbarung absetzen, die zwischen dem Vorstand und den Referenten getroffen worden ist. Gleichwohl scheint es mir nötig zu sein, über einen engeren Verwaltungsbegriff nachzudenken, der die Regierungsfunktion ausklammert, und diesen Begriff der Verwaltung im engeren Sinne daraufhin abzuklopfen, ob er - und hier stimme ich Herrn Denninger zu - verfassungsrechtlich etwas bringt. Ich habe das Gefühl, daß beide Referenten sich in erster Linie in Bereichen der Kompetenzabgrenzung bewegten. Nun halte ich derartige Kompetenzfragen zwar für wichtig; freilich erscheinen sie mir gerade im Verfassungsrecht nur dann sinnvoll zu sein, wenn man dahinter auch irgendeinen materiellen Gehalt sieht. Die Kompetenzfragen, um die es geht, und auch meine Frage nach der Kompetenzabgrenzung, die die

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Verwaltung im engeren Sinne meint, beruhen auf dem Gewaltentrennungsprinzip, das so, wie es von Montesquieu gesehen und in der konstitutionellen Theorie dargestellt worden ist, einen sehr stark politischen, gesellschaftspolitischen Sinn hatte und die Abgrenzung der Sphären von Staat und Gesellschaft betraf, wobei beide Sphären, Staat und Gesellschaft, unterschiedliche gesellschaftliche Bereiche meinten. Die Frage ist nun die, ob nicht eine Kompetenzabgrenzung, die heute noch versucht, das Parlament und den ganzen Exekutivbereich gegeneinander zu setzen, eine falsche Abgrenzung versucht, weil es ja im Grunde einerseits um die Parlamentsmehrheit und die Regierung, die von der Parlamentsmehrheit getragen wird, und andererseits um die Verwaltung geht. Man könnte allenfalls noch das Dreiklassensystem des Bundestages anfuhren und sagen, die erste Klasse des Bundestages plus Regierung ist der eine Faktor und die zweite und dritte Klasse ist der andere Faktor, die gegeneinander stehen. Aber diese Unterscheidung will ich nicht wählen. Und nun stellt sich die Frage: Ist die Verwaltung eigentlich in unserer Verfassung verortet? Hier habe ich in beiden Referaten eines vermißt, nämlich den Art. 33 GG, der ja im Grunde die eigentliche Verortung der Verwaltung enthält. Die Verwaltung ist nicht eine Organisation und ein Kompetenzorganismus per se, sondern es sind die Menschen, die verwalten. Hier haben wir die besonderen verfassungsrechtlich garantierten Karrieremuster. Das beginnt mit 33 Abs. 2 GG, mit der Zugangs- oder Rekrutierungsbestimmung. Es geht weiter mit den bestimmten berufsethischen Anforderungen, die hinter Art. 33 Abs. 5 GG stehen, die anderer Art sind als die der Amtsinhaber im politischen Bereich. Es geht weiter zum Art. 33 Abs. 4 GG, der mit dem Begriff der hoheitsrechtlichen Befugnisse gerade diesen Beamten einen bestimmten Bereich, ich möchte sagen einen Verwaltungsvorbehalt im engeren Sinne gibt. Nun ist es natürlich eine Frage, ob das wirklich ein Verwaltungsvorbehalt ist, so wie die Referenten das gesehen haben. Dazu nur ein Stichwort: Das ist zu bejahen in dem Sinne, daß hier originäre Kompetenzen bestehen, aber Kompetenzen aus einer bestimmten soziologischen Lage heraus, nämlich der des Beamten. Vorsitzender: Schönen Dank, Herr Thieme. Zu Begriff und Reichweite hatte sich auch Herr Ossenbühl gemeldet. Ossenbühl: Herr Vorsitzender, meine Damen und Herren, ich wollte eigentlich weniger zum Begriff sprechen als zur Reichweite. Ich weiß nicht, ob das für ihre Disposition Bedeutung hat. Nun, über den Begriff wird man wahrscheinlich gar nicht solange mehr reden können, nachdem Herr Thieme uns belehrt hat, daß die Frage der Begriffsfassung eine Frage

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der Vereinbarung ist, und wenn nun einmal der Vorstand sich hier darauf geeinigt hat, den Verwaltungsvorbehalt in bestimmter Weise zu verstehen, dann ist damit eigentlich auch der Diskussionsrahmen gezogen. Man kann natürlich vom BegrifFher, und das haben die wegleitenden Beiträge gezeigt, den Verwaltungsvorbehalt auch mit Richtung auf die Dritte Gewalt verstehen. Wenn man ihn aber lediglich mit Richtung auf den Gesetzgeber versteht, dann hätte ich eigentlich am Anfang ein Wort dazu erwartet, warum uns nun plötzlich dieses Thema drückt. Herr Maurer gibt als Begründung die Ausdehnung des Gesetzesvorbehaltes an; das hat mich nicht sehr befriedigt, weil ich glaube, daß das Thema des Gesetzesvorbehaltes seinen Zenit inzwischen überschritten hat. Herr Maurer hat weiter die Gesetzesflut angeführt. Dazu möchte ich nur bemerken, daß die Gesetzesflut auch den gegenteiligen Effekt haben kann; eine Verwaltung, die unter einem Regen von Gesetzen steht, kann in dieser Situation viele Freiheiten wiedergewinnen, und es gibt auch Beispiele, etwa im technischen Sicherheitsrecht, in denen von Gesetzesflut keine Rede sein kann. Doch dies nur als Vorbemerkung. - Ich wollte etwas zur Reichweite des Verwaltungsvorbehalts gegenüber der Gesetzgebung sagen. Insoweit hat Herr Maurer die Dreiteilung vorgenommen in Gesetzesvorbereitung, gesetzesfreie Verwaltung und Gesetzesvollzug. Für mich würde bei dieser Dreiteilung die Selbstverwaltung zur gesetzesfreien Verwaltung zählen müssen. Und zu dieser Verwaltung sagen Sie, daß sie einem Verwaltungsvorbehalt nicht unterliege, weil alle Sachbereiche letztlich der gesetzlichen Regelung offenstehen. Diese These möchte ich für die Selbstverwaltungsbereiche zumindest in Frage stellen. Beispielsweise fur die kommunale Selbstverwaltung finden wir eine verfassungsfeste Kompetenzzuweisung für die örtlichen Angelegenheiten, die in eigener Verantwortung durch die Gemeinden zu erledigen sind. Das ist in meinen Augen ein Verwaltungsvorbehalt, der verhindert, daß der Gesetzgeber ein unbeschränktes Zugriffsrecht hat. Ich kann mir auch nicht vorstellen, wie der Gesetzgeber im Bereich der reinen Selbstverwaltungsangelegenheiten irgendwelche gesetzlichen Direktiven formulieren sollte. Die Erledigung dieser Aufgaben richtet sich nach der Individualität der Selbstverwaltungseinheiten, ist also von der Sache her einer generellen Regelung unzugänglich, und vielleicht kann man dasselbe auch für andere Verwaltungsträger sagen. Der zentrale Punkt ist sicherlich bei Herrn Maurer die Frage, ob die Völlzugskompetenz der Exekutive eine eigenständige Funktion im Sinne des Verwaltungsvorbehalts darstellt. Sie haben das damit begründet, daß die Verwaltung im Vollzug die Aufgabe der Rechtskonkretisierung und der Rechtsfindung habe. Das ist die eigentliche Begründung für die Eigenständigkeit, und Sie haben weiterhin zugefugt, daß die Zweiteilung in Gesetzgebung und Vollzug auch einen rechtsstaatlichen Bezug habe,

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rechtsstaatlich begründet und rechtsstaatlich gefordert sei, und schließlich noch, daß von hier aus Rückwirkungen sich ergeben auf Inhalt und Umfang der Gesetzgebung, beispielhaft exemplifiziert an der Legalenteignung. Diese Argumentation ist für mich problematisch. Daß die Legalenteignung nicht unbeschränkt zulässig ist, ist keine Frage einer Vollzugskompetenz der Verwaltung, sondern eine Frage des individuellen Rechtsschutzes des Bürgers. Das ist ein ganz anderer Aspekt. Und ich muß weiter hinzufugen, daß der Kern der Vollzugskompetenz, den Sie offensichtlich in diesem Zusammenhang in der Rechtskonkretisierung sehen, nach Maßgabe des noch offenen Interpretationsspielraums besteht, d. h. dieser Spielraum kann durch Abgehen von unbestimmten Rechtsbegriffen auf exakte Regelungen beliebig vom Gesetzgeber verkürzt werden, so daß ich auch hier nicht sehen kann, wo und in welcher Weise sich für die Rechtskonkretisierung ein Verwaltungsvorbehalt gegen den Gesetzgeber durchsetzen soll. Und nun noch ein Merkposten: Die originäre Rechtsetzung der Verwaltung - ein besonderes Kapitel, das Sie hier behandelt haben. Ich möchte die Thesen, die Sie dazu aufgestellt haben, im Grundsatz nicht in Frage stellen, aber mir die Bemerkung erlauben, daß dieses Ergebnis sich in den herkömmlichen konstitutionellen Denkbahnen bewegt - wenn ich das mal so ausdrücken darf. Man sollte aber nicht verschweigen erstens, daß höchstrichterliche Rechtsprechung auch des Bundesverfassungsgerichts existiert, nach der die Verwaltung Zuständigkeitsregelungen und konkretisierende Verwaltungsverfahrensvorschriften mit gesetzesgleicher Wirkung erlassen kann, und zweitens sollte man auch nicht außer Acht lassen, daß wir im Bereich der administrativen Regelsetzung eine eklatante Diskrepanz zwischen Wirklichkeit und juristischer Deduktion vorfinden. Ich erinnere nicht nur an die Verwaltungsvorschriften im Subventionsbereich, ich erinnere insbesondere an den großen Bereich des technischen Sicherheitsrechts, etwa des Atomrechts, wo die eigentlich wichtigen Fragen in den Sicherheitskriterien und in anderen Regeln der Verwaltung geordnet sind, die mit Hilfe von Sachverständigengremien aufgestellt werden. Das förmliche Gesetz beschränkt sich auf vage Generalklauseln und Verweisungsbegriffe. Vorsitzender: Dankeschön, Herr Ossenbühl. Das Wort hat dann Herr Kollege Starck. Starck: Herr Vorsitzender, meine Damen und Herren! Als ich das Thema für den heutigen Tag zum ersten Mal gelesen habe, habe ich es als ein Zeichen gesehen, als ein für mich besonders interessantes Zeichen im Hinblick darauf, daß Herr Rupp Vorsitzender unserer Vereinigung ist. Ich habe in dem Thema keine fertige dogmatische Figur gesehen, sondern

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die Umschreibung eines Problemfeldes. Die Diskussion hat gezeigt, daß bei diesem Thema Mißverständnisse aufgetaucht sind; deswegen könnte man überlegen, ob es nicht besser gewesen wäre, es folgendermaßen zu formulieren: „Grenzen des Zugriffsrechts des Parlaments" und zur Gerichtsbarkeit hingewendet: „Grenzen der gerichtlichen Überprüfung von Verwaltungsentscheidungen". Beide Referate haben m. E. etwas Gutes aus dem Thema gemacht. Sie sind nicht der Gefahr anheimgefallen, in einen Verwaltungsrausch zu verfallen - ich knüpfe an den gestrigen Begriff des Grundrechtsrausches an -, sondern sind mit Nüchternheit vorgegangen und haben geprüft, wo die Grenzen sind. Den Kern der Aussagen beider Referate sehe ich bei Herrn Maurer in der These 19 und bei Herrn Schnapp in der These 20. Beide Referenten haben auf dem jeweils von ihnen herausgegriffenen Gebiet - Herr Maurer auf dem Gebiet der Vollzugskompetenz und Herr Schnapp auf dem Gebiet der Binnensteuerung - mit dem Argument der Rechtsstaatlichkeit bzw. mit dem Argument der Verantwortlichkeit der Exekutive argumentiert. Beide Argumente, die in der Tat verfassungsrechtliche Argumente sind, münden letztenendes ein in den allgemeinen Gedanken der Gewaltenteilung. - Herr Ossenbühl hat zu Recht gerügt, daß ein ganz wichtiger Punkt, nämlich die Selbstverwaltung, insbesondere die gemeindliche Selbstverwaltung nicht hinreichend berücksichtigt worden ist; man muß berücksichtigen, daß die gemeindliche Selbstverwaltung nicht nur Vollzug ist, sondern auch das Setzen von Satzungen wird zur Aufgabe der Selbstverwaltung gerechnet, die hier mit in Betracht hätte gezogen werden müssen. Ich möchte noch eine zweite Bemerkung machen, wegen der ich mich hauptsächlich zu Wort gemeldet habe. Sie hängt zusammen mit einer Bemerkung, die Herr Maurer gemacht hat, als er von einer notwendigen Zwischenkategorie zwischen Verfassungsmäßigkeit und Verfassungswidrigkeit gesprochen hat. Ich habe mich an die gestrige Diskussion erinnert gefühlt, als man auch nach einer Zwischenkategorie zwischen hartem Verfassungsrecht und weichen Programmnormen gesucht hat. Das ist ein vollständig analoges Erscheinungsbild, was sich heute gezeigt hat, selbst wenn es nur relativ kurz und unterschwellig, ja nur einmal auftönte in dem Referat von Herrn Maurer. Ich meine, daß dieses Zwischenfeld zwischen verfassungsmäßig und verfassungswidrig keine verfassungsrechtliche Kategorie ist. Es geht hier letztenendes um Fragen der Staatsklugheit, wenn ich das jetzt aus unserer Sicht sehe als Beobachter und Berater der Tätigkeit der Staatsorgane; von den Politikern aus gesehen geht es um verfassungspolitische oder allgemeinpolitische Fragen, um gute Politik also, d. h. Staatsklugheit. Ich beobachte von Jahr zu Jahr mehr, daß in unserer Vereinigung nicht nur in den Tagungen, die wir abhalten, sondern auch in den Schriften, die veröffentlicht werden, ein

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ungeheurer Drang besteht, alle Ergebnisse der Klugheit abzusichern als Ergebnisse der Verfassungsinterpretation, als wenn das, was jeweils klug und vernünftig ist, immer verfassungsrechtlich geboten sei. Auf unser Thema bezogen stellt sich die Frage, inwieweit kann man hier aus der Verfassung Folgerungen ziehen, und wieweit geht es um Klugheitsregeln. Um mich kurz zu fassen, möchte ich das an dem Zugriffsproblem deutlich machen. Wir haben gewisse - das ist durch die beiden Referate deutlich geworden - äußerste verfassungsrechtliche Grenzen fur den Zugriff des Gesetzgebers, die in der Praxis selten bedeutsam werden. Angesichts dieses Befundes wäre es interessant, Klugheitsregeln darüber herauszuarbeiten, wann der Gesetzgeber nicht zugreifen soll aus Gründen der Ökonomie, der Finanzwirtschaft, der Erfahrung bei der Gesetzesanwendung usf. Ich empfinde unsere Aufgabe als Staatsrechtslehrer als weiter, als immer nur Verfassungsinterpretation zu betreiben. Im Rahmen der Verfassung sind wir aufgefordert, Hinweise zu geben, wie die Staatsgeschäfte klug gefuhrt werden, also wie etwa das Parlament sich klug verhält, wie sich die Verwaltung oder die Gerichtsbarkeit klug verhält. Das ist teilweise Gegenstand der Verwaltungslehre und der sog. Gesetzgebungslehre; das ist eine Aufgabe, die uns zukommt und die auch einmal etwas deutlicher in den Themenstellungen für unsere Tagungen zum Ausdruck kommen sollte. Vorsitzender: Vielen Dank, Herr Starck. Die Lehre von der Staatsklugheit hat ja bekanntlich in Göttingen eine lange Tradition, und ich freue mich, daß Sie sich ihre Pflege angelegen sein lassen. Ich darf dann Herrn Kollegen Wielinger aus Österreich bitten, der uns die österreichische Sicht der Dinge etwas näher bringen möchte. Wielinger: Herr Vorsitzender, Frau Professor, meine Herren! Herr Starck hat eben von einem Verwaltungsrausch gesprochen und gesagt, er freue sich, daß ein solcher nicht ausgebrochen sei. Nun, ich bin selbst hauptberuflich Verwaltungsbeamter und weiß, daß in der Verwaltung Rauschzustände gelegentlich vorkommen. Die sind aber im allgemeinen nicht durch große Begeisterung über die Verwaltung und deren Kompetenz hervorgerufen. Rauschzustände, zumindestens einem Rausch ähnliche Zustände scheinen mir aber da und dort aus Begeisterung über Bedeutung und Wert der Gerichtsbarkeit für die rechtsstaatliche Glückseligkeit aufzukommen. Daher meine ich im Gegensatz zu Vorrednern, daß man das heutige Thema doch nicht abkoppeln kann von der Betrachtung, wie es um das Verhältnis zwischen Verwaltung und Gerichtsbarkeit steht. Denn - und damit möchte ich eine historische Dimension eröffnen und gleichzeitig auf die Verhältnisse in Österreich zu sprechen kommen historisch gesehen, ist die Ausdehung der gerichtlichen Kontrolle auf die

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Verwaltung, ist die Verwaltungsgerichtsbarkeit nur zu verstehen als Versuch, die traditionellen, aus der kaiserlichen Prärogative abgeleiteten uferlosen Kompetenzen der Verwaltung einzuschränken und dadurch die Kompetenz der Gesetzgebung, die politisch als Volksvertretung verstanden wurde, überhaupt erst effektiv zu machen. Dies läßt sich am Beispiel der Gesetze über die Einrichtung bzw. über die Organisation und das Verfahren des k.k. Verwaltungsgerichtshofs aus dem Jahr 1876 sehr schön zeigen. In Österreich wurde mit der Verfassung von 1920 dann der Versuch gemacht, noch weiter in diese Richtung zu gehen. Die Bundesverfassung von 1920 ist bewußt als eine gewaltenverbindende Verfassung konzipiert, in der sich der Satz findet: „Die gesamte staatliche Verwaltung darf nur auf Grund der Gesetze ausgeübt werden". Diese völlige Unterwerfung der Verwaltung unter die Gesetzgebung sollte durch eine besonders starke Verwaltungsgerichtsbarkeit garantiert werden. In Klammer sei noch hinzugefügt: Die Verwaltungsgerichtsbarkeit der österreichischen Bundesverfassung ist, wie schon die Verwaltungsgerichtsbarkeit der Monarchie, eine nach dem Modell der Verwaltungsgerichtsbarkeit des seinerzeitigen Großherzogtums Baden konzipierte, nachprüfende Gerichtsbarkeit. D. h. sie hat letztinstanzliche Verwaltungsentscheidungen auf ihre Gesetzmäßigkeit hin zu überprüfen. Das Konzept der österreichischen Verfassung, nämlich die Verwaltung völlig unter Kuratel der Gesetzgebung zu stellen, Verwaltung wie auch Regierung auf reinen Gesetzesvollzug zu reduzieren, ließ sich aber nicht verwirklichen. So wurde schon sehr bald, zunächst in der Novelle zum Verfassungsübergangsgesetz von 1925, der Regierung zugestanden, gewisse Bereiche durch „selbständige" Verordnung zu regeln. Als Beispiel möchte ich nennen die Festlegung des Sprengeis von Bezirksgerichten oder die Einrichtung und Zuständigkeitsabgrenzung von Bundespolizeibehörden. Darüber, ob auch die dem Bundespräsidenten durch die Verfassungsnovelle 1929 eingeräumten Befugnisse, insbesondere das Notverordnungsrecht, hierhergehören, könnte man streiten. Grundsätzlich wurde aber die strenge Bindung der Verwaltung an das Gesetz aufrecht erhalten. Man kann also für Österreich sagen, es gibt so etwas wie einen Verwaltungsvorbehalt - aber nach Maßgabe ausdrücklicher bundesverfassungsgesetzlicher Regelungen. Mir erscheint in diesem Zusammenhang aber noch etwas anderes als sehr wesentlich: Ich meine nämlich, daß der gesamte Streit um die Unterscheidung von Ermessen und unbestimmtem Gesetzesbegriff nur vor dem Hintergrund der Frage nach dem der Verwaltung vorbehaltenen Bereich verstanden werden kann. Für den Bereich der österreichischen Rechtsordnung läßt sich nachweisen, daß die Entwicklung der Lehre vom unbestimmten Gesetzesbegriff ausschließlich zu dem Zweck erfolgte, die Prärogative der Verwaltung einzuschränken. Das schon erwähnte

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Gesetz über die Organisation und das Verfahren des k.k. Verwaltungsgerichtshofs hatte nämlich vorgesehen, daß Ermessensentscheidungen von der nachprüfenden Kontrolle durch die Verwaltungsgerichtsbarkeit ausgeschlossen sind. Und um nun den der Verwaltung damit vorbehaltenen Bereich einzuschränken, um den Verwaltungsvorbehalt, den es nach der Verfassung von 1867 eindeutig gegeben hat, zu reduzieren, ja um ihn möglichst aufzuheben, wurde die Lehre vom unbestimmten Gesetzesbegriff entwickelt. Überall dort, wo es ohne allzu gewaltsame Interpretationskunststücke möglich war, wurde gesagt, es sei der Verwaltung kein Ermessen eingeräumt, sondern das Gesetz verwende nur einen unbestimmten Begriff, der aber der Kognition durch den Verwaltungsgerichtshof zugänglich sei, so daß letztlich der Verwaltungsgerichtshof, nicht aber die Verwaltung sagen könne, was rechtens sein soll. Damit sind wir aber bei einem zentralen und auch heute noch aktuellen Punkt. Die Frage, wie weit die Kompetenz der Verwaltung reicht, ist auch heute m. E. - und das dürfte in der Bundesrepublik Deutschland nicht anders sein als in Österreich - primär eine Frage, inwieweit ist es Sache der Verwaltung, eine Angelegenheit endgültig zu entscheiden oder inwieweit kann die Verwaltungsgerichtsbarkeit Entscheidungen in derartigen Angelegenheiten treffen. Vorsitzender: Schönen Dank, Herr Wielinger. Darf ich bitten, das Mikrofon an Herrn Fleiner weiterzugeben, der - wie ich annehme - uns freundlicherweise die Sicht der Schweiz vermitteln möchte. Fleiner: Ich möchte nicht aus schweizerischer Sicht sprechen, weil in dieser Beziehung die Schweiz kaum Wesentliches beitragen kann, und zwar aus dem einfachen Grund, weil wir mehr oder weniger kritiklos das deutsche Verwaltungsrecht auf das schweizerische Regierungssystem übertragen. Das schweizerische Regierungssystem andererseits findet seine Wurzeln in der französischen Revolution. Der Bundesrat ist als Kollegialorgan gleichzeitig Regierung, Staatsoberhaupt, oberstes Verwaltungsorgan und Beschwerdeinstanz. Schließlich ist zu berücksichtigen, daß durch das Referendum eine weitere Stufe in die Kompetenzaufteilung zwischen Parlament und Exekutive eingebaut wurde. Mein Beitrag richtet sich nun vor allem auf das Spannungsverhältnis „Gewaltenteilung - Verwaltungsvorbehalt". Dabei möchte ich namentlich auf die beiden großen anderen Verwaltungssysteme des angelsächsischen Rechts, d. h. die Vereinigten Staaten und England hinweisen, von denen wir in diesem Gebiet m. E. etwas lernen sollten. Zunächst zum Abgrenzungsbereich Verwaltung - Gesetzgeber: Nach der Verfassung der Vereinigten Staaten nimmt der Präsident die Stellung des „Chief Executive" ein. Mit diesem Ausdruck „Chief Execu-

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tive" hat der amerikanische Supreme Court einen eigentlichen ,yorbehalt" zugunsten der Unabhängigkeit des Präsidenten in Verwaltungsangelegenheiten aufgebaut. Der Gesetzgeber, d. h. der Kongress, hat grundsätzlich keine Befugnisse, in die Verwaltungstätigkeit des Präsidenten hineinzuregieren. Die Verwaltung als Teil der dritten Gewalt muß vom Gesetzgeber unabhängig sein. Diese Sicht der Gewaltenteilungslehre der Vereinigten Staaten erscheint mir vor allem deshalb bedeutsam, weil ja die Vereinigten Staaten mehr oder weniger als eigentliche Kinder der Gewaltenteilungslehre von Montesquieu angesehen werden können. In Frankreich hat die Verfassung mit der 5. Republik von 1958 dem Präsidenten gemeinsam mit der Regierung, d. h. dem Premierminister und seinem Kabinett, eine weitgehend originäre Kompetenz im Bereich der Verteidigung (der Präsident ist gleichzeitig Oberbefehlshaber der Armee in Kriegszeiten) und eine originäre Gesetzgebungskompetenz übertragen. Interessant ist nun die Tatsache, daß die Verfassung von 1958 dem Conseil constitutionnel die Befugnis übertragen hat, namentlich die Gesetzgebungskompetenzen zwischen Regierung und Parlament abzugrenzen. Damit wollte der Verfassungsgesetzgeber die Unabhängigkeit der Gesetzgebungskompetenz der Regierung gegenüber der Verwaltung sicherstellen. In Tat und Wahrheit hat aber der Conseil constitutionnel mehr und mehr den Gesetzgeber, d. h. das Parlament, vor Übergriffen der Regierung geschützt. Er wurde zu einem Instrument der Minderheit im Parlament, die verhindern wollte, daß der Präsident mit seiner Mehrheit Gesetze allein auf Regierungsebene verabschieden kann. Unter dem Blickwinkel des Verhältnisses Verwaltungsgericht - Verwaltung müssen wir uns auf das englische System besinnen. Wir stellen nämlich fest, daß die Überprüfung von Verwaltungsentscheiden in England grundsätzlich nicht einem besonderen Verwaltungsgericht übertragen wird, sondern daß diese Befugnis von den ordentlichen Gerichten wahrgenommen wird. Dies fuhrt dazu, daß die ordentlichen Gerichte der Verwaltung im Bereich des ihr vom Gesetzgeber überantworteten Ermessens völlige Unabhängigkeit lassen. Die Verwaltung ist völlig frei, den ihr zugesprochenen Ermessensrahmen auszufüllen. Schließlich ist zu bedenken, daß neben dem der Verwaltung übertragenen Ermessen die Verwaltung auch noch unabhängige Befugnisse auf Grund der der Krone zustehenden Prärogativen wahrnehmen kann. Die Krone verfügt über die sogenannte Residual Power, also ursprünglich über eine selbständige Verwaltungskompetenz. Eine derartige „Residual Power" fehlt uns offensichtlich in der Schweiz, ich glaube aber auch in der Bundesrepublik Deutschland. Dies ist wohl darauf zurückzuführen, daß die ursprünglich der Krone oder der Obrigkeit zustehenden Befugnisse durch die Abschaffung der Monarchie völlig aufgelöst wurden. Die Französische Revolution, aber wohl

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auch die Begründung der Weimarer Republik haben zu diesem Bruch geführt. Es scheint mir nun wichtig, daß wir uns Rechenschaft darüber abgeben, daß die Verwaltung in der Zukunft durch diese damit verbundene Verrechtlichung möglicherweise ihre Aufgaben gar nicht mehr lösen kann. Wir verstricken uns mit dem Totalvorbehalt des Gesetzes in Netze, aus denen wir nicht mehr ausschlüpfen können. Auf Grund gewisser Tendenzen in den USA kommt man dort zum Schluß, man müsse von der ausgebauten Verwaltungsgerichtsbarkeit zurückbuchstabieren. Welches sind die Gründe dafür? Die Gerichtsbarkeit ist darauf angelegt, auf Grund vergangener Sachverhalte Rechte und Pflichten der Parteien zu beurteilen. Nun hat aber die Verwaltung sehr oft die Aufgabe, auf die Zukunft hin angelegte Entscheidungen zu fällen. Diese Aufgabe läßt sich aber wahrscheinlich nicht mit dem traditionell richterlichen Verfahren bewältigen. Deshalb ist es wichtig, daß wir an der Frage weiterarbeiten, inwieweit die Verwaltung nicht einen ihr zukommenden Bereich haben sollte, in welchem sie zwar der politischen, nicht aber der richterlichen Kontrolle ausgesetzt ist. Vorsitzender: Schönen Dank Herr Fleiner. Herr Lerche, wenn ich Sie jetzt bitten dürfte. Lerche: Herr Vorsitzender! Nach dem österreichischen und schweizerischen Bericht erwarten Sie hoffentlich keinen bayerischen Bericht. Ich darf vielleicht hervorheben, was in einigen Diskussionsbeiträgen schon positiv gerühmt worden ist, nämlich die klare Begrifflichkeit, die beide Referate in hohem Maße auszeichnete, sich damit absetzend von der Prolongierung des Schrankenbreis etwa im Bereich der Grundrechte, die ja nicht gestern angerührt worden ist, sondern sehr alte Wurzeln hat und trotz der Selbstveredelungsbemühungen von Herrn Häberle, sehr erfolgreichen Bemühungen natürlich, doch immer noch bei uns herumgeistert. Mit einer solchen Erscheinung haben wir es, glaube ich, hier nicht zu tun. Fast würde ich sagen, es ist der Klarheit manchmal zuviel des Guten getan worden, es sind vielleicht begriffliche Unterscheidungen eingeführt worden, die, wenn man sie so in dieser Rigidität nimmt, wie sie dastehen, eine ganze Reihe von Problemen eher aus der Hand rinnen lassen. Ich will nur als Beispiel nennen - und bin mir bewußt, daß ich dabei auf einen anderen Schwerpunkt mit übergreife - den Leitsatz 5 von Herrn Maurer, der, wenn ich recht sehe, auch von Herrn Schnapp im wesentlichen geteilt wird, wenn er sagt, es kann zwischen faktischem Verwaltungsvorbehalt und normativem Verwaltungsvorbehalt unterschieden werden. Das Thema ziele auf den normativen Verwaltungsvorbehalt. Ist das nicht im Grunde zu fein ausgeklügelt? Es ist doch so, und die Bei-

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spiele, die Herr Maurer genannt hat, nämlich Schulwesen, militärische Verteidigung und dergleichen, diese Beispiele zeigen das doch, daß wir hier das mit wesentlichste Terrain vor uns finden, auf dem diese ganzen Probleme wachsen kann man die auf diese Weise sozusagen zurückschieben in den Bereich des bloß Faktischen? Da würde ich zweifeln. Beide Referenten haben zwar, wenn ich dies recht in Erinnerung habe, in späteren Ausführungen diese Unterscheidung relativiert. Insofern mit gutem Grund. Aber reicht es aus? Man entsinnt sich vielleicht der Vorstellung der Kompetenzstörung, der Funktionsstörung. Wie ist es, wenn ein Gesetz sich im Bereich des Schulrechts oder Hochschulrechts etwa zuviel an Details und dergleichen aufbürdet, in gewisser Weise - rechtspolitisch gesprochen - die gesetzgeberische Verantwortung in einer Weise überzieht, wie es unzuträglich ist. Liegt das wirklich nur im Bereich des Rechtspolitischen, etwa in dem Bereich, den Herr Starck genannt hat, den Zwischenbereich? (Hierzu darf man nicht vergessen, daß schon sehr alte Überlegungen in dieser Richtung gepflogen worden sind, nicht nur über gesetzgeberische Klugheit, man denke etwa an die Untersuchung von Forsthoffüber die Unterscheidung zwischen Kompetenznorm und Funktionsnorm, das sind ja doch eigentlich alte Überlegungen. Das sind Probleme, die hier wieder auftauchen.) Mit einer solchen Erscheinung, wird da nicht der normale Gesetzesvollzug u. U. in einer Weise in seiner Wirksamkeit gestört, daß damit die Grenze zum Normativen überschritten ist? Man hört als Einwand, der Text des Grundgesetzes sage dazu nichts. Das ist sicherlich richtig. Aber der Text des Grundgesetzes sagt auch nichts über das Gegenteil. Wir kommen nicht darum herum, daß es hier Grenzen gibt. Die Grenzen sind vom Grundgesetz nicht gezogen. Der Einwand also, daß hier das Grundgesetz keine weiteren Aussagen macht, trifft auch die gegnerische Behauptung, oder anders ausgedrückt: Wie immer man sich hier entscheidet, mehr in Ihre Richtung, mehr in die gegenteilige Richtung, stets bleibt es eben doch ein Ritt ohne Anhalt am Text des Grundgesetzes, d. h. ein Ritt über den Bodensee, womit ich aber nicht Ihre Heimatstadt verunglimpfen möchte, Herr Maurer. Vorsitzender: Herr Oldiges bitte. Oldiges: Herr Vorsitzender, verehrte gnädige Frau, meine Herren! Ich kann in verschiedenen Punkten unmittelbar an Herrn Lerc/ieanknüpfen. Das Problem unseres Themas scheint mir in einem Dilemma zu liegen, das von den Referenten bereits angesprochen ist und das eben wiederum zur Sprache kam. Einerseits lassen sich in tatsächlicher Hinsicht zwei äußerlich durchaus selbständige Funktionsträger im Staat unterscheiden: das Parlament mit der Gesetzgebung auf der einen und die Regierung mit dem Gesamtbereich der vollziehenden Gewalt auf der anderen

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Seite. Demgegenüber fällt es jedoch schwer, der äußeren, organisatorischen Unterscheidung eine klare Abgrenzung der Funktionen an die Seite zu stellen, die es erlaubt, der Verwaltung einen verfassungsrechtlich gesicherten eigenständigen Funktionsbereich zuzuordnen, in dem sie vor Einflüssen der anderen Staatsgewalt abgeschirmt ist. Es hat in der Tat den Anschein, als lasse sich der Begriff, den unser Thema verwendet, der Begriff des Verwaltungsvorbehalts, nicht als ein selbständiger Verfassungsbegriff begründen. In unserer Diskussion hierüber wird uns der große Wurf nicht gelingen, aber in einer Aktion der kleinen Schritte können wir uns doch dem Gedanken eines Verwaltungsvorbehalts etwas nähern. Mir scheint hier eine Differenzierung erforderlich, und ich möchte darum vorschlagen, beim Verwaltungsvorbehalt einen Wahrnehmungs- und einen Einflußvorbehalt zu unterscheiden. Mit dem Begriff des Wahrnehmungsvorbehalts möchte ich zum Ausdruck bringen, daß der Staat arbeitsteilig und nach Kompetenzen gegliedert organisiert ist; letztlich ist damit das Organisationsprinzip angesprochen, daß wir im Gewaltenteilungsmodell des Grundgesetzes vorfinden. Die verschiedenen Kompetenzzuweisungen begründen selbständige Kompetenzbereiche; sie haben, wie Herr Schnapp richtig hervorgehoben hat, einen konstitutiven Charakter. Die Verwaltung kann nicht selbst erledigen, was Sache des Parlaments ist, wie umgekehrt auch nicht das Parlament erledigen kann, was Sache der Verwaltung ist. Das folgt schon daraus, daß den beiden Funktionsträgern, Parlament und Verwaltung, mit den Kompetenzzuweisungen auch unterschiedliche Handlungsformen an die Hand gegeben sind. Ohne Formenmißbrauch kann die eine Gewalt darum gar nicht im Bereich der anderen operieren. Diese Abgrenzung ist aber nicht nur rein faktisch zu verstehen; sie hat vielmehr, da die Aufgabenzuweisung im Organisationsprinzip des Gewaltenteilungsgrundsatzes verankert ist, durchaus auch eine rechtliche Dimension; daraufhat zu Recht auch Herr Lerche hingewiesen. - Dem Wahrnehmungsvorbehalt habe ich eben einen Einflußvorbehalt gegenübergestellt. Darunter verstehe ich einen Funktionsbereich der Verwaltung, der auch gegenüber parlamentarischer Einflußnahme resistent ist. Man könnte ihn vielleicht als Verwaltungsvorbehalt im engeren Sinne bezeichnen. Er betrifft die Frage, wieweit der Gesetzgeber in den ihm zur Verfugung stehenden Handlungsformen in den Bereich der Verwaltung eingreifen und die Verwaltung inhaltlich determinieren kann. Grundsätzlich reicht die Regelungsbefugnis des Gesetzgebers hier sehr weit, wenn ihm auch faktisch und vielleicht auch aus Gründen der Staatsklugheit Grenzen gesetzt sind. Die rechtlichen Grenzen regelnder Einflußnahme auf die Verwaltung sind dagegen recht weit; sie decken sich keineswegs mit denjenigen Grenzen, die den Wahrnehmungsvorbehalt der Verwaltung markieren. Letztlich wird diese Grenze parlamentarischer

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Ingerenz in den Verwaltungsbereich dort zu suchen sein, wo eine Einwirkung die Existenz der Verwaltung als eines eigenverantwortlichen Staatsorgans im Sinne des eben behandelten Wahrnehmungsvorbehalts in Frage gestellt wird. Das zentrale Kriterium ist also die Verantwortlichkeit. Dort, wo sie gefordert ist, stößt auch der Gesetzgeber auf eine Regelungsschranke. Um nur einige wenige Beispiele zu nennen, die im übrigen auch in den Referaten angesprochen sind: Zu solchen einflußresistenten Bereichen der Verwaltung zählen etwa die Geschäftsleitung, die Personalgewalt und in gewissen Grenzen auch die Organisationsgewalt. Mein Ergebnis lautet also: Es besteht zwar kein allgemeiner, verfassungsrechtlich gesicherter Verwaltungsvorbehalt; wohl aber gibt es vereinzelte Bereiche, in denen die Verwaltung um ihrer Eigenverantwortlichkeit willen von fremden Einflüssen, auch solchen des Parlaments, frei bleiben muß. Vorsitzender: Dankeschön Herr Oldiges. Herr Selmer. Selmer: Herr Maurer hat in Leitsatz 19 davon gesprochen, daß die Vollzugskompetenz der Verwaltung vollzugsfahige und damit generellabstrakte Gesetze fordere. Das ist gewiß richtig; gleichwohl verbindet sich mit dieser Feststellung eine Problematik, die vielleicht in beiden Referaten etwas zu kurz gekommen ist. Ich meine die Frage, ob die Verwaltung gerade wegen des Charakters des Gesetzes als eines generellabstrakten Gebildes eine - sei es originäre, sei es gesetzlich vermittelte Freistellungs- bzw. Dispensierungsbefugnis besitzt, also über die Kraft, in concreto unter bestimmten Voraussetzungen von der generellabstrakten Kraft des Gesetzes zu entbinden. Was zunächst die Frage der Anerkennung einer originären Freistellungsbefugnis der Verwaltung angeht, so verbindet sie sich vielleicht - um ein Stichwort zu nennen - mit der Lehre Carl Schmitts von der Normsituation. Diese Lehre hat in der Nachkriegszeit eine gewisse Rolle gespielt, als es um die Befugnis und die Pflicht der Verwaltung ging, die Eigentümer von Ruinengrundstücken von der Polizeipflichtigkeit freizustellen; ich glaube, Herr Schneider hat zu einer entsprechenden Entscheidung eines Verwaltungsgerichts einmal eine in die vorstehende Richtung gehende Anmerkung geschrieben (vgl. Schneider, Anm. zu VGH Freiburg, JZ1953, S. 238, ebd. S. 240 f.). Erkennt man eine solche originäre Freistellungskompetenz der Verwaltung nicht an - und hierfür spricht ja in der Tat einiges; das Bundesverwaltungsgericht etwa hat es in diesem Sinne vor einigen Jahren für das Beitragsrecht ausdrücklich abgelehnt, eine gesetzesunabhängige Härtemilderungsbefugnis der Verwaltung als allgemeinen Rechtsgrundsatz anzuerkennen (vgl. DÖV1973,784) -, so bleibt gleichwohl die Frage, ob es nicht für gewisse Bereiche einen Zwang zur Schaffung eines entspre-

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chenden gesetzlichen Verwaltungsvorbehalts gibt. Gibt es insbesondere im grundrechtsrelevanten Bereich eine verfassungskräftige Pflicht des Gesetzgebers, zugunsten der Verwaltung Härteklauseln und Billigkeitsklauseln zu schaffen? Das ist eine bisher noch nicht abschließend geklärte Frage. Das Bundesverfassungsgericht - genauer: ein Dreierausschuß des Ersten Senats - hat sich 1975 einmal mit ihr befaßt und sie schließlich ausdrücklich unentschieden gelassen (vgl. NJW1976, S. 101). Sie mochte hier in der Tat unentschieden bleiben, weil in dem betreffenden - steuerlichen - Bereich eine gesetzliche Härteklausel (§ 131RAO) vorhanden war, so daß der Dreierausschuß die Sache zurückverweisen konnte, um die (verfassungskonforme) Ausfüllung dieser Härteklausel der Verwaltung zu überlassen. Zusammenfassend also: Die Probleme einer originären oder abgeleiteten Härtemilderungs- und Freistellungsbefugnis der Exekutive harren nach wie vor einer Lösung. Ich würde mich freuen, wenn die Referenten hierzu noch etwas sagen könnten. Vorsitzender: Dankeschön Herr Selmer. Zu These 19 hatte sich auch Herr Bachof gemeldet. Bachof: Auch zu Punkt 19. In Übereinstimmung mit Herrn Denninger und wohl in gewisser Abweichung von Herrn Ossenbühl teile ich im Grundsatz die Auffassung von Herrn Maurer, daß unser rechtsstaatliches Rechtsschutzsystem vollzugsfähige und deshalb generell-abstrakte Gesetze fordert. Aber ich möchte diese These nicht ohne Einschränkung stehen lassen. Ich meine, es kann politische Situationen geben, in denen der Gesetzgeber sich genötigt sehen mag, solche Entscheidungen an sich zu ziehen, und ich sehe kein verfassungsrechtliches Hindernis. Herr Maurer hat selbst die Atomkraftwerksgenehmigungen erwähnt. Ich bin nun keineswegs der Meinung, daß der Gesetzgeber in unserer derzeitigen Situation diese Genehmigungen an sich ziehen sollte. Aber ich kann mir Situationen vorstellen, wo er dies - oder etwa die Entscheidungen über Herstellung oder Stationierung von bestimmten Waffensystemen an sich ziehen könnte, dürfte, ja sogar müßte, um derartige Entscheidungen mit der Autorität des Parlaments zu versehen. Ob das dann in Form des Gesetzes oder nur unter dem Parlamentsvorbehalt geschähe, das wäre letzten Endes eine sekundäre Frage; jedenfalls würde ich hier einen Verwaltungsvorbehalt nicht anerkennen. Er ergibt sich auch nicht aus dem Grundgesetz. Das Einzelfallgesetzverdikt des Art. 19 I gilt nur im grundrechtsrelevanten Bereich; und es ist auch dort durch das Bundesverfassungsgericht relativiert worden, indem das Gericht gesagt hat, daß das Einzelfallgesetzverdikt nur ein Anwendungsfall des Willkürverbotes sei und daß deshalb trotz Art. 19 ein Einzelfallgesetz - auch ein grundrechtseingreifendes - zulässig sei, sofern es eben nicht willkürlich sei.

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Außerhalb des Art. 19 haben wir eigentlich nur den mehrfach erwähnten Administrativenteignungsvorbehalt; man könnte auch noch an Art. 59 II (Vertragsgesetze) denken. Aber erinnern wir uns einmal, wie viele Einzelfallgesetze wir im Zuge der Kommunalreform erlebt haben. An ihnen war nichts zu „vollziehen", oder allenfalls noch hinsichtlich marginaler Rechtsfolgen. Der eigentliche Akt jedenfalls war mit dem Gesetz vollendet, welches sagte: „Die und die Gemeinden werden mit Wirkung vom 1. Januar 19.. zu einer Gemeinde zusammengeschlossen". Damit war die Sache erledigt. Vom Staatsgerichtshof Baden-Württemberg ist diese Problematik in der ersten Grundsatzentscheidung zur Kreisreform erörtert worden. In dem Verfahren wurde geltend gemacht, es verstoße gegen die Gewaltenteilung, daß ein Zusammenschluß durch Gesetz erfolge und nicht durch Verwaltungsakt; und ferner, wenn schon durch Gesetz, dann müsse dies Gesetz, da materiell Verwaltung, jedenfalls wie ein Verwaltungsakt hinsichtlich seines Zustandekommens (ζ. B. Anhörung der betroffenen Bürger usw.) sowie hinsichtlich der Überprüfungskriterien behandelt werden. Der Staatsgerichtshof hat diese Ansicht abgelehnt mit der Feststellung, der Verfassunggeber sei nicht gehindert, auch Akte materieller Verwaltung dem Gesetzgeber vorzubehalten; wenn er das aber tue, dann mit der Konsequenz, daß ein solcher Akt als ganz normales Gesetz behandelt werden müsse. So richtig die These von Herrn Maurer im Prinzip ist und so gewiß sich selbst vollziehende Gesetze Ausnahmen bleiben müssen, weil sonst der Grundsatz der Vollzugsfreiheit ausgehöhlt würde, so meine ich, die These bedürfe einer gewissen Einschränkung: Ausnahmen aus politisch wichtigen Gründen scheinen mir geboten und zulässig zu sein. Vorsitzender: Schönen Dank, Herr Bachof, ich habe dazu jetzt zwei Spontanmeldungen vorliegen, eine von Herrn Rauschning und von Herrn Ronellenfitsch. Rauschning: Herr Vorsitzender, meine Dame, meine Herren! Ich wollte eigentlich zu den Einzelfällen sprechen, aber mir scheint, daß wir uns an dieser Stelle auch im Zusammenhang mit These 19 so im Abstrakten bewegen, daß es sinnvoll ist, hier die Einzelfälle einzuführen. Dieses Problem, über das wir hier sprechen, ist zum Teil auch ein Problem der Handlungsform. Das Parlament kann handeln, wenn es bestimmend und entscheidend handelt, in der Form des Gesetzes, und das geordnete Verfahren, das für die Verwaltung vorgeschrieben ist, ist eben der Verwaltung vorbehalten. Ich will Ihnen drei Beispiele geben: Es gibt eine Schrift von Helmut Quaritsch „Das parlamentslose Parlamentsgesetz" aus dem Jahre 1961. Er setzt sich mit Planungsgesetzen auseinander, die das Parlament inhalt-

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lieh nie gesehen hat, die nur zur Abwehr des verwaltungsrechtlichen Rechtsschutzes mit dem Mantel der Parlamentssanktion umgeben wurden. Ein zweites Beispiel ist der konkrete Buschhaus-Fall. Es ist schlicht so, daß der Bundestag nicht Genehmigungsbehörde ist. Und wenn wir die Grundsätze der Volksbefragungsentscheidungen heranziehen, können wir sogar die Verbandskompetenz bezweifeln. Ich würde sogar die Frage aufwerfen, ob - wenn nach Gesetz und Verfassung das Land Genehmigungsbehörde ist - nicht auch der Bundestag insofern seine Kompetenz überschreitet. Ich würde nicht in Frage stellen oder es gesondert diskutieren, Herr Bachof, ob der Bundestag eine Gesetzesänderung über dieses Genehmigungswesen beschließen und sich gegebenenfalls selbst zum Genehmigenden machen kann. Aber er kann nicht ohne eine Änderung des Gesetzes von der (Landes-)Exekutive Befolgung seiner Entschließung heischen, zumal nach der materiellen Gesetzeslage die Behörde zur Erteilung der Genehmigung verpflichtet war. Entsprechendes läßt sich sagen für die Entscheidung, daß das Erteilen der Betriebsgenehmigung für Kalkar abhängig gemacht werden sollte oder war von einem Bundestagsbeschluß. Das sind Beispielsfälle für die These Nr. 19 von Herrn Maurer. Hier werden in einem Genehmigungsverfahren jegliche Rechtsschutzmöglichkeiten genommen, aber eben auch die Handlungsform der Genehmigungsentscheidung steht dem Parlament nicht zu. Und auch daraus meine ich, ließen sich die Kompetenzbereiche näher abgrenzen. Vorsitzender: Schönen Dank, Herr Rauschning, für diesen spontanen Beitrag. Herr Ronellenfitsch. Ronellenfitsch: Unmittelbar zu dem Beitrag von Herrn Bachof. Ich knüpfe allerdings an Herrn Rauschning an. Genau das ist ja die entscheidende Frage: Welcher Gesetzgeber kann denn die Entscheidung etwa bei der Errichtung von Kernkraftwerken an sich ziehen? Der Sache nach geht es doch um eine Verwaltungskompetenz. Wenn Sie sagen, der Bundesgesetzgeber soll die Entscheidung an sich ziehen, bringen Sie das gesamte bundesstaatliche Gefüge durcheinander. Auf welche Kompetenz soll sich der Bundesgesetzgeber berufen. Stützt er sich auf die Gesetzgebungskompetenz nach Art. 74 Nr. IIa GG, bitte dann muß er das Atomgesetz ändern. Aufgrund einer Verwaltungskompetenz könnte eigentlich nur der Landesgesetzgeber die Verwaltungsentscheidung an sich ziehen. Dann allerdings frage ich mich: Was soll die Auftragsverwaltung bei der friedlichen Nutzung der Kernenergie. Können die Ingerenzrechte der Bundesexekutive durch den Landesgesetzgeber überspielt werden? Also verdient These Nr. 19 von Herrn Maurer insbesondere auch aus bundesstaatlichen Gründen volle Zustimmung.

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Vorsitzender: Dankeschön, Herr Ronellenfitsch, für diesen kurzen und instruktiven Beitrag, Herr Steinberg. Steinberg: Diese Argumente können gerade umgedreht werden; gerade weil es Auftragsverwaltung ist, hat der Bundestag auch die Möglichkeit, auf die Ausübung der Aufsichtsbefugnisse Einfluß zu nehmen. Zum anderen: Der Bund hat dieses Projekt in Kalkar mit Milliarden gefördert, kann da der Bundestag nicht Einfluß nehmen? Und bei Buschhaus, natürlich ist das problematisch, aber immerhin, es handelt sich um Gesellschaften mit Bundesbeteiligung, warum soll nicht der Bundestag auch dort auf diese Weise Einfluß zu nehmen versuchen? Das ist eine Frage der politischen Kontrollbefugnisse des Bundestages gegenüber der Bundesregierung. Darüber hinaus kommen den Beschlüssen keine Rechtswirkungen, weder gegenüber der Bundesregierung, gegenüber der Landesregierung und erst recht nicht gegenüber dem Anlagenbetreiber, zu. Vorsitzender: Schönen Dank, Herr Steinberg. Herr Breuer, Sie wollten auch zur These 19 Stellung nehmen? Breuer: Vielen Dank, daß Sie mir Gelegenheit geben, gleich zu den Thesen 18 und 19 von Herrn A/a«rerStellungzu nehmen. Im Grundsätzlichen möchte ich zustimmen. Die nüchterne Analyse, daß es keinen allgemeinen Verwaltungsvorbehalt gibt, sondern im Grunde nur Einzelvorbehalte der Verwaltung, teile ich voll und ganz. Um so mehr sollte sich allerdings unser Interesse darauf richten, welche Einzelvorbehalte der Verwaltung es gibt. Wir sollten also versuchen, zu einer Konkretisierung zu kommen. Herr Rauschning, Sie sind mir in gewisser Weise zuvorgekommen mit Ihrer Bemerkung über das, im politischen Jargon gesprochen, „Sommertheater der Bundesrepublik", als der Deutsche Bundestag zweimal einen schlichten Parlamentsbeschluß in einer Verwaltungsangelegenheit gefaßt hat. Es ging um die Erteilung einer Betriebsgenehmigung für ein Kraftwerk. Hierfür war eine Landesbehörde zuständig. Ist es eigentlich möglich, daß das Parlament, und zwar hier das Bundesparlament, in einem schlichten Beschluß vorgibt, wie die Entscheidung ausfallen soll? Als zusätzliches Bedenken möchte ich in die Debatte einführen, daß damit die parlamentarische Verantwortlichkeit der zuständigen Landesbehörde unterlaufen wird, und damit stehen wir beim Demokratieprinzip und letztlich also bei den verfassungsrechtlichen Zuordnungsprinzipien. Ich hätte hier ebenso wie Herr Rauschning Bedenken gegen das eingeschlagene Verfahren im Rahmen einer Verwaltungsentscheidung. Zweiter Punkt, wenn ich das gleich anfügen darf: Ich glaube, wir sind noch nicht ganz fertig mit unseren Überlegungen dazu, ob eigent-

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lieh, wie Herr Maurer es formuliert hat, der Gesetzgeber der Verwaltung in bestimmten Bereichen Beurteilungs-, Ermessens- oder Gestaltungsspielräume einräumen muß. Bisher haben wir ja nur die Gegenfrage gestellt, ob der Gesetzgeber solche Spielräume einräumen darf. Sie haben dann, Herr Maurer, Ihre Frage, wenn ich es richtig verstanden habe, eher negativ beantwortet mit der Bemerkung, es könne dem Gesetzgeber nicht versagt sein, besonders bestimmt zu werden und damit der Verwaltung Spielräume vorzuenthalten. Hier würde ich doch eine vorsichtige Einschränkung machen wollen, nämlich eine Einschränkung in den Fällen, wo die Grenzen der Normierbarkeit erreicht sind. Es ist nämlich durchaus denkbar, daß etwa Planungsentscheidungen oder auch Prüfungsentscheidungen nicht durchgehend normierbar sind. Wenn dann der Gesetzgeber durch seinen Spruch einen BeurteilungsErmessens- oder Gestaltungsspielraum abschneidet, wird eine bloße Scheinrationalität erzeugt. Die Gerichte gewinnen damit das letzte Wort über Fragen, die nicht wirklich durchnormiert sind, und ich hätte auch Bedenken dagegen, den Verwaltungsbehörden über eine solche Normierung die Entscheidungskompetenz aus der Hand zu nehmen. Auch hierfür möchte ich noch einmal den Gesichtspunkt der parlamentarischen Verantwortlichkeit in die Debatte werfen. Man nimmt nämlich die Entscheidung damit der Exekutive, die parlamentarisch verantwortlich ist, und man spielt die Entscheidung den Gerichten zu. Vorsitzender: Schönen Dank, Herr Breuer. Ich habejetzt zwei Spontanbeiträge, einen von Herrn Bachof und dann von Herrn Rengeling. Bachof: Aufgrund der Diskussionsbeiträge eine Korrektur zu meiner früheren Bemerkung: Soweit es sich um die Atomkraftwerksgenehmigung handelt - ich beschränke mich auf diese -, könnte, da sie bereits durch Bundesgesetz geregelt ist, in der Tat nur ein Bundesgeseiz, nicht aber ein einfacher Parlamentsbeschluß die Zuständigkeit zur Genehmigung auf das Parlament verlagern. Vorsitzender: Dankeschön, Herr Bachof. Herr Rengeling. Rengeling: Ich würde auch gerne anknüpfen an das, was Herr Selmer gesagt hat und Herr Breuermv schon ein bißehen vorweg genommen hat. Deswegen auch meine Spontanmeldung, die eigentlich deshalb zustande gekommen ist, weil ich unter Punkt 5 den Gedanken bringen wollte. Ich meine auch - und ich weiß nicht, ob ich Herrn Maurerhier richtig verstanden habe und ob er sich letztlich entschieden hat -, daß es Bereiche gibt, und ich möchte anknüpfen an den Bereich „Regelungsdichte" und „Einzelfallgerechtigkeit", wo von Verfassungs wegen eine

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Entscheidungsfreiheit für die Verwaltung bleiben muß. Ich möchte das an einem Beispiel versuchen zu verdeutlichen. Es gibt im deutschen Recht wie auch im europäischen Gemeinschaftsrecht den Satz: „Zu Unrecht gezahlte Beihilfen sind zurückzuzahlen". Hier ist also ganz offensichtlich die Möglichkeit ausgeklammert, Ermessen auszuüben, damit Vertrauensschutzgesichtspunkte ins Spiel zu bringen, und ich frage mich unter verfassungsrechtlichen Gesichtspunkten, ob eine solche Regelung zulässig ist. Man stelle sich etwa vor, daß zehn oder fünfzehn Jahre nach Erhalt einer Beihilfe nun festgestellt wird, daß sie eigentlich damals rechtswidrig gewesen sei. In diesem konkreten Fall hat ζ. B. der Europäische Gerichtshof in Luxemburg ausdrücklich gesagt, die Bestimmung sei so zu verstehen: Kein Ermessen. Hier meine ich, müßte man unter dem Blickwinkel etwa der Rechtssicherheit, des Vertrauensschutzes, der Einzelfallgerechtigkeit, möglicherweise natürlich auch unter grundrechtlichen Aspekten prüfen, ob nicht auch der Sache nach ein Entscheidungsspielraum fur die Verwaltung verbleiben muß, wobei es mir nicht so sehr darauf ankommt, ob man das nun Verwaltungsvorbehalt nennt oder nicht, jedenfalls aber eine Domäne erhalten bleiben muß für die Verwaltung, die der Gesetzgeber ihr nicht nehmen darf. Dankeschön. Vorsitzender: Schönen Dank, Herr Rengeling. Zwischenzeitlich sind weitere Spontanmeldungen erfolgt, und zwar von Herrn Frowein, Herrn Ossenbühl und Herrn Meessen. Frowein: Nur zur Aufklärung eines Mißverständnisses, denn ich glaube, nur um das kann es sich handeln. Es kann doch wohl nicht richtig sein, daß Sie die Art. 83 und 85 des Grundgesetzes, die im Grunde quer zu unserer heutigen Fragestellung stehen, überspielen können durch einen Gesetzesbeschluß, mit dem sich der Bundestag bei einer Sache, die die Länder als eigene Angelegenheit verwalten oder auch als Auftragsverwaltung, die Genehmigungszuständigkeit zuspricht. Dieses ist eindeutig bundesstaatlich unzulässig. Wir sind hier an einer im Verhältnis zum Thema der gemeindlichen Selbstverwaltung ähnlichen Lage, die Herr Ossenbühl m. E. mit Recht vorhin schon erwähnt hat. Vorsitzender: Dankeschön, Herr Frowein. Herr Ossenbühl. Ossenbühl: Da unsere Diskussionsbeiträge ja veröffentlicht werden, kann m. E. nicht unwidersprochen bleiben, der Bundestag habe kein Recht, sich mit der Sache Buschhaus zu beschäftigen; das habe ich hier so verstanden. Natürlich hat er eine Befasssungskompetenz, das ist ganz unbestritten. Die Frage ist nur, welchen Beschluß er fassen kann; und da

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ist deutlich gesagt worden, wir können natürlich nicht auf das Genehmigungsverfahren einwirken, sondern wir können nur einwirken über unsere Bundesbeteiligung an der Preußen-Elektra, um da über die privatrechtlich-gesellschaftliche Schiene Einfluß zu nehmen. Vorsitzender: Dankeschön, Herr Ossenbühl, Herr Meessen. Meessen: Ich meine aber, es wäre durchaus möglich, daß aus konkretem Anlaß eine Änderung des der Genehmigung zugrundeliegenden Gesetzes vom Bundestag beschlossen wird. Und wenn ich die Entscheidungen Kalkar und Buschhaus richtig sehe, handelt es sich um weichenstellende Entscheidungen. Insofern könnte der Bundestag, ohne die Vollzugskompetenz des Landes anzutasten, die Kriterien der Genehmigung so neu formulieren, daß der Spielraum des Landes beim Vollzug erheblich eingeengt würde - durch Gesetz selbstverständlich, nicht durch Parlamentsbeschluß und damit auch unter Beteiligung des Bundesrates -, um die Entscheidung in diesem Fall, aber auch in anderen gleichgelagerten Fällen mehr oder weniger zu präjudizieren. Vorsitzender: Dankeschön, Herr Meessen. Herr Kisker, Sie können wählen, Sie sind der nächste, der dran ist. Sie können wählen zwischen zwei und vier Minuten jetzt, aber bitte nicht sechs. Kisker: Was hier vorgetragen wurde, läuft darauf hinaus, daß der Bund mit Hilfe von Einzelfallgesetzen Völlzugskompetenzen der Länder an sich ziehen kann, wenn es, wie Herr Bachof meint, um besonders wichtige Fragen geht. Mir scheint, ein derartiges Abstellen auf kompetenzbegründende Wesentlichkeit paßt in unsere bundesstaatliche Kompetenzordnung nicht hinein. - An Herrn Maurer, der übrigens diesen bundesstaatsrechtlichen Problemaspekt in einem Nebensatz angesprochen hat, darf ich deshalb die Frage stellen, mit Hilfe welcher Kriterien er verhindern will, daß Einzelfallgesetze dazu benutzt werden, die Völlzugskompetenzen der Länder zu unterlaufen. Zum Stichwort „parlamentssicherer Kernbereich der Regierungsgewalt": Beide Referenten äußern sich dazu sehr skeptisch. Das Bundesverfassungsgericht hat diese Frage kürzlich in seiner Entscheidung zu den Akten-Herausgabeansprüchen des Flick-Untersuchungsausschusses angesprochen. Es weist, m. E, zutreffend, daraufhin, daß das Parlament die Regierung nicht in ihrer Funktion des Planens, Verhandeins, Impulsgebens etc. behindern darf; auch nicht dadurch, daß es solche Regierungstätigkeit zum Gegenstand einer Untersuchung macht. Hier haben wir es Herrn Ossenbühl zum Trotz wohl doch mit einem Befassungsverbot zu tun.

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Vorsitzender: Schönen Dank, Herr Kisker. Sie waren zeitlich hervorragend: sehr diszipliniert. Herr Zacher bitte. Zacher: Herr Vorsitzender! Als wir uns hier zum ersten Mal begegneten, sagte Herr Maurer zu mir: „Sie werden sicher wieder sagen, wie Sie's anders gemacht hätten." Konziliant schüttelte ich den Kopf. Dann habe ich mir überlegt: ich kenne Herrn Maurer doch zu gut und zu lange; ich kann ihn nicht so enttäuschen. Ich muß ihm doch sagen, wie ich es anders gemacht hätte, auch wenn Herr Schnapp, der diese Erwartung gar nicht geäußert hat, damit auch in diesen Genuß kommt. Ich hätte es in der Tat anders gemacht als die Referenten. Ich hätte erstens - den Begriff so verstanden wie Herr Denninger. Und wenn ich das mit dem Vorstand anders abgesprochen hätte, dann hätte ich mich an unseren großen Oheim Dürig erinnert und hätte gesagt: Freiheit von Forschung und Lehre, sittenwidriger Vertrag, § 138 BGB. Ich hätte dann gesagt, ich frage nach der Unentziehbarkeit von Funktionen der Verwaltung, nach ihrer Unvermeidlichkeit. Zweitens hätte ich das Grundgesetz sehr viel genauer nach einzelnen Vorschriften abgeklopft, Art. 28,83 ff. und dergleichen, vor allem Art. 33. Das dritte: ich hätte den Verwaltungsvorbehalt nicht nur in das Grundmuster der Gewaltenteilung gestellt, sondern ich hätte ihn im Sinne eines „Staatsvorbehalts" auch in die StaatGesellschaft-Beziehung hineingestellt. Das ist hier lehrreich im Hinblick auf einzelne Funktionen, die nicht privatisiert werden können oder für die sich die Privatisierungsfrage stellt. Denkt man darüber nach, dann kommt man nämlich ganz gut darauf, was an der Verwaltung unverzichtbar ist. Und viertens wäre ich mit den Fakten anders umgegangen. Das hat Herr Lerche schon gesagt. Ich kann diese reinliche Scheidung nie und nimmer verstehen, denn Fakten sind eine Herausforderung an die Normen. Sie erfordern normative Antworten. Und sehr oft sind Fakten ja auch, wie ζ. B. Tag- und Nachtzeiten, einfach eine Selbstverständlichkeit, von der der Gesetzgeber ausgeht und die wir deshalb nicht vernachlässigen dürfen. So wäre ich also herangegangen, und dann hätte ich nach der Substanz der Verwaltung gefragt, und hätte angefangen, damit zu fragen: was ist denn eigentlich nun Verwaltung. Da wäre ich zunächst - genau wie Herr Thieme- auf Art. 33 GG gekommen. Ich wäre damit auf personale Kompetenz und, ich würde auch sagen, auf professionelle Kompetenz gekommen. Ich wäre darauf gekommen, daß das Parlament eben gerade keine spezifisch professionelle Kompetenz hat, es sei denn die des Berufsparlamentariers, wie das Bundesverfassungsgericht ja gesagt hat, während auf der anderen Seite der Richter eine ganz spezifische Professionalität hat. Und was dazwischen sonst an professionaler Kompetenz - administrativer, vor allem aber auch pädagogischer, medizinischer, technischer usw.

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Art - ist, das stellt die Verwaltung dar. Das wäre ja - von Art. 33 GG her verallgemeinernd - schon ein ganz schöner Zugang gewesen. Dann wäre ich über diese Professionen zu den Dienst- und Sachleistungen gekommen, die der Gesetzgeber eben nicht erbringen kann, sondern die nur die Verwaltung erbringen kann. Von diesen personalen Anknüpfungspunkten und von diesen Dienst- und Sachleistungen wäre ich dann zur Selbstverwaltung gekommen. Ich hätte gesagt: Selbstverwaltung ist unentziehbar. Das ist eben etwas, was nur als Verwaltung existieren kann und infolgedessen, so selbstverständlich es sein mag, einbezogen werden muß. Damit wäre ich zu einem Schema des Verwaltungsvorbehalts gekommen. Das erste ist die primäre Einzelfallverantwortung der Verwaltung: die Einzelfallverantwortung, die der Gesetzgeber nicht an sich ziehen darf; und die auch der Richter als primäre Entscheidungsverantwortung nicht an sich ziehen kann. Ich wäre zweitens dazu gekommen, daß personale, vor allem professionelle Vollzugskompetenzen, daß Dienst- und Sachleistungen Sache der Verwaltung sind, die ihr die anderen Gewalten nicht abnehmen können. Sie können vielleicht in die Gesellschaft abwandern. Das ist dann eine eigene Grenzziehungsproblematik. Aber von anderen Gewalten können sie nicht abgenommen werden. Ich wäre drittens dazu gekommen, daß die Ausgliederung von Subeinheiten sprich Selbstverwaltung - ein spezifisches Problem des Verwaltungsvorbehalts darstellt. Das wäre alles in allem eine ganz schöne Summe von Verwaltungsvorbehalt geworden.

Vorsitzender: Schönen Dank, Herr Zacher. Mit diesem Gegenentwurf ist der Weg für das Zwischenwort vorbereitet, aber vorher wollte Herr Ipsen noch spontan etwas sagen. Ich schlage im Hinblick auf den Sachzusammenhang vor, Herrn Ipsen vor dem Zwischenwort der Referenten noch das Wort zu geben.

Η. P. Ipsen: Verehrte Frau Kollegin, Herr Vorsitzender, meine Herren! Die Stellung der Verwaltung hat uns in vielen Variationen in unseren Tagungen über 20 Jahre hinweg beschäftigt. Die Würzburger Tagung von 1966 ist mehrfach angesprochen worden, u. a. unter Hinweis auf die Ausführungen, die Herr Kaufmann dort gemacht hat. Er hat, ohne das Grundgesetz „unter dem Arm" zu haben, die Verwaltung beschrieben nach dem Wesen, dem Entscheidenden ihrer Funktion, ihrer Aufgabe. Davon ist, soweit ich sehe, heute nicht oder nahezu nicht die Rede gewesen. Sie hat in Begrifflichkeiten, die uns vorgeführt worden sind, gestanden, ohne auf das, was Herr Kaufmann so wesentlich beschrieben hat, einzugehen. In dem Würzburger Bericht finden sich nach den Ausfuh-

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rungen von Herrn Kaufmann noch weitere einschlägige Bemerkungen, auf die ich aber nicht empfehlend hinweisen kann, weil sie von mir stammen. Mich beschäftigt die Frage, ob der Vorbehalt, der hier zur Debatte steht und der von den Referenten mit dem Hinweis, es ginge um den normativen, nicht um den praktischen, allzusehr eingeengt worden ist auf diese normative Grenzbestimmung, also auf die Frage, hinter einem wie engen Maschendraht die Verwaltung im Käfig sitzt oder ob sie nicht vielleicht doch außerhalb des Käfigs einen Auslauf besitze. So ungefähr habe ich mir die Dinge bildlich vorgestellt. Das befriedigt mich deshalb nicht, weil sich aus dem Wesen der Verwaltung etwas für einen Vorbehalt ergibt. Wenn Sie den Ausdruck „Gerichtsbarkeit" gebrauchen als die andere Gewalt, dann ist damit ihrem Wesen nach verbunden, daß Gerichtsbarkeit weisungsfrei, unabhängig und in Gesetzesbindung stattfindet. Solche Konsequenzen müssen sich nach meiner Meinung auch für die Verwaltung ergeben, und zwar mit Elementen, die nicht normativ faßbar, die aber doch immerhin in dem Leitsatz 15 von Herrn Schnapp angesprochen worden sind mit den Stichworten Verantwortung, Sachverstand, Effizienz; ich würde Bemühungen um Objektivität hinzufügen. Es ist hinzugefügt worden von den Herren Referenten, solche Eigenarten, solche Funktionsbesonderheiten der Verwaltung begründeten keine Kompetenz, richtig. Dem folge ich. Nur frage ich mich, ob sich nicht aus der Innehabung dieser Eigenschaften und der Pflicht, sie wahrzunehmen, doch eine Legitimation ergibt für die Verwaltung, in bestimmten Richtungen zur Behauptung ihrer Eigenständigkeit wirksam und tätig zu werden. Ich denke bei der Stoßrichtung, die hier für einen solchen Vorbehalt in Frage steht, weder an die Gesetzgebung, noch denke ich an die dritte Gewalt, sondern ich denke an Interventionen, die auf die Verwaltung aus dem gesellschaftlichen Bereich in breiten Möglichkeiten zukommen können, etwa (beispielhaft) Interventionen in die Personalhoheit der Verwaltung. Ob sie aus Parteien, Verbänden, aus Gewerkschaften oder sonstigen Gruppierungen kommen, hat hier die Verwaltung nicht einen aus ihrer Aufgabe heraus legitimierten Auftrag, ihre Eigenständigkeit als Vorbehaltsgut gegenüber solchen Interventionen geltend zu machen? Ich meine, daß das geboten ist. Ob man das als Auswirkung der der Verwaltung eigenen oder ihr jedenfalls zugedachten Klugheit oder anderen Umschreibungen annimmt, will ich offenlassen; aber ich glaube, aus der Besonderheit der Funktion und der Aufgabe, die die Verwaltung anders als der Gesetzgeber und der Richter wahrnimmt, folgen solche eigenständigen Legitimationsbefugnisse, sich zu behaupten gegenüber Einwirkungen, die die Eigenständigkeit, das, was der Verwaltung vorbehalten ist, beeinträchtigen können.

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Vorsitzender: Schönen Dank, Herr Ipsen. Ich darf dann den Herrn Mitberichterstatter um ein Zwischenwort bitten. Schnapp: Wegen der Vielzahl der Wortmeldungen möchte ich versuchen, mich kurz zu fassen und nur auf diejenigen Diskussionsbeiträge einzugehen, in denen ich mich angesprochen fühle, wobei diese Ein : Schätzung notwendigerweise subjektiv ist. Weil es früher noch nicht in den Beratungen angesprochen worden ist: Man kann ein Referat nicht nur anders, sondern vielleicht sogar besser halten. Was zunächst das Thema und die Begrifflichkeit angeht: Es hat sich ja in der bisherigen Diskussion ergeben, daß hier eine Meinungsvielfalt schon darüber entstehen kann - und den Begleitaufsätzen haben wir das ebenfalls entnehmen können -, was man unter dem Thema zu verstehen hat. Wenn ich die Vorbesprechungen mit dem Vorstand und auch die Koordination mit Herrn Maurer - für den ich hoffe mitzusprechen - insofern richtig verstanden habe, steht das Thema, oder steht der Ausdruck „Der Verwaltungsvorbehalt" nur für ein Problem. Das heißt: es war nie so verstanden worden, als habe der Vorstand - wie Herr Oldiges das richtig ausführte - gewissermaßen schon als Ziel vorgegeben, mit aller intellektueller Anstrengung einen quasi monolithischen, eigenständigen, verfassungsrechtlich an einer Stelle zu verortenden Rechtssatz festzumachen, der dann hinterher - wie Phönix aus der Asche - als Standardfigur in unserem Verfassungsrecht erscheint. Zu Herrn Denninger: Die Frage, die Sie gestellt haben, finde ich richtig: Was muß verfassungsrechtlich vorbehalten bleiben? Ich habe mich bemüht, im letzten Teil meines Referats zu zeigen, welche Bereiche in der Tat auf Verfassungsebene, nämlich vor allem auf Landesverfassungsebene - auf das Grundgesetz habe ich mich nur kursorisch eingelassen - rechtlich vorbehalten sind. Es bleibt natürlich dem verfassungsändernden Gesetzgeber unbenommen, in diesem Bereich Änderungen vorzunehmen, wobei die Frage ist - und da knüpfe ich an Herrn Ipsen und an Herrn Starckm ob es einem Gebot staatspolitischer Klugheit entsprechen würde, hier die Gewichte anders zu verlagern, als das bisher geschehen ist. Was die Frage der Kompetenz-Kompetenz angeht: Natürlich haben wir sie in weiten Bereichen - nicht nur in den von Ihnen genannten, sondern etwa in Teilen des Gemeinderechts, im Bereich der kreisangehörigen Gemeinden usw. Wir haben solche Erscheinungen, da sind sie aber positivrechtlich vorgesehen. Was mich zu untersuchen angeregt hat, waren die Kompetenz-Usurpationen, in denen der Gesetzgeber durch ein rechtssatzmäßig nicht benanntes Zugriffsrecht auf eine der Verwaltung eingeräumte Kompetenz Zugriff nimmt. Zu Herrn Thieme zustimmend: In den Darlegungen von Montesquieu (Herr Böckenförde hat das in einem neuerlichen Beitrag sehr ausführlich analysiert) hatte das Prinzip der Gewaltenteilung zwei Funktionen, nämlich eine der

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Gewaltentrennung und eine der Gewaltenbeteiligung; und was insbesondere Sie ansprachen: es war ein Prinzip der ständisch-politischen Machtverteilung. Diese Funktionen hat das Prinzip, meine ich - ich will mich vorsichtig ausdrücken - heute weitgehend verloren; es ist zu einem Leitprinzip für die Verteilung gesamtstaatlicher Aufgaben und Befugnisse geworden. Deswegen meine Bemühungen, in dem Referat nach rechtssatzmäßig zugewiesenen Kompetenzen zu suchen. Art. 33 GG scheint mir ein sehr interessanter Standort zu sein, aber in einem Teil jedenfalls spricht er nur Personen an und nicht organisatorische Funktionseinheiten. Das Berufsbeamtentum erweist sich als organisatorisch noch nicht fixierte Masse, die man als solche schon von vornherein mit Kompetenzen ausgestattet sehen könnte; und was Art. 33 Abs. 4 angeht, so dreht es sich im wesentlichen um die Zuweisung von hoheitlichen Funktionen an Beamte in Abgrenzung zu Nichtbeamten. Zu Herrn Starck nur eine Bemerkung: Die Forderung nach Einführung von mehr Staatswissenschaft und Klugheitsregeln würde also dazu führen, daß die Fürstenspiegel früherer Jahrhunderte jetzt in Parlamentsspiegel umgewandelt werden müßten. Die Beiträge von Herrn Wielinger und von Herrn Fleinerms österreichischer und schweizerischer Sicht kann ich nur als Bereicherung und willkommene Ergänzung betrachten, ohne sie hier kommentieren zu können. Zu Herrn Wielinger möchte ich nur sagen (Sie haben es selbst angesprochen): Wenn wir auf Verfassungsebene einen Totalvorbehalt statuieren, dann kann man dem formal entsprechen. Das führt dann aber wieder in die Höhe von reinen Blankettermächtigungen und damit würde sich nach deutschem Verfassungsrecht die Frage nach dem Bestimmtheitsgebot stellen. Zu Herrn Lerche: Sie hatten bezweifelt, ob man eine so strikte Trennung zwischen faktischen Vorbehalten - die in den Begleitaufsätzen auch vorbehaltsähnliche Phänomene genannt worden sind - und normativen Vorbehalten machen sollte. Ich würde sagen, das zweite war mein Programm. Man sollte sich zunächst einmal auf die Suche nach normativ abgesicherten Vörbehaltsbereichen begeben. Ich komme aber zur Feststellung von einer ganzen Reihe - ich habe das im Referat ausgespart - von faktischen Vorbehalten. Um einmal mit einem banalen Satz zu beginnen: Natürlich kann das Parlament keine akademische Lehrveranstaltung abhalten. Aber dieser Umstand ist ja auch verfassungsrechtlich abgesichert, nämlich durch Art. 5 Abs. 3. Insofern haben wir das, was Herr Schröderm seinem Aufsatz die Entsprechung von faktischen und normativen Vorbehalten genannt hat. Ich möchte mich auf dieses Beispiel beschränken. Wie weit Sie in einem Halbsatz die sog. und von uns ausgesparten Notkompetenzen der Verwaltung gemeint haben, dessen bin ich mir nicht ganz sicher. Das ist ein Gebiet, das gesonderter Erörterungen wert wäre. Wir haben solche Notkompetenzen der Verwaltung etwa in dem Schul-

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bereich gehabt, der - solange er noch nicht rechtsstaatlichen Anforderungen gemäß durchnormiert war - weitgehend per Verwaltungsvorschriften dirigiert wurde. Hier hat ja die Rechtsprechung, um den Schulbetrieb aufrecht zu erhalten, den Verwaltungsvorschriften eine - wie ich sie nennen möchte - Reservefunktion zugewiesen, wobei Herr Ossenbühl die Forderung erhoben hat, daß dieser Zustand rechtsstaatlich zu minimalisieren sei. Hier hat in der Tat - und zwar nicht nur unter dem Aspekt der Funktionentrennung oder wegen der Aufrechterhaltung des Schulbetriebes, sondern um der betroffenen Schüler willen die Verwaltung eine Reserve- oder Notkompetenz. Sie hatten - und auch Herr Rauschningsodann das Problem der Handlungsformen angesprochen. In dem Sachbereich, den ich behandelt habe, nämlich bei der Binnenstruktur der Exekutive und ihrer Feinsteuerung, haben wir ja bislang ein völlig heteronomes Instrumentarium der Binnensteuerung sowohl im Personalwesen wie im Bereich der Geschäftsleitungsgewalt wie auch im Bereich des Organisationswesens. Das reicht vom parlamentsbeschlossenen Gesetz bis hin zu Handlungsformen - Stichwort: Umsetzung -, die das Bundesverwaltungsgericht als Nichtverwaltungsakte deklariert hat. Fazit daraus: Wir benötigen - so ein Postulat und ein Desiderat - ähnlich wie in den Staat-Bürger-Beziehungen für den Binnenbereich der Verwaltung einen Kanon von Handlungsformen, der noch adäquat systematisiert werden müßte. Herr Selmer hatte dann die Dispensation von der Geltungskraft des abstrakt-generellen Gesetzes angesprochen und insofern Härteklauseln erwähnt; das betrifft m. E. weniger zugriffsfeste Bereiche der Verwaltung, sondern Probleme der Regelungsdichte. Auch im Bereich der Härteklauseln wird die Verwaltung gesetzesangeleitet tätig. Wir können freilich - nach dem Postulat von Herrn Erichsen in seiner Kalkar-Rezension versuchen, eine Verwaltungsphänomenologie unter dem Gesichtspunkt der Regelungsdichte - und das heißt: der Determiniertheit der Verwaltung durch Gesetze - aufstellen. Ob sich daraus normative Folgerungen ergeben, muß ich fur mich im Augenblick offenlassen. Herr Bachof hat dankenswerterweise Art. 19 Abs. 1 GG angesprochen. Dazu nur zwei Sätze. Das Bundesverfassungsgericht ist zwar in unser Kalkül einzubeziehen, aber im Konzert der Wissenschaft stellt es nur eine Stimme unter anderen dar. In meiner Einschätzung hat das Bundesverfassungsgericht diese Bestimmung nicht immer ernst genug genommen. Ansonsten meine ich, flankierend zu Herrn Maurer, auch außerhalb des grundrechtlichen oder grundrechtsrelevanten Bereiches steckt in dieser verfassungsrechtlichen Bestimmung ein urvernünftiger Gedanke, weil er nämlich tendenziell hindeutet auf die generelle Transferfunktion des Gesetzes. Herrn Rauschningbm ich sehr dankbar für die Erwähnung des Buschhaus-Falles, und zwar deshalb, weil das den bei mir andeutungsweise

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angesprochenen Punkt der Allzuständigkeit des Gesetzgebers betrifft. Natürlich darf der Bundestag hier einen Beschluß fassen. Aber erstens stellt sich hier die Frage der rechtlichen Verbindlichkeit. Und ich meine, der einzige verbindliche Parlamentsbeschluß ist der nach Art. 77 Abs. 1. Herr Frowein hat dazu deutlich gesagt: das war unzulässig. Ich meine darüber hinaus, dieser Vorgang, dieses „Sommertheater", wie es apostrophiert wurde, hat bewiesen, zu welchen rechtlichen Irritationen und politischen Reibungsverlusten es kommen kann, wenn sich ein Verfassungsorgan einer Angelegenheit bemächtigt, die nicht seines Amtes ist. Herr Steinberg: Der Umstand, daß der Bund da Finanzierungen geleistet hat, spielt für die Frage der Zuerkennung von Kompetenzen und für die Frage der Verbindlichkeit dieser zwei Beschlüsse m. E. keine Rolle. Herr Kisker hat dann noch einmal den sog. Kernbereich angesprochen und die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom Juli 1984. Ich glaube, wenn man sich einer genaueren Lektüre dieser Entscheidung zuwendet so jedenfalls mein bisheriger Eindruck -, so ist die dort auftauchende Kernbereichsthese eher als Zusammenfassung der vorherigen und nachfolgenden rechtlichen Analyse zu verstehen und möglicherweise als Ausdruck der Scheu des Bundesverfassungsgerichts, von einem liebgewonnenen Begriff Abschied zu nehmen. Was die Einbeziehung der Gesellschaftswissenschaften angeht, wo wir schon von Kompetenzen reden: Ich fühle mich da weitgehend inkompetent, Herr Zacher. Natürlich ist es auch ein weiter zu erschließendes Spektrum, die Mikrostrukturen der Verwaltung und die Leistungsfähigkeiten - alles das, was mit den Stichworten: Kapazität, Sachnähe, Leistungsfähigkeit, angesprochen worden ist - hier mit einzubeziehen; aber ich glaube, heute mußten wir uns gewissermaßen auf einer mittleren Ebene bewegen. Zum Schluß noch zur Wortmeldung von Herrn Ipsen. Ich meine, daß man das Wesen der Verwaltung - ich habe sehr wohl Ihre Diskussionsbeiträge bei der Würzburger Staatsrechtslehrertagung noch vor Augen - allenfalls nach einer Analyse des gesamten normativen Apparates bestimmen kann und nicht vor eine Normen-Analyse stellen bzw. nicht vom Wesen der Verwaltung her diese Analyse dirigieren lassen kann. Das ist eine Frage des methodischen Zugangs. Darüber müßte man sich besonders unterhalten. Ferner: Sachverstand vermittelt sicherlich Verpflichtungen. Aber in bezug auf normative Kompetenzen bedarf es der rechtssatzmäßigen Vermittlung. Er begründet nicht von sich aus Kompetenzen, sondern es ist eine Verpflichtung der gesetzgebenden, der rechtssetzenden Instanzen, hier rechtssatzmäßig zu vermitteln. Und schließlich noch, das ist der letzte Satz: Aussparen mußten wir - auch das ist in Merkpapieren untergegangen und der Streichung anheimgefallen den Punkt, auf den Sie dankenswerterweise aufmerksam machten, nämlich die Eigenständigkeit des Berufsbeamtentums und der Verwaltungs-

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Institutionen gegenüber der Einwirkung gesellschaftlicher, normativ nicht eingebundener oder nicht einbindbarer Kräfte. Vielen Dank. Vorsitzender: Schönen Dank Herr Schnapp. Jetzt hat Herr Maurerdas Zwischenwort. Maurer: Wenn Sie gestatten, dann werde ich auf die einzelnen Stichworte eingehen und nicht jeden Diskussionsteilnehmer persönlich ansprechen, nur der Kürze wegen. Zunächst zur Frage des Einzelfallgesetzes, das einen breiten Raum in der Diskussion eingenommen hat. Ich vertrete natürlich nicht die Auffassung, daß Einzelfallgesetze schlechthin ausgeschlossen sind. Das wäre auch irreal. Bereits im Leitsatz habe ich formuliert, die Völlzugskompetenz „wendet" sich gegen Einzelfallgesetze, nicht „verbietet" Einzelfallgesetze. Im Referat selbst habe ich das noch deutlicher zum Ausdruck gebracht. In meinem ursprünglichen Manuskript hatte ich sogar die von Herrn Bachof erwähnten Eingemeindungsgesetze als Beispiele dafür genannt, daß Einzelfallgesetze u. U. notwendig und zulässig sind, und zwar schon deswegen, weil es sich bei der Eingemeindung um grundlegende Organisationsakte handelt, die der gesetzlichen Regelung bedürfen. Ich glaube daher, daß ich mit Ihnen, Herr Bachof, vollkommen übereinstimme; es mag nur sein, daß meine Thesen zu knapp abgefaßt waren. Allerdings bin ich der Meinung, daß doch zumindest grundsätzlich, also wenn kein besonderer Grund vorliegt, der Gesetzgeber sich auf generelle Gesetze beschränken und den Vollzug der Verwaltung überlassen muß, und zwar einmal aus rechtsstaatlichen Gründen und zum anderen, wie Herr Ronellenfitsch zu Recht bemerkte, aus föderalistischen Gründen. Die von Herrn Kisker aufgeworfene Frage, wann ein Einzelfallgesetz ausnahmsweise zulässig sein soll, läßt sich nicht pauschal beantworten; eine genaue Analyse würde hier zu weit fuhren, zumal das Einzelfallgesetz hier nur unter dem Aspekt der Vollzugskompetenz der Verwaltung interessiert. Jedenfalls dürfte die „Wesentlichkeit", da stimme ich mit Herrn Kisker überein, insoweit kein geeignetes Kriterium bilden. - „Buschhaus" ist ein sehr interessanter Lehrfall, der sich unter allen Möglichkeiten durchexerzieren ließe. Könnte der Bundestag die Genehmigung an sich ziehen? Das läßt sich wohl ohne weiteres verneinen, da die Genehmigung im Bundesimmissionsschutzgesetz gesetzlich geregelt und der Verwaltung zugewiesen ist. Auch eine entsprechende Änderung der gesetzlichen Grundlagen wäre m. E. nicht zulässig, da es sich um eine typische Verwaltungsaufgabe handelt. Die parlamentarische Kontrolle des Bundestages erfaßt nur die Bundesregierung, nicht die für die Genehmigung im konkreten Fall zuständige Landesbehörde. Die Bundesregierung könnte vom Bundestag nur als Anteilseigner des Kohlenkraftwerks angesprochen werden,

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wobei sich die interessante Frage stellt, ob und inwieweit das Parlament über wirtschaftliche Beteiligung politische Zielsetzungen verfolgen und durchsetzen kann. Eine allgemeine Befassungskompetenz des Bundestages besteht m. E. nicht, so darf er ζ. B. sich nicht in Landesangelegenheiten einmischen oder in den internen Entscheidungsbildungsprozeß der Bundesregierung eingreifen. Zweitens ist mehrfach die Frage gestellt worden, ob der Gesetzgeber von Verfassungs wegen verpflichtet ist, Härte- oder Dispensklauseln vorzusehen oder der Verwaltung Ermessens-, Beurteilungs- und Gestaltungsspielräume einzuräumen. Μ. E. lassen sich durchaus Konstellationen feststellen, für die dies zu bejahen ist. Das ergibt sich einmal aus der Verwaltungskompetenz, da die Verwaltung ihre Aufgaben nur sachgerecht erledigen kann, wenn ihr entsprechende Bewegungsfreiheit gewährt wird. Das ergibt sich aber auch aus den Grundrechten, etwa unter dem Gesichtspunkt der Einzelfallgerechtigkeit oder der grundrechtsgeforderten Differenzierung. Aus der Rechtsprechung des BVerfG ließen sich dafür Beispiele anführen. Auf die Grundrechte bin ich nicht weiter eingegangen, weil sie nicht das eigentliche Thema bilden. Eine allgemeine Notkompetenz der Verwaltung oder eine gleichsam gesetzesimmanente Härteklausel würde ich dagegen ablehnen. Es gibt keinen allgemeinen Notfallvorbehalt in dem Sinne, daß die Verwaltung stets eingreifen darf, wenn ein (vermeintlicher) Notfall vorliegt. Das muß gesetzlich geregelt und begrenzt werden. Tatsächlich sind auch die erforderlichen gesetzlichen Regelungen, insbesondere im Polizeirecht, vorhanden. Drittens zur Abgrenzung von faktischem und normativem Verwaltungsvorbehalt. Eine strikte Trennung zwischen beiden ist nicht möglich und war von mir auch nicht beabsichtigt. Begriffe sind ja ohnehin nur Sprachregelungen, mit denen man versucht, bestimmte typische Sachverhalte „in den Griff' zu bekommen. Sie haben in der Regel am Rand gewisse Unschärfen. Der faktische und der normative Verwaltungsvorbehalt sind darüber hinaus eng miteinander verknüpft, da der faktische Verwaltungsvorbehalt, wie ich auch zum Ausdruck brachte, rechtliche Konsequenzen hat. Denn das, was faktisch nicht möglich ist, was nicht oder nicht angemessen gesetzlich geregelt werden kann, entzieht sich eben auch dem Gesetzgeber. Man müßte nun bei konkreten Fällen ansetzen und die Frage der Normierbarkeit näher prüfen. Daß ζ. B. das Parlament keine Einzelschulstunde durchführen kann, ist selbstverständlich. Ebenso ist klar, daß technische Detailfragen vom Parlament nicht entschieden werden können. Das sind jedoch nicht die Problemfälle. Sie liegen vielmehr im Grenzbereich. Beispielsweise: Sollen die Lerninhalte und Unterrichtsziele im Schulbereich vom Parlament oder von der Schulverwaltung festgelegt werden, kann das Parlament dies

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überhaupt regeln? Das müßte aufgrund tatsächlicher Recherchen genau geprüft werden. Aber auch dann würde man wohl in jenen Grenzbereichen selten zu einem allgemein anerkannten Ergebnis gelangen. Entsprechendes gilt für den technischen Bereich. Ist die Frage des Reaktortyps, etwa des „Schnellen Brüters" noch normierbar oder nicht. Ich bin also durchaus der Meinung, daß zwischen dem faktischen und dem normativen Verwaltungsvorbehalt nicht scharf getrennt werden kann, sondern beide miteinander zusammenhängen -, aber man muß doch auch sehen, daß der faktische Verwaltungsvorbehalt zunächst einmal ein tatsächliches Problem ist und nicht gleich mit normativen Maßstäben erfaßt werden kann. Viertens nun zur kommunalen Selbstverwaltung. Sie spielt in unserem Zusammenhang sicher eine gewichtige Rolle, ebenso übrigens die Hochschulautonomie. Aber die Selbstverwaltungsgarantie des Art. 28 Abs. 2 GG begründet keinen gesetzesfesten Bereich. Der Gesetzgeber kann auch die Selbstverwaltungsangelegenheiten normativ erfassen und regeln. Art. 28 Abs. 2 GG enthält sogar einen Gesetzesvorbehalt. Die Selbstverwaltung ist nach meiner Gliederung nicht unter dem Gesichtspunkt der Reichweite, sondern unter dem Gesichtspunkt der Dichte gesetzlicher Regelungen einzuordnen. Der Gesetzgeber muß, wenn er in diesem Bereich aktiv werden will, sich sehr viel mehr zurückhalten als sonst, er muß der Kommunalverwaltung einen Bereich eigener Verantwortung und Entscheidung belassen. Um es an einem Beispiel zu verdeutlichen: Die Feuerwehr ist unbestritten eine Selbstverwaltungsangelegenheit; das schließt aber nicht aus, daß der Gesetzgeber nicht nur die Unterhaltung einer Feuerwehr vorschreibt, sondern auch noch gewisse Modalitäten regelt. Die Selbstverwaltungsgarantie wirkt erst als Sperre, wenn es um die Ausgestaltung im einzelnen geht. Fünftens zu Art. 33 GG und zum öffentlichen Dienst. Es ist zuzugeben, daß sich daraus weitere Argumente gewinnen lassen. Ich habe das auch - allerdings nur kurz, wohl zu kurz - angedeutet, nämlich mit dem Hinweis, daß sich die Vollzugskompetenz u. a. auch aus der Ausstattung der Verwaltung ergibt; bei der Ausstattung dachte ich nicht nur an die sachliche, sondern auch - und sogar in erster Linie - an die personelle Ausstattung, also die Fähigkeiten, den Sachverstand und das Leistungsvermögen der Verwaltung. Andererseits darf Art. 33 GG in diesem Zusammenhang nicht überschätzt werden. Der Sachverstand der Verwaltung bildet keinen Rechtstitel, der Zuständigkeiten begründen oder gar Zuständigkeiten anderer Organe, etwa des Parlaments, zurückdrängen könnte. Daraufhat Herr Schnapp zu Recht hingewiesen. Zudem darf keine falsche Frontstellung zwischen der sachverständigen Verwaltung und dem politisch agierenden Parlament aufgebaut werden, denn einmal kann auch dem Parlament nicht einfach der Sachverstand abgesprochen

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werden, und zum anderen bringt die Exekutive über die Gesetzesinitiative sowie über die Beantwortung von Anfragen usw. ihren Sachverstand in die politische Entscheidung des Parlaments ein. Letztlich läuft der Hinweis auf Art. 33 GG auf den faktischen Verwaltungsvorbehalt hinaus, da bestimmte Aufgaben schon aus tatsächlichen Gründen nur von der entsprechend ausgestatteten Verwaltung wahrgenommen werden können. Sechstens ist verschiedentlich, zuletzt noch einmal nachdrücklich von Herrn Ipsen, das Wesen und der Auftrag der Verwaltung als Ausgangspunkt herausgestellt worden. Das zielt, wenngleich grundsätzlicher, in die Richtung der Voten zum faktischen Verwaltungsvorbehalt. Die allgemeine Einschätzung der Verwaltung teile ich voll. Das von Herrn Ipsen gezeichnete Bild von der Verwaltung in einem Käfig mit Maschendraht und gewissen Auslaufbereichen entspricht nicht meinen Vorstellungen von der Verwaltung. Nur betrifft unser Thema nicht die Verwaltung im allgemeinen, sondern die Frage, ob ihr - etwa dem Parlaments- oder Richtervorbehalt vergleichbar - bestimmte Bereiche ausschließlich vorbehalten sind. Diese Frage läßt sich m. E. nicht mit allgemeinen Hinweisen auf die Bedeutung der Verwaltung beantworten, sondern bedarf einer spezifischen, vor allem verfassungsrechtlichen Untersuchung, aber auch begrifflicher Vorklärungen, um Mißverständnissen bezüglich des Untersuchungsgegenstandes vorzubeugen. Im Blick auf die Verwaltungswirklichkeit bin ich vielleicht auch etwas optimistischer: Die Verwaltung braucht nicht unbedingt verteidigt zu werden, da sie ihren Auftrag ohne ernsthafte Beeinträchtigung durchführen kann und auch durchfuhrt. Abschließend darf ich noch die Beiträge von Herrn Wielinger und Herrn Fleiner erwähnen, die interessante Ergänzungen in rechtsvergleichender Sicht brachten. Wertvoll sind vor allem die Hinweise auf die Vereinigten Staaten von Amerika, auf Frankreich und auf England, da dort die Verhältnisse aufgrund der unterschiedlichen verfassungsrechtlichen Grundlagen ζ. T. erheblich anders liegen als bei uns. Vorsitzender: Schönen Dank Herr Maurer. Herr Schmidt-Jortzig, Sie haben vorhin beide Arme gehoben, wie darf ich das verstehen? Schmidt-Jortzig: Herr Vorsitzender, ich komme nur noch quasi mit einer Zwischenmeldung. Mir geht es darum, noch einmal etwas zum Zugriffsrecht des Parlaments in Sachen Buschhaus zu sagen, weil ich glaube, man muß fur die Beurteilung wohl doch einen Schritt weitergehen. Wir können es m. E. kaum ernstlich damit bewenden lassen, daß der Bundestag sich mit einer Angelegenheit wie Buschhaus nicht habe befassen dürfen. Zunächst: Ich glaube, als Ausgangstatbestand des Zugriffs-

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rechtes ist sicherlich unstreitig, daß sich das Parlament mit schlechthin jeder Sache beschäftigen kann, die es einer allgemeinen Erörterung für wert hält. Man könnte also, wenn man wollte, in Bonn selbst darüber diskutieren, daß und weshalb die deutschen Staatsrechtslehrer in Göttingen eine so breite Debatte zu diesem Thema gefuhrt haben. Bedeutsam ist dann nur, ob in der Angelegenheit auch eine organschaftliche Äußerung getan werden darf, erst an diesem Punkt wird es juristisch interessant, und zulässig wäre das sicherlich nur, wenn dafür effektiv eine Wahrnehmungszuständigkeit vorhanden ist. In Sachen Buschhaus nun besteht in der Tat eine Verbandszuständigkeit des Bundes, soweit es die Ausübung der Bundesbeteiligungen anbetrifft (hierzu hat Herr Ossenbühl schon alles Wesentliche gesagt), in anderen Umweltfragen womöglich auch, sofern der Bund Fachaufsichtsrechte hat und es um deren Ausübung geht. Solche Entscheidungen sind dann in Organzuständigkeit freilich Kompetenzen der vollziehenden Gewalt, d. h. hier der Regierung. Aber auch damit ist der Bundestag noch nicht aus jeder organschaftlichen Befassung heraus, denn gewiß kann sich das Parlament im Wege vorweggenommener parlamentarischer Kontrolle bereits eine Meinung darüber bilden, wie es politisch das, was die Regierung in ihrer Organzuständigkeit tun oder lassen wird, zu bewerten gedenkt. Nur so habe ich die Beschäftigung des Bundestages mit der Buschhausproblematik verstanden, nämlich deutlich zu machen, wie es nach seiner Auffassung aussehen müsse, wenn die Regierung ihre Organzuständigkeit in Übereinstimmung mit dem Parlament, d. h. entsprechend seiner politischen Ansichten, ausübt. Besten Dank. Vorsitzender: Schönen Dank Herr Schmidt-Jortzig. Eine Spontanmeldung von Herrn Schwabe. Schwabe: Eine kleine Anfrage noch an Herrn Maurer, nachdem ersieh in seinem Zwischenwort nicht gewendet hat gegen Herrn Starck. Dadurch bin ich ein bißehen irritiert. Herr Starck hatte ihm vorgeworfen, er hätte hier eine ganz neue Kategorie zwischen „verfassungsmäßig" und „verfassungswidrig" etabliert. Ich hatte ihn anders verstanden, und zwar viel plausibler, daß er gesprochen hat von Verfassungswidrigkeiten, die nicht zwingend zur Nichtigkeit fuhren. Und das ist, glaube ich, etwas Vernünftiges und in vielerlei Hinsicht ein vertrautes Phänomen, und ich würde ihn bitten, im Schlußwort da noch eine Klarstellung zu schaffen. Vorsitzender: Dankeschön Herr Schwabe. Herr Maurer hatte zum Schluß seines Zwischenwortes nochmal auf die Situation in Österreich hingewiesen. Ich habe noch von Herrn Raschauer und von Herrn Öhlinger eine Wortmeldung, die wir vielleicht jetzt vorziehen können.

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Raschauer: Kurz nur zur Klärung, damit da begrifflich nichts durcheinander geht: faktisch/normativ. Wir sprechen selbstverständlich nicht im Sinne eines politikwissenschaftlichen Seminars über die faktische Dominanz der Verwaltung in allen Bereichen der Staatsfunktionen, Gesetzgebung, auch Justizverwaltung usw., sondern wir sprechen selbstverständlich nur über das Normative, also was rechtlich gesollt ist. Und da jetzt ein Punkt, spezifisch aus österreichischer Sicht: Das ZugrifFsrecht des Gesetzgebers wird bei uns sehr umfassend verstanden, und das veranlaßt mich nämlich zu einer Abgrenzung gegenüber jenen Überlegungen von Herrn Lerche, die er Herrn Starck gegenübergestellt hat. Ich glaube, daß man aus der Verfassung nicht materienspezifische Verwaltungsvorbehalte in der Weise ableiten kann, daß es etwa dem Gesetzgeber verwehrt wäre, auf technische, wirtschaftliche oder eben auf pädagogische Einzelheiten in kasuistischer Weise zurückzugreifen. Wir würden dem Gesetzgeber selbstverständlich abraten, das zu tun, aber es wäre nicht gleich verfassungswidrig. Es wird aber oft verfassungswidrig sein, allerdings nicht sub titulo Verwaltungsvorbehalt, wenn der Gesetzgeber in kasuistischer Weise Sachverstand simuliert, der wahrscheinlich nicht gegeben sein wird. Das wird dann unter dem Sachlichkeitsgebot des Gleichheitssatzes sicher nicht zu halten sein. Herr Schnapp, Sie haben beginnend mit der These 10 versucht, das Problem des Zugriffsrechts verbal einzugrenzen, indem Sie den KompetenzbegrifF auf ein Gebot der Kompetenzwahrnehmung und ein Verbot der Kompetenzüberschreitung beschränkten mit dem Hilfsargument, sonst hätte das Parlament eine Kompetenz-Kompetenz. Nein, eine Kompetenz ist zunächst einmal eine Ermächtigung, und da darf es doch beliebig konkurrierende Ermächtigungen geben, ohne daß das das Geringste mit Kompetenz-Kompetenz zu tun hat. Und noch ein zweiter Punkt: Die österreichische Verfassung enthält einiges an Organkompetenzen, von den Staatsoberhauptfunktionen des Bundespräsidenten über die Selbstverwaltung der Gemeinde hinunter bis zu jenen der erstinstanzlichen Behörden. Es enthält darüber hinaus das von Herr Wielinger bereits angesprochene „selbständige Verordnungsrecht". So könnte man, und ich glaube, da würden Ihre Thesen weitgehend auch bei uns Zustimmung finden, von vielen Verwaltungsvorbehalten (im Plural) sprechen, die in der Verfassung verankert sind, wobei ich es eher zweifelhaft fände, wenn man die noch weiter ausquetschen wollte. Aber irgendwo ist in beiden Referaten der Gedanke der Gewaltenteilung zu kurz gekommen. Und vielleicht war es das - wenn ich ihn richtig verstanden habe -, was auch Herrn Ipsen irritiert hat. Wir haben ζ. B. auch Mitwirkungsbefugnisse, und die geben den Gewaltenteilungsvorstellungen der Verfassung doch viel eher Ausdruck. Wenn da steht, der Nationalrat darf das Budget genehmigen, darf Staatsverträge

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genehmigen, dann zeigt sich darin, daß das eigentlich Urrechte, Hausrechte der Verwaltung sind, wo der Nationalrat eben nur genehmigen darf, aber die Sache nicht an sich ziehen darf. Statt daß wir jetzt alle die vielen Verwaltungsvorbehalte, die gesetzesfest sind, noch länger verfolgen, hätten mich jene Verwaltungsvorbehalte interessiert, die auf einer Stufe darüber gewissermaßen verfassungsfest sind, die nämlich die Identität einer bestimmten rechtlichen Grundordnung eines Gemeinwesens ausmachen. Es hätte sich dabei der eine staatswesentliche Verwaltungsvorbehalt zeigen können. Das ist vielleicht der einzige Punkt, wo ich Ihnen, Herr Maurer, wirklich zentral widersprechen würde, wo ich energisch protestieren muß: ein Grundprinzip, wie das Gewaltenteilungsprinzip, ist nicht nur die Summe der Bestimmungen, die irgendwie darauf Bezug nehmen (These 11). Sie wissen nicht, was die Verwaltung ist, nachdem Sie das Grundgesetz gelesen haben. Und das würde ich übrigens auch der Zwischenrunde des Zweitreferenten entgegenhalten, der gemeint hat, zuerst müßte er den ganzen Normenapparat lesen, dann wüßte er, was Verwaltung ist und könnte von dort gewissermaßen zurückschließen; das geht nicht. Sie haben in einem anderen Zusammenhang ganz richtig gesagt, man sieht, was herauskommt, wenn ein Verfassungsorgan sich einer Sache bemächtigt, die nicht „seines Amtes" ist. Man sieht aber dieses „was seines Amtes ist" nicht nach der Lektüre des Grundgesetzes, sondern da muß man zuerst einmal eine Vorstellung haben, was seit Jahrzehnten als Verwaltung verstanden wurde und daher in den Verfassungen als „Staatsfunktion" vorausgesetzt ist. Vorsitzender: Schönen Dank, Herr Raschauer. Herr Öhlinger. Oldinger: Herr Vorsitzender, meine Damen und Herren. Wir haben es bei der heutigen Themenstellung mit einem Fragenkomplex zu tun, der sich im Grunde genommen genauso unter der österreichischen Verfassungsordnung stellt, zumindest wenn man das Thema so sieht, wie es Herr Maurer getan hat, und es erübrigt sich hier daher ein Länderbericht, in dem üblicherweise nur gesagt wird, daß bei uns alles anders sei und man dann in der Diskussion weiter gar nicht mehr darauf eingeht. Es würde sich hier sogar die seltene Gelegenheit zu einer überösterreichischen Diskussion ergeben, da ich Herrn Raschauer widersprechen könnte, aber das will ich dann doch wieder nicht tun, sondern auf einige Punkte eher marginaler Art der beiden Referenten eingehen. Aber zuvor möchte ich doch noch Herrn Maurer sagen, daß man sein Referat, mit natürlich terminologischen und gewissen sachlichen Modifikationen, aber im Prinzip genauso zur österreichischen Rechtsordnung hätte machen können. Ich würde nicht sehen, wie man es hier anders hätte machen können, aber das wird ihn wenig trösten, weil meine Meinung

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natürlich nicht annähernd jenes Gewicht hat wie die Gegenposition von Herrn Zacher. Auch in Österreich stellt sich - hier stimme ich Herrn Maurervölüg zu - in Wahrheit als Grundproblem nicht, wie man die Verwaltung vor dem Zugriff des Gesetzgebers schützt, sondern doch viel eher, wie man das Übergewicht der Verwaltung, das auf vielen faktischen Faktoren beruht, durch die Gesetzgebung rechtsstaatlich begrenzt, demokratisch kontrolliert usw. Nun zu drei kleinen Punkten: Zunächst, ganz kurz, zu dem von Herrn Maurer in Leitsatz 2 - ich glaube nur hypothetisch angenommenen Anliegen, über den Begriff des Verwaltungsvorbehaltes die Gesetzesflut allenfalls in den Griff zu bekommen. Ich meine, das ist ein Ansatz, der von vornherein zum Scheitern verurteilt wäre. Anstelle der Gesetze würden Verordnungen und Verwaltungsvorschriften treten, die an sich schon geringere Mechanismen einer Selbstbeschränkung aufweisen, als das zumindest noch im Gesetzgebungsprozeß der Fall ist. In einem Punkt möchte ich Herrn Schnapp widersprechen, und hier glaube ich, lassen sich dann doch wieder fundamentale Unterschiede zwischen herrschenden Tendenzen der Staatslehre der Bundesrepublik und Österreichs feststellen. Ich habe nie die in der Bundesrepublik offenbar weithin vertretene These verstanden, daß in der demokratischen Legitimation des Parlamentes und der Verwaltung oder der Regierung eigentlich kein Unterschied bestehe. Ich möchte nicht bestreiten - obwohl das einige meiner österreichischen Kollegen tun würden, ich erinnere Sie an die Arbeiten von Herrn Klecatsky aus den 60iger Jahren, die Sie vielleicht kennen -, ich will nicht bestreiten, daß die Verwaltung überhaupt keine demokratische Legitimation hat. Aber ich glaube doch, daß zwischen einer unmittelbaren Wahl durch das Volk und einer mittelbaren Wahl unter demokratischen Gesichtspunkten ein Unterschied besteht, und daß aus diesem Unterschied in Verbindung mit dem Vorrang des Gesetzes oder dem, was wir Legalitätsprinzip nennen, und man könnte auch noch die parlamentarische Verantwortlichkeit der Regierung erwähnen, sich doch ein gewisser Vorrang - ich würde nicht zögern zu sagen: eine Suprematie - des Gesetzgebers im Verhältnis zur Exekutive ergibt. Das heißt natürlich nicht, daß man mit diesem Vorrang klar der Verwaltung zugewiesene Kompetenzen überspielen kann. Aber dort, wo Zweifelsfragen über solche Kompetenzen bestehen, ist das doch, glaube ich, ein wichtiger Gesichtspunkt, der fur das Parlament spricht. Ich sehe mich hier im Einklang mit den Auffassungen in allen Ländern mit parlamentarischem Regierungssystem, auch etwa in Frankreich, wo, um diesen Punkt nur ganz kurz noch zu nennen, den Herr F/e/Vz^bereits angeschnitten hat, zwar die de Gaullesehe Verfassung einen conseil constitutionnel vorgesehen hat, um die Exekutive vor dem Gesetzgeber zu schützen, aber in Wahrheit der conseil constitutionnel sich als ein Organ entwickelt

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hat, das den der Gesetzgebung verbliebenen Bereich vor Übergriffen der Verwaltung schützt. Hier hat sich auch in Frankreich die parlamentarische Tradition durchgesetzt. Ich wollte noch zu einem dritten Punkt, der Kategorie des „verfassungsrechtlich Favorisierten, aber verfassungsrechtlich nicht Gebotenen", etwas sagen, den Sie, Herr Maurer, geprägt haben, aber hier kann ich voll Herrn Starck zustimmen; ich glaube, was Sie, Herr Maurer, unter diesem Stichwort abgehandelt haben, sind Ratschläge an den Gesetzgeber, seine Gesetze besser zu formulieren, aber nicht jeder Ratschlag ist deshalb, weil er gut ist, auch verfassungsrechtlich geboten. Danke. Vorsitzender: Dankeschön, Herr Öhlinger. Herr Mußgnug hat den nächsten Beitrag. Mußgnug: Ich möchte an den Begriff der Verantwortung anknüpfen, der schon in der ersten Runde unserer Diskussion verschiedentlich angesprochen worden ist, der es m. E. aber verdient, noch einmal aufgegriffen zu werden. Denn bei der Frage nach dem Vorbehalt der Verwaltung geht es im Grunde um nichts anderes als um die Kontrolle der Verwaltung durch das Parlament und die Gerichte. Die Gerichte nehmen die Verwaltung rechtsstaatlich in Verantwortung, das Parlament demokratisch. Die demokratisch-politische Verantwortung der Verwaltung gegenüber dem Parlament aber gerät ins Hintertreffen, wenn der Verwaltung jeglicher Spielraum für eigenbestimmtes und damit eigenverantwortetes Verhalten genommen wird. In letzter Konsequenz führt das zur totalen Ermessensschrumpfung auf Null. Legt das Gesetz auf den Punkt genau fest, was im konkreten Einzelfall zu tun und zu unterlassen ist, und fugen die Gerichte noch die Kommas hinzu, so bleiben der Verwaltung nur noch die Gänsefüßchen übrig, die alle ihre weniger plausiblen Entscheidungen vor der öffentlichen Meinung exkulpieren; denn sie zeigen auf, daß die Verwaltung nicht ihrem eigenen Entschluß gefolgt ist, sondern fremdbestimmt und daher - in einem etwas anderen als dem geläufigen Sinne dieses Wortes - unverantwortlich gehandelt hat. Vor allem wenn die Gerichte die Verwaltung zu sehr gängeln und im Verwaltungsermessen nur noch die Achillesferse des Rechtsstaats sehen, die durch Therapiemaßnahmen von ständig wachsender Kontrolldichte ruhig gestellt werden muß, nähern wir uns der Grenze Jenseits derer die Verwaltung gerade wegen ihrer lückenlosen Überwachung in Wahrheit unkontrollierbar wird. Die Gerichte neigen dazu, die Verwaltung durch ein Übermaß an rechtsstaatlicher Kontrolle zu binden; damit entziehen sie der nicht minder wichtigen parlamentarisch-demokratischen Kontrolle der Verwaltung den Boden. Das Überangebot an rechtsstaatlicher Kontrolle fuhrt mit anderen Worten zu einem Defizit an parlamentari-

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scher Verantwortung. Denn wie soll das Parlament über die Verwaltung wachen, wenn diese durch die Gerichte gelenkt wird, die ihrerseits unabhängig sind und daher dem Parlament keine Rechenschaft schulden. Aus diesem Grunde scheint mir die Einbindung der Verwaltung in ein allzu starres Korsett gesetzlicher Regelungen, die in den Referaten und der Diskussion für mein Empfinden zu sehr im Mittelpunkt gestanden hat, weniger bedenklich zu sein als das gegenwärtig zu beobachtende Vordringen der Gerichte auf dem Felde der Ermessenskontrolle. Der Regelungsfreude des Gesetzgebers sind Schranken gezogen. Macht er seine Sache schlecht, schlägt er die Verwaltung also in Bindungen, die zu inakzeptablen Resultaten führen, so hat es der Wahler in seiner Hand, dem abzuhelfen. Er kann sich einen anderen Gesetzgeber wählen. Tut er das nicht, so erhält er die Verwaltung, die er sich wünscht, oder - anders herum gesagt - die er verdient. Der Wähler kann auch auf die Verwaltung selbst Einfluß nehmen, weil die Gesetzgebung und Regierungsbildung in gleicher Weise dem Parlament anvertraut sind. Arbeitet die Verwaltung insuffizient, so können entweder das Parlament ihre Spitze oder der Wähler die für sie verantwortliche Parlamentsmehrheit abberufen und so für Remedur sorgen. Die eigentliche Gefahr liegt nach meinem Dafürhalten daher nach wie vor eher bei den Gerichten, die mit ihren Eingriffen in das Verwaltungsgeschehen in quasi-souveräner Unabhängigkeit zu weit gehen und sich so in die Verantwortung eindrängen, die die Verwaltung von Verfassungs wegen allein tragen muß. Wir befinden uns so auf dem Weg zu einem Rechtsstaatsüberschuß, der unter dem Aspekt der Demokratie betrachtet nachdenklich stimmt. Ich halte es gerade deshalb für eine dringliche Aufgabe der Staatsrechtslehre, sich mit dem Verwaltungsvorbehalt zu befassen und Klarheit nicht nur über seine Grenzen, sondern auch über seine doch gewichtige Bedeutung für die demokratische Seite des Rechtsstaats zu gewinnen. Die beiden Referenten haben das in anerkennenswerter Weise versucht. Ich bedaure jedoch, daß sie zu wenig konkrete Fragen aufgeworfen und zu wenig konkrete Beispiele zur Diskussion gestellt haben. Vielleicht können sie das in ihren Schlußworten nachholen? Dazu möchte ich einige Anregungen liefern: Sicher kann der Gesetzgeber die Verwaltungsorganisation regeln. Das liegt (trotz der Argumente, die Herr Schnapp dagegen ins Feld geführt hat) in seiner Kompetenz. Aber wie weit reicht die gesetzgeberische Organisationsgewalt im Detail? Darf der Gesetzgeber ζ. B. die Organisation der Regierungspräsidien ebenso festlegen, wie er dies im GVG für die Organisation der Gerichte getan hat? Darf er also etwa verbindlich festschreiben, daß in den Regierungspräsidien jedes Referat ähnlich wie die Senate der Oberlandes- und Oberverwaltungsgerichte mit einem Vorsitzenden und zwei oder vier Beisitzern zu besetzen ist? Oder ginge das

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zu weit? Wie steht es mit der Personalhoheit? Sie ist als solche sicher sakrosankt. Ein Einzelfallgesetz, das vorschreiben würde, eine bestimmte Person zum Leiter eines bestimmten Referats in einer bestimmten Behörde zu bestellen, wäre ohne Zweifel verfassungswidrig. Wie aber steht es mit beamtenrechtlichen Regelungen, die den Zugang und den Verbleib im öffentlichen Dienst von derart eng gefaßten Voraussetzungen abhängig machen, daß die Regierung bei der Ausübung ihrer Personalhoheit nur noch unter ganz wenigen Kandidaten wählen kann und gerade auf diejenigen nicht zugreifen darf, die sie bevorzugt berücksichtigen möchte. Diese Frage wird nicht etwa bei der Einstellungsvoraussetzung der Verfassungstreue akut, die von der Mehrzahl aller Bewerber erfüllt wird. Sie kann aber Relevanz gewinnen, wenn ζ. B. drastische Herabsetzungen des Pensionierungsalters die Bundesregierung und die Landesregierungen dazu nötigen, die erfahreneren Beamten vorzeitg in den Ruhestand zu verabschieden, um sie durch allzu junge, dem betreffenden Amt noch nicht hinreichend gewachsene Nachwuchskräfte zu ersetzen. Eine unüberlegte Verlängerung der Lebensarbeitszeit der Beamten hätte unter umgekehrten Vorzeichen den gleichen der Personalhoheit abträglichen Effekt. Bei den Gesetzen, die Prozesse dadurch beenden, daß sie die noch fehlende gesetzliche Ermächtigung während ihres Laufes nachschieben - Herr Schnapp hat von ihnen gesprochen sehe ich allerdings keinen Grund zum Einhaken. Eine verfahrene Sache durch Gesetz in Ordnung zu bringen, ist ein normales, mitunter sogar besseres Verfahren als das andere, diese Aufgabe den Richtern zu übertragen und sie bei ihrer Erfüllung im Stich zu lassen. Daß der Gesetzgeber eine schief gelaufene Verordnung durch ein förmliches Gesetz aufheben oder korrigieren kann, halte ich darüber hinaus für ganz selbstverständlich. Die Rechtsverordnung bleibt schließlich eine Rechtsquelle zweiten Ranges, die das vorrangige Gesetzgebungsrecht des Parlaments unberührt in Geltung läßt. Fragwürdiger bleiben die leidigen Sperrvermerke im Haushaltsplan. Das Parlament kann seine haushaltsrechtlichen Bewilligungen zwar sicherlich sperren. Die Aufhebung der Sperre aber drängt zu Verhandlungen zwischen Exekutive und Legislative, die die Verantwortlichkeit der Exekutive für ihre Mittelverwendung schmälern. Hier bleibt noch manches zu klären. Gestatten Sie mir abschließend noch eine Spontanbemerkung, die ich vorhin unterdrückt habe, weil mich Herr Häberle gestern als Feind des Quereinstiegs apostrophiert und mir damit Selbstdisziplin aufeiegt hat. Zur Zügelung meines Spontaneitätsdranges gab mir Herr Selmer Anlaß. Ich furchte, er hatte mit seiner Forderung nach Aufnahme von Dispensklauseln in jedes Gesetz keine gute Idee. Die Verwaltung braucht zwar Ermächtigungen zur Dispensation. Aber darüber darf nicht vergessen werden, daß Gesetze, die es in ihrem letzten Paragraphen in das Eimes-

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sen der Verwaltungsbehörden stellen, ob ihre Vorschriften eingehalten oder beiseite geschoben werden sollen, keineswegs der Weisheit letzter Schluß sind. Der Gesetzgeber sollte seine Gesetze so sorgfältig durchdenken, daß sie ohne jede Ausnahme vollzogen werden können und dennoch in jedem ihrer Anwendungsfalle zu gerechten Ergebnissen fuhren. Dieses Ideal wird nicht immer zu erreichen sein. Aber der Gesetzgeber sollte es wenigstens anstreben, anstatt sich durch das großzügige Ausstreuen von Dispensklauseln selbst von seiner vornehmsten Aufgabe zu dispensieren, das, was er regelt, auch gut zu regeln. Das gebieten die von Herrn Starck mit Recht in Erinnerung gerufenen Gebote der Staatsklugheit. Vorsitzender: Schönen Dank, Herr Mußgnug. Herr Meyn hatte sich zu einem Spontanbeitrag gemeldet. Meyn: Ich habe Herrn Mußgnug, nehme ich an, richtig verstanden, wenn er eben dafür plädierte, daß die Verwaltung auch tatsächlich, rein faktisch, von größeren Tätigkeitsfeldern weiterhin Gebrauch macht, und hat dafür ins Feld geführt - unter allgemeinen verfassungsrechtlichen und verfassungsstrukturellen Gesichtspunkten -, daß im anderen Falle die Verwaltungsverantwortung nicht mehr durch parlamentarische Kontrolle realisiert werden kann. Ich habe mich bei ähnlichen Bemerkungen, die nicht nur in dieser Tagung gemacht worden sind, immer gefragt, wo eigentlich die parlamentarische Kontrolle stärker und intensiver wahrgenommen wird, als wenn die Entscheidung durch das Parlament selbst gefallt wird. Was soll das Parlament im Handlungsfalle der Verwaltung denn anderes tun als das, was es getan hätte, wenn es selbst Verantwortung durch Entscheidung und nicht durch nachträgliche oder begleitende Kontrolle wahrgenommen hätte. Ich glaube deshalb, daß damit ein Gewinn für die Kontrolle, die demokratische Kontrolle durch das Parlament, nicht gewährleistet ist. Danke. Vorsitzender: Dankeschön. Eine Replik von Herrn Mußgnug, wiederum spontan, diesmal ganz spontan! Mußgnug: Justament aus diesem Grunde sehe ich nicht die Gefahr beim Gesetzgeber, sondern bei den Gerichten. Deshalb stimme ich mit Ihnen, Herr Meyn, jedenfalls im Ansatz überein. Vorsitzender: Ich habe jetzt zu diesem Diskussionsabschnitt noch die Wortmeldungen von Herrn Meessen, Herrn Soell und Herrn Jörn Ipsen. Meessen: Ich habe den Eindruck gehabt, daß das Problem der Einzelfallgesetze etwas in der Annahme behandelt wurde, der Gesetzgeber

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laufe Gefahr sich zu verzetteln, so daß das politische Gewicht des Parlaments Schaden nehmen könnte. Ich bin nicht dieser Ansicht. Ich weise auf die USA hin. Der Präsident ist zwar Chief Executive, aber gerade die USA kennen eine große Anzahl von Einzelfallgesetzen, weil es dort auch Sinn macht, Einzelfallgesetze zu erlassen, wo oft die Mehrheiten im Kongreß wechseln und wo auch nicht immer die Parteien, denen der Präsident angehört, die Mehrheit haben. Ich glaube, daß auch bei uns Einzelfallgesetze an sich reizvoll wären für die Abgeordneten und dem politischen Gewicht des Parlaments zugute kämen. Wenn die Abgeordneten vor die Wahler treten und sagen, sie hätten sich an einer Novelle zur ZPO beteiligt, werden die Wähler tief beeindruckt sein und fragen: was ist mit der Ortsumgehung, warum ist sie noch nicht gebaut, und das Krankenhaus, und wie steht es - das war eines der wenigen Beispiele, die wir heute morgen gehört haben - mit der Eingangsstufe zu diesem oder jenem Gymnasium? Ein Abgeordneter, der sich populär machen will, kann das vor allem durch Einzelfallgesetze tun. Wenn diese Gesetze bei uns keine größere Bedeutung erlangt haben, so könnte dies, frage ich mich, vielleicht daran liegen, daß andere Abgeordnete auch irgendein Krankenhaus im Sinn haben und nicht mitziehen, oder es liegt - das wäre sehr bedauerlich - daran, daß die Abgeordneten vielfach auf den Verwaltungsprozeß unmittelbar einwirken und dies dem Wähler als ihre besondere Leistung verkaufen und von ihm honoriert bekommen. Ich sehe - und das ist meine Frage vor allem an Herrn Maurer- das Problem insgesamt daher eher als ein Problem des Gleichheitssatzes an. Der Gleichheitssatz enthält sowohl für die Beurteilung von Maßnahmegesetzen als auch für die Beurteilung von Individualgesetzen eine umfassende Aussage. Dies gilt auch für das Problem der, wie ich einmal ähnlich Ihrer These 18 formuliert habe (DÖV1970), „Vollziehungsgesetze" - ohne die Bildung dieses Begriffs allerdings mit dem Vorstand abgesprochen zu haben. Nun, ich würde sagen, daß auch die Vollziehungsproblematik zwar eine Rechtsstaatsproblematik ist - darin stimme ich Ihnen voll und ganz zu -, ob jedoch in einem Einzelfall einmal abgewichen werden kann, wie bei Eingemeindungen oder bei den Legalenteignungen des Deichordnungsgesetzes, ist doch wieder eine Frage des Gleichheitssatzes. Man vergleicht diesen Fall mit den sonstigen Fällen und fragt, ob es richtig war, für einmal davon abzusehen, die Verwaltung als rechtsstaatlich an sich gebotene Zwischeninstanz mit der Folge besserer Rechtsschutzmöglichkeiten einzuschalten. Insofern scheint es mir möglich, die Topoi, die wir beiden Referaten entnehmen können, als Topoi der Sachgerechtigkeit im Rahmen einer Prüfung nach Art. 3 anzusehen, und ich meine, daß hier auch der Buschhausfall angeführt werden könnte: Wenn die Planungsgrundlagen im Augenblick der Entscheidung geändert werden, dann ist das sicher nach Art. 3 kritisch zu beurteilen. Wenn aber eine Rechtferti-

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gung gefunden werden kann, so sehe ich nicht, warum der Bundestag in diesem Fall nicht durch eine Änderung der Planungsgrundlagen hätte tätig werden können. Wenn der Gesetzgeber der Ansicht ist, daß eine Entwicklung aufgrund eines früher erlassenen allgemeinen Gesetzes droht, die nicht mehr mit seinem politischen Willen übereinstimmt, kann er Einhalt gebieten. Unter Umständen können damit Haftungsfolgen verbunden sein. Vorsitzender: Schönen Dank, Herr Meessen. Ich habe eine Spontanmeldung von Herrn Goerlich. Goerlich: Nach der Äußerung von Herrn Meessen habe ich mich doch entschlossen, etwas zu sagen unter dem Stichwort „Wilhelmsburg", d. h. zu VG Hamburg Beschl. v. 27. Juli 1984 - 3 VG 1898/84 (best. v. OVG Hamburg), nachdem Herr Meessen das Stichwort „Legalenteignung Hamburger Deich" aufgenommen hatte. Ich möchte, Herr Vorsitzender, meine sehr verehrte Frau Staff und meine Herren, hervorheben, daß beide Entscheidungen rechtsschutzorientiert sind. Dies gilt für die Ihnen allen bekannte Entscheidung „Hamburger Deich", wie Herr Ossenbühl schon ausgeführt hat mit dem Hinweis, daß sie mit unserem Thema sehr wenig zu tun hat. Dies gilt auch für die genannte Entscheidung des VG Hamburg, an der ich nicht mitgewirkt habe; ich gehöre aber dem Gericht an und darf berichten: Auch dieser Eilbeschluß ist rechtsschutzorientiert; er hat mit dem „Verwaltungsvorbehalt" nichts im Sinn, er weist solche Gesichtspunkte ausdrücklich zurück. Der Eilbeschluß zieht Art. 3 Abs. 1GG heran im Blick auf Art. 19 Abs. 4 GG, nachdem er Art. 19 Abs. 1 Satz 1 GG verneint. Die Orientierung an der Rechtsschutzgarantie war ausschlaggebend. Systemwidrig - um dieses Stichwort aus dem Referat von Herrn Schnapp aufzugreifen - war die Schließung der Eingangsstufe des Gymnasiums Wilhelmsburg durch förmliches Gesetz deshalb, weil alle anderen Gymnasiumseingangsstufen dem Schulgesetz gemäß im Wege der Verordnung geschlossen wurden; im Falle Wilhelmsburg wurde dagegen gezielt und lanciert, wie das Gericht feststellt, ein Gesetz aus der Mitte des Parlaments benutzt, um die Rechtsprechung des Hamburgischen Oberverwaltungsgerichts auszuhebeln; das geltende Schulgesetz, das eine Verordnung vorsieht, beläßt den Rechtsschutz. Der Rechtsschutz wurde ohne sachlichen Grund beseitigt für die betroffene, für dieses Gymnasium bereits angemeldete Personengruppe. Vielen Dank. Vorsitzender: Schönen Dank, Herr Goerlich. Herr Soell bitte.

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Soell: HcnMußgnug, ich stimme Ihnen zu, daß nicht jedes Gesetz einen Dispensationsvorbehalt haben sollte, aber es ist von Herrn Maurer und den meisten Vorrednern mit Recht gesagt worden, daß jedes Gesetz Mittel haben muß, um die Einzelfallgerechtigkeit sicherzustellen, sog. Ventilbegriffe, Generalklauseln, Ermessensbegriffe. Ich habe ja immer selbst auch die rechtsstaatliche Notwendigkeit einer Ermessensermächtigung betont, und ich kann Sie da nur unterstützen, Herr Maurer. Ich habe aber zugleich auch immer die teleologische Bindung des Ermessens der Eingriffsverwaltung hervorgehoben und teleologische Bindung meint nun, daß der Gesetzgeber der Verwaltung ein klares Zweckprogramm an die Hand geben muß. Herr Schnapp, und insofern bedarf m. E. Ihre These in Leitsatz 7 der Modifikation: Der Rechtsgedanke des Art. 80 Abs. 1 S. 2 enthält ja nicht nur eine rechtsstaatliche, sondern auch ein demokratische Komponente, nämlich die Führungsrolle des Parlamentes. Die hat Herr Bullinger schon vor Jahren einmal in diesem Kreise hervorgehoben. Eine solche Führungsrolle ist für die Gesetzesbindung an sich unverzichtbar. Man sollte also sagen, daß das Parlament eine Führungsrolle hat, aber keine Ausfuhrungsrolle, und insoweit der Verwaltung eben auch ein Restraum subjektiven Fürrichtighaltens im Ermessensbereich und bei der Anwendung unbestimmter Gesetzesbegriffe verbleibt und verbleiben muß. Zum Schluß ein Wort zur parlamentarischen Einflußmöglichkeit auf die Binnensteuerung. Herr Schnapp, Sie haben das ja angesprochen, und ich möchte auf Ihren Leitsatz 19 ganz kurz eingehen. Herr Mußgnug hat schon darauf hingewiesen, daß die Einflußmöglichkeit des Parlaments über das Haushaltsrecht nicht hervorgehoben worden ist, und man muß auch sagen, die Rechnungsprüfung ist hier nicht erwähnt worden, die ja auch eine Rückkoppelung zu der parlamentarischen Kontrollmöglichkeit hat. Nur ein Beispiel: ein Landesrechnungshof überprüft bei einer Universität auch die Personalausstattung und kommt zu der Auffassung, daß die Universitätsbibliothek zwanzig Personalstellen zuviel habe. Das wird dem Parlament dann mitgeteilt in dem Prüfungsbericht, und das Parlament wird sich entsprechend verhalten. Also hier gibt es sehr wohl auch auf die Personalpolitik der Verwaltung Einflußmöglichkeiten ganz erheblicher Art des Parlaments. Und schließlich, Herr Schnapp, noch ein Widerspruch gegen Ihre These 7c im Anschluß an Herrn Öhlinger: Die unmittelbar demokratische Legitimation des Parlaments bezieht sich nicht nur auf die personelle Zusammensetzung, sondern wirkt sich notwendig auch auf die Qualität der Akte des Parlaments aus, jedenfalls soweit sie in Gesetzesform ergehen. Und ein Folge davon - eine notwendige Folge ist die beschränkte Kontrollmöglichkeit der Gesetze durch die dritte Gewalt. In Frankreich war es ja Jahrzehnte so, daß die Gerichtsbarkeit

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überhaupt nicht die Verfassungsmäßigkeit von Gesetzen überprüfen konnte, weil es eben Emanationen des unmittelbar gewählten demokratischen Gesetzgebers waren. Vorsitzender: Schönen Dank Herr Soell. Meine Dame, meine Herren Kollegen, ich bitte um Verständnis, wenn ich angesichts der vorgerückten Zeit die Rednerliste schließen muß. Ich habe jetzt eine Spontanmeldung von Herrn Öhlinger. öhlinger: Nur einen Satz noch zur Ergänzung dessen, was jetzt gesagt wurde. Den Vorrang des Gesetzes als reines Derogationsproblem anzusehen, ist, glaube ich, auch verfehlt und verkennt die ganze geistesgeschichtliche Tradition dieser Figur. Danke. Vorsitzender: Dankeschön. Das war Herr Öhlinger aus Wien. Herr Ipsen, bitte. Jörn Ipsen: Herr Vorsitzender, meine Damen und Herren! Ich möchte mich in die Reihe derer einreihen, die in dem Verwaltungsvorbehalt, nicht in einzelnen - ganz zweifellos vorhandenen - Regierungsvorbehalten, keine verfassungsrechtlich bedeutsame Kategorie zu entdecken vermögen, und überdies meine Zweifel nicht unterdrücken - ich bitte um Nachsicht -, wieweit die Fragestellung nach Vorbehaltsbereichen der Verwaltung überhaupt fruchtbar ist. Selbst die zustimmenden Beiträge haben mich nicht eines besseren belehren können. Der Begriff des Vorbehalts - und hier knüpfe ich an die Zwischenäußerung von Herrn Maurer an, ebenso wie an die Äußerungen unserer österreichischen Kollegen - signalisiert herkömmlich eine gewisse Schutzbedürftigkeit. Der Eingriffsvorbehalt traditioneller Prägung schützte den Bürger, und auch dem erweiterten Parlamentsvorbehalt läßt sich eine Schutzfunktion Schutz nämlich vor ständigen Innovationen der Verwaltung - nicht absprechen. Wird diese Kategorie nun auf die Verwaltung selbst angewandt, so erscheint dies zunächst als ein paradoxes Unternehmen: begrifflich wird aus dem Schutz des Bürgers vor der Verwaltung ein Schutz der Verwaltung, aber vor wem? Im Verhältnis zum Gesetzgeber, und hier darf ich mich an eine ganze Zahl von Vorrednern anschließen, scheint es mir an einem irgendwie gearteten Schutzbedürfnis zu fehlen, denn die ständig präsente Verwaltung weist in dieser Beziehung keine Defizite auf. Nicht ein Funktionsverlust der Verwaltung ist ständig beklagt worden, sondern ein solcher der Parlamente. Man möchte angesichts der Wesentlichkeitstheorie und der vielfach beklagten Inhaltsleere gesetzlicher Normierungen auch zweifeln, ob man dem Grundgesetz den Auftrag zu einer Gesetzgebung entnehmen kann, die der Verwal-

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tung außer der ihr ohnehin zukommenden Einzelfallentscheidung weitere Handlungsspielräume zumißt. Auswirkungen könnte ein Verwaltungsvorbehalt deshalb nur im Verhältnis zur Rechtsprechung haben. Hier allerdings sollte der Versuchung widerstanden werden, durch vorgeblich im Grundgesetz zu verortende Vorbehalte der Verwaltung die Rechtsweggarantie in irgendeiner Weise in ihrer Bedeutung zu relativieren. Auf der Ebene des einfachen Rechts sind derartige Vorbehalte durchaus vorhanden und werden von der Rechtsprechung hinreichend respektiert. Über den Bereich der Planung und des Ermessens hinaus werden sich jedoch kein weiteren Anwendungsfalle ausmachen lassen. So kann die Themenstellung letztlich nur als Appell begriffen werden, der Verwaltung zu geben, was der Verwaltung - vorbehalten - ist. Manches ist hier sicher - und hier darf ich Herrn Starck zustimmen - mehr sinnvolle Praxis als verfassungsrechtlich geboten. Manches ist vielleicht auch nur Verwaltungsbegriff und nicht Verwaltungsvorbehalt. Bei allem anerkennungswerten Bemühen der Herren Referenten, diesen Bereich der Verwaltung auszuloten, fragt es sich m. E. doch, ob es im Verwaltungsbereich der Gegenwart nicht dringlichere Fragestellungen gibt. Eine letzte Bemerkung zu Herrn Schnapp. Die Gegenüberstellung von Parlament und Exekutive im Bereich der Personalhohheit und der hieraus destillierte Verwaltungsvorbehalt verlieren m. E. an Gewicht, wenn man bedenkt, wo die Personalentscheidungen wirklich fallen, nämlich in den Zentralen der jeweils regierenden Parteien. Vielleicht ist das eine Frage, die die Vereinigung gelegentlich beschäftigen sollte. Danke. Vorsitzender: Ich komme zum nächsten Schwerpunkt und habe dazu die Wortmeldungen von Herrn Battis und Herrn Wahl vorliegen. Battis: Ich hatte mich unter dem methodischen Gesichtspunkt gemeldet - verwaltungswissenschaftlicher Ansatz. Es freut mich, gerade an das, was Herr Ipsen gerade gesagt hat, anknüpfen zu können. Trotz der Vorbehalte für einzelne Verwaltungsvorbehalte, die Herr Schnapp herausgearbeitet hat, möchte ich überspitzt formulieren und sagen: der Verwaltungsvorbehalt ist als verfassungsrechtlicher Begriff tot. Es lebe der Verwaltungsvorbehalt als verwaltungswissenschaftliche Umschreibung der Verwaltungstätigkeit oder wie Herr Ipsen gerade gesagt hat, dessen, was der Verwaltung zukommt. Die verfassungsrechtliche Behandlung des Themas hat gezeigt, daß hier letztlich wenig Greifbares übrig bleibt. Herr Maurer, Sie haben zwar schon im ersten Teil Ihres Referates vom faktischen Verwaltungsvorbehalt gesprochen, ihn dann aber m. E. zu sehr zur Seite geschoben. In Ihrem Zwischenwort haben Sie dann aber, wie ich meine, die Dinge überzeugend zurecht gerückt. Hervorzuheben ist insoweit auch Ihre deutliche Aussage in These 18. Gleiches gilt für die These

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19 von Herrn Schnapp. Das einzige, worin ich Ihnen nicht zustimmen kann, Herr Kollege Maurer, ist - und das hat als erster Herr Ossenbühl angesprochen daß Sie die von Ihnen zwischen verfassungsrechtlichem und faktischem Verwaltungsvorbehalt unter dem Begriff der Verwaltungskompetenz gefundene Zwischenlösung primär über den Rückgriff auf den Rechtsschutz des Bürgers, Stichwort „Legalenteignung" u. ä., abgestützt haben. Ich glaube, das ist zu Recht angegriffen worden. Ein stärker verwaltungswissenschaftlicher Ansatz müßte sich frei machen von einem Begriff, der zu Anfang von beiden Referenten eingesetzt worden ist, nämlich dem gesetzesfesten Verwaltungsvorbehalt. Ich bin im Unterschied zu manchem Vorredner der Meinung, daß eigentlich alle die Beispiele, die hier gebracht worden sind, bis auf ganz wenige Ausnahmen, nicht gesetzesfest sind. Der Gesetzgeber könnte tatsächlich eingreifen. Aber das ist nicht das Hauptproblem, das ist bereits mehrfach angesprochen worden. Herr Wagener hat das in Bonn schon damals sehr deutlich gemacht mit dem Hinweis, daß Gesetze abgeheftet und nicht zur Kenntnis genommen werden, wenn es zu viele sind. Zum Verhältnis Verwaltungsgerichtsbarkeit/Verwaltung haben schon Herr Scholz und Herr Schmidt-Aßmann vor 9 Jahren einiges gesagt, was jetzt allmählich bei den Gerichten, wenn man an gewisse Äußerungen, etwa von Herrn Sendler denkt, vielleicht Frucht zu tragen beginnt. Ein verwaltungswissenschaftlicher Ansatz, der gerade in der Zwischenbemerkung von Herrn Maurer und in einigen Diskussionsbeiträgen deutlich geworden ist, müßte etwa zeigen, daß, worauf Herr Breuer schon hingewiesen hat, im Planungsrecht einfach faktische Grenzen bestehen, ebenso ζ. B. im Bereich der Personalhohheit bei der Anwendung des Personalvertretungsrechts. Ich glaube, die faktischen Grenzen bei der Anwendung des Personalvertretungsrechts sind eine viel wichtigere Grenze der Personalhoheit als das Verfassungsrecht. Erlauben Sie mir noch eine allerletzte Bemerkung, die bewegende Grußadresse von Herrn Jahrreiß bringt mich darauf. Auf der letzten Tagung der europäischen Rektorenkonferenz ist eine vergleichende Analyse der Hochschulautonomie in Europa vorgelegt worden mit folgendem Ergebnis: Verfassungsrechtlich am höchsten geschützt ist die Hochschulautonomie in der Bundesrepublik Deutschland. Faktisch die geringste Hochschulautonomie besteht eben in diesem Land. In England gibt es verfassungsrechtlich überhaupt keine Hochschulautonomie und de facto ist dort die Hochschulautonomie am ausgeprägtesten. Ich glaube also, daß der Ansatz, nur mit verfassungsrechtlichen Kategorien zu arbeiten, der Wirklichkeit der Verwaltung nicht gerecht wird. Die Verwaltung hatte in der monarchischen Zeit eine zusätzliche verfassungsrechtliche Legitimation. Die braucht sie heute nicht mehr. Sie ist eben de facto die stärkste Staatsgewalt. Ich danke ihnen.

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Vorsitzender: Dankeschön, Herr Battis. Herr Wahl bitte. Wahl: Ich kann mich im Anschluß an Herrn Battis kurz fassen, weil ich ähnlich argumentieren wollte. Wenn der Begriff Verfassungsvorbehalt präzise gebraucht wird, also nur die Befugnisse und Spielräume umfaßt, die der Gesetzgeber der Verwaltung nicht wegnehmen darf, dann kannin diesem Bereich das Wesen und die Substanz der Verwaltung, die vorhin von Herrn Ipsen und von anderen erfragt worden ist, nicht liegen. Denn bei der exakten Frage: was darf der Gesetzgeber aus verfassungsrechtlichen Gründen nicht regeln, kommen wir im Zweifel meist zu vorsichtigen Relativierungen und zu den Raum eines normativen Verfassungsvorbehaltes einengenden Ergebnissen. Das hat für mich die heutige Diskussion über die Einzelfallgesetze und auch zur kommunalen Selbstverwaltung gezeigt. Weil durch den Verwaltungsvorbehalt im Gegensatz zum Gesetzesvorbehalt nicht die Substanz der von ihm angesprochenen Staatsgewalt erfaßt ist, erscheint mir der Begriff des normativen Verwaltungsvorbehalts, wenn er beibehalten werden soll, ergänzungsbedürftig; deshalb möchte ich trotz der Einwände, die hier erörtert worden sind, dann für den Begriff des faktischen Verwaltungsvorbehalts im Sinne dessen, was Herr Battis eben dazu ausgeführt hat, plädieren. In der Staatspraxis regelt der Gesetzgeber ja keinesfalls total. Die Grenzen, auf die der Gesetzgeber stößt, sind jedoch in erster Linie sachliche Grenzen der Normierbarkeit. Diese Grenzen der Normierbarkeit sind aber nicht ihrerseits normativ bestimmt. Die Frage der sogenannten Gesetzesflut ist - da stimme ich Herrn Maurer zu - eine Frage der guten oder schlechten Gesetzgebung und nicht eine Frage verfassungsrechtlicher Direktiven. Aber aus sachlogischen Gründen, aus den Grenzen der Normierbarkeit und der Eigenart der Gesetzesdurchfuhrung ergeben sich notwendigerweise so viele Spielräume für die Verwaltung, daß ich mit Herrn Maurer meine, daß die Verwaltung nicht wirklich bedrängt ist. Schließlich besteht Gesetzesdurchfuhrung nicht nur im Nachvollziehen von Normen, sondern sie bedeutet mehr, nämlich die Verwirklichung der im Gesetz geregelten Aufgaben. Als solche umfaßt sie meist auch initiative und gestaltende Tätigkeiten. Bedrängt erscheint mir weniger die Verwaltung als ganze sondern eher die Verwaltung vor Ort, sie aber durch Vorschriften anderer Verwaltungs- oder Regierungsstellen, also durch die Verwaltungsvorschriften. Vorsitzender: Schönen Dank Herr Wahl. Wir kommen jetzt zum letzten Punkt: Einzelfragen. Ich habe Wortmeldungen vorliegen von Herrn Zuleeg, Herrn Wilke, Herrn Hufen und Herrn Loschelder. Zuleeg: Ich greife die Bemerkungen von Wen Maurer zum Regierungsvorbehalt auf und beziehe mich dabei auf die auswärtige Gewalt. Meine

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These ist: In diesem Bereich gibt es einen echten Vorbehalt, ich möchte ihn allerdings nicht Regierungsvorbehalt, sondern Exekutiworbehalt nennen, damit der Bundespräsident mit einbezogen wird. Ich wende mich nun gegen Ihre These, Herr Maurer, so sehr ich den anderen Thesen zustimmen kann, aber in diesem Bereich, glaube ich, können wir uns nicht mit einer diffusen Verschränkung begnügen: Parlament auf der einen Seite, Bundespräsident, Bundesregierung und dazugehörig auswärtiger Dienst auf der anderen Seite. Aufgrund der ausdrücklichen Normierungen in Art. 59 und insbesondere Art. 24 GG hat das Parlament die Möglichkeit, in Gestalt einer Zustimmung mitzuwirken, wir haben allenfalls dann noch eine Parlamentsdiplomatie, aber unverbindlicher Art. Jedenfalls hat der Begriff des Vorbehalts hier die Funktion, daß das Parlament vor der Notwendigkeit steht, im auswärtigen Bereich eine Ermächtigungsgrundlage in der Verfassung fur seine Tätigkeit zu suchen. Die Legitimation dieses Vorbehalts - dieses Stichwort haben Sie angesprochen - liegt m. E. in der Effizienz. Die Handlungsfähigkeit oder vielleicht noch besser gesagt: Verhandlungsfahigkeit des Parlaments nach außen wird von der Verfassung in Frage gestellt, daher die Konzentration bei der Exekutive. Ich möchte noch auf zwei Gesichtspunkte hinweisen. Es kann durchaus zu einem Streit um diesen Vorbehalt kommen. Das Verhalten des Bundestags bei der Zustimmung zum Grundlagenvertrag hat das gezeigt. Der Vorbehalt hat ganz erhebliche Auswirkungen, vor allem eine Entmachtung des Parlaments. Ich erinnere an die Befugnisse der Exekutive im Bereich der Europäischen Gemeinschaft. Dadurch, daß Recht auf europäischer Ebene ohne Beteiligung des nationalen Parlaments gesetzt wird, ist eine wesentliche Entscheidungsbefugnis auf die Exekutive übergegangen. Dankeschön. Vorsitzender: Schönen Dank, Herr Zuleeg. Herr Wilke bitte. Wilke: Wenn es auch keinen allgemeinen Verwaltungsvorbehalt gibt, so soll es doch spezielle Verwaltungsvorbehalte geben. Einen Vorbehalt möchte ich allerdings gegenüber Ihrem Verwaltungsvorbehalt in These Nr. 17 anmelden, Herr Schnapp. Danach genießt die Verwaltung einen gesetzesfesten Eigenbereich in dem Fall, daß der Gesetzgeber des Bundes oder des Landes eine organisationsrechtliche Verordnungsermächtigung erteilt. Dann soll nämlich ein Verbot parlamentarischer Ingerenz bestehen, und zwar wohl deshalb, weil durch einen Wechsel der staatlichen Handlungsform Willkür geübt werde und eine Rechtsschutzverkürzung stattfinde. Ich halte das nicht für richtig. Wenn der Gesetzgeber dem Verordnungsgeber eine organisationsrechtliche Verordnungsermächtigung erteilt und der Verordnungsgeber von ihr Gebrauch macht und organisationsrechtliche Vorschriften erläßt, dann ist es das gute

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Recht des parlamentarischen Gesetzgebers, diese Verordnungsnormen durch späteres organisatorisches Gesetzesrecht zu überlagern und zu verdrängen, abgesehen von Fragen des Vertrauensschutzes, die aber hier keine Rolle spielen. Hat der Verordnungsgeber dagegen von der ihm erteilten organisationsrechtlichen Verordnungsermächtigung keinen Gebrauch gemacht, ist er also säumig oder zögerlich, dann braucht der parlamentarische Gesetzgeber gleichfalls nicht abzuwarten, sondern kann ohne förmliche Aufhebung der Verordnungsermächtigung in Gesetzesform Normen erlassen, die auch der Verordnungsgeber hätte erlassen können. Das ist in beiden Fällen keine Frage der Willkür, und überdies hält sich auch die Rechtsschutzverkürzung in engen Grenzen: die einzige, die mir einfallt, ist, daß der § 47 VwGO im Landesbereich nicht zur Anwendung kommt. Aber es gibt keine Pflicht des Gesetzgebers, möglichst viele Verordnungsermächtigungen zu erlassen, damit möglichst viele Anwendungsfälle von § 47 VwGO entstehen. Deshalb stelle ich Ihnen die Gegenthese entgegen: Eine Verordnungsermächtigung bindet den Gesetzgeber selbst nicht, oder man kann es auch anders ausdrücken, es gibt keinen Bestandsschutz für Verordnungsermächtigungen. Vorsitzender: Schönen Dank, Herr Wilke, Herr Hufen dann bitte. Hufen: Herr Vorsitzender, meine Herren Kollegen. Es hat mich überrascht, in welcher Breite, ja fast Ausschließlichkeit, das Thema „Verwaltungsvorbehalt" hier aus verfassungsrechtlicher Sicht behandelt worden ist. Ich möchte demgegenüber versuchen, einen verwaltungsrechtlichen Akzent zu setzen - und dies in einem Feld, das beide Referenten dem Arkanbereich des Verwaltungsvorbehalts zugerechnet haben. Ich meine den Bereich der unmittelbaren „Binnensteuerung" der Verwaltung, der natürlich eng mit Stichworten wie Organisationsgewalt, interne Vorbereitung des Verwaltungshandelns usw. zusammenhängt. Herr Schnapp hat in seiner These 18 ausgeführt, daß das außenwirksame Verwaltungsverfahren legislativ besetzt sei, während sich der Verwaltungsvorbehalt nur auf die administrative Binnensteuerung erstrecke. Herr Maurer formuliert diese Abgrenzung ganz ähnlich. Erweitert man die Fragestellung über den legislativen Aspekt hinaus, so wird man diese These auch so verstehen können, daß das außenwirksame Verwaltungsverfahren potentiell von subjektiven Rechten des einzelnen Bürgers auf Verfahrens-, Organisations- und ähnliche Aspekte besetzt sein kann, so weit es eben außenwirksames Verfahren und nicht lediglich Binnensteuerung ist. Damit aber ergibt sich das Problem, daß sich die schon immer schwierige Abgrenzung zwischen Binnensteuerung und Außenwirksamkeit gerade durch die Entwicklung der letzten Jahre ins nahezu Undefinier-

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bare verschoben hat. Insbesondere haben sich die Reichweite subjektiver Rechte des Einzelnen und der Rechtskreis potentiell Betroffener immer mehr in jenen Binnenbereich hinein erweitert - und dies zumindest teilweise mit der Folge gerichtlicher Sanktionierbarkeit. Dazu nur wenige Stichworte: Es gibt zwar kein Recht auf den gesetzlichen Verwaltungsbeamten, aber es gibt subjektive Rechte auf die Einhaltung der Zuständigkeitsregeln, und dies nicht nur in örtlicher und sachlicher Hinsicht, sondern auch im Hinblick auf die instantielle Zuständigkeit, auf die Sachund Personennähe der Behörde, auf die Heilung bestimmter Verfahrensmängel bei der Ausgangsbehörde statt bei der sachferneren Widerspruchsbehörde usw. Zweites Beispiel: Wir sind daran gewöhnt, den internen Vorbereitungs- und Informationsprozeß der Verwaltung zu deren „res internae" zu rechnen. Nun wissen wir aber nicht erst seit dem Völkszählungsurteil des Bundesverfassungsgerichts, daß die Verwaltung auch in diesem Stadium mit personenbezogenen Informationen keineswegs so umgehen kann, als betreffe deren Erhebung, Speicherung, Weitergabe und Verwertung wirklich nur ihren Arkanbereich. Drittes Beispiel: Die Amtshilfe, für die wir vor einem neuen Schub gesetzlicher Regelungen stehen und für die immer mehr in Frage gestellt ist, ob es sich hier um Vorgänge im Binnenbereich der Verwaltung handelt, oder ob der Trend nicht auch hier in Richtung subjektiver Rechte des Einzelnen auf oder gegen bestimmte Maßnahmen geht. Fazit: Wir erleben ein immer deutlicheres „Hinauswandern" von Verwaltungsentscheidungen aus dem vermeintlichen Binnenbereich in die Außenbereiche des Verwaltungsrechtsverhältnisses, oder man kann es auch umgekehrt sagen: Ein immer deutlicheres „Hineinwandern" der subjektiven Rechte in den Verwaltungsinnenbereich und die interne Vorbereitung der Entscheidungen. Das alles kann man begrüßen, oder man kann es ablehnen. Jedenfalls muß man unter dem Thema ,yerwaltungsvorbehalt" die rechtsdogmatischen Konsequenzen im Auge behalten. Dann zeigt sich deutlich, daß die Probleme nicht mehr durch eine geometrische Abgrenzung von Binnen- und Außenbereich lösbar sind und die neuen und zugleich alten Weichenstellungen in Richtung auf die Reichweite des subjektiven Rechts, die Neudefinition des öffentlich-rechtlichen Rechtsverhältnisses und - immer wieder - auf das Problem der Freiheit oder Bindung der Verwaltung im Bereich des Verwaltungsverfahrens gehen. Vielen Dank. Vorsitzender: Schönen Dank, Herr Hufen. Herr Loschelder bitte. Loschelder: Herr Vorsitzender, sehr verehrte Herren Kollegen! Ich hatte mich vor allem deswegen unter diesem letzten Gliederungspunkt zu Wort gemeldet, weil mir die Aspekte, zu denen ich mich äußern wollte, für einen der früheren Diskussionsabschnitte zu heterogen schienen.

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Nach dem Verlauf der Erörterungen heute nachmittag frage ich mich allerdings, ob darin nicht gerade ein Charakteristikum des Gegenstands liegt. Ich bin zwar keineswegs der Meinung, daß man es beim „Verwaltungsvorbehalt" nur mit einem faktischen Phänomen zu tun hat. Es sind durchaus normative Gehalte, denen man hier nachgeht. Andererseits glaube ich aber, daß es Jedenfalls beim gegenwärtigen Stand der Dinge, eher fruchtbar ist, sich auf einzelne Gesichtspunkte zu konzentrieren, einzelne „Verwaltungsvorbehalte" zu entwickeln. Ob sich daraus derVerwaltungsvorbehalt - als eine einheitliche, auf eine einheitliche Formel zu bringende Erscheinung - ableiten läßt, scheint mir, wenigstens bislang, noch nicht ausgemacht. Ich greife drei Beispiele heraus, die vielleicht beides deutlich machen: Über das erste ist, insbesondere zu Anfang der Diskussion, sehr eingehend gesprochen worden: das Verbot des Einzelfallgesetzes. Ich sympathisiere sehr mit dieser These, möchte das aber nicht mehr weiter vertiefen. Zumindest hat sich gezeigt, daß es sich um ein Thema handelt, das im vorliegenden Zusammenhang ergiebig ist, aber auch, daß es noch in verschiedener Hinsicht weiter vorangetrieben werden kann. Ein ganz anderer Ansatz läßt sich möglicherweise wie folgt gewinnen: Sie haben, Herr Maurer, in Ihrer letzten These die Auffassung vertreten, daß der Verwaltung von Seiten der Gesetzgebung keine Beengung drohe. Ich bin nicht sicher, daß das schlechthin so ist, jedenfalls wenn ich nicht von der Gesetzgebung als Funktion ausgehe, sondern vom Gesetzgeber als Organ. Es sind ja derzeit keine völlig theoretischen Fälle, daß - aus bestimmten Richtungen des politischen Spektrums - parlamentarische Instrumente gezielt eingesetzt werden, um Verwaltungsbereiche zu blokkieren - konkret gesprochen: daß beispielsweise parlamentarische Anfragen dazu dienen, die Referentenebene ganzer Ministerien in Atem zu halten. Ist es nun lediglich ein politisches Problem, wieweit die Verwaltung solchen Zumutungen Folge leistet, oder hat sie die Möglichkeit, sich auf eine Art „modalen" Verwaltungsvorbehalt zu berufen? Kann sie dem also auch rechtlich entgegenhalten, hier werde das parlamentarische Instrumentarium zu Lasten ihrer Funktionsfahigkeit mißbraucht? Ich bin mir darüber im klaren, daß die These vom „Vorbehalt der funktionsfähigen Verwaltung" sehr allgemein ist, daß sie der Strukturierung bedarf. Auch kann eine solche Strukturierung nicht deduktiv, allenfalls induktiv, durch Konkretisierung typischer Mißbrauchsmöglichkeiten gelingen. Der Versuch dazu muß jedoch unternommen werden. Denn die politischen Konsequenzen, wenn derartigen Ansinnen nicht entsprochen wird, sind zwar - natürlich - vom Minister, von der Regierung zu tragen. Diese darf dann aber wenigstens das Odium nicht treffen, gegen ihre verfassungsrechtlichen Pflichten verstoßen zu haben. Eine dritte Möglichkeit, über einen Verwaltungsvorbehalt nachzuden-

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ken, knüpft bei der Funktion von Gesetzgebung und Verwaltung für den Freiheitsschutz des Bürgers an. In dieser Hinsicht sind wir, glaube ich, zu selbstverständlich daran gewöhnt, den Gesetzgeber in der Rolle des Beschützers der Freiheit, die Verwaltung in der ihres Bedrohers zu sehen. Gerade in Zeiten einer Überproduktivität des Gesetzgebers muß man aber wohl auch die Frage stellen, inwieweit dessen aus großer Distanz erlassene, starre Regelungen nicht tendenziell Freiheit verkürzen, während die in der konkreten Situation reagierende Verwaltung - natürlich unter den Prinzipien von Verhältnismäßigkeit und Willkürverbot, aber nicht gesetzlich überformt - eher freiheitsfördernd tätig werden kann. Ich denke insbesondere, in Anknüpfung an Herrn Schnapps Ausführungen zum Verwaltungsbinnenbereich, an die Fälle, in denen sich der einzelne innerhalb der Verwaltung befindet, dort deren Aktivitäten in Person unterliegt. Mir scheint es zweifelhaft, daß zumal hier strikte Gesetze seiner Freiheit weiter helfen, als die lagegemäß handelnde, verfassungsgebundene, aber eben nicht gesetzlich festgelegte Verwaltung selbst. Vielen Dank. Vorsitzender: Schönen Dank Herr Loschelder. Mir liegen keine weiteren Wortmeldungen mehr vor, ich darf deshalb die Diskussion schließen und den Herrn Mitberichterstatter um sein Schlußwort bitten. Schnapp: Ich will, soweit erforderlich, noch auf einige Sachpunkte eingehen. Den Widerspruch von Herrn Raschauer zu meiner These 10, daß einer Wahmehmungspflicht auch ein Überschreitungsverbot entspreche, habe ich nicht verstanden. Das ist ein Standardsatz des deutschen allgemeinen Verwaltungsrechts, und ich glaube nicht, daß Herr Bachof diesen fast wörtlich übernommenen Satz aus der nächsten Auflage seines Lehrbuchs streichen wird. Die Formulierung, daß das Parlament tun solle, was seines Amtes ist, habe ich in der Tat nicht dem Grundgesetz entnommen, sondern einem Leitartikel von Friedrich Karl Fromme. Was die Parlamentssouveränität und den Unterschied in der Legitimation angeht: Ich meine - das Grundgesetz bringt es deutlich zum Ausdruck -, die verfassungsrechtliche Legitimation der Gesetzgebung ist in Art. 20 verankert, die Legitimation der Personalbesetzung in Art. 38, wobei hinzukommt (Herr Ipsen, vielen Dank für den Hinweis, Herr Meyer hatte auch schon auf einer der letzten Tagungen darauf aufmerksam gemacht) die unvermeidbare Mediatisierung durch die Parteien, was den Gesichtspunkt der Legitimation des Parlaments - der unmittelbaren demokratischen Legitimation - noch etwas fragwürdiger macht. Bei aller Unterschiedlichkeit in der Legitimation von Verwaltung und Parlament: sie kann m. E. nicht durchschlagen auf Kompetenzfragen, dies auch zu Herrn Soell. Eine Führungsrolle hat das Parlament nur auf den zulässigerweise von ihm besetzten Gebieten. Art. 80 Abs. 1 besagt

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nichts über die Erstreckung des Gesetzesvorbehalts, und die andersartige Qualität der Parlamentsakte ergibt sich eben nicht aus der wie immer gewonnenen „Rolle" des Parlaments, sondern aus der normativ angeordneten Vorrangwirkung (Art. 20 Abs. 3) und aus der beschränkten Überprüfbarkeit nur am Maßstab der Verfassung. Das macht die Unterschiede in der Qualität der Parlamentsakte aus. Herrn Mußgnug kann ich im ersten Teil seines Beitrags nur zustimmen. Zu Ihren Fragen: Wie weit kann der Gesetzgeber im organisatorischen Bereich gehen, und wie weit kann er bei der Regelung der Beamtenernennungen und der Regelung der Voraussetzungen gehen? Das ist in den Verfassungen der Länder nachzulesen. Herr Schmidt-Aßmann hat bezüglich der ersten Frage einen längeren Beitrag in der Festschrift für Hans Peter Ipsen veröffentlicht. Man könnte also - es würde zu weit fuhren - die einzelnen Bestimmungen der Landesverfassungen aufzählen. Dankbar bin ich für den Hinweis darauf, daß in die Bereiche des Personalwesens natürlich noch das Budgetrecht, etwa die Probleme der Sperrvermerke, hineingehören. Das veranlaßt mich zu der allgemeinen Bemerkung, und insofern haben wir heute vielleicht zu sehr ein Trennungsdenken vorgeführt, daß es kaum ein staatliches Produkt gibt, an dem nicht eine Vielzahl von staatlichen Organen, Stellen, gesellschaftlichen Institutionen beteiligt ist. Herr Battis: Im Gegensatz zu Ihnen meine ich doch nachgewiesen zu haben, daß es gesetzesfeste Bereiche der Verwaltung gibt; und daß Gesetze abgeheftet werden, liegt nicht daran, daß sie mißachtet werden, sondern daran, daß Vörgesetztenanweisungen und Verwaltungsvorschriften Vörrangwirkung für den einzelnen Amtswalter „an der Front" haben. Zu Herrn Hufen schließlich noch: Zwei der von Ihnen angesprochenen Punkte wären einen eigenen Ausflug wert, nämlich die Wanderungen zwischen Binnen und Buten, wenn ich einmal so formulieren darf, ebenso die Frage der Grundrechtsrelevanz von Zuständigkeitsbestimmungen und organisatorischen Regelungen, wobei ich nur soviel sagen möchte, daß mir der Ausdruck der Grundrechtsrelevanz noch - ohne jetzt wertend zu werden - zu sehr im Vordergrund einer noch zu vertiefenden allgemeinen Grundrechtsdogmatik steht. Was schließlich die Amtshilfe angeht, so ist sie zu Recht durch Außengesetz geregelt, denn Amtshilfe ist zwar primär ein behördeninterner Verkehr, aber - denken Sie etwa an Geheimhaltungsvorschriften eine gesetzliche Regelung schien mir aus verfassungsrechtlichen Gründen auch da notwendig zu sein. Ich darf zum Schluß bemerken: Wenn ein Referent sich für diejenigen Beiträge bedankt, in denen ihm zugestimmt worden ist und in denen er Ergänzungen erfahren hat, dann entspringt das auch der Eitelkeit, der wir uns nicht entziehen können. Wenn ich mich bedanke für Widersprüche, dann insofern, als ich aus ihnen lernen kann. Ich danke auch - ich möchte

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das nicht unerwähnt lassen - für die rechtzeitige Übersendung oder Überlassung der Manuskripte oder Druckfahnen der Begleitaufsätze, die von uns nicht so verstanden worden sind, als seien sie Steinbrüche, aus denen wir uns einzelne Stücke für ein Mosaik heraussuchen können. Aber es waren immerhin an der einen oder anderen Stelle wertvolle Anregungen und auch Gelegenheiten zu Widersprüchen gegeben. Und schließlich bedanke ich mich insgesamt für alle Beiträge in der Diskussion. Vorsitzender: Ich darf dann Ihnen, Herr Maurer, das Wort geben. Maurer: Ich habe nur wenige Bemerkungen zum Abschluß, da ich mich durch die Diskussionsbeiträge der zweiten Runde im wesentlichen bestätigt fühle. Herr Schwabe hat zu Recht moniert, daß ich auf den Beitrag von Herrn Stare/: noch nicht eingegangen bin. Ich hatte die Antwort zurückgestellt, da ich noch weitere Stellungnahmen dazu erwartete. Inzwischen hat sich auch Herr Öhlinger kritisch geäußert. Es geht mir nicht, wie Herr Schwabe meint, um die Verfassungswidrigkeit, die nicht zur Nichtigkeit fuhrt, eine heute bekannte, wenn auch nicht unproblematische Erscheinung, sondern um eine neue Kategorie. Die Alternative zwischen verfassungsmäßig und verfassungswidrig wird den vielfaltigen Ansprüchen der Verfassung nicht voll gerecht. Es ist daher zu überlegen, ob man nicht innerhalb des Bereichs des noch Verfassungsmäßigen differenziert und das verfassungsrechtlich Geforderte herausstellt, das den verfassungsrechtlichen Intentionen näher steht und deshalb verfassungsrechtlich favorisiert wird. Die verfassungsrechtlich geforderte Lösung wäre dann zu bevorzugen, ohne daß die Alternative gleich verfassungswidrig ist mit allen den sich daraus ergebenden rechtlichen Konsequenzen einschließlich der evtl. rückwirkenden Nichtigerklärung. Dadurch könnte der Prozeß der (positiven) Verfassungsverwirklichung und Verfassungsentwicklung wesentlich gefördert werden. Eine ähnliche Funktion kommt ja u. a. auch - wenngleich in anderem Rahmen - den Sondervoten zu. Das verfassungsrechtlich Geforderte, die Verfassungsdirektiven oder Verfassungswerte, geben danach Anhaltspunkte für die zukünftige Gesetzgebung und die zukünftige Verfassungspraxis. Sie sind wegen ihrer verfassungsrechtlichen Relevanz auch mehr als das politische Postulat der Staatsklugheit, wenngleich sie sich im Ergebnis wohl weitgehend treffen. Die Bemerkung von Herrn Raschauer, daß sich nicht nur die Frage nach dem gesetzesfesten, sondern auch nach dem verfassungsfesten Verwaltungsvorbehalt stellt, weist in der Bundesrepublik auf Art. 79 Abs. 3 GG. Insoweit ließe sich vielleicht die Kernbereichstheorie aktivieren, obwohl ich kaum glaube, daß dabei viel Erfolg zu erwarten ist. Zweifel-

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haft erscheint ferner, ob die parlamentarische Kontrolle und die sich daraus ergebende Verantwortung der Exekutive für den Verwaltungsvorbehalt etwas hergibt, wie Herr Mußgnugandeutete; er selbst hat dies auch nach einer Replik von Herrn Meyn zu Recht im Verhältnis zum Gesetzgeber relativiert. Die Frage des Einzelfallgesetzes ist von Herrn Meessen noch einmal aufgegriffen worden. Ich stimme Ihnen zu, daß es sich in erster Linie um ein Problem des Gleichheitssatzes handelt, aber eben auch - und daraufkommt es mir im vorliegenden Zusammenhang an um ein Problem der Vollzugskompetenz der Verwaltung. Selbst wenn ein Einzelfallgesetz unter dem Gesichtspunkt des Gleichheitssatzes akzeptabel erscheint, könnte es doch die Vollzugskompetenz der Verwaltung unterlaufen und deshalb unzulässig sein. Im übrigen wird die Gleichheit gerade durch den generellen Charakter des Gesetzes gewährleistet. Die folgenden Diskussionsbeiträge kann ich nur unterstreichen, insbesondere auch die zwischen dem normativen und dem faktischen Verwaltungsvorbehalt differenzierenden Ausführungen von Herrn Battis und Herrn Wahl. Zu Recht betont Herr Wahl auch, daß sich die Substanz und das Wesen der Verwaltung nicht mit dem Begriff des Verwaltungsvorbehaltes erfassen lassen. Die grundsätzlichen Einwände gegen die Behandlung des Themas in der ersten Diskussionsrunde beruhen wohl zum Teil auch darauf, daß vom Verwaltungsvorbehalt zuviel erwartet wurde. Mit Herrn Zuleeg stimme ich im wesentlichen überein. Die auswärtige Gewalt fallt überwiegend in den Bereich der Regierung - im Blick auf den Bundespräsidenten und, wie noch hinzuzufügen wäre, im Blick auf den gesamten auswärtigen Dienst - sogar in den Bereich der Exekutive, aber doch nicht ausschließlich, weil, wie auch Herr Zuleeg nicht verkennt, das Parlament den außenpolitischen Verträgen gem. Art. 59 Abs. 2 GG zustimmen muß und auch sonstige Einwirkungsmöglichkeiten im außenpolitischen Bereich hat. Dankenswerterweise hat Herr Zuleegnoch auf einen europarechtlichen Aspekt hingewiesen. Ein entsprechender Machtzuwachs der Exekutive zu Lasten des Parlaments ist auch im bundesstaatlichen Bereich festzustellen, es sei nur an die Absprachen der Landesministerkonferenzen erinnert, die die Landtage de facto im wesentlichen hinzunehmen haben. Darauf möchte ich als Merkposten wenigstens noch hinweisen, nachdem ich diesen Komplex zunächst im Referat behandeln wollte, dann aber aus Zeitgründen fallen ließ. Herr Hufen hat auf die problematische Abgrenzung zwischen Außenbereich und Innenbereich hingewiesen. Ob die von ihm angenommene Grenzverschiebung zugunsten des Außenbereichs Konsequenzen für unser Thema hat, wäre noch genauer zu prüfen, zumal der Gesetzgeber schon immer in den Innenbereich eindringen konnte. Es spricht einiges dafür, daß der Arkanbereich der Exekutive enger wird; andererseits hat das

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BVerfG erst vor kurzem von dem auch von parlamentarischen Untersuchungsausschüssen grundsätzlich nicht ausforschbaren Initiativ-, Beratungs- und Handlungsbereich der Regierung gesprochen. Damit komme ich zum Schluß. Soweit ich auf einzelne Beiträge nicht oder nicht ausreichend eingegangen bin, bitte ich um Nachsicht. Es bleibt mir nur noch, Ihnen für die Diskussion ganz herzlich zu danken, die mir nicht nur viele Aufschlüsse vermittelt hat, sondern auch in meinen Überlegungen weiterführen wird. Vorsitzender: Schönen Dank, Herr Maurer. Sehr verehrte gnädige Frau, meine Herren Kollegen, ich darf bei aller geziemenden Zurückhaltung vielleicht noch ein ganz kurzes Nachwort zu der wiederholt apostrophierten Konzeption und Vorgabe des Vorstandes verlieren. Der Vorstand bei dieser Zusammensetzung darf das eigentlich nicht überraschen denkt prozeßhaft und nicht ergebnisorientiert. Er hat mit dem heutigen Thema einen Forschungsgegenstand zum Objekt der Bemühungen der Referenten und der Diskussion machen wollen, ohne damit konkrete Vorstellungen, Wünsche oder gar Dekretionen hinsichtlich des Ausgangs zu verbinden. Es wurde auch kein terminologischer Raster vorgegeben. Die Frage schließlich, ob es sich um ein verfassungsrechtliches oder um ein verwaltungsrechtliches Thema handelt, entscheidet sich in der Beantwortung der Frage, ob es auch Verwaltungsrecht im Grundgesetz gibt. Ich darf mich in Ihrer aller Namen, verehrte gnädige Frau und meine sehr verehrten Herren Kollegen, bei den Herren Referenten des heutigen Tages sehr herzlich für Ihre Referate bedanken. Ich darf diesen Dank erstrecken auf die Teilnehmer, aber auch auf die Zuhörer der heutigen Diskussion, und ich darf in diesen Dank unsere technischen Helfer einschließen, die doch zu unserer Erleichterung sehr beigetragen haben. Der Herr Vorsitzende hat jetzt noch ein Schlußwort. Rupp: Meine sehr verehrten Herren, auch ich danke Ihnen. Ich will kein Schlußwort sagen; vor allen Dingen ziemt es mir nicht, irgendwie inhaltlich Stellung zu nehmen. Allerdings bin ich ein wenig überrascht, daß auf die Thesen der Referate so wenig eingegangen worden ist. Ich hoffe aber, daß, wenn Sie nach Hause kommen, vor allem wenn Sie die Referate gedruckt vor sich liegen sehen, der eine oder andere sich die Frage vorlegt, ob es nicht doch die von Herrn Maurer oder von Herrn Schnapp angesprochenen speziellen Verwaltungsvorbehalte gebe, und ob es nicht vorschnell ist, die in dem Thema liegende Frage schlicht zu verneinen oder für unergiebig zu halten. Ich schließe damit die heutige Tagung und wünsche Ihnen allen, meine Herren, noch einen schönen Ausklang dieser Tagung, insbesondere bei dem morgigen Ausflug.

Verzeichnis der Redner

von Arnim S. 90 Bachof S. 107,127,217, 221 Badura S. 78 Battis S. 247 Breuer S. 220 Dagtoglou S. 120 Denninger S. 203 Erichsen S. 202 Fleiner-Gerster S. 211 Fromont S. 126 Fro wein S. 222 Goerlich S. 244 Grimm S. 81 Häberle S. 76 Haverkate S. 117 Hufen S. 251 H. P.Ipsen S. 108, 225 J. Ipsen S. 113,246 Isensee S. 111 Karpen S. 107 Kisker S.223 Lecheler S. 98,128 Leisner S. 79,105 Lerche S. 213 Loschelder S. 252 Maurer S. 231,256 Meessen S. 118,223,242 H.Meyer S. 123 Meyn S. 242 G.Müller S. 85 Mußgnug S. 239,242 Öhlinger S. 87, 237, 246 Oldiges S. 214

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Verzeichnis der Redner

Oppermann S. 82 Ossenbühl S. 205,222 Püttner S. 110 Raschauer S. 114,236 Rauschning S. 106,218 Rengeling S. 221 Ronellenfitsch S. 219 Rupp S. 258 Schmidt-Jortzig S. 97, 234 Schnapp S. 227,254 H.-R Schneider S. 101,106,107,132 Schwabe S. 235 Selmer S. 121,216 Soell S. 125,245 Staff S. 105, 111 Starck S. 207 Steinberg S. 122,220 Stern S. 94 Thieme S. 204 Tomuschat S. 127 Wahl S. 249 Wielinger S. 209 Wilke S. 250 Zacher S. 91,224 Zuleeg S. 249

Verzeichnis der Mitglieder der Vereinigung der Deutschen Staatsrechtslehrer Stand: 7.1.1985

Vorstand 1. Rupp, Dr. Hans Heinrich, o. Professor, Am Marienpfad 29, 6500 Mainz, (06131) 34588 2. Häberle, Dr. Peter, o. Professor Universität Bayreuth, Universitätsstraße, Postfach 3008, 8580 Bayreuth, (0921) 552947 3. Erichsen, Dr. Hans-Uwe, o. Professor, Falkenhorst 17,4400 Münster-St. Mauritz, (02 51) 31312 Univ. Münster, (0251) 832741 Mitglieder 1. Abelein, Dr. Manfred, o. Professor, Rheinweg 12, 5300 Bonn, (0228) 25692 (Universität Regensburg) 2. Abendroth, Dr. Wolfgang, Professor, Neuhauss-Str. 5, 6000 Frankfurt/M. 1, (069) 551526 3. Achterberg, Dr. Norbert, Professor, Küperweg 11, 4400 Münster, (02534) 7422; Univ., (0251) 832761 4. Adamovich, Dr. Ludwig, o. Professor a. D., Roosevelt-Platz 4, A-1090 Wien, (0222) 427395; dienstl., (0222)66162361 5. Alexy, Dr. Robert, Privatdozent, Düstere Eichen Weg 56,3400 Göttingen, (0551) 41187 Univ., (05 51) 397383 6. Antonioiii, Dr. Dr. h. c. Walter, o. Universitätsprofessor, Ottensteinstr. 35, A-2344 Maria Enzersdorf, (02236) 4509; (Universität Wien) 7. Armbruster, Dr. Hubert, o. ö. Professor, An der Allee 69, 6500 Mainz, (06131) 31950; Univ., (06131) 3923 84

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Vereinigung der deutschen Staatsrechtslehrer

8. Arndt, Dr. Hans-Wolfgang, o. Professor, Waldstr. 34,6730 Neustadt/Weinstraße (06321) 33385 Universität Mannheim (0621) 2925195 9. v. Arnim, Dr. Hans Herbert, o. Professor, Viehtriftstr. 126,6720 Speyer, (06232) 43663; Hochschule Speyer, (06232) 106343 10. Arnold, Dr. Rainer, o. Professor, Wolfsteinerstr. 14,8400 Regensburg, (0941) 99670; Univ., (0941) 9432654/5 11. Baade, Dr. Hans W, Professor, 6002 Mountain Climb Drive, Austin/Texas, USA, 78731, Tel. (512) 4 52 50 71 und 4 715151 12. Bachof, Dr. Dr. h. c. Otto, o. Professor, Auf dem Kreuz 3, 7400 Tübingen, (07071) 61144; Univ., (07071) 294910 od. 292549 13. Badura, Dr. Peter, o. Professor, Am Rothenberg Süd 4, 8113 Kochel am See, (08851) 5289 (Universität München) 14. Barbey, Dr. Günther, apl. Professor, Stallupöner Allee 22,1000 Berlin 19, (030) 3055703 15. Barfuß, Dr. iur. Dr. rer. pol. Walter, a. o. Universitätsprofessor, Tuchlauben 13, A-1014 Wien, (0222) 63 8761 16. Bartlsperger, Dr. Richard, o. Professor, Schleifweg 55, 8521 Uttenreuth, (09131) 59916; Universität Erlangen, (09131) 852818 17. Battis, Dr. Ulrich, Professor, Rummenohler Str. 91,5800 Hagen (02355) 2155; Fernuniv., (02331)8042917 18. Bayer, Dr. Hermann-Wilfried, Professor, Henkenbergstr. 45 a, 4630 Bochum, (0234) 791744; Univ., (0234)7005724 19. Becker, Dr. Jürgen, Privatdozent, Unterer Mühlenweg 75,7800 Freiburg, (0761) 445579; Univ., (07 61) 2 03 35 67 20. Berchtold, Dr. Klaus, Universitätsdozent, Bräunerstr. 4-6/22, A-1010 Wien, (0222) 531434 21. Berg, Dr. Wilfried, o. Professor, Waldsteinring 25,8580 Bayreuth, (0921) 93125; Univ., (0921) 552876

Vereinigung der deutschen Staatsrechtslehrer

22. Berka, Dr. Walter, Universitätsdozent, Birkenweg 2, A-5400 Hallein, (06245) 62552; dienstl.: Weiserstr. 22, A-5020 Salzburg, (06222/44511) 316 23. Bernhard, Dr. Rudolf, o. Professor, Gustav-Kirchhoff-Str. 2a, 6900 Heidelberg, (06221) 436 99; dienstl., (06221) 482-1 24. Bethge, Dr. Herbert, o. Professor, Am Seidenhof 10, 8390 Passau, (0851) 41697; Univ., (0851) 509197 25. Bettermann, Dr. Dr. h. c. Karl-August, ord. Professor, Alte Landstr. 173,2000 Hamburg 63, (040) 5384064; Univ., (040) 41234557 26. Birk, Dr. Dieter, o. Professor, Kinderhauser Str.6, 4400 Münster, (0251) 272982; Univ., (0251) 832795 27. Blankenagel, Dr. Alexander, Privatdozent, Univ. Bayreuth, Universitätsstraße, Postfach 3008, 8580 Bayreuth, (0921) 552946 28. Bleckman, Dr. Dr. Albert, o. Professor, Straßburger Weg 44, 4400 Münster, (0251) 796000; Univ., (0251) 832021 29. Blümel, Dr. Willi, o. Professor, Angelhofweg 65,6901 Wilhelmsfeld, (06220) 1880; Hochschule Speyer, (06232) 106362 30. Blumenwitz, Dr. Dieter, o. Professor, Herzog-Albrecht-Str. 26,8011 Zorneding, (08106) 2682; Universität Würzburg, (0931) 313 08 31. Böckenförde, Dr. iur. Dr. phil. Ernst-Wolfgang, o. Professor, Türkheimstr. 1, 7801 Au bei Freiburg, (0761) 405623; Universität Freiburg, (0761) 2033431 32. Böckstiegel, Dr. Karl-Heinz, Professor, Parkstr. 38, 5060 Bergisch-Gladbach, (02204) 66268; Universität Köln, (0221) 4702337 33. Bogs, Dr. Harald, Professor, Dresdener Str. 7,3406 Bovenden, (0551) 81595; Universität Göttingen, (05 51) 3973 92 34. Bothe, Dr. Michael, Professor, Mitobiusweg 8,3057 Neustadt/a. Rbge, (05032) 62524; Unversität Hannover, (0511) 762 8248 35. Breuer, Dr. Rüdiger, Professor, Heinrich-Brauns-Str. 4,5500 Trier, (0651) 21478; Univ., (0651) 716465

264

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36. Brohm, Dr. Winfried, o. Professor; Wydenmööslistr. 11, CH-8280 Kreuzlingen, (072) 751525; Universität Konstanz (07531) 882169/76 37. v. Brünneck, Dr. Alexander, Privatdozent, Blumenhagenstr. 5,3000 Hannover 1, (0511) 716911 Universität Hannover, (0511) 473 8228 38. Brünner, Dr. Christian, o. Universitätsprofessor, Rosengasse 9, A-8042 Graz, (0316) 44518; Univ., (0316) 31581/476 39. Brunner, Dr. Georg, o. Professor, Schloßstr. 7, 5014 Kerpen-Horrem, (02273) 4756; Univ. Köln, Ubierring 53, 5000 Köln 1, (0221) 315110 u. 315149 40. Bryde, Dr. Brun-Otto, Professor, Connollystr. 15, 8000 München 40, (089) 3512465; Hochschule der Bundeswehr München, Werner-HeisenbergWeg 39, 8014 Neubiberg (089) 6004/4240 oder 4241 41. Bülck, Dr. Hartwig, o. Professor, Hohe Roth, 6121 Schöllenbach (Hochschule Speyer) 42. Bull, Dr. Hans-Peter, o. Professor, Waldingstr. 35, 2000 Hamburg 65, (040) 6400433; dienstl. Univ. Hamburg, (040) 41235760 43. Bullinger, Dr. Martin, o. Professor, Altschlößleweg 4, 7801 Au bei Freiburg, (0761) 4023 89; Universität Freiburg, (0761) 2033516 44. Burmeister, Dr. Joachim, o. Professor, Blücherstr. 37, 6670 St. Ingbert-Rohrbach, (06894) 57583; Univ., (0681)3022128 45. v. Campenhausen, Dr. Frhr. Axel, Professor, Goßlenstr. 109, 3400 Göttingen; Univ., (0551) 397368 46. Carstens, Dr. Karl, o. Professor, Dechant-Kreiten-Str. 43,5309 Meckenheim, (02225) 2455 47. Dagtoglou, Dr. Prodromos, o. Professor, Hippokrates Str. 33, Athen 144/Griechenland, Universität Athen, 00 30/1/3 62 90 65 48. Degenhart, Dr. Christoph, Professor, Stormstr. 3,8500 Nürnberg 20, (0911) 592462; Univ. Münster, (0251) 839803 49. Delbrück, Dr. Jost, Professor, Schoolredder 20,2300 Kiel-Altenholz, (0431) 322558; Univ., (0431) 8802149

Vereinigung der deutschen Staatsrechtslehrer

50. Denninger, Dr. Erhard, Professor, Am Wiesenhof 1, 6240 Königstein 3, (06173) 78932; Universität Frankfurt, (069) 7982654 51. Dicke, Dr. Detlev Christian, o. Professor, Alpenstr. 919, CH-3178 Bösingen (Universität Freiburg/Schweiz) 52. Dittmann, Dr. Armin, o. Professor, Süsserstr. 34, 7400 Tübingen 9, (07071) 82456; Universität Hohenheim-Schloß, Postf. 700562, 7000 Stuttgart 70, (0711) 45 01 - 27 91 53. Doehring, Dr. Karl, o. Professor, Mühltalstr. 117/3, 6900 Heidelberg, (06221) 45880; Univ., (06221) 547454 54. Dolzer, Dr. Dr. Rudolf, Privatdozent, Am Pferchelhang 4/1, 6900 Heidelberg, (06221) 803344; Max-Planck-Institut für Völkerrecht, Berliner Str. 48, 6900 Heidelberg, (06221) 4821 55. Dreier, Dr. Ralf, o. Professor, Wilhelm-Weber-Str. 4, 3400 Göttingen, (0551) 59114; Univ., (0551) 397384 56. Dürig, Dr. Günter, o. Professor, Staufenstr. 9, 7400 Tübingen, (07071) 82508 57. Eberle, Dr. Carl-Eugen, Professor, Ohnhorststr. 22, 2000 Hamburg 52, (040) 828640 Univ., (040) 4123-3503 58. Ebsen, Dr. Ingwer, Privatdozent, Mühltalstr. 24, 6500 Mainz 21, (06131) 471169; Univ. Frankfurt (069) 7982917 59. Ehlers, Dr. Dirk, Professor, Am Mühlenbach 14, 4403 Senden, (02597) 8415; Universität Münster, (0251) 832745 60. Ehmke, Dr. Horst, o. Professor, Bundeshaus, 5300 Bonn 1, (0228) 163429 oder 164834 61. Eichenberger, Dr. Kurt, o. Professor, Bärenbrunnenweg 4, CH-4144 Arlesheim b. Basel, (061) 723386 62. Erbel, Dr. Günter, Professor, Moselweg 3,5300 Bonn 1; Univ., (0228) 735583

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Vereinigung der deutschen Staatsrechtslehrer

63. Erichsen, Dr. Hans-Uwe, o. Professor, Falkenhorst 17, 4400 Münster-St. Mauritz, (02 51) 31312; Universität Münster, (0251) 832741 64. Ermacora, Dr. Felix, o. Universitätsprofessor, Karl-Lueger-Ring, A-1010 Wien I, (0222) 427611; Univ., (0222) 43003145, Schottenbastei 10-16 65. Evers, Dr. Hans-Ulrich, o. Universitätsprofessor, Wolfsgartenweg 30, A-5020 Salzburg, (06222) 260203; Univ., (06222)44511/316 66. Faber, Dr. Heiko, Professor, Wunstorfer Str. 1,3007 Gehrden 1, (05108) 2234; Universität Hannover, (0511) 473 8206 67. Fiedler, Dr. Wilfried, o. Professor Holm 27,2300 Kiel-Rammsee, (0431) 65569; Univ. des Saarlandes, Fachbereich I, Im Stadtwald, 6600 Saarbrücken, (0681) 3023200 68. Fleiner-Gerster, Dr. Thomas, o. Professor, Le Riedelet 9, CH-1723 Marly FR, (037) 461261 69. Folz, Dr. Hans-Ernst, Professor, An der Haustatt 50,3550 Marburg, (06421) 63536; Univ. (06421) 283123/28 70. Frank, Dr. Götz, Professor, Friedrichstr. 52,3257 Springe 1; Universität Hannover, (0511) 4738208/8229 71. Friauf, Dr. Karl Heinrich, o. Professor, Eichenhainallee 17, 5060 Bergisch-Gladbach 1, (02204)61984 72. Fröhler, Dr. Ludwig, o. Universitätsprofessor, Altebergerstr. 39, A-4010 Linz-Urfahr 73. Fromont, Dr. Michel, Professor, 9, Impasse Henri Bouchard, F-21000 Dijon, (80) 574165; Univ., (80) 668134 74. Frotscher, Dr. Werner, o. Professor, Habichtstalgasse 32,3550 Marburg/Lahn, (06421) 32961 Univ., Universitätsstr. 6, (06421) 283122 75. Frowein, Dr. Jochen Α., ο. Professor, Berliner Str. 48,6900 Heidelberg 1 dienstl., (06221) 482-1 76. Funk, Dr. Bernd-Christian, o. Professor, Mariatroster Str. 111/3, A-8045 Graz, (0316) 31082; Univ., (0316)31581

Vereinigung der deutschen Staatsrechtslehrer

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77. Gallent, DDr. Kurt, Professor, Senatsrat, Pestalozzistr l/III, A-8010 Graz, (0316) 778962; dienstl, (0316) 73054 78. Gallwas, Dr. Hans-Ullrich, Professor, Hans-Leipelt-Str. 16,8000 München 40, (089) 328366; Univ., (089) 21803262 79. Geck, Dr. Wilhelm Karl, Μ. Α., ο. Professor, Privatweg, 6670 St. Ingbert-Reichenbrunn, (06894) 7326; Universität Saarbrücken, (0681) 3022105 80. Göldner, Dr. Detlef, Privatdozent, Wilhelmshavener Str. 20, 2300 Kiel, (0431) 81644 81. Görg, Dr. Hubert, o. Professor, Ellersberg, 5064 Rösrath, (02205) 2540 82. Goerlich, Dr. Helmut, Privatdozent, Dorotheenstr. 95,2000 Hamburg 60, (040) 2798706 dienstl. (040) 3497 - 3890 83. Götz, Dr. Volkmar, o. Professor, Geismarlandstr. 17a, 3400 Göttingen, (0551) 43119 84. Grabitz, Dr. Eberhard, o. Professor, Cosimaplatz 2,1000 Berlin 41, (030) 8522136; Univ., (030) 8384949 85. Grämlich, Dr. Ludwig, Privatdozent, Winterleitenweg lc, 8700 Würzburg, (0931) 881232; Univ., (0931) 31334 86. Grawert, Dr. Rolf, o. Professor, Aloysiusstr. 28,4630 Bochum 1, (0234) 473692; Univ., (0234)7002809 87. Grewe, Dr. Dr. h. c. Wilhelm G., o. Professor, Zum Kleinen Ölberg 28, 5330 Königswinter 41 (Thomasberg), (02244)6874; dienstl., (0228) 214160 88. Grimm, Dr. Dieter, o. Professor, Fahlenbreede 2,4802 Halle, (0 52 01) 102 40; Universität Bielefeld, (0521) 1064405 89. Gygi, Dr. Fritz, o. Professor, Beatusstr. 28, CH-3006 Bern, (031) 448638 90. Häberle, Dr. Peter, o. Professor, Universität Bayreuth, Universitätsstraße, Postfach 3008, 8580 Bayreuth, (0921) 552947 91. Häfelin, Dr. Ulrich, o. Professor, Müseliweg 1, CH-8049 Zürich, (01) 568460

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Vereinigung der deutschen Staatsrechtslehrer

92. Hahn, Dr. Hugo J., LL. M. (Harvard), o. Professor, Frankenstr. 63, 8700 Würzburg 1, (0931) 284286; Univ., (0931)31310 93. Hailbronner, Dr. Kay, o. Professor, Toggenbühl, CH-8557 Fruthwilen, (072) 641946; Universität Konstanz, (075 31) 882247 94. Haller, Dr. Herbert, a. o. Universitätsprofessor, Felix-Mottl-Str. 48 Haus 2, A-1190 Wien, (0222) 3 417214; Univ., (0222) 347541 95. Haller, Dr. Walter, o. Professor, Burgstr. 264, CH-8706 Meilen, (01) 9231014; Universität Zürich, (01) 2573003 96. Hangartner, Dr. Yvo, o. Professor, Am Gozenberg 2, CH-9202 Gossau, (071) 851511 97. Haverkate, Dr. Görg, Professor, Fürst-Pückler-Str. 70,5000 Köln 41, (0221) 401084; Universität Frankfurt/M. (069) 798-2703 98. Heckel, Dr. Martin, o. Universitätsprofessor, Lieschingstr. 3, 7400 Tübingen, (07071) 61427; Univ., (07071) 292971 99. Hellbling, Dr. Ernst C., o. Universitätsprofessor, Volksgasse 12, A-1130 Wien 13 100. Hendler, Dr. Reinhard, Professor, Karl-Methe-Str. 18c, 3400 Göttingen, (0551) 793194; Universität Konstanz (07531) 88-2755 od. 2328 101. Hengstschläger, Dr. Johann, Universitätsprofessor, Auf der Halde 16, A-4020 Linz; Univ., (07222)31381 102. Henke, Dr. Wilhelm, o. Professor, Laufer Str. 5, 8501 Rückersdorf, (09123) 2785 103. Herrmann, Dr. Günter, Professor, Weiherstr. 34, 5303 Bornheim 3, (02227) 5772 104. Herzog, Dr. Roman, o. Professor, Ludwigstr. 35, 7024 Filderstadt 1; dienstl, (0711) 20723100 105. Hesse, Dr. Dr. h. c. Konrad, o. Professor, Schloßweg 29, 7802 Merzhausen, (0761) 403811; Universität Freiburg (0761) 203 3514 106. Hettlage, Dr. Karl-Maria, o. Professor, Friedrich-Ebert-Str. 83,5300 Bonn-Bad Godesberg, (0228) 364361

Vereinigung der deutschen Staatsrechtslehrer

107. Frhr. v. d. Heydte, Dr. jur., Dr. rer. pol. Friedrich-August, o. Professor, Hagschneiderweg 1,8311 Aham-Vils (08744) 1064 108. Heyen, Dr. Erk Volkmar, Privatdozent, Landauer Warte 1, 6720 Speyer, (06232) 24748; Hochschule, (06232) 106322 109. Hilf, Dr. Meinhard, o. Professor, Schelpsheide 12,4800 Bielefeld 1, (0521) 889282; Univ., (0521) 106-4403 110. Hill, Dr. Hermann, Privatdozent, Rotdornweg 21,2303 Gettorf, (04346) 6714; Lorenz-von-Stein Inst, fur Verwaltungswissenschaften, Univ. Kiel, Olshausenstr. 40-60, Haus Ν 61c, 2300 Kiel, (0431) 8804540 111. Höhn, Dr. Ernst, o. Professor, Wiesenstr. 6, CH-9302 Kronbühl, (071) 255146 (Hochschule St. Gallen) 112. Hoffmann, Dr. Gerhard, o. Professor, Ernst-Lemmer-Str. 10/1,3550 Marburg 6-Wehrda, (06421)81645 113. Hoffmann-Riem, Dr. Wolfgang, Professor, Kätnerweg 24, 2000 Hamburg 65, (040) 6402478; Univ., (040) 41235416 114. Hofmann, Dr. Hasso, o. Professor, Christoph-Mayer-Weg 5, 8700 Würzburg, (0931) 873 88; Univ., (0931)31336 115. Hollerbach, Dr. Alexander, o. Professor, Parkstr. 8,7801 March-Hugstetten, (07665) 2251; Universität Freiburg, (07 61) 2 03 35 64 116. Hoppe, Dr. Werner, o. Professor, Linckensstr. 131,4400 Münster, (02501) 8227; dienstl., (02 51) 832703 117. Huber, Dr. Ernst Rudolf, o. Professor, In der Röte 2, 7800 Freiburg, (07 61) 5 3713 118. Huber, Dr. Dr. h. c. Hans, o. Professor, Mannenriedstr. 5, CH-3074 Muri b. Bern, (031) 520925 119. Hufen, Dr. Friedhelm, Professor, Römerauterrasse 5,8910 Landsberg/Lech, (08191) 39538; Universität Augsburg, (0821) 598429

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120. Ipsen, Dr. Hans Peter, o. Professor, Haus Opferberg, 2121 Raven/Post Soderstorf, (04172) 6670 121. Ipsen, Dr. Jörn, o. Professor, Luisenstr. 41,4550 Bramsche, (05461) 4496; Universität Osnabrück, (0541) 608-6158/6169; 122. Ipsen, Dr. Knut, o. Professor, Nevelstr. 59,4630 Bochum-Weitmar, (0234) 431266; Univ., (0234)7002820 123. Isensee, Dr. Josef, o. Professor, Weberstr. 98,5300 Bonn 1, (0228) 219166; Univ., (0228) 737983 124. Jaenicke, Dr. Günther, Professor, Waldstr. 13,6906 Leimen b. Heidelberg, (06224) 3571 (Universität Frankfurt) 125. Jahrreiß, Dr. jur., Dr. h. c. mult., Hermann, o. Professor, Nasse-Str. 30, 5000 Köln 41, (0221) 461553; Univ., (0221)4702266 126. Jakob, Dr. Wolfgang, o. Professor, Wilhelmstr. 25, 8000 München 40, (089) 390506 (Universität Augsburg) 127. Jarass, Dr. Hans D., LL.M., o. Professor, Kulmer Str. 12,4630 Bochum 1, (0234) 311291; Univ. Bochum, Postfach 102148, (0234) 7002818 128. Kaiser, Dr. jur., Dr. rer. pol. h. c. Joseph H., o. Professor, Rothofweg, 7813 Staufen i. Br., (07633) 5728; Universität Freiburg, (07 61) 2 03 35 67 129. Karpen, Dr. Ulrich, Professor, Hahnenstr. 19,5030 Huerth, (02233) 64690; Universität Hamburg 130. Kewenig, Dr. Wilhelm, o. Professor, Schützallee 37,1000 Berlin 37, (030) 8028487; Univ., (030)3032316 131. Κ hol, Dr. Andres, Universitätsprofessor, Cuviergasse 23, A-1130 Wien, (0222) 8415 73; dienstl, (0222) 831531 132. Kimminich, Dr. Otto, o. Professor, Killermannstr. 6, 8400 Regensburg, (0941) 32854; Univ., (0941)9432660

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133. Kipp, Dr. Heinrich, Universitätsprofessor, Lanserstr. 61, A-6080 Igls, (05222) 7209 134. Kirchhof, Dr. Paul, o. Professor, Am Pferchelhang 33/1, 6900 Heidelberg 1, (06221) 801447; Univ., (06221) 547457 135. Kirn, Dr. Michael, o. Professor, Rummelburgerstr. 5,2000 Hamburg 73, (040) 6473842; Hochschule der Bundeswehr (040) 65412782 136. Kisker, Dr. Gunter, o. Professor, Waldstr. 74,6301 Linden-Am Mühlberg, (06403) 61030; Universität Gießen, (0641) 7025025 137. Klecatsky, Dr. Hans R., o. Universitätsprofessor, Reithmannstr. 20, A-6020 Innsbruck, (05222) 467674; Univ., (05222)33601/733 138. Klein, Dr. Eckart, o. Professor, Ebersheimer Weg 35, 6500 Mainz, (06131) 53670 139. Klein, Dr. Hans Hugo, o. Professor, Heilbrunnstr. 4, 7507 Pfinztal-Söllingen, (07240) 7300 Universität Göttingen, (0551) 394625 140. Kloepfer, Dr. Michael, o. Professor, Südallee 37A, 5500 Trier, (0651) 41932; Univ., (0651)201-2556 141. Knemeyer, Dr. Franz-Ludwig, o. Professor, Unterdürrbacher Str. 353,8700 Würzburg, (0931) 96118; Univ., (0931)31899 142. Knies, Dr. Wolfgang, o. Professor, Am Botanischen Garten 5,6600 Saarbrücken 1; Univ., (0681)3022104 143. Knöpße, Dr. Franz, o. Professor, Höhenweg 22,8901 Leitershofen; Universität Augsburg, (08 21) 59 83 52 144. Koch, Dr. Hans-Joachim, Professor, Wendlohstr. 80, 2000 Hamburg 61, (040) 5518804; Univ., (040)41233977 145. König, Dr. Dr. Klaus, Professor, Wimphelingstr. 5,6720 Speyer, (06232) 5901; dienstl. Adenauerallee 141,5300 Bonn, (0228) 562300 146. Kopp, Dr. Ferdinand O., o. Universitätsprofessor, Innstr. 40, 8390 Passau

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Vereinigung der deutschen Staatsrechtslehrer

147. Korinek, Dr. Karl, o. Universitätsprofessor, Auhofstr. 225, A-1130 Wien, (0222) 8209153; Univ., (0222) 347541 148. Krause, Dr. Peter, o. Professor, Weinbergstr. 12, 5501 Korlingen, (06588) 7333 (Universität Trier) 149. Krawietz, Dr. Werner, o. Professor, Nienborgweg 29,4400 Münster, (0251) 861451; Univ., (0251) 832591 150. Krebs, Dr. Walter, o. Professor, Lortzingstr. 3, 4800 Bielefeld 1, (0521) 69739 Universität Bielefeld, Postfach 8640,4800 Bielefeld 1, (0521) 106-4386 151. Kriele, Dr. Martin, o. Professor, Richard-Wagner-Str. 10, 5090 Leverkusen 1, (0214) 51564; Universität Köln, (0221) 4702230 152. Kröger, Dr. Klaus, Professor, Hölderlinweg 14, 6300 Gießen-Wieseck, (0641) 52240 153. Krüger, Dr. Hartmut, Privatdozent, Freiherr-vom-Stein-Str. 5, 8400 Regensburg, (0941) 35406 Univ., (0941) 9432659 154. Krüger, Dr. Herbert, o. Professor, Philosophenweg 14,2000 Hamburg 50, (040) 8807934 155. Küchenhoff, Dr. Erich, Professor, Dachsleite 65, 4400 Münster, (0251) 247271; Univ., (0251) 832706/05 156. Kühne, Dr. Jörg-Detlef, Professor, Eichenweg 5,5204 Lohmar 1, (02246) 2550; Universität Köln (0221) 4703834 157. Lange, Dr. Klaus, Professor, Lilienweg 22,6302 Lieh 6 (Muschenheim), (06404) 5681; Universität Gießen, (0641) 7025019 158. Laubinger, Dr. Hans-Werner, Professor, Kl. Gailergasse 1,6720 Speyer, (06232) 79678 (Universität Mannheim) 159. Laurer, DDr. Hans Rene, Universitätsprofessor, Scheffergasse 27a, A-2340 Mödling, (02636) 20402; Universität Wien, (0222) 347544/419 160. Lecheler, Dr. Helmut, o. Professor, Würzburger Str. lOd, 8600 Bamberg, (0951) 54146; Universität Erlangen, (0 9131) 85 47 81

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161. Leisner, Dr. Walter, o. Professor, Kochstr. 2, 8520 Erlangen, (09131) 852259 162. Lerche, Dr. Peter, o. Professor, Junkersstr. 13,8035 Gauting b. München, (089) 8502088; Universität München, (089) 21803335 163. Link, Dr. Heinz-Christoph, Professor, Michaelisweg 4, 3400 Göttingen, (0551) 48657; Univ., (05 51) 394693 164. Lipphardt, Dr. Hanns-Rudolf, Professor, Zur Forstquelle 3, 6900 Heidelberg, (06221) 382312; Univ., (06221) 547440 165. Listl, Dr. Joseph, o. Professor, Alter Postweg 120, 8900 Augsburg, (0821) 598720 od. 598730 166. Löwer, Dr. Wolfgang, Privatdozent, Lotharstr. 3, 5300 Bonn 1 167. Lorenz, Dr. Dieter, o. Professor, Bohlstr. 21, 7750 Konstanz 18, (07533) 6822; Univ., (07531) 882530 168. Loschelder, Dr. Wolfgang, Professor, Am Ehrenmal 8, 5205 St. Augustin 3, (02241) 312316; Univ. Bochum, (0234) 7005263/7 169. Magiern, Dr. Siegfried, o. Professor, Wolkenburgstr. 6, 5204 Lohmar 21, (02206) 4993; Hochschule für Verwaltungswissenschaften Speyer, Freiherr-vom-Stein-Str. 2, 6720 Speyer, (06232) 910348 oder 910331 170. v. Mangoldt, Dr. Hans, Professor, Goetheweg 1,7401 Nehren, (07473) 7908; Universität Tübingen, (07071) 2933 02 171. Mantl, Dr. Wolfgang, o. Universitätsprofessor, Wiener Str. 256/XI/33, A-8051 Graz, (0316) 61306; Univ., (0316) 315 81/Nbst. 479 172. Martens, Dr. Wolfgang, o. Professor, Hohenzollernring 23,2000 Hamburg 50, (040) 41234454 173. Marti, Dr. Hans, a. o. Professor, Waldriedstr. 29, CH-3074 Bern, (031) 521266; dienstl., (031) 221683 174. Maunz, Dr. Theodor, o. Professor, Hartnagelstr. 3, 8032 Gräfelfing b. München, (089) 8543985 (Universität München)

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Vereinigung der deutschen Staatsrechtslehrer

175. Maurer, Dr. Hartmut, o. Professor, Säntisblick 10,7750 Konstanz 19, (0 75 33) 1312; Univ., (07531) 883657 176. Mayer, Dr. iur. Dr. rer. pol. Heinz, a. o. Universitätsprofessor, An der Goldenen Stiege 10/13, A-2340 Mödling, (02236) 60833; Universität Wien, (0222) 43003122, Schottenbastei 10-16, A-1010 Wien 177. Mayer-Tasch, Dr. Peter Cornelius, Professor, Am Seeberg 11, 8919 Schondorf, (08192) 668; Universität München, (089) 21803020/1 178. Meder, Dr. Walter, o. Professor, Buchweiler Str. 20,1000 Berlin 33, (030) 8311289 179. Meessen, Dr. Karl Matthias, Professor, Zobelstr. 18, 8900 Augsburg, (0821) 555989; Univ., (0821)598479/255 180. Meissner, Dr. Boris, o. Professor, Kleine Budengasse 1,5000 Köln 1, (0221) 239754 181. Melichar, Dr. Erwin, o. Universitätsprofessor, Schulerstr. 20, A-1010 Wien; Univ., (0222)43002268 182. Menger, Dr. Christian-Friedrich, o. Professor, Piusweg 108,4400 Münster, (0251) 278773; Univ., (0251) 832741 183. Merten, Dr. iur. Dr. rer. pol. Detlef, o. Professor, Von-Dalberg-Str. 8,6731 St. Martin, (06323) 1875; Hochschule Speyer, (06232) 910349 184. Meyer, Dr. Hans, Professor, Georg-Speyer-Str. 28, 6000 Frankfurt/M. 90, (069) 775794; Univ., (069)7983863 185. Meyn, Dr. Karl-Ulrich, Professor, Eckernwoort 13,2000 Hamburg 52, (040) 893234; Universität Osnabrück, (0541) 608-6136/6172 186. Mößle, Dr. Dr. Wilhelm, o. Professor, Schwindstr. 19, 8580 Bayreuth, Univ., (09 21) 552866 187. Morscher, Dr. Siegbert, Universitätsprofessor, Tschiggyfreystr. IIa, A-6020 Innsbruck, (05222) 86210 188. Mosler, Dr. Dr. h. c. Hermann, Professor, Mühltalstr. 117a, 6900 Heidelberg, (06221) 480381 189. Müller, Dr. Friedrich, o. Professor, Von der Tann Str. 15, 6900 Heidelberg 1; Univ., (06221) 547481

Vereinigung der deutschen Staatsrechtslehrer

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190. Müller, Dr. Georg, o. Professor, Sugenreben 356, CH-5015 Untererlinsbach, (064) 343873; Universität Zürich, (01) 2573003/4 191. Müller, Dr. Jörg Paul, o. Professor, Kappelenring 42a, CH-3032 Hinterkappelen, (031) 360570; Universität Bern, (031) 658894/5 192. Müller-Volbehr, Dr. Jörg, Professor, Universitätsstr. 6,3350 Marburg; Universität Marburg, (06421) 283810 193. Münch, Dr. Fritz, apl. Professor, Zur Forstquelle 2,6900 Heidelberg, (06221) 33599; Univ., (06221) 42133 194. v. Münch, Dr. Ingo, Professor, Hochrad 9,2000 Hamburg 52, (0 40) 8296 24; Univ., (040) 41234601 195. Murswiek, Dr. Dietrich, Privatdozent, Fasanenweg 6, 6602 Dudweiler, (06897) 761151; Univ. des Saarlandes, 6600 Saarbrücken 11, (0681) 3 02-2104 u. 3104 196. Mußgnug, Dr. Reinhard, o. Professor, Keplerstr. 40,6900 Heidelberg, (06221) 46222; Univ., (06221) 547466 197. v. Mutius, Dr. Albert, o. Professor Hof Altwasser, 2372 Brekendorf, (043 53) 515; Universität Kiel, (0431) 8803536 198. Nicolaysen, Dr. Gert, Professor, Bockhorst 68a, 2000 Hamburg 55, (040) 8701747; Univ., (040) 41234588 199. Novak, Dr. Richard, o. Universitätsprofessor, Thadd. Stammel-Str. 8, A-8020 Graz, (0316) 53516; Univ., (0316)31581/480 200. Obermayer, Dr. Klaus, o. Professor, Niendorfstr. 25, 8520 Erlangen, (09131) 87606 201. Oberndorfer, Dr. Peter, o. Universitätsprofessor, Wolfauerstr. 94, A-4045 Linz, (07222) 349694 202. Öhlinger, Dr. Theo, o. Universitätsprofessor, Grenzgasse 15/6, A-1130 Wien, (0222) 8854595; Univ., (0222) 43003144, Schottenbastei 10-16, A-1010 Wien 203. Oldiges, Dr. Martin, Professor, Am Vossberge 6,4800 Bielefeld, (0521) 121832; Univ., (0521) 1064399

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204. Olshausen, Dr. Henning, o. Professor, Frankenstr. 4,6710 Frankenthal; Universität Mannheim, (0621) 292-5597/5631 205. Oppermann, Dr. Dr. h. c. Thomas, o. Professor, Burgholzweg 122,7400 Tübingen, (07071) 49533; Univ., (07071) 292560 206. Ossenbühl, Dr. Fritz, Professor, Laurentiusstr. 50c, 5330 Königswinter 1, (02223) 4114; Universität Bonn, (0228) 73 5572/3 207. Papier, Dr. Hans-Jürgen, o. Professor, Neusiedler Weg 14,4904 Enger, (05224) 5202; Universität Bielefeld, (0521) 1064398 208. Partsch, Dr. Karl Josef, o. Professor, Frankenstr. 10, 6507 Ingelheim, (06132) 2264 (Universität Bonn) 209. Peine, Dr. Franz-Joseph, Professor, Stennerstr. 38,4800 Bielefeld 1, (0521) 886896; Univ. Hannover, Hanomagstr. 8,3000 Hannover 91, (0511) 4738227 210. Pemthaler, Dr. Peter, Universitätsprofessor, Philippine-Welser-Str. 27, A-6020 Innsbruck, (05222) 418284; Univ., (05222) 33601731 211. Graf von Pestalozza, Dr. Christian, o. Professor, dienstl.: Thielallee 52,1000 Berlin 33, (030) 8383014 212. Pieroth, Dr. Bodo, Professor, Am Erlenkamp 27,4630 Bochum, (0234) 704964; Univ., (02 34) 7 00 52 62 oder 7 00 52 52 213. Pietzcker, Dr. Jost, Professor, HausdorfFstr. 95,5300 Bonn, (0228) 233954; Univ., (0228) 739177 214. Pirson, Dr. Dietrich, o. Professor, Agnesstr. 46, 8000 München 40 (089) 2716777; Univ., (089) 21802715 215. Podlech, Dr. Dr. Adalbert, Professor, Vorm Heiligen Kreuz 2,6101 Weiterstadt, (06150) 4344 (TH Darmstadt) 216. Püttner, Dr. Günter, o. Professor, Mörikestr. 21,7400 Tübingen, (07071) 66394; Univ., (07071) 295262 oder 295263

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217. Quaritsch, Dr. Helmut, o. Professor, Otterstadter Weg 139, 6720 Speyer, (06232) 32637; Hochschule, (06232) 106348 218. Rack, Dr. Reinhard, a. o. Universitätsprofessor, Obere Teichstr. 19, A-8010 Graz, (0316) 43 8842; Univ., (0316)31581 Nbst. 474 219. Randelzhofer, Dr. Albrecht, o. Professor, Van't-Hoff-Str. 8,1000 Berlin 33, (030) 8382288 220. Raschauer, Dr. Bernhard, a. o. Universitätsprofessor, Pfeilgasse 7, A-1080 Wien, (0222) 4394302; Univ., (0222) 43003123, Schottenbastei 10-16, A-1010 Wien 221. Rasenack, Dr. Christian A. L., Professor, Dahlemer Weg 63a, 1000 Berlin 37, (030) 8173796; Techn. Univers., (030) 3145874/75 222. Rauschning, Dr. Dietrich, o. Professor, Rodetal 1, 3406 Bovenden, (05594) 331 (Universität Göttingen) 223. Rengeling, Dr. Hans-Werner, Professor, Brüningheide 192,4400 Münster, (0251) 212038; Universität Osnabrück, (0541) 6086117 224. Ress, Dr. jur. Dr. rer. pol. Georg, o. Professor, Am Botanischen Garten 6, 6600 Saarbrücken, (0681)3023055; Univ., (0681)3022503 225. Rhinow, Dr. Rene Α., ο. Professor, Jurastr. 48, CH-4411 Seltisberg, (061) 912309; Universität Basel (061) 255277 226. Riedel, Dr. Eibe H., Professor, Hinter der Hecke 3,6501 Nieder-Olm, (06136) 42991; Universität Mainz, Saarstr. 21, (06131) 395759 227. Rill, Dr. Heinz Peter, o. Universitätsprofessor, Peter-Jordan-Str. 145, A-1190 Wien, (0222) 4757615; Wirtschaftsuniversität, (0222) 347541/264 228. Ringhofer, Dr. Kurt, o. Universitätsprofessor, Eduard-Macheiner-Str. 23, A-5020 Salzburg, (06222) 44767 229. Roellecke, Dr. Gerd, o. Professor, Kreuzackerstr. 8, 7500 Karlsruhe 41, (0721) 491739; Universität Mannheim, (0621) 2922851 230. Ronellenßtsch, Dr. Michael, Professor, Richard-Wagner-Str. 22, 6800 Mannheim 1, (0621) 403569; Universität Bonn, (0228) 739151/9150

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231. Rudolf, Dr. Walter, o. Professor, Rubensallee 55 a, 6500 Mainz 31, (06131) 7421; Univ., (06131) 392412 232. Rüfner, Dr. Wolfgang, Professor, Leberstr. 13,6600 Saarbrücken, (0681) 818212; Univ., (0681)3023508 233. Rühland, Dr. Curt, ο. Professor, Dürerstr. 26,3300 Braunschweig, (0531) 332116 234. Ruland, Dr. Franz, Professor, Ostfeldstr. 76a, 3000 Hannover 71, (0511) 5243 42; Univ. Frankfurt (069) 1522219 235. Rumpf, Dr. Helmut, Honorarprofessor, Bismarckallee 27, 5300 Bonn 2, (0228) 353131 236. Rupp, Dr. Hans Heinrich, o. Professor, Am Marienpfad 29, 6500 Mainz, (06131) 34588 237. Saladin, Dr. Peter, o. Professor, Forrerstr. 26, CH-3006 Bern; Universität Bern, (031) 448006 238. Salzwedel, Dr. Jürgen, o. Professor, Siebengebirgsstr. 86,5300 Bonn 3, (0228) 481710; Univ., (0228) 735580 239. Sattler, Dr. Andreas, Professor, Ludwig-Beck-Str. 17,3400 Göttingen, (0551) 22340; Univ., (0551) 397377 u. 397393 240. Schäffer, Dr. Heinz, o. Universitätsprofessor, Große Neugasse 6/14, A-1040 Wien, (0222) 5769673; Univ. Salzburg, Weiserstr. 22, A-5020 Salzburg, (0662) 44511/334 241. Schambeck, Dr. Herbert, o. Universitätsprofessor, Hofzeile 21, A-1190 Wien, (0222) 363494; Universität Linz, (0732) 31310 242. Schenke, Dr. Wolf-Rüdiger, o. Professor, Beim Hochwald 30,6800 Mannheim, (0621) 744200; Univ., (0621)2925214 243. Scheuing, Dr. Dieter H., o. Professor, Hans-Sachs-Str. 97,8706 Höchberg b. Würzburg, (0931) 48331; Univ. Würzburg, (0931) 313 24 244. Schick, Dr. Walter, o. Professor, Strindbergstr. 27,8500 Nürnberg, (0911) 501422; Univ., (0911) 5 30 23 53

Vereinigung der deutschen Staatsrechtslehrer

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245. Schiedermair, Dr. Hartmut, o. Professor, Univ. Köln, Gottfried-Keller-Str. 2, 5000 Köln 41, (0221) 4702688 oder 4 70 23 64 246. Schindler, Dr. Dietrich, Professor, Lenzenwiesstr. 8, CH-8702 Zollikon, (01) 3914140; Universität Zürich, (01) 3917118 247. Schiaich, Dr. Klaus, o. Professor, Wolkenburgstr. 2,5202 St. Augustin 2, (02241) 27509; Universität Bonn, (0228) 739125 248. Schlink, Dr. Bernhard, Professor, Endenicher Allee 16, 5300 Bonn 1, (0228) 6523 58; Universität Bonn, (0228) 73 55 74 249. Schlochauer, Dr. Hans-Jürgen, Professor, Blauenstr. 18,6000 Frankfurt, (069) 675807; Univ., (069) 7983193 250. Schmid, Dr. Gerhard, Professor, Hochwaldstr. 24, CH-4059 Basel, (061) 508425; Sandoz AG (061) 247830 251. Schmidt, Dr. Reiner, o. Professor, Bachwiesenstr. 4, 8901 Gesseltshausen, (08238) 4111; Universität Augsburg, (0821) 598443 252. Schmidt, Dr. Walter, Professor, Brüder-Knauß-Str. 86, 6100 Darmstadt, (06151) 64710; Universität Frankfurt, (069) 7982189 253. Schmidt-Aßmann, Dr. Eberhard, o. Professor, Höhenstr. 30, 6900 Heidelberg, (06221) 800803; Univ., (06221) 547428 254. Schmidt-Jortzig, Dr. Edzard, Professor, Graf-Spee-Str. 18a, 2300 Kiel 1; Univ., (0431) 880-3545 255. Schmitt Glaeser, Dr. Walter, o. Professor, Rübezahlweg 9A, 8580 Bayreuth, (0921) 32070; Univ., (0921) 552942 256. Schmitt-Kammler, Dr. Arnulf, Professor, Renthof 33, 3550 Marburg/Lahn, (06421) 64902; Univ., Universitätsstr. 6, (06421) 283129 oder 283128 257. Schnapp, Dr. Friedrich E., o. Professor, Efeuweg 22, 4630 Bochum 6, (02327) 74213; Univ. Bochum, (0234) 7002239 258. Schneider, Dr. Hans, o. Professor, Ludolf-Krehl-Str. 44, 6900 Heidelberg, (06221) 480381

280

Vereinigung der deutschen Staatsrechtslehrer

259. Schneider, Dr. Hans-Peter, Professor, Delpweg 16,3000 Hannover 91, (0511) 467166; Univ., (0511)7628185/6 260. Schneider, Dr. Peter, o. Professor, Goldenluftgasse 23/10, 6500 Mainz, (06131) 4803 81 261. Schnur, Dr. Roman, o. Professor, Lindenstr. 49, 7407 Rottenburg 5, (07472) 22224 (Universität Tübingen) 262. Scholler, Dr. Heinrich, Professor, Zwengauerweg 5,8000 München 71, (089) 796424; Univ., (089) 21802724 263. Scholz, Dr. Rupert, o. Professor, Erbacher Str. 1,1000 Berlin 33, (030) 8911700 Universität München, (089) 21802113 264. Schröder, Dr. Meinhard, o. Professor, Zum Wingert 2, 5501 Mertesdorf, (0651) 57887; Universität Trier, (06 51) 2 0125 86 265. Schuppert, Dr. Gunnar Folke, Professor, Beethovenstr. 1, 8900 Augsburg, (0821) 151271; Univ. Augsburg, Eichleitner Str. 30, 8900 Augsburg, (0821) 5981 266. Schwabe, Dr. Jürgen, Professor, Erlenweg 1,2150 Buxtehude, (04161) 87141; Universität Hamburg, (040) 41233021 267. Schwarze, Dr. Jürgen, o. Professor, Universität Hamburg, Schlüterstr. 28, 2000 Hamburg 13, (040) 41234564/4571 268. Schweitzer, Dr. Michael, Professor, Göttweiger Str. 135,8390 Passau; Univ., (0851) 5505547 269. Schwerdtfeger, Dr. Gunther, o. Professor, Thielallee 52,1000 Berlin 33, (030) 8383010 270. Scupin, Dr. Hans Ulrich, o. Professor, Robert-Koch-Str. 46,4400 Münster, (0251) 82341; Univ., (0251) 832764 271. Seewald, Dr. Otfried, Professor, Tönninger Weg 60,2000 Hamburg 52, (040) 806660; Univ., (040) 41234566 272. Seidl-Hohenveldern, Dr. Dr. h. c. Ignaz, o. Professor, A-1010 Wien I, Schwertgasse 4, (0222) 631560

Vereinigung der deutschen Staatsrechtslehrer

273. Selmer, Dr. Peter, Professor, Akazienweg 9,2000 Hamburg 55, (040) 864743; Univ., (040) 41234576 274. Siedentopf, Dr. Dr. h. c. Heinrich, o. Professor, Hauptstr. 170,6740 Landau-Godramstein, (06341) 4757; Hochschule Speyer, (06232) 910-212 275. v. Simson, Dr. Werner, o. Professor, Luisenstr. 3, 7800 Freiburg, (0761) 35863 276. Skouris, Dr. Wassilios, Professor, Nikolaoumanou 18, Thessaloniki, Griechenland, (003031) 832622; Univ. Thessaloniki 277. Söhn, Dr. Hartmut, o. Professor, Eppanerstr. 9, 8390 Passau, (0851) 58520; Universität Passau, (0851) 509192 278. Soell, Dr. Hermann, o. Professor, Domspatzenstr. 34, 8411 Etterzhausen, (09404) 2125; Universität Regensburg, (0941) 9432657 279. Spanner, Dr. Hans, o. Professor, Candidstr. 24, 8000 München 90, (089) 652141 280. Staff, Dr. Ilse, Professor, Am Forum 4, 6233 Kelkheim, (06195) 33 08 281. Starck, Dr. Christian, Professor, Unter den Linden 20, 3400 Göttingen, (0551) 792644; Univ., (05 51) 397412 282. Steiger, Dr. Heinhard, Professor, Oberhof 16, 6300 Gießen, (0641) 23252; Univ., (0641)7025030 283. Stein, Dr. Ekkehart, Professor, Jakob-Burckhardt-Str. 49, 7750 Konstanz, (07531) 63257; Univ., (07531) 882329 284. Stein, Dr. Torsten, Privatdozent, Ludolf-Krehl-Str. lb, 6900 Heidelberg 1, (06221) 480438; dienstl., (06221)482230 285. Steinberg, Dr. Rudolf, Professor, Senckenberganlage 31,6000 Frankfurt/M. 1; Univ., (069) 7982438 286. Steinberger, Dr. Helmut, o. Professor, Schloß West 140, 6800 Mannheim, (06221) 36954; dienstl. (0621) 2923368

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Vereinigung der deutschen Staatsrechtslehrer

287. Steiner, Dr. Udo, o. Professor, Am Katzenbühl 5,8400 Regensburg-Harting, (09401) 4313; Univ., (0941)9432666/7 288. Stern, Dr. Klaus, o. Professor, Universität Köln, Gyrhofstr. 8c, 5000 Köln 41, (0221) 4702289 289. Stettner, Dr. Rupert, Professor, Jahnstr. 6, 8060 Dachau, (08131) 13244; Universität Bamberg, Postfach 15 49, 8600 Bamberg, (0951) 202071 290. Stober, Dr. Rolf, Professor, Hohe Geist 32,4400 Münster, (02536) 1734; Univ., (0251) 832704 291. Stock, Dr. Martin, Professor, Am Knick 22, 4800 Bielefeld 1, (0521) 889533; Univ., (0521) 1064382 292. Städter, Dr. Rolf, Professor, Golfstr. 7, 2057 Wentorf b. Hamburg, (040) 7202646 293. Stolleis, Dr. Michael, o. Professor, Waldstr. 15,6242 Kronberg 1 (Universität Frankfurt) 294. Stolzlechner, Dr. Harald, Universitätsdozent, Sackengutstr. 5b, A-5020 Salzburg, (06222) 420252; Univ., (06222) 44511 295. Suhr, Dr. Dieter, Professor, Birkenstr. 37, 8900 Augsburg 22, (0821) 97646; Univ., (0821) 598355 296. Tettinger, Dr. Peter J., Professor, Bergstr. 30, 5000 Köln 50, (02236) 66856; Universität Bochum, (0234) 7005275 297. Thieme, Dr. Werner, Professor, Am Karpfenteich 58,2000 Hamburg 63, (040) 5384992; Univ., (040) 41232627 298. Thürer, Dr. Daniel, Professor, Abeggweg 20, CH-8057 Zürich, (01) 3626547 Univ., (01) 2573118 299. Tomuschat, Dr. Christian, Professor, Drachenfelsstr. 51,5205 St. Augustin 2-Hangelar, (02241) 27541; Universität Bonn, (0228) 739172 300. Trzaskalik, Dr. Christoph, Professor, Im Damm 1,6531 Ockenheim; Universität Mainz, (06131) 392138

Vereinigung der deutschen Staatsrechtslehrer

301. Tsatsos, Dr. Dimitris Th., o. Professor, Am Waldesrand lOe, 5800 Hagen, (02331) 586668; Fernuniv., (02331) 8042876 302. Uber, Dr. Giesbert, o. Professor, Roseneck 5,4400 Münster-Hiltrup, (02501) 3159; Univ., (0251) 832701 303. Ule, Dr. Carl Hermann, o. Professor, Oberer Gaisbergweg 9,6900 Heidelberg, (06221) 27832; (Hochschule Speyer) 304. v. Unruh, Dr. Georg-Christoph, o. Professor, Steenkamp 2,2305 Heikendorf, (0431) 231459; Universität Kiel, (0431) 8803522/69 305. Graf Vitzthum, Dr. Wolfgang, o. Professor, Herderstr. 12,7410 Reutlingen 1, (07121) 240205; Univ., Tübingen, (07071) 295266 306. Vogel, Dr. Klaus, o. Professor, Ottostr. 12, 8130 Starnberg, (08151) 13221; Universität München, (0 89) 2180 2718 307. Voigt, Dr. Alfred, o. Professor, Schwedenstr. 26, 8521 Spardorf, (09131) 56043 308. Wagenerf, Dr. Frido, o. Professor, Otto-Mayer-Str. 7,6720 Speyer, (06232) 94965; Hochschule, (06232) 910-369 309. Wagner, Dr. Heinz, o. Professor, Tietzenweg 54,1000 Berlin 45, (030) 8332167; Univ., (030) 8383639 310. Wahl, Dr. Rainer, o. Professor, Sundgauallee 68,7800 Freiburg, (0761) 85871; Univ., (0761)2034465/6 311. Weber, Dr. Albrecht, Professor, Weidenweg 20, 4516 Bissendorf, (05402) 3907; Universität Osnabrück, (0541) 608-6188 312. Wehrhahn, Dr. Herbert, o. Professor, Lyckallee 42,1000 Berlin 19 313. Weides, Dr. Peter, o. Professor, Franz-Marc-Str. 22, 5000 Köln 50, (0221) 391192; Univ., (0221) 4704454 314. Wendt, Dr. Rudolf, Professor, Caspar-Olevian-Str. 57, 5500 Trier, (0651) 38047; Universität Trier, Postfach 3825, (0651) 2012576/77

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Vereinigung der deutschen Staatsrechtslehrer

315. Wenger, DDr. Karl, Universitätsprofessor, Meytensgasse 18, A-1130 Wien, (0222) 8227244; Univ., (0222) 43003136, Schottenbastei 10-16, A-1010 Wien 316. Wengler, Dres. Dres. h. c. Wilhelm, Professor, Werderstr. 15,1000 Berlin 37, (030) 8016535 317. Wertenbruch, Dr. Wilhelm, Professor, An der Rodung 6, 5353 Mechernich-Katzvey, (02256) 7818; Universität Bochum, (0234) 7002239 318. Wielinger, Dr. Gerhart, Universitätsdozent, Schanzelgasse 19/29, A-8010 Graz (0316) 362295; diensti., (0316) 70312428 319. Wildhaber, Dr. Luzius, o. Professor, Auf der Wacht 21, CH-4104 Oberwil, (061) 302521 320. Wilke, Dr. Dieter, o. Professor, Universität Berlin, Thielallee 52,1000 Berlin 33, (030) 8383011 321. Wimmer, Dr. Norbert, o. Universitätsprofessor, Claudiastr. 7, A-6020 Innsbruck, (05222) 20427; Univ., (05222)33601/731 322. Winkler, Dr. Günther, Universitätsprofessor, Reisnerstr. 22/5/11, A-1030 Wien, (0222) 734415; Univ., (0222) 43003131, Schottenbastei 10-16, A-1010 Wien 323. Wolfrum, Dr. Rüdiger, o. Professor, Lindenallee 13, 2300 Kiel 1 (Altenholz), (0431) 321844; Univ., (0431) 880-2189 324. Wollenschläger, Dr. Michael, Privatdozent, Sonnenstr. 9, 8700 Würzburg, (0931) 81339; Univ., (0931)31337 325. Würtenberger, Dr. Thomas, o. Professor, Im Brühl 9, 5501 Gutweiler, (065 88) 7179; Universität Trier, (0651) 716451 326. Zacher, Dr. Hans F., o. Professor, Starnberger Weg 7, 8134 Pöcking, (0 8157) 13 84; Universität München, (089) 21802725 327. Zeh, Dr. Wolfgang, Ministerialrat, Sibyllenstr. 40, 5300 Bonn 2, (0228) 375652; diensti., (0228) 162649 oder 163044 328. v. Zezschwitz, Dr. Friedrich, Professor, Petersweiher 47, 6300 Gießen, (0641) 45152; Univ., (0641)7025020 329. Zieger, Dr. Gottfried, Professor, Leuschnerweg 10, 3400 Göttingen, (0551) 22255

Vereinigung der deutschen Staatsrechtslehrer

330. Zimmer, Dr. Gerhard, Privatdozent, Bamberger Str. 22,1000 Berlin 30, (030) 8544656 331. Zippelius, Dr. Reinhold, o. Professor, Niendorfstr. 5, 8520 Erlangen, (09131) 55726; Univ., (09131) 852820 332. Zuleeg, Dr. Manfred, Professor, Kaiser-Sigmund-Str. 32,6000 Frankfurt/M 1, (069) 564393; Univ., (069) 7982382

Satzung (Nach den Beschlüssen vom 21. Oktober 1949,19. Oktober 1951, 14. Oktober 1954,10. Oktober 1956,13. Oktober 1960, 5. Oktober 1962,1. Oktober 1971,6. Oktober 1976 und 3. Oktober 1979) §1 Die Vereinigung der Deutschen Staatsrechtslehrer stellt sich die Aufgabe: 1. wissenschaftliche und Gesetzgebungsfragen aus dem Gebiete des öffentlichen Rechts durch Aussprache in Versammlungen der Mitglieder zu klären; 2. auf die ausreichende Berücksichtigung des öffentlichen Rechts im Hochschulunterricht und bei staatlichen und akademischen Prüfungen hinzuwirken; 3. in wichtigen Fällen zu Fragen des öffentlichen Rechts durch Eingaben an Regierungen und Volksvertretungen oder durch öffentliche Kundgebungen Stellung zu nehmen. §2

Mitglied der Vereinigung kann werden, wer auf dem Gebiet des Staatsrecht und mindestens eines weiteren öffentlich-rechtlichen Fachs a) seine Befähigung zu Forschung und Lehre durch hervorragende wissenschaftliche Leistung nachgewiesen hat* und b)an einer deutschen oder deutschsprachigen Universität** oder der Hochschule fur Verwaltungswissenschaften in Speyer als Forscher und Lehrer tätig ist oder gewesen ist.

* Mit der oben abgedruckten, am 1.10.1971 in Regensburg beschlossenen Fassung des § 2 hat die Mitgliederversammlung den folgenden erläuternden Zusatz angenommen: „Eine hervorragende wissenschaftliche Leistung im Sinne dieser Vorschrift ist eine den bisher üblichen Anforderungen an die Habilitation entsprechende Leistung" ** In Berlin hat die Mitgliederversammlung am 3.10.1979 die folgende zusätzliche Erläuterung angenommen:

Satzung

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Das Aufnahmeverfahren wird durch schriftlichen Vorschlag von drei Mitgliedern der Vereinigung eingeleitet. Ist der Vorstand einstimmig der Auffassung, daß die Voraussetzungen fur den Erwerb der Mitgliedschaft erfüllt sind, so verständigt er in einem Rundschreiben die Mitglieder von seiner Absicht, dem Vorgeschlagenen die Mitgliedschaft anzutragen. Erheben mindestens fünf Mitglieder binnen Monatsfrist gegen die Absicht des Vorstandes Einspruch oder beantragen sie mündliche Erörterung, so beschließt die Mitgliederversammlung über die Aufnahme. Die Mitgliederversammlung beschließt ferner, wenn sich im Vorstand Zweifel erheben, ob die Voraussetzungen der Mitgliedschaft erfüllt sind. Von jeder Neuaufnahme außerhalb einer Mitgliederversammlung sind die Mitglieder zu unterrichten. §3

Eine Mitgliederversammlung soll regelmäßig einmal in jedem Jahre an einem vom Vorstand zu bestimmenden Orte stattfinden. In dringenden Fällen können außerordentliche Versammlungen einberufen werden. Die Tagesordnung wird durch den Vorstand bestimmt. Aufjeder ordentlichen Mitgliederversammlung muß mindestens ein wissenschaftlicher Vörtrag mit anschließender Aussprache gehalten werden. §4

Der Vorstand der Vereinigung besteht aus einem Vorsitzenden und zwei Stellvertretern. Die Vorstandsmitglieder teilen die Geschäfte untereinander nach eigenem Ermessen. Der Vorstand wird am Schluß jeder ordentlichen Mitgliederversammlung neu gewählt. Zur Vorbereitung der Mitgliederversammlung kann sich der Vorstand durch Zuwahl anderer Mitglieder verstärken. Auch ist Selbstergänzung zulässig, wenn ein Mitglied des Vorstandes in der Zeit zwischen zwei Mitgliederversammlungen ausscheidet. §5

Zur Vorbereitung ihrer Beratungen kann die Mitgliederversammlung, in eiligen Fällen auch der Vorstand, besondere Ausschüsse bestellen.

„Universität im Sinne dieser Vorschrift ist eine wissenschaftliche Hochschule, die das Habilitationsrecht in den Fächern des öffentlichen Rechts und die Promotionsbefugnis zum Doctor iuris besitzt und an der Juristen durch einen Lehrkörper herkömmlicher Besetzung ausgebildet werden".

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Satzung

§6

Über Eingaben in den Fällen des § 1 Ziffer 2 und 3 und über öffentliche Kundgebungen kann nach Vorbereitung durch den Vorstand oder einen Ausschuß im Wege schriftlicher Abstimmung der Mitglieder beschlossen werden. Ein solcher Beschluß bedarf der Zustimmung von zwei Dritteln der Mitgliederzahl; die Namen der Zustimmenden müssen unter das Schriftstück gesetzt werden. §7 Der Mitgliedsbeitrag wird von der Mitgliederversammlung festgesetzt. Der Vorstand kann den Beitrag aus Billigkeitsgründen erlassen.