Archäologie in Deutschland 2/2023: Out of Africa 3806246203, 9783806246209

Thema Neohethiter: Die Staaten, die als neohethitisch bezeichnet werden, waren luwische und aramäische Regionalzentren d

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German Pages 84 [88] Year 2023

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Table of contents :
Cover
Editorial
INHALT
Im Blickpunkt
Forschung Seen, Wälder und Hügel
Weltweit Ägypten – Königsnekropole von Dahschur
THEMA Out of Africa
Europa Ein Heiligtum der Kelten und Römer
Europa Visualisierung und digitaler Zugang
Report Ein Bischof als Wanderer zwischen den Welten
Report Vom verrosteten Eisen zum Ausstellungsobjekt
Aktuelles aus der Landesarchäologie
Große Steine, romanische Kirchen, sehenswerte Orte
Kommentar Geht das zusammen?
Wissenswert
Impressum
VORSCHAU
Backcover
Recommend Papers

Archäologie in Deutschland 2/2023: Out of Africa
 3806246203, 9783806246209

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AiD aid-magazin.de

| N DEUTSCHLAND

02 2023 April – Mai

Out

of

Africa 4

190842

512956

02

€ (D) 12,95

HEILIGTUM DER KELTEN UND RÖMER

WENDEPUNKT IM PYRAMIDENBAU

PUZZLE DER SUPERLATIVE

Kult und Kontinuität auf dem Klosterfrauenbichl im Lienzer Becken £ Seite 38

Einblicke in die rund 4600 Jahre alte Knick-Pyramide im Süden der Nekropole von Dhaschur £ Seite 14

Wie aus über 250 Fragmenten am Ende ein restaurierter Schuppenpanzer wird £ Seite 48

Das neue Sonderheft der ANTIKEN WELT Wie entstand der Hoplit? Welche soziale Stellung und politische Bedeutung hatte er inne? Wie sah die Bewaffnung und Ausrüstung

Michael Zerjadtke (Hrsg.); 112 Seiten mit etwa 120 Abb., kart., 17,95 €

Diesen und weiteren Fragen gehen Fachleute im Sonderheft der ANTIKEN WELT nach. Der Fokus der Betrachtung liegt auf der klassischen Zeit, einer Epoche, in der die griechischen Brustpanzer, Offensivwaffen und indivi- Stadtstaaten beinahe kontinuierlich mitduelle Kampfweise. einander im Krieg waren und in der der Welch ein Kriegerethos hatte der Hoplit? Hoplit die Schlachtfelder des MittelTrug er Traumata aus seinen Kriegsermeerraumes dominierte. fahrungen davon?

Der griechische Hoplit Alltag, Kriegsführung, Ausrüstung

Erhältlich ab 6. April 2023 im ausgewählten Pressehandel oder jetzt online vorbestellen unter wbg-zeitschriften.de

Editorial

Hochgebirge waren kein Hindernis – so fanden sich beispielsweise in den Bale Mountains im Südosten Äthiopiens auf über 4200 Höhenmetern Artefakte aus Obsidian. Sie belegen, dass es die frühen anatomisch modernen Menschen buchstäblich in alle Richtungen zog. ➔ Seite 24

Meilensteine, Migration und Missionare Liebe Leserinnen und Leser, wie jedes Mal findet sich auch in dieser Ausgabe der AiD etwas für alle Geschmäcker – von der Baugeschichte und Bedeutung der 4700 Jahre alten Knick-Pyramide des Alten Reiches in Dahschur südlich von Giza, über die aktuelle Erforschung der Siedlungsdynamiken der Bronzezeit im Norden Brandenburgs, bis hin zu einem Heiligtum der Kelten und Römer in Osttirol sowie den archäologischen und historischen Quellen der Bekehrungsreise von Bischof Otto von Bamberg nach Pommern im 12 Jh. Im Mittelpunkt des Hes stehen die umfangreichen und genialen Studien zur Entstehung und Ausbreitung des modernen Menschen – Homo sapiens. Seit mehr als einem Jahrzehnt leiten unsere Kölner Kolleginnen und Kollegen sowie ein internationales Netzwerk von Archäologen, Geologen und Ökologen beeindruckende Forschungen über die Anfänge unserer Art in Afrika, also die komplexe und spannende Geschichte, wodurch der moderne Mensch entstand und alle archaischen Menschenformen weltweit, manchmal mit nennenswerten Hybridisierungen, ersetzte. Nur durch archäologische und paläoanthropologische Quellen ist es überhaupt möglich zu definieren, was der Mensch ist und wo wir herkommen. Durch Ausgrabungen und vergleichende Analysen über weite Teilen Afrikas, Südwestasiens und Europas ist es den Forschenden gelungen, ein sehr differenziertes Bild von diesen Ereignissen zu rekonstruieren. Dank dieser Arbeiten sehen wir den modernen und archaischen Menschen, darunter den Neandertaler, die in vielerlei Hinsicht auf Augenhöhe waren. Die Ausbreitung unserer Art in Südwestasien lief über viele Jahrzehntausende. Ab rund 45 000 Jahren vor heute erreichten moderne Menschen Europa, und über nur wenige Jahrtausende breitet sich die Bevölkerung des Homo sapiens rasch aus. Die Forschungen in den unterschiedlichsten Regionen Europas dokumentieren sehr unterschiedliche kulturelle Entwicklungen und Artefaktinventare innerhalb dieser Regionen und belegen die komplexen Prozesse, wodurch sich Neandertaler ab rund 40 000 Jahren vor heute zurückgezogen hatten. Die Tatsache, dass heutige Europäer rund 2 Prozent des Genguts der Neandertaler in sich tragen, belegt, wie eng die biologische und kulturelle Beziehung zwischen uns und unseren eiszeitlichen europäischen Vorgängern waren. Dank des großartigen internationalen Forschungseinsatzes der Autorinnen und Autoren dieses Hes gewinnen wir den besten Einblick bis jetzt in diesen entscheidenden Abschnitt der Menschheitsgeschichte.

Ihr Nicholas Conard, Professor für Ältere Urgeschichte und Quartärgeologie an der Eberhard Karls Universität Tübingen

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1

20

INHALT

Dass der moderne Mensch Afrika vor etwa 70 000 bis 60 000 Jahren verließ und daraufhin die gesamte Welt besiedelte, ist hinreichend bekannt. Doch welche Wege wurden eingeschlagen und wie ist unser derzeitiger Wissensstand darüber? Jüngste Studien zeigen ein viel differenzierteres Bild als häufig angenommen. Höchste Zeit also, sich auf die Spuren der Menschheit zu begeben und mit so mancher Fehlvorstellung aufzuräumen.

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THEMA 20 Out of Africa 24

Hochgebirge Äthiopiens als Lebensraum prähistorischer Menschen

26

Der Vorhang fällt – unüberwindbare Wüste?

30

Zwei Schritte vor und einer zurück – die Levante

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Endlich in der Mammutsteppe

34

Konkurrent Neandertaler?

36

Fast wären wir wieder ausgestorben!

Großsteingräber gehören zu den eindrucksvollsten obertägig sichtbaren Bodendenkmalen der Altmark. Von den über 200 bekannten und größtenteils von Johann Friedrich Danneil schon 1843 beschriebenen Anlagen sind heute noch 40 in der westlichen Altmark erhalten. Ihre Errichtung erfolgte innerhalb weniger Jahrhunderte zwischen etwa 3600 und 3100 v. Chr.

66 2

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8

INHALT

Neue Ausgrabungen in Lanke und Untersuchungen der zugehörigen Siedlungskammer um Eberswalde haben spannende Ergebnisse zur Bedarfswirtscha, zur Siedlungsweise und zu den Kulturkontakten in der späten Bronze- und frühen Eisenzeit im Norden Brandenburgs erbracht.

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14

Seit über zwei Jahrzehnten wird der Pyramidenbezirk des altägyptischen Königs Snofru im Süden der Nekropole von Dahschur vom Deutschen Archäologischen Institut erforscht. Die bisherigen Ergebnisse und Untersuchungen machen deutlich: Es ist die Geschichte eines gescheiterten Grabbauprojekts.

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Editorial

4

Im Blickpunkt

8

Forschung Siedlungsforschung im bronzezeitlichen Nordbrandenburg

14

Weltweit Ein Meilenstein des Pyramidenbaus

20

Thema: Out of Africa Europa

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Götter im Schatten der Lienzer Dolomiten

42

Archäologische Landschaften entlang der Donau Report

42 Am Beispiel der Heuneburg führt uns ein internationales Autorenteam an das Projekt »Danube's Archaeological eLandscapes« heran. Ziel ist es, das bislang meist eher unsichtbare kulturelle Erbe im Donauraum erfahrbar zu machen.

Seit über 50 Jahren birgt das Depot des LVR-LandesMuseums Bonn Hunderte von korrodierten Eisenfragmenten eines Lamellenpanzers, der nun für die Präsentation in der Dauerausstellung neu bearbeitet und rekonstruiert wurde.

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44

Otto von Bamberg missioniert Pommern

48

Lamellenpanzer aus Wesel-Bislich rekonstruiert

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Aktuelles aus der Landesarchäologie

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Westliche Altmark – Land der Megalithgräber

SEHENS

WERT

Kommentar 72

Altsteinzeit und Denkmalpflege

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Wissenswert

Abo-Service AiD Für alle Fragen zum Bezug der »AiD« erreichen Sie uns unter: Telefon 02225 7085-361 [email protected] Fax 02225 7085-399 Bei inhaltlichen Fragen erreichen Sie die Redaktion unter: [email protected]

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Autoren dieses Hes

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Impressum

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Bücher und Medien

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Ausstellungen

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Bildnachweis

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Rätsel

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Im Blickpunkt Früher Comic-Strip Bildergeschichte um 9000 v. Chr. Eine Relieafel mit fünf Figuren, die auf der Vorderseite einer Bank in einem Gebäude eingemeißelt ist, wurde 2021 bei der Ausgrabung des neolithischen Hügels von Sayburç nahe der syrischen Grenze im Südosten der Türkei gefunden und kürzlich von Eylem Özdoğan in der Fachzeitschri Antiquity veröffentlicht. Das Gebäude mit einem Durchmesser von 11 m war in den Kalksteinfelsen gehauen und hatte Wände aus aufgesetzten Steinen, die auf einer Bank von 60 bis 80 cm Höhe und 60 cm Breite ruhten. Das Relief in Verbindung mit Größe und Art des Baus lässt vermuten, dass dies ein Gemeinschasgebäude für besondere Zusammenküne war. Auf dem 3,7 m langen Relief sind fünf Figuren in zwei aufeinanderfolgenden Szenen dargestellt. Die erste Szene im Westen (links) zeigt einen hockenden Mann mit seinem Penis auf dem Bauch. In der rechten Hand hält er scheinbar eine Schlange, deren Kopf zu Boden zeigt. Neben dem Mann steht ein Stier mit gewaltigen Hörnern. Die zweite Szene im Osten zeigt einen Mann, der seinen Penis in der Hand hält und dessen runde Ausstülpungen an den Knien andeuten, dass er sich im Sitzen nach vorne beugt. Zu beiden Sei4

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ten sind Leoparden angeordnet mit offenen Mäulern und sichtbaren Zähnen sowie eingerollten Schwänzen, wobei ein Leopard auch mit Penis dargestellt ist. Die Szenen wirken wie eine fortschreitende Erzählung: Vermutlich weist das Relief auf bestimmte Ereignisse hin. Es wird erzählerische Integrität gewahrt hinsichtlich des Themas, einer Geschichte von Menschen und Tieren. Im Gegensatz dazu zeigen andere zeitgenössische Bilder nur einzelne Figuren, oder, wenn es mehrere sind, Darstellungen wahllos übereinander. Das Relief ist die detaillierteste Darstellung einer neolithischen »Geschichte«, die bisher im Nahen Osten gefunden wurde. Die Datierung erfolgt durch stilistische Vergleiche mit der Yeni-Mahalle-Skulptur aus Urfa und Reliefs auf den T-Säulen von Göbekli Tepe, ebenfalls bei Urfa, die beide in die Zeit um 9000 v. Chr. datiert werden – das präkeramische Neolithikum der allerersten Bauern, die im Nahen Osten anfangs keine Tongefäße verwendeten. | Jesper Tae Jensen

Hallstattzeitlicher Maskenträger? Tonplastik aus Wasserloch Bei Mönchstockheim südlich Schweinfurt bargen Mitarbeiter der Grabungsfirma Heyse GmbH im März 2021 während planmäßigen Grabungen unter Aufsicht des

Eine der ältesten Bildergeschichten der Welt in Sayburç, knapp 20 km westlich der türkischen Stadt Urfa.

Menschliche Figur aus gebranntem Ton, gefunden in einem hallstattzeitlichen Wasserloch bei Mönchstockheim südlich Schweinfurt, erhaltene Höhe 19 cm.

Bayerischen Landesamts für Denkmalpflege eine 19 cm hoch erhaltene Figur aus gebranntem Ton. Die Plastik fand sich am tiefsten Punkt einer einst wasserführenden Rinne. Geoarchäologin Britta Kopecky-Herrmanns beschrieb den Befund als natürliches Strudelloch, das in der Vorgeschichte zum Wasserschöpfen genutzt wurde. Als man die Figur dort deponierte, düre die Rinne noch Wasser geführt haben. Die Plastik wird daher als rituelle Opfergabe interpretiert. Siedlungsabfall aus der Hallstattzeit (800–450 Jh. v. Chr.) fand sich in und oberhalb einer Schicht, die entstand, nachdem in der Rinne kein Wasser mehr floss. 14C-Datierungen des Curt-Engelhorn-Zentrums in Mannheim sprechen für den gleichen Zeitraum. Vollplastische Darstellungen von Menschen sind in der Vorgeschichte selten. Das rückt entsprechende Funde in den Mittelpunkt des öffentlichen Interesses. Beim aktuellen Fund ist im Vergleich zu anderen hallstattzeitlichen Darstellungen aus gebranntem Ton der Kopfbereich detaillierter gestaltet. Die sonst meist weiblichen Figuren – eine Gruppe sind die sogenannten Kesselträgerinnen – weisen eher unklare Gesichtsmerkmale auf. Hier dagegen sind Nase, Kinn und Lippen klar ausgebildet. Einzigartig sind hörnchenartige Wülste auf den Wangen, die jeweils

am unteren Nasenflügel ansetzen und bis über die Augen reichen: Es bietet sich eine Interpretation als betonte Wangen, Ohren oder Teil einer Maske an. Der fächerförmig flach gedrückte Kopf wurde mit einem Stichel mit glatter Oberfläche und rundem Querschnitt am Rand jeweils fünf Mal durchlocht. Der Halsabschnitt ist vom Rumpf deutlich abgesetzt. Das Röntgenbild zeigte, dass Bereiche an Kopf und Hals wie auch in den Beinen mit einem Stab vor dem Brand durchlocht worden waren. Die Rumpfvorderseite ist beschädigt, die ursprünglich vollplastisch geformten Beine fehlen. Ob diese Bereiche absichtlich abgeschlagen worden sind, muss offen bleiben. | Stefanie Berg, Markus Rehfeld

Außergewöhnlicher Fund Römische Goldfibel im Rheinland Bei Begehungen im Aurag des LVRAmtes für Bodendenkmalpflege im Rheinland entdeckten ein lizensierter Sondengänger und ein ehrenamtlicher Mitarbeiter im Kreis Düren einen außergewöhnlichen Fund: eine goldene Hülsenscharnierfibel der frühen Römischen Kaiserzeit. Die Fibel ist 47 mm lang und 15,3 g schwer; ihr Goldgehalt liegt bei über 22 Karat Feingehalt. Der mehrteilige und

Goldene Hülsenscharnierfibel des 1. Jh. n. Chr. aus dem Kreis Düren.

komplexe Aufbau spricht für eine hohe Meisterscha bei der Herstellung. Besondere Elemente verkörpern zahlreiche aufgelötete Kügelchen, zwei Einfassungen mit grünen Glaseinlagen und balusterförmige Zierknöpfe im Fußbereich. Fibeln aus Gold sind eine extrem seltene Fundgattung in den römischen Provinzen im Nordwesten des Reiches. Dies hat sich für die Kölner Bucht in den letz-

ten Jahren geändert. Mittlerweile kennen wir neben der aktuell vorgestellten Fibel vier weitere vergleichbare Exemplare aus Gold und mindestens vier aus Silber. Aufgrund ihrer typologischen Ausformung und aufgrund einer stratigrafischen Zuweisung ist die Gruppe ins 1. Jh. n. Chr. zu datieren. Fragen nach den Handwerkern und Nutzern dieser exquisiten Objekte wird im Rahmen zuküniger Forschungen weiter nachzugehen sein. | Eckhard Deschler-Erb

Altsteinzeitliche Feinschmecker Essensreste aus Höhlen untersucht Unter der Leitung von Ceren Kabucku veröffentlichten Forscher mehrerer Universitäten in Liverpool, Cambridge und Belfast im November 2022 eine Analyse von karbonisierten Resten verarbeiteter Pflanzen – verbrannte Speisereste – aus den Höhlen von Shanidar und Franchthi. Die in Antiquity online erschienene Studie bringt den ältesten Beleg für das Zubereiten von Lebensmitteln durch Kochen. Verbrannte Speisereste aus einer Feuerstelle der Shanidar-Höhle, der bekannten Neandertalerfundstelle in der irakischen Provinz Erbil, werden auf ein Alter von etwa 70 000 Jahren datiert. Die Untersuchung der Essensreste mithilfe eines AiD 2 | 2023

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Römer, Ritter, Reben Württembergischer Limes und Stauferland

LESERREISE Exklusiv für Leser der and Archäologie in Deutschl

© H. Hach, pixabay

„

6 Tage archäologische Studienreise um Schwäbisch Gmünd

„

Einblick in die Geschichte der Staufer

„

Besuch des Limesparks Rainau-Buch

„

Studienreiseleitung Frau Petra Härtl ab/bis Stuttgart

© Th G, pixabay

24.10. – 29.10.2023 Reiseprogramm (Änderungen vorbehalten) 1. Tag: Stuttgart – Schwäbisch Gmünd (A) Gegen Mittag Treffen am Hauptbahnhof in Stuttgart und Fahrt in die Stauferstadt Schwäbisch Gmünd. Am Nachmittag historische Stadtführung. Abends gemeinsames Abendessen im Hotel. 5 Übernachtungen: Hotel am Remspark***. 2. Tag: Staufertag (F/A) Der Tag beginnt im Staufer-Dokumentationszentrum am Hohenstaufen, das die Hintergründe und Ereignisse des Aufstieges dieses Adelsgeschlechtes lebendig vermittelt. Danach besichtigen Sie die Ruinen des Hohenstaufen, des Stammsitzes der Staufer und das idyllisch gelegene Wäscherschloss. Am Nachmittag steht die Anlage des ehemaligen Benediktinerklosters Lorch auf dem Programm. Sehenswert sind auch das Stauferrundbild und der Klostergarten. 3. Tag: Köngen & Welzheim (F/A) Besuch des Römerparks Köngen. Hier wurde in den 1960ern und 70ern ein ganzes römisches Dorf ergraben und anschließend als Freilichtmuseum gestaltet. Im Anschluss daran Fahrt nach Welzheim. Hier befanden sich im 2. und 3. Jh. zwei Kastelle, die beide umfassend ausgegraben wurden und forschungsgeschichtlich bedeutsam sind. Im Anschluss unternehmen Sie eine Weinprobe. 4. Tag: Ludwigsburg und Umgebung (F/A) Zunächst besuchen Sie die Reste einer römischen Villa rustica in Ludwigsburg-Hoheneck, und erfahren im angegliederten „Römergärtchen“ auch einiges über römische Nutzpflanzen und Gewürze. Danach erkunden Sie die Reste eines römischen Militärlagers in Benningen bei Marbach. Die Mittagspause verbringen Sie in der Schillerstadt Marbach, wo Zeit zur freien Verfügung ist. Nachmittags besuchen Sie das liebevoll gestaltete Römermuseum Güglingen,

das Ihnen sehr lebendig das römische (Alltags-) Leben im Hinterland des Limes veranschaulicht. 5. Tag: Aalen & Rainau-Buch (F/A) Die Fahrt führt Sie zunächst zum völlig neu und innovativ gestalteten Limesmuseum Aalen. Anschließend besuchen Sie im Außenbereich die eindrucksvollen Überreste des größten römischen Reiterkastelles nördlich der Alpen. Nachmittags Besuch des Limesparks bei Rainau-Buch, dessen bekannteste Station das Limestor von Dalkingen ist. Kaiser Caracalla ließ hier 213/214 nach einem siegreichen Feldzug gegen die Alamannen einen zwölf Meter hohen Triumphbogen errichten. 6. Tag: Schwäbisch Gmünd – Stuttgart (F) Eine Führung durch die Römerabteilung des Landesmuseums Württemberg rundet heute die Reise ab: Sie werden die reichhaltigen und visuell attraktiv präsentierten Bestände erkunden, und dabei neben Zeugnissen zu Alltag, Militärgeschichte sowie Kult und Religion zahlreiche einzigartige Höhepunkt zu sehen bekommen. Hierzu gehören der GesichtsPrunkhelm von Pfrondorf, Schatzfunde aus spätrömischer Zeit sowie Überreste römischer Mosaike und Wandmalereien. Gegen Mittag endet die erlebnisreiche Reise dann am Hauptbahnhof Stuttgart. Ihre Reiseleitung: Frau Petra Härtl Petra Härtl (Diplom-Prähistorikerin und ausgebildete Fremdsprachenkorrespondentin) studierte Ur- und Frühgeschichte, Anthropologie und Geologie an der Christian-Albrechts-Universität Kiel. Seit vielen Jahren arbeitet sie als Exkursions- und Reiseleitung zu archäologischen, geologischen und kulturwissenschaftlichen Themen, mit einem Schwerpunkt auf den norddeutschen Küstenregionen.

Karawane Reisen GmbH & Co. KG Schorndorfer Str. 149 · 71638 Ludwigsburg · Ansprechpartner: Susanne Möhler Tel + 49 (0) 7141 2848-13 · [email protected] · www.karawane.de

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Eingeschlossene Leistungen „ Rundreise im modernen klimatisierten Reisebus ab/bis Stuttgart „ Fahrten, Ausflüge, Besichtigungen lt. Reiseprogramm „ Eintrittsgelder lt. Reiseprogramm „ 5 Übernachtungen in dem im Reiseprogramm genannten Hotel o.ä. in Zimmern mit Bad oder Dusche/WC „ Mahlzeiten lt. Reiseprogramm (F = Frühstück / A = Abendessen) „ 1 aktuelle Reiseliteratur pro Zimmer „ Studienreiseleitung ab/bis Stuttgart Frau Petra Härtl Nicht eingeschlossen An- und Abreise, persönliche Ausgaben wie weitere Mahlzeiten, Getränke, Reiseversicherungen, optionale Ausflüge und Trinkgelder. Teilnehmer: Bis 12 Wochen vor Reisebeginn zu erreichende Teilnehmerzahl: min. 15 Personen, max. 25 Personen. Weitere Informationen unter: www.karawane.de Webcode: 39023 Reiseveranstalter Karawane Reisen GmbH & Co. KG, Ludwigsburg Reisevereinbarungen: www.karawane.de/agb

in Kooperation mit

Verkohlte Speisereste unter dem Rasterelektronenmikroskop. Links brotähnliche Substanz aus der Franchthi-Höhle. Rechts Pflanzenreste aus der Shanidar-Höhle, darunter die wilde Erbse.

Aus einer Feuerstelle der Neandertaler in der Shanidar-Höhle stammen Proben mit verkohlten Essensresten.

Rasterelektronenmikroskops ergab den wahrscheinlich ältesten Hinweis auf ein regelrechtes Kochrezept, in dem Pflanzen eine große Rolle spielten, und nicht nur Fleisch, wie man bisher glaubte. Das Team verglich die Daten aus Shanidar mit Essensresten, die in der griechischen Höhle von Franchhti in der Argolis gefunden wurden, wo vor 12 000 Jahren Menschen des modernen Typs lebten. Es zeigt sich, dass sie sich kaum von den Funden aus der von Neandertalern bewohnten Höhle in Shanidar unterschieden. Man ernährte sich im Paläolithikum offensichtlich vielfältig, die prähistorische Küche war komplex und umfasste mehrere Zubereitungsschritte. Schließlich lehrt die Untersuchung noch, dass damals schon der Gaumen eine wichtige Rolle spielte. Beim Kochen verwendete man gerne gerbstoffreiche Pflanzen mit bitterem oder scharfem Geschmack: Wilde Nüsse und Gräser wurden o mit Hülsenfrüchten wie Linsen und mit wildem Senf kombiniert. Die altsteinzeitlichen Köche kannten eine Reihe von Tricks, um diese scharf schmeckenden Kombinationen aus Lebensmitteln so zu beeinflussen, dass der Geschmack milder wurde. Laut Hauptautor Kabucku »würde ihre Zubereitung durch Einweichen und Auslaugen, gefolgt von Stampfen oder grobem Mahlen, einen Großteil des bitteren Geschmacks entfernen.« | Jesper Tae Jensen

7000 Jahre altes Massengrab Kopflos ins Massengrab Im slowakischen Vráble, etwa 100 km östlich von Bratislava, wurde ein jungsteinzeitliches Massengrab entdeckt. Die Skelette lagen wild durcheinander, teils auf dem Bauch, mit angezogenen Beinen, mit

abgespreizten Gliedmaßen – und bei fast allen fehlte der Kopf. Mitarbeiter der Christian-AlbrechtsUniversität Kiel und des Archäologischen Instituts der Slowakischen Akademie der Wissenschaen Nitra erforschen dort seit Jahren eine ausgedehnte linearbandkeramische Siedlung aus der Zeit von 5250 bis 4950 v. Chr. Schon im vergangenen Jahr hatte das Team einzelne Skelette ohne Kopf gefunden. »Wir haben mit weiteren menschlichen Skeletten gerechnet, doch dies übertraf alle unsere Vorstellungen«, berichtet Projektleiter Martin Furholt. In drei dicht beieinander liegenden Dörfern konnten mittels geomagnetischer Messungen 313 Häuser identifiziert werden. Eines der Dörfer war von einem 1,3 km langen Doppelgraben umgeben, teils durch Palisaden verstärkt. In diesem Graben fan-

Im Graben der jungsteinzeitlichen Siedlung von Vráble, Slowakei: Skelette von 38 Menschen auf 15 m2, alle ohne Kopf.

den sich im Sommer 2022 auf einer Fläche von nur 15 m2 die Skelette von 38 Menschen, darunter ein Kleinkind, bei dem allein der Kopf erhalten war. Wurden diese Menschen gewaltsam getötet, vielleicht sogar enthauptet, oder hat man die Köpfe später entnommen? Gibt es Hinweise auf die Todesursache, vielleicht eine Krankheit? »Mehrere Einzelknochen ohne Skelettverbund lassen vermuten, dass der zeitliche Ablauf komplexer gewesen sein könnte. Möglicherweise wurden skelettierte Leichen in die Mitte des Grabens geschoben, um Platz für neue zu schaffen«, so Katharina Fuchs, Anthropologin an der Universität Kiel. »Bei einigen Skeletten ist der erste Halswirbel erhalten, was eher auf eine sorgfältige Abtrennung des Kopfes als auf Köpfung im gewalttätigen, rücksichtslosen Sinne hinweist – aber all dies sind sehr vorläufige Beobachtungen, die es anhand weiterer Untersuchungen noch zu bestätigen gilt.« Auf diese weiteren Untersuchungen dürfen wir gespannt sein. | AiD AiD 2 | 2023

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Forschung Seen, Wälder und Hügel

Siedlungsforschung im bronzezeitlichen Nordbrandenburg

läche von einem Graben begleitet, der heute ebenfalls ein Gewässer beinhaltet. Er war in der Bronzezeit sehr wahrschein‐ lich ein Feuchtgebiet. Das Plateau unter‐ liegt wie auch seine unmittelbare Umge‐ bung einer dauerhaften Nutzung durch Land‐ und Forstwirtschaft.

Der Norden Brandenburgs ist ein wichtiger Übergangsbereich zwischen den großen Kulturräumen des »Nordischen Kreises« der Bronzezeit und der süd­ lich davon beheimateten Lausitzer Kultur. Über die gesamte Bronze­ und frühe Eisenzeit stehen besonders der Barnim und das Havelland im Spannungsfeld kultureller Ein lüsse beider Großräume. Jüngste Forschungen machten deut­ lich, dass diesem Kulturraum eine weit größere Bedeutung zugebilligt werden muss als bisher vermutet.

Von Bianka Nessel und Franz Schopper

I

n einem gemeinsamen Forschungspro‐ jekt widmen sich die Universität Mainz sowie das Brandenburgische Landes‐ amt für Denkmalp lege und Archäologi‐ sches Landesmuseum einer bronzezeitli‐ chen Siedlungskammer im Nordosten Brandenburgs. Zentrum der Forschungen ist der Fund‐ platz in Lanke, Kreis Barnim, welcher auf einem leicht erhöhten, natürlichen Pla‐ teau mit einem spornartigen Ausläufer im Südwesten liegt. Der Fundplatz hat eine Grund läche von ha und hebt sich im Norden, Süden und Westen durch teilwei‐ se steil abfallende Hänge ca. m vom um‐

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gebenden Gelände ab. Sandiges Sediment und lehmige Böden bilden den geologi‐ schen Untergrund des Plateaus, wobei sei‐ ne Nordhälfte einen deutlich höheren Lehmanteil aufweist. Heute ist der Platz allseitig von Wald umgeben, was nach den botanischen Untersuchungen an benach‐ barten Fundplätzen sehr wahrscheinlich auch auf vorgeschichtliche Perioden über‐ tragen werden darf. Wenige Meter süd‐ lich des Plateaufußes be indet sich der in der Eiszeit entstandene Krumme See, wel‐ cher an seinem südlichen Ende Anzeichen für eine begonnene Verlandung zeigt. Im Norden und Nordwesten wird die Hoch‐

Die Ausgrabungen brachten ein gut erhaltenes Steinfundament für ein hölzernes Blockhaus ans Tageslicht. So gut erhalten sind solche Fundamente nur sehr selten. In Nordbrandenburg ist es das erste und einzige seiner Art.

Überraschungsfund dank ehremamt­ lichem Engagement Zum archäologischen Alltag gehören auch Überraschungen. Eine solche lieferte der ausgebildete ehrenamtliche Mitarbeiter der Landesfachbehörde Helge Mischler bei intensiven Begehungen um Lanke und Biesenthal. Auf der ausgedehnten plateau‐ artigen Erhebung entdeckte er zunächst diverse Silexfragmente und ein Konvolut jung‐ bis spätbronzezeitlicher Keramik sowie neuzeitliche Funde. In wiederholten systematischen Begehungen gelang es ihm, das Fundbild weiter zu verdichten und unter Einsatz eines Metalldetektors auch eine Palette von Bronzeobjekten zu bergen. Über mehrere Jahre hinweg las er Fragmente von rundstabigen Objekten, Si‐ cheln, Pfriemen, Gusstropfen, Gusskuchen, Messern, Lappenbeilen, Lanzenspitzen, Tüllengeräten und einem Schwert auf. Fast zur Unkenntlichkeit zerstückelt sind hier‐ bei zum Beispiel die Lanzen, von denen si‐ cher nur zwei etwa cm große Spitzen zu identi izieren sind. Möglicherweise stammt von den Lanzenspitzen auch ein kleines Tüllenfragment. Ein weiteres Bruchstück gehört zu einem Tüllenbeil. Ein eher un‐ erwarteter Fund, da es sich dabei um ein sehr massives Gerät handelt. Überreste des massiven Körpers und der Klinge fehlen dagegen bislang. Als einziges weitgehend vollständig erhaltenes Objekt ist eine Pfeil‐ spitze mit ausgezogenen spitzen Flügeln zu nennen. Ob die Zerstückelung in der Bronzezeit erfolgte oder auf moderne Bo‐ denbearbeitung zurückgeht, ist bisher nicht geklärt. Die Bronzen lagen über mehrere m verstreut und gehören wohl nicht alle ur‐ sprünglich zu einem Hort. Möglich ist dies aber bei einem Teil der Sicheln. Deren Bruchstücke lagen teils im Umkreis von m. Allerdings inden sich weitere Si‐ chelfragmente über eine Strecke von m verstreut. Nach Ausweis der Kera‐ mik und der Grabungsergebnisse wurde das Areal während der Bronzezeit über mehrere Jahrhunderte genutzt, weshalb

Digitales Geländemodell des Fundplatzes in Lanke mit dem Graben auf der Nord- und Westseite sowie dem Krummen See im Süden des Fundplatzes. Das Plateau in der Mitte überragt das übrige Gelände um ca. 15 m.

300 m

die Bronzen zu unterschiedlichen Zeit‐ punkten in den Boden gelangt sein können. Die weitgehende Zerstückelung erschwert eine genaue chronologische Einordnung. Novum in Mitteleuropa – bronzene Doppelaxt der Extraklasse Seltenheitswert hat eine ungewöhnlich ge‐ formte Bronzelamelle (AiD / , S. ). Das Stück ist , cm lang und , cm hoch. Seine Schmalseiten sind fast gerade, die Längsseiten ziehen stark ein. In der Mitte be indet sich ein massiv aufwölbendes Schaftloch. Die Rückseite ist unverziert, die Vorderseite trägt jedoch ein Dekor aus Rip‐ pen, Ritzlinien und Kerben. Das Objekt äh‐ nelt einer Doppelaxt, wie sie aus der mi‐ noischen Kultur ab ca. v. Chr. bekannt ist. Um die untere Oder kann eine kleine Gruppe verwandter Objekte herausgear‐ beitet werden, wobei ein reich ausgestat‐ tetes Hügelgrab von Banie (Bahn), Woi‐ wodtschaft Westpommern in Polen, die

besten Verknüpfungen bietet und in das . Jh. v. Chr datiert. Schweift der Blick von der unteren Oder rund km nach Süden, tauchen um die mittlere Donau we‐ nige Doppelaxtminiaturen in Hortfunden auf, die um bis v. Chr. datieren. Im makedonischen Großraum liegen sie in Grabhügeln des . bis . Jh. v. Chr. vor. Der größte Reichtum an Doppelaxtminiatu‐ ren indet sich in Heiligtümern des ägäi‐ schen Raums. Dort datieren sie bis in die frühe Eisenzeit. Das weiträumige Verbrei‐

Als Überraschungsfund ist diese reich verzierte Doppelaxtminiatur zu sehen, deren Form eher aus dem südlichen Mitteleuropa bekannt ist.

tungsbild prägt ein deutliches Süd‐Nord‐ Gefälle mit erheblicher zeitlicher Tiefe. Diese Miniaturen sind nicht einfach Abbild einer funktionstüchtigen Waffe. Ihre sym‐ bolische, rituell‐kultische Bedeutung be‐ legen bildliche Darstellungen, auf denen das Symbol der Doppelaxt, die Labrys, zu‐ mindest in der Frühzeit mit Göttinnen ver‐ bunden ist. Über eineinhalb Jahrtausen‐ de, die es zu verfolgen ist, hat das Symbol vielfältige, variierende Au ladungen er‐ fahren. Eine Verankerung dieses Phäno‐ mens auch im nördlichen Mitteleuropa ist jedoch ein Novum. Nachdem die bronzenen Ober lächen‐ funde Aufmerksamkeit auf den Fundplatz gelenkt hatten, initiierte die Landesarchäo‐ logie in Kooperation mit der Universität Mainz eine Rettungsgrabung, um die durch landwirtschaftliche Aktivitäten bereits an‐ gegriffenen Befunde in Lanke zu untersu‐ chen und zu dokumentieren. Im Vorfeld der Ausgrabungen konnte im Frühsommer AiD 2 | 2023

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Forschung Seen, Wälder und Hügel

dank der Unterstützung der Römisch‐ Germanischen Kommission eine umfas‐ sende geophysikalische Prospektion durchgeführt werden. Darauf au bauend erfolgten jeweils im Spätsommer bis Ausgrabungskampagnen zur Unter‐ suchung des Fundplatzes. Möglich wurden die Ausgrabungen durch eine maßgebliche Förderung aus der Denkmalhilfe des Mi‐ nisteriums für Wissenschaft, Forschung und Kultur des Landes Brandenburg. Die naturwissenschaftlichen Analysen und Da‐ tierungen sowie die Bestimmungen des Knochenmaterials wurden durch den Forschungsfond der Johannes‐Gutenberg‐ Universität Mainz und den Pro ilbereich » Years of Human Challenges« der Universität Mainz gefördert. Wir sind al‐ len genannten Institutionen und Beteilig‐ ten zu großem Dank verp lichtet. Am Ende ein Feuer? In drei Ausgrabungsarealen wurden Res‐ te einer bronzezeitlichen Siedlung gefun‐ den. Es lassen sich mindestens zwei Pha‐ sen der Besiedlung nachweisen, die unter anderem an zwei sich überlagernden Hausgrundrissen festgemacht werden 10

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Das Grabungsteam beim Ausgraben und Dokumentieren der Befunde. Fugenverstrich aus dem Bereich des jüngeren Hauses als deutlicher Indikator für ein Steinfundament.

können. Der jüngere von ihnen wurde leicht versetzt und mit einer anderen Aus‐ richtung als der ältere Bau angelegt. Zu‐ dem wurde das ältere Gebäude in Pfos‐ tenbauweise errichtet, wohingegen das jüngere Haus eine Steinsetzung als Fun‐ dament aufwies und als Blockbau kon‐ struiert gewesen sein muss. Bestätigt wird dies durch dreieckigen Fugenverstrich, der sich rund um den Bereich des Steinfunda‐ ments fand. Beide Bauten verfügten über mindestens eine im Haus gelegene Feuer‐ stelle. Gebaut wurde mit Kiefernholz, wel‐ ches in der unmittelbaren Umgebung nicht nur verfügbar war, sondern auch schnell nachwuchs und sich gut als Bau‐ und Brennholz eignete. Das jüngere Gebäude scheint letztlich einem Brand zum Opfer gefallen zu sein, da die Siedlungsschich‐

ten durch eine groß lächige Brandschicht abgeschlossen werden. Ob dies auch das Schicksal anderer Gebäude in der Siedlung war, müssen zukünftige Forschungen klä‐ ren. Zusätzlich zu den Gebäuderesten fan‐ den sich mehrere Siedlungsgruben, welche mit Siedlungsabfall gefüllt waren. Erwar‐ tungsgemäß bestand dieser aus kerami‐ schem Fundmaterial, jedoch auch Flintge‐ räten und Tierknochen. Bei den wenigen im Siedlungskontext ergrabenen Bronzen handelt es sich um kleine Arbeitsgeräte wie Pfrieme und Sicheln. Während die Metallobjekte vom Fund‐ platz in weiträumige Verbreitungsmuster eingebunden werden können, lässt sich die aufgefundene Siedlungskeramik fast aus‐ nahmslos mit der Lausitzer Kultur ver‐ binden. Als charakteristische und in der

Region weit verbreitete Formen können zum Beispiel eiförmige Töpfe mit unter‐ schiedlich angebrachter Wandrauung oder verschiedene Turbanrandteller und ‐scha‐ len der uckermärkisch‐westpommeri‐ schen Gruppe hervorgehoben werden. Fei‐ ne, schwarz polierte Keramikgefäße mit Rillenzier zeigen, dass die spätbronzezeit‐ liche Gemeinschaft neben gröberer All‐ tagskeramik auch feines Tafelgeschirr be‐ nutzte. Erste Klassi izierungen des Fund‐ materials deuten eine Besiedlung der er‐ grabenen Flächen von ca. bis v. Chr. an. Zusätzlich erstellte C‐Datie‐ rungen (AMS) von bisher Holzkohle‐ fragmenten bestätigen diesen Zeitansatz. Die Datierungen legen ebenso eine zeitli‐ che Einordnung der Befunde in das . bis . Jh. v. Chr. nahe, wobei die meisten er‐ mittelten Daten auf das . bis . Jh. v. Chr. entfallen. Dies lässt auf eine mehr als ‐ jährige Besiedlungsdauer am Fundplatz schließen. Während sich die ältere Sied‐ lungsschicht vor allem mit dem . und . Jh. verbinden lässt, weisen die Materia‐ lien der jüngeren Brandschicht vorwie‐ gend ins . und . Jh. v. Chr. Der oben er‐ wähnte groß lächige Hausbrand muss so‐ mit zwischen und v. Chr. erfolgt sein. Ob er auch auf andere Häuser über‐ griff, müssen zukünftige Forschungen klä‐ ren.

ausreichende Strömung, ein hoher Sauer‐ stoffeintrag, eine gute Wasserqualität und das Vorhandensein bestimmter Wirts i‐ sche für ihr Fortbestehen wichtig sind. Im Krummen See südlich des Fundplatzes kommen die genannten Muschelarten auch heute noch vor, was sehr wahrscheinlich macht, dass die Tiere hier gesammelt wur‐ den. Der Fund kann wahrscheinlich als Rest einer Mahlzeit gedeutet werden, allerdings wurden die Muscheln nicht alle gleich be‐ handelt. An manchen Schalen hafteten sehr starke Ablagerungen des Flusssediments, andere waren hingegen vollkommen frei davon. Keine Schale zeigt Spuren von Hitze‐ einwirkung, was ein Braten oder Rösten der Muscheln unwahrscheinlich macht. Demnach wurden sie entweder gekocht oder getrocknet, wobei die geringen oder fehlenden Ablagerungen auf einigen Scha‐ len für eine längere Wässerung der Tiere nach dem Fang sprechen. Der Konsum von Flussmuscheln ist ein in der späten Bronze‐ und frühen Eisenzeit im nordostdeutschen und polnischen Tief‐ land vorrangig an größere Siedlungen mit hoher Bevölkerungsdichte gebundenes

Phänomen. Die Lage der Muschelfunde deutet darauf hin, dass der Zugang zu die‐ ser Ressource möglicherweise bestimm‐ ten Bevölkerungsgruppen vorbehalten war. Ob sich dies auch für die Siedlung in Lanke aussagen lässt, müssen zukünftige Forschungen zeigen.

Die Muscheln aus dieser Grube gehören zu verschiedenen Arten und wurden unterschiedlich zubereitet. Ein so großer Fund ist sehr selten. Die bronzezeitlichen Menschen haben Muschelfleisch gegessen und haltbar gemacht. Wann und wie oft sie Muscheln sammeln gingen, wird anhand des Fundes noch untersucht.

Befestigungsstrukturen, Waffen­ funde & Co. Zwei jeweils etwas über km breite Strei‐ fen trennen den bronzezeitlichen Sied‐ lungsraum um das obere Finowtal bei Eberswalde, zu dem die Siedlung in Lanke gehört, von anderen Siedlungsbereichen. Die heute bewaldeten Zwischenräume sind bisher fast fundleer. Gründe dafür sind sicher in den naturräumlichen Gege‐ benheiten zu suchen, da sich im Süden die wenig fruchtbaren, auf dem westlichen Barnim au liegenden Sander be inden. Im Norden trennt das Eberswalder Urstrom‐ tal die Siedlungsräume voneinander. Bron‐ zezeitliche Funde und das bronzezeitliche Siedlungsbild Nordostbrandenburgs stan‐ den bereits mehrfach im Fokus archäolo‐ gischer Forschung, vereinzelt auch der Lanker Raum. So ist beispielsweise der

Eine Muschel kommt selten allein In einer ovalen Grube, die nahe der Feuer‐ stelle des älteren Gebäudes angelegt wur‐ de, war eine Muschelansammlung von mindestens einzelnen Muschelschalen enthalten, die von mindestens Tieren stammen dürften. Die Grubenfüllung wies zwei Schichten auf, wobei der Muschelfund aus der oberen stammt. Die Muscheln wur‐ den dicht gepackt im südwestlichen Be‐ reich der Grube platziert. Man hat sie nicht einfach hineingeworfen, sondern sorgfäl‐ tig eine Hälfte in die andere gelegt. Teil‐ weise lagen mehrere Schalen der Größe nach geordnet ineinander. Die Mehrheit der Schalen kam vollständig und intakt in die Grube, was gegen einen Verzehr in ro‐ hem Zustand und auch gegen eine Nutzung als Fischköder spricht. Es handelt sich um Flussmuscheln ver‐ schiedener Arten und verschiedener Alters‐ gruppen. Flussmuscheln haben hohe An‐ sprüche an ihren Lebensraum. Sie iltern Nahrung aus dem Wasser, weshalb eine AiD 2 | 2023

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Forschung Seen, Wälder und Hügel Fundplatz Lanke Teil einer bronzezeit‐ lichen Fundkonzentration. Sie erstreckt sich als etwa km breiter Korridor über km hinweg von Schmachtenhagen im Westen bis Biesenthal im Osten. Zuletzt traten auf der Suche nach slawischen Hin‐ terlassenschaften Funde und Befestigungs‐ strukturen der Bronzezeit auf dem Großen Werder im Lanker Liepnitzsee zutage. Dendrochronologische Untersuchungen an Proben von im See liegenden Holz‐ strukturen erbrachten bronze‐ und früh‐ eisenzeitliche Datierungen. Diese decken sich mit dem aufgedeckten keramischen Fundspektrum. Unter den dort jüngst ge‐ borgenen Metallen sind eine Knopfsichel und eine spätbronzezeitliche Platten ibel erwähnenswert. Aus dem Bereich der Fundkonzentra‐ tion um Lanke stechen gerade auch die häu igen Waffenfunde hervor, deren Fund‐ plätze über das gesamte Gebiet verteilt sind. Über Museumsbestände, Ortsakten und teils ältere Erwähnungen können heu‐ te mindestens elf Lanzenspitzen und fünf Schwerter der Jung‐ und Jüngstbronze‐ zeit nachgewiesen werden. Hinzu kommen einige Pfeilspitzen. Soweit nachvollziehbar stammen die Waffen aus praktisch allen Fundgattungen, wie Gräber, Siedlungen, Hortfunde und Einzelniederlegungen. Ohne sicheren Zusammenhang gelang‐ te ein illegal geborgenes, sehr ungewöhn‐ liches Schwertfragment in den Besitz der Landesfachbehörde. Im Rahmen einer Orts‐ begehung konnten Mitarbeitende des Lan‐ desamts den Fundplatz am Nordrand des Hellsees bei Lanke wahrscheinlich machen. Sie entdeckten hier Schür löcher, und auch die dunkle, braune Patina des Schwerts passt zum rekonstruierten Fundort. Die Niederlegung eines zerbrochenen Schwert‐ oberteils indet Widerhall im regionalen, bronzezeitlichen Rahmen. Das Erschei‐ nungsbild des Lanker Schwerts (kurze Form, Klingengestalt, Heftform, Anten‐ nenknauf) ist in der näheren und weiteren Region gut belegt. Die individuelle Griff‐ konstruktion lässt sich an nahegelegene regionale Vergleiche anschließen (Berlin‐ Buch, Hohen inow‐Karlswerk, Schwedt a. d. Oder). Eine Vielzahl großer Nietköpfe prägt die schmalen, vierkantigen Griffsäu‐ len. Dieses Detail ist in Mitteleuropa ein‐ malig und verbindet die sonst nach Klin‐ genform und Grifftyp ganz unterschiedli‐ chen spätbronzezeitlichen Schwerter zu 12

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Bronze- und früheisenzeitliche Siedlungskammern in Ostbrandenburg. Fundplatz Lanke siehe gelbe Kreismarkierung.

Übersicht einiger Funde, die auf dem Großen Werder im Liepnitzsee bei Lanke zutage traten.

einer regional eng umgrenzten Gruppe. Sie belegt die Herstellung dieser individuellen Stücke nach regionalem Formemp inden. Nachdem der Prähistoriker Ernst Sprock‐ hoff schon vor etwa Jahren regionale

Klingenformen herausarbeiten konnte, sind das ungewöhnliche Lanker Schwert und seine Vergleichsstücke somit ein wei‐ terer Hinweis auf die regionale Schwert‐ produktion in Nordostbrandenburg.

Sichel und Plattenfibel aus der Befestigung an der Westspitze des Großen Werders im Liepnitzsee bei Lanke.

An der Grenze der Kulturen Die Siedlungskammer um Wandlitz, Lan‐ ke und Biesenthal liegt an einem Über‐ gangsraum zwischen Nordischer Bronze‐ zeit und Lausitzer Kultur. Die relative Ke‐ ramikarmut in den jeweiligen Bestattun‐ gen des Betrachtungsraums hat der Raum mit dem südskandinavischen Gebiet ge‐ meinsam und grenzt sich damit markant von nur wenig weiter südöstlich gelegenen Fundkomplexen ab. Den einzelnen bzw. wenigen Grabgefäßen in Rüdnitz und Bie‐ senthal stehen Grabbefunde mit umfäng‐ lichen Keramikkomplexen eindeutig lau‐ sitzischen Gepräges im nur km südöst‐ lich gelegenen Gliesdorf gegenüber. Die nach Norden weisende Beigabensitte, we‐ nig Keramik in die Gräber zu geben, wird unterstützt durch die Anlage kleiner Stein‐ kisten und Steinp laster als Grabbau. Dass dieses Gebiet eine Schnittstelle des Nordi‐ schen Kreises und der Lausitzer Kultur darstellt, ist lange bekannt, seine Zuwei‐ sung erfolgt nach unterschiedlichen Prä‐ missen. Der Keramik folgend wird der Be‐ reich zuweilen zur Lausitzer Kultur ge‐ rechnet. Jedoch hat der Prähistoriker Hans‐Jürgen Eggers schon früh darauf hin‐ gewiesen, dass religiöse Praktiken und Grabbrauch methodisch mindestens gleich‐ wertig mit Keramikformen zu betrachten sind. Ernst Sprockhoff zählt die Region zur Südzone des Nordischen Kreises und hat die regionalen Besonderheiten an Bronze‐ formen in seiner Odergruppe zusammen‐ gefasst. Dies wird insbesondere durch De‐ ponierungssitten und Zusammensetzun‐ gen der Horte gestützt. Besonders deutlich

ist der kulturelle Unterschied zwischen Nord und Süd bei der Niederlegung von Bronzen im Feuchtboden oder im Wasser. Während an der unteren Oder und den be‐ nachbarten Flüssen bronzezeitliche Fun‐ de in großer Zahl auftreten, fehlen sie im Raum südlich der Oderinsel bei Oderberg völlig. Sowohl die Keramik als auch die Bronzen weisen jedoch auch verbindende Elemente auf. Es lohnt sich in jedem Fall die Lanker Siedlungsinsel noch intensiver in den Blick zu nehmen.

Schwertfragment von Lanke Fundplatz 29. Kreis Barnim, Brandenburg.

Was kommt als Nächstes? In den kommenden Jahren werden weite‐ re Grabungen und räumliche Analysen un‐ terschiedlicher Fundgruppen tiefere Ein‐ blicke in die Organisationsstruktur, die Versorgungsstrategien und das Ernäh‐ rungsverhalten in der Siedlung Lanke samt Umgebung geben. Es gilt zu verstehen, ob diese Siedlung einen dör lichen Charakter hatte oder bereits als protourban ange‐ sprochen werden kann, wie dies teils bei Fundorten im polnischen Tie land ge‐ schieht. Die Untersuchung der Bronzen und des keramischen Inventars hat erst be‐ gonnen. Zukünftig werden naturwissen‐ schaftliche Analysen des alten und neuen Fundmaterials Hinweise auf regionale und überregionale Austauschnetzwerke liefern und die Einbindung der Ansiedlung in die Gegebenheiten eines weiteren Umfelds re‐ konstruieren helfen. In diesem Zusam‐ menhang ist auch eine Rekonstruktion der bronzezeitlichen Umwelt geplant, die auf archäobotanischen und bodenkundlichen Untersuchungen basiert.  AiD 2 | 2023

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Weltweit Ägypten – Königsnekropole von Dahschur

Ein Meilenstein des Pyramidenbaus Die rund

 Jahre alte Knick­Pyramide im Süden der Nekropole von

Dahschur gehört zu den besonders beeindruckenden Denkmälern der pharaonischen Hochkultur und markiert einen Wendepunkt im altägyptischen Pyramidenbau. Seit über zwei Jahrzehnten werden das gescheiterte Grabbau­ projekt des Königs Snofru und der dazugehörige Pyramidenbezirk vom Deutschen Archäologischen Institut Kairo erforscht.

Von Michael Haase

I

n der Regierungszeit des Snofru (um –  v. Chr.; . Dynastie) wurde der königliche Grabbau im alten Ägyp‐ ten revolutioniert und mit drei großen Pro‐ jekten das umfangreichste Bauprogramm des gesamten Pyramidenzeitalters durch‐ geführt. Dabei modi izierten Snofrus Ar‐ chitekten nicht nur die äußere Form der königlichen Grabmäler, sondern setzten auch beim Au bau der Kammersysteme neue Maßstäbe. Maßgeblich für diese Ent‐

Kammersysteme der Knick-Pyramide im Überblick (Nord-Süd-Schnitt und Draufsicht). Die beiden separat errichteten Bereiche wurden offenbar im Rahmen der abschließenden Blockierung der oberen im Kernmauerwerk konstruierten Korridorpassagen durch einen schmalen Tunnel verbunden.

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wicklung war Snofrus zweites Grabbau‐ projekt in der Nekropole von Dahschur, et‐ wa  km südwestlich vom heutigen Kai‐ ro. Dort strebte man zum ersten Mal ein Königsgrab in Form einer geometrisch korrekten Pyramide an. Doch wie die un‐ gewöhnliche Gestalt dieses aus Kalkstein errichteten Bauwerks zeigt, das heute als »Knick‐Pyramide« bezeichnet wird, schlug dieser Versuch fehl.

Fehlstart ins Pyramidenzeitalter Die Geschichte der Knick‐Pyramide be‐ ginnt in der Anfangsphase des zweiten Regierungsjahrzehnts des Snofru. Zu die‐ sem Zeitpunkt wurde der für den König bei der heutigen rund  km südlich von Kai‐ ro liegenden Ortschaft Meidum bereits vorhandene Grabbezirk, in dessen Zen‐ trum eine fast  m breite und  m ho‐ he Stufenpyramide stand, aufgegeben. Für den Bau einer neuen Königsnekropole auf einem weitläu igen Felsplateau etwa  km südwestlich der damaligen Hauptstadt Memphis könnten politische und infra‐ strukturelle Gründe eine Rolle gespielt ha‐ ben. Vermutlich wurde in jener Zeit die ständige Präsenz des Königs im unmittel‐ baren Umfeld des Machtzentrums des Staates als erforderlich angesehen – und damit auch die neue Verortung seiner Be‐ gräbnisstätte wesentlich beein lusst. Heut‐ zutage wird die Nekropole nach der nahe gelegenen Ortschaft Dahschur benannt. Erste Probleme mit der Statik der neu zu errichtenden Pyramide traten wohl be‐ reits in einer frühen Phase der Arbeiten auf. Anscheinend schon mit dem Au bau des in einer Baugrube angelegten Kam‐ mersystems kam es zu Rissen und Sen‐ kungen des Mauerwerks, die sich in der Folge mit dem Anwachsen des Pyrami‐ denstumpfs noch verstärkten und zum partiellen Absacken des Kernmauerwerks des Baukörpers führten. Die Ursache hier‐

für lag vermutlich in einer geologischen In‐ stabilität des Untergrundes: vielleicht in Form plastischer Verformungen toniger Schichten zwischen einzelnen Kalkstein‐ bänken oder eines kollabierenden Hohl‐ raums im verkarsteten Felsboden. Auch die Baugrube selbst kann zu den Setzungs‐ schäden beigetragen haben. Die bisherigen Untersuchungen an der Knick‐Pyramide belegen drei Planände‐ rungen, um den statischen Problemen ent‐ gegenzuwirken: die Umstrukturierung des Kammersystems, die Errichtung eines äu‐ ßeren Kalksteinmantels zur Stabilisierung des beschädigten Pyramidenstumpfs und die Verringerung des Neigungswinkels ab einer Höhe von ,  m, um das Gewicht des oberen Bauabschnitts zu reduzieren. Doch trotz der aufwendigen Gegenmaß‐ nahmen nahmen die Schäden in den Kam‐ mern und Korridoren mit dem Anwachsen des Grabmals weiter zu, sodass – der Py‐ ramidenstumpf hatte wohl bereits eine Hö‐ he von etwa  m erreicht – schließlich das de initive Aus für die Knick‐Pyramide kam. Vermutlich rechnete zum damaligen Zeit‐ punkt zwar niemand mit dem unmittelba‐ ren Kollabieren der Grabräume, aber die Pyramide erfüllte nicht mehr die Anfor‐ derungen, die der König und seine Baulei‐ tung an eine sichere, für die »Ewigkeit« ausgelegte Begräbnisstätte stellten. Um der Nachwelt keine unvollendete Ruine zu hinterlassen, die dem Andenken des Kö‐

nigs hätte nachhaltig schaden können, ord‐ nete man die Fertigstellung an, um dem Bau anschließend eine neue Funktion als königliche Kultstätte zuweisen zu können. Am Ende dieses Bauprojekts erreichte die über  m breite Knick‐Pyramide im‐ merhin noch eine Höhe von fast  m und war bis zur Vollendung von Snofrus letzt‐ endlicher Ruhestätte, der etwa ,  km wei‐ ter nördlich errichteten Roten Pyramide, das höchste und mächtigste Bauwerk Alt‐ ägyptens. Umstrukturierungen auf der Großbaustelle Mehrere für den Pyramidenbau außerge‐ wöhnliche Merkmale zeichnen das Innen‐ leben der Knick‐Pyramide aus. So besteht ihr Raumprogramm aus zwei unter‐ schiedlich ausgerichteten Bereichen: ein in Nord‐Süd‐Richtung liegendes, über  m tief in den Felsuntergrund reichendes Kammersystem und ein vollständig im Kernmauerwerk der Pyramide aufgebau‐ tes Kammersystem, das eine Ost‐West‐ Ausrichtung aufweist und somit für viele Jahrhunderte einen Sonderfall im königli‐ chen Grabbau darstellte. Zudem lag nach Fertigstellung des Bauwerks der West‐ eingang über  m oberhalb des Basisni‐ veaus und ist damit der am höchsten gele‐ gene Zugang zu einem Kammersystem ei‐ ner altägyptischen Pyramide. Auch die Konstruktion der beiden Kammern in der

Die Knick-Pyramide mit ihrer Nebenpyramide in der Nekropole von Dahschur. Blick von Südosten. Der Kalkstein für die Kernmauerwerke stammte aus lokalen Steinbrüchen. Für die Verkleidungen kam hochwertiger Kalkstein aus dem etwa 17 km entfernten Steinbruch bei Maasara östlich des Nil.

Knick‐Pyramide war bemerkenswert. Durch die extreme Ausprägung ihrer Decken‐ konstruktionen in Form sehr hoher, alle Seiten umspannender Kraggewölbe avan‐ cierten diese Räume zu den höchsten, die in königlichen Pyramiden anzutreffen sind. Die Errichtung des zweiten, separaten Kammersystems mit einem Zugang an der Westseite der Knick‐Pyramide war offen‐ sichtlich die Folge einer aufgrund stati‐ scher Probleme des Baukörpers notwen‐ dig gewordenen Umstrukturierung der ersten Bauplanung. Die ungewöhnliche Position der neu geplanten Grabkammer im Kernmauerwerk und die Ausrichtung des dazugehörigen Korridorsystems re‐ sultierten dabei offenbar aus der Vorga‐ be, insbesondere dem für die Statik des Kammersystems prekären Bereich der Baugrube nach Süden auszuweichen, oh‐ ne sich hierbei allzu weit von der Zentral‐ achse der Pyramide zu entfernen. Ursprünglich war vielleicht geplant ge‐ wesen, die Grabkammer durch einen über  m hohen senkrechten, heute nach oben blind endenden Schacht mit der unteren Kammer zu verbinden. In zwei Nischen mit gekragten Seitenwänden, die auf ver‐ schiedenen Niveaus an der Ost‐ und West‐ wand des Schachtes angelegt wurden, be‐ inden sich noch große Bruchstücke auf‐ recht stehender, ursprünglich etwa  t schwerer Kalksteinquader, mit denen der Übergang möglicherweise blockiert wer‐ AiD 2 | 2023

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Weltweit Ägypten – Königsnekropole von Dahschur den sollte. Wie man die Blockierung des Schachtes allerdings praktisch durchge‐ führt hätte, ist bislang nicht geklärt. Zum Schutz der neuen Grabkammer sollten zwei Blockiervorrichtungen im horizontalen Abschnitt des westlichen Korridors dienen. Hierfür waren große, et‐ wa  t schwere Kalksteinblöcke vorgese‐ hen, die aus kleinen, schräg angelegten Sei‐ tenkammern herabgelassen werden konn‐ ten. Offenbar wurde lediglich der westli‐ che Blockierstein in seine endgültige Position gebracht. Noch heute versperrt er den Korridor und kann nur durch einen ge‐ waltsam hergestellten Durchbruch pas‐ siert werden. Erste echte Pyramide Zu einem Zeitpunkt, als die damalige Bau‐ leitung noch glaubte, die Knick‐Pyramide ihrer geplanten Bestimmung als Königs‐ grab zuführen zu können, ließ sie gut  m südlich von ihr eine kleine Nebenpyrami‐ de errichten. Derartige Bauwerke gehör‐ ten ab der . Dynastie zum Standardpro‐ gramm königlicher Grabanlagen. Welche Gegenstände in den kleinen Kammern die‐ ser Pyramiden deponiert wurden, ist un‐ klar. Manche Ägyptologen gehen davon aus, dass dort im Rahmen der Begräbnis‐ feierlichkeiten eine Statue des toten Herr‐ schers »rituell bestattet« worden war. Bemerkenswerterweise war diese Ne‐ benpyramide die erste geometrisch kor‐ rekt gebaute Pyramide Altägyptens und damit – zusammen mit dem später errich‐ teten Grabmal des Snofru (Rote Pyramide) und der parallel dazu umgebauten Pyra‐ mide in Meidum – der Prototyp für eine lange Tradition derartiger Grabanlagen im Pharaonenreich. Mit Blick auf die Probleme an der Hauptpyramide und unter Vorgabe einer relativ mühelosen Zugänglichkeit stattete man dieses Bauwerk zudem mit einem au‐ ßergewöhnlichen Kammersystem aus, das sich durch einen ab‐ und ansteigenden Korridorverlauf und ein interessantes Blo‐

Durchgang an der Südwand der unteren Kammer der Knick-Pyramide zu einem über 15 m hohen Schacht, der vielleicht als Zugang zu einer geplanten, aber wegen statischer Probleme nicht errichteten Grabkammer dienen sollte.

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ckierungssystem auszeichnet. Der südli‐ che, ansteigende Gangabschnitt wurde ga‐ lerieartig nach oben erweitert, sodass vier dort zwischengelagerte Blockiersteine aus Kalkstein überquert werden konnten, um bis zur Verschließung der Pyramide in die (Grab‐)Kammer zu gelangen. Löcher in den Wänden und Rinnen im Boden deuten auf ein einfaches »Rückhaltesystem« der Stein‐ blöcke mit hölzernen Quer‐ und Stützbal‐ ken hin. Nach Entfernung der Halterung sollten die Blöcke vermutlich unter Einsatz eines Gleitmittels den ansteigenden Kor‐ ridor hinunterrutschen und dessen An‐ fangsbereich blockieren. Das System funk‐ tionierte allerdings nicht einwandfrei oder wurde nicht aktiviert: Zwei Blockiersteine liegen noch heute im oberen Bereich des Korridors. Unerwarteter Baumgarten In der Anfangsphase der Bauarbeiten ent‐ stand etwa  m nordöstlich der Knick‐ Pyramide inmitten des Wadis, das den Hauptzugang vom Niltal zum Baugrund bildete, ein rund  ×   m großer um‐ mauerter Bezirk, in dem sich ein Ziegelge‐ bäude und ein umfangreicher Baumgarten befanden. Diese Anlage wurde zwischen und eingehend untersucht. Der etwa  ×   m große, in mehre‐ ren Phasen errichtete Ziegelbau besaß in seiner endgültigen Form drei Zugänge und war mit fünf Räumen und einem Hof aus‐ gestattet, der an seiner Nordseite eine Säu‐ lenportikus aufwies. Im Hof wurden Über‐ reste dreier, zu unterschiedlichen Zeiten betriebener P lanzbecken entdeckt; das größte von ihnen hatte Ausmaße von ,  ×  ,  m. Bei der Art der Bep lanzung könnte es sich um Papyrus, Schilf und an‐ dere Sumpfp lanzen gehandelt haben. Während der ersten Nutzungsphase des Komplexes wurden U‐förmig um das Ziegelgebäude vermutlich etwa  Bäu‐ me gep lanzt, die im Norden und Osten in drei bzw. im Westen in vier parallel zur Umfassungsmauer verlaufenden Reihen standen. Mit der späteren Erweiterung des Gebäudes nach Westen und der Errichtung zweier kleiner Höfe östlich des Ziegelbaus mussten die Bäume in diesen Bereichen allerdings wieder entfernt werden. Verschieden große Durchmesser der P lanzgruben deuten auf die Verwendung zweier unterschiedlicher Baumarten hin. Wurzelreste konnten Palmen zugeordnet

werden, in den breiteren Gruben haben wahrscheinlich einst Sykomoren gestan‐ den. Zudem weisen die Ausprägung der Gruben und die Unterschiede im Füllma‐ terial darauf hin, dass dort Bäume mit ih‐ ren Wurzelballen eingesetzt wurden, die aus verschiedenen Baumschulen kamen. Allem Anschein nach sind an bestimmten Stellen zwischen den Bäumen auch Beete für Blumen, andere kleinere P lanzen und Gräser angelegt worden. Bemerkenswerterweise fanden sich in einigen Baumgruben einer nachträglichen Gartenp lanzung unmittelbar nördlich der Umfassungsmauer auch Wurzel‐ und Stammreste von Zypressen – eine Baum‐ art, die im alten Ägypten nicht heimisch war und offenbar aus der Levante (Libanon oder Syrien) importiert werden musste. Hinsichtlich der Funktion des Ziegel‐ gebäudes während der Bauzeit der Knick‐ Pyramide wurde die These aufgestellt, dass dort rituelle Handlungen im Rahmen von Fruchtbarkeitsfesten abgehalten wur‐ den, die auf die Regeneration des lebenden Königs ausgerichtet waren. Für eine In‐ terpretation der Anlage als Kultbezirk wird

Blick von der KnickPyramide nach Osten in Richtung Niltal. Rechts im Hintergrund eine Pyramide des Königs Amenemhet III. aus der 12. Dynastie. Im Fruchtland dahinter liegt das Dorf Dahschur.

auch auf die Verwendung der P lanzbe‐ cken verwiesen. Ihre drei nachgewiesenen Nutzungsphasen könnten auf ein be‐ stimmtes Fest hindeuten, das man offen‐ sichtlich im Abstand mehrerer Jahre ge‐ feiert hat und zu dessen jeweiligen Be‐ ginn ein neuer Fußboden und ein P lanz‐ becken angelegt wurden. Wie die Rituale allerdings konkret abliefen und um welche speziellen Feste es sich handelte, lässt sich derzeit nicht bestimmen. Auf der anderen Seite kann das Ziegel‐ gebäude aber auch einem profanen Zweck gedient haben. Durch seine spezielle Lage in unmittelbarer Nähe des Haupttrans‐ portweges zwischen Niltal und Bauplatz liegt die Vermutung nahe, dass diese An‐ lage ausgewählten Personen der Baulei‐ tung, die sich teils aus der königlichen Fa‐ milie rekrutierten, zur Verfügung stand und zudem für Besuche des Königs auf der Baustelle diente. Struktur und Au bau des Gebäudes könnten hierbei dem Vor‐ bild der zeitgenössischen Palastarchitek‐ tur gefolgt sein. Eine derartige Deutung schließt nicht aus, dass dort zudem auch Kulthandlungen abgehalten worden sind.

Tempel am Aufweg Datumsangaben auf erhaltenen Baublö‐ cken belegen, dass im . Regierungsjahr des Snofru – einige Jahre nach Aufgabe der Knick‐Pyramide und parallel zu den ersten Arbeiten an der Roten Pyramide – unmittelbar südlich des Ziegelgebäudes mit dem Bau eines über  ×   m großen, nordsüdlich orientierten Tempels aus Kalkstein begonnen wurde. Baudaten und Projektumfang lassen zudem vermuten, dass die Errichtung dieses Heiligtums in‐ nerhalb eines Jahres erfolgt war. Für den Neubau hat man die Umfassungsmauer des alten Bezirks vollständig abgerissen. Das Ziegelgebäude blieb allerdings ste‐ hen und könnte noch eine gewisse Zeit lang einen bislang unbekannten Zweck erfüllt haben. Das Baumaterial für den Tempel stamm‐ te aus einem etwa  km nordöstlich von Dahschur auf der Ostseite des Nil liegen‐ den Steinbruch bei Maasara und wurde of‐ fenbar während der Überschwemmungs‐ zeit per Schiff zur Baustelle transportiert. Von dem einst aus ca.  m Kalkstein aufgebauten Tempel haben sich teilweise AiD 2 | 2023

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Weltweit Ägypten – Königsnekropole von Dahschur

nur noch wenige Lagen des Mauerwerks erhalten. Die Höhe des Gebäudes betrug vermutlich über  m. Der Grundriss des Tempels lässt sich in vier Bereiche unterteilen. Der mittig an der Südseite liegende Eingang führt zu einer länglichen Halle, neben der jeweils zwei ähnlich große Magazinräume angelegt wurden. Nördlich schloss sich ein offener Hof an, der in eine Vorhalle mit zwei Rei‐ hen von je fünf Pfeilern überging. An der

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Plan der südlichen Pyramidenanlage des Snofru in der Nekropole von Dahschur. Reste des Tempels im Wadi nordöstlich der KnickPyramide. Rechts im Vordergrund Grundstrukturen eines älteren Ziegelgebäudes, das an drei Seiten von einem Baumgarten umgeben war.

Rückseite der Pfeilerhalle befanden sich sechs kleine nebeneinander liegende und mit hölzernen Doppel lügeltüren ver‐ schließbare Kapellen. Aus den monolithi‐ schen Kalksteinblöcken ihrer Rückwände wurde jeweils – in einer Nische stehend – eine überlebensgroße halbplastische Sta‐ tue des Snofru in vermutlich unterschied‐ licher Erscheinungsform herausgearbei‐ tet. Wie in der Eingangs‐ und Pfeilerhalle wiesen auch die Rückwände der Schreine

eine Reliefdekoration auf. Aufgrund des Au baus der Kapellen, deren Türen sich nach außen öffneten, fanden die Rituale für die Statuen wohl im Hof statt. Das Dekorationsprogramm wie auch die Baudaten des Tempels deuten darauf hin, dass dieses Heiligtum im Zusammen‐ hang mit dem »Sedfest« stand. Dieses Ju‐ biläumsfest sollte der symbolischen Er‐ neuerung der Königsmacht dienen und wurde vom Herrscher in seinem . Re‐

gierungsjahr erstmalig gefeiert. Ob aller‐ dings die Architektur des Tempels mit der realen Inszenierung eines solchen Festes korrespondierte, muss offen bleiben. Aufwendige Infrastruktur Die Knick‐Pyramide wurde einige Hundert Meter südwestlich des bereits erwähnten Wadis auf einer exponierten Anhöhe des dortigen Kalksteinplateaus errichtet. Die Entfernung zwischen Baugrund und Nil‐ tal betrug ca. ,  km, der entsprechende Höhenunterschied über  m. Unmittelbar südlich des Wadi‐Eingangs lag ein großer, teilweise noch heute existierender See, der zusammen mit einigen künstlich angeleg‐ ten Kanälen günstige Voraussetzungen für die verkehrstechnische Anbindung der Nekropole an den Nil bot. Die Ägypter bezogen das Wadi in die Logistik und Gestaltung des Pyramiden‐ komplexes mit ein. So legten sie dort etwa  m östlich des späteren Tempelbezirks ein Hafenbecken an, das erst im Jahr entdeckt und in einem Umfang von ca.  ×   m nachgewiesen werden konnte. Über diesen Hafen wurden notwendige, nicht vor Ort gewonnene Baumaterialien, arbeitstechnische Hilfsmittel und Versor‐ gungsgüter aus landesweiten Produkti‐ onsstätten angeliefert und umverteilt. Nach Fertigstellung des Tempels legte man einen aus Ziegeln aufgemauerten (un‐ teren) Aufweg an, der den Kultbezirk mit dem Hafen verband. Seine Baugeschichte gestaltet sich kompliziert, da er während seiner langen Nutzungsphase mehrfach umgestaltet worden ist. So war dieser Auf‐ weg ursprünglich nicht überdacht; ein Tonnengewölbe aus Ziegeln erhielt er erst Jahrhunderte später. Die Verbindung zwischen dem Tempel und der Knick‐Pyramide wurde hingegen durch einen aus Kalkstein errichteten (oberen) Aufweg realisiert. Er endet nach einer Wegstrecke von etwa  m an der ca.  m oberhalb des Tempelniveaus lie‐ genden nördlichen Umfassungsmauer der Pyramide. Siedlungen für Priester, Beamte und Handwerker An der Süd‐ und südlichen Ostseite des Tempelbezirks errichtete man eine Sied‐ lung für Priester, die – mehrheitlich ver‐ mutlich nur temporär eingesetzt – für den Kultbetrieb im Tempel und an der Pyra‐

mide zuständig waren. Mit der Zeit verän‐ derten sich Lage und Struktur dieser Un‐ terkünfte und Versorgungseinrichtungen. Die nun aus etlichen kleinen Häusern be‐ stehende Priestersiedlung manifestierte sich letztlich groß lächig innerhalb der Umfassungsmauer der Tempelanlage. Eine sehr viel umfangreichere Siedlung befand sich nördlich des Tempelbezirks. Ihre spärlichen Überreste wurden im Jahr entdeckt und werden auf der Grund‐ lage groß lächiger geomagnetischer Mes‐ sungen seit gezielt ausgegraben. Die Siedlung umfasste ein Areal von ungefähr  ×   m und wurde offenbar weitge‐ hend planmäßig in größere, durch Straßen getrennte Parzellen angelegt. Die bislang freigelegten Strukturen lassen sich als gro‐ ße Wohnhäuser identi izieren, die Anlagen zur selbständigen Lebensmittelprodukti‐ on und ‐lagerung wie auch Plätze für hand‐ werkliche Tätigkeiten aufweisen. Vermut‐ lich gehörten diese Häuser Personen der Oberschicht; vielleicht hohen Beamten, die mit administrativen Aufgaben in diesem Teil der Nekropole betraut waren. Mögli‐ cherweise fand auch der eine oder andere in dieser »Stadt« tätige hochrangige Be‐ wohner seine letzte Ruhe in einer der Ma‐ stabas auf dem nur etwa  m entfern‐

Beginn des etwa 730 m langen oberen Aufwegs, der den Tempel im Wadi mit der Knick-Pyramide auf dem ca. 27 m höher liegenden Felsplateau verbindet. Der ungedeckte Gang ist hier 3,10 m breit, die Begrenzungsmauern waren nur etwa 1,65 m hoch.

ten Elitefriedhof nördlich des Wadis. Ob es sich bei dieser Siedlung um die aus In‐ schriften bekannte »Pyramidenstadt« der Knick‐Pyramide handelt, kann nur durch weitere Ausgrabungen ermittelt werden. In derartigen Ortschaften lebten Beamte und Priester, aber auch die für die In‐ standhaltung der Pyramidenanlagen zu‐ ständigen Handwerker und Bedienstete zusammen mit ihren Familien. Insgesamt betrachtet deuten die bis‐ herigen Ausgrabungen im Umfeld von Sno‐ frus Tempelanlage an, welch großes ar‐ chäologisches Potenzial diese Region be‐ inhaltet. Man darf also auf die zukünftigen Forschungen im »Wadi der Knick‐Pyra‐ mide« gespannt sein. 

Zum Weiterlesen N. Alexanian, W. Bebermeier, D. Blaschta, Untersuchungen am unteren Aufweg der Knickpyramide in Dahschur, MDAIK 68, 2012, S. 1–30. F. Arnold, Dahschur IV. Tempelanlagen im Tal der Knickpyramide (Wiesbaden 2021). M. Haase, Projektziel verfehlt. Wann verlor die Knick-Pyramide ihre ideale Form? Sokar 30, 2015, S. 16–37.

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THEMA Out of Africa Stand der Wissenschaft ist: Der moderne Mensch verließ vor   bis    Jahren Afrika und besiedelte die gesamte Welt. Doch nicht alles ist so simpel, wie es scheint. Jüngste Studien zeigen: Es gibt nicht den einen kulturellen Kontext oder die eine kulturelle Revolution, die in Ostafrika ihren Ausgang nahm und sich dann bis nach Europa ausbreitete! Es gibt auch nicht den schrittweisen Fortgang kultureller Veränderung von Süden nach Norden. Im Gegenteil, ganz Europa erlebte den Beginn der jüngeren Altsteinzeit so gut wie gleichzeitig!

Von Jürgen Richter und Frank Schäbitz

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ine größere Menschenansammlung zusammenzubekommen, um an einem sonnigen Sonntagnachmittag ein Fußballmatch mitzuerleben, ist gar nicht so schwer – 1500 Menschen im Stadion der Bezirksliga in einer westfälischen oder schwäbischen Kleinstadt. Stellen wir uns einmal vor, dass jeder Fan im Stadion für eine Generation unserer Vorfahren steht, also um die 30 Jahre Menschheitsgeschichte repräsentiert, dann würden sich die Leben aller Stadionbesucher auf 45 000 Jahre aufsummieren: gerade einmal so lange, wie der anatomisch moderne Mensch in Europa nachgewiesen ist. Das ist ein unglaublich kurzer Zeitraum! Verglichen mit der gesamten Menschheitsgeschichte, die 2,5 Millionen Jahre umfasst, gibt es uns moderne Menschen erst seit kurzer Zeit in Europa. Das jedenfalls sagen uns Skelettreste aus Rumänien, England, Tschechien und neuerdings auch aus Frankreich. Damit passen die datierten Fossilfunde zu der These, dass die modernen Menschen erst vor kurzer Zeit aus Afrika bei uns einwanderten. Mit dieser These hatte in den 1960er-Jahren der Genetiker Alan Wilson aus den USA Furore gemacht. Sie basierte auf dem Vergleich des mitochondrialen Erbguts heutiger Menschen, später wurde sie auch durch Untersuchungen der Zellkern-DNA erhärtet. Aktuell meinen Genetiker, dass die modernen Menschen vor 70 000 bis 60 000 Jahren Afrika verließen und von dort die gesamte restliche Welt besiedelten. Noch etwas gilt es zu bedenken: Die frühen Fossilfunde des modernen Menschen sind in Europa fast alle mit dem frühen Jungpaläolithikum verknüp. Der Übergang vom Mittel- zum Jungpaläolithikum erscheint vielen Archäologen wie der Wechsel vom Film in Schwarzweiß zum Farbfilm. Waren die modernen Menschen intelligenter als die Neandertaler, waren sie kulturell flexibler oder waren sie sozialer und konnten deshalb die vielen Neuerungen einführen, wie Knochenwerkzeuge, Kleinkunstwerke und Höhlenmalereien? Jahrzehntelang war es Mainstream, den Neandertalern alle diese Fähigkeiten abzusprechen, heute werden dessen Qualitäten nach und nach wiederentdeckt, dazu aber später mehr.

Die Hochgebirgsfundstelle von Mochena Borago, in 2400 m Höhe am Mt. Damota / Äthiopien gelegen. Durch den spektakulären Wasserfall ist die Fundstelle schon von Weitem erkennbar, deren Innenraum seit über zehn Jahren durch Ausgrabungen erforscht wird.

Unser Titelbild zeigt Fußspuren in den Sanddünen der Sahara nahe des marokkanischen Merzouga. Etwa 800 km nordöstlich von hier, in Jebel Irhoud, fanden sich Fossilien des frühen modernen Menschen. Deren Datierung auf etwa 300 000 Jahre vor heute macht sie zum ältesten Mitglied der Gattung Homo sapiens.

Was steckt hinter der großen Wanderung? Zurück zum modernen Menschen: Lässt sich seine genetische Spur auch kulturell zurückverfolgen? Schritt für Schritt, von Europa über den Vorderen Orient nach Nordafrika und dann nach Ost- und Südafrika? Wo und wann tauchen die ersten Belege für die »jungpaläolithische Revolution« auf, wie sie dann bald effektvoll genannt wurde? Diesen Fragen stellten sich immer mehr Forscher aus aller Welt, immer wieder angeregt durch neue Nachrichten aus der Genetik. Neben unserem Köln-Bonn-Aachener Sonderforschungs-

bereich 806 »Unser Weg nach Europa« (2009–2021) entstanden überall neue Institute und Forschungsinitiativen. Trotz der Vielzahl der beteiligten Disziplinen und bei allen unterschiedlichen Thesen und Modellen ist doch eines klar geworden: Es gibt nicht den einen kulturellen Kontext oder die eine kulturelle Revolution, die vor 70 000 Jahren in Ostafrika ihren Ausgang nahm und sich dann bis nach Europa ausbreitete! Es gibt auch nicht den schrittweisen Fortgang kultureller Veränderung von Süd nach Nord. Im Gegenteil: Ganz Europa erlebte den Beginn des Jungpaläolithikums vor etwa AiD 2 | 2023

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THEMA Out of Africa 43 000 Jahren gleichzeitig. Ein anthropologischer Kipp-Punkt vermutlich auch, an dem zwar Neandertaler und Homo sapiens sich vielleicht nicht strikt ablösten, aber die Rolle der größeren Population vom Neandertaler zum Homo sapiens überging. Dass Homo sapiens mindestens vereinzelt auch vor dieser Zeit schon in Europa erschienen war, beweisen neue Funde in der Grotte Mandrin in Südfrankreich. Das bedeutet aber auch, dass die früheste Einwanderung des modernen Menschen in Europa sich vor dem Hintergrund regional sehr unterschiedlicher kultureller Traditionen abgespielt hatte, an denen die Neandertaler ihren Anteil hatten. Die große Vereinheitlichung, ob sie nun jungpaläolithische Revolution genannt wird, oder auch Proto-Aurignacien oder Aurignacien, diese Vereinheitlichung geschah erst, als Homo sapiens schon die Mehrheitsrolle übernommen hatte. Und diese Vereinheitlichung geschah immerhin europaweit so rasch, dass sie sich nicht mit 14C-Daten aufschlüsseln und in regionale Schritte auflösen lässt. Großer Erfindungsreichtum ohne Folgen? Wenn es nun in Europa nur Regionalphänomene, nicht aber den einheitlichen Trend entlang eines Migrationsweges gibt, wie sieht es denn in Afrika aus? Dazu stellten die beiden US-Archäologinnen Sally McBrearty und Alison Brooks vor gut zwei Jahrzehnten Erstaunliches fest: Wenn es um Innovationen geht, dann waren Afrikaner (also moderne Menschen) den Europäern (Neandertaler) o weit voraus; viele Neuerungen traten nämlich in Afrika viel früher auf als in Europa: Das gilt für die frühesten Schmuckperlen, den ältesten Gebrauch von Farbe, die ältesten Harpunen, wahrscheinlich auch die ältesten Pfeile und Bögen. Dieses Aureten erfolgte schrittweise und Region für Region. Es scheint aber nicht in allen Fällen nachhaltig gewesen zu sein. Innovationen traten auf und verschwanden wieder. Die Regionen Afrikas blieben dabei auffällig widerstandsfähig gegen die Übernahme von Neuerungen aus der Nachbarscha und behielten über Jahrzehntausende ihren eigenständigen Charakter. Das sogenannte Atérien, bei dem die Steinwerkzeuge mit merkwürdig geform22

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Sodmein Cave liegt in der Ostwüste Ägyptens und damit genau in der Region, die als Brücke zwischen Afrika und Eurasien diente. Während der letzten Warmzeit nutzten die Menschen nicht nur die Höhle selbst, sondern siedelten auch an nahegelegenen periodisch entstandenen Seen.

ten Stielen versehen waren – wohl zum Einsatz in Schäen aus Holz, dieses Atérien blieb auf den nordafrikanischen Raum beschränkt, gerade zu einer klimagünstigen Zeit, als eine Grüne Sahara Wege von Afrika nach Europa eröffnet hätte. In Zentralafrika, in der Regenwaldregion, fehlt der Nachweis altsteinzeitlicher Besiedlung noch ganz und gar, während in einer sich gürtelartig um den Regenwald ausbreitenden Randzone offenbar über Jahrzehntausende eine besondere Steingerätetechnologie vorherrschte – das »Lupemban« mit Großgeräten, die zur Holzbearbeitung taugten. Dass es neuerdings von dort sogar frühe menschliche Fossilien gibt, gilt als Sensation. Besonders gravierend scheint eine kulturelle Isolation in Westafrika gewirkt zu haben, wo Eleanor Scerri vom MaxPlanck-Institut in Jena mit ihren Ausgrabungen sogar ein verzögertes Nachleben konservativer Technologie nachweisen konnte, zu einer Zeit, als anderswo schon längst Pfeil und Bogen und komplexe Knochengeräte benutzt wurden. Die meisten Innovationen, und auch über den ganzen Subkontinent verbreitete kulturell-zeitliche Horizonte, traten im südlichen Afrika während der letzten 130 000 Jahre auf, wie nirgendwo sonst auf dem Kontinent. Die steinernen Geschossspitzen des »Howiesonspoort«-Komplexes, die wahrschein-

lich für die weltweit älteste Nutzung von Pfeil und Bogen stehen, verschwanden nach einigen Tausend Jahren aber auch dort wieder, ohne weitere Ausbreitung nach Norden, ebenso die ältesten Malereien Afrikas. Ostafrika dagegen zeigt ein sehr buntes Bild und ein wiederholtes Nebeneinander von konservativen Technologien und Innovationen. Das gilt auch wieder für ein kurzzeitiges Aureten besonders feiner Geschossbewehrungen, und gerade kürzlich wurde ein Kindergrab entdeckt, die älteste menschliche Bestattung Afrikas. All dies blieb ohne Folgen für den Norden Afrikas. Für den Zeithorizont, den uns die Genetiker mit 70 000 bis 60 000 Jahren angeben, gibt es keinen Hinweis darauf, dass die Neuerungen in Süd- und Ostafrika sich nach Norden ausgebreitet hätten und mit den modernen Menschen nach Eurasien gelangt wären. Die These, dass eine technologische oder kulturelle Innovation die modernen Menschen zu ihrer großen Wanderung befähigt hätte und damit eine einfache Erklärung für ihre erfolgreiche Ausbreitung bieten könnte, ist damit erst einmal in weite Ferne gerückt. Was uns Seebohrkerne verraten Auch im Rahmen des Sonderforschungsbereichs »Unser Weg nach Europa« mussten wir das erkennen, wollten aber umso

mehr wissen, ob Klima- und Umweltwandel hierbei eine Rolle spielten – ob die landschaliche Ausstattung Afrikas die Jahrtausende währende Selbstbezogenheit großer Gebiete begünstigt hatte. Solche Fragen hofften wir mit Bohrungen in Seeablagerungen auf die Spur zu kommen, die gerade in Ostafrika mit seinen vielen uralten Süßwasserseen in so großer Zahl und Dichte vorhanden sind, wie sonst kaum auf der Erde. Besonders in Äthiopien gestattet es die große Zahl und Dichte der Seen, klimatische Einflüsse, die ja größere Regionen betreffen, von tektonischen Einflüssen zu unterscheiden, die eher lokal auftreten. Deshalb wurden viele Seen in verschiedenen Höhenlagen in Äthiopien untersucht. Die meisten gewonnenen Bohrprofile reichen allerdings nur einige Jahrtausende zurück – meist bis ins Spätglazial. Immerhin ist es in einem ausgetrockneten See ganz im Süden Äthiopiens, dem Chew Bahir, gelungen, knapp 300 m tief zu bohren und damit zeitlich etwa 620 000 Jahre weit zurückzukommen. Damit sind wir in der Lage, den umweltgeschichtlichen Kontext für die evolutionäre und kulturelle Entwicklung vom Frühmenschen zum anatomisch modernen Menschen komplett abzudecken.

Die paläoökologischen Ergebnisse, die aus den sogenannten Stellvertreterdaten, den Sedimentproxies, gewonnen werden konnten, belegen zahlreiche Veränderungen in der Wasserbilanz (Niederschläge versus Verdunstung), mit anderen Worten den Wechsel von Feucht- und Trockenperioden. Der zeitliche Wechsel wurde im Wesentlichen durch Veränderungen im Strahlungshaushalt, also den Rhythmus der Erdbahnparameter gesteuert. Auffällig ist weiterhin, dass auch das ENSO-Phänomen (populär »El Niño«) Einfluss auf die Feuchtigkeitsschwankungen genommen hat. In Bezug auf die menschliche Entwicklung kann man erkennen, dass während der längeren stabil feuchten Phasen, etwa zwischen 620 000 und 275 000 Jahren,

An der Chew-Bahir-Bohrung arbeitete eine internationale Expertengruppe eng zusammen, um unterschiedliche Analysen und Auswertungen der Sedimente des Seebohrkerns aus verschiedenen Disziplinen zu ermöglichen.

Schweres Großgerät kommt zum Einsatz, wenn ein Klima-Archiv erbohrt werden soll, das weit in die Menscheitsgeschichte zurückreicht, wie hier im heute ausgetrockneten Chew-BahirBecken in Südäthiopien.

sich der Übergang vom Homo erectus zum anatomisch modernen Menschen vollzogen hat. Dabei müssen die kurzen trockenen Abschnitte für eine räumliche Trennung und damit für die genetische Aufspaltung der damaligen Menschen gesorgt haben. Später, zwischen 275 000 und 120 000 Jahren, in einer überwiegend feuchteren Phase, treten die ersten Fossilfunde des anatomisch modernen Menschen auch außerhalb Afrikas auf. Die letzten 120 000 Jahre zeigen einen Trend zu trockenen Verhältnissen, der vor 20 000 Jahren seinen Höhepunkt erreichte. In demselben Zeitraum traten viele kurzzeitige Schwankungen von einigen 100 bis 1000 Jahren auf. Auffällig ist, dass gerade in den trockenen Phasen seit etwa 60 000 Jahren in den Hochgebirgen Äthiopiens archäologische Siedlungsspuren aureten. Das könnte ein Hinweis darauf sein, dass unsere Vorfahren begannen, die Bergwelt zu erschließen, weil die Tieflagen allein keine ausreichende Wasser- und Nahrungsversorgung mehr gewährten. 

Tipp zum Weiterlesen J. Richter, Altsteinzeit. Der Weg der frühen Menschen von Afrika bis in die Mitte Europas (Stuttgart 2017).

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Hochgebirge Äthiopiens als Lebensraum prähistorischer Menschen Barriere, Refugium oder Rohstoffquelle? Für die Rolle von Hochgebirgen zur Zeit des frühen modernen Menschen gibt und gab es verschie­ denste Thesen. Ein Blick auf das bislang wenig erforschte Äthiopien bringt spannende neue Erkenntnisse.

Von Ralf Vogelsang und Götz Ossendorf

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Jagd, Isolation und Netzwerke Erst kürzlich konnte die Nutzung von äthiopischen Hochgebirgsregionen schon vor dem frühesten Aureten des Homo KHARTOUM

die damaligen Menschen dort nicht längerfristig auf, sondern nutzten das Land für spezielle Aktivitäten wie Jagd, Sammeln von Honig oder Gewinnung von Rohmaterial für die Herstellung von Steinwerkzeugen. Dieser Befund ist einzigartig und bislang der früheste Beleg für die Nutzung von Hochgebirgsregionen weltweit. Regelmäßiger kann man die Nutzung der Berge in der Zeit des sogenannten »Middle Stone Age« nachweisen. Diese Periode ist im gesamten Horn von Afrika durch starke Klimaschwankungen und erhebliche Trockenphasen gekennzeichnet. Kulturschichten im Felsüberhang Sodicho im südwestlichen äthiopischen Hochland belegen den Aufenthalt des Menschen vor 27 000 bis 20 000 Jahren. Gegenwärtig bildet diese Fundstelle in Äthiopien den einSAN'A

ASMARA

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Addis Abeba

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Mount Dendi 1

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usbreitungsprozesse anatomisch moderner Menschen haben sich in der Vergangenheit auch innerhalb Afrikas vollzogen und spielten vor, während und nach den Out of Africa-Episoden eine bedeutende Rolle. Grundsätzlich geht man davon aus, dass die heute gesammelten genetischen, fossilen und archäologischen Befunde des Homo sapiens in Afrika auf stark untergliederte und getrennte Bevölkerungen zurückzuführen sind. Im Verlauf der Menschheitsentwicklung haben große klimatische Schwankungen regelmäßig zur Isolation und zum Schrumpfen einzelner Bevölkerungsgruppen geführt. Gleichzeitig wurden zeitweise auch ökologische Gunsträume gebildet, welche wiederum vermehrt Kontakte und Expansionen von Bevölkerungen früher moderner Menschen ermöglicht haben. Die tropischen Hochgebirgsregionen Äthiopiens bilden einen einzigartigen Naturraum, sind jedoch trotz ihrer Lage am Schnittpunkt zweier wichtiger Out of Africa-Routen (Niltal / Sinai-Halbinsel und Bab al-Mandab / Arabische Halbinsel) bis vor Kurzem nur wenig erforscht gewesen. Die Rolle von Hochländern in den prähistorischen Besiedlungsmustern und Ausbreitungsprozessen wurde zudem recht widersprüchlich eingeschätzt: Traditionell wurden diese als Barrieren wahrgenommen, welche gemieden wurden. So erschweren die großen Herausforderungen an den menschlichen Körper, zum Beispiel niedrige Temperaturen, ein erhöhter Kalorienverbrauch und Flüssigkeitsbedarf und nicht zuletzt die Höhenkrankheit ei-

nen Aufenthalt in Regionen oberhalb von 2500 m. Jeder, der sich einmal in dieser Höhe aufgehalten hat, konnte dies vermutlich am eigenen Leib spüren. Andererseits könnten Hochgebirgsregionen in Afrika potenzielle Rückzugsorte in Zeiten extremer Trockenheit gewesen sein, da sie erheblich höhere Niederschläge und Wasserspeicherkapazitäten bieten als die umgebenden Tiefregionen. Ein weiterer Vorteil ist die räumliche Nähe unterschiedlicher und vergleichsweise stabiler Ökozonen, da diese an die Höhenstufen gebunden sind und somit Zugang zu vielfältigen Ressourcen bieten.

2 Mount Damota 3

Die Untersuchungsgebiete in Äthiopien mit Lage der Fundstellen Dendi (1), Sodicho (2), Mochena Borago (3) und Fincha Habera (4).

Ä T H I O P I EN 4

Bale Mountains

SOM AL IA

0

200 km

K E N IA

sapiens vor 300 000 Jahren nachgewiesen werden. So befinden sich Fundplätze mit Faustkeilen und anderen beidflächig bearbeiteten Großgeräten in 3000 m Höhe auf dem Mount Dendi, einem erloschenen Vulkan, in dessen Caldera sich zwei Kraterseen befinden. Vermutlich hielten sich

MOGADISHU

zigen sicheren Beleg für die Anwesenheit des Menschen während dieser Phase extremer Trockenheit. Doch nutzten die Menschen die Hochregionen nicht nur in Krisenzeiten. Vielmehr scheinen diese auch während günstigerer klimatischer Bedingungen aufgesucht worden zu sein.

Beispiel hierfür sind der Felsüberhang Mochena Borago sowie zahlreiche Oberflächenfundplätze des Mount Damota, die allesamt in ein größeres Siedlungsgebiet eingebunden gewesen waren. Der moderne Mensch – ein Generalist Menschliche Spuren finden sich selbst in der größten alpinen Ökozone des Kontinents, den Bale Mountains im Südosten Äthiopiens. Hier wurden auf über 4200 m Höhe mehrere Obsidian-Aufschlüsse entdeckt, die über viele Jahrzehntausende von prähistorischen Menschen als Rohmaterial für Werkzeuge genutzt wurden. Artefakte aus Obsidian spielten während der Besiedlung der nur 700 Höhenmeter tiefer gelegenen Fundstelle Fincha Habe-

ra vor ca. 47 000 bis 31 000 Jahren eine wichtige Rolle. Diese Fundstelle gilt als ältester Nachweis eines über lange Zeiträume intensiv genutzten Basislagers, das wiederholt Ausgangspunkt für die Nutzung der afroalpinen Ressourcen war. Ein wichtiger Teil der Ernährung wurde durch die Jagd auf Riesenmaulwurfsratten (Tachyoryctes macrocephalus) sichergestellt, eine ausschließlich in den Bale Mountains beheimatete Nagetierart. Die Besiedlungen in Fincha Habera fanden während des lokalen glazialen Maximums statt, also zur Zeit der größten Ausdehnung von Gletschern in den Bale Mountains. Neben Sauerstoffmangel, Kälte, Feuchtigkeit und ungewöhnlicher Jagdbeute, stellte auch die unmittelbare Nähe zu vergletscherten Tä-

lern kein Hindernis für die frühen Siedler dar. Gleichzeitig deuten mehrere Funde (Straußenei, Obsidian, Faunenreste) auf die damals bestehenden Kontakte oder Netzwerke mit Tiefländern hin. Daher sind isolierte oder gar durch Klimaschwankungen »getriebene« Gruppen vor dem Hintergrund einer überregional deutlich sichtbaren Bevölkerungsexpansion zu dieser Zeit am Horn von Afrika sehr unwahrscheinlich. Die Besiedlung tropischer Hochländer Afrikas erfolgte nicht nur menschheitsgeschichtlich sehr früh, sondern auch Die weltweit nur in den überraschend regelmäßig. In den Geäthiopischen Bale Mounbirgsregionen Äthiopiens lebten die Mentains anzutreffende Rieschen in einer Umwelt, die unterschiedsenmaulwurfsratte (Tachyoryctes macrocephalus) lichste Landschasformen und Vegetatisteht heute als gefährdete onsstufen mit einer vielfältigen PflanArt stellvertretend für die zen- und Tierwelt umfasste, welche aktiv hohe, aber bedrohte Biodiversität tropischer Hoch- und intensiv genutzt wurde. Die ebenso länder. Vor 47 000 bis flexible wie auch zweckmäßige Nutzung 31 000 Jahren diente sie da- von Ressourcen machte aus den Mengegen als Hauptnahrungsschen Generalisten, die es im Unterschied quelle der prähistorischen zu Spezialisten gewohnt waren, sich an Hochgebirgsbewohner. unterschiedlichste Lebensräume anzupassen. Diese Eigenscha könnte es gewesen sein, die eine weltweite Ausbreitung des frühen modernen Menschen zu einer beispiellosen Erfolgsgeschichte machte. Zukünig sollten vermehrt Art und Ausmaß der die ökologischen Zonen überschreitenden prähistorischen Netzwerke in den Fokus der Forschung gerückt werden.  Blick in die Caldera des erloschenen Vulkans Dendi mit den beiden Kraterseen in 3000 m Höhe. An den Hängen konnten zahlreiche Fundstellen aus allen steinzeitlichen Perioden lokalisiert werden.

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Der Vorhang fällt – unüberwindbare Wüste? Woher und wie der anatomisch moderne Mensch nach Europa kam, wird in Forschungs­ kreisen heiß diskutiert. Eines scheint mittler­ weile gewiss: Einfach von A nach B – so erfolg­ te die Ausbreitung gewiss nicht. Von Karin Kindermann, Felix Henselowsky und Olaf Bubenzer

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ur auf dem afrikanischen Kontinent lässt sich die Entwicklung zum anatomisch modernen Menschen nachverfolgen, obgleich in den letzten Jahren sowohl Ursprungsregion als auch Ausbreitungsweg wiederkehrendes Thema wissenschalicher Diskussionen waren. So machten neue Datierungen der Fossilien des frühen modernen Menschen aus Jebel Irhoud in Marokko auf etwa 300 000 Jahre vor heute diese zum ältesten Mitglied der Gattung Homo sapiens. Anatomische Ausprägung und geografische Verbreitung dieser frühen Fossilfunde deuten darauf hin, dass zumindest zeitweise die Evolution unabhängig in verschiedenen Regionen Afrikas voranschritt, weshalb von zeitlichen Überschneidungen zwischen archaischen und modernen Sapiens-Formen ausgegangen wird. Anzunehmen sind komplexe Evolutionsprozesse, bei denen verschiedene geografisch begrenzte menschliche Populationen existierten, die letztendlich nicht gleichermaßen zur Entstehung unserer Art beigetragen haben.

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Nordafrika und Naher Osten im Satellitenbild mit den im Text genannten archäologischen Fundstellen Sodmein und Saqia in Ägypten, Jebel Irhoud in Marokko sowie Alathar in Saudi Arabien. Deutlich erkennbar sind die heutzutage großen Wüstengebiete in dieser Region der Welt.

Bereits vor etwa 200 000 Jahren begann der anatomisch moderne Mensch, bei seinen Wanderungen den Kontinent zu verlassen. Dies erfolgte nicht in einer einzigen, sondern in mehreren – nicht immer von Erfolg gekrönten – unterschiedlichen Migrationsbewegungen. Der zeitliche Fokus lag hierbei auf zwei Phasen, einer vor etwa 120 000 bis 70 000 Jahren und einer weiteren ab etwa 60 000 Jahren vor heute. Obgleich in der Forschung der letzten Jahrzehnte immer wieder verschiedene Migrationswege des modernen Menschen von Afrika nach Eurasien diskutiert wurden, scheinen vor allem zwei potenzielle Routen infrage zu kommen. Dies ist zum einen der nördliche Ausbreitungsweg, der die Menschen durch Nordostafrika auf die Sinai-Halbinsel führte und damit den einzigen permanenten Landkorridor zwischen Afrika und Asien nutzte. Auf der anderen Seite gab es eine südliche Route, bei der möglicherweise die heutzutage nur etwa 25 km breite Meerenge Bab el Mandeb überquert wurde, um vom Horn von Afrika auf die Arabische Halbinsel zu gelangen. Während der Eiszeiten war diese Meerenge – bedingt durch den global niedrigen Meeresspiegel – nur wenige Kilometer breit. So belegen die vom Palaeodesert Project entdeckten menschlichen Fußabdrücke im saudi-arabischen Alathar, dass bereits vor etwa 110 000 Jahren Jäger-Sammler-Gruppen die Arabische Halbinsel erreichten.

Paläoklima und -umwelt Nordostafrikas Entscheidend für das Verständnis dieser Migrationsbewegungen ist die Rekonstruktion paläoklimatischer Umweltbedingungen, bis weit in die Vergangenheit hinein. Während des späten Quartärs erlebte Nordostafrika gewaltige Klimaveränderungen, die entscheidenden Einfluss auf das menschliche Verhalten und mögliche Expansionen hatten. So konnten für das letzte Interglazial vor etwa 130 000 bis 115 000 Jahren wesentlich feuchtere Umweltbedingungen für Nordostafrika belegt werden als dies heute der Fall ist. Einige Forschende vermuten sogar, dass es so feucht war, dass die gegenwärtig dominierende Wüstenbarriere zwischen Zentralafrika und der Levante – bestehend aus den der nordafrikanischen Sahara, der levantinischen Negev, sowie den beiden saudi-arabischen Wüsten der Großer Nefud und der Rub al-Chali – während dieses Zeitraums nicht existierte und somit kein Hindernis für die Menschen darstellte. Da nahezu alle Paläoklimainformationen Nordostafrikas auf Daten von Meeresbohrkernen des Roten Meeres und des Mittelmeeres beruhen, war es bislang schwierig, konkrete Aussagen über das terrestrische Klima des letzten Interglazials zu machen. Erstmals war es nun möglich, einen Tropfstein im Saqia-Felsüberhang der ägyptischen Ostwüste anzubohren und mittels Uran-Thorium-Methode zu datie-

ren, wodurch ein neues terrestrisches Klimaarchiv eröffnet wurde. Beginn und Ende von Tropfstein-Wachstumsphasen konnten gemessen werden, da sich das Thorium- und Uran-Isotopenverhältnis – bedingt durch den radioaktiven Zerfall – nach der Ablagerung von Tropfsteinen über die Zeit hinweg veränderte. Tropfsteinbildung ist in Saqia sowohl für etwa 120 000 bis 70 000 Jahren als auch für die vorangegangene Kaltzeit nachgewiesen. Solch ein Wachstum war nur während feuchterer Klimabedingungen möglich, hervorgerufen vor allem durch eine Nordverschiebung des afrikanischen Monsuns. Umso bemerkenswerter ist es, dass in Saqia sowohl Paläoklimastadien mit erwartbar feuchteren Bedingungen als auch solche mit überregional eher trockeneren Verhältnissen Tropfsteinwachstum aufwiesen. Während des letzten Interglazials muss für Ägypten deshalb nicht nur von einem bereits bekannten Nord-SüdNiederschlagsgradienten, sondern auch von einem Gradienten zwischen dem Osten und Westen des Landes ausgegangen werden. Aus diesem Grund wird eine starke regionale Klimadiversifizierung an-

genommen. Diese erstmals auf der Landoberfläche gewonnenen terrestrischen regionalen Klimadaten sind von besonderer Bedeutung, da sie unmittelbar das Paläoklima und das Lebensumfeld (anders als Klimadaten aus Meeresbohrkernen) der spätpleistozänen Jäger-Sammler-Gemeinschaen in der Region widerspiegeln. Neben den Wüstengebieten bestimmt vor allem der Nil, der Nordostafrika als lineare Oase von Süden nach Norden durchzieht, das Landschasbild. Dieser »Fremdlingsfluss«, dessen permanente Wasserverfügbarkeit nicht von klimatischen Bedingungen in Nordafrika selbst, sondern von jenen im ostafrikanischen Hochland abhängig ist, wurde häufig als eine Art ökologischer »Zufluchtsort« des Menschen und somit als potenzieller Ausbreitungsweg interpretiert. Während der diversen Feucht- und Zwischeneiszeiten war der Nil wahrscheinlich jedoch ein reißender Strom und das unmittelbare Tal so dicht mit Vegetation bewachsen, dass es im Gegensatz zu seinen Randgebieten, eher keinen idealen Lebensraum für den Menschen bot.

Blick während der archäologischen Ausgrabungen aus dem Höhleninneren über die Grabungsschnitte in das Wadi Sodmein.

Ausbreitungswege menschlicher Migration Die Ausbreitungswege des modernen Menschen lassen sich nicht auf einen Korridor oder eine Route wie etwa das Niltal reduzieren. Dies spiegelt auch das Untersuchungsgebiet der ägyptischen Ostwüste wider, das während des letzten Interglazials eine ökologisch sehr vielfältige Landscha mit feuchteren Klimabedingungen und savannenähnlichen Graslandschaen aufwies. Verschiedene kleinräumige Landschaseinheiten boten eine Vielzahl lebenswichtiger Ressourcen wie Wasser, Feuerstein und Jagdwild, wodurch sie attraktive Lebensräume und Durchgangsregionen für den Menschen darstellen. Dies belegen sowohl die wiederkehrende Nutzung der Sodmein-Höhle durch Gruppen spätpleistozäner Jäger und Sammler als auch die im Umfeld derselben vorgefundenen zeitgleichen Freilandfundstellen. Für das letzte Intergalzial konnte in diesem Gebiet der ägyptischen Ostwüste eine Akaziensavanne mit periodischen Gewässern rekonstruiert werden, die durch Niederschläge von bis zu 600 mm pro Jahr gespeist wurden und AiD 2 | 2023

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THEMA Out of Africa Lebensraum für größere Säugetiere wie Elefant, Krokodil, Büffel und diverse Gazellenarten boten. Beide Migrationsfenster konnten in der Sodmein-Höhle vorgefunden werden und unterstreichen die Bedeutung der Region in der Diskussion um die These »Out of Africa«. Abschließend bleibt anzumerken, dass aus den oben genannten Gründen die ägyptische Ostwüste zusammen mit dem angrenzenden Niltal und dem nahen Küstenstreifen des Roten Meeres als ein zusammenhängendes Nutzungsgebiet und ein möglicher Migrationskorridor des modernen Menschen angesehen werden sollte. Höhlen- und Freilandfundstellen in der ägyptischen Ostwüste In der Sodmein-Höhle, nur etwa 10 km südlich des Saqia-Felsüberhangs gelegen, belegt eine mehrere Meter mächtige Abfolge von unterschiedlichen Kulturschichten die regelmäßig wiederkehrende Nutzung des Siedlungsplatzes durch den Menschen vom letzten Interglazial bis ins mittlere Holozän hinein. Die früheste Besiedlung der Höhle weist eine riesige Feuerstelle mit verschiedenen Brennphasen auf. Sie datiert in den Zeitraum zwischen

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etwa 120 000 und 80 000 Jahren vor heute und somit in die erste Ausbreitungsphase des modernen Menschen. Aufgrund der guten organischen Erhaltungsbedingungen konnten neben Steinartefakten auch Tierknochen, Muscheln, Holzkohlestücke und Äste geborgen werden, die ebenfalls Informationen zu Klima und Umwelt dieser Zeit lieferten. Für den Zeitraum des letzten Interglazials kann, in Übereinstimmung mit den zuvor genannten Ergebnissen aus Saqia von wesentlich günstigeren Umweltbedingungen ausgegangen werden als dies das aktuell trockene Wüstenklima vermuten lässt. Obgleich die ägyptische Ostwüste heute aufgrund seltener Starkregen und Winderosion geomorphologisch hoch dynamisch ist und sich archäologische FundBlick nach Südosten über stellen – vor allem unter freiem Himmel – die Region Sodmein. Deut- eher schlecht erhalten haben, konnten eilich zu erkennen sind der nige von der Erosion verschont gebliebehelle Kalksteinrücken des Jebel Duwi sowie der mar- ne Freilandfundstellen im Umfeld der kante Einschnitt (Pfeil) in Höhle entdeckt werden. Gut erhaltene dessen Mitte, in dem sich Oberflächenreste wurden auf höher geledie Sodmein-Höhle befin- genen Flächen an Beckensituationen vordet. Im Vordergrund sticht gefunden und erlauben es, die Stratigrafie eine alte Landoberfläche durch ihren dunklen Wüs- der Höhle mit der Umgebung und ihrer spätpleistozänen Paläoumwelt in Bezietenbelag hervor.

hung zu setzen. Einige dieser alten Landoberflächen, die heute überwiegend dunkle, steinige Wüstenbeläge aufweisen, erbrachten mehrheitlich spätpleistozäne Steinartefakte, wodurch sie als noch erhaltene Teile einstiger pleistozäner Landoberflächen interpretiert werden. Die paläoklimatologischen, ökologischen und archäologischen Daten der Region Sodmein belegen, dass Menschen zu allen Zeiten unterschiedlich und sehr flexibel auf Veränderungen ihrer Lebensumwelt reagiert haben. Durch die regionale, kleinräumige, regionale Betrachtung werden zudem Umstände sichtbar, die sonst in großräumigen Analysen, wie sie zumeist für die Modellierung von Migrationsbewegungen genutzt werden, schnell übersehen werden können. Die kleingekammerte Landscha der ägyptischen Ostwüste mit ihren unterschiedlichen ökologischen Nischen ist somit von zentraler Bedeutung für das Verständnis der menschlichen Nutzung dieses Gebietes während des letzten Interglazials. Abschließend bleibt anzumerken, dass keinesfalls von einer monokausalen Beziehung zwischen Umweltparametern als Push- oder Pull-Faktoren für die Anwe-

senheit des modernen Menschen in der ägyptischen Ostwüste ausgegangen werden kann. Wir sind uns sehr bewusst, dass soziale Faktoren und kulturelle Dynamiken ebenfalls einen wesentlichen Einfluss auf die menschliche Entwicklung, Migration, Mobilität sowie Lage und Struktur von Siedlungen hatten. Umweltfaktoren

bilden einen Puzzlestein im Gesamtbild der menschlichen Migrationsbewegungen »Out of Africa«. Was hat das Lonetal mit der Sahara zu tun? Kein Zweifel: die Sahara ist eine gewaltige geografische Barriere, die für die gegen-

Mittelpaläolithische Levallois-Artefakte auf einer alten pleistozänen Landoberfläche in der Region Sodmein.

seitige Isolation Eurasiens und Afrikas über Jahrhunderttausende hinweg gesorgt hat. Andererseits belegen Forschungen zur Umwelt- und Kulturgeschichte der größten Wüste der Welt aber auch, dass es günstige Zeitphasen gegeben hat, in denen eine Grüne Sahara beide Kontinente verband. Der Genetiker Cosimo Posth aus Tübingen konnte mit seinem Team diesen Erkenntnissen kürzlich einen verblüffenden Beleg hinzufügen: Ein schon 1937 im Hohlenstein-Stadel im Lonetal unweit Ulm ausgegrabener Langknochen vom Neandertaler enthielt Spuren der DNA eines frühen modernen Menschen aus Afrika, der sich schon vor über 225 000 Jahren mit den Vorfahren der Neandertaler vermischt haben muss. Damit gelang der genetische Nachweis, dass vor so langer Zeit bereits Moderne Menschen aus Afrika nach Eurasien gelangt sein müssen, wobei der Wüstengürtel Nordafrikas offensichtlich kein Hindernis gebildet hatte. Und umgekehrt: Auch im Erbgut heutiger Afrikaner fanden sich Hinweise auf Neandertaler-DNA, die währen der letzten 20 000 Jahre durch die quasi Rück-Wanderung moderner Menschen von Eurasien nach Afrika gelangt sein muss. 

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Zwei Schritte vor und einer zurück – die Levante Erst vor etwa



 Jahren scheint der anato­

misch moderne Mensch in der Levante Fuß gefasst zu haben. Der Blick auf eine Freiland­ fundstelle unweit Petra in Jordanien macht die hochmobile Lebensweise rund um Feucht­ gebiete und Oasen deutlich.

Von Florian Sauer

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or 200 000 Jahren entstand der moderne Mensch. Seitdem hat er sich über die gesamte Welt ausgebreitet und schließlich auch die unwirtlichsten Habitate erobert. Den größten Teil seiner Geschichte lebte er jedoch auf dem afrikanischen Kontinent und schien nur vereinzelt die Wiege der Menschheit hinter sich zu lassen und erste Exkursionen in angrenzende Gebiete zu unternehmen. In Fundstellen wie Qafzeh, Skuhl oder der Qesem-Höhle konnten solche frühen Ausbreitungsereignisse nachgewiesen werden. Doch es dauerte noch viele Jahrzehntausende, bis sich Homo sapiens dauerha in der Levante niederließ. Bis vor etwa 55 000 Jahren dominierte der Neandertaler diese Region. Erst mit dem sogenannten Early Ahmarian (Im Folgenden als Ahmarien bezeichnet) etablierte sich eine Kulturerscheinung, die eindeutig dem anatomisch modernen Menschen zuzuweisen ist und dessen dauerhae Präsenz in der Levante dokumentiert. Bereits alle typischen Merkmale des Jungpaläolithikums tragend, beschreibt das Ahmarien ab 45 000 Jahren vor heute in der Levante eine Erfolgsgeschichte, die nur wenig später mit dem Aurignacien auch in Mitteleuropa fortgesetzt wurde. Das Ahmarien etablierte sich zuerst entlang eines Küstenstreifens am Mittelmeer. Hier herrschte das relativ feuchte Mediterrane Biom vor. Diese Landscha war von einer lockeren Buschwaldvegetation bedeckt und bot Gazellen und Damwild gleichermaßen eine Nische. Sie bildeten das 30

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hauptsächliche Jagdwild der Menschen, die dieses Habitat besiedelten. Vor etwa 39 000 Jahren dehnte sich der Raum, in dem wir heute das Ahmarien antreffen, auch auf trockenere Randgebiete aus. Hier, in den ariden und kargen Landschaen des Saharo-Arabischen Bioms beschränkte sich das Jagdwild zum größten Teil auf Gazellenherden, die zwischen den Sommer und Winterhabitaten wanderten und auf ihren Routen Oasen oder andere Gunstgebiete aufsuchten. Eiszeit im jordanischen Wadi-Sabra Zwischen 2008 und 2020 wurde eine dieser Stationen am Rande des AhmarienAusbreitungsgebiets im Rahmen des Sonderforschungsbereichs 806 »Unser Weg nach Europa« durch die Universitäten von Köln und Amman näher untersucht. Etwa 10 km südlich der berühmten Ruinenstadt von Petra gelegen, thront die Fundstelle Al-Ansab 1 auf einem Sedimentkegel im

Auf dem Berg »Ansab«, der unmittelbar neben der Fundstelle liegt, sind Bänder des hochqualitativen Feuersteins zu sehen, der von den Jägern und Sammlern genutzt wurde.

tief in die Landscha eingeschnittenen Wadi Sabra im Schatten des Kalksteinberges Ansab. Die Erhaltung der eiszeitlichen Sedimente ist einem Felsrücken zu verdanken, der die Sande über Tausende Jahre vor den holozänen Sturzfluten geschützt hat, die auch heute noch eine unberechenbare Gefahr in den Trockentälern, den Wadis, darstellen. Dies stellte sich als Glücksfall für die Archäologie he-

raus, da eiszeitliche Sedimente aufgrund der starken Erosion in der Region nur selten erhalten geblieben sind. Untersuchungen der Technischen Hochschule Aachen hatten ergeben, dass das Tal zur Zeit der Besiedelung vermutlich auf der Höhe der fundführenden Schichten verfüllt war und damit ein ganz anderes Landschasbild zeigte. Die Sande zeugen von weitaus günstigeren Klimabedingungen während der letzten Kaltzeit als die heute vorherrschenden Verhältnisse. Ein über das Jahr hinweg ausgeglichenes Feuchtigkeitsregime bedingte eine üppigere Pflanzendecke und eine stabile Landscha. Durch eine nahe Quelle gespeist und durch besagte feuchtere Klimabedingungen während der letzten Kaltzeit begünstigt, konnte sich eine oasenartige Situation etablieren, die Pflanzennahrung für Gazellen auf ihrem Weg von den Hochflächen des transjordanischen Hochlandes hinab in den Grabenbruch bot. Al-Ansab 1 – ein Fundplatz am Rand des Ahmarien Auch für die Menschen war dies ein attraktiver Ort. Wasser war über das ganze Jahr hinweg verfügbar und das Jagdwild suchte regelmäßig die kleine Oase in der sonst recht trockenen Landscha auf. Darüber hinaus boten die Kalkfelsen des nahen Berges hochwertige Feuersteine, die intensiv für die Herstellung eines breiten Werkzeugspektrums genutzt wurden. Tatsächlich suchten die Jäger und Sammler

des Ahmarien diesen Platz wiederholt auf. Kleine Feuerstellen, in den roten Sanden als dunkle Holzkohleschleier erhalten und stets umgeben von denselben Spuren menschlicher Aktivität, zeugen von diesen Aufenthalten. Vermutlich suchten kleine Personengruppen den Ort immer wieder auf. Innerhalb der mehr als 50 m2 ausgegrabener Fläche konnten zwölf derartige Aktivitätszonen dokumentiert werden, in denen mehr als 50 000 Feuersteinartefakte hinterlassen wurden. Die Artefakte bilden hierbei den gesamten Produktionsprozess jungpaläolithischer Steingeräte ab und geben detailliert Aufschluss über die Nutzung des Lagerplatzes in der Vorgeschichte und die Art und Weise, wie die Menschen das Material verwendet haben. Gemessen an dem hohen Niederschlag an Feuersteinartefakten ist Al-Ansab 1 die größte bekannte Freilandfundstelle des Ahmarien. Diese hochmobile Lebensweise rund um Feuchtgebiete und Oasen konnte in der Region auch an anderen Fundstellen beobachtet werden. Während sich der Mensch östlich des Grabenbruchs entlang der feuchten Wadis ausbreitete, bildeten auf der Sinai-Halbinsel im Westen des Verbreitungsgebietes Oasen und Quellen wichtige Zonen menschlichen Lebens. Entlang der Küsten wurden hingegen vermehrt Höhlen genutzt. Die Aufsiedelung der Randgebiete in einer zweiten Ausbreitungsphase vor 39 000 Jahren zeigt, dass auf die Konsolidierung der menschlichen Präsenz ent-

Gazellen suchten die Oase auf ihrem Weg von den transjordanischen Hochflächen hinab in das Wadi Araba auf. Hier wurden sie durch die Jäger und Sammler des frühen Jungpaläolithikums bejagt, die sich auch mit den guten Gesteinsrohmaterialien vor Ort versorgen konnten.

lang der Mittelmeerküste eine nachfolgende Besiedelung scheinbar ungünstigerer Regionen folgte. Dies zeigt, dass die Ausbreitung des modernen Menschen keine Welle war, die kontinuierlich vom afrikanischen Kontinent ausgehend in die Welt hinaustrieb, sondern auch Sprünge hin zu Gunstgebieten mit anschließender Etablierung in den Zwischenzonen Bestandteil der Ausbreitung waren. 

Karte der damaligen Fundstellen des Ahmarien. Die Küstenlinie spiegelt den Küstenverlauf wider. 쑿 Fundstellen des

Ahmarien  andere hier erwähnte Fundstellen

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THEMA Out of Africa

Endlich in der Mammutsteppe Unser Wissen über das Leben auf der anatoli­ schen Halbinsel und der südlichen Balkan­ halbinsel vor etwa



 Jahren ist noch

immer sehr begrenzt. Durch den Vergleich dreier Fundstellen aus Jordanien, Rumänien und Italien kann jedoch etwas Licht ins Dunkel gebracht werden.

Von Jacopo Gennai und Wei Chu

A

ls die frühen modernen Menschen von Afrika nach Eurasien auswanderten und im Vorderen Orient eintrafen, fanden sie eine natürliche Umwelt vor, die der afrikanischen Region im Nordosten des Kontinents, aus dem sie kamen, in vielerlei Hinsicht ähnlich war. Steppen mit artenreichen Kräutern und Gräsern dominierten die Landscha und wechselten weiter im Norden mit offenen Wäldern mediterranen Charakters ab, die sich bis zum Libanongebirge erstreckten. Huftiere, vor allem Gazellen, bevölkerten diese Biotope und bildeten die wichtigste Nahrungsgrundlage für die damaligen Menschen. Zahlreiche Siedlungsplätze belegen, dass die Population der modernen Menschen von diesen Umweltverhältnissen, die relativ stabil blieben, zunehmend profitierte und sich im ganzen Vorderen Orient etablierte. In diesem Zeitraum spielte sich auch der Übergang zum Jungpaläolithikum ab. Es überrascht, dass die vollentwickelten Kennzeichen dieser Epoche zeitgleich vor etwa 43 000 Jahren nicht nur im Vorderen Orient, sondern auch bereits in Europa auraten. Die Ausbreitung des modernen Menschen vom Vorderen Orient nach Europa muss sich also schon einige Zeit davor abgespielt haben, für die Archäologen und Anthropologen unsichtbar, oder zumindest fast unsichtbar, wie im ersten Beitrag erwähnt. Erschwerend kommt hinzu, dass wir über die Archäologie der anatolischen Halbinsel und des südlichen Balkans aus dieser Zeit fast nichts wissen – Regionen, die zwangsläufige Etappen der großen Wanderung des frühen modernen Menschen gewesen sein müssen. So bleibt 32

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Zustand vor 40 000 Jahren, als der Meeresspiegel 40 m tiefer lag. Rote Punkte im Text erwähnte Plätze, schwarze Punkte die wichtigsten europäischen und levantinischen Fundstellen des frühen Jungpaläolithikums.

es ein Rätsel, wie und auf welchen Wegen die schwierigste Hürde überwunden wurde, nämlich die erste Anpassung der frühen modernen Menschen an die Mammutsteppe Südost- und Mitteleuropas mit ihren langen strengen Wintern und kurzen Sommern. Wie kam es etwa zeitgleich zur Ausbildung des Jungpaläolithikums in so weit auseinanderliegenden Gebieten? Waren das unabhängige Entwicklungen oder spielte der Austausch von Informationen eine Rolle für Ähnlichkeiten über so große Distanzen? Jungpaläolithischer Innovationsschub: Lamellen Schon o hatten Archäologen darauf hingewiesen, dass es Ähnlichkeiten in der Technologie der Steinartefakte aus dieser Zeit gab. So lag die Idee nahe, einmal drei gut dokumentierte und datierte Fundplätze direkt miteinander zu vergleichen, indem dieselbe Arbeitsgruppe, und teilweise derselbe Forscher, technologische Konzepte aus allen drei Fundstellen am Originalmaterial selbst ermittelte. Hierzu wählten wir je eine von der Universität Köln ausgegrabene Fundstelle aus Jordanien und Rumänien, sowie eine von einem Team der Universität Ferrara ausgegrabene Fundstelle aus Italien, wobei sich verblüffende Beziehungen in den technologischen Konzepten herausstellten,

die über 5000 Jahre und über diesen riesigen Raum hinweg Bestand gehabt haben müssen. Die Analyse der Inventare von Al-Ansab in Jordanien, RomâneştiDumbrăviţa in Rumänien und Grotta di Fumane in Italien zeigt, dass die Herstellung der Steinwerkzeuge an verschiedenen Orten denselben Zielen diente und gleiche Produktionsschritte in der gleichen Folge ausgeführt wurden! Das Hauptaugenmerk lag an allen drei Orten auf der Herstellung dünner, regelmäßiger und im Profil gerader, häufig spitz zulaufender Lamellen. Vor etwa 43 000 Jahren hatte sich die Steingerätetechnologie drastisch verän-

dert: Ab diesem Zeitpunkt nutzte der moderne Mensch fast ausschließlich besondere langschmale Steinartefakte, sogenannte Klingen, aus denen bald noch kleinere Formen entwickelt wurden, die Lamellen. Im Durchschnitt haben Lamellen eine Länge von 3 cm und eine Breite von 1 cm. Die innovativen Lamellen sind wichtig, weil für ihre Herstellung nur wenig Material benötigt wurde, das folglich leichter gefunden werden konnte. Lamellen waren nicht nur leicht und einfach zu transportieren, sie waren auch standardisiert, wodurch sie leichter in Kompositwerkzeuge mit Holz- und Knochenschäften eingesetzt werden konnten. Nach der Abnutzung waren sie zudem leicht auszutauschen, während der Scha weiterverwendet werden konnte. Kurz gesagt, waren sie perfekte Steinwerkzeuge für Gruppen, die auf langen Strecken über Hunderte von Kilometern mobil waren. Die Herstellung solcher kleinen Steinwerkzeuge erforderte jedoch Fertigkeiten und Geschick. Es etablierte sich zur damaligen Zeit die Methode, mehrere spitz zulaufende Klingen und Lamellen aus einem Rohstück, dem Kern, zu gewinnen. Dieser Prozess hat Ähnlichkeiten mit der Bildhauerei. Zunächst muss sich der Steinschläger die Form des gewünschten Endprodukts, das aus einem rohen Gesteinsstück produziert werden soll, genau vorstellen. Um eine Klinge abzutrennen, musste ein kräiger Schlag auf die Abbaukante des Kerns mithilfe eines Kno-

chenschlägels ausgeführt werden. Dieser Schlag war nicht beliebig, sondern man orientierte sich an bereits vorhandenen Graten (natürlichen oder angelegten), welche die Schlagenergie gezielt leiten sollten. Sobald die vom Schlag ausgelöste Stoßwelle das Material durchdrungen hatte, löste sich die Klinge vom Kern. Die Bearbeitung eines Kerns wurde so lange fortgeführt, bis dieser zu klein geworden war. Das Besondere an der Methode, die an allen drei Fundorten nachgewiesen wurde, war nun, dass die größeren Klingen offenbar nur dazu dienten, den Abbau der kleineren Lamellen vorzubereiten. Die Klingen sind also nicht die Zielprodukte,

Lamellen von den drei Fundstellen. Die längste ist fast 6 cm, die kürzesten sind 2,5 cm lang.

Schematische Beschreibung zur Herstellung von Lamellen: 1) Auswahl eines Rohmaterials mit scharfkantigen Graten, 2) erste Formgebung durch Abschläge, 3) Herstellung eines schmalen Kerns durch Abschlagen asymmetrischer Klingen, 4) von dem langschmalen Kern werden schmale spitze Lamellen abgeschlagen. 3) und 4) wiederholen sich bis es nicht mehr geht.

1

2

3

4

sondern sie wurden vom Kern abgetrennt, um die Abbaufläche in eine längliche, gewölbte Form zu bringen und in das richtige Format, um dann die eigentlich gewollten Lamellen daraus zu gewinnen. Beleg für ein Informationsnetzwerk Meist findet man Steinartefakte, die suboptimal oder unbrauchbar waren und deshalb entsorgt wurden. Diese Funde sind jedoch wertvoll, da sie die allgemeinen Produktionsschritte aufzeigen: Sie sind wie ein Fenster in die Vergangenheit und in die Gedankenwelt längst verstorbener Menschen. Unsere drei Fundstellen sind geografisch weit voneinander entfernt und datieren darüber hinaus in vielleicht fünf Jahrtausende. Und doch zeigen sie technische Konzepte, die sich bis ins Detail gleichen. Wenn es auch unwahrscheinlich ist, dass sich die Menschen der drei Siedlungsplätze getroffen haben könnten, so ist es doch umso wahrscheinlicher, dass die Gruppen zu einem weiträumigen und Jahrtausende währenden Netzwerk gehörten und Informationen austauschten. Unsere Ergebnisse erlauben zwei wichtige Schlussfolgerungen: Erstens war die vor 43 000 Jahren entwickelte Methode zur Herstellung von Steinwerkzeugen flexibel und vollendet genug, um 5000 Jahre lang beibehalten zu werden. Und zweitens müssen die technologischen Ähnlichkeiten tatsächlich durch Informationsaustausch in dieser Zeit erklärt werden!  AiD 2 | 2023

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THEMA Out of Africa

Konkurrent Neandertaler? Jüngste Forschungen sprechen gegen ein phy­ sisches Nebeneinander des Neandertalers und des frühen modernen Menschen im südwest­ lichen Europa. Das führt zu der Frage: Wie standen sich die beiden Formen gegenüber?

Von Thorsten Uthmeier und Gerd-Christian Weniger

N

eue Funde auf der Iberischen Halbinsel belegen Verhaltensweisen von Neandertalern, die bisher als Merkmale sogenannten modernen Verhaltens vor allem dem modernen Menschen zugeschrieben wurden. In der Fundstelle Cueva de los Aviones in Murcia fanden sich in mittelpaläolithischen Schichten bemalte und durchbohrte Meeresmuscheln, in der Cueva Antón, 60 km im Inland, ebenfalls Muscheln von der Küste. In der Foradada-Höhle in Nordostspanien liegen Adlerklauen mit Schnittspuren vor, die als Schmuckobjekte gedeutet werden, wie sie neuerdings ähnlich von Spanien

Im Text erwähnte Fundstellen später Neandertaler der Iberischen Halbinsel und früher moderner Menschen in Süddeutschland und Mähren.

über Südfrankreich und Norditalien bis zum Neanderthal im Rheinland belegt sind. Es gelang inzwischen der Nachweis, dass Neandertaler mit roter Farbe Zeichen auf Höhlenwänden hinterlassen haben. In La Pasiega, Maltravieso und Cueva de Ardales konnte durch Datierungen von Kalksinter, der sich über den Farbresten gebildet hatte, ein Alter jenseits von 60 000 Jahren vor heute bestimmt werden, das Neandertaler als Schöpfer der Zeichen ausweist. Gehörte die Wandkunst bereits zur kulturellen Tradition der Neandertaler? In der Cueva de Ardales, die im Rahmen des SFB 806-Projekts untersucht wurde, konnte zudem gezeigt werden, dass die Neandertalerfundschichten in großer Zahl rote Farbpimente enthalten. Konkurrenz ohne Kontakt? Die hochauflösenden Daten der Paläogenetik skizzieren bisher Kontaktszenarien zwischen Neandertalern und modernen Menschen in Westasien und Osteuropa, während solche Hinweise im südwestlichen Europa fehlen. So galt beispielswei-

Od

in

Rhe

e

Elb

er

Atlantischer Ozean

Kirchberghöhle bei Schmähingen

re Loi

(Nördlinger Ries)

Hauptverbreitung des Bohunicien Herrnsaal

Rhône

Schwäbische und Fränkische Alb

La Pasiega

au

Don

Po

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Tajo

Adria

Foradada-Höhle

Maltravieso

Mittelmeer Cueva Antón Cueva de Ardales

Tyrrhenisches Meer

Cueva de los Aviones 0

34

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300 km

se die Iberische Halbinsel viele Jahre als das letzte Refugium der Neandertaler mit ihrer besonders langen Präsenz im Vergleich zum Rest Europas. Das westliche Mittelmeergebiet war einer der regionalen Schwerpunkte des Forschungsprojekts, um auch dieser Frage nachzugehen. Können die zeitlich eng begrenzten Besiedlungsereignisse mit der viel gröberen Auflösung der radiometrischen Daten überhaupt nachverfolgt werden? Belegen die Überlappungen von Radiokarbondatierungen zwischen Fundschichten von Neandertalern und von modernen Menschen tatsächlich ein physisches Nebeneinander beider Formen? Unsere Forschungen sprechen dagegen, und auch eine Betrachtung der Gesamtheit der Fundstellen zeigt für die Iberische Halbinsel, dass in der großen Mehrheit der mittelpaläolithischen Fundstellen zwischen dem Mittelpaläolithikum und dem Jungpaläolithikum eine Besiedlungslücke klafft. Dieses Muster legt ein Nacheinander und kein Nebeneinander von Neanderthalern und modernen Menschen nahe. Ganz ähnlich scheinen die Verhältnisse auch in Süddeutschland zu liegen! Besiedelte der moderne Sapiens menschenleere Räume? Angesichts der vielfach fundleeren Schichtpakete zwischen spätestem Mittelpaläolithikum und frühestem Aurignacien wird für die Schwäbische Alb davon ausgegangen, dass die ersten Gruppen des modernen Menschen mit dem Aurignacien ab etwa 42 500 Jahre vor heute in eine Region kamen, in denen es bereits für mehrere Jahrtausende keine Neandertaler mehr gegeben hat. Die spannende Frage ist nun, ob ein solches Modell auch auf benachbarte Regionen in Süddeutschland übertragen werden kann. Ein Blick auf die in Bayern gelegene Fränkische Alb offenbart jedoch deutliche Unterschiede. Aus derselben Zeit, aus der auf der Schwäbischen Alb nur geringe oder gar keine Fundniederschläge der Neandertaler vermeldet werden können, liegen hier große Fundkomplexe vor, die mit Feuerstellen und einer reichen JagdbeuteFauna vergesellschaet sind. Nur wenige

Kilometer auseinanderliegende Stationen wie die Sesselfelsgrotte, das Große Schulerloch, das Abri am Schulerloch, die Klausennische oder der Hohle Stein bei Schambach zeigen für Bayern exemplarisch eine phasenweise intensive Landnutzung durch die spätesten Neandertaler an. Allerdings fällt in der langen stratigrafischen Abfolge der Sesselfelsgrotte auf, dass sich im Verlauf des späten und spätesten Mittelpaläolithikums immer wieder Phasen intensiver Nutzung mit Zeiten abwechselten, in der das untere Altmühltal mit großer Wahrscheinlichkeit menschenleer war. Jürgen Richter konnte zeigen, dass in der Sesselfelsgrotte diese Unterbrechungen sogar so lang waren, dass der generationenübergreifende In-

formationsfluss über die Verfügbarkeit von lokalen bis regionalen Schlüsselressourcen abbrach und sich die erneut in die Region kommenden Neandertaler-Gruppen das Areal neu erschließen mussten. Offene Fragen Weil Rohmaterialverbindungen zwischen der Schwäbischen und Fränkischen Alb eindrücklich belegen, dass beide Regionen gemeinsam betrachtet werden müssen, können die Ergebnisse aus Bayern auf ganz Süddeutschland übertragen werden. Demnach kam es in ganz Süddeutschland erst vor etwas mehr als 42 000 Jahren ohne Hiatus zu einer flächendeckenden Ablösung der spätesten Neandertaler. Die Frage, ob die Alb bereits davor sporadisch

Gegenüberstellung der Schädel eines modernen Menschen (rechts) und eines Neandertalers).

Durchbohrte Muscheln aus der NeandertalerFundstelle Cueva de los Aviones (Cartagena, Spanien); an der Innenseite des rechten Exemplars wurden Reste roter Farbe nachgewiesen.

durch Gruppen des frühen modernen Menschen besiedelt worden ist, wird zurzeit durch Feldforschungen der FriedrichAlexander-Universität Erlangen-Nürnberg untersucht. In diesem Zusammenhang ist die Entdeckung des Bohunicien-Fundplatzes Herrnsaal bei Kelheim eine Sensation: Die Fundstelle liegt mehr als 400 km Lulinie von dem bisher bekannten Verbreitungsschwerpunkt des Bohunicien in Mähren entfernt! Etwas jünger sind Artefakte des sogenannten Lincombien-Ranisien-Jerzmanovicien-Komplexes aus der Ruine der Kirchberghöhle bei Schmähingen im Nördlinger Ries. Folgt man aktuellen chronologischen Vorstellungen, so sind beide Fundstellen etwas älter als das Aurignacien. Es handelt sich also um die Hinterlassenschaen besonders früher, offenbar weniger erfolgreicher Ausbreitungen des modernen Menschen nach Mitteleuropa. Besonders spannend an diesen Ausbreitungsereignissen ist die Tatsache, dass die Steinwerkzeuge auch technologische Merkmale aufweisen, die typisch für zeitgleiche Inventare des Neandertalers sind. Ganz dem genetischen Szenario vielfältiger Vermischungsereignissen entsprechend, deutet sich damit eine Beteiligung der Neandertaler an der Ausbreitung moderner Menschen nach Europa an.  AiD 2 | 2023

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THEMA Out of Africa

Fast wären wir wieder ausgestorben!  Jahren

Refugium im Südwesten sicherte somit das Überleben unserer Vorfahren auf dem Kontinent. Im östlichen Mitteleuropa hingegen verharrte die Bevölkerung auf gefährlich niedrigem Niveau. Einer der wenigen bekannten Fundplätze dieser Zeit ist Kammern-Grubgraben in Niederösterreich, der einen außergewöhnlichen Einblick in den Alltag der Menschen im östlichen Mitteleuropa am Ende des letzten glazialen Maximums erlaubt. Ähnlichkeiten in den Artefakten zeigen, dass der Kontakt zwischen den weit entfernten und durch das besiedlungsleere Mitteluropa getrennten Populationen in Osteuropa einerseits und Westeuropa andererseits ab etwa 23 000 Jahren vor heute wieder deutlich an Intensität zunahm, was durch die unterschiedlichen Bezeichnungen der archäologischen Einheiten verschleiert wird und daher o übersehen wird. Mit der Wiedererwärmung am Ende der Eiszeit nimmt auch die Bevölkerung in Europa weiter zu und die Menschen breiten sich nach Norden aus, wobei auch manche der nördlichen Regionen erstmals besiedelt werden.

vor heute erlebte unsere Art in Europa die größte demogra ische Krise aller Zeiten. Wie es die frühen Menschen schafften, dem Aussterben zu entgehen, zeigt sich am Beispiel des Fundplatzes Kammern­ Grubgraben in Niederösterreich.

Thomas Einwögerer, Isabell Schmidt und Andreas Maier

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Verteilung von Kerngebieten menschlicher Besiedlung in Europa während des Jungpaläolithikums. Die Farben der aufeinanderfolgende Perioden: Frühes Gravettien (grün) Spätes Gravettien (Orange) Letztes Glaziales Maximum (blau). In den Diagrammen ist die demografische Entwicklung anhand regionaler Bevölkerungsschätzungen dargestellt.

GraveƫĞŶ/

Zentraleuropa

800 600 400 200

35.000

30.000

25.000 20.000 Jahre vor heute

15.000

Lage von Kammern-Grubgraben

0 10.000

Zentraleuropa

Südwes

teuropa 1400 1200

600 400 200

Südwesteuropa

40.000

35.000

30.000

25.000 20.000 Jahre vor heute

15.000

0 10.000

Personen

1000 800 LGM

40.000

GraveƫĞŶ/

D

ie Geschichte der Besiedlung Europas durch den anatomisch modernen Menschen ist rückblickend zwar eine Erfolgsgeschichte, verlief aber nicht ohne Schwierigkeiten und Rückschläge. Während des letzten glazialen Maximums wären wir sogar fast ausgestorben. Diese Phase umfasst in ihrer weitesten Bedeutung die Zeit zwischen dem Aufbau der großen Inlandseisschilde über Skandinavien und den Alpen ab ca. 30 000 Jahren bis zum Beginn ihres weitflächigen Abschmelzens vor ca. 18 000 Jahren vor heute. Der Beginn des letzten glazialen Maximums fällt aus archäologischer Sicht also mit dem späten Gravettien zusammen, und so gleichzeitig mit der größten demografischen Krise, die unsere Art in Europa erlebt hat. Die sich stetig verschlechternden Umweltbedingungen führten zu einem drastischen Rückgang der regionalen Populationen in ganz Europa und zu einem Zusammenbruch menschlicher Besiedlung nördlich des 50. Breitengrades. In der Folge war das Gebiet des heutigen Deutschlands für mehrere Jahrtausende so gut wie besiedlungsleer, und die vormals bestehenden weitgespannten Kommunikationsnetzwerke, die vom Atlantik bis zum Don reichten (wie zum Beispiel Frauenfiguren mit großer Ähnlichkeit zeigen) waren nachhaltig gestört. Dies führte zu einer stärkeren Regionalisierung der kulturellen Entwicklung westlich und östlich der Alpen. Während dieser Zeit zwischen etwa 25 000 und 23 000 Jahren vor heute fassen wir im südwestlichen Europa, zur Zeit des sogenannten Solutréen, ein erneutes Bevölkerungswachstum. Dieses wichtige

Überlebenswichtiges Refugium Iberische Halbinsel Auf der Iberischen Halbinsel nahmen die Entwicklungen im letzten glazialen Maximum einen eigenen Weg. Auch wenn die geschätzten Bevölkerungszahlen in dieser Region eher gering sind, so zeigen sie im Gegensatz zum übrigen Europa keinerlei Rückgang im späten Gravettien. Auch die Größe und Verteilung der besiedelten Regionen bleibt stabil, während anderswo in Europa starke Verkleinerungen dokumentiert sind. Diese Stabilität ist den spezifischen klimatischen Bedingungen, aber auch der Topografie der Küstenregionen geschuldet. Mit hohen Bergketten und Gebirgslandschaen im Hinterland boten sich hier vielfältige Lebensräume. Soziale Netzwerke waren innerhalb abgrenzbarer Küstenregionen besonders intensiv. Dies erschließt sich aus der Verbreitung spezifischer Werkzeugtypen: Die techno-typologisch auffälligen, o als Projektile genutzten Solutréen-Spitzen gelten als Ausdruck dieses Phänomens. Einerseits wei-

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Personen

und

LGM



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Zwischen ca.

sen diese Spitzen in Portugal, Spanien und Südwestfrankreich Spuren einheitlicher technologischer Rezepturen auf, wie die Hitzebehandlung des Steinmaterials und die flächige Formüberarbeitung. Andererseits zeigt sich – anders als noch im vorausgehenden Gravettien – bei genauer Betrachtung der Spitzen eine zuvor unbekannte regionale Vielfalt. Diese verweist auf eine regional stark gegliederte Populationsstruktur in diesem wichtigen Refugium und möglicherweise auf eine Anpassung an regionale Besonderheiten der Jagdtiere. Zeltheringe und Kühlschrank? Der Fundplatz Kammern-Grubgraben ist einzigartig in seiner Zeit und liegt in einer nach Süden hin offenen kesselartigen Senke hoch über dem Kamp, dem längsten Nebenfluss der Donau in Niederösterreich. Hier konnten mehrere knapp übereinanderliegende Siedlungsschichten dokumentiert und neben einem Lochstab, einigen Nähnadeln mit Öhr und Schmuckstücken (gelochte Steinscheiben und Tierzähnen sowie Fossilien) auch das älteste Musikinstrument Österreichs, eine Flöte mit drei Grifflöchern aus dem

Bei Grabungen im österreichischen KammernGrubgraben kam im sogenanten Objekt 8 eine komplexe Steinstruktur zutage. Dabei könnte es sich um die Reste einer Bevorratungskonstruktion (meat cache) handeln.

Das Objekt 8 ist im Vordergrund einer ausgedehnten Steinlage zu erkennen.

Schienbein eines Rens, geborgen werden. Bei den geschlagenen Steinartefakten aus Radiolarit, Hornstein und sogar Feuerstein aus dem Norden sind besonders kleine retuschierte Mikro-Klingen erwähnenswert. Der Großteil der meist zerschlagenen Faunenreste stammt vom Ren, wobei auch Pferd, Steinbock, Wolf, Fuchs, Vielfraß und – vor allem durch Elfenbein – Mammut vertreten sind. Von besonderer Bedeutung sind die dokumentierten Steinstrukturen, die von einfachen Pflasterungen bis hin zu komplexeren, aufgehenden Bauten reichen. Bei einer ehemals in bis zu sechs Lagen aufgeschichteten Steinstruktur könnte es sich um eine Art urtümlichen Kühlschrank (meat cache) handeln. Im Bereich der großräumigen Pflasterungen konnten zudem senkrecht im Boden steckende Geweihhaken beobachtet werden, die bisher als Zeltheringe interpretiert wurden. Mehrere Feuerstellen unterschiedlicher Bauweise runden das Bild ab. Das Fund- und Befundspektrum weist auf eine hochmobile Gesellscha von Jägern und Sammlern hin, die ihre Beschaffungsstrategien nach Nordosten, Osten und Südosten ausrichtete. Die hoch

komplexen Siedlungsstrukturen sowie die wahrscheinliche Bevorratung von Rentierfleisch legen für Kammern-Grubgraben eine besondere Bedeutung im Selbstversorgungsgefüge der hier lagernden Gruppe nahe. 

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Europa Ein Heiligtum der Kelten und Römer

Götter im Schatten der Lienzer Dolomiten Sowohl Kelten als auch Römer prägten den Klosterfrauenbichl im Südwesten von Lienz. Überreste eines latène­ und römerzeitlichen Opferplatzes deuten auf eine die Epochen übergreifende ungebrochene Kultkontinuität hin.

Von Gerald Grabherr und Barbara Kainrath

D

as Lienzer Becken im österreichi‐ schen Osttirol ist der archäologi‐ schen Forschung bisher haupt‐ sächlich durch die römische Stadt Agun‐ tum bekannt, die in der Regierungszeit des Kaisers Claudius ( –  n. Chr.) gegründet wurde. Nur etwa  km entfernt be indet sich der sogenannte Klosterfrauenbichl am Westrand des Beckens, und zwar an einer prominenten Stelle, wo die Täler von Drau und Isel zusammentreffen. Auf der Kuppe mit steil abfallenden Flanken erstreckte sich ein Heiligtum von besonderer Bedeutung, das von einem Hei‐ matforscher im Zuge von Prospektionen mit der Metallsonde entdeckt wurde. Er vermerkte die Fundstellen und meldete teilweise sensationelle Funde. Damit trat der Fundplatz nun auch in das wissen‐ schaftliche Interesse. Das Institut für Ar‐ chäologien der Universität Innsbruck führ‐ te gemeinsam mit der Österreichischen Akademie der Wissenschaften zwischen und zunächst eine topogra‐ ische Aufnahme des Geländes und an‐ schließend ausgedehnte archäologische Ausgrabungen durch. Der heute durch stei‐ le Abhänge gekennzeichnete Hügel ist in der Antike künstlich gegliedert worden: Insgesamt ließen sich zumindest neun Ter‐ rassierungen mit damals bis zu ,  m ho‐ hen Stützmauern über eine Höhendiffe‐ renz von etwa  m feststellen. Die pro‐ minenteste Stelle be indet sich auf der Hü‐ gelkuppe auf ,  m Seehöhe. Sie bietet nach Osten einen weiten Überblick über das Lienzer Becken bis weit ins Drautal hinab, und nach Süden wird es von einem beeindruckenden Ausblick auf die steil auf‐ ragenden Lienzer Dolomiten geprägt. Der Fundplatz ist aufgrund mehrerer Aspekte besonders spannend. Zunächst wurden hier Spuren eines latène‐ und rö‐ merzeitlichen Opferplatzes aufgedeckt und damit eine epochenübergreifende un‐

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gebrochene Kultkontinuität nachgewie‐ sen. Zudem können wir die Kultstätte als Stammesheiligtum der Laianken, des im Lienzer Becken beheimateten keltischen Stammes ansprechen. Der Name ist durch zwei Inschriften überliefert, die dazuge‐ hörige Siedlung konnte noch nicht lokali‐ siert werden. Der Opferplatz hatte nach der Okkupation Noricums im Jahr /   v. Chr. durch die Römer nicht nur weiter Bestand, sondern er wurde in dieser Zeit sogar aufwendig umgestaltet und monu‐ mentalisiert. Schließlich liegt ein großer Komplex von keltischen und römischen Votivgaben vor, die einen Einblick in anti‐ ke Kultpraktiken geben. Beeindruckende Bauten Die keltischen Terrassierungen lassen sich durch sogenannte Pfostenschlitzmauern und Holzeinbauten nachweisen, die römi‐ schen Terrassierungen zeigen sich hinge‐ gen in sorgfältig gesetzten und verputz‐ ten Mauern. In derselben Technik wurde um das gesamte Heiligtum herum eine Te‐

Seltene Funde: ein bronzener Stab, eingeritzt die Sonne und Tiere. Vergleichbares gibt es aus anderen Heiligtümern. Weitere Opfergaben wie Fibeln, bronzene Votivbleche mit Punzverzierung und Kleinsilbermünzen liegen in einer großen Anzahl vor. Eiserne Feuerböcke mit Stierkopfenden geben sich aufgrund ihres Miniaturformats als Weihegaben zu erkennen.

menosmauer errichtet, die den heiligen Bezirk von der profanen Umwelt abtrenn‐ te und bis zu einer am Hang entlangfüh‐ renden Altstraße reichte und diese um die Hang lanke herum begleitete. Vom Tal‐ grund aus waren die Umfassungs‐ und Ter‐ rassenmauern gut sichtbar und mit dem weiß getünchten Verputz mit Sicherheit von beeindruckender Wirkung. Am höchs‐ ten Punkt des Hügels stand einst ein qua‐ dratischer Tempel, von dem das Funda‐ ment in Form von lach verlegten Stein‐ platten sowie ein Lehmboden über einer Rollierung erhalten sind. Über diesem Steinfundament wurde das Tempelgebäu‐ de in Holz ausgeführt. Chronologisch weist der Befund in die römische Kaiserzeit, es könnte allerdings schon in der Latènezeit ein entsprechender Kultbau an dieser Stel‐ le errichtet gewesen sein. Auf einer Terrasse unterhalb wurden fünf Steinkränze mit je einer zentralen Steinplatte freigelegt. Die Funktion dieser Gebilde ist durch das Fehlen vergleichba‐ rer Befunde derzeit zwar nicht geklärt, sie sind aber mit Sicherheit als kultische Ein‐ richtung zu bezeichnen. In einem tiefer‐ liegenden Bereich des Heiligtums wurde auf einer der Terrassen die Fundamentie‐ rung eines monumentalen hölzernen Kult‐ mals entdeckt. In dessen näherem Umfeld ist auch der größte Teil der Votivgaben ge‐ borgen worden. Nur wenige Meter ent‐

fernt entspringt eine Quelle, die heute für die am Fuß des Hügels be indliche Braue‐ rei genutzt wird. Das Wasser gilt in der Überlieferung als heilkräftig – besonders gegen Augenleiden – und bis in die er‐ Jahre befand sich nur  m südlich des an‐ tiken Heiligtums ein Heilbad.

Das Heiligtum erstreckte sich über den Hügel, der durch mehrere Terrassen gegliedert wurde. Rundherum verlief die Umfassungsmauer, hier in einer Rekonstruktion.

Tausende von Opfergaben Besonders facettenreich ist das archäolo‐ gische Fundmaterial, das die Opfergaben der keltischen sowie der römischen Be‐ völkerung repräsentiert. Unter den latè‐ nezeitlichen Funden zählen Fragmente ei‐ ner Carnyx, der keltischen Kriegstrompe‐ te mit Wildschwein‐ oder Drachenkopf, zu den besonders außergewöhnlichen Ob‐ jekten, was auf die Ansprache des Kult‐ platzes als Stammesheiligtum der Laian‐ ken hinweist. Zahlreiche keltische Waf‐ fenweihungen wie eiserne Lanzenspitzen unterstützen diese Interpretation. Diese Tradition endet mit der Niederlegung rö‐ mischer Waffen vorwiegend in Form von Artilleriegeschossspitzen. Sie sind wohl letzter Ausdruck vom selbständigen poli‐ tisch‐militärischen Handeln der Stam‐ mesgemeinschaft der Laianken.

Karte der römischen Provinz Noricum mit den antiken Städten und dem Fundplatz in Lienz.

Außergewöhnliche Funde stellen un‐ ter anderem zwei männliche Bronzesta‐ tuetten dar. Einmal ist es eine frontal aus‐ gerichtete nackte Figur, die wohl in den beiden Händen Waffen trug und sich da‐ mit als göttlicher oder heroisierter Krie‐ ger der keltischen Epoche auszeichnet. Ei‐

ne zweite Statuette repräsentiert den rö‐ mischen Gott Jupiter, allerdings in einer ungewohnten Erscheinung. Er wird näm‐ lich als jugendlicher, blitzeschleudernder Gott dargestellt und dürfte ein Zeugnis aus dem mittel‐ oder oberitalischen Raum sein.

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Europa Ein Heiligtum der Kelten und Römer

Mit dem Alpenfeldzug der römischen Armee gelangte das für die Kelten so wich‐ tige Heiligtum in einen überregionalen Fokus und in der frühen Kaiserzeit zur größten Blüte. Von der Präsenz römischer Legionäre, die wohl für die Errichtung der sorgfältig gestalteten und weiß ver‐ putzten Mauern der Umfassung und der Terrassierungen verantwortlich zeichne‐ ten, zeugen zahlreiche Schuhnägel von Mi‐ litärsandalen (caligae), die große Köpfe aufweisen und an der Unterseite mit er‐ habenem Muster aus Punkten und Linien versehen sind. Besonders beliebte Opfergaben der römischen Periode stellen Münzen und Fibeln dar. Das Prägungen umfassen‐ de Konvolut aus der Kaiserzeit weist einen hohen Anteil an Prägungen des . Jh. und besonders der lavischen Epoche auf ( –  n. Chr.), was mit der durchgreifenden Monetarisierung Noricums in dieser Zeit übereinstimmt. Regelmäßige Münzvotive lassen sich bis zu den Markomannenkrie‐ gen ( –  n. Chr.) unter Mark Aurel nachweisen. Nachfolgend bis ans Ende des . Jh. wurden nur mehr vereinzelte Mün‐ zen geopfert. Zu Beginn des . Jh. zeigt die Verteilungskurve wieder einen Auf‐ schwung, was dem üblichen Bild des Geld‐ umlaufs in der Region entspricht. Die jüngsten deponierten Münzen wurden 40

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Zu den vielen Gottheiten gesellt sich ein Votiv in Form eines Ebers. Die Binde um den Bauch zeichnet ihn als Opfertier aus. Für die Göttin mit Fackeln ist die Ansprache als Ceres sehr wahrscheinlich.

Aus dem Heiligtum stammt der bisher größte Komplex von Zinnfiguren römischer Gottheiten. Besonders häufig ist Victoria mit Flügeln, Siegeskranz und Palmwedel.

/ geprägt, als die Ausübung aller heidnischen Kulte verboten wurde. Die Weihe von Gewandspangen aus dem eigenen Besitz darf als Teil der Selbst‐ darstellung der Gläubigen oder als Be‐ standteil spezieller Gewänder für die ver‐ ehrte Gottheit gelten. Das Spektrum der bronzenen Gewandspangen ist umfassend und vielseitig, es reicht von der späten La‐

tènezeit bis ins . Jh. und weist wiederum einen Schwerpunkt im . und der ersten Hälfte des . Jh. auf. Außergewöhnlich ist die zumeist ausnehmend gute Erhaltung der römischen Fibeln, die zu einem großen Teil vollständig und fast funktionstüchtig ans Tageslicht traten. Die Gewandspangen der keltischen Zeit hingegen sind zumeist – wohl intentionell – zerbrochen.

Zum persönlichen Schmuck zählen auch Ohr‐ und Fingerringe, die in bemer‐ kenswerter Anzahl und Vielfalt im Heilig‐ tum gefunden wurden. Schmuck ist ähn‐ lich wie die Fibeln zu beurteilen; er war zunächst in persönlichem Besitz und wur‐ de dann einer Gottheit geweiht. Wahr‐ scheinlich stammen diese Stücke ur‐ sprünglich aus dem Eigentum von weibli‐ chen Kultausübenden. Das umfangreiche Keramikrepertoire ist vornehmlich durch lokal gefertigte Töpfe geprägt, die als Zeug‐ nisse von gemeinsamen Kultmahlen im Heiligtum oder von in diesen Gefäßen dar‐ gebrachten Lebensmitteln zu verstehen sind. Zinn iguren einmal anders Eine Fundgattung aus dem Lienzer Heilig‐ tum ragt besonders heraus: Es handelt sich um Zinn iguren römischer Gottheiten, die den bisher größten Komplex dieser Votiv‐ gaben im römischen Reich darstellen. Aber nicht nur die Menge und die Vielfalt der Typen ist erstaunlich, sondern auch die Tatsache, dass an anderen Fundstellen in Noricum und Pannonien dieselben Typen und vermutlich sogar modelidentische Exemplare auftreten. Diese Figuren wur‐ den im Gussverfahren aus zwei zusam‐ mengesetzten Formen hergestellt. Materi‐ alanalysen haben gezeigt, dass es sich um

fast reines Zinn handelt, das sich gut und schnell verarbeiten lässt. Auffallend ist zunächst eine Dominanz weiblicher Gottheiten. Am häu igsten tritt die Siegesgöttin Victoria im langen, ge‐ gürteten Gewand mit Flügeln und mit ihren Attributen Siegeskranz und Palm‐ wedel auf. In mehreren Varianten zeigt sich Minerva, die durch Helm mit Helm‐ busch, Schild, Aegis und Lanze charakteri‐ siert ist und als Göttin der Weisheit und des Krieges verehrt wird. Die Göttin der Schönheit Venus wird mit nacktem Ober‐ körper und einer Binde unterhalb der Brust sowie Ketten und Reifen am Ober‐ arm und am Handgelenk dargestellt. Sie wird einmal von Priapus begleitet. Priapus wird mit langem Gewand, das seinen Phal‐ lus enthüllt, gezeigt und gilt als Gott der Fruchtbarkeit, als Segenspender und Ab‐ wehrer von Übel. Ein anderer Typ der Venus zeigt die Göttin etwas fülliger, aber auch reich geschmückt. Diesmal ist es der ge lügelte Amor, der sie von unten an‐ blickt. Die Figur im langen geknoteten Gewand mit Patera, Füllhorn und Stütze repräsentiert wohl die Personi ikation des Schicksals Fortuna. Für die Ansprache ei‐ ner Figur mit netzartig gestaltetem Ge‐ wand und je einer Fackel in den Händen kommen die Gottheiten Ceres, Proserpina, Vesta oder Hekate in Frage.

Links: Der Götterbote Merkur wird als Einziger sitzend dargestellt und ist durch seine Attribute geflügelter Helm, Heroldstab und Geldbeutel gekennzeichnet. Rechts: Der Göttervater Jupiter erscheint mit Zepter und Blitzbündel.

Unter den männlichen Göttern sind Ju‐ piter und Merkur häu iger vertreten. Der Göttervater präsentiert sich als stehender, teilweise bekleideter Gott mit Vollbart und lockiger Frisur. Er stützt sich links auf sein Zepter, in der Rechten hält er das Blitz‐ bündel. Der Götterbote Merkur ist cha‐ rakterisiert durch den Heroldstab und Geldbeutel sowie den ge lügelten Hut. Mit einem einzelnen Exemplar lässt sich der Gott des Krieges Mars im Muskelpanzer und mit Schild nachweisen. Die einzige Figur, die keine Gottheit repräsentiert, ist ein Opferschwein mit einer Binde um den Bauch. Durch das im Vergleich zur Bronze und Silber billigere Zinn, von dem für hohle Statuetten zudem auch nicht sehr große Mengen notwendig waren, werden diese Weihegaben der einfachen, wenig zah‐ lungskräftigen Bevölkerung zugeordnet. Sie können als Ausdruck der Volksfröm‐ migkeit in einem ruralen paganen Heilig‐ tum interpretiert werden, und sie weisen gleichzeitig auf eine starke Anbindung an die mediterrane Welt hin. Ihr besonderer Reiz liegt im Kontrast des preisgünstigen Metalls und der einfachen, schnellen, ma‐ terialsparenden Produktion unter Verzicht einer Nacharbeitung im Gegensatz zur de‐ tailreichen Ausgestaltung der Motive. Der Kultplatz auf dem Klosterfrauen‐ bichl zeigt mit seiner ungebrochenen Kon‐ tinuität von der Latènezeit bis in die Spät‐ antike deutlich die hohe Beständigkeit geweihter heiliger Stätten, die aufgrund ih‐ rer naturräumlichen Besonderheiten he‐ rausstechen. Das Heiligtum bleibt jedoch nicht statisch und unverändert, sondern wandelt sich vom Kultplatz des keltischen Stammes der Laianken zum monumenta‐ lisierten ländlichen Heiligtum in frührö‐ mischer Zeit. Es schien jedoch für die po‐ litische Selbstdarstellung der städtischen Elite des Municipium Aguntum nicht ge‐ eignet, weshalb entsprechend kostspieli‐ ge Weihungen wie Altäre aus Marmor hier nicht zu inden sind. Die Zugehörigkeit zum Stamm der Laianken spielt für die städti‐ sche Oberschicht keine Rolle mehr, doch es wird von der einfachen Bevölkerung – wenn auch mit sukzessive abnehmender Intensität – weiterhin aufgesucht. Die Viel‐ falt der Funde, die im Heiligtum auf dem Klosterfrauenbichl geweiht wurden, spie‐ gelt unterschiedliche Gründe des Opfers während einer langen Zeitspanne wider.  AiD 2 | 2023

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Europa Visualisierung und digitaler Zugang

Archäologische Landschaen entlang der Donau Das reiche kulturelle Erbe des Donauraums ist mit bloßem Auge oft

naus zu unterstützen, fördert das Pro‐ gramm die Entwicklung von Strategie‐ nicht zu erkennen. Um dies zu ändern, befassten sich  Institutionen konzepten und Empfehlungen zur Lösung aus neun EU­Ländern von bis mit dem Projekt »Danube’s gemeinsamer Herausforderungen. Archaeological eLandscapes«. Das Vorhaben wird hier am Beispiel der Seit dem . Juli arbeiteten  Ins‐ titutionen aus neun EU‐Ländern an einer Heuneburg vorgestellt. gemeinsamen digitalen Strategie und der Entwicklung von »best practice«‐Stan‐ dards zur Förderung von Maßnahmen, um das archäologische Erbe über die Grenzen Von Sarah Scoppie, Leif Hansen, Jonas Abele, Corinna Csikós, der Donauländer hinweg bekannt zu ma‐ Andrew Lamb und Dirk Krausse chen. Im Zentrum des Projekts stehen da‐ bei die Visualisierung und digitale Er‐ Der Istros (griechisch die Donau) chern häu ig verborgen. Vor allem die ar‐ Neben archäologischen reichbarkeit bzw. Barrierefreiheit heraus‐ nämlich entspringt bei den Kelten chäologischen Zeugnisse vergangener Kul‐ Highlights wie der hallund der Polis Pyrene und ließt mitten turen sind oft unsichtbar und werden nicht stattzeitlichen Maske aus ragender archäologischer Stätten und dem Kröllkogel bei KleinFunde mithilfe digitaler Technologien wie durch Europa«, so berichtete um die Mit‐ wahrgenommen. Zugleich bieten die ar‐ klein in der Steiermark te des . Jh. v. Chr. der griechische Histori‐ chäologischen Landschaften entlang die‐ (Österreich), spielen auch Virtual Reality und Augmented Reality ker Herodot von Halikarnassos ( –   ses Europa verbindenden Flusses vielfäl‐ digitale Rekonstruktionen sowie der Zugang zu diesen digitalen Land‐ schaften, oder »eLandscapes«. v. Chr.) in seinem berühmten Werk Histo‐ tige Möglichkeiten für einen nachhaltigen wie diese Visualisierung des Köchers aus dem NeDer deutsche Donauraum war mit ei‐ rien (II, ). Aber nicht nur für die kelti‐ Tourismus. Hier setzte das Projekt »Da‐ bengrab VI im Hohmichele schen Kulturgruppen am nördlichen Al‐ nube’s Archaeological eLandscapes« an, eine Rolle in der Sichtbar- nem Team vom Landesamt für Denkmal‐ p lege im Regierungspräsidium Stuttgart penrand spielte die Donau eine heraus‐ dessen erfolgreiche Arbeit am . Novem‐ machung der archäologimit einem abschließenden Event schen Landschaen entvertreten, das zum ersten Mal an einem In‐ ragende Rolle. Der Fluss verbindet die ber Region mit dem Schwarzen Meer und er‐ am Archäologischen Museum Zagreb ge‐ lang der Donau. Beide Grä- terreg‐Projekt des »Danube Transnational ber datieren in die erste Programme« teilnahm. Im Fokus der Pro‐ möglichte somit weitreichende Kultur‐ feiert wurde.

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Häle des 6. Jh. v. Chr. und stehen stellvertretend für verschiedene Regionen während der Eisenzeit.

kontakte in den Mittelmeerraum und da‐ rüber hinaus. Die Kelten dürften dabei auf bereits lange zuvor bestehende Kommu‐ nikationsnetzwerke zurückgegriffen ha‐ ben, die auch nach ihrem Verschwinden noch Bestand hatten. Im Römischen Reich nahm die Donau die wichtige Rolle der Reichsgrenze ein, und im Mittelalter ver‐ half sie den süddeutschen Reichsstädten zu außergewöhnlichem Wohlstand. Dennoch bleibt das reiche und kulturell vielfältige Erbe des Donauraums Besu‐ 42

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»Danube’s Archaeological eLandscapes« Das Projekt »Danube’s Archaeological eLandscapes« ist Teil der »European Ter‐ ritorial Cooperation«, auch bekannt als In‐ terreg, und wird über das »Danube Trans‐ national Programme« inanziert. Letzteres gehört zu den umfangreichsten Program‐ men zur Förderung wirtschaftlicher, so‐ zialer und kultureller Kooperationen in der EU. Um die Zusammenarbeit der Regionen über die jeweiligen Nationalgrenzen hi‐

jektarbeit stand die Digitalisierung der ei‐ senzeitlichen Landschaft um die Heune‐ burg mit einer neuen, aktuellen Visuali‐ sierung einer Nebenbestattung (Grab VI) aus dem Hohmichele. Von den Quellen der Donau … Die Heuneburg am Fuß der Schwäbischen Alb zählt aufgrund der exzeptionellen Er‐ haltungsbedingungen und des hervorra‐ genden wissenschaftlichen Forschungs‐ stands zu den bedeutendsten archäologi‐

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schen Fundstätten der frühkeltischen Zeit. Etwa  km westlich der Befestigung liegt der sogenannte Hohmichele, mit einem Durchmesser von ca.  m und einer Hö‐ he von ,  m eines der größten und im‐ posantesten Grabmonumente dieser Zeit in Mitteleuropa. Der Archäologe Gustav Riek ließ / große Teile des Hohmi‐ chele ausgraben, wobei neben der eben‐ erdigen, aus Eichenbohlen aufgebauten zentralen Grabkammer weitere Nachbe‐ stattungen aufgedeckt wurden. Bei dem Primärgrab handelte es sich um ein einst‐ mals wohl außerordentlich reiches Wa‐ gengrab, das bereits kurz nach der Beiset‐ zung ausgeraubt wurde. Von besonders hohem wissenschaftlichen Wert ist das Ne‐ bengrab VI. Hier waren eine Frau und ein Mann in einer hölzernen Grabkammer bei‐ gesetzt worden, die unversehrt blieb. Ne‐ ben einem vierrädrigen Wagen belegen mehrere Bronzegefäße, Pferdegeschirr‐ elemente, Perlenketten aus Glas und Bern‐ stein sowie ein Köcher mit  Pfeilen den Reichtum und hohen gesellschaftlichen Rang der Bestatteten. Anhand des Fund‐ materials aller Gräber lässt sich auf einen Belegungszeitraum des Hohmicheles vom

Von der Altsteinzeit bis ins Mittelalter – 16 Visualisierungen herausragender archäologischer Fundstätten erlauben es, den Donauraum digital zu erforschen. Den geografischen Anfang bildet die Heuneburg in Baden-Württemberg mit dem Großgrabhügel Hohmichele. 1) Hohmichele 2) Großklein 3) Flavia Solva 4) Vértesszőlős 5) Baláca 6) Vatin – Bela Bara 7) Vršac – At 8) Rankovce 9) Ulaka 10) Vindija 11) Viškovci 12) Kaptol 13) Cârna 14) Nufăru 15) Ivanovo Ages 16) Cherven

ausgehenden . bis in die zweite Hälfte des . Jh. v. Chr. schließen. Damit fallen die An‐ lage und Nutzung des Großgrabhügels in die Zeit der Gründung und der Blütepha‐ se des frühkeltischen Machtzentrums an der Heuneburg. Grab VI sticht besonders hervor, da es eines der wenigen nicht be‐ raubten Prunkgräber der ersten Hälfte des . Jh. v. Chr. in dieser Region ist. … in die virtuelle Welt Mit der Visualisierung dieser reichen Be‐ stattung hat das baden‐württembergische Team zur gemeinsamen Ausstellung aller Partner »Geschichten aus der Vergangen‐ heit. Virtuelle Reise in verlorene Welten« beigetragen. Die Ausstellung, die in neun Museen entlang der Donau gezeigt wurde, erlaubte es Besuchern, als »Zeitreisende«  Fundstellen aus acht verschiedenen Epochen virtuell zu erkunden – ganz vorn mit dabei der Hohmichele an der Heune‐ burg. Um diese verlorenen Welten mit ihren herausragenden archäologischen Stätten über die Laufzeit der Ausstellung und das Projektende hinweg attraktiver und zu‐ gänglicher zu machen, arbeiten die Part‐

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ner nicht nur an einer weiteren gemeinsa‐ men kulturellen Route, die das bereits be‐ stehende Netzwerk europäischer Kultur‐ routen ergänzen wird, sondern haben auch eine App entwickelt, welche die archäolo‐ gischen Landschaften der Donau digital, al‐ so als »eLandscapes«, erfahrbar macht. Von den altsteinzeitlichen Eiszeithöhlen über die Heuneburg und das Ulmer Müns‐ ter bis hin zu prunkvollen eisenzeitlichen Grabhügeln in Österreich und einzigarti‐ gen frühmittelalterlichen Zeugnissen in Bulgarien lässt sich der Donauraum be‐ quem vom Wohnzimmer aus erkunden. 

Webtipps www.archaeologie-an-der-oberendonau.de www.denkmalpflege-bw.de / denkmale / projekte / archaeologische-denkmalpflege / heuneburg www.heuneburg-pyrene.de www.heuneburg.de www.interreg-danube.eu / approvedprojects / danube-s-archaeologicalelandscapes

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Report Ein Bischof als Wanderer zwischen den Welten

Otto von Bamberg missioniert Pommern Im kommenden Jahr jährt sich die erste Bekehrungsreise des Bischofs Otto von Bamberg nach Pommern zum

. Mal. Die Christianisierung der Slawen

beiderseits der unteren Oder leitete einen Epochenwandel ein, der bis heute nachwirkt. Lebensvolle Reisebeschreibungen des

. Jh. und neue archäo­

logische Forschungen in Polen und Deutschland ermöglichen spannende Einblicke in die Praxis mittelalterlicher Mission und die Kulturverhältnisse der spätslawischen Epoche.

Von Felix Biermann

B

ischof Otto von Bamberg (um – ), der auf zwei Reisen / und die Pomoranen beider‐ seits der unteren Oder missionierte, be‐ suchte ein gewissermaßen aus der Zeit ge‐ fallenes Land: Dessen polnische, dänische und deutsche Nachbarn waren damals

wohl war die Wirkung Ottos enorm – er predigte vor großem Volk, führte Massen‐ taufen durch, zerstörte Tempel, errichte‐ te Kirchen und gewann die Eliten mit wer‐ bender Rede für sich. Damit schuf er die Grundlagen des Christentums in Pom‐ mern.

Orte in Pommern und Nachbarregionen, die Otto bei seinen beiden Reisen besuchte. 1124 / 25 war er nur an und östlich der Oder, 1128 dann auf beiden Seiten des Flusses unterwegs.

schon lange Christen. Nur die Slawen im Südwesten der Ostsee vermochten ihren alten Glauben und ihre traditionelle Stam‐ mesorganisation noch hartnäckig zu ver‐ teidigen. Zwar hatten erste Herrschafts‐ träger die Zeichen der Zeit erkannt und das Christentum angenommen, und auch die paganen Priester waren infolge verlorener Kriege gegen die Christen nicht mehr all‐ zu selbstbewusst. Die heidnische Welt brö‐ ckelte an allen Ecken und Enden. Gleich‐ 44

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Die beiden Missionsreisen werden le‐ bendig in zeitnah verfassten Lebensbe‐ schreibungen Ottos geschildert, von Ebo und Herbord – Klosterbrüdern auf dem Bamberger Michelsberg – sowie von einem anonymen Mönch aus Prüfening bei Re‐ gensburg. Als religiöse Preisschriften sind sie kritisch zu lesen, liefern aber auf Er‐ lebnissen von Reiseteilnehmern beruhen‐ de Berichte, deren Zuverlässigkeit durch archäologische Forschungen in Polen und

Deutschland bestätigt wird. Gerade in jün‐ gerer Zeit gab es bedeutende Entdeckun‐ gen: So ermöglichen Ausgrabungen in Use‐ dom weitreichende Einsichten zum da‐ mals wichtigsten Hafen‐ und Herrschafts‐ zentrum der Slawen westlich der Oder, in Stettin (Szczecin) und Lebbin (Lubin) ge‐ lang sogar die Aufdeckung der Kirchen Ottos. Auf diese Weise ergeben sich span‐ nende Erkenntnisse zur Strategie und Pra‐ xis der mittelalterlichen Mission sowie ein‐ malige Einblicke in die Kultur einer spät‐ slawischen Stammeswelt im raschen Wan‐ del – bald sollten Glaubenswechsel und deutsche Ostsiedlung das Land für immer verändern. Wald, Sumpf und Meer Das Landschaftsbild der Lebensbeschrei‐ bungen entspricht dem, was auch archäo‐ logische Forschungen herausgearbeitet haben: Zwischen Siedlungskammern mit Ackerland erstreckten sich weite Wälder und Sümpfe, die Stammes‐ und Herr‐ schaftsgebiete trennten. Den Urwald nörd‐ lich der Warthe konnte Otto nur müh‐ sam durchqueren, orientiert an Schneisen, die das polnische Heer für seine Feldzüge gelegt hatte. Zwischen Havelberg und der Müritz passierte der bischö liche Reisezug fünf Tage lang unendlich erschei‐ nende, menschenleere Waldungen. In diesem sumpf‐ und gewässerreichen Land am Meer spielte die Schifffahrt eine erhebliche Rolle für jedwede Kommuni‐ kation. So gab die Reisegemeinschaft in Cammin (Kamień Pomorski) ihre Pfer‐ de in die Obhut ihres Gastgebers und Schutzherrn, des pommerschen Herzogs Wartislaw I. († vor ), und setzte die Fahrt auf Wasserwegen fort. Deren Wich‐ tigkeit belegen archäologische Funde von Einbäumen, Klinkerbooten und Schiffs‐ nieten. Sogar Bootsgräber kamen noch vor. Der Handel über See hatte dem Land trotz bewegter Zeitläufte Wohlstand be‐ schert. Insbesondere an den Küsten und an der Oder existierten große protourbane Siedlungen – unter anderem Kolberg (Kołobrzeg), Stettin, Usedom, Wolgast und Wollin (Wolin), das sagenhafte Vineta. Die‐ se »Burgstädte« waren die Zentren des Landes.

Bedroht durch »Grinsen und Knurren« Otto bereiste »tribal areas«, in denen nicht nur die Pomoranen, sondern auch andere Stämme lebten, vor allem die Lutizen. Sie alle hatten eigene Herren. Von der eher kleinteiligen Herrschaftsstruktur, in der der Pommernherzog nur ein besonders ein lussreicher Akteur war, künden bis heute zahllose Burgwälle. Die Stellung des Herzogs wurde nicht einfacher durch den

Umstand, dass er seine Macht mit den Priestern teilen musste, die die Orakel kon‐ trollierten und dadurch großen gesell‐ schaftlichen Ein luss hatten; kein Feldzug kam ohne göttlichen Segen zustande. Die Priester waren auch Ottos größte Oppo‐ nenten, denn sie waren die eigentlichen Verlierer des Geschehens. Herzog Wartislaw hielt seine Herr‐ schaft mithilfe einer kriegerischen Gefolg‐ schaft aufrecht, mit der er im Lande un‐

Gützkow in Vorpommern, von Westen. Das Zentrum der Burgstadt des 12. Jh. befand sich am bis heute erhaltenen Schlossberg (Wallanlage im linken Mittelgrund), Vorburgsiedlungen nahmen den Stadtberg ein. Die Nicolaikirche (rechts), so zeigen spätslawische Gräber, wurde von Otto bei seinem Besuch 1128 gegründet.

Nikolaikirche im Burgwall von Lebbin (Lubin) auf der Insel Wollin, gegründet von Otto. Rekonstruktion des lediglich gut 10 m langen Bauwerks nach den jüngsten Ausgrabungen von Marian Rębkowski.

terwegs war und die ihm zugleich als In‐ strument zur Durchsetzung seiner Inte‐ ressen und als Machtdemonstration dien‐ te. Beim Treffen mit Otto bei Pyritz (Pyrzice) hatte er, so berichten Herbord und der Prüfeninger Mönch, bis  Mann bei sich. Deren Loyalität er‐ kaufte der Herzog durch Verteilung von Beute und Geschenken. Es waren raue Ge‐ sellen: Während Otto und Wartislaw ver‐ handelten, machten sich die Krieger einen Spaß daraus, Ottos Begleiter einzuschüch‐ tern: »Scharfe Messer ziehend drohten sie, uns bei lebendigem Leibe zu schinden oder zu durchbohren und bis an den Scheitel in die Erde einzugraben und unsere Tonsu‐ ren mit den Messern zu zerstechen […], uns mit ihrem Grinsen und Knurren erschre‐ ckend« (Herbord). Später lachten alle ge‐ meinsam über die rohen Scherze. Gering war Wartislaws Ein luss in den mächtigen Burgstädten. In diesen Metro‐ polen herrschten elitäre Gremien, die ihre Entscheidungen in Volksversammlungen abstimmten. Der Stettiner Oligarch Do‐ muslaw stand einem vielhundertköp igen Clan vor. Sein Kollege Wirtschak war auf‐ grund seines Reichtums und seines Ruhms angesehen, den er bei Raubfahrten nach Dänemark gewonnen hatte. Hier wird ein AiD 2 | 2023

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Report Ein Bischof als Wanderer zwischen den Welten militärisch erworbenes, in Kriegergesell‐ schaften maßgebliches Charisma erkenn‐ bar. Die Grablegen der Herren jenes Zeital‐ ters kennen wir: Mit Waffen und anderen wertvollen Beigaben ausgestattete Hügel‐ und Kammergräber, die Zeugnis von mar‐ tialisch ausgerüsteten und ebenso einge‐ stellten Männern geben. Mit solchen be‐ kam es Otto zu tun, als er die christliche Lehre von Nächstenliebe und Barmher‐ zigkeit in Pommern predigte. Allgegenwärtiger Krieg Ottos Reisen fanden in angespannter At‐ mosphäre statt. Seine Predigten gipfelten bei tumultuarischen Volksversammlungen mehrfach in offener Gewalt. Die gegensei‐ tige Drohung von Kriegshandlungen zwi‐ schen den verschiedenen Mächten im Lan‐ de war allgegenwärtig, der Pommernher‐ zog bekriegte die Lutizen sowie andere be‐ nachbarte Stämme, und über allem dräuten erneute polnische Angriffe, auf de‐ ren Spuren der Missionar allerorten traf – verängstigte Einwohner und verwüstete Landstriche. Die mächtigen und expansi‐ ven Nachbarn im Südosten genossen bei den Pomoranen großen Respekt. In den ar‐ chäologischen Befunden sind die gewalt‐ tätigen Zeiten sehr präsent – Brand‐ schichten zerstörter Burgwälle, mensch‐ liche Skelettreste als Opfer von Kampf‐ handlungen, zahllose Waffen vom Grunde der Flüsse Pommerns. Die männlich dominierte Kriegerge‐ sellschaft der Ostseeslawen offenbart sich auch in den Reisebeschreibungen, bei‐ spielsweise in der wiederholt vorge‐ brachten Ermahnung Ottos an die Pomo‐ ranen, ihre neugeborenen Mädchen nicht zu töten – eine auch aus anderen Kulturen bekannte, grausame Gep logenheit, die mit der Bevorzugung männlichen Nachwuch‐ ses und den Kosten der Aussteuer zu tun hat. Die so erkennbare Diskriminierung der Frauen indet ihren Spiegel in der Po‐ lygamie oder Vielehe, die Otto ebenfalls verbot. So predigte er : »Wenn daher jemand unter euch ist, der vor der Taufe mehrere Frauen gehabt hat, der möge sich eine von ihnen, die ihm am meisten ge‐ fällt, auswählen und […] diese allein nach christlicher Sitte haben«. Herzog Wartis‐ law sah sich besonders angesprochen und entließ seiner  Ehefrauen. Allerdings erweist das Beispiel der Protagonistin ei‐ 46

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Spätslawisches Kammergrab vom Gräberfeld »Am Hain« in Usedom. Der Tote war mit Schwert, Buntmetallschale, Reitersporen und weiteren Beigaben in einem Grabhügel niedergelegt worden. Es ist gut möglich, dass dieses bedeutende Mitglied der örtlichen Elite dem Bischof bei seinem Besuch 1128 begegnete.

Holzverfärbungen eines Bootsgrabes von Usedom. Vom späten 10. bis 12. Jh. bestattete man Verstorbene in bootsförmigen, oft mit eisernen Nieten konstruierten Totenbehältnissen, und zwar auch auf dem Friedhof von Ottos Usedomer Kirche. Die Sitte belegt die Bedeutung der Schifffahrt im Leben der Ostseeslawen.

ner Wundergeschichte, die ihre Unterge‐ benen am Sonntag zu ernten hieß und dann tot zusammenbrach, dass auch Frau‐ en zur Elite gehörten und Macht ausübten. Das bestätigt das reich ausgestattete »Fürs‐ tinnengrab« von Denzin (Dębczyno) bei Belgard (Białogard) aus dem . Jh. – so scheint in historischer und archäologi‐ scher Überlieferung eine komplexe Wirk‐ lichkeit auf. Untergang der alten Götter Die Burgstädte beherbergten reich ver‐ zierte hölzerne Tempel mit Götterbildern. In Wollin verehrte man eine rostige Lan‐ zenspitze – mit dem Waffenkult einer krie‐ gerischen Epoche verband sich hier die Ehrfurcht vor dem mystischen Alter des

Stücks. Vor den Götter iguren in Gützkow standen verschiedene Gefäße, die die Gläu‐ bigen täglich mit Nahrung versahen, laut Ebos plausibler Vermutung aber heimlich von den Priestern geleert wurden. Ein sil‐ berbeschlagenes Bild des Gottes Triglaw sandte Otto als Siegeszeichen zum Papst nach Rom, wo sich seine Spuren verlie‐ ren. In Stettin hielt man ein »wunderbar großes und fettes Pferd«, »schwarz von Farbe und sehr mutig […] und von solcher Heiligkeit, dass es keinen Reiter duldete.« Einen Gott allerdings vermochte es zu tra‐ gen, denn es galt als Schlachtross des Tri‐ glaw. Vor Beutezügen ließ man das stolze Tier zum Orakel zwischen Lanzen schrei‐ ten. Tempel sind archäologisch in Pom‐ mern bisher zwar nicht sicher erfasst wor‐

den, wohl aber immer wieder Kultobjekte und Idole. Die Zerstörung heidnischer Heiligtü‐ mer inszenierte Otto als Spektakel. So kam es zu »Machtproben« zwischen dem christ‐ lichen Gott und den örtlichen Gottheiten, die – da die Reaktion der Letzteren auf das Verderben ihres Kultortes stets aus‐ blieb – die Anwesenden von der Überle‐ genheit der neuen Religion verlässlich überzeugten. Ebo berichtet aus Gützkow: »Und tatsächlich war es ein freudiges Schauspiel, wie die Standbilder […] mit ab‐ geschlagenen Händen und Füßen, ausge‐ stochenen Augen und verstümmelten Na‐ sen […] zum Verbrennen in einem Feuer geschleppt wurden«. Auch in Stettin sahen die Einwohner dem Zerstörungswerk der Christen zu und warteten, was ihre Götter tun würden. Als diese sich nicht rührten, wurden sie sogar selbst tätig und verteil‐ ten die Balken der Tempel unter sich als Brennholz. Otto errichtete mindestens  Kirchen – einfache Bauten aus Holz und Lehm – und bereitete als Krönung seiner Bemühungen ein Bistum vor. Die neuen Schäfchen be‐ lehrte er in mitreißenden Predigten, wo‐ bei er sich eigener slawischer Sprach‐ kenntnisse, aber auch der Dienste von Dol‐ metschern bediente. Massentaufen wa‐ ren die Folge. Auch widmete er sich besonders solchen Menschen, die als Mul‐ tiplikatoren geeignet schienen, etwa Kin‐

dern und Jugendlichen. So konnte er die beiden Söhne des oben genannten Do‐ muslaw für seine Sache gewinnen und tau‐ fen, die dann ihr ganzes Umfeld mitzogen. Vor allem aber wirkte die Persönlich‐ keit des Missionars bereits aufgrund eige‐ nen Charismas: Der weißhaarige Herr, ein‐ mal mutig unter feindlichen Heiden das Wort ergreifend, dann eindringlich predi‐ gend, hier wieder nassgeschwitzt vom Dauertaufen, nahm die Anwesenden für seine Sache ein. Er schritt prunkhaft ge‐ kleidet einher, reiste mit großem Gefolge und verteilte allerorten reiche Geschenke – unter anderem goldbetresste Gewänder, wie sie auch in Elitengräbern zuweilen ausgegraben werden. Otto hatte aus den Erfahrungen seines hären und barfuß auf‐ tretenden Vorgängers, des spanischen Mönchs und Missionsbischofs Bernhard, gelernt, der es schon einmal mit der Be‐ kehrung der Pomoranen versucht hatte. Diese hatten den Prediger aber für einen verwirrten Bettler gehalten und dessen christliche Büßergeste damit gründlich missverstanden. Otto ging das gefährliche Missionswerk furchtlos an, denn sein Glaube war stark und überdies war ihm der Missionstod kein Schrecken. Die ausbleibende Märty‐ rerschaft empfanden der Bamberger und sein Umfeld sogar eher als De izit. Als er etwa in Wollin mit einer Keule nie‐ dergeschlagen worden war, hofften seine

Nachrichten über goldverzierte Gewänder und Gürtel, die Otto einflussreichen Personen schenkte, könnten als literarische Übertreibung gelten, doch tatsächlich finden sich solche Dinge in Gräbern slawischer Herrschaftsträger: Reste eines goldbetressten Gewandes – neben einem Schwert mit silberplattiertem Gefäß – in einer spätslawischen Elitenbestattung von Wusterhausen / Dosse (Nordbrandenburg).

Begleiter bereits, er habe die ersehnte Mär‐ tyrerpalme erlangt, und dankten Gott; der Bischof erwachte jedoch wieder aus seiner Ohnmacht. Archäologisch wird der Glaubenswan‐ del besonders im Bestattungswesen deut‐ lich – Ortsgräberfelder laufen aus, Kirch‐ friedhöfe entstehen. Dass die Christiani‐ sierung aber ihre Zeit brauchte, belegt die lange währende Beigabensitte – beispiels‐ weise treffen wir auf dem Friedhof von Ottos Paulskirche in Usedom noch bis in das . Jh. Schmuck‐, Geräte‐ und Münzin‐ ventare an. So ergeben die Schriftzeugnis‐ se im Verbund mit archäologischen Fun‐ den ein facettenreiches Bild der Slawen‐ zeit in Pommern, auf die Bischof Otto ent‐ scheidend eingewirkt, nämlich ihr Ende mit eingeläutet hat. Das tat er ohne Ge‐ walt und Zwang, die in jener Zeit ansons‐ ten vielfach den Lauf der Geschichte be‐ stimmten, und deshalb wird ihm bis heu‐ te in Polen und Deutschland mit Respekt gedacht. 

Tipp zum Weiterlesen F. Biermann, F. Ruchhö (Hrsg.), Bischof Otto von Bamberg in Pommern. Historische und archäologische Forschungen zu Mission und Kulturverhältnissen des 12. Jahrhunderts. Studien zur Archäologie Europas 30 (Bonn 2017), hier besonders S. 97–148 (dort auch Nachweis der Zitate und Übersetzungen).

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Report Vom verrosteten Eisen zum Ausstellungsobjekt

Lamellenpanzer aus Wesel-Bislich rekonstruiert Die schiere Menge, aber auch der häu ig sehr schlechte Erhaltungszustand von Metallfunden aus frühmittelalterlichen Gräberfeldern stellen Boden­ denkmalp lege und Museen vor große Herausforderungen bei Konservie­ rung, Lagerung und Restaurierung. Das Depot des LVR­LandesMuseums Bonn birgt seit über

 Jahren Hunderte von korrodierten Eisenfragmen­

ten eines Lamellenpanzers, der nun für die Präsentation in der Dauer­ ausstellung neu bearbeitet und rekonstruiert wurde.

Von Elke Nieveler

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or mehr als  Jahren, am . August , untersuchte die Grabungs‐ mannschaft um Rudolf Stampfuß im Auftrag des damaligen Rheinischen Lan‐ desmuseums Bonn das erste Grab eines ur‐ sprünglich sicher mehr als  Bestattun‐ gen zählenden merowingerzeitlichen Grä‐ berfeldes bei Bislich im Kreis Wesel. Der Fundplatz liegt inmitten einer zu beiden Rheinseiten dicht belegten frühmittelal‐ terlichen Fundlandschaft, unmittelbar am rechten Rheinufer gegenüber von Xanten. Etwa  km südöstlich treffen die Lippe und eine Trasse des Hellwegs auf den Rhein – seit vorgeschichtlicher Zeit eine der wich‐ tigsten Verbindungen Richtung Westfa‐ len und Mitteldeutschland. Aufgrund der Lage und Struktur reiht sich Bislich in ei‐ ne Gruppe von Gräberfeldern ein, die durch reich ausgestattete Bestattungen militärischer Anführer und ihrer Gefolg‐ schaften gekennzeichnet sind, und die sich von Rheinberg‐Orsoy und Krefeld‐Gellep über den Rhein entlang der Lippe nach Osten in den westfälischen Raum er‐ streckt.

Um die Rekonstruktion anfertigen zu können, war der Blick auf detaillierte Darstellungen ähnlicher Lamellenpanzer aus der zweiten Hälfte des 6. Jh. erforderlich. So fanden sich beispielsweise auf einer Schale aus dem italienischen Hortfund von Isola Rizza Hinweise auf die Konstruktion der Brustpartie.

Eiserne Lamellenfragmente im Zustand, wie sie gefunden wurden.

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Funktional und repräsentativ Neben einem schweren goldenen Siegel‐ ring mit Namensinschrift »BODI« sind es vor allem zahlreiche korrodierte und mit Rheinkies bedeckte Eisenfragmente, die die Besonderheit im noch erhaltenen Fundgut des umfassend gestörten Kammergra‐ bes  darstellen und in Teilen bereits von dem am Rheinischen Landesmuseum Bonn zuständigen Wissenschaftler Walter

Janssen vorgelegt wurden. Die Ausgräber dokumentierten über dieser Frag‐ mente, die in der gesamten Grabgrube und darüber hinaus verstreut waren, ohne die‐ se jedoch einzeln zu verorten. Eine Kon‐ zentration von teilweise zusammenhän‐ genden Lamellen fand sich in der Nord‐ ostecke auf Höhe des Kammerbodens, ver‐ mutlich also zu Füßen des Toten. Die eisernen Lamellen waren, sich ge‐ genseitig überlappend, mithilfe von Le‐ derbändern untereinander verbunden und bedeckten Oberkörper und Oberschen‐ kel. Sie stellten eine äußerst effektive, in‐ dividuell an den Körper anpassbare, lexi‐ ble Schutzwaffe dar. Das Konstruktions‐ prinzip selbst wurde bereits von den As‐ syrern im . bis . Jh. v. Chr. im Vorderen Orient angewendet und indet sich mit re‐ gionalen Unterschieden und zeitlichen Un‐ terbrechungen, in verschiedensten For‐ men und Größen sowie aus wechselnden Materialien in Asien teilweise bis ins . Jh. Im Fundgut des Frankenreichs sind diese Panzer eine eher kurzlebige Erscheinung des späten . und der ersten Hälfte des

. Jh. Ob diese Panzer über das Byzantini‐ sche Reich oder die aus Zentralasien stam‐ menden reiternomadischen Awaren nach Italien und Westeuropa zu Langobarden und Franken gelangten, ist Gegenstand der wissenschaftlichen Diskussion. Eine Erklärung für den Fund ist mögli‐ cherweise die verstärkte Interaktion, die im späten . Jh. in Norditalien aufgrund mi‐ litärischer Auseinandersetzungen, aber

Die Lamellentypen. Wenige Stücke stammen vom leicht S-förmig gebogenen Typ 3. Neufunde aus Osteuropa und asiatische Vergleiche belegen, dass der Typ 3 die unterste Reihe den Brustpanzer mit dem Beinschutz verband.

auch diplomatischer Kontakte zwischen Franken, Langobarden und Byzantinern erfolgte. In der Folge könnte der Bislicher Panzer entweder als Beute, Geschenk oder militärische Ausrüstung in den Besitz des BODI gelangt sein. Was uns die Lamellen verraten Die meisten Lamellen aus Bislich wurden unmittelbar nach der Ausgrabung grob ge; reinigt und geröntgt. Ansonsten bleiben sie unangetastet, sodass sie nun für eine Neu; bearbeitung genutzt und einige in der Res; taurierungswerkstatt des LVR;LandesMu; seums Bonn durch Strahlen vorsichtig von der Korrosion befreit werden konnten. Zu; sammen mit der Erstellung neuer Rönt; genaufnahmen konnten so vier unter; schiedliche Lamellentypen dokumentiert werden, die sich durch ihre Maße und die Anordnung der Löcher zum Durchziehen der Lederverbindungen unterscheiden. Die Art der Lederverbindung des Bisli; cher Panzers ließ sich aus den korrodier; ten Lederresten und den Durchlochungen erschließen, ebenso wie durch Vergleiche mit anderen Funden das Vorhandensein eines Brust; und Beinschutzes sowie ih; rer möglichen Verbindung rekonstruiert werden konnte. Anhaltspunkte zur ge; nauen Anzahl der Lamellen und der La; mellenreihen sowie zu ihrem Verschluss und der Konstruktion des Schulter; und Armschutzes waren nicht mehr zu gewin; nen. In Südwestdeutschland ist eine Grup; pe von Gräbern mit Panzern und Panzer; teilen belegt, deren Besitzer ebenfalls ausnahmslos als Reiter mit gehobenem Lebensstandard ausgewiesen sind. Die La; mellen eines Exemplars aus Niederstot; zingen (bei Ulm) stehen dabei in Größe, Form und Schnürung den Bislicher Frag; menten am nächsten. Gebogene Lamellen sind am Niederstotzinger Fund ebenfalls noch erkennbar. Bei dessen zeichnerischer

Rekonstruktion wurden sie jedoch nicht berücksichtigt. Aufgrund der weit fortgeschrittenen Korrosion der eisernen Lamellen aus Bis; lich konnten keine metallograischen Ana; lysen vorgenommen werden. Gefügeana; lysen und eine Bewertung der Härteeigen; schaften liegen seit 2002 durch die Unter; suchungen von Klaus Becker und Holger Riesch an der Fachhochschule Bingen an; hand von originalem Material aus Gien; gen an der Brenz, Kirchheim am Ries, Schretzheim und Krefeld;Gellep vor. Sie wiesen nach, dass die Lamellen aus Eisen mit niedrigem Kohlenstoffgehalt herge; stellt wurden, das durch Schmieden im Temperaturbereich zwischen 600 und 900°C gehärtet wurde. In der Schmiede von Alexander Zim; mermann wurde von ihm und seiner Frau Monika nach diesen Anhaltspunkten von 2020 bis 2022 in aufwendiger Kleinarbeit eine Rekonstruktion des Bislicher Lamel; lenpanzers angefertigt, vom Schmieden der einzelnen Lamellen und deren Härtung bis hin zum Verbinden mit den Leder; streifen. Sie wurde aus »Reineisen« mit sehr niedrigem Kohlenstoffgehalt von we; niger als 0,01Prozent gefertigt, das heißt einem sehr weichen Eisen. Ein natürlicher Korrosionsschutz wurde durch Ablöschen der erhitzten Lamellen in Öl (Bläuen) er; reicht. Die Rekonstruktion wird erstmals ab dem 23.März 2023 in der Sonderaus; stellung des LVR;LandesMuseums Bonn »Das Leben des Bodi. Eine Forschungsrei; se ins frühe Mittelalter« zusammen mit hochkarätigen Vergleichsfunden aus ganz Europa und erläutert durch ein interakti; ves Forschungslabor zu sehen sein.

Video zum Thema Auf dem YouTube-Kanal des LandesMuseums Bonn gibt es einen Film zur Rekonstruktion des Panzers.

Der rekonstruierte Panzer. Detail: Blick auf die Innenseite.

Aktuelles aus der Landesarchäologie

sich gemeinsam mit sechs weiteren zum Abbau vorbereiteten Hornsteinknollen auf einer kleinen quadratischen Fläche von nur 35 cm Seitenlänge fanden. Sowohl die gezielte Herstellung von Klingen als auch die recht zahlreichen jungsteinzeitlichen Siedlungsstrukturen und Keramikfunde in der näheren und weiteren Umgebung datieren den Befund in das Mittelneolithikum. Die Fundstelle untermauert damit für das Neckartal erneut das Bild einer bedeutenden prähistorischen Altsiedellandscha in Südwestdeutschland. | M. Dürr, M. Heise, G. Stegmaier

Baden-Württemberg Landesamt für Denkmalpflege im Regierungspräsidium Stuttgart Berliner Straße 12 73728 Esslingen Tel. 0711 90445-228, Fax 0711 90445-444 AiD-Korrespondent: Dr. Thomas Link [email protected]

Schalenstein und Kerndepot Die Wiederverwendung neolithischer bzw. bronzezeitlicher Steinbildwerke in früheisenzeitlichen Kontexten stellt eine auffällige Besonderheit des Neckartals zwischen Rottenburg und Tübingen dar. So finden sich immer wieder anthropomorphe Stelen im Bereich hallstattzeitlicher Gräberfelder und Bestattungen. Gemeinsam mit einem rund 4,5 m hohen Menhir mit Stabdolch- und Näpfchenverzierungen aus Tübingen-Weilheim lassen diese sekundär verwendeten Steinskulpturen des 3. und 2. Jt. v. Chr. eine enge Verbindung in den norditalienischen Alpenraum erkennen.

Frühkeltische Befestigungsanlage Althayingen

Zahl an Spinnwirteln sowie eine kleine, hallstattzeitliche Spule aus Ton. Wesentlich älter, aber keineswegs unbedeutender, ist ein jungsteinzeitliches Depot von Jurahornsteinknollen und -kernen, das inmitten weiterer früheisenzeitlicher und neolithischer Befunde zutage kam. Deponierungen dieser Art sind in Baden-Württemberg bislang sehr selten. Insgesamt können 15 Stücke eindeutig als Klingenkerne angesprochen werden, die

Zu diesem Ensemble außergewöhnlicher Fundzusammenhänge kommt nun ein weiterer Fundplatz aus Tübingen-Bühl hinzu, der 2021 und 2022 untersucht werden konnte. Er erbrachte einen weiteren näpfchenverzierten Sandsteinblock, der in einer früheisenzeitlichen Grube deponiert worden war. Darüber hinaus fanden sich Fragmente einer verzierten Keramikschale, die Einflüsse aus der Kalenderbergkultur des Osthallstattkreises erkennen lässt. Ergänzt wird das Spektrum besonderer Artefakte durch eine größere 50

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Tübingen Bühl. Oben: Klingenkerne aus Hornstein, Depot der mittleren Jungsteinzeit. Mitte: Früheisenzeitliche Grube im Profil mit horizontalen Schichten, darin ein näpfchenverzierter Sandsteinblock von etwa 80 × 65 × 19 cm.

Hayingen. Luftbild der frühkeltischen Befestigungsanlage.

Wenig südlich von Indelhausen nahe Hayingen im Landkreis Reutlingen liegt auf einem nach Osten zur Großen Lauter vorspringenden Sporn die ausgedehnte Höhensiedlung Althayingen. Die Anlage ist in einen mehrfach befestigten, ca. 3 ha großen Vorbereich und eine Kernanlage mit Randwall in Form eines 4,3 ha großen unregelmäßigen Fünfecks mit zwei im Osten vorgelagerten Wall-Graben-Anlagen gegliedert. Die im Jahr 2021 im Süden der Anlage begonnenen und unter Beteiligung von Freiwilligen der Gesellscha für Archäologie in Württemberg und Hohenzollern e.V. durchgeführten Ausgrabungen erbrachten neben dem Nachweis von eindeutigen späthallstattzeitlichen Siedlungsaktivitäten auf dem Plateau auch ei-

ne Trockenmauer mit Kalksteinverfüllung im heutigen Randwall. 2022 sollten die Fundamente der Mauerinnenfront erreicht und einer Kulturschicht gefolgt werden, die reich an späthallstattzeitlichem Fundmaterial (Ha D1) ist. Die Ausgrabungen zeigten, dass sich diese Schicht unterhalb der Mauer fortsetzt und somit einen terminus post quem für die Errichtung der Umfassungsmauer darstellt. Das Fehlen von jüngerem Fundmaterial im Grabungsschnitt spricht für eine zeitgleiche Errichtung zur Blütezeit der etwa 23 km entfernten Heuneburg in der ersten Häle des 6. Jh. v. Chr. Ein zweiter Schnitt wurde im Bereich einer Anomalie eröffnet, die bei geophysikalischen Messungen Anfang 2022 im Norden der Anlage entdeckt worden war. Sie deutet auf eine 20 m lange und 15 m breite Steinstruktur hin, bei der es sich um

ein Tor in der Verlängerung der Randmauer handeln könnte. Die Ausgrabung ergab eine Versturzschicht aus vom Feuer geröteten Kalksteinblöcken und verkohlten Holzteilen sowie die Basis einer möglichen Frontmauer. Aussagekräiges Fundmaterial fehlt. 14C-Datierungen einiger Holzkohleproben unter der Mauerschale lassen jedoch keinen Zweifel an der eisenzeitlichen Entstehung der Anlage. Sie liegen bei 2510 und 2420 vor heute (711 – 541 / 566 – 402 calBC), fallen also ins Hallstattplateau. Damit liefert die Befestigungsanlage Althayingen neue Erkenntnisse zum Umfeld der Heuneburg. Eine weitere Grabungskampagne ist für 2023 geplant. | Q. Sueur, K. Puster, L. Hansen, D. Krausse

Bayern Bayerisches Landesamt für Denkmalpflege Abt. Bodendenkmalpflege Hofgraben 4 80539 München Tel. 089 2114-358, Fax 089 2114-401 AiD-Korrespondentin: Dr. Doris Ebner [email protected]

Jüdischer Grabstein aus dem Mittelalter Im Norden der historischen Altstadt von Rothenburg ob der Tauber fanden archäologische Untersuchungen statt, die der bauvorgreifenden Dokumentation einer Befestigung im Vorfeld der Stadt galten. Im Zuge der Bauarbeiten kam dann unerwartet ein Grabstein mit hebräischer Inschri zum Vorschein. Der Fund lag in einem Kanal aus den 1960er-Jahren, demnach düre er sekundär verlagert worden sein. Die Inschri wirkt wie frisch gemeißelt und kann wie folgt übersetzt werden: »Und Jakob richtete ein Monument auf dem Grab seiner Tochter, Frau Channah,

welche verschied am Tag 5, dem 13. im Monat des Jahres 22 nach der (kleinen) Zählung. Es sei ihre Seele eingebunden (in den Bund des Lebens).« Das hieraus ermittelte Datum nach Gregorianischem Kalender fällt auf den 5. Januar 1262. Damit stellt der Grabstein das älteste materielle Zeugnis jüdischer Kultur in Rothenburg dar. In einer Würzburger Urkunde wird bereits 1180 ein Rothenburger Jude namens Samuel Biscoph erwähnt. Mitte des 13. Jh. – und damit zu Lebzeiten der in der Grabinschri genannten Personen – lehrte der berühmte Talmudgelehrte Rabbi Meir ben Baruch in Rothenburg. Die Synagoge der damaligen jüdischen Gemeinde wird auf dem heutigen Kapellenplatz verortet. 1406 wurde eine neue Synagoge in der Nähe des jüdischen Friedhofs, nahe dem heutigen Schrannenplatz, errichtet. Ob der Grabstein ursprünglich dort oder am Kapellenplatz stand, bleibt ungewiss. Ebenso ist es ein Rätsel, wie das Objekt in eine moderne Kanalbauverfül-

Hayingen. In den Profilen des Wallschnitts zeichnet sich unter den Mauerresten eine schwarze Kulturschicht ab.

Rothenburg ob der Tauber. Mittelalterlicher Grabstein mit hebräischer Inschrift, Höhe etwa 70 cm. AiD 2 | 2023

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Aktuelles aus der Landesarchäologie

lung gelangte. Weitere Funde wie modernes Abbruchmaterial, spätmittelalterliche Keramikfragmente sowie Bruch- und Werksteine mit Mörtelanhaungen könnten dafür sprechen, dass der Grabstein vermutlich nach Vertreibung der Juden aus Rothenburg im Jahr 1520 erst in sekundärer Verwendung in einem frühneuzeitlichen Gebäude verbaut wurde und dann, nach Abbruch des Gebäudes (im 20. Jh.), als Teil des Auffüllmaterials an seinen Auffindungsort kam. | D. Ebrecht, Ch. Lobinger

erhalten und erscheint deshalb so deutlich im Messbild. Inzwischen wurde er leider durch die Landwirtscha komplett eingeebnet. Aufgrund seiner Vielzahl an Kreisgräben und des enormen Durchmessers von insgesamt 46 m handelt es sich um ein seltenes Exemplar dieser Befundgattung in Bayerisch-Schwaben. Unklar blieb zunächst die Funktion der oben erwähnten doppelten Grubenreihe. Erst mit Erscheinen des Hees AiD 4 / 2022, in dem als Schwerpunktthema die Feuergruben in Norddeutschland behan-

Rätsel um Grubenreihen gelöst!

delt wurden, ließ sich das Rätsel lösen. Denn dort sind ähnliche Grubenkomplexe (auch in geophysikalischen Messbildern) beschrieben, die ebenfalls in Zusammenhang mit hallstattzeitlichen Grabritualen stehen. Um eine solche Fundstelle scheint es sich auch hier zu handeln. Bisher sind solche sogenannten Feuergruben zumeist in Norddeutschland verbreitet. Aus Bayern sind nur einzelne Befunde beispielsweise aus Burgbernheim oder Blindheim bekannt, wobei dort kein Zusammenhang mit Grabanlagen erkennbar ist. Insofern stellt die Entdeckung solcher Feuergruben inklusive Gräberfeld auch in Bayern eine wesentliche Bereicherung für die archäologische Forschung dar. | R. Linck

Bereits vor neun Jahren wurde nahe Alerheim im Landkreis Donau-Ries mithilfe geomagnetischer Messungen eine Doppelreihe von 50 schnurförmig angeordneten Gruben in Zusammenhang mit einem hallstattzeitlichen Grabhügel detektiert. Die Gruben verliefen von Nordwesten nach Südosten. Der Grabhügel selbst hat einen Durchmesser von 20 m und ist von drei konzentrischen Kreisgräben von 1,6 bis 2,0 m Breite umgeben, die aus einzelnen Gruben aufgebaut sind. Seine Datierung in die Hallstattzeit (800–450 v. Chr.) stützt sich auf einen im Jahr 2012 ausgegrabenen Hügel auf demselben Gräberfeld. Zum Zeitpunkt der Prospektion war der Grabhügel noch etwa 50 cm hoch 52

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Berlin Landesdenkmalamt »Altes Stadthaus« Klosterstraße 47 10179 Berlin Tel. 030 90259-3684, Fax 030 90273-700 AiD-Korrespondent: Jens Henker [email protected]

Alerheim. Das Magnetogramm zeigt einen hallstattzeitlichen Grabhügel und zwei Reihen parallel verlaufender Feuergruben.

So viel Schinkel wie möglich Am Schinkelplatz in Berlins Mitte fand eine Ausgrabung im Südwesten der ehemaligen Bauakademie statt, die zwischen 1832 und 1836 nach Entwürfen von Karl Friedrich Schinkel (1781 – 1841) errichtet wurde. Die Akademie war technisch für die damalige Zeit revolutionär sowie wegweisend für modernes Bauen. In den 1950er Jahren begann der Wiederaufbau des durch den Krieg beschädigten Gebäudes, doch musste es zugunsten des DDR-Außenministeriums 1962 abgerissen werden. Teile des originalen Dekors wurden eingelagert, ein Großteil ging jedoch verloren. Mit Gründung der Bundesstiung Bauakademie und dem Beschluss des Deutschen Bundestages von 2016 rückt der Wiederaufbau am historischen Ort näher und damit die Frage nach dem Umgang mit den Spuren im Boden. Die Ausgrabung ergab Fundamente und Reste des Kellergeschosses sowie wertvolle Funde, darunter Teile der Holzspundwände und Bankette aus Kalk- und Ziegelsteinbruch im Grundwasserbereich, die mit Fundamentpfeilern aus vermörtelten Kalk- und Ziegelsteinen verbunden waren, um Feuchtigkeit fernzuhalten. Die rasterförmig angeordneten Pfeiler gliederten den Bereich in sechs Räume. In einem befand sich eine Treppe mit gemauerten Entlastungsbögen. Von den nichttragenden Mauern zwischen den Stützpfeilern konnten einige als Beleg für die innovative Skelettbauweise Schinkels erfasst werden. Ein Kanal in Form einer Ziegelrinne mit Gefälle an der Westseite der Bauakademie leitete das Regenwasser in die Spree ab. Etwa 800 Objekte wurden geborgen, mit älteren Funden liegen etwa 1300 Bauteile vor. Dazu kommen etwa 300 Terrakottareliefs in den Museen und Depots, darunter Schmuckteile der Fassaden und Fenster, Formziegel, Hermenköpfe von antiken Gottheiten wie Athena, Poseidon

Brandenburg Brandenburgisches Landesamt für Denkmalpflege und Archäologisches Landesmuseum Wünsdorfer Platz 4–5 15806 Zossen Tel. 033702 211-1651, Fax 033702 211-1402 www.BLDAM-brandenburg.de AiD-Korrespondentin: Petra Woidt [email protected]

Grünes Leuchten

und Amphitrite sowie Terrakottareliefs mit figürlichen und floralen Motiven. Von der Innenausstattung zeugen Säulentrommeln aus Sandstein und Treppenstufen, teils noch mit verzierten eisernen Geländern. | T. Dressler

Ziegelwaren, die keine Ziegel waren Bei Grabungen an Berlins ältestem Platz, dem Molkenmarkt, fanden sich Objekte, die zur Gattung der sogenannten Zieglerdeckel gehören. Bisher wurden auf einer Teilfläche 14 Deckel geborgen, die nicht in einer Töpferwerkstatt, sondern in einer Ziegelei hergestellt wurden, in dieser Anzahl eine Seltenheit. Obwohl sie aus verschiedenen Befunden stammen, zeigt sich eine auffällige Konzentration in zwei schmalen Hausparzellen. Da die Funde verlagert sind, bleibt die Datierung bislang noch unklar. Typisch für diese Fundgattung ist ihre Vielfalt. Keiner der Deckel vom Molkenmarkt ist vollständig, die messbaren Durchmesser reichen von 8 bis 18 cm, wobei der überwiegende Teil bei 12 bis 14 cm liegt. Alle besitzen eine geglättete, flache Unterseite und, sofern erkennbar, einen nach unten hin eingezogenen Rand (Randphase). Die zur Mitte erhaltenen Deckel haben verschieden gestaltete Knäufe, vom runden Stielgriff über den sorgfältig geschnittenen rechteckigen Knauf – darunter einer mit kronenartigem Abschluss – bis zum runden Scheibengriff mit Loch. Acht Deckel sind auf ihrer Oberseite ver-

ziert, mal mit schrägen und geraden, mal mit strahlenförmigen Ritzlinien zum Knauf hin oder mit Einstichkerben auf der gesamten Oberfläche. In einem Fall wurden die Linien und Kerben kombiniert zu einem Stern. Ein unverzierter Deckel mit Lochscheibengriff ist besonders sorgfältig geglättet worden. Rußspuren zeigen alle Deckel, meist ringförmig außen an der Unterseite, teils auch auf der Oberseite und am Knauf. Eindeutige Verwendungszwecke sind bisher unklar. Verrußte Bruchstellen lassen auf lange und vielseitige

Berlin-Mitte. Fundamentpfeiler, Bankette und Entlastungsbögen der Schinkelschen Bauakademie, Blick Richtung Norden.

Nutzung schließen. Große Varianz, unterschiedliche Rußspuren, Größen, Dicken und Ausprägungen der Randphasen und Knäufe deuten auf mehrere mögliche Funktionen hin. Eine Möglichkeit wäre die Verwendung als Deckel für metallene Kochgefäße und solche zur Aufbewahrung von Glut. Die Häufung der Funde auf den zwei Grundstücken könnte auf ein Gewerbe hinweisen. | W. Lepke

Berlin-Mitte. Zerbrochene Zieglerdeckel von der Grabung Molkenmarkt.

Als die Kartoffelroder noch mit einem Verlesetisch ausgestattet waren, fanden die Erntehelfer beim Sortieren öer archäologische Stücke. Heute, in Zeiten selbstfahrender Vollerntemaschinen, grenzen solche Funde bei der Kartoffelernte an ein Wunder. Ein solches geschah, als Sebastian Lossin, ein ehrenamtlicher Bodendenkmalpfleger, bei Berge im Landkreis Prignitz seinen Blick über einen Steinhaufen von der Kartoffelsortierung wandern ließ. Zwischen den Steinen schimmerte ein durchsichtig grüner Gegenstand auf, der sich als linsenförmiges, durchlochtes Glasobjekt mit spiralig aufgelegtem, weißem Glasfaden erwies: eine sogenannte Wirtelperle. Solche Perlen wurden in der ersten Häle des 6. Jh. in Glashütten zwischen Maas und Rhein hergestellt. Befunde aus Frauengräbern legen nahe, dass sie an einem Gürtelgehänge befestigt waren und als Schutzamulett dienten. Die Modeerscheinung breitete sich offenbar rasch ostwärts aus – Berge ist einer der östlichsten Fundorte. Bisher gibt es östlich der Elbe nur ein einziges vergleichbares Stück – dies lediglich rund 25 km von Berge entfernt, bei Groß Pankow, auch in der Prignitz. Neben der

Berge. Wirtelperle, ein seltenes Stück im Osten. Durchmesser knapp 4 cm. AiD 2 | 2023

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Aktuelles aus der Landesarchäologie

Wirtelperle kam dort das Fragment einer Bügelfibel aus der ersten Häle bis Mitte des 6. Jh. zutage. Hinzu trat unlängst bei Legde, ebenfalls Landkreis Prignitz, ein Bügelfibel-Fragment vom Typ MontaleWeimar aus der zweiten Häle des 6. Jh. Wenngleich erst in sehr kleiner Zahl, so zeigen diese Funde doch, dass die Prignitz – wie nachweislich die unmittelbar angrenzenden Regionen – bis in die zweite Häle 6. Jh. hinein in einen überregionalen Austausch eingebunden war, der die Interessensgebiete der Merowinger- und Langobardenreiche mit dem Baltikum und Skandinavien verband. | J. Brather

Am Ufer versenkt? Auf einer vergleichsweise kleinen Fläche bei Templin im Landkreis Uckermark registrierte ein ehrenamtlicher Bodendenkmalpfleger mittels Metallsonde nicht weniger als 19 Signale. Die Ausgrabung am bisher unbekannten Fundplatz erbrachte elf Bronzeartefakte. Deren Lage am Über-

Templin. Spätbronzezeitliches Hängebecken in Fundlage. Was sich damit anfangen ließ, ist bisher ungeklärt.

gang eines flachen Geländesporns in die ehemals feuchte Niederung und die dichte Streuung lassen einen spätbronzezeitlichen Hort vermuten. Zutage traten neun bronzene, teils fragmentierte Armringe sowie ein reich verziertes, bronzenes Hängebecken. Wozu solche Hängebecken dienten, ist bis heute nicht eindeutig geklärt. Neben einer Funktion als Schmuckdose wird diskutiert, ob sie Bestandteile von prunkvollen Gürteln gewesen sein könnten. Deponierungen, die Hängebecken und Armringe enthielten, legten die Menschen vor allem im 9. bis 8. Jh. v. Chr. nieder, und zwar im westlichen und südlichen Ostseeraum bis nach Nordbrandenburg sowie in Schweden und im Gebiet zwischen Weser und Elbe. An der Art, wie die Bronzen in Templin im unteren Teil des heutigen Oberbodens verstreut lagen, lässt sich ablesen, dass die Niederlegung gestört war. Wann genau dies geschah, bleibt vorerst offen. Hierzu sowie zur Genese des Niederungsbereichs lassen Bodenproben Aufschlüsse erwarten. Vereinzelte Keramikscherben weisen ferner auf die Existenz einer nahegelegenen, mit dem Hort sehr wahrscheinlich zeitgleichen Siedlung hin. | J. Greif, L. Goldmann, D. Meyer

Bremen Freie Hansestadt Bremen Landesarchäologie An der Weide 50a 28195 Bremen Tel. 0421 361-3267, Fax 0421 361-3168 AiD-Korrespondent: Dr. Dieter Bischop dieter.bischop@landesarchaeologie. bremen.de

Friedhof unter Friedhof

Bremen. Fundfrisch vom Acker: Stützarmfibel des Typs Mahndorf. Länge 3,6 cm.

Mitte 2022 wurde ein Feld in der Nähe mehrerer bekannter Fundstellen nahe dem Friedhof in Bremen-Rekum durch die ehrenamtlichen Mitarbeiter der Landesarchäologie Frank und Karl Ullrich unter Einsatz einer Metallsonde begangen. Dabei konnte eine Vielzahl Scherben spätmittelalterlicher und frühneuzeitlicher Keramik aufgelesen werden. Hinzu kommen einige teils stark durch Pflügen und

Düngung angegriffene Metallobjekte, darunter eine frühmittelalterliche Scheibenfibel mit dreireihigem Perlkranz und zerstörtem Mittelbild, ein Grapenfuß, zahlreiche Bleiplomben, Schnallen sowie diverse Münzen des 18. bis 20. Jh. Aus dem Fundspektrum stechen zwei Bronzefibeln heraus. Das erste Stück ist aufgrund des gerippten Bügels und der rhombischen Fußplatte klar als Bügelfibel mit gelappter, rechteckiger oder halbrunder Kopfplatte zu identifizieren. Fibeln 54

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dieses Typs scheinen sich in der zweiten Häle des 5. bis ersten Häle des 6. Jh. n. Chr. im thüringischen Einflussgebiet herausgebildet zu haben, kommen aber auch im Bremer Raum vor. Allein 14 Stück fanden sich in Bestattungen des Gräberfeldes »Fuchsberg« von Bremen-Mahndorf.

Hamburg Archäologisches Museum Hamburg/ Helms-Museum Abteilung Bodendenkmalpflege Museumsplatz 2 21073 Hamburg Tel. 040 42871-3690, Fax 040 42871-2684 AiD-Korrespondentin: Dr. Elke Först

Bremen. Bruchstück einer Fibel, zeichnerisch ergänzt zu einer völkerwanderungszeitlichen Bügelfibel mit gelappter Kopfplatte. Länge 5 cm.

Hamburg-Altona. Kloake unter den Bestattungen auf dem Kirchhof.

Krieg oder Pandemie im Herzen von Altona? Über die umfangreichen Untersuchungen im Schatten der Kirche St. Trinitatis in Altona, die an der ehemaligen Kibbelstraße gut erhaltene Keller freilegten, wurde bereits berichtet (AiD 6 / 2022, S. 55). Funde zeugen vom alltäglichen Leben, darunter auch wertigere Besitztümer, die wegen Bombenangriffen in den Kellern deponiert worden waren. Eine 1669 geprägte Silbermünze belegt das hohe Alter der Keller zurück bis zur Gründung der Kirche im Jahre 1650. Aktuell wird das Friedhofsareal zwischen der Kirche und den Kellern abschließend untersucht. Hier konnten bereits zahlreiche Skelette auf mehreren Ebenen dokumentiert werden. Dabei fand sich am Nordportal der Kirche ein Bereich, in dem offenbar unter großem Zeitdruck mehrere Dutzend Bestattungen unter die Erde gebracht worden waren: offenkundig

ein Massengrab – das sich vorerst keinem historischen Ereignis zuordnen lässt. Alle Individuen werden noch vor Ort anthropologisch untersucht und anschließend zwecks Wiederbestattung zu einem modernen Friedhof verbracht. So besteht die Hoffnung, aufgrund pathologischer Merkmale Krankheiten zu erkennen und dann mithilfe der Geschlechts- und Alterszusammensetzung Aufschluss über den Hintergrund des ursächlichen Ereignisses – Krieg oder Pandemie – zu erhalten. Schließlich tauchten völlig unerwartet unter den Friedhofsschichten mehrere Kloaken auf, die schon aufgrund ihrer Lage und der Stratigrafie älter als der Kirchhof sein müssen. Sie enthielten umfangreiches keramisches Fundmaterial, das eine gute zeitliche Einordnung der Kloaken erlaubt und sie in die zweite Häle des 17. Jh. datiert. Es umfasst graue Irdenware in Form von Jütetöpfen aus Dänemark, Deler Fayenceteller, Duinger und Westerwälder Steinzeug sowie bemaltes rotirdenes Geschirr lokaler Provenienz. Aufgrund dieser Befunde in den ehemaligen Hinterhöfen der kirchenseitigen Häuser an der Kibbelstraße ist deutlich geworden, dass in der ersten Phase der Kirche zumindest an ihrer Nordseite noch kein Bestattungsareal existiert haben kann. | J. Bock

Beim zweiten Stück handelt es sich um eine Stützarmfibel des Typs Mahndorf, die etwas früher in das 4./ 5. Jh. n. Chr. datiert. Bei beiden ist die Nadel nicht mehr erhalten. Die Fibeln düren aus einem völkerwanderungszeitlichen Gräberfeld hochgepflügt worden sein, denn bereits 1969 wurde auf dem benachbarten Friedhof beim Ausheben eines Grabes eine verzierte Keramikscherbe dieser Zeit in 1 m Tiefe »inmitten von Brandstellen« gefunden. Zudem hat man ganz in der Nähe bereits 1968 etwas Leichenbrand und eine kleine weiße Perle geborgen, die aber nicht genauer datiert werden können. So liegt die Vermutung nahe, dass sich hier schon in der Völkerwanderungszeit ein Gräberfeld befand, das nun zum Teil unter dem jetzigem Friedhof liegt. | D. Bischop, K. Ullrich AiD 2 | 2023

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Aktuelles aus der Landesarchäologie

Hessen hessenArchäologie Schloss Biebrich/Ostflügel 65203 Wiesbaden Tel. 0611 6906-131, Fax 0611 6906-137 AiD-Korrespondentin: Dr. Beate Leinthaler [email protected]

Tausend Pfosten auf zwei Hektar Im Rahmen einer durch die Stadt Erlensee im Main-Kinzig-Kreis beauragten Grabungskampagne stießen Archäologen der Fachfirma SPAU GmbH in der Flur »Auf der Beune« auf eine Siedlung der vorrömischen Eisenzeit. Passend zum Keltenjahr in Hessen konnten die seit April 2021 andauernden Untersuchungen Ende Oktober 2022 abgeschlossen werden. Die Fundstelle liegt etwa 20 km Lulinie von der keltischen Höhensiedlung am Glauberg entfernt in einer Niederung mit leichter Hanglage. Auf einer Fläche von knapp 2 ha wurden hier mehr als 1100 Gruben und Pfostensetzungen dokumentiert. Speziell die große Anzahl an Pfostengruben stellt eine Herausforderung für die Interpretation dieser ländlichen Siedlung dar. Die zahlreichen Einzelbefunde ergeben ein Siedlungsbild, das sich aus typischen Pfosten- und Lagerbauten, Grubenhäusern, Lehmentnahmestellen und

Gruben zusammensetzt. Eine Gruppe von Kegelstumpfgruben, in den Boden eingetiee eisenzeitliche Vorratsgruben, befindet sich außerhalb des Siedlungsareals hangaufwärts. Die bis jetzt datierbaren Keramikfunde umfassen eine Zeitspanne von der späten Bronzezeit bis in die Latènezeit und legen eine Siedlungskontinuität von etwa 500 Jahren nahe. Die vorgefundene Befunddichte und viel mehr noch der mögliche Nachweis der Bestandsdauer einer eisenzeitlichen Siedlung von mehreren Hundert Jahren stellen eine Besonderheit für die hessische Siedlungsarchäologie dar. Wie die fast 1000 dokumentierten Pfostengruben sich über die bisher erkannten Hausgrundrisse hinaus zu Wohn-, Wirtschas- und Speicherbauten, Gattern und Einfriedungen zusammenfügen, wird derzeit noch ausgewertet. Weiterführende Erkenntnisse sind im Laufe des Jahres zu erwarten. | Anke S. Weber

Auch 2022 stand ein Baufenster für eine Ausgrabung an, das im hinteren Parzellenbereich der römischen Bebauung lag. Die geringe Dichte vor allem von Baubefunden in diesem Bereich überraschte daher nicht. Ein außergewöhnlicher Fund aus einer Abfallgrube weicht vom typischen Spektrum aus römischem Siedlungskontext deutlich ab. Es handelt sich um den Mittelhandknochen (Metacarpus) eines Equiden (Pferd, Esel oder Kreuzung aus beiden), der nach dem Tod des Tieres zu einem Griff umgearbeitet wurde. Der Handwerker arbeitete ein Loch in die obere

Bleischwerer Knochen In den letzten 40 Jahren musste die Außenstelle Darmstadt der hessenArchäologie im Bereich des römischen Vicus von Groß-Gerau im Vorfeld geplanter Baumaßnahmen große Flächen untersuchen.

Groß-Gerau. Römischer Knochengriff mit eingegossenem Blei. Länge ca. 25 cm.

Erlensee. Sohle eines nahezu quadratisch in den Boden eingetieften Grubenhauses, Breite 2,15 m, Länge 2,3 m.

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Gelenkfläche, um das Knochenmark herauszulösen und den Dorn eines Eisenwerkzeugs hineinzuschlagen. Da der Knochen bei der Auffindung gebrochen war, konnte man diese Besonderheit gut erkennen. Im Knochenmarkkanal fand sich ein ca. 5,5 cm langer Bleipfropfen. An dessen unterem Ende war offenbar beim Guss des Bleis noch Knochenmark vorhanden, sodass das flüssige Blei nicht weiter in das Knocheninnere fließen konnte. Am oberen Ende hingegen ließen sich Rostspuren des Dorns beobachten. Aufgrund dessen Durchmessers darf von einem größeren eisernen Gerät ausgegangen werden wie zum Beispiel einem Haumesser. Vor diesem Hintergrund stellt sich die Frage nach der Funktion des Bleis im Knochen. Zwar erscheint eine Arretierung des Werkzeugdorns durch das im Griff eingegossene Blei denkbar. Bisher sind solche Befunde allerdings äußerst selten. Daher liegt die Vermutung nahe, dass der Handwerker ein gut ausbalanciertes Werkzeug herstellen wollte, bei dem das Übergewicht des vorderen Werkzeugteils nicht zur falschen Nutzung führte – Beleg für einen spezialisierten Werkzeugmacher, dessen Produkt in Groß-Gerau geschätzt wurde. | Th. Becker

MecklenburgVorpommern Landesamt für Kultur und Denkmalpflege Mecklenburg-Vorpommern Landesarchäologie Domhof 4/5 19055 Schwerin Tel. 0385 58879-643, Fax 0385 58879-344 AiD-Korrespondent: Dr. Detlef Jantzen [email protected]

Almandine und Goldfolie Das in Zierow, Landkreis Nordwestmecklenburg, gefundene Fragment einer silbernen, vergoldeten Bügelfibel repräsentiert ein sehr qualitätvoll gearbeitetes Schmuckstück aus der ersten Häle und Mitte des 6. Jh. n. Chr. Den Abschluss der mit Kerbschnitt und Almandineinlagen verzierten Kopfplatte bildet eine nielloverzierte Randleiste; zum Bügel hin übernimmt ein Kerbdraht diese Aufgabe. Zwei Details verdienen besondere Beachtung: zum einen getreppte Stege zwischen den gefassten Almandinen, zum anderen eine dahinter liegende, mit einem groben »Waffelmuster« versehene Goldfolie, mit der die optische Wirkung der Steineinlage bei Lichteinfall noch verstärkt wurde. Unter dem Mikroskop wird die sorgfältige Herstellung des Waffelmusters deutlich: Der Abstand zwischen den Linien beträgt 0,376 mm, die Größe der damit gebildeten Rhomben beläu sich auf 1,1 bis 1,25 mm. Die sieben ehemals in die kastenförmige Kopfplatte eingezapen Zierknöpfe sind leider verloren gegangen. Wenngleich durch das Fehlen des Fibelfußes keine genauere typologische Zuordnung möglich ist, düre das Zierower Exemplar vermutlich eher aus dem östlichen Reihengräberkreis, vielleicht dem thüringisch-mitteldeutschen Bereich, stammen. Dafür spricht die Almandineinlage mit der »gegitterten« Goldfolie, die sich auf zahlreichen mit dem langobardischen Kunsthandwerk in Verbindung gesetzten Schmuckstücken finden lässt. Die Fundsituation liefert leider keine Hinweise auf die Umstände, unter denen das Stück an die Ostseeküste gelangte, ob als Schmuck mit seiner Trägerin, sicher einer zu den »besseren Kreisen« der Merowingerzeit gehörenden Dame, oder als

Fragment zur Weiterverarbeitung des Edelmetalls und der Halbedelsteine. Im Verein mit den zahlreichen völkerwanderungs- bzw. merowingerzeitlichen Fundstücken, die derzeit aus Mecklenburg-Vorpommern bekannt werden, ist es jedoch ein aufschlussreiches Zeugnis für die überregionalen Kontakte der von Franken, Thüringern, Alemannen und Langobarden getragenen »Reihengräberzivilisation« mit den östlich der Elbe, Oder und Weichsel lebenden Bevölkerungen. | H.-U. Voß

Zierow. Fragment einer silbernen, vergoldeten Bügelfibel, Maße der Kopfplatte: 3,86 × 2,26 cm, Höhe 1,08 cm, Breite des Bügels am Ansatz 2,43 cm.

Niedersachsen Niedersächsisches Landesamt für Denkmalpflege Scharnhorststraße 1 30175 Hannover Tel. 0511 925-5203 oder 925-5349, Fax 0511 925-5296 AiD-Korrespondentin: Dr. Marion Heumüller [email protected]

Gerberei unter dem Gasthof In der Dorfmitte von Steinhorst im Norden des Landkreises Gifhorn wird auf dem Areal eines ehemaligen Gasthofs ein neuer Supermarkt errichtet. Das Gelände liegt am Marktplatz des Dorfes an der Kreuzung wichtiger Verkehrswege unmittelbar an einer alten Furt über den kleinen Fluss Lachte. Zwischen 2020 und 2022 wurde es durch die Grabungsfirmen Arcontor und ArchaeoFirm sowie mit Freiwilligen der Archäologischen Arbeitsgemeinscha Gifhorn untersucht. Dabei hat man Funde und Befunde einer mittelalterlichen Gerberei freigelegt.

Steinhorst. Schlägel aus Wurzelholz mit dem Rest eines Schaftes.

Zierow. Almandineinlagen auf der Kopfplatte und die darunterliegende geprägte Goldfolie.

In dem dauerfeuchten Milieu des Geländes wurden fünf eckige Holzkästen aus horizontalen Eichenbohlen mit Seitenlängen zwischen 0,9 und 2,1 m aufgedeckt. Hinzu kommt eine ovale Konstruktion von 1,1 × 1,4 m aus senkrecht in den Boden geschlagenen Hölzern. Aus den Befunden wurden neben Keramik, Holzstückchen und Eicheln auch Lederreste und Tierknochen geborgen. Intensiver Fäulnisgeruch deutet darauf hin, dass es sich um die Lohkästen einer Loh- oder Rotgerberei handelt. Bei diesem Verfahren wurden die Tierhäute mit der Gerberlohe in Wasser eingelegt. Als Gerbmittel dienten pflanzliche Bestandteile – gemahlene Rinde von Eiche und Fichte, aber auch Eicheln, Blätter oder Wurzeln. Da die Lohgerberei in AiD 2 | 2023

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Aktuelles aus der Landesarchäologie

mehreren Arbeitsgängen abläu, war eine größere Anzahl von Lohkästen erforderlich. In einem der Kästen fand sich ein aus Wurzelholz gefertigter Schlägel, in dessen Durchbohrung der Rest eines abgebrochenen Griffs steckte. Das Werkzeug könnte zum Zerkleinern der Lohe oder zum Walken des Leders genutzt worden sein. Dendrodatierungen an Bauhölzern aus Eiche lieferten Schlagdaten von ungefähr 984 bis 1336. Offenbar war die Gerberwerkstatt in Steinhorst über längere Zeit in Betrieb. Zudem lassen Funde von Schmiedeschlacken annehmen, dass auf dem Areal auch Eisen verarbeitet wurde. | I. Eichfeld, A. Kis

Steinhorst. Rechteckiger Lohkasten in der Profilwand der Baugrube – der Überrest einer Gerberei.

blieb ein Teil der Bauhölzer über 5000 Jahre erhalten. Knapp 40 000 Fundobjekte, Geräte aus Feuer- und Felsgestein, mehrere Tausend Keramikscherben, Hunderte Knochen-, Geweihartefakte und sogar Holzwerkzeuge und Schmuckstücke aus Bernstein zeugen vom täglichen Leben der Bewohner. Der Platz wurde am Ende des 4. Jt. und im 3. Jt. v. Chr. von Gruppen der Trichterbecherkultur, der Einzelgrabkultur und der Glockenbecherkultur offenbar wiederholt besiedelt. Im Rahmen einer Kooperation zwischen dem Sonderforschungsbereich 1266 der Universität Kiel und dem Niedersächsischen Landesamt für Denkmalpflege wurde das Areal im August und September 2022 erneut untersucht. Geophysikalische Untersuchungen zeigten Anomalien innerhalb und außerhalb des bekannten Siedlungsgeländes. Bei den Grabungen entpuppten sich diese Anomalien als hölzerne Pfähle. Damit ließen sich ungestörte Siedlungsschichten mit Pfählen, liegenden Bauhölzern und Funden lokalisieren, die sich weit über das bekannte Siedlungsareal hinaus in südwestliche und nordöstliche Richtung fortsetzen. Offenbar wurden bei den früheren Ausgrabungen keineswegs alle Baustrukturen entdeckt. Dass der mehrfach aufgesuchte Siedlungsplatz deutlich größer und komplexer war als bislang bekannt, zei-

Hunte. Pfahl der neu entdeckten Palisade mit Bearbeitungsspuren an der Spitze.

Jungsteinzeitliche Moorsiedlung Hunte 1 – viel größer als gedacht Ein in ganz Norddeutschland einmaliger und in archäologischen Fachkreisen berühmter Fundplatz ist die jungsteinzeitliche Moorsiedlung Hunte 1, die nördlich des Dümmer Sees im Niedermoor liegt. Zwischen 1938 und 1940 wurde hier unter Leitung des Archäologen Hans Reinerth eine 120 × 75 m große Siedlung ausgegraben. Damals legte man 24 Häuser frei, die von einer Palisade umgeben waren. Dank der besonderen Erhaltungsbedingungen im ständig wassergesättigten Niedermoor 58

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Hunte. Fluchtstangen zu beiden Seiten des Hunte-Kanals markieren eine bei älteren Grabungen freigelegte Palisade. Nahe der Straße, außerhalb der Palisade, wurden im Sommer 2022 weitere Siedlungsspuren entdeckt.

Hunte. Ein Teil der vor 5000 Jahren errichteten und vor 80 Jahren erstmals freigelegten, hölzernen Palisade konnte wieder entdeckt werden. Die Hölzer lassen sich im Plan der älteren Grabungen lokalisieren.

gen auch neue Oberflächenfunde. Datierung, Analyse und Auswertung der Vermessungs- und Ausgrabungsdaten in Verbindung mit den Ergebnissen der Altgrabungen sind der nächste Schritt. | M. Heumüller, J. P. Brozio, T. Wunderlich

Nordrhein-Westfalen LVR-Amt für Bodendenkmalpflege im Rheinland Endenicher Straße 133 53115 Bonn Tel. 0228 9834-173, Fax 0228 9834-119 AiD-Korrespondentin: Dr. Michaela Aufleger [email protected] LWL-Archäologie für Westfalen An den Speichern 7 48157 Münster Tel. 0251 591-3504, Fax 0251 591-8805 AiD-Korrespondentin: Bianca Kühlborn M. A. [email protected] Köln: Römisch-Germanisches Museum/ Archäologische Bodendenkmalpflege Cäcilienstraße 46 50667 Köln Tel. 0221 221-24585, Fax 0221 221-24030 AiD-Korrespondent: Gregor Wagner M. A. [email protected]

Waffenschmiede im Vicus Bei Grabungen in der nördlichen Zivilsiedlung des römischen Kastells Gelduba in Krefeld wurden metallverarbeitende Werkstätten nachgewiesen. Eine lag im Vorderbereich eines Streifenhauses und bestand aus einem Schmelzofen, einer Arbeitsgrube sowie Lager- und Abfallgruben. Das Fundmaterial umfasst neben Eisen- und Bronzeschrott auch eine Gelenkzange, Gusstiegel, Schweifhämmer aus Eisen, einen Treibhammer aus Bronze, einen Polierachat sowie mehrere Halbfabrikate. Die Werkstatt wird in die Zeit von 70 / 71 n. Chr. bis Anfang des 2. Jh. datiert. Im 2. Jh. verlagerte sich das Metallhandwerk an den nördlichen Siedlungsrand, was Funde aus zwei Abfallgruben bezeugen. In beiden Werkstätten stellten Handwerker Rüstungen und Waffen her. Innerhalb der älteren Schmiede wurde die Spitze einer

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Spätes Jungpaläolithikum (Magdalénien): 1 Kernstein, 2–4 Klingen. Spätpaläolithikum: 5 Federmesser, 6–7 Stichel, 8 Klinge.

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umgearbeiteten Schwertklinge gefunden sowie das Fragment eines Halbfabrikats eines Reiterhelms mit Lockenfrisur vom Typ Weiler. Aus einer Grube der jüngeren Werkstatt stammt das Halbfabrikat einer Schwertklinge. Mit der zunehmenden Gefahr durch Germaneneinfälle zu Beginn des 3. Jh. verlagert sich das Metallhandwerk in das sichere Kastell. | E. Sponville

Paläolithische Lagerplätze in Köln

Schwalenberg, Ortsteil Schieder. Jüngster Fund des Reihengräberfelds: Kreuzfibel des 8. / frühen 9. Jh., 2,8 cm.

Krefeld-Gellep. Gusstiegel und eiserne Gelenkzange aus einer römischen metallverarbeitenden Werkstatt.

Im Frühjahr 2022 konnten bei Ausgrabungen im Zuge des Neubaus der Ortsumgehung Köln-Meschenich im nördlichsten Trassenabschnitt auf der Kante der Mittelterrasse zur Niederterrasse auf einer Fläche von knapp 5000 m2 zehn paläolithische Fundkonzentrationen freigelegt werden. Mindestens zwei der bis zu einige Hundert Steinartefakte umfassenden Aktivitätszonen sind dem späten Jungpaläolithikum – dem Magdalénien – zuzuweisen. In beiden Zonen wurden vor allem regelmäßige Klingen produziert. Auf weitere Tätigkeiten verweisen kantenretuschierte und mit Gebrauchsspuren versehene Klingen, Stichel und Kratzer. Eine schmale Rückenspitze legt ein spätes Magdalénien nahe. Somit konnte im Rheinland nach über 50 Jahren erstmals wieder eine ungestörte magdalénienzeitliche Fundstelle untersucht werden.

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Sieben Fundkonzentrationen, die durch die Nutzung von Orsbach-Feuerstein und Chalzedon geprägt sind, lassen sich ausweislich einiger Spitzen mit gebogenem Rücken den spätpaläolithischen Federmesser-Gruppen zuordnen. Interessanterweise liegen einige der nach der Zusammensetzung des Rohmaterials zeitgleichen Fundzonen bis zu 100 m voneinander entfernt. Der Platz verdeutlicht, dass federmesserzeitliche Lager sehr viel ausgedehnter sein konnten als lange Zeit angenommen. | M. Heinen

In Reihe gelegen Anlässlich der Erschließung des Wohngebietes »Seeblick« in Schieder-Schwalenberg fanden 2022 Ausgrabungen auf einem Areal von 2100 m2 statt. Neben eisenzeitlichen Gruben und Pfosten galt das Augenmerk einem erstmalig im Kreis Lippe nachweisbaren frühmittelalterlichen Reihengräberfeld. Insgesamt konnten bis zu 70 Gräber aus der ersten Häle des 7 Jh. bis ins frühe 9. Jh. nachgewiesen werden. 50 Bestattungen waren ostwestlich orientiert, zehn nordsüdlich, bei fünf ist aufgrund der geringen Größe von Kinderbestattungen auszugehen. Dazu kommen AiD 2 | 2023

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Aktuelles aus der Landesarchäologie

Goldenes Zierstück vom Acker

mindestens fünf Pferdebestattungen. Aufgrund der sauren Bodenverhältnisse hatten sich die Knochen aufgelöst, lediglich Flitter waren nachweisbar. Beigaben hingegen waren erhalten und konnten teils im Block geborgen werden. Dazu zählen bronzene Armreifen, Millefiori- und Glasüberfangperlen, eiserne Messer und Saxe / Spathae. Den bisher frühesten Fund bildet ein Sax aus einem nordsüdlich ausgerichteten Kammergrab, der ins frühe 7. Jh. datiert. Der jüngste Fund ist eine bronzene Kreuzfibel aus einem ostwestlich ausgerichteten Frauengrab des 8./ frühen 9. Jh. | E. Treude, Ph. Robinson

Schwalenberg, Ortsteil Schieder. Ostwestlich ausgerichtetes Grab mit Schwertbeigabe.

Brilon. Planum und Profil eines Verhüttungsofens mit quadratischem Innenraum (A), dessen Basis (B) in den Boden eingegraben war, sowie der davor liegenden Arbeits- oder Abstichgrube (C).

Auf einem mehrperiodigen Fundplatz in Salzkotten, Kreis Paderborn, entdeckte der lizenzierte Sondengänger Viktor Langolf eine goldene Riemenzier. Auf den Blättern der neunblättrigen Rosette sitzt jeweils eine kleine neunblättrige Rosette und zwischen diesen je ein Goldkügelchen. In diesem äußeren Rosetten-PerlKranz liegen drei konzentrisch gestaffelte goldene Perldrähte um eine zentrale rötlichschwarze Glaseinlage in runder Stegfassung. Das Stück könnte von einem Pferdezaum stammen. Ähnliche Motive tauchen an Objekten der Spätantike und Völkerwanderungszeit auf. Der Neufund zeigt stilistische Ähnlichkeiten zu Goldschmuck mit dunkelroten Glaseinlagen, Perldrahtverzierung und Granulation aus der mitteldeutschen Haßleben-LeunaGruppe der Zeit um 300 n. Chr. War in Salzkotten eine Elite ansässig, die über die Kontakte und die wirtschaliche Kra verfügte, solche Stücke aus Mitteldeutschland zu beziehen, oder gehörte das Objekt einem nach Salzkotten zugewanderten oder lediglich durchziehenden Menschen?

Salzkotten. Goldene Rosette, mutmaßlich vom Zaumzeug. Der breite, flache Steg auf der Rückseite belegt, dass das Stück auf einen Riemen oder ein Band gezogen werden konnte.

Festzuhalten ist jedenfalls, dass die inzwischen im Hellwegraum bei Salzkotten lokalisierten Höfe des 3. / 4. Jh. generell durch qualitätvolle Funde auffallen. | J. Hallenkamp-Lumpe

Montanarchäologisches Ausrufezeichen! Seit 2022 wird das Areal »Kirchloh« nahe Brilon im Hochsauerlandkreis durch die EggensteinExca GmbH ausgegraben. Die Großgrabung im Vorfeld einer Steinbrucherweiterung legte auf bisher 1 ha Fläche ein einzigartiges montanarchäologisches Ensemble frei: zahlreiche oberflächennahe Bergbaustrukturen, Verhüttungsstandorte mit Halden sowie teilweise erhaltene Öfen, zudem ein Grubenhaus. Sich überschneidende Befunde und teils meterhohe Halden lassen intensive Produktionsphasen erkennen. Zahlreiche Scherben zeigen den Beginn der Montanphase im Frühmittelalter auf, der Vortrieb im Gestein wurde teilweise mit Feuersetzen realisiert und die Vielzahl der Befunde liefert die vollständige Produktionskette vom Ausgangserz bis zur Verhüttung. Die bisher gesichteten Schlacken lassen eher auf Buntmetallurgie schließen wie Blei oder Galmei (Zink). 2023 werden die Arbeiten fortgesetzt; es sind auch archäometallurgische Analysen geplant. | M. Zur-Schaepers, M. Zeiler 60

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Rheinland-Pfalz Generaldirektion Kulturelles Erbe Rheinland-Pfalz Direktion Landesarchäologie Festung Ehrenbreitstein 56077 Koblenz Tel. 0261 6675-3005, Fax 0261 6675-3010 AiD-Korrespondent: Dr. Cliff Alexander Jost [email protected]

Mittelalterlicher Münzschatz im Westerwald Im Stadtwald von Montabaur im Westerwaldkreis konnte Oliver Schulze-Witteborg 51 Silbermünzen sichern. Gefunden wurde der Schatz nahe am früher als »Butterpfad« bezeichneten Handelsweg, der von Koblenz über Neuhäusel nach Montabaur auf die Höhen des Westerwaldes führte. Der Schatz besteht aus Silberdenaren des Kölner Erzbischofs Philipp von Heinsberg (1167 – 1191), und zwar ausschließlich des fünen und letzten Typs seiner umfangreichen Prägung. Ihre Chronologie wird durch stilistische Merkmale und mögliche Anlässe für Münzverrufungen (Ungültigkeitserklärungen) bestimmt. Die Vorderseite des fünen Prägetyps zeigt den sitzenden Erzbischof mit frontal dargestellter Mitra, die Rückseite einen breiten Mittelturm mit drei Arkaden und schräg nach hinten verlaufenden Gebäudemauern. Dazu gibt es eine seltenere Variante (Typ Va), die hier mit einem Exemplar vertreten ist. Sie zeigt den Bischof ohne Mitra und auf der Rückseite im Tor eine Kugel. Der Schatz veranschaulicht die Wirkung der Verrufungen eigener und des Ausschlusses fremder Münzsorten. Heinrich VI. hatte Philipp 1190 zugesichert, im Gebiet des Erzbischofs außer in Duisburg und Dortmund keine Münzstätten zu betreiben. Ausschließlich aus dem fünen Münztyp bestehende Schätze liegen auch aus Kalt auf dem Maifeld (290 Exemplare), Virneburg in der Vulkaneifel (76 Exemplare) und Kirchdaun im Kreis Ahrweiler (11 Exemplare) vor. Da der Typ V nicht im bekannten Barbarossa-Schatz enthalten war, spricht zunächst vieles dafür, dass er erst in der Zeit zwischen dem Abmarsch des Kreuzfahrerheeres am 11. Mai 1189 und dem Tod Philipps im Sommer 1191 geprägt wurde. Der Widerspruch zu dem häufigen Vorkommen dieses Typs und der kurzen

Montabaur. Schatz von 51 Silberdenaren des Kölner Erzbischofs Philipps von Heinsberg (1167 – 1191).

Zeitspanne von knapp zwei Jahren könnte dadurch aufgelöst werden, dass die Münzen auch postum entstanden sein mögen. Tatsächlich sind von Philipps Nachfolger Bruno III. (1191–1193) keine Prägungen bekannt, die nächste wird erst auf 1194 datiert. Mithin düre unser Schatz innerhalb dieses Zeitraum (1189–1195) verborgen worden sein. | R. Fischer zu Cramburg, C. A. Jost

Ein Tor zur Welt

Montabaur. Detailaufnahmen mit Vorder- und Rückseiten des Prägetyps V.

Im Rahmen eines von der Deutschen Forschungsgemeinscha geförderten Projektes der GDKE Landesarchäologie in Speyer und des Würzburger Lehrstuhls für Vor- und Frühgeschichtliche Archäologie werden seit 2021 Ausgrabungen und Prospektionen in der spätbronzezeitlichen Höhensiedlung auf dem Hohenberg bei Landau in der Pfalz durchgeführt.

Befunde an der Nordostspitze des Ringwalls lassen auf eine mehrphasige Toranlage aus der jüngeren bis späten Urnenfelderzeit schließen. In Planum 12 tritt eine 2,6 m breite, mit Buntsandsteinplatten gepflasterte Torgasse zutage. Ein der Hangneigung folgendes Pflaster ließ sich auf 4,3 m Länge dokumentieren, bevor es unter das Westprofil des Grabungsschnittes zog. Die sich teils mehrfach überlagernden Platten deuten auf wiederholte Ausbesserungen. Darunter befand sich eine 0,6 m mächtige Rollierung aus kleineren Sandsteinen und Sand. Sie wurde direkt auf den anstehenden Buntsandstein aufgeschüttet und bildete eine stabile Substruktion für die darüber liegende Ringmauer mit Toranlage. Die in dieser Phase zu erwartenden steinernen Torwangen wurden jedoch im Zuge einer späteren Verbreiterung des Tores vollständig zurückgebaut. Die nächstjüngere Phase ist durch nördliche und südliche Erweiterungen des Plattenhorizontes gekennzeichnet. Gestört wird dieser Horizont durch mächtige Pfostengruben von etwa 0,7 m Durchmesser, die auf ein massives hölzernes Tor schließen lassen, das etwa 1 m versetzt zur älteren Torgasse stand. Die Randbefestigung der Höhensiedlung kann an dieser Stelle in mindestens fünf Mauerphasen untergliedert werden. In einer weiteren Kampagne soll die Ringmauer mit dem Torbereich an dieser Stelle vollständig erschlossen werden. | M. Bentz, F. Falkenstein, U. Himmelmann, N. Ostermeier

Hohenberg bei Landau. Pflaster in der Torgasse der älteren Anlage mit Pfosteneinbauten eines hölzernen Gebäudes der jüngeren Bauphase. AiD 2 | 2023

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Aktuelles aus der Landesarchäologie

Sachsen Landesamt für Archäologie Sachsen Zur Wetterwarte 7 01109 Dresden Tel. 0351 8926-820, Fax 0351 8926-999 www.archaeologie.sachsen.de AiD-Korrespondentin: Dr. Martina Wegner [email protected]

Opfergrube oder Grab? Seit 30 Jahren entsteht in Leipzig-Rückmarsdorf nach und nach eine Eigenheimsiedlung. Das Gebiet war schon im Frühneolithikum beliebt; davon zeugt eine große Siedlungskammer der Kultur der Linienbandkeramik, die seit 2017 sukzessive ausgegraben wird. Ein Befund beinhaltete dagegen ein umfangreiches Inventar der Gaterslebener Gruppe (ca. 4500–4000 v. Chr.). Ob die kleine, schmale sowie äußerst asymmetrische Grube ein Grab darstellt, ist an sich schon fraglich. Theoretisch hätte man in dem bislang singulären Gaterslebener Befund ein kleineres Individuum »kompakt« bestatten können. Aber es gibt auf dem Fundplatz keine Knochenerhaltung, und deshalb bleibt die Zuweisung als Grab offen. Der dreigliedrige Becher mit drei jeweils dreiteiligen Knubben auf dem Umbruch befand sich zusammen mit einem kleinen trapezförmigen Flachbeil im Norden des Befundes. Im Süden lagen zwölf Klingen sowie zwei Abschläge auf kleinstem Raum. Viele der Klingen waren aus demselben Rohstück gefertigt; nur zwei besaßen Endretuschen. Beil und Klingen wiesen außerdem Gebrauchsspuren auf. Weiterhin befanden sich in der Grubenverfüllung noch eine große Randscherbe sowie eine kleine bearbeitete Sandsteinplatte. Wenige Gaterslebener Gräber umfassen ein so reichhaltiges Repertoire. Umso erstaunlicher mutet deshalb die Deponierung in einer eher unscheinbaren Grube an, die vielleicht gar kein Grab, sondern Bestandteil eines Opferrituals war. | G. Schmalfuß, B. Fischer

Eine Ziegelei im Tagebau Im Tagebaugebiet von Nochten südlich von Weißwasser wurde eine frühneuzeitliche Ziegelei entdeckt. Besonders interessant ist ein runder Ofen mit einem 62

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Leipzig. Becher, Beil und Klingen der Gaterslebener Gruppe. Die längste Klinge misst 6,7 cm.

Durchmesser von 8,7 m. Der Brennraum hatte kreuzständig angeordnete Belüftungskanäle. Vor diesen Belüungskanälen befanden sich trapezförmige Räume, deren Funktion noch nicht eindeutig geklärt ist. Aufgrund von vorliegenden Konstruktionsplänen wird bei den kommenden Untersuchungen ein früher Ringbrandofen am Standort erwartet. Den Ton für die Ziegel gewann man unmittelbar vor Ort. Davon zeugt eine große Grube, die später als Seerosenteich genutzt wurde. Nach den schrilichen Quellen verpachtete die Standesherrscha Muskau als Eigentümerin die Mühlroser Ziegelei seit 1750 über einen Zeitraum von rund 100 Jahren. Die Bewohner der Dörfer in der Tagebaugebiet Nochten. Unterbau des Mühlroser Ziegelofens der Standesherrschaft Muskau.

Umgebung waren verpflichtet, ihre Ziegel ebendort zu kaufen. Auch das östlich der Ziegelei gelegene, 1972 abgebrochene Jagdschloss der Standesherrscha, dessen Besitzer ebenfalls Graf Hermann von Pückler-Muskau war, bezog vermutlich das Baumaterial von dort. Im Jahre 1846 hat man die Produktionsstätte abgebrochen und die Baumaterialien versteigert. In alten Kartenwerken ist das Grundstück des Ziegelmeisters verzeichnet. Eine Brunnenanlage, die ihm zugeordnet werden kann, wird zurzeit freigelegt. Mit dem Voranschreiten des Tagebaus wird in den kommenden Jahren das gesamte Areal der Ziegelei untersucht werden. | P. Schöneburg, Th. Linsener

Sachsen-Anhalt Landesamt für Denkmalpflege und Archäologie Sachsen-Anhalt – Landesmuseum für Vorgeschichte Richard-Wagner-Straße 9 06114 Halle (Saale) Tel. 0345 5247-30, Fax 0345 5247-351 www.lda-lsa.de AiD-Korrespondentin: Manuela Schwarz M.A. [email protected]

Aschersleben. Der 3,3 g schwere Goldgulden mit einem Durchmesser von 20 mm ist in hervorragendem Zustand und zeigt kaum Abnutzungsspuren.

Jungsteinzeitliche Befestigung am Lindendamm Im Vorfeld einer östlich der Stadt Nienburg an der Saale im Salzlandkreis gelegenen Straßenbaumaßnahme wurde ein Doppelgrabenwerk ausschnittha erfasst – und durch begleitende Drohnen-Lubildaufnahmen ergänzt. Bewuchsmerkmale auf den angrenzenden Ackerflächen ermöglichen es, einen Durchmesser von mehr als 350 m zu rekonstruieren. Die nur wenig unspezifisches Fundmaterial führenden, 2 m breiten Gräben waren noch bis zu 2,2 m tief erhalten. Sie werden von einer Vielzahl von kreisrunden metallzeitlichen Gruben – vor allem aus der frühen Bronzezeit – überlagert. Der typologische Datierungsansatz des Erdwerks in die ältere Trichterbecherkultur findet eine Bestätigung über vereinzelte Keramikfunde aus dem Innenbereich. Das Grabenwerk entstand während der mittelneolithischen Baalberger Kultur (3950–3375 v. Chr.) und reiht sich somit in

Königliches Gold aus Ungarn

Nienburg a. d. Saale. Die Befunde des Erdwerks und zahlreicher Gruben sind sowohl auf der Grabungsfläche als auch im angrenzenden Acker gut erkennbar.

die reichlich 40 allein in Sachsen-Anhalt bekannten Erdwerke mittelneolithischer Zeitstellung ein. Ihre Errichtung erfolgte nach derzeitigem Kenntnisstand als Reaktion auf einen Verdrängungsprozess, der durch die Einwanderung aus dem Norden stammender Siedler ausgelöst worden war. Das untersuchte Erdwerk liegt am sogenannten Lindendamm, unmittelbar oberhalb des alten Saalelaufes. Verteidigungsmomente sind bislang unbekannt. Die Funktion derartiger Anlagen ist noch umstritten, doch häufen sich Hinweise auf eine zentralörtliche Funktion mit regionaler bis überregionaler Bedeutung. Der Großraum Bernburg zeichnet sich durch eine besondere Dichte vergleichbarer Monumente aus. Dies unterstreicht die strategische und rituelle Bedeutung der Region am Oberlauf der Saale. | D. Anton

Ein Straßenausbau in Aschersleben im Salzlandkreis brachte in spätmittelalterlichen Schichten einen Goldgulden Sigismunds von Luxemburg (1368–1437) zutage. Bevor Sigismund 1411 zum römischdeutschen König und 22 Jahre später zum Kaiser gekrönt wurde, hatte er durch die Heirat mit Maria von Ungarn bereits 1387 die ungarische Königskrone erlangt. Aus dieser Zeit als König von Ungarn und Kroatien stammt die Münze, die 1404 / 1405 geprägt wurde. Das Avers zeigt ein vierfeldiges Wappen mit den ungarischen Querstreifen sowie dem böhmischen Löwen und benennt Sigismund in der Umschri als König von Ungarn. Auf der Rückseite ist der Heilige König Ladislaus mit Nimbus, Krone, Hellebarde und Reichsapfel abgebildet. Der Kult um den keine 100 Jahre nach seinem Tod 1095 heiliggesprochenen ungarischen König wurde durch Sigismund gefördert, sodass Ladislaus als Schutzheiliger des Herrscherhauses seinen Weg in das Münzbild fand. Das Münzmeisterzeichen »M O« verweist auf den für die Münzprägung zuständigen Oberkammergraf Markus aus Nürnberg sowie die Prägestätte: das damals zum Königreich Ungarn gehörende Offenbánya, heute Baia de Arieș in Rumänien. Dank der reichen Goldvorkommen in den Karpaten war Ungarn im Spätmittelalter mit einem Anteil von bis zu 80 Prozent an der Gesamtfördermenge des Kontinents der wichtigste Goldproduzent Europas. In entsprechend großen Mengen wurden die ungarischen Goldgulden nach Florentiner Vorbild bereits seit dem frühen 14. Jh. geprägt und damit zu bedeutenden Münzen im europäischen Handel des Spätmittelalters – an welchem das aufstrebende Aschersleben partizipierte. | M. Planert AiD 2 | 2023

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Aktuelles aus der Landesarchäologie

Schleswig-Holstein Archäologisches Landesamt Schleswig-Holstein Schloss Annettenhöh Brockdorff-Rantzau-Str. 70 24837 Schleswig Tel. 04621 387-34 AiD-Korrespondentin: Birte Anspach M.A. [email protected] Lübeck: Hansestadt Lübeck Der Bürgermeister Bereich Archäologie und Denkmalpflege Meesenring 8 23566 Lübeck Tel. 0451 122-7155 AiD-Korrespondentin: Dr. Ingrid Sudhoff [email protected]

Brunnen aus der Römischen Kaiserzeit entdeckt Die Ausgrabungskampagne des Jahres 2022 auf dem für einen Gewerbepark überplanten Gebiet im Lübecker Süden (AiD 3 / 2022, S. 63) war fast zu Ende, als ein besonderer Befund zutage trat. Im Bereich einer Siedlung der Römischen Kaiserzeit zeichnete sich eine im Durchmesser etwa 4 m messende, fast kreisrunde Verfärbung im anstehenden Sand ab. Nach Abtragen der Verfüllung kamen in etwa 1,5 m Tiefe die ersten Hölzer zum Vorschein. Wie schon bei einem zuvor freigelegten Brunnen war ein vermutlich aus Weidenruten gefertigter Flechteinsatz von maximal 2,2 m Durchmesser außen und 1,7 m innen in einen Kasten aus Eichenbohlen gesetzt worden. Zusätzlich wurde der Flechteinsatz von Staken gestützt. Die Konstruktion setzte sich noch etwa 1 m nach unten

fort. Keramik aus der Verfüllung datiert in die Römische Kaiserzeit. Genauere Daten werden die Eichenbohlen liefern. In der Verfüllung stießen die Ausgräber auf ein vollständig erhaltenes, paddelähnliches Holzobjekt von 47 cm Länge und bis zu 12 cm Breite – ein einzigartiger Fund. Zudem konnte ein Vorgängerbau festgestellt werden: Nur an wenigen Hölzern erkennbar, saß der ältere Befund etwas versetzt und wurde von dem jüngeren geschnitten. In welchem zeitlichen Abstand die Brunnen gegraben wurden, lässt sich derzeit nicht sagen. Und es werden sicher nicht die letzten Beispiele auf dieser Fläche bleiben, da die Ausgrabungen aufgrund des großen Planungsgebietes in den kommenden Jahren fortgesetzt werden müssen. Spannend wird vor allem, ob auch in den ebenfalls nachgewiesenen jungsteinzeitlichen Siedlungsarealen Anlagen zur Wasserversorgung vorhanden sind. | I. Sudhoff

Süderbrarup. Haus der jüngeren Römischen Kaiserzeit, das sich im hellen Sandboden abzeichnet.

Wohnen beim Thorsberger Moor Zwischen Süderbrarup und dem Ortsteil Brebel soll landwirtschalich genutztes Gelände als Gewerbegebiet erschlossen werden. Bei aktuellen archäologischen Untersuchungen konnten dort die Pfostengruben eines Wohnstallhauses dokumentiert werden. Das von Westsüdwest nach Ostnordost ausgerichtete Haus hatte eine Länge von 29,5 m, eine Breite von 5,8 m und acht Paare dachtragender PfosHansestadt Lübeck. Brunnen mit Flechteinsatz aus der römischen Kaiserzeit. Unten: Paddelähnliches Holzobjekt aus der Brunnenverfüllung.

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ten. Zudem konnten sämtliche Wandpfostengruben und Pfostengruben von Innenwänden beobachtet werden. Zwei einander gegenüberliegende Eingänge befanden sich annähernd in der Mitte der Längsseiten. Östlich des Eingangsraumes lagen die dachtragenden Pfostengruben in regelmäßigen Abständen von 2,9 bis 3,0 m, während sie westlich in zwei etwa quadratischen Modulen angeordnet waren. Innerhalb dieser Quadrate betrug der Abstand ebenfalls 3,0 m, aber der Abstand zwischen den beiden Modulen war mit 5,2 m deutlich größer. Hier wird man den Wohnbereich vermuten können, während in der östlichen Hälfte das Vieh aufgestallt war. Die Schmalseiten blieben ohne Eingang und waren abgerundet, sodass hier ein Walmdach rekonstruiert werden kann. Kleinere Pfostengruben erlauben Rückschlüsse auf die innere Aueilung. Im östlichen Teil zeichnen sich Trennwände für Viehboxen ab, während im Westen ein großer, geräumiger Wohnbereich mit einem korridorartigen Vorraum rekonstruiert werden kann. Bauart und Keramik datieren das Haus in die jüngere Römische Kaiserzeit (3.– 4. Jh. n. Chr.). Der Befund wäre somit zeitgleich mit der jüngeren Phase des bekannten Opferplatzes im nahen Thorsberger Moor. Vergleichbare Häuser wurden in den letzten Jahren im süddänischen Raum entdeckt. | R. Schulze

Thüringen Thüringisches Landesamt für Denkmalpflege und Archäologie Humboldtstraße 11 99423 Weimar Tel. 0361 57 3223-319, Fax 0361 57 3223-390 www.denkmalpflege.thueringen.de AiD-Korrespondentin: Dr. Anja Endrigkeit [email protected]

Der Schiefe Turm von Bad Frankenhausen Die Oberkirche in Bad Frankenhausen am Südhang des Schlachtbergs, der seinen Namen der Schlacht von 1525 in den Bauernkriegen verdankt, ist mit ihrem schief stehenden Kirchturm ein Wahrzeichen. Der in einem aktiven Senkungs- und Erdfallgebiet erbaute Turm übertrifft mit seiner Schiefstellung sogar sein berühmtes Pendant aus Pisa. Das Kirchenschiff selbst ist allerdings seit dem Abtrag des Daches 1962 zunehmendem Verfall ausgesetzt. Um das Gebäude wieder nutzbar zu machen, ist eine grundlegende Umgestaltung des ehemaligen Kirchenbaus geplant. Bei Untersuchungen im Vorfeld ließen sich Teile des Friedhofes erfassen, der zum ersten einschiffigen Kirchenbau gehörte, den man um 1280 für ein Zisterzienserinnenklosters errichtete. Das Patrozinium der Kirche »Unserer lieben Frauen am Berge« wurde beim inschrilich 1382 datierten Neubau einer dreischiffigen Kirche im Aurag der Mendikanten-Bruderscha corporis Christi beibehalten. Außer den

Fundamenten der ersten Kirche zeigten sich Reste einer weiteren, älteren Phase, die offenbar ein profan genutztes Gebäude war und sich in der Ausrichtung deutlich stärker als die jüngeren Kirchenbauten auf den massiven Turm bezog. Dieser Bau bestand vor der Stadtmauer Mitte des 14. Jh., die am Turm anband. Die Grabungen bestätigen seit dem 19. Jh. geäußerte Vermutungen, dass der Schiefe Turm ursprünglich nicht als Kirchturm, sondern als Wehranlage gebaut wurde. Vieles deutet darauf hin, dass es sich im frühen bis mittleren 13. Jh. um den befestigten Sitz eines Ministerialen handelte. Um 1280 wurden Teile der Nebengebäude des Turms in den ersten Kirchenbau integriert. An der bis auf die untere Steinlage abgebrochenen Nordseite legte man den erwähnten Außenfriedhof an. Skelettfunde werden zurzeit einer anthropologischen Analyse unterzogen. | H. Grönwald, R. Knechtel

gen Bau von 1713 ist heute nur noch ein kleiner Teil erhalten, um den eine kleine Wohnanlage entstehen soll, was archäologische Untersuchungen erforderte. Ein Fund zeigte sich deutlich älter als die Strukturen des 16. und 17. Jh.: Bei dem aus Bronze gegossenen und anschließend feuervergoldeten Objekt handelte es sich ursprünglich um eine Gürtelzunge, die jedoch umgearbeitet und möglicherweise als Anhänger getragen wurde. Darauf deutet eine Lötstelle an dem abgeschnittenen riemenseitigen Ende hin. Das Stück ist auf beiden Seiten plastisch verziert, was ungewöhnlich erscheint. Eine Seite zeigt einen Vogel oder Greifen mit nach hinten gewendetem Erfurt-Alach. Umgearbeitete Gürtelzunge mit Greifendarstellung im Tierstil 1.

Frühmittelalterlicher Schmuck verziert mit Tierstil Das zu Erfurt gehörende Dorf Alach liegt etwa 7 km nordwestlich der Landeshauptstadt. Am östlichen Ortsrand wurde 1967 und 1981 ein Gräberfeld des späten 6. und frühen 7. Jh. mit zwei reich ausgestatteten Männerbestattungen ausgegraben. Hinweise auf eine Siedlung fehlten bislang. Ein Gutshof inmitten des Dorfs gehörte bis zum Beginn des 19. Jh. zum Erfurter Peterskloster. Von dem großzügiBad Frankenhausen. Innenraum der Oberkirche während der Ausgrabungen.

Kopf. Der Rand dieser Schaufläche ist durch eine plastische Doppelleiste begrenzt. Die Gegenseite zeigt ebenfalls plastische Tierstilornamentik; das Motiv lässt sich jedoch nicht entschlüsseln. An einem kleinen Ring sind drei keulenförmige Anhänger angeordnet, die zum Rand des Musterfeldes laufen und sich dort mit dem eines zweiten, gleich gestalteten Motives verbinden. Im riemenseitigen Teil ist eine kleine blaue Glaseinlage eingearbeitet; möglicherweise das Auge eines Tieres. Der Rand dieser Seite ist durch zwei parallel verlaufende Leisten begrenzt, die ein Feld aus aneinandergereihten Rechtecken flankieren. Vom Rand aus weisen in regelmäßigen Abständen spitze Dreiecke ins Bildfeld. Auf dieser Seite befindet sich auch die bereits erwähnte Stelle mit Zinnlot. Das Stück datiert anhand des Tierstils I in das 6. Jh. und steht damit in direkter zeitlicher Verbindung zu dem bekannten Alacher Gräberfeld. Es kann als erstes Indiz für das Vorhandensein einer merowingerzeitlichen Siedlung im Bereich des Dorfkerns von Alach gewertet werden. | Ch. Tannhäuser AiD 2 | 2023

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Große Steine, romanische Kirchen, sehenswerte Orte

Westliche Altmark – Land der Megalithgräber

Von Barbara Fritsch und Julia Gräf

Großsteingräber gehören zu den eindrucksvollsten Boden­ denkmalen der Altmark. Von den über

bekannten und

größtenteils von Johann Friedrich Danneil schon beschriebenen Megalithanlagen sind heute noch

erhalten.

Ihre Errichtung erfolgte innerhalb weniger Jahrhunderte zwischen etwa

und

 v. Chr.

straße zwischen Lüneburg und Magdeburg hin. Die Jeetze und die Salzwedeler Dumme prägen die Altstadt. Der Burggarten mit seinem mächtigen Bergfried markiert den ältesten Teil Salzwedels. Die Burg, die die Furt schützen und kontrollieren sollte, wurde erstmals 1112 bei einer Belagerung durch Kaiser Heinrich V. erwähnt und war zu diesem Zeitpunkt wahrscheinlich bereits unter askanischer Herrscha. Im Schutz der Burg entstand eine erste Ansiedlung. Durch Aufstauen machte man die Jeetze ab Salzwedel schiffbar, was im 14. und 15. Jh. den Erfolg der Salzwedeler Kaufleute in der Hanse begründete. Vorbei am Bürgermeisterhof von 1543, einem denkmalgeschützten Fachwerkensemble, das seit Kurzem mit viel bürger-

Die Landscha der Altmark ist vor allem durch die Saalevereisung geprägt. Nach dem Rückzug hinterließen die Gletscher nicht nur Lehm, Sand und Feuersteine, sondern auch große Findlinge, wie sie für Megalithgräber verwendet werden. Die wissenschaliche Erforschung der Anlagen begann 1938, als Ulrich Fischer für das damalige Landesmuseum für Vorgeschichte in Halle Ausgrabungen im Wötz bei Leetze durchführte. Erst 70 Jahre später setzten das Landesamt für Denkmalpflege und Archäologie Halle (Saale) und das Institut für Ur- und Frühgeschichte der Universität Kiel die Arbeiten im Rahmen eines DFG-geförderten Projekts fort. Zwei Gräber in Lüdelsen und eine zeitgleiche Siedlung in Tangeln wurden untersucht; botanische und bodenkundliche Analysen geben Aufschluss über das Aussehen der Landscha und die Wirtschasweise der ersten Ackerbauern und Viehzüchter der Trichterbecherkultur, die etwa ab 3700 v. Chr. vermutlich von Norden und Südwesten die westliche Altmark besiedelten. Spazieren durch die Hansestadt Salzwedel Ausgangspunkt für Ausflüge in die Altmark ist die historische Hansestadt Salzwedel. Malerische Gassen mit Kopfsteinpflaster, liebevoll restaurierte Fachwerkhäuser und eindrucksvolle Backsteinbauten prägen den Ort. Zeugnisse der über 900-jährigen Stadtgeschichte begegnen überall. Schon von Weitem künden die Türme der Marien- und der Katharinen-

kirche von den seit dem 13. Jh. konkurrierenden Schwesterstädten Alte Stadt und Neue Stadt Salzwedel, die erst Anfang des 18. Jh. vereint wurden. Bei einem Besuch in den altmärkischen Gotteshäusern können zahlreiche romanische und gotische Wandmalereien, Skulpturen und andere Schätze entdeckt werden, wie zum Beispiel der gotische Einhornaltar in der Katharinenkirche. Der alte Name Soltwidele weist auf eine Furt durch die Jeetze an der alten Salz-

Die Jeetze prägt bis heute das Bild der Hansestadt Salzwedel, sodass sich immer wieder schöne Blicke von den zahlreichen Brücken auftun. Jahrtausendealte Großsteingräber, mittelalterliche Kirchen und historische Städte und Höfe sind in der westlichen Altmark Seite an Seite zu entdecken.

schalichem Engagement restauriert und neu belebt wird, an der alten Münze, am imposanten Backsteingebäude des alten Rathauses und der romanischen Lorenzkirche kommt man in die schmalen Gässchen des schönsten Teiles der Altstadt rund um die Marienkirche mit dem größten gotischen Schnitzaltar der Altmark und der barocken Orgel. Auffällig sind die vielen unterschiedlich gestalteten Fachwerkhäuser wie das älteste Hochständerhaus aus der Mitte des 15. Jh., das reich geAiD 2 | 2023

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Freilichtmuseum Diesdorf Molmker Straße 23, 29413 Diesdorf, www.museen-altmarkkreis.de / freilicht museum-diesdorf Über 25 Bauernhäuser, Speicher und Torhäuser, Schmiede und Bockwindmühle, Taubenturm, Backhaus und Dorfschule wurden zu unterschiedlichen Hofformen angeordnet und vermitteln gemeinsam mit den nach historischen Vorbildern angelegten Gärten und Feldern den Eindruck eines typisch altmärkischen Dorfes aus dem 17. bis 20. Jh. Bei den regelmäßigen Aktionstagen und Museumsfesten wird die Vergangenheit im Museumsdorf lebendig, ob beim Unterricht in der Dorfschule, beim Schmied an Esse und Amboss oder beim Müller in der Bockwindmühle. Klosterkirche Diesdorf Das ehemalige AugustinerchorfrauenKloster Diesdorf wurde 1161 neben dem schon bestehenden Ort gegründet. Es galt als Missionszentrum für das hannoversche Wendland. Vom früheren Kloster stehen heute noch die Klosterkirche, einige mittelalterliche Wirtschasgebäude und ein Teil der Klostermauer. Die Kirche wurde in ihrer heutigen Gestalt nach 1200 im spätromanischen Backsteinstil errichtet. Sie gilt als eine der am besten erhaltenen spätromanischen Bauten der Altmark. An der Straße nach Dähre befindet sich die »Alte Darre«, das ehemalige Brau- und Backhaus des Klosters. Das Kloster selber ist nicht mehr erhalten.

Weitere sehenswerte Großsteingräber in der westlichen Altmark Hinter der Kirche in Winterfeld befindet sich ein sehenswertes teilweise wieder aufgebautes Grab. In Leetze für Fußgänger teils gut (da im Wald), teils nur im Winter (da auf Feldern) zu erreichende weitere Megalithgräber. Drei davon wurden in den Jahren 1938 / 39 ausgegraben (Leetze 6: rekonstruiert, im Wald; Leetze 4: auf Privatgelände im Garten; Leetze 1: auf einem Feld).

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Eisdiele Diesdorf www.facebook.com / EisdieleDiesdorf Manche Eisfans fahren Hunderte Kilometer, um in der fast hundertjährigen Traditionseisdiele im altmärkischen Diesdorf zu schlemmen. Langobardenwerkstatt Zethlinger Dorfstr. 16a, 39624 Kalbe / Milde, www.museen-altmarkkreis.de / lango bardenwerkstatt-zethlingen /

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Die Stationen des archäologisch-historischen Wanderweges in Lüdelsen: 1 Parkplatz/Information 2 rekonstruiertes Großsteingrab 3 weitere Megalithgräber 4 Königsgrab 5 Kirche in Lüdelsen 6 Wassermühle 7 Landschaftsrekonstruktion 8 Wüstung Nieps

Das museumspädagogische Zentrum der Museen des Altmarkkreises Salzwedel bietet nach Anmeldung Aktionstage für Schulklas-

sen und Gruppen an. Bei den Ferienwerkstätten für Kinder sowie den offenen Werkstatttagen heißt es Zuschauen und Mitmachen für Jung und Alt. Johann-Friedrich-Danneil-Museum Salzwedel An der Marienkirche 3, 29410 Salzwedel, www.museen-altmarkkreis.de / johannfriedrich-danneil-museum In der ehemaligen Propstei zeigt das Regionalmuseum interessante Exponate aus der Geschichte der westlichen Altmark. Besondere Anziehungspunkte sind die Salzwedeler Madonna sowie der Weinbergaltar von Lucas Cranach dem Jüngeren, ein bedeutendes Zeugnis der Reformationsgeschichte.

17

16

Juchtaberg 111 m

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Dumme

Körberg 104 m

15 SALZWEDEL 9 Mehmke

Die Stationen der Megalithroute westliche Altmark

10 Klosterkirche Diesdorf

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11 Freilichtmuseum Diesdorf

2 Diesdorf 3

12 Grenzdenkmal am Grünen Band

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14 romanische Dorfkirche Rohrberg

5 Bornsen

15 Danneil-Museum Salzwedel

6 Wanderweg Lüdelsen

Dähre

7 Königsgrab Lüdelsen

16 Brietzer Teiche

8 Stöckheim

17 Wüstung Jahrsau

9 Mehmke

18 Langobardenwerkstatt Zethlingen

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Winterfeld Mehmke 9

4 Drebenstedt 5 Rohrberg(Altmark) 8

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Beetzendorf 14

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weitere Großsteingräber

10 Klosterkirche Diesdorf

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13 Landwehr

4 Drebenstedt

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Museumscafe Diesdorf Molmker Straße 23, 29413 Diesdorf, www.museumscafe-diesdorf.de Im historischen Dorfkrug können Sie Kaffeespezialitäten sowie hausgebackene Kuchen und Torten von einzigartigem Geschirr genießen. Auf der Terrasse sitzt man bei gutem Wetter und kann ins Museumsgelände blicken.

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2km

Brietzer Teiche www.bund-sachsen-anhalt.com / themen / umwelt-schuetzen / gruenesband / brietzer-teiche Die ehemaligen Ziegeleiteiche am Grünen Band westlich von Salzwedel wurden seit Ende der 1990er-Jahre naturnah umgestaltet. Entstanden ist ein wertvolles Feuchtbiotop für Zug- und Brutvögel sowie seltene Orchideen. Es kann über einen Rundwanderweg mit Aussichtspunkten und Bohlenweg erkundet werden. Altmarkrundkurs www.altmark-rundkurs.de Der 500 km lange Fernradweg führt als Rundkurs durch eine der ältesten Kulturlandschaen Deutschlands mit acht Hansestädten, romanischen Kirchen, Schlössern und gemütlichen Dörfern und begeistert auch durch die ursprünglichen Naturschätze der Altmark. Mit wenigen Steigungen und vielen Einkehrmöglichkeiten ist er gut zu bewältigen. Wüstung Jahrsau An der Wüstung im ehemaligen Sperrgebiet an der Zonengrenze erinnern Hausruinen, verwilderte Gärten sowie mehrere Infotafeln an die Zwangsumsiedlungen, die in den 50er- und 60er-Jahren unter dem Namen »Aktion Ungeziefer« durchgeführt wurden. Grünes Band Ca. 6 km westlich von Diesdorf auf dem Weg nach Wittingen liegt der Ort Waddekath in Sachsen-Anhalt bzw. Rade in Niedersachsen. Dazwischen befindet sich ein Grenzdenkmal mit Erläuterungen über die ehemalige innerdeutsche Grenze. Südlich von Waddekath / Rade im Grünen Band bzw. direkt an der Grenze eine sehenswerte mittelalterliche Landwehr mit mehreren Wällen. Mittelalterliche Kirchen der nordwestlichen Altmark www.strassederromanik.de www.wandmalereien.lda-lsa.de Mehrere Kirchen der westlichen Altmark sind Teil der Straße der Romanik, unter anderem die spätromanische Dorfkirche Rohrberg und die Lorenzkirche in Salzwedel. Sehenswert sind auch die mehr als 150 dörflichen Kirchen, meist romanische oder gotische Feldsteinkirchen, die vielfach noch die originale Ausstattung mit Wandmalereien und wertvollem Skulpturenschmuck aufweisen.

schmückte Adam-und-Eva-Tor oder die zahlreichen geschnitzten Hausinschrien, die typisch für die Altmark sind. Das Johann-Friedrich-Danneil-Museum Salzwedel ist Höhepunkt des Stadtrundgangs. Das größte Ausstellungsstück ist das Museum selbst. Das Hauptgebäude der ehemaligen Propstei bildet mit dem Marstall, der »Klus« genannten Zehntscheuer und dem Hungerturm in einem etwas versteckten Innenhof an der ehemaligen Stadtmauer ein sehenswertes Ensemble. Der Fachwerkbau mit Treppenturm wurde in der Renaissance als Stadtsitz der altmärkischen Adelsfamilie von der Schulenburg erbaut. Ein besonderer Anziehungspunkt in der Dauerausstellung ist die Salzwedeler Madonna aus dem 13. Jh., eine einzigartige Skulptur des Übergangsstils von der Romanik zur Gotik. Der Weinbergaltar von Lucas Cranach d. J. ist ein über die Grenzen der Altmark hinaus bedeutsames Zeugnis der Reformationsgeschichte. Benannt ist das 1932 gegründete Regionalmuseum nach Johann Friedrich Danneil (1786–1868), auf dessen frühe Forschungen im Altmärkischen Verein für vaterländische Geschichte und Industrie auch die bedeutende Sammlung archäologischer Funde zurückgeht. Danneil gilt als Mitbegründer des Periodensystems der Ur- und Frühgeschichte mit seiner anhand der altmärkischen Bodendenkmäler vorgenommenen Einteilung in Hünengräber (Großsteingräber), Kegelgräber und Flachgräber. Die meisten Großsteingräber findet man in der westlichen Altmark. Aufgrund des großen Interesses der Bevölkerung an den Ausgrabungen entstand 2011 in Lüdelsen ein 4 km langer Wanderweg, der neben den Gräbern noch weitere archäologische und historische Stätten einbezieht. Alle Stationen wurden mit Unterstützung des Fördervereins des Landesmuseums Halle und der Jungen Archäologen der Altmark e. V. beschildert. Rechts der Straße von Stöckheim nach Lüdelsen befindet sich im Wald ein Parkplatz mit einer Infotafel als Ausgangspunkt der Wanderung. Die Erbauung des Großsteingrabs Lüdelsen 3 mit Grabkammer, Hügelschüttung und Umfassung aus Feldsteinen erfolgte um 3550 v. Chr. (Trichterbecherkultur). Die Steinkränze formten mit den

Während der ländlichen Jahresfeste füllt sich das Freilichtmuseum Diesdorf mit zeitgenössischem Leben.

Eingangsträgersteinen eine Art Vorplatz vor der Kammer, abgegrenzt nach außen durch einen freistehenden Menhir. Der innere Kranz fasste die erste Hügelschüttung ein. Sie reichte bis zur Unterkante der Decksteine, die sichtbar blieben. Weitere Bestattungen zwischen 3550 und 3200 v. Chr. können über Fundverteilungen nachgewiesen werden. Anschließend wurde die Begräbnisstätte verschlossen. 800 Jahre später, um 2400 v. Chr. erfolgte eine Nachnutzung der Grabanlage durch die Einzelgrabkultur: Nach Ausräumen der Kammer bestattete man hier eine einzelne Person. Zur gleichen Zeit wurde ein zweiter Hügel von fast 30 m Durchmesser aufgeschüttet, der den trichterbecherzeitlichen Hügel und beide Steinumfassungen vollständig überdeckte. Die Decksteine waren jedoch weiterhin sichtbar. Nach der Ausgrabung 2007 wurde das Großsteingrab unter großer Beteiligung der örtlichen Bevölkerung wiederaufgebaut. AiD 2 | 2023

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Biegt man rechts in einen kleinen Pfad ein, reihen sich drei weitere Gräber in ostwestlicher Richtung auf. Möglicherweise kann hier ein alter Wegeverlauf etwa parallel zur Straße rekonstruiert werden. Es handelt sich um zwei Großdolmen und einen kleinen Polygonaldolmen. Dessen Hügel erreicht noch eine beachtliche Höhe von 1,80 m; auf dem Deckstein befinden sich viele wohl erst ab der Bronzezeit entstandene Schälchen. Auf dem Weg zum sogenannten Königsgrab (Lüdelsen 6) sind im Wald zahlreiche Wölbäcker zu sehen, die die intensive landwirtschaliche Nutzung im Mittelalter und der frühen Neuzeit zeigen. Sie entstanden durch das stetige Pflügen zur Mitte des Ackers hin. 2009 / 10 fanden archäologische Untersuchungen am Königsgrab statt. Mit 38 m Länge ist dieses Ganggrab mit trapezförmiger Umfassung aus großen Findlingsblöcken die größte Anlage der Gruppe. Die Ausgrabungen zeigten, dass Hügel- und Kammerteil nicht gleichzeitig erbaut wurden. Der Hügel ist mehrphasig: Ein erster etwa 40 cm hoher Hügel ohne Steinumfassung wurde nach 3700 v. Chr. errichtet. Einige Zeit später erfolgte die Aufschüttung eines rund 1,30 m hohen zweiten Hügels. Beide Hügel beinhalteten keine Gräber; flache mit Holzkohle gefüllte Mulden auf der Oberfläche sprechen für eine andere Funktion. Zwischen 3500

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und 3300 v. Chr. zur Zeit der Trichterbecherkultur gruben die Erbauer Nischen am Hügelsaum, um die großen Umfassungssteine aufzustellen – zeitgleich entstand auch die steinerne Grabkammer. Um 2800 / 2600 v. Chr. wurde der Hügel noch einmal erhöht, gleichzeitig das Trockenmauerwerk zwischen den Findlingen entfernt und die Hügelflanken aufgeschüttet, sodass nur noch das obere Drittel der Findlinge sichtbar war. Die Kammer wurde für eine Nachbestattung der späten Kugelamphorenkultur vollständig ausgeräumt und anschließend verfüllt. In der frühen Eisenzeit (7./ 6. Jh. v. Chr.) grub man in der Kammermitte eine Urnenbestattung ein. Wahrscheinlich erst im 19./ 20. Jh. zerstörten Grabräuber den Eingangsbereich und diese Nachbestattung. Vom Königsgrab ist ein Abstecher zur Kirche des erstmalig 1290 erwähnten Dorfes Lüdelsen möglich. 1458 bestätigte der Markgraf Friedrich d. J. der Probstei Dähre den Besitz »de Kerke und Kerkhere (Pfarrer) to Ludeltzen«. In den darauffolgenden Jahren wurde das Dorf jedoch verlassen, die Glocken gelangten nach Tylsen und die Kirchenruine diente um 1890 als Material zur Pflasterung der Dorfstraße des unter Friedrich dem Großen (1740 – 1786) neu gegründeten Straßendorfes. Die neue Kirche wurde 1922 bis 1924 als Gedächtniskirche für die Gefallenen des Ersten Weltkriegs aus Kalksandsteinen des

Steinblockumfassung des »Königsgrabs von Lüdelsen«.

Das Johann-FriedrichDanneil-Museum in der ehemaligen Propstei aus dem 16. Jh., dem Stadtsitz der in der Altmark ansässigen Adelsfamilie von der Schulenburg.

Lüdelsener Hartsteinwerkes errichtet. Im weiteren Verlauf des Weges überquert man die Straße und gelangt zum Standort der ehemaligen Wassermühle von Lüdelsen. Die ältesten Nachrichten über den Bau gehen auf das Jahr 1586 zurück. Trotz vieler Veränderungen und Umbauten blieb sie bis zu ihrer Stilllegung Ende der 1950er-Jahre in Betrieb. Über einen ehemaligen Bahndamm geht die Wanderung weiter zum schönen Tal der Hartau, wo Ergebnisse von pollenanalytischen Untersuchungen dargestellt werden. Vor 5500 Jahren erstreckte sich hier ein Urwald aus Laubbäumen, der auch die Großsteingräber umschloss, über den größten Teil der Landscha; es gab nur kleine Rodungsinseln für Siedlungen, Feldanbau von Einkorn und Emmer sowie Viehweiden. Die Bäume waren wichtige Ressourcen für Waldweide und Laubfutter, dienten aber auch als Lieferant für Bau- und Konstruktionsmaterial, Feuerholz und Werkzeuge. Folge davon war eine stetig zunehmende Umgestaltung des Waldes und der Landscha. Um Christi Geburt gab es zahlreiche Getreidefelder mit Weizen im nun großflächigeren Offenland. Im Mittelalter wurde verstärkt Roggen angebaut, ab dem 13. Jh. auch Buchweizen. Mit dem Wüstfallen von Siedlungen am Ende des Mittelalters nahm auch der Anteil des Waldes wieder zu. Es kam zu Aufforstungen mit Nadelhölzern, ab dem 19. Jh. auch mit der aus Nordame-

rika eingeführten Douglasie, von der ein besonders großes Exemplar zu bewundern ist. Rund um die Wüstung Nieps sind im Wald erneut Wölbäcker zu erkennen, die Teil der Ackerfläche des 1335 erstmalig genannt Dorfes, waren. 1491 stand das Dorf noch; 1698 war die wüste Feldmark wieder vollständig mit Wald überwachsen. Zu Besuch beim Riesen Goliath Der Wanderweg in Lüdelsen ist Teil einer Megalithroute, die neben den sechs Gräbern noch weitere Anlagen auf einem Rundweg erschließt, der am besten mit dem Fahrrad oder mit dem Auto erkundet wird. Ausgangspunkt ist Diesdorf mit drei erhaltenen Großsteingräbern. Diesdorf 1 befindet sich nahe der Straße nach Wittingen und ist über einen Pfad gut erreichbar. Die Kammer dieses Großdolmens ist trotz eingesunkener Decksteine gut erhalten, die ehemalige Umfassung erkennbar. Der Weg zum Grab Diesdorf 3 ist nur bis zum Waldrand befahrbar, linkerhand sieht man auf einem Feld das schlecht erhaltene Grab 2. Der Großdolmen 3 ist über einen Fußweg durch den Wald zugänglich. Wenige, jedoch monumentale Umfassungssteine und die Grabkammer sind erhalten. Der Großdolmen mit rechteckigem Hünenbett von Molmke ist, da auf einem Feld gelegen, nicht ganzjährig zugänglich. Das Gleiche gilt für das sehr gut erhaltene

Grab von Drebenstedt, ein Großdolmen mit sieben Wandsteinpaaren und trapezförmiger Umfassung. Wie am Königsgrab in Lüdelsen befanden sich hier an allen vier Ecken der Umfassung monumentale Wächtersteine, lediglich der in der Westecke steht noch. Danneil nannte dieses Grab das »imposanteste Hünenbett der Altmark«. Er veranschlagte die Steinmasse auf 15 965 bis 25 000 Zentner. Die nächste Station ist Bornsen. Von der Straße Richtung Mehmke geht es links ab in die Straße »Am Kunststeinwerk«; geparkt wird vor dem letzten Haus. Von hier kann das Grab über einen kleinen Fußweg erreicht werden; es befindet sich am Ende eines Gartens. Auf einem Feld und daher nur zeitweise zugänglich ist ein weiterer Großdolmen auf der östlichen Seite an der Straße nach Jübar. Vorbei an den Gräbern von Lüdelsen (s. o.) geht es weiter Richtung Norden. Das Grab von Stöckheim ist bereits von der Straße aus sichtbar. Wegen seines gewaltigen Decksteines – das Gewicht wird auf 22 t geschätzt – ist es heute das berühmteste Großsteingrab der Altmark. Zahlreiche Sagen ranken sich um seine Entstehung. Die bekannteste lautet: »Als der Riese Goliath es in seinem Grab im heiligen Lande nicht mehr aushielt, da er dort als Großmaul, welches dem kleinen Hirtenjungen David unterlegen gewesen war, gehänselt wurde, entschloss er sich, eine andere Ruhestätte zu suchen. Auf seiner Su-

Das Großsteingrab von Drebenstedt ist ein sehr gut erhaltener Großdolmen mit sieben Wandsteinpaaren und 44 m langer, trapezförmiger Umfassung. Aufgrund völkerkundlicher und experimenteller Beobachtungen kann der Arbeitsaufwand für die Errichtung kalkuliert werden: Bei einem Arbeitstag von zehn Stunden konnte das Megalithgrab von 100 Personen in 2 bis 3 Monaten erbaut worden sein.

che kam er auch nach Stöckheim, wo es ihm gut gefiel. Er suchte ein paar große Steine zusammen, die er passend für sein Grab aufstellte. Daraufhin zog er los, um seinen Grabstein und seinen goldenen Sarg zu holen. Den Sarg nahm er unter den Arm, um den großen Stein wand er eine goldene Kette und band ihn damit auf seinem Rücken fest. Auf seinem langen Rückweg scheuerte die Kette sich tiefer in den Stein. Daher rührt die Rille, die heute noch auf dem Stein sichtbar ist. In Stöckheim angekommen, legte er den großen Stein auf die vorbereitete Unterlage und legte sich darunter zur Ruhe. So richtig zur Ruhe kam er aber nicht, denn in jeder Neujahrsnacht steigt der Riese Goliath aus seinem goldenen Sarg und schabt drei runde Löcher in den Stein, die gerade so groß sind wie die Wunden, die ihm der Hirtenknabe David mit seiner Steinschleuder beigebracht hatte.« Die weitere Route führt nach Mehmke. Etwa 600 m nordöstlich vom Ortskern liegt nahe am Weg auf einer Wiese ein Großsteingrab, dessen Umfassungs- und Kammersteine nur noch teilweise am originalen Platz liegen; auf der gleichen Wiese befinden sich die Überreste eines weiteren Grabes. Von Mehmke aus ist es nicht mehr weit nach Diesdorf, dem Ausgangspunkt der Tour. Hier lockt nach einer Stärkung im Museumscafé ein Besuch in einem der ältesten Museumsdörfer Deutschlands.  AiD 2 | 2023

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Kommentar Geht das zusammen?

Altsteinzeit und Denkmalpflege »Out of Africa« – die These lässt sich auch mithilfe archäologischer Funde weiter erhärten. Welchen Beitrag kann da die Bodendenkmal­ p lege leisten?

Von Michael Baales und Bernhard Stapel

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ltsteinzeitliche Funde und Fundstel‐ len spielen im »täglichen Geschäft« der deutschen Bodendenkmalp le‐ ge immer wieder eine Rolle. Größere Gra‐ bungen oder Projekte zur Altsteinzeit, wie zum Beispiel die Höhlenuntersuchungen im Lone‐ oder im Lennetal, sind dabei je‐ doch eher die Ausnahme und ohne Ko‐ operation mit Forschungs‐ oder Universi‐ tätsinstituten nicht sinnvoll realisierbar. Allerdings führen auch notwendige ar‐

chäologische Baubegleitungen oder Gra‐ bungen, die anderen zeitlichen Schwer‐ punkten gelten, immer wieder einmal zur Entdeckung altsteinzeitlicher »Neuigkei‐ ten«. Ein besonderer Fokus bei der Beschäf‐ tigung mit Funden der Altsteinzeit liegt auf der Betreuung von ehrenamtlichen Mitar‐ beitern durch die Archäologische Denk‐ malp lege. Die Anzahl auf steinzeitliche Funde spezialisierter Sammler geht zwar Ein mittelpaläolithisches Keilmesser aus Nordischem Feuerstein von einer Überkornhalde.

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stetig zurück, weil die Metallsonde bevor‐ zugt wird. Neue Funde und Fundstellen der ältesten Epochen werden aber immer noch gemeldet. Manche Steinartefakte können so ein Schlaglicht auf bisher unbekannte Zeiträume und Aspekte der frühesten menschlichen Besiedlung werfen oder das Fundbild deutlich erweitern bzw. ver‐ dichten. So erkannte und kartierte zum Beispiel Hermann Pongratz im Bereich des jung‐ neolithischen Erdwerks Salzkotten‐Obern‐ tudorf im Kreis Paderborn Steingeräte aus einem ungewöhnlichen Rohstoff, dem so‐ genannten Hälle linta. Dieses ca. ,  Milli‐ arden Jahre alte Material wurde mit den Gletschern vor    Jahren aus Süd‐ schweden nach Ostwestfalen verfrachtet. In Ermangelung von gutem Feuerstein wurde es von Neandertalern der mittleren Weichsel‐Kaltzeit (ca.   vor heute) zur Herstellung von Keilmessern und Scha‐ bern genutzt. Das Umfeld für derartige Neufunde ist dabei sehr unterschiedlich. Tatsächlich können sie auf dem Acker liegen, wie im obigen Beispiel, dann sind sie von P lug und Egge wiederholt beschädigt worden. In Regionen, wo vermehrt Kies und Sand abgebaut werden, bringen Saugrohre Stein‐ geräte und eiszeitliche Tierreste aus tiefe‐ ren Schichten an die Ober läche, die dann auf Überkornhalden aufgelesen werden können. Eine durchgängige Betreuung die‐ ser Fundstellen durch die Archäologische Denkmalp lege liegt weit jenseits ihrer Kapazitäten, sodass ehrenamtliches En‐ gagement zwingend notwendig ist. Natür‐ lich ist der Aussagewert solcher Funde ohne stratigra ische Einbindung einge‐ schränkt. Trotzdem verbreitern sie unsere Forschungsbasis zum mittleren Abschnitt der Altsteinzeit. Dank einer systemati‐ schen ehrenamtlichen Betreuung konnten so zum Beispiel aus einer Sandgrube in Coesfeld‐Stevede im Kreis Coesfeld in den vergangenen  Jahren mehrere Tausend Feuersteinartefakte geborgen werden. Altsteinzeit und Archäologische Denk‐ malp lege – geht das zusammen? Aber si‐ cher, viel hängt zum einen vom Engage‐ ment und Interesse einzelner Amateur‐ archäologen ab, zum anderen auch davon, dass entsprechend ausgebildete Ansprech‐ partner in den Landesämtern zu inden sind. Nur dann sind neue Erkenntnisse mög‐ lich. 

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Hier noch unversehrt in der Museumsvitrine: keltischer Goldschatz aus dem Oppidum von Manching, Gewicht etwa 3,7 kg – Gold im Wert von etwa 250 000 Euro.

Sonderkommission »Oppidum« sucht Keltenschatz von Manching In der Nacht auf den 22. November 2022 stahlen Einbrecher den keltischen Goldschatz von Manching aus dem »kelten römer museum manching«. Die Staatsanwaltscha Ingolstadt und eine extra eingerichtete Sonderkommission »Oppidum« des Bayerischen Landeskriminalamtes versuchen, den Fall aufzuklären. Die Polizei rekonstruiert den Hergang wie folgt: Einbrecher durchtrennten um 00:31 Uhr ein Glasfaserkabel in der Nähe des Museums. Dadurch fielen nicht nur Telefon- und Internetverbindungen von etwa 13 000 Haushalten aus, sondern auch die Alarmanlage des Museums. Um 01:26 Uhr brachen die Täter in das Gebäude ein und entwendeten den Goldschatz. Die Aktion dauerte nur neun Minuten. Erst am Morgen fiel der Einbruch auf und die Polizei wurde verständigt. Beim Absuchen der Umgebung fand man zwei Brechstangen und ein Strommessgerät. Ob ein Zusammenhang mit dem Einbruch besteht, ist bis jetzt unklar. Eine Auswertung der Überwachungskameras ergab, dass keine Bilder vom Tattag vorhanden waren. Der aus 483 Münzen bestehende Schatz stammt aus der Zeit um 100 v. Chr. und wurde 1999 auf dem Gelände des keltischen Oppidums bei Manching geborgen. Er gilt als größter keltischer Goldfund des 20. Jh. Während der Materialwert auf 250 000 und der Handelswert auf 1,6 Mio Euro taxiert werden, ist die kulturelle Be-

deutung unschätzbar hoch. Nach dem Numismatiker Bernward Ziegaus von der Archäologischen Staatssammlung München ist der Diebstahl zudem »nicht nur für das Museum ein herber Verlust, sondern auch ein enormer Schaden für die numismatische Forschung.« Stand Januar 2023 sucht die Polizei noch nach Zeugen. Für Hinweise, die zur Aufklärung der Tat führen, ist eine Belohnung in Höhe von 20000 Euro ausgesetzt. Das Museum ist seit dem 13. Dezember teilweise wieder geöffnet. Die vom Einbruch betroffene Dauerausstellung bleibt vorerst geschlossen. | Marcus Coesfeld

Aus dem Schlamm im Thermalbad San Casciano dei Bagni: Antike Bronzestatue, bei der Auffindung noch wie neu.

Kunst mehr gegeben. Das Jubiläum des Riace-Fundes aus dem Jahr 1972 feierte das Kulturministerium mit einer internationalen Konferenz im November 2022. Was den neuen Fund noch erstaunlicher macht, ist die Tatsache, dass die Bronzeplastiken mit über 6000 Münzen aus Bronze, Silber und Gold bedeckt waren. Tabolli zufolge ist die perfekte Erhaltung der Bronzen und Münzen auf das heiße, schlammige Wasser zurückzuführen: Die Funde sehen aus wie neu, als hätte man sie gerade eben in das Wasser geworfen. Zudem fanden sich Inschrien in etruskischer und lateinischer Sprache, in denen die Namen mächtiger lokaler Familien erwähnt werden, was dieses Heiligtum zu einem Ort für die ansässige Elite macht. Das kann auch die Menge der wertvollen Funde erklären. Die Statuen stellen den Heilgott Hygieia, Apollo und andere griechisch-römische Gottheiten

Aus Thermalbad-Schlamm – antike Bronzestatuen wie neu In der Toskana wurden aus dem Schlamm eines antiken Heiligtums mit Thermen 24 große Bronzestatuen geborgen. Das Heiligtum von San Casciano dei Bagni liegt auf einem Hügel in der Provinz Siena etwa 160 km nördlich von Rom. Hier graben italienische Archäologen unter der Leitung von Jacopo Tabolli von der Universität Siena seit 2019 in den Ruinen. Was diesen Fund zur Sensation macht, sind Anzahl und perfekte Erhaltung der Statuen, die alle aus Bronze bestehen und nicht, wie man es aus anderen Heiligtümern der Toskana kennt, aus Terrakotta. Seit der Entdeckung der Riace-Bronzen in der Küstenstadt Reggio Calabria vor genau 50 Jahren hat es in Italien keine so Aufsehen erregende Entdeckung antiker AiD 2 | 2023

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Wissenswert dar und werden in das 2. Jh. v. Chr. bis 1. Jh. n. Chr. datiert – eine Zeit großer Veränderungen in der Toskana, in der die etruskische von der römischen Herrscha abgelöst wurde. Nach Angaben des italienischen Kulturministeriums wurden die Statuen und weitere Funde in ein Restaurierungslabor in der nahe gelegenen Stadt Grosseto gebracht und sollen künig in einem neuen Museum in San Casciano ausgestellt werden. | Jesper Tae Jensen

Krankheitserreger hinter jeder Ecke Ein Team der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel untersuchte frühmittelalterliche Skelette aus Lauchheim in BadenWürttemberg und publizierte die Ergebnisse in »Genome Biology« (zu dem bekannten Fundort ausführlich AiD 3 / 2019, S. 20). Untersucht wurde die DNA von 70 Skeletten aus spätmerowingerzeitlichen Grabgruppen bei Gehöen des 7. bis 8. Jh. n. Chr.: »Die Analyseergebnisse zeigen, dass die Bewohner an Infektionen mit verschiedenen Krankheitserregern litten, darunter das Mycobacterium leprae, das Hepatitis-B-Virus, kurz: HBV, das Parvovirus B19 und das Variola-Virus VARV«, berichtet der Leiter des Teams, Ben Krause-Kyora vom Institut für klinische Molekularbiologie der Universität Kiel. Diese Erreger verursachen sowohl chronische als auch akute Erkrankungen unterschiedlichen Schweregrades. Das Mycobacterium leprae kann zu einer hartnäckigen und stark beeinträchtigenden Lepra führen. Symptome der HBV-Infektion reichen von leichten Bauchschmerzen und Fieber bis zu Leberfibrose und sogar Leberkrebs. Das Parvovirus B19 scheint dagegen weniger gefährlich zu sein. Dagegen verursacht das Variola-Virus die Po-

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cken – die bekannte Krankheit mit hoher Sterblichkeit. »Aufgrund der genetischen Unterschiede zwischen dem modernen und dem mittelalterlichen VARV können wir jedoch nicht sagen, wie die Symptome der Infektion im Mittelalter aussahen und ob der Erreger so gefährlich war wie das moderne Variola-Virus«, so Krause-Kyora. Der Gesundheitszustand der frühmittelalterlichen Bewohner von Lauchheim war laut der Studie im Allgemeinen schlecht. Etwa ein Drittel der Skelette zeigte Anzeichen von Infektionen, es gab eine erhebliche Anzahl Koinfektionen mit zwei oder sogar drei verschiedenen Erregern und zudem waren etliche Menschen unzureichend ernährt. Als mögliche Ursache verweisen die Autoren auf eine Verschlechterung des Klimas in dieser Zeit, die als spätantike kleine Eiszeit bekannt ist. | AiD

Frühbronzezeitliches Gold aus Kleinasien, Ur und Georgien Das frühbronzezeitliche Gold aus dem »Schatz des Priamos« in Troia wie auch aus Poliochni auf Lemnos und aus den Kö-

Frühbronzezeitlicher Goldschmuck aus dem »Schatz des Priamos« in Athen: Haaringe und Halsketten. Links: Mit dem tragbaren Laser wurde eine winzige Probe herausgeschmolzen.

Entnahme von Proben an Knochen frühmittelalterlicher Menschen, die in Lauchheim »Mittelhofen« bestattet waren.

nigsgräbern von Ur im Mesopotamien hat den gleichen Ursprung, und zwar eventuell in Georgien. Das sagt eine Studie von Ernst Pernicka, Wissenschalicher Direktor des Curt-Engelhorn-Zentrum Archäometrie an den Reiss-Engelhorn-Museen in Mannheim und Leiter des Troia-Projekts an der Universität Tübingen, und Barbara Horejs, Direktorin der Österreichischen Archäologischen Instituts an der Österreichischen Akademie der Wissenschaen in Wien. Die Ergebnisse wurden im Januar im »Journal of Archaeological Science« veröffentlicht. Heinrich Schliemann fand 1873 in Troia den »Schatz des Priamos« und ordnete den frühbronzezeitlichen Fund fälschlich in die Zeit des troianischen Kriegs ein, von dem Homer berichtet. Das Team um Pernicka konnte nun nachweisen, dass dieses Gold aus sekundären Lagerstätten wie Flüssen stammte und seine chemische Zusammensetzung identisch ist mit jener von Funden aus Poliochni auf Lemnos und aus den Königsgräbern im mesopotamischen Ur, andererseits aber auch von Objekten aus Georgien. Ein tragbarer Laser erlaubte die Entnahme winziger Proben aus dem »Schatz des Priamos« im Archäologischen Nationalmuseum in Athen. Die Funde sind so wertvoll, dass sie weder transportiert noch für Probenentnahmen beschädigt werden dürfen. Der tragbare Laser schmilzt jedoch ein so winziges Loch in die Stücke, dass es nur unter dem Elektronenmikroskop zu erkennen ist. Die Proben konnten im Curt-Engelhorn-Zentrum mittels Massenspektrometrie unter-

38 Jahre Archäologie & Reisen

sucht werden, insgesamt 61 Objekte aus der frühen Bronzezeit zwischen 2500 und 2000 v. Chr. Pernicka zur Herkun des Goldes: »Wenn wir den Anteil von Spurenelementen im Gold aus Troia, Poliochni und Ur betrachten, so zeigt bronzezeitliches Gold aus Georgien die größte Übereinstimmung mit den genannten Fundorten. Uns fehlen aber noch Daten und Untersuchungen aus anderen Regionen und von weiteren Objekten, um diese Vermutung zu erhärten.« | AiD

Reisen 2023

Leiter der Ausgrabungen, und weiter: »Diese Fundstelle liegt etwa zwei Meter unterhalb der berühmten Fundstelle der weltweit ältesten Speere«. Die Tübinger Forscherin Flavia Venditti, Erstautorin der Studie: »Die Absplitterungen stammen von messerartigen Werkzeugen, sie sind beim Nachschärfen entstanden.« Diese Abfälle blieben liegen, als die Menschen weiterzogen, wobei sie ihre Werkzeuge mitnahmen.

© Michal Ziemski, shutterstock

Werkzeuggebrauch vor 300 000 Jahren in Schöningen Auf der bekannten altpaläolithischen Fundstelle Schöningen (zuletzt AiD 1 / 2023, S. 4) wurden kleine Absplitterungen von Feuersteinwerkzeugen geborgen. Untersuchungen eines Teams der Universität Tübingen und des Senckenberg Centre for Human Evolution and Palaeoenvironment, kürzlich publiziert in »Scientific Reports«, zeigen: Offenbar entstanden die Splitter, als der frühe Mensch Holz bearbeitete. Untersucht wurden 57 kleine Steinartefakte und drei Geräte aus Knochen, die zum Nachschärfen von Steinwerkzeugen dienten. Gefunden hat man sie rund um das Skelett eines eurasischen Waldelefanten, der vor rund 300 000 Jahren am Ufer eines Sees verendete (dazu AiD 3 / 2020, S. 8). »Wir können unter anderem durch diese Funde belegen, dass sich Menschen in der Nähe des Elefantenkadavers aufhielten, wahrscheinlich von der Art Homo heidelbergensis oder frühe Neandertaler«, sagt Jordi Serangeli, der örtliche

Loire, Atlantik und Poitou Reiseleitung: Hery A. Lauer, M.A. Reisetermin: 30.03. – 11.04.2023 ab EUR 3.690,-webcode 41220

Reiternomaden – Ausstellungsbesuch in Halle Reiseleitung: Hery A. Lauer, M.A. Reisetermin: 04.05. – 07.05.2023 ab EUR 1.290,-webcode 40954

Bohuslän & Vänernsee 15 Stücke weisen Beschädigungen auf, wie sie bei der Bearbeitung von frischem Holz entstehen. Zudem zeigen Spuren an einem scharfkantigen, natürlichen Feuersteinfragment, dass man es verwendete, um frisches Tiergewebe zu bearbeiten. | AiD

Knochensplitter im Schmuckstück Im Inneren eines 800 Jahre alten vergoldeten Anhängers aus Mainz konnten Knochensplitter entdeckt werden – vermutlich Reliquien. Den Anhänger hatte man 2008 in einer mittelalterlichen Abfallgrube in der Mainzer Altstadt gefunden. Tomografie und Prompten-Gamma-Aktivierungsanalyse mit Neutronen zeigten im Inneren fünf Päckchen aus Seide und Leinen, in denen jeweils Knochensplitter verpackt sind. »Die zerstörungsfreie Untersuchung mit Neutronen war besonders hilfreich, da wir den Anhänger nicht einfach öffnen und hineinsehen konnten. Durch die jahrhundertelange Korrosion ist das Objekt und vor allem der Schließmechanismus stark beschädigt, und es zu öffnen würde bedeuten, es unwiderruflich zu zerstören«, erklärt der Restaurator Matthias Heinzel vom Leibniz-Zentrum für Archäologie. In 500 Stunden Arbeit be-

Homo heidelbergensis beim Bearbeiten von Holz mithilfe eines Schneidewerkzeugs, wie es wahrscheinlich auch bei der Verwertung des Elefantenfleischs vor 300 000 Jahren in Schöningen verwendet wurde.

Reiseleitung: Hery A. Lauer, M.A. Reisetermin: 12.07. – 23.07.2023 ab EUR 3.490,-webcode 41187

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Archäologie & Reisen Im Winkel 10 · 37136 Ebergötzen Telefon 05507 915416 www.archaeologie-und-reisen.de

Feuersteinsplitter aus Schöningen, Abfall vom Nachschärfen messerartiger Werkzeuge, der Größe nach sortiert. Größe: wenige Millimeter bis 3 cm.

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Wissenswert freite der Restaurator den Anhänger von Korrosion. Dabei entdeckte er in der Öse den Rest einer Kordel aus Seide. Die Untersuchung mittels Neutronen erfolgte an der Technischen Universität München. Reliquiare dieser Art nennt man Phylakterium (griechisch: »Verwahrungs- oder Schutzmittel«). Der Besitzer trug das Phylakterium meist um den Hals. Außen ist der vergoldete Anhänger aus Kupfer mit Bildern von Jesus, den vier Evangelisten, Maria und vier weiblichen Heiligen emailliert. Datiert wird der Fund aus Mainz in das späte 12. Jh. Zudem kann er einer Werkstatt im niedersächsischen Hildesheim zugewiesen werden. Der Fund ist im Besitz der Generaldirektion kulturelles Erbe, Direktion Landesarchäologie Mainz, und kann in der Mittelalter-Ausstellung »AUREA MAGONTIA – Mainz im Mittelalter« des Landesmuseum Mainz besichtigt werden. | AiD

Noch eine Zeitenwende: RGZM ist jetzt LEIZA Zum 1. Januar 2023 hat das Römisch-Germanische Zentralmuseum seinen Namen geändert: Die ehrwürdige Institution heißt ab sofort Leibniz-Forschungsinstitut für Archäologie – aus RGZM wird LEIZA. 1852 wurde das Römisch-Germanische Zentralmuseum gegründet, Institut und Museum residierten im Kurfürstlichen Schloss in Mainz – mit den weltbekannten Restaurierungslaboren, einzigartigen

Sammlungen und einer großen Fachbibliothek seit 170 Jahren ein Ort exzellenter archäologischer Wissenscha. Ende 2022 bezog die Institution einen für 60 Millionen Euro errichteten Neubau in der südlichen Mainzer Altstadt. Anlässlich der feierlichen Schlüsselübergabe im September 2022 erklärte Generaldirektorin Alexandra W. Busch, dass man mit dem Umzug die Einrichtung umbenennen werde, da sich das Forschungsprofil des RGZM im Laufe seiner 170-jährigen Geschichte weiterentwickelt habe zu einer Leibniz-Forschungseinrichtung mit mehreren Standorten, Speziallaboratorien

Die Neutronentomografie zeigt das Innere des Reliquienanhängers. Darin sind fünf Päckchen mit Knochensplittern zu erkennen.

und Museen. Frau Busch erklärte: »Wir möchten, dass der Name unserer Einrichtung die besondere Bandbreite und einzigartige Kombination von fachlicher Expertise, Infrastrukturen und musealem Transfer wie auch unsere Zugehörigkeit zur Leibniz-Gemeinscha angemessen abbildet. Zum 1. 1. 2023 werden wir uns deshalb in Leibniz-Zentrum für Archäologie, kurz LEIZA, umbenennen«. An drei Standorten in Mayen, Monrepos und Mainz werden grundlegende Fragen aus mehr als 3 Millionen Jahren Menschheitsgeschichte erforscht, von der Evolution des menschlichen Verhaltens bis zu komplexen gesellschalichen Systemen und Mensch-Umwelt-Beziehungen. Die Einrichtungen vereinen archäologische, naturwissenschaliche, restauratorische und informationstechnologische Kompetenzen und nicht zuletzt Museen, um ihre Erkenntnisse der Gesellscha zugänglich zu machen. | AiD

Warme Sommer im Kältemaximum der letzten Eiszeit Symbolische Schlüsselübergabe für LEIZA – das Leibniz-Zentrum für Archäologie – im September 2022 mit Honoratioren aus Rheinland-Pfalz: Doris Ahnen, Michael Heinrich Baßler, Alexandra W. Busch, Clemens Hoch, Holger Basten.

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Ein Team unter Leitung der Johannes Gutenberg-Universität Mainz berichtet in der Zeitschri »Communications Earth & Environment« über eine neue Methode zur Klimarekonstruktion: An Ausscheidungen von Regenwürmern konnte man ermitteln, welche Temperaturen und Niederschläge während der letzten Eiszeit herrschten. »Die neue Methode wurde an

der Université Paris 1 Panthéon-Sorbonne entdeckt und am Max-Planck-Institut für Chemie weiterentwickelt«, so Peter Fischer vom Geographischen Institut der Universität Mainz, der das Projekt leitete. Beteiligt waren zudem die Universität Lausanne und das Römisch-Germanische Zentralmuseum (inzwischen umbenannt in Leibniz-Forschungsinstitut für Archäologie). Untersucht wurden winzige, bis zu 2,5 mm große Kalkreste aus den Ausscheidungen von Regenwürmern, die sich in eiszeitlichen Lössablagerungen am Schwalbenberg in Remagen und in Nußloch bei Heidelberg aus der Zeit vor 45 000 bis 22 000 Jahren erhalten haben. Mithil-

Autoren dieses He s Forschung Dr. Bianca Nessel, Institut für Vor- und Frühgeschichtliche Archäologie, Johannes-Gutenberg Universität Mainz; Prof. Dr. Franz Schopper, Brandenburgisches Landesamt für Denkmalpflege und Archäologisches Landesmuseum. Weltweit Dipl.-Math. Michael Haase, Autor und Verleger, Berlin. Thema Dr. Wie Chu, Dr. Jacopo Gennai, Dr. Karin Kindermann, Jun.Prof. Dr. Andreas Maier, Dr. Götz Ossendorf, Prof. Dr. Jürgen Richter, Dr. Florian Sauer, Dr. Isabell Schmidt , Dr. Ralf Vogelsang, Universität zu Köln, Institut für Ur- und Frühgeschichte, Forschungsstelle Altsteinzeit; Prof. Dr. Frank Schäbitz, Universität zu Köln, Institut für Geographiedidaktik; Dr. Felix Henselowsky, Johannes Gutenberg-Universität Mainz, Geographisches Institut; Prof. Dr. Olaf Bubenzer, Universität Heidelberg, Geographisches Institut, Physische Geographie; Prof. Dr. Thorsten Uthmeier, Institut für Ur- und Frühgeschichte, Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg; Gerd-Christian Weniger, Institut für Ur- und Frühgeschichte, Universität zu Köln; Mag. Dr. Thomas Einwögerer, Österreichisches Archäologisches Institut der Österreichischen Akademie der Wissenschaen. Europa – Lienz assoz. Prof. Dr. Gerald Grabherr, Universität Innsbruck; Dr. Barbara Kainrath, Research Archaeology.

Ausscheidungen von Regenwürmern enthalten Kalkreste, die sich in Lössablagerungen erhielten und viel über das Klima während der Eiszeit verraten.

fe der Radiokohlenstoffmethode konnten sie datiert werden. Das Verhältnis von stabilen Sauerstoff- und Kohlenstoffisotopen in den Resten zeigt, wie warm beziehungsweise feucht es zum Zeitpunkt ihrer Entstehung war. Offenbar war es am Höhepunkt der Vereisung in Mitteleuropa sehr trocken mit bis zu 70 Prozent weniger Feuchtigkeit als heute. Was erstaunt: Die Sommertemperaturen kletterten deutlich höher als bisher angenommen. Die Autoren halten es sogar für möglich, dass Menschen während des Kältemaximums in Mitteleuropa überleben konnten. Das Projekt »TerraClime« und die 14C-Datierungen wurden von der Deutschen Forschungsgemeinscha mit einer Summe von rund 400 000 Euro gefördert. | AiD

Europa – Donau Jonas Abele, M. A., Corinna Csikós, M. A., Dr. Leif Hansen, Prof. Dr. Dirk Krausse, Dr. Andrew Lamb, Dr. Sarah Scoppie, Landesamt für Denkmalpflege im Regierungspräsidium Stuttgart. Report – Otto von Bamberg Prof. Dr. Felix Biermann, Universität Stettin/Szczecin und Landesamt für Denkmalpflege und Archäologie SachsenAnhalt – Landesmuseum für Vorgeschichte, Halle (Saale). Report – Lamellenpanzer Dr. Elke Nieveler, LVR-LandesMuseum Bonn.

Impressum Herausgeber Verband der Landesarchäologien in der Bundesrepublik Deutschland: Dr. Ulf Ickerodt, Prof. Dr. Michael Rind, Prof. Dr. Franz Schopper, Dr. Regina Smolnik, Prof. Dr. Claus Wolf und wbg. Wissenschaftlicher Beirat Prof. Dr. Alexandra W. Busch, Dr. Erich Claßen, Prof. Dr. Nicholas Conard, Dr. Kerstin P. Hofmann, Dr. Detlef Jantzen, Prof. Dr. Dirk Krausse, Prof. Dr. Hauke Jöns, Prof. Dr. Harald Meller, Prof. Dr. Carola Metzner-Nebelsick, Prof. Dr. Matthias Wemhoff. Redaktion Verantwortlich im Sinne des Presserechts: Dr. Martin Kempa, Verlagsbüro Wais & Partner, Reinsburgstraße 104, 70197 Stuttgart, E-Mail: [email protected]. Allgemeiner Teil: Dr. Erwin Keefer (EK), Dr. Martin Kempa (MK), Annine Fuchs M.A. (AF), André Wais (AW). Kontakt Redaktion: Telefon 0711 621803, Fax 0711 6150340, E-Mail: [email protected]. Aktuelles aus der Landesarchäologie: Dr. Martin Kempa für den Verband der Landesarchäologen in der Bundesrepublik Deutschland c/o Verlagsbüro Wais & Partner, Stuttgart. Auslandskorrespondenten Dr. Laura Burkhardt, Halle (Saale); Dr. Michal Ernée, Prag; Dr. Alessandra Giumlia-Mair, Moskau/Meran; Dr. Erwin Keefer, Stuttgart; Dr. Antonella Pedergnana, Zürich; Jesper Tae Jensen, Kopenhagen; Annabell Zander, York. Verlag Veranwortlich für den Anzeigenteil: Holger Kieburg, wbg, Dolivostraße 17, 64293 Darmstadt. Die wbg (Wissenschaftliche Buchgesellschaft) ist ein wirtschaftlicher Verein gem. § 22 BGB durch staatliche Verleihung des Landes Hessen und wird im Register der Stadt Darmstadt geführt. Chefredaktion Zeitschriften: Holger Kieburg, Marketing / Vertrieb Zeitschriften: Alexandra Swart. Anzeigenverwaltung Agentur Hanne Knickmann – Kulturprojekte Theaterstraße 7, 69117 Heidelberg Telefon 06221 67342-50, Fax 06221 67342-51, [email protected] www.hanne-knickmann.de Gestaltung und Herstellung Tanja Krichel, Verlagsbüro Wais & Partner, Stuttgart Druck Printed in Germany Reproduktionen D\D\S Digital Data Service Lenhard, Stuttgart Bezugspreis und Bezugsbedingungen Jahresabonnement, sechs Hefte und drei Sonderhefte 99,95 Euro (D) inkl. Porto. Für Schüler und Studenten (gegen Nachweis): Jahresabonnement, sechs Hefte und drei Sonderhefte 69,95 Euro (D) inkl. Porto. Preis des Einzelheftes 12,95 Euro, Preis des Sonderheftes 17,95 Euro, zuzüglich Versandspesen. Preise inklusive Mehrwertsteuer. Abbestellungen auf Abonnements sind schriftlich möglich unter Einhaltung einer Frist von vier Wochen vor dem Ende des Jahresabonnements. Bei Lieferausfall infolge höherer Gewalt besteht kein Anspruch auf Nachlieferung oder Rückzahlung.

Kommentar

ISSN 0176-8522

Prof. Dr. Michael Baales, LWL-Archäologie für Westfalen, Außenstelle Olpe;

Alle Rechte vorbehalten. Nachdruck und Vervielfältigung, auch auszugsweise, nur mit Genehmigung des Verlages. Der Verlag haftet nicht für unverlangt eingesandte Beiträge.

Dr. Bernhard Stapel, LWL-Archäologie für Westfalen, Außenstelle Münster.

© wbg (Wissenschaftliche Buchgesellschaft), Darmstadt

Sehenswert

Erfüllungsort und Gerichtsstand: Darmstadt.

Dr. Barbara Fritsch, Landesamt für Denkmalpflege und Archäologie Sachsen-Anhalt – Landesmuseum für Vorgeschichte;

Abo-Service AiD AiD-Abonnentenservice Postfach 1331, 53335 Meckenheim, Telefon 02225 7085-361, Fax 02225 7085-399, [email protected]

Dr. Julia Gräf, Johann-Friedrich-Danneil-Museum Salzwedel.

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Bücher und Medien

Liebeszauber und Wahrsagung Aberglaube, Magie und Prophezeiung im Altertum Ernst Künzl Oppenheim: Nünnerich-Asmus Verlag 2021, 128 S., 52 meist farb. Abb., 20 Euro Das Klopfen auf Holz soll Unglück abwenden. Vierblättrige Kleeblätter werden mit Glück assoziiert. Und die Zahl 13 ist für viele so sehr mit Unglück verknüpft, dass in manchen Gebäuden auf ein 13. Stockwerk verzichtet wird. Aberglaube und damit verbundene Praktiken haben eine sehr lange Geschichte, die sich durch alle Kulturen hindurch von der Antike bis in die Gegenwart verfolgen lässt. Anhand zahlreicher archäologischer Funde zeigt Ernst Künzl auf, wie Menschen mithilfe magischer Gegenstände und abergläubischer Handlungen versuchten, Einfluss auf ihre Umwelt und die Zukunft zu nehmen. Der erste Teil des Buches widmet sich der in allen sozialen Schichten verbreiteten Anwendung von Amuletten. Es folgt ein Teil über antike Schadens-, Heilungs- und Liebeszauber in Form von Fluchtafeln, Zauberpuppen, magischen Gemmen etc. – Formen der Magie, die in gehobeneren sozialen Schichten anzutreffen waren. Der dritte Teil beschäftigt sich mit dem in vielen Fällen von der sozialen Elite organisierten Orakelwesen. Zahlreiche Herrscher des antiken Rom, Griechenland und Mesopotamien beanspruchten die Dienste von Orakelheiligtümern wie dem Apollonorakel von Delphi und anderen. Auch Traumdeutung, Leberschau, Astrologie und weitere Formen der Weissagung werden in diesem Teil behandelt. Alles in allem gelingt Ernst Künzl mit seinem Buch ein guter und anschaulicher Einstieg in die Welt der Magie und des Aberglaubens von prähistorischer Zeit bis in die Spätantike. | Alexandra Hornung 78

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Peru – ein Katzensprung Die Sammlung präkolumbischer Textilien im Deutschen Textilmuseum Krefeld

Liegt die Antwort in den Sternen? Wie Astrophysik die Rätsel der Archäologie löst

Annette Paetz gen. Schieck und Isa Fleischmann-Heck (Hrsg.) Oppenheim: Nünnerich-Asmus-Verlag 2022, 320 S., 363 Abb., 49 Euro

Gisela Graichen, Harald Lesch Berlin: Propyläen 2022, 320 S., 32 Euro

Die Krefelder Textilien Altamerikas, vornehmlich Perus, stehen im Zentrum eines internationalen wissenschaftlichen und kulturellen Netzwerkes, das das südamerikanische Land nur einen »Katzensprung« entfernt erscheinen lässt. Hinzu kommt, dass katzenartige Wesen zu den beliebtesten künstlerischen Motiven dieser Weltregion gehören. Aus seinem Fundus präsentiert das Museum in einer Ausstellung und mit diesem Katalog 206 in ausgezeichneten Fotografien abgebildete Stoffe und textiltechnische Produktionsmittel, die den Zeitraum von der Chavin- und Cupisniquekultur des späteren 2. Jt. v.Chr. bis in die Moderne (20. Jh.) umfassen. Genauso weit wie der chronologische Rahmen sind auch die Themenfelder gesteckt. Neben den materialkundlichen, den altamerikanistischen Verortungen kommt der Personal-, Museums- sowie der bis in die Nachkriegszeit reichenden Ausstellungs- und Forschungsgeschichte zu den peruanischen Textilien eine wichtige Rolle zu. Die Untersuchungen der Übertragung in zeitgenössisches Design, für das die Krefelder Textilien Vorbilder lieferten, berühren zwar den wichtigen Aspekt von »Aneignung«. Doch kommen jene ohne die oft moralisierende Unterlegung entsprechender Studien aus. Das Buch ist allen, die sich für neuweltliche Kulturgeschichte, andine Stoffe, für Textilforschung sowie für Strukturen von Museumssammlungen und die Mechanismen von Museumsarbeit interessieren, zu empfehlen. | Jochen Haas

Ohne Erich von Däniken, die »Hämorrhoide am Hintern der Wissenschaft« (H. Lesch in DLF Kultur) einerseits und Gisela Graichen andererseits, die uns seit C14 nun schon über Jahrzehnte hinweg zur sonntäglichen primetime-Zeit beste archäologische Wissenschaft präsentiert, wäre dieses spannende Buch nicht denkbar. Postulierte der eine vor über 50 Jahren die recht nebulöse Präastronautik, sucht die andere stets beharrlich nach fundierten wissenschaftlichen Erklärungen: Ganz aktuell im ZDF die ungelösten Fälle der Archäologie. Und so dreht sich in der Publikation viel um Nasca-Linien, die frühdynastische Sabu-Scheibe, natürlich die Pyramiden und mehr. Mit Harald Lesch, Graichens kongenialem ZDF-Moderator, tritt ihr der Naturwissenschaftler als kosmischer Explainer zur Seite. Erstaunlich, was Astrophysik, satellitengestützte Forschung, LiDAR- oder Myonen-Scans der Archäologie gebracht haben; faszinierend, wie bislang Rätselhaftes nun zu entschlüsseln ist. Eine Rolle spielen dabei unter anderem der für die Präastronautik der 60er-Jahre stilbildende Perry Rhodan, die Beziehungen der Dogon in Mali zum Sirius und selbstverständlich die Gretchen-Frage, wie wahrscheinlich es wohl ist, dass wir (nicht) alleine im Universum waren, sind und bleiben. Ergänzt um einen Gastbeitrag von Peter Prestel über das Sternenwissen in den Pyramiden von Gizeh, lösen Graichen und Lesch auf so unterhaltsame wie gelungene Weise manch Rätsel archäologischer und zivilisatorischer Phänomene mit himmlischem Bezug, ohne je langweilig zu werden. | EK

Diokletian Kaiser zweier Zeiten Alexander Demandt München: C. H. Beck 2022, 432 S., 20 farb. und 30 s/w-Abb., 32 Euro Aus einfachsten Verhältnissen stammend, hatte es der römische Kaiser Diokletian über eine Offizierslaufbahn bis an die Spitze des Reiches geschafft. Aufgrund zahlreicher politischer und wirtschaftlicher Reformen markiert seine Regentschaft den Übergang von der Zeit der Soldatenkaiser zur Spätantike. Von diesen Maßnahmen ist neben der Einführung der Tetrarchie als Herrschaftsform insbesondere das Höchstpreisedikt aus dem Jahr 301 n. Chr. der Nachwelt im Gedächtnis geblieben, obwohl Erstere nicht allzu lange Bestand hatte und Letzteres wenig erfolgreich war, da seine Umsetzung nur schwerlich flächendeckend kontrolliert werden konnte. Dennoch wurde Diokletian für viele seiner Reformen und die damit verbundene Stabilisierung des Reiches nach innen und außen bereits seit der Antike einige Anerkennung zuteil. Ein völlig anderes Bild zeichnen hingegen die christlichen Autoren, die ihn aufgrund der unter ihm und seinem Mitkaiser Maximian stattgefundenen Verfolgungen aufs Schärfste verurteilen. Alexander Demandt, ausgewiesener Fachmann für die Spätantike, schildert ausführlich die Zeit Diokletians und bettet diese gekonnt und recht umfassend in die römische Geschichte als Ganzes ein. Dabei bleibt er stets nahe an den schriftlichen Quellen und berücksichtigt darüber hinaus auch Kunstdenkmäler sowie die Rezeptionsgeschichte. Ansprechend geschrieben, ist dieses Buch somit jedem, der sich tiefgehend für die Zeit Diokletians interessiert, sehr zu empfehlen. | Martin Dietrich

In der Redaktion eingetroffen Archäologie im Rheinland 2021

Demokratie in der griechischen Antike Athen, Unteritalien, Sizilien Maurizio Giangiulio Darmstadt: wbg Philipp von Zabern 2022, 224 S., 1 Karte, 60 Euro Professor Dr. Maurizio Giangiulio von der Universität Trient, dessen neuestes Forschungsprojekt (2020–2023) sich mit der Untersuchung der literarischen Orakelantworten des Orakels von Delphi befasst, stellt uns in diesem Buch seine profunden Kenntnisse über die Regierungsform, die Demokratie, in der klassischen Periode in Griechenland und der Magna Graecia vor. Den Anfang macht er mit einer Reflexion und einem Ausblick auf die Demokratie als Regierungsform in der modernen Zeit. Es folgt ein Kapitel, das die Ursprünge und die Entwicklung der Demokratie in Athen ausführlich darstellt, und dann der zweite Teil des Buches mit vier spannenden Kapiteln über die Demokratie in Süditalien und Sizilien. Die vier Fallstudien über die Stadtstaaten Syrakus, Kroton, Thurioi und Tarent zeigen, wie schwierig die Bedingungen für die Demokratie als Regierungsform im 5. Jh. v. Chr. in Magna Graecia waren. Das Buch schließt mit einer kurzen, aber nützlichen Zeittafel, einer guten Bibliografie, in der Studien zur Demokratie vertieft werden können, und einem etwas zu knappen Namensregister. Das Buch ist vor allem wegen der vier ausgezeichneten Studien zu den Stadtstaaten Syrakus, Kroton, Thurioi und Tarent zu lesen, die in der Forschungsliteratur oft nicht hervorgehoben werden. Und so sind gerade diese vier Studien zu begrüßen, in denen die profunden Kenntnisse des Autors wirklich spürbar werden. | Jesper Tae Jensen

Fred in der Eiszeit Der Feuerzauber

Spieltipp Fire & Stone

Birge Tetzner; mit Illustrtaionen von Karl Uhlenbrock Berlin: ultramar media Verlag 2022, 207 S., empf. ab 10 Jahren, 22 Euro

Brettspiel von Klaus-Jürgen Wrede Friedberg: Pegasus Spiele 2022, 2–4 Spieler, ab 10 Jahren, ca. 40 Euro

Fachwissen vereint mit einer fesselnden Geschichte, so lässt sich das Abenteuer des Archäologensohns Fred beschreiben. Fred gerät während einer Ausgrabung in einen Zeitstrudel und findet sich in der Eiszeit auf der Schwäbischen Alb wieder. Dort trifft er auf die Kinder Bo und Lu und taucht ein in das Leben der Jäger und Sammler jener Zeit. Zusammen trotzen sie den Gefahren wilder Tiere, kämpfen gegen die Kälte und arbeiten für das Überleben des Clans. Herausragend sind die aufwendigen und detailreichen Illustrationen, die die Leser tief in die Welt der Eiszeit abtauchen lassen. Naturgetreue Lebensbilder beschreiben das Leben zurzeit der Höhlenmalereien, Wildpferde und Löwen. Die zahlreichen Zeichnungen schaffen eine eindrückliche Atmosphäre, welche auch ältere Leser in ihren Bann ziehen. Die ausführlichen und gründlich recherchierten Fachinformationen sind geschickt in die Erzählung eingewoben und vermitteln Wissen unter anderem zur Domestizierung der Wölfe, der Nutzung von Speerschleudern oder auch zur Verwendung des Feuers. Besonders hervorzuheben sind die weiterführenden Informationen am Ende des Buches zu den Fundorten wie der Brillenhöhle, dem Geißenklösterle und vielen weiteren archäologischen Fundstellen, sodass ein Besuch vor Ort leicht planbar wird. Daneben gibt es eine Auswahl an europäischen Museen und Fundorten mit umfangreichen Sammlungen zu unseren frühen Vorfahren. | Julia Menne

Von der afrikanischen Wiege der Menschheit geht es auf in eine unbekannte Welt voller Überraschungen in Form von Plättchen, unter denen alles liegt, was man zum Überleben braucht. Bewegt wird sich zunächst mit einem, im späteren Verlauf mit zwei Spähern, die einen fiktiven Urkontinent erkunden, der in drei Regionen gegliedert ist: im Westen Afrika und Europa, in der Mitte Asien und Australien und im Osten Nord- und Südamerika. Obgleich die Welt während der Steinzeit nicht so ausgesehen hat, wie auf dem Spielbrett dargestellt, werden durch das deutliche Abweichen zur heutigen Weltkarte indirekt die Plattentektonik wie auch das damit verbundene, immer wieder entstandene Phänomen der begehbaren Landbrücken ins Gedächtnis gerufen. Zu sehr aufhängen sollte man sich daran nicht, gibt es doch Anlass zu Diskussion und Austausch, was letztlich eine längere Auseinandersetzung mit dem Thema fördern kann. Startpunkt ist immer ein Gebiet im Süden Afrikas, von wo aus die umliegenden Felder erkundet werden. Neben Nahrung tauchen auch Siedlungsplätze, Wälder, Lagerfeuer und geheime Verstecke auf, mittels derer Ressourcen gewonnen, Hütten gebaut oder Erfindungen (wie der Schiffsbau) gemacht werden können. Erst wenn alle Hütten einer Hauptregion aufgedeckt worden sind, ist es möglich, sich in die nächste zu begeben. Mit dem elften Hüttenplättchen wird das Spielende eingeleutet. Jener Stamm, der die meisten Punkte nach der Wertung hat, gewinnt. Unabhängig von der ein oder anderen archäologischen Ungenauigkeit ein ganz wundervolles Spiel mit Suchtfaktor. | AF

LVR-Amt für Bodendenkmalpflege im Rheinland und Römisch-Germanisches Museum der Stadt Köln Oppenheim: Nünnerich-Asmus Verlag 2022, 272 S., zahlr. Farbabb., 26 Euro Von der Erd- und Vorgeschichte über das Mittelalter bis hin zur Öffentlichkeitsarbeit – im Jahrbuch der rheinischen Archäologie wird allgemeinverständlich und reich bebildert ein einzigartiger Überblick zu den wichtigsten Ausgrabungs- und Forschungsergebnissen des Jahres 2021 gegeben.

Vergangene Pracht Eine Geschichte der römischen Provinz Pannonia und des angrenzenden Donauraums im Lichte der Kleinfunde Andreas Liebmann, Franz Humer (Hrsg.) Oppenheim: Nünnerich-Asmus Verlag 2021, Austria Antiqua 7, 728 S., 1270 Abb., 60 Euro Ein umfangreicher Katalog präsentiert über 1000 Abbildungen von Gegenständen, die zunächst nach groben Überkategorien wie »Militär« oder »Kleidung« und schließlich detaillierter nach bestimmten Arten von Fundobjekten wie »Schreibgeräte« sortiert sind.

Vorgeschichtliche Techniken im archäologischen Experiment im Steinzeitpark Dithmarschen Rüdiger Kelm, Birte Meller (Hrsg.) Husum: Husum Druck- und Verlagsgesellschaft 2021, Albersdorfer Forschungen zur Archäologie und Umweltgeschichte 7, 183 S., 17,95 Euro Gesammelt werden hier die Ergebnisse universitärer Forschungs- und Experimentalprojekte seit 2012 vorgestellt.

Tutanchamon Sonderheft der Woche – zum 100. Jahrestag der Entdeckung Manfred-Guido Schmitz (Hrsg.) Nordstrand: M.-G.-Schmitz-Verlag 2022, 74. S., 22 Euro Bei diesem Titel handelt es sich um ein Reprint der ursprünglichen und längst vergriffenen Ausgabe mit vielen Abbildungen, darunter auch den ersten Farbabbildungen im deutschsprachigen Raum, aus Tutenchamuns Grab. Dem vorangestellt ist ein vom Herausgeber verfasster Diskussionsbeitrag zu dessen Entdeckungsgeschichte. AiD 2 | 2023

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Ausstellungen

Bitte vergewissern Sie sich, wenn Sie einen Ausstellungsbesuch planen, ob die hier gemachten Angaben noch stimmen. Ausstellungsdaten ändern sich oft sehr kurzfristig. Deshalb kann die Redaktion leider keine Gewähr übernehmen. Als Abonnent erhalten Sie mit der KulturCard vergünstigten Eintritt in die Museen unserer Partner! Dies kann eine Ermäßigung von 40–50 Prozent auf den regulären Eintrittspreis oder zwei Karten zum Preis von einer sein. Bitte achten Sie auf dieses Symbol!

logie faszinieren bis heute viele Menschen. Deshalb gab es immer auch eine populäre Aufarbeitung in Bildgeschichten und Illustrationen. Neben der humorvollen Auseinandersetzung mit unserer Geschichte sind aktuell Wissenschaftscomic und archäologische Zeichnungen wichtige Ausdrucksmittel moderner Feldforschung. 16. April bis 26. November 2023 MAMUZ Schloss Asparn/Zaya Schlossgasse 1 A-2151 Asparn/Zaya Di bis So 10–17 Uhr www.mamuz.at

ren eigens produzierte Videoaufnahmen und Computeranimationen der archäologischen Stätten die Gäste durch die lebendige Kulturlandschaft Usbekistans vom 4. Jh. v. Chr. bis in das 4. Jh. n. Chr. 4. Mai bis 5. November 2023 James-Simon-Galerie Bodestraße 10178 Berlin Di bis So 10–18, Di 10–20 Uhr www.smb.museum

Darmstadt

Basel Nur Online! Alles bleibt anders Transformationsprozesse in Raum und Zeit Keine Gesellschaft lebt ewig. Diese Tatsache mag erst einmal für Aufregung sorgen – dabei stellt dies den normalen Verlauf der Geschichte dar, denn Gesellschaften und ihre Umwelten verändern sich ständig. Wenn sich grundlegend und dauerhaft etwas verändert, sprechen wir von Transformationen. Das kennen wir heute, und das kennen wir auch aus der Vergangenheit, denn Transformationen bestimmen, wer wir sind, wie wir heute leben, und wie wir uns weiterentwickeln. Die Gründe für solche Transformationen sind zahlreich, divers und kompliziert, denn sie bewegen sich im hoch dynamischen »Mensch-Umwelt«-Spannungsverhältnis. Die digitale Ausstellung des DFG-geförderten Sonderforschungsbereichs der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel zeigt in sieben Transformationen aus der Menschheitsgeschichte, wie verschiedene Ursachen und deren Zusammenspiel Menschen und Umwelt beeinflussten. In diesen spielen auch die heute relevanten Faktoren »Klima und Umwelt«, »Demografie und soziale Ungleichheit«, »mentale Welten«, »Bewegungen von Menschen, Tieren und Objekten« und »Ernährung« eine entscheidende Rolle. Digitale Ausstellung Start 15. Dezember 2022 www. allesbleibtanders.com

Asparn/Zaya Aufgezeichnet! Von der Höhlenmalerei zum modernen Comic Steinzeitliche Höhlenmalerei ein Vorgänger unserer Comics? Aber sicher! Urgeschichte und Archäo80

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Ave Caesar! Römer, Gallier und Germanen am Rhein Bereits in der Antike ist der Rhein eine wichtige Handelsroute und Verkehrsachse quer über den Kontinent. Die Ausstellung zeigt nicht nur die Bedeutung des Flusses für die frühe Geschichte der Region Basel, sondern für ganz Europa und hebt zunächst die epochale Zäsur hervor, die durch Caesars Feldzüge (58–51 v.Chr.) entstand. Thematisiert werden zudem die politischen, kulturellen und wirtschaftlichen Beziehungen zwischen dem Rheingebiet und den Hochkulturen des Mittelmeerraums vor Caesars Zeit. Der Fluss dient dabei als roter Faden, um spannende Aspekte der Kontakte zwischen dem aufstrebenden Imperium und den ansässigen Stämmen der Gallier und Germanen links und rechts des Ufers aufzuzeigen. 23. Oktober 2022 bis 30. April 2023 Antikenmuseum Basel St. Alban-Graben 5 CH-4010 Basel Di, Mi 11–17 , Do, Fr 11–22, Sa, So 10–16 Uhr www.antikenmuseumbasel.ch

Berlin Klasse und Masse Die Welt griechischer Tonfiguren Über Jahrhunderte hinweg wurden im antiken Griechenland und darüber hinaus Figuren aus gebranntem Ton hergestellt. Lange Zeit galten die Tonfiguren aufgrund von Material und Größe als billige Massenware ohne große Bedeutung. Dabei wirken die farbenfroh gefassten Figuren fast wie aus dem Leben gegriffen. Heute ist jedoch klar, dass sie im antiken Alltag stets eine wichtige Funktion hatten. Die Ausstellung legt den Fokus auf die Kontexte, in denen Tonfiguren ver-

wendet wurden, und eröffnet somit neue Perspektiven auf dieses oft unterschätzte Medium. 7. Oktober 2022 bis 2. Juli 2023 Altes Museum Am Lustgarten, 10178 Berlin Di bis So 10–18, Do 10–20 Uhr www.smb.museum

Archäologische Schätze aus Usbekistan Von Alexander dem Großen bis zum Reich der Kuschan Die Ausstellung präsentiert noch nie außerhalb Usbekistans gezeigte Kunstwerke und Kulturschätze aus der Zeit von Alexander dem Großen bis ins Reich der Kuschan. Ergänzend zu den Exponaten füh-

Urknall der Kunst Moderne trifft Vorzeit Wo liegt der Ursprung der Kunst? Dieser Frage ging der deutsche Ethnologe Leo Frobenius zu Beginn des 20. Jh. nach. Über zwei Dutzend Expeditionen führten ihn und seine Forschungsteams zu den Höhlenmalereien Europas, Afrikas und Asiens. Der ungarische Forscher Lászlo Almásy entdeckte dabei die berühmte »Höhle der Schwimmer«. Die mitgereisten Künstlerinnen und Künstler fertigten über 8000 gemalte Nachschöpfungen dieser sensationellen Bilderwelten an. Für sie war die Entdeckung der Höhlenmalereien ein Schlüsselerlebnis, viele ließen sich von diesen Uranfängen der Kunst inspirieren. Die Ausstellung geht dieser künstlerischen Auseinandersetzung erneut nach. Rund 80 Leihgaben lassen die Felsbilder in einen Dialog mit Werken der Moderne treten und schlagen den Bogen u.a. zur Kunst von Joseph Beuys, Joan Miró, Paul Klee, Pablo Picasso, Hans Arp, Willi Baumeister und André Masson. Auch von der realen Frobenius-Expedition aus dem Jahr 1933 selbst werden in der Ausstellung originale Farben und

Malutensilien zu sehen sein, die vor wenigen Jahren bei nachträglichen Ausgrabungen vor Ort gefunden wurden. 24. März bis 25. Juni 2023 Hessisches Landesmuseum Darmstadt Friedensplatz 1, 64283 Darmstadt Di, Do, Fr 10–18, Mi 10–20, Sa, So, feiertags 11–17 Uhr www.hlmd.de

Frankfurt a. M. MITHRAS Annäherungen an einen römischen Kult Zum Ende einer Reise mit Stationen in Belgien und Frankreich kehren die Denkmäler des MithrasKults aus der römischen Stadt Nida (Frankfurt am Main-Heddernheim) zurück nach Frankfurt. Zentraler Bestandteil der Schau sind die herausragenden Funde aus den Mithras-Heiligtümern von Nida, die bereits im 19. Jh. die Aufmerksamkeit der Altertumsforschung erregten. Gemeinsam mit zahlreichen Objekten aus Mithräen des Limesgebiets an Rhein und Donau bilden sie den Schwerpunkt der Ausstellung. Ausgewählte Denkmäler aus dem antiken Gallien und Italien ermöglichen zudem einen Blick auf Gemeinsamkeiten und Unterschiede zwischen den Grenzregionen und den kulturellen Zentren im Westen des Imperium Romanum. Dank einer engen Kooperation mit einer Vielzahl europäischer Museen werden nicht nur die Ergebnisse aktueller archäologischer Forschung präsentiert, sondern auch ein Blick auf die Rezeptionsgeschichte des Mithraskults bis in die Neuzeit geworfen. Somit bietet die Schau einen ungewöhnlichen, neuen Blick auf diese Gottheit und ihren faszinierenden Kult, der bis heute in vielen Bereichen Rätsel aufgibt. 25. Nov. 2022 bis 10. April 2023 Archäolog. Museum Frankfurt Karmelitergasse 1 60311 Frankfurt am Main Di bis So 10–18, Mi 10–20 Uhr www.archaeologisches-museumfrankfurt.de

chäologischen Museums Colombischlössle präsentiert Erkenntnisse aus dieser spannenden Epoche. War es nur eine Zeit des Untergangs? Lange Zeit ging die Forschung davon aus, die Gesellschaft am südlichen Oberrhein wäre nach dem Ende des Weströmischen Reiches zusammengebrochen. Archäologische Funde wie kostbarer Schmuck, Schwerter von höchster Qualität und Importgüter aus fernen Ländern erzählen eine ganz andere Geschichte. Innerhalb von drei Jahrhunderten verändert sich das Leben der Menschen in vielen Bereichen: Auf den Anhöhen werden Plätze befestigt und ausgebaut, in der Ebene entwickeln sich Höfe und Dörfer. In ihrer Nähe wachsen aus kleinen Friedhöfen über Generationen hinweg große Gräberfelder mit mehreren Hundert Bestattungen. seit 6. Oktober 2022 Archäologisches Museum Colombischlössle Rotteckring 5 79098 Freiburg im Breisgau Di bis So 10–17, Mi 10–19 Uhr www.freiburg.de/pb/265394.html

Iphofen Friedberg (Bayern) Zwischen Baiern und Schwaben Das Lechtal im frühen Mittelalter Erstmals sollen frühmittelalterliche archäologische Funde aus dem Lechtal in einer umfassenden Zusammenschau präsentiert werden. Im Spannungsfeld zwischen Kontinuität und Wandel entstanden am Übergang zwischen Antike und Mittelalter Siedlungs- und Herrschaftsstrukturen, die das Lechtal für viele Jahrhunderte prägen sollten. Wichtige Schwerpunkte sind die Mobilität früher Eliten und ihre Rolle bei der herrschaftlichen Erschließung des Landes sowie der Wandel und die Entstehung von ethnischen Identitäten. 28. Januar bis 23. April 2023 Museum im Wittelsbacher Schloss Friedberg/Bayern Schlossstr. 21 86316 Friedberg Di bis So und Feiertage 10–17 Uhr www.museum-friedberg.de

Freiburg im Breisgau Halle (Saale) Untergang und Aufbruch Frühmittelalter am südlichen Oberrhein Wie die Zeit der Römer und Ritter aussah, können sich fast alle vorstellen. Aber was passierte in den rund 500 Jahren dazwischen? Der neue Ausstellungsraum des Ar-

rasischen Steppenzone im Karpatenbecken und an der unteren Donau. Von dort zogen ihre Krieger bis an die Nord- und Ostsee sowie bis nach Spanien und Süditalien. Die Ausstellung führt in die frühmittelalterlichen Reiche der Hunnen, Awaren und Ungarn, in ihre Geschichte und zu ihren archäologischen Hinterlassenschaften. Sie bietet auf Grundlage neuester wissenschaftlicher Erkenntnisse und mit herausragenden Exponaten erstmals eine vergleichende Betrachtung dieser zeitlich aufeinander folgenden Kulturen (5.–10. Jh. n. Chr.). Diverse Nationalmuseen und Sammlungen Mittel- und Südosteuropas stellen herausragende Exponate für die Präsentation in Halle zur Verfügung. 16. Dez. 2022 bis 25. Juni 2023 Landesmuseum für Vorgeschichte Richard-Wagner-Straße 9 06114 Halle (Saale) Di bis Fr 9–17, Sa, So und feiertags 10–18 Uhr www.landesmuseumvorgeschichte.de

Reiternomaden in Europa Hunnen, Awaren und Ungarn Reiternomadische Herrschaften bestanden nicht bloß in den fernen Steppengebieten jenseits unseres Horizonts, sondern auch in Mitteleuropa, in den Ausläufern der eu-

Glanz und Geheimnis Pracht und Macht des orientalischen Schmucks Wie ein Märchen aus Tausendundeiner Nacht: Orientalischer Schmuck scheint stets verwoben mit Schönheit, Reichtum – und Macht. Zudem wird ihm in traditionellen Gesellschaften eine magische Funktion zugeschrieben. Er wurde getragen, um vor Unheil zu schützen und um Segen zu erlangen. Die Schmuck-

gen von Jahrtausenden erhalten. Gezeigt wird erstmalig aus der großartigen Sammlung von Peter Hösli orientalischer Schmuck aus dem Jemen, dem Oman, aus Saudi-Arabien sowie aus der Levante: Ketten, Arm- und Halsbänder, Ringe, Gürtel, Gehänge, schmuckverzierte Kleider, Kopfbedeckungen und prunkvolle Gesichtsschleier. Zusammen mit Textilien aus der Sammlung Widad Kawar erwartet den Besucher eine einmalige Sonderausstellung, die von der prächtigen Vielfalt und Schönheit orientalischen Kunsthandwerks zeugt. 26. März bis 5. November 2023 Knauf-Museum Iphofen Am Marktplatz, 97343 Iphofen Di bis Sa 10–17, So 11–17 Uhr www.knauf-museum.de

Konstanz Gladiatoren Helden des Kolosseums Grausame Unterhaltung oder der Triumph menschlicher Tapferkeit über den Tod? Mit inszenierten Kampfplätzen und Arenen nördlich der Alpen, lebensgroßen Gladiatoren in originalgetreuer Kampfmontur und interaktiven Medienstationen vermittelt die neue Sonderausstellung im ALM ein umfassendes, aber differenziertes Bild vom Leben und Sterben der Gladiatoren. Neue wissenschaftliche Erkenntnisse, ausgewählte archäologische Funde sowie hochwertige Rekonstruktionen und Modelle helfen dabei, Fakten und Fiktion zu trennen. 6. April bis 8. Oktober 2023

Die Besatzung des spätantiken Burgus hat alle Hände voll zu tun, denn es nähern sich Angreifer, die es auf die Getreidevorräte abgesehen haben. In der hochmittelalterlichen Motte tummeln sich tapfere Ritter und edle Burgfräulein. Und die spätmittelalterliche Adelsburg liegt unter schwerem Kanonenbeschuss! bis 10. September 2023 beide: Archäologisches Landesmuseum Benediktinerplatz 5 78467 Konstanz Di bis So, feiertags 10–18 Uhr www.alm-bw.de

Manching Im Dienst Roms Legionen und Hilfstruppen »Erste Legion, ditte Kohorte, zweites Manipel, erste Zenturie!« Dieser Einheit werden Asterix und Obelix bei ihrem Eintritt in die römsche Armee zugteilt – wer soll sich das bitteschön merken? Doch zur Sicherung und Erweiterung eines Imperiums bedufte die antike Supermacht Rom einer professionell strukturierten Streitmacht. Zusammen mit den Machern des Projekts »Mules of Marius« zeigt das Museum, wie die bis zu 6000 Mann starken Infanterieverbände, aber auch die »bararischen« Hilftruppen organisiert waren. In szenisch arrangierten hochwertigen Modelllandschaften und Zeichnungen erwachen die antiken Soldaten nahezu zum Leben. Und die Gäste dürfen an Mitmachstation selbst aktiv werden: An einer Trainingsstation heißt es, sebst mit Schild und Gladius gegen den Holzpfahl anzutreten – wer hat das Zeug zum römischen Soldaten? verlängert bis 1. Mai 2023 kelten römer museum Im Erlet 2 85077 Manching Di bis Fr 9.30–16, Sa, So, feitertags 1017 Uhr www.museum-manching.de

Mettmann Pompeji – Pracht und Untergang hersteller verwendeten Materialien wie Gold, Silber, Korallen, schöne Steine, Perlen, Bernstein und Fayence. Der Schmuck wurde oft von Generation zu Generation weitergegeben. War ein Stück sehr abgetragen, wurde das Silber eingeschmolzen und in derselben Art neu geschaffen. So konnten sich in diesem Schmuck die Erinnerun-

Archäologie & Playmobil – Burggeschichten Diesmal zeigen die kleinen Playmobil-Bewohner, wie sehr sich die Burgen von der keltischen Heuneburg bis zur spätmittelalterlichen Adelsburg verändert haben. So werden wir Zeuge, wie hinter den Lehmziegelmauern der keltischen Heuneburg Handel getrieben wird.

Alltag der Menschen in der einst reichen römischen Stadt Pompeji und die letzten Stunden bis zu ihrem Untergang im Jahr 79. n. Chr. sind Gegenstand dieser Ausstellung. Videoinstallationen führen durch die Häuser und Höfe am Fuße des Vesuvs und veranschaulichen die Pracht der gefundenen Wandmalereien, die nicht nur ArAiD 2 | 2023

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Ausstellungen chäologen faszinieren. Die Ruinen, die Alltagsgegenstände und die Menschen, die sich bis heute perfekt in der Asche erhalten haben, erzählen von dem dramatischen Untergang einer Stadt, die immer noch als eine der reichsten archäologischen Schatzkammern der Welt gilt. Nachbildungen der Ascheleichen veranschaulichen das Unglück der Menschen, die bis zuletzt in ihren Häusern blieben. 19. November 2022 bis 7. Mai 2023 Neanderthal Museum Talstraße 300, 40822 Mettmann Di bis So 10–18 Uhr www.neanderthal.de

Mistelbach KELTEN Das MAMUZ Museum Mistelbach widmet sich 2023 einer außergewöhnlichen Kultur – den Kelten. Dabei stehen Alltag, Kunst und Rituale im Mittelpunkt, die uns die Lebenswelten der Kelten näherbringen, individuelle Lebensgeschichten erzählen und gängige Klischees widerlegen. Lassen Sie sich von einzigartigen Funden, neusten wissenschaftlichen Erkenntnissen und übergroßen Repliken zum Anfassen faszinieren! 18. März bis 26. November 2023 MAMUZ Museum Mistelbach Waldstraße 44–46 A-2130 Mistelbach Di bis So 10–17 Uhr www.mamuz.at

München Neues Licht aus Pompeji Zum ersten Mal widmet sich eine Ausstellung umfassend der Technik, Ästhetik und Atmosphäre des römischen Kunstlichts. Keine andere Stadt der Antike hat so viele Beleuchtungsgeräte hervorgebracht wie das tragisch verschüttete Pompeji. Die Ausstellung bringt 180 Bronzeoriginale aus den Vesuvstädten nach München: Öllampen, Kandelaber, Lampenständer und figürliche Lampen- und Fackelhalter. Neben weltbekannten Statuen und Lampenskulpturen präsentiert sie auch unbekannte Altfunde des Archäologischen Nationalmuseums in Neapel, die seit dem 19. Jh. nicht mehr oder noch nie ausgestellt waren. Das Forschungsprojekt »Neues Licht aus Pompeji« (LMU) hat sie in einem interdisziplinären Forschungsprogramm systematisch erforscht und präsentiert sie nun erstmals der Öffentlichkeit. Zahlreiche Stücke wurden eigens für die Ausstellung restauriert.

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8. November 2022 bis 2. April 2023 Staatliche Antikensammlungen Königsplatz 1 80333 München Di bis So 10–17 Uhr www.antike-amkoenigsplatz.mwn.de

Speyer Die Habsburger im Mittelalter Aufstieg einer Dynastie Die Dynastie der Habsburger prägte über Jahrhunderte die Geschicke Europas. Die Wurzeln der Familie, die als „Haus Österreich“ bekannt wurde, liegen jedoch unter anderem im Südwesten Deutschlands. Rudolf I., der 1273 als erster Habsburger zum König des Heiligen Römischen Reiches gewählt wurde, legte den Grundstein für den Aufstieg vom Grafen- zum Kaiserhaus. Beigesetzt wurde er, »wo mehr meiner Vorfahren sind, die auch Könige waren« – im Kaiserdom zu Speyer. Die Ausstellung erzählt die Geschichte der Habsburger durch das europäische Mittelalter. Sie folgt den Kämpfen um die Königsherrschaft im 13. und 14. Jh. und dem Erstarken des Hauses Österreich im Schatten der Krone bis zur Rückkehr auf den Thron und schließlich Maximilian I. auf die Bühne Europas im 15. Jh.: 300 Jahre Reichsgeschichte und zugleich eine Erfolgsgeschichte mit schicksalhaften Umwegen und Brüchen. Begleitpublikation: 35 Euro 16. Oktober 2022 bis 16. April 2023 Historisches Museum der Pfalz Speyer Domplatz 4, 67346 Speyer Di bis So 10–18 Uhr museum.speyer.de

Stuttgart Berauschend 10 000 Jahre Bier und Wein Die Bedeutung von Bier und Wein für eine Gesellschaft ist kein Phänomen der Gegenwart. Denn die Herstellung von Alkohol seit circa 10 000 Jahren ist gut belegt. Bei gemeinschaftlichen Anlässen und im sozialen Austausch nahm der Konsum alkoholischer Getränke oftmals eine zentrale Rolle ein. Und so drängt sich die Frage auf, ob Alkohol nicht der eigentliche »Kitt der Gesellschaft« vergangener Kulturen war – und es vielleicht sogar heute noch ist? Die kulturhistorische Ausstellung spannt einen Bogen von der Steinzeit bis in die Gegenwart. Zentral ist dabei die Rolle, die Alkohol in sozialen

Kontexten gestern wie heute spielt(e). Auch mit Blick auf die Folgen für Individuum und Gemeinschaft. 22. Oktober 2022 bis 30. April 2023 Landesmuseum Württemberg Altes Schloss Schillerplatz 6 70173 Stuttgart Di bis So, 10–18, Do 10–20 Uhr www.landesmuseum-stuttgart.de

Tübingen Troia, Schliemann und Tübingen »Das Zusammentreffen von gleich mehreren Jahrestagen und der Tatsache, dass wir nicht nur über einen bedeutenden Troia-Forschungsschwerpunkt, sondern […] auch über zahlreiche Originale und Schliemannrepliken verfügen, sind Gründe genug, um ›Troia, Schliemann und Tübingen‹ zum Thema der großen Jahresausstellung 2022/ 23 auf Schloss Hohentübingen zu machen.«, so MUT-Direktor Ernst Seidl. Im Zentrum stehen Objekte aus dem reichen Fundus an TroiaOriginalen, verbunden mit einem umfangreichen Begleitprogramm. Ergänzt wird die Jubiläumsausstellung mit Exponaten zahlreicher Sammlungen der Universität sowie mit externen Leihgaben, die zusammen mit rund 200 unpublizierten Tübinger Fundstücken der Troia-Grabungen Schliemanns ein beeindruckendes Spektrum bieten. Parallel dazu ist eine Handson-Begleitausstellung für Kinder mit einem breiten museumspädagogischen Programm entstanden. Begleitpublikation: 39,90 Euro 28. Oktober 2022 bis 16. April 2023 Museum der Universität Tübingen Schloss Hohentübingen Burgsteige 11 72070 Tübingen Mi bis So, 10–17, Do 10–19 Uhr www.unimuseum.unituebingen.de

Wittelshofen Zeitszenen: Römer und manch‘ andere Geschichte(n) Playmobil und Zeitreise – inzwischen ein Klassiker, den man nicht mehr missen möchte! Das LIMESEUM präsentiert selbstverständlich römischen Alltag mit den beliebten Figuren. Neben ganz kleinen Alltagsszenen gibt es einige größere Darstellungen wie ein römisches Amphitheater, eine Seeschlacht oder ein Kampf Römer gegen Einheimische jenseits des Limes. Highlight der Sonderausstel-

lung ist ein etwa 10m2 großer Zeitstrahl mit ausgewählten Szenen von den ersten Lebewesen über Dinosaurier, die Steinzeit, das alte Ägypten und Griechenland, die Römerzeit und das Mittelalter bis heute. Für Kinder gibt es Spieltische und auch ein Gewinnspiel mit Preise von Playmobil. bis 30. Juli 2023 LIMESEUM und Römerpark Ruffenhofen Römerpark Ruffenhofen 1 91749 Wittelshofen Di bis Fr 10–16, Sa, So, feiertags 11–17 Uhr www.limeseum.de

Zug Zug – eine Schatzkammer der Archäologie Der Kanton Zug ist reich an Archäologie. Seit über 150 Jahren werden immer wieder neue Fundstellen und Funde entdeckt, seit 1930 werden sie der Öffentlichkeit in einem eigenen Museum präsentiert. Die Ausstellung rückt die Highlights der Zuger Archäologie ins Zentrum. Die Palette der archäologischen »Schätze« ist breit und überraschend, denn der wissenschaftliche Wert eines Fundes ist oft höher als der materielle Wert. Von Schwemmholz aus der Zeit der Pfahlbauer bis zum römischen Münzschatz, von der Kiesgrube im Wald bis zur Baustelle im Dorfzentrum: Ausgrabungen, Fundstücke und Persönlichkeiten werden vorgestellt und ihr Beitrag zur Zuger Archäologie gewürdigt. Die Ausstellung richtet sich an Besucherinnen und Besucher jeden Alters. Eine Münzsuche mit Metalldetektor, ein Scherbenpuzzle und weitere interaktive Stationen laden zum Mitmachen und Entdecken ein. Kinder im Schulalter erkunden die Ausstellung mit einer Schatzkarte, die über verschiedene Rätsel zum Code für den Museumsschatz führt. Auf der Kindergalerie können Vorschulkinder ihre Sammelleidenschaft entdecken, und im Atelier stehen neue Werkangebote bereit. 27. Nov. 2022 bis 21. Mai 2023 Museum für Urgeschichte(n) Hofstraße 15 CH-6300 Zug Di bis So 14–17 Uhr www.urgeschichte-zug.ch

Informationen zu weiteren Ausstellungen finden Sie unter www.aid-magazin.de/termine www.museenonline.org

Bildnachweis U1/20 picture alliance/Westend61/Vitta Gallery; S1o, 25o R. Vogelsang; S1u Steffen Fuchs; S2–3 bei den entsprechenden Beiträgen; S3mr Landesamt für Denkmalpflege im Regierungspräsidium Stuttgart/Ingo Rack; S3u, 48 J. Vogel, LVR-LMB; S4/5o B. Köşker, mit freundlicher Genehmigung des Sayburç-Projektarchivs; S4u BLfD/ M. Forstner; S5u LVR-LandesMuseum Bonn/ J. Vogel; S7o Ceren Kabukcu; S7m Graeme Barker; S7u Universität Kiel/M. Furholt; S9o Brandenburgviewer ©LGB; S9u BLDAM, Gabriel Graf; S8, 10–11 Oliver Thiel; S12o Kartierung: F. Schopper, Kartengrundlage: Geobasisdaten© GeoBasis-DE/LGB 2021 und Geoportal Berlin, dl-de/ by-2-0; S12u Biermann-Blum-Seifert AiBB 2018, 78 Abb. 78; S13o Biermann-Blum-Seifert AiBB 2018, 79 Abb. 81; S13u BLDAM, Elisabeth Kirsch; S14u M. Haase; S14/15o, 16, 17, 18u, 19, 83 DAI Kairo, M. Haase; S18o M. Haase, nach Felix Arnold, Dahschur IV. Tempelanlagen im Tal der Knickpyramide (Wiesbaden 2021) 90 Abb. 56; S21 SFB 806/Ralf Vogelsang; S22, 29o SFB 806/Karin Kindermann; S23o/u SFB 806/Frank Schäbitz; S24 Kartengrundlage A. Bolten, modifiziert von R. Vogelsang; S2ur/ul L. Opgenoorth; S26 Karte: Reto Stöckli, NASA Earth Observatory, bearb. durch K. Kindermann; S27 SFB 806/ Olaf Bubenzer; S28/29u SFB 806/Felix Henselowsky; S30–31 Florian Sauer; S32/33o-33u Jacopo Gennai; S34, S68o/u Peter Palm, Berlin; S35o picture alliance/dpa|Ingo Wagner; S35u João Zilhão; S36 Isabell Schmidt; S37o/u Thomas Einwögerer, ÖAW, ÖAI; S38, 39u, 40–41 Institut für Archäologien, Universität Innsbruck; S39o Andreas Steiner, Wien; S42l Universalmuseum Joanneum, Graz/N. Lackner; S42r Landesamt für Denkmalpflege im Regierungspräsidium Stuttgart/B. Csampai; wissenschaftliche Rekonstruktion L. Hansen/J. Abele ; S43 Karte: STORIES OF THE PAST: Virtual Journey Into Lost Landscapes joint exhibition. Design: Axon Hillock Ltd.M; S44 Karte: A. Swieder (Landesamt für Denkmalpflege und Archäologie Sachsen-Anhalt); Kartengrundlage: SRTM-Daten des U. S. Geological Survey (USGS)/National Aeronautics and Space Administration (NASA), public domain; Gewässer (WISE) nach Daten der European Environment Agency (EEA), Lizenz CC-BY 4.0; Meere: Natural Earth; freie Vektor- und Raster-Kartendaten @ naturalearthdata.com; S45o Fred Ruchhöft; S45u Entwurf: Marian Rębkowski, Zeichnung Wojciech Filipowiak; S46o Sabine Fiedler; S46u Arne Schmid-Hecklau; S47o Stephan Brather; S48l; LVR-LMB; Foto: J. Vogel, LVR-LMB; S48r Modell: L. Erner; Foto: J. Vogel, LVR-LMB.; S49o Vorlage: E. Nieveler, Zeichnung: O. Straub, LVR-LMB; S50o/ m RPS-LAD, Tübingen/Ch. Schwarzer; S50u RPSLAD, O. Braasch; S41l RPS-LAD/K. Puster; S51r Kohler&Tomo Archäologie; S52 R. Linck; S53o ABD-Dressler/D. Megel; S53m A. Schimmitat; S53u J. Brather; S54l BLDAM/L. Goldmann; S54r/ 55l Landesamt für Denkmalpflege Bremen; S55u ArchON Archäologiebüro Jan Bock/F. Kühle, J. Bock; S56l SPAU-GmbH; S56r hessenARCHÄOLOGIE/P. Odvody; S57o LAKD M-V/LA, A. Paasch; S57m H.-U. Voß; S57u Kreis- und Stadtarchäologie Gifhorn/I. Eichfeld; S58ol Archaeofirm/ M. Brückner; S58or NLD/M. Heumüller; S58u CAU Kiel/A. Heitmann; S59o rthemus GmbH/ M. Heinen; S59m Eggenstein Exca/P. Robinson; S59u/60ol P. Hadasch, Oberhausen; S60or LWLArchäologie für Westfalen/C. Hildebrand; S60u EggensteinExca GmbH/M. Zur-Schaepers; S61o/ m GDKE, Direktion Landesarchäologie, Außenstelle Koblenz/M. Neumann; S61u GDKE; S62o/u LfA Sachsen; S63o LDA, O.S.C.A.R.; S63u Landesamt für Denkmalpflege und Archäologie Sachsen-Anhalt/D. Anton; S64o ALSH; S64u Hansestadt Lübeck, Bereich Archäologie und Denkmalpflege; S65l TLDA Weimar/H. Grönwald; S65r TLDA Weimar/J. Hägele-Masnick; S66ol/ul, 70/71o, 71or picture alliance/dpa/dpa-Zentralbild KlausDietmar Gabbert; S66ml/ur, 70u J.-F.-DanneilMuseum Salzwedel; S66or Freilichtmuseum Diesdorf; S67 picture alliance/Zoonar ArTo; S69 picture-alliance/dpa Jens Wolf; S72 LWL-AfW Olpe/ M. Baales; S73o Archäologische Staatssammlung; S73u Ausgrabung San Casciano dei Bagni, Ministero della Cultura, Italien; S74ol CurtEngelhorn-Zentrum ArchäometriegGmbH; S74or Christoph Schwall/ÖAI Wien; S74u Katharina Fuchs; S75o Benoît Clarys; S75u Flavia Venditti; S76ol LEIZA(ehem. RGZM)/S. Steidl; S76or MLZ/ B. Schillinger; S76u LEIZA (ehem. RGZM/R. Müller); S77 Charlotte Prud‘homme; 80o Foto Hans Jakobi; 80u Joseph Beuys, VG Bildkunst, Bonn, 2022, Foto: Ketterer Kunst GmbH & Co KG; 81 Foto Benedikt Feser; U3o Klaus Leidorf; U3m LDA/Felix Biermann; U3ul Marco Thoma, Kesswil; Livia Enderli, Zürcher Hochschule der Künste (Departement Design, Knowledge Visualization); Amt für Archäologie Thurgau; U3ur Adventurebox Münster. Leider ist es uns nicht immer möglich, den Rechtsinhaber ausfindig zu machen. Berechtigte Ansprüche werden selbstverständlich im Rahmen der üblichen Vereinbarungen abgegolten.

Rätsel

küste von diesem westslawischen Stamm ab, den Bischof Otto von Bamberg im 12. Jh. missionierte.

O

A

13

Frage 9: Eine Quelle des in Frage 5 erwähnten Kultplatzes galt wohl bereits in der Antike als heilig und ihr Wasser bis in die Neuzeit als heilkräftig. Heute wird das Wasser von einer solchen Einrichtung genutzt: 14

R

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Frage 10: Dieser Herzog des in Frage 8 gesuchten Volksstammes entließ 1124 aufgrund einer Predigt des Missionars Otto von Bamberg 24 seiner 25 Ehefrauen, um nur noch eine nach empfohlener christlicher Sitte zu haben. Frage 1: Die Nebenpyramide der sogenannten Knick-Pyramide des Pharao Snofru zeichnet sich durch ein außergewöhnliches Kammersystem aus. Der vorgesehene Verschlussmechanismus eines Gangabschnitts versagte aber, sodass zwei von vier dieser Quader noch heute an ihrer ursprünglichen Position verharren:

E

1

E

E

Frage 2: Geburtsort des Herodot, laut Cicero pater historiae, Vater der Geschichtsschreibung.

A

A

2

A

3

Frage 3: Da ein solcher nur in niederschlagsreichen Zeiträumen entstehen und »wachsen« kann, birgt diese im Saqia-Abri der ägyptischen Ostwüste aufgefundene und mit einer Kernbohrung untersuchte Sinterformation ein Klimaarchiv der Zeit von vor etwa 130 000 bis 74 000 Jahren.

F

4

I

5

Frage 4: Als eine Passage der Routen »Out of Africa« des frühen modernen Menschen Homo sapiens wird jene von Bab el-Mandeb diskutiert, die während der Eiszeiten durch den abgesunkenen Meeresspiegel wesentlich schmaler war als heutzutage. 6

E

7

E

Frage 5: Bei Grabungen im làtene- und römerzeitlichen Opferplatz im Südwesten der Osttiroler Stadt Lienz fanden sich zahlreiche Votivgaben römischer Gottheiten dieser Art, darunter Venus, Minerva und Victoria, Jupiter, Mars und Merkur.

I

N

8

I

9

N

Frage 6: Bei einer bereits 50 Jahre zurückliegenden Grabung eines merowingerzeitlichen Friedhofs bei Bislich im Kreis Wesel fanden sich in einem der 900 Gräber zahlreiche eiserne Einzelteile eines aufwendig gearbeiteten Schutzpanzers, der jetzt neu rekonstruiert in einer Sonderausstellung des LVR-LandesMuseums Bonn zu bestaunen ist. Dabei setzen sich die Eisenteile dieser rüstungsartigen Bekleidung aus derartigen Stücken zusammen:

L

W

W

15

Frage 11: Diese in 3500 m Höhe gelegene Fundstätte in den Bale Mountains im Südosten Äthiopiens nutzten bereits prähistorische Menschen vor ca. 47 000 bis 31 000 Jahren als Basislager: 16

A

17

A

A

Frage 12: Er ist Mittelpunkt mehrerer Sagen, die sich um das Grab von Stöckheim, das wohl berühmteste Großsteingrab der Altmark, ranken:

I

18

I Fragen von Udo Jansen

L

10

Frage 7: Terminus jener archäologischen Epoche des Jungpaläolithikums zwischen dem Gravettien, als während dem letzten glazialen Maximums in Europa nur noch wenige Menschen lebten, und dem Magdalénien, wo am Ende der letzten Eiszeit die Bevölkerung wieder zunahm.

O

11

R

12

Frage 8: Noch heute leitet sich der Name der Gebiete an der deutschen und polnischen Ostsee-

Auflösung aus AiD 6 | 2022:

Mitraten und Mitgewinnen

Verlagsbüro Wais & Partner

Lösungswort: Dreiflügelige Pfeilspitzen

Schicken Sie das Lösungswort

Redaktion AiD, Kennwort: AiD-Rätsel Reinsburgstraße 104, 70197 Stuttgart

Die Gewinner des Rätsels aus Heft 6 | 2022: Je ein Exemplar »Goldrausch – Eine Kriminalgeschichte« aus dem Programm der wbg erhalten Matthias Pudor, 04277 Leipzig; Martin Frauenhofer, 94060 Pocking, und Christina Hauschild, 90473 Nürnberg. Wir gratulieren!

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unter Angabe ihres Absenders per E-Mail an [email protected] oder auf einer Postkarte bis spätestens 20. Mai 2023 (Poststempel) an:

Unter den richtigen Einsendungen werden drei Exemplare »Sagenhaes Äthiopien« von wbg THEISS ausgelost. Die Auflösung erscheint in der übernächsten AiD. Der Rechtsweg ist ausgeschlossen.

Die Teilnahme am Gewinnspiel beinhaltet im Gewinnfall das Einverständnis zur Nennung des Namens und des Wohnortes. Soweit im Rahmen des Gewinnspiels personenbezogene Daten von Teilnehmern erhoben, verarbeitet und genutzt werden, werden diese von der wbg ausschließlich zum Zwecke der Durchführung des Gewinnspiels erhoben, verarbeitet und genutzt.

AiD 2 | 2023

83

ARCHÄOLOGIE IN DEUTSCHLAND

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VORSCHAU AiD 3 | 2023 erscheint am 25. Mai 2023 Denkmal unter Strom Ob Solarfelder, Windräder oder Stromtrassen – die Energiewende ist nicht nur in Deutschland in aller Munde und in vollem Gang. Untrennbar mit ihr verbunden ist allerorts die Bodendenkmalpflege, denn wo gebaut wird, bedarf es einer archäologischen Begleitung. Im Thema werfen wir daher einen Blick auf die Frage, was die Energiewende und der damit verbundene Landschasumbau für das Kulturgut im Boden bedeutet und welche Auswirkungen sie insbesondere für den Schutz von Denkmalen, Fundstellen, Befunden und Funden mit sich bringt.

Ottonen im Blick

Römer-Escape-Room

Zahlreiche Kirchen, Klöster, Burgen und Pfalzen des 10. Jh. zeugen von der Herrscha der Ottonen im heutigen Sachsen-Anhalt. Aktuelle Forschungen werfen nun neues Licht auf bedeutende Stätten und die damit verbundene Reichsgeschichte.

Das römische Hauptlager von Haltern gilt als der am besten erforschte Militärstützpunkt der Römer aus der Zeit von Kaiser Augustus. Hier gibt es für ArchäologieFans im LWL-Römermuseum eine neue Dimension des unterhaltsamen Erlebens von Geschichte: einen Römer-EscapeRoom, europaweit einzigartig. Wir haben ihn ausprobiert.

Stonehenge im Bodensee Bei der Tiefenvermessung des Bodensees wurden über 170 hügelartige Strukturen entlang des südlichen Seeufers entdeckt. Schon bald gingen diese »Hügeli« viral – das »Bodensee-Stonehenge« war geboren. Doch was hat es damit auf sich? AiD 2 | 2023

€ 98,00 Einführungspreis ab 01.07.2023 € 120,00 [D]