Arbeitsrechtliche Praxis: Leitfaden für Personalverantwortliche 9783486592733, 9783486589733

Personalentscheidungen werden heute im Rahmen rechtlicher Vorgaben getroffen. In der Literatur wird das Arbeitsrecht all

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Arbeitsrechtliche Praxis: Leitfaden für Personalverantwortliche
 9783486592733, 9783486589733

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Arbeitsrechtliche Praxis Leitfaden für Personalverantwortliche

Von Professor

Dr. Barbara Lorinser Hochschule Pforzheim

OldenbourgVerlag München

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über abrufbar.

© 2009 Oldenbourg Wissenschaftsverlag GmbH Rosenheimer Straße 145, D-81671 München Telefon: (089) 45051-0 oldenbourg.de Das Werk einschließlich aller Abbildungen ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlages unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Bearbeitung in elektronischen Systemen. Lektorat: Wirtschafts- und Sozialwissenschaften, [email protected] Herstellung: Anna Grosser Coverentwurf: Kochan & Partner, München Gedruckt auf säure- und chlorfreiem Papier Gesamtherstellung: Druckhaus „Thomas Müntzer“ GmbH, Bad Langensalza ISBN 978-3-486-58973-3

Vorwort Arbeitsrecht hat ein schlechtes Image: Es gilt als kompliziert, intransparent, bürokratisch, unkalkulierbar, kostensteigernd und häufig einfach als ungerecht. Zuweilen wird behauptet, das Arbeitsrecht stelle für den „Jobmotor“ die entscheidende Bremse dar.1 Viele Unternehmen beklagen, dass ihnen die Zeit und die Ressourcen fehlten, um sich überhaupt mit dem Arbeitsrecht ausreichend zu befassen. Und selbst, wenn ausreichend informierte und qualifizierte Personalverantwortliche tätig seien, so ergäben sich die Probleme aus den Regelungen selbst. Diese negative Einschätzung des Arbeitsrechts rührt aber auch daher, dass eine Beschäftigung mit dem Arbeitsrecht häufig erst dann erfolgt, wenn „das Kind schon in den Brunnen gefallen ist“. Es stimmt, Arbeitsrecht wirkt kostensteigernd, nämlich immer dann, wenn der arbeitsrechtliche Regelungsrahmen bei der Umsetzung unternehmerischer Entscheidungen nicht beachtet wurde. Wer sich nicht rechtzeitig mit dem Arbeitsrecht befasst, bringt sich zudem um die gestalterischen Möglichkeiten, die das Arbeitsrecht bei sinnvollem Einsatz bereithält. Die arbeitsrechtlichen Grundlagen der täglichen Unternehmenspraxis werden in diesem Buch erläutert. Das Buch will Personalverantwortlichen im Unternehmen helfen, arbeitsrechtliche Anforderungen rechtzeitig zu erkennen und zu managen. Es geht in erster Linie darum, das arbeitsrechtliche Instrumentarium für den betrieblichen Alltag schnell verfügbar zu machen. Dies geschieht in Form einer Orientierungshilfe und eines Überblicks über die wichtigsten Themen der täglichen Personalarbeit. Für die tägliche Praxis ist eine knappe, auf das Wesentliche konzentrierte Zusammenfassung wichtiger und oft hilfreicher, als detaillierte wissenschaftliche Abhandlungen. Im Einzelfall ist ggf. auf weiterführende Literatur zurückzugreifen. Die Themen werden deshalb in diesem Buch nicht aus der Perspektive eines im Nachhinein entscheidenden Juristen, sondern vom Standpunkt eines Personalverantwortlichen betrachtet. Der Aufbau folgt denn auch nicht der Systematik einzelner arbeitsrechtlicher Gesetze, sondern quasi dem „Lebensweg“ eines Arbeitsverhältnisses.

1

Vgl. hierzu etwa Schramm, Die öffentliche Wahrnehmung des Arbeitsrechts, Bertelsmann Stiftung Gütersloh, November 2006.

VI

Vorwort

Studierende aller Studienrichtungen will das vorliegende Buch nicht nur in das Arbeitsrecht einführen, sondern sie auch darauf vorbereiten, welche arbeitsrechtlichen Fragen ihnen später in ihrer Berufspraxis als Vorgesetzte begegnen und wie sie damit umgehen können. Mein Dank gilt allen Personalverantwortlichen, die in vielen Gesprächen und Diskussionen die Suche nach den relevanten Fragen der täglichen Praxis unterstützt haben. Gedankt sei auch meinen Studierenden für zahlreiche anregende und befruchtende Diskussionen. Mein besonderer Dank gilt Dipl. Psych. Klaus Sewekow und meinem Kollegen Prof. Dr. Rainer Gildeggen. Ohne ihre tatkräftige Unterstützung wäre das Buch nicht entstanden.

Inhalt Vorwort

V

Abkürzungsverzeichnis

XI

1

Rechtsgrundlagen

1

1.1

Arbeitsrecht in der betrieblichen Praxis...............................................2

1.2

Grundprinzipien des Arbeitsrechts.......................................................3

1.3 1.3.1 1.3.2 1.3.3 1.3.4 1.3.5 1.3.6 1.3.7 1.3.8 1.3.9 1.3.10 1.3.11 1.3.12 1.3.13 1.3.14

Rechtsquellen.......................................................................................6 Europarecht..........................................................................................7 Verfassung ...........................................................................................8 Einfache Gesetze..................................................................................9 Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz – AGG .................................10 Tarifverträge ......................................................................................15 Betriebsvereinbarung .........................................................................15 Betriebliche Übung ............................................................................16 Arbeitsrechtlicher Gleichbehandlungsgrundsatz................................19 Allgemeine Arbeitsbedingungen........................................................22 Direktionsrecht des Arbeitgebers.......................................................23 Rechtsprechung..................................................................................23 Verhältnis der Regelungen.................................................................23 Grenzen des Arbeitnehmerschutzes ...................................................24 Ethik-Richtlinien................................................................................24

2

Beteiligte

2.1

Arbeitnehmer .....................................................................................27

2.2 2.2.1 2.2.2 2.2.3 2.2.4 2.2.5 2.2.6 2.2.7 2.2.8

Besondere Arbeitnehmergruppen ......................................................28 Leitende Angestellte ..........................................................................28 Aushilfen und geringfügig Beschäftigte ............................................29 Ein-Euro-Jobber.................................................................................29 Leiharbeitnehmer ...............................................................................31 Auszubildende ...................................................................................33 Praktikanten .......................................................................................33 Arbeitnehmerähnliche Personen ........................................................35 Handelsvertreter.................................................................................36

27

VIII

Inhalt

2.2.9 2.2.10

Heimarbeiter.......................................................................................36 Sonstige schutzbedürftige Arbeitnehmergruppen ..............................37

2.3 2.3.1 2.3.2

Arbeitgeber und seine Vertreter .........................................................37 Begriff ................................................................................................37 Rechtliche Konsequenzen der Betriebsgröße.....................................38

2.4

Betriebsrat ..........................................................................................39

2.5

Betriebliche Einigungsstelle...............................................................41

3

Planung des Arbeitsverhältnisses

3.1

Mindestinhalt des Arbeitsvertrages....................................................43

3.2

Geltung von Tarifverträgen................................................................44

3.3 3.3.1 3.3.2 3.3.3 3.3.4 3.3.5 3.3.6

Inhalt des Arbeitsverhältnisses...........................................................46 Art der Tätigkeit.................................................................................46 Arbeitsort ...........................................................................................48 Vertragliche Änderungsvorbehalte zu Tätigkeit und Ort ...................50 Arbeitszeit ..........................................................................................52 Arbeitsentgelt .....................................................................................53 Sonstige Regelungen zugunsten des Arbeitgebers .............................62

3.4

Probezeit ............................................................................................70

3.5 3.5.1 3.5.2 3.5.3 3.5.4 3.5.5

Sonderformen des Arbeitsverhältnisses .............................................72 Befristete Arbeitsverhältnisse ............................................................72 Teilzeit ...............................................................................................75 Abrufarbeit.........................................................................................77 Praktikantenverträge ..........................................................................79 Drittbezogener Personaleinsatz ..........................................................80

3.6

Nachweisgesetz..................................................................................83

4

Personalbeschaffung

4.1 4.1.1 4.1.2 4.1.3

Personalanwerbung ............................................................................85 Stellenausschreibung..........................................................................85 Online-Bewerbungen .........................................................................88 Headhunting .......................................................................................89

4.2 4.2.1 4.2.2 4.2.3 4.2.4 4.2.5

Erkenntnisquellen...............................................................................90 Mitteilungspflichten des Bewerbers...................................................90 Fragerecht des Arbeitgebers...............................................................91 Personalfragebögen............................................................................92 Ärztliche und psychologische Untersuchungen .................................92 Auskünfte Dritter ...............................................................................93

43

85

Inhalt

IX

4.3

Pflichten des Arbeitgebers im Bewerbungsverfahren........................94

4.4

Absage ...............................................................................................95

5

Durchführung des Arbeitsverhältnisses

5.1

Ausübung des Direktionsrechts .........................................................97

5.2

Änderungskündigung.......................................................................100

5.3 5.3.1 5.3.2

Anforderungen an die Arbeitsqualität..............................................101 Umfang und Intensität der Arbeitspflicht ........................................101 Leistungsschwache Mitarbeiter .......................................................101

5.4

Mitarbeiterkontrollen .......................................................................104

5.5 5.5.1 5.5.2 5.5.3 5.5.4

Disziplinarmaßnahmen ....................................................................108 Verweise und ähnliches ...................................................................108 Abmahnung......................................................................................109 Betriebsbuße ....................................................................................112 Versetzung .......................................................................................112

5.6

Teilzeitverlangen des Arbeitnehmers...............................................113

5.7 5.7.1 5.7.2

Besondere Probleme des Persönlichkeitsschutzes ...........................118 Mobbing...........................................................................................118 Personalakten...................................................................................121

5.8

Arbeits- und Gesundheitsschutz ......................................................123

5.9 5.9.1 5.9.2 5.9.3 5.9.4

Haftungsfragen.................................................................................124 Haftung des Arbeitnehmers gegenüber dem Arbeitgeber ................124 Haftung des Arbeitnehmers gegenüber Dritten................................125 Haftung des Arbeitnehmers gegenüber Arbeitskollegen .................125 Haftung des Arbeitgebers für Sachschäden .....................................125

5.10

Konfliktlösung .................................................................................126

6

Bezahlte Fehlzeiten

6.1 6.1.1 6.1.2 6.1.3 6.1.4 6.1.5 6.1.6 6.1.7

Urlaub ..............................................................................................129 Urlaubsanspruch ..............................................................................129 Gewährung des Urlaubs...................................................................131 Krankheit während des Urlaubs.......................................................133 Urlaubsentgelt..................................................................................133 Erwerbsverbot..................................................................................133 Urlaubsabgeltung .............................................................................134 Mitbestimmung des Betriebsrats......................................................134

6.2 6.2.1 6.2.2

Krankheit .........................................................................................134 Anspruch auf Entgeltfortzahlung .....................................................135 Höhe der Entgeltfortzahlung............................................................136

97

129

X

Inhalt

6.2.3 6.2.4 6.2.5 6.2.6

Meldepflicht und Nachweispflichten ...............................................136 Zweifel an der Arbeitsunfähigkeit....................................................138 Arbeitsrückkehr vor Ende der „Krankschreibung“?.........................140 Arbeitsunfähigkeit durch Drittverschulden ......................................140

6.3 6.3.1 6.3.2

Eltern- und Pflegezeit.......................................................................141 Elternzeit ..........................................................................................141 Pflegezeit..........................................................................................141

6.4

Sonstige Freistellungen ....................................................................143

6.5 6.5.1 6.5.2 6.5.3

Annahmeverzug und Betriebsrisiko .................................................144 Annahmeverzug ...............................................................................144 Betriebsrisiko ...................................................................................145 Ausschluss der Regelungen..............................................................145

7

Personalfreisetzung

7.1

Aufhebungsverträge .........................................................................147

7.2 7.2.1 7.2.2 7.2.3 7.2.4 7.2.5 7.2.6 7.2.7

Kündigung........................................................................................150 Folgen der unwirksamen Kündigung ...............................................150 Allgemeine Anforderungen..............................................................152 Kündigungsschutzgesetz ..................................................................159 Mitarbeiterbedingte Kündigung nach KSchG ..................................160 Betriebsbedingte Kündigung nach KSchG.......................................165 Außerordentliche Kündigung...........................................................173 Sonderfall Verdachts- und Druckkündigung....................................175

7.3

Ausgleichsquittung...........................................................................177

8

Abwicklung der Beendigung

8.1

Arbeitszeugnis..................................................................................179

8.2

Freistellung zur Stellensuche ...........................................................180

8.3

Hinweispflichten ..............................................................................181

8.4

Herausgabepflichten.........................................................................181

9

Hilfsmittel

9.1

Gesetzestexte....................................................................................183

9.2

Aushanggesetze................................................................................184

9.3

Rechtsprechung................................................................................185

9.4

Zeitschriften .....................................................................................185

9.5

Gesamtdarstellungen ........................................................................186

Stichwortverzeichnis

147

179

183

188

Abkürzungsverzeichnis aaO

am angegebenen Ort

Abs.

Absatz

AEntG

Arbeitnehmerentsendegesetz

AGB

Allgemeine Geschäftsbedingungen

AGG

Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz

Alt.

Alternative

AltTZG

Altersteilzeitgesetz

AP

Arbeitsrechtliche Praxis

ArbGG

Arbeitsgerichtsgesetz

ArbPlSchG

Arbeitsplatzschutzgesetz

ArbSchG

Arbeitsschutzgesetz

ArbStättV

Arbeitsstättenverordnung

ArbZG

Arbeitszeitgesetz

Art.

Artikel

ASiG

Arbeitssicherheitsgesetz

AuA

Arbeit und Arbeitsrecht (Zeitschrift)

AÜG

Arbeitnehmerüberlassungsgesetz

AZR

Aktenzeichen für Revisionen des BAG

BAG

Bundesarbeitsgericht

BB

Der Betriebs-Berater (Zeitschrift)

BBiG

Berufsbildungsgesetz

BDSG

Bundesdatenschutzgesetz

XII

Abkürzungsverzeichnis

BEEG

Bundeselterngeld- und Elternzeitgesetz

Beil.

Beilage

BetrVG

Betriebsverfassungsgesetz

BGB

Bürgerliches Gesetzbuch

BGH

Bundesgerichtshof

BMA

Bundesministerium für Arbeit und Sozialordnung

BMAS

Bundesministerium für Arbeit und Soziales

BUrlG

Bundesurlaubsgesetz

BVerfG

Bundesverfassungsgericht

DB

Der Betrieb (Zeitschrift)

d.h.

das heißt

EFZG

Entgeltfortzahlungsgesetz

EG

Europäische Gemeinschaft

EGV

Vertrag zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft

etc.

et cetera

EU

Europäische Union

EuGH

Europäischer Gerichtshof

FD-ArbR

Fachdienst Arbeitsrecht

ff.

folgende

GdB

Grad der Behinderung

GewO

Gewerbeordnung

GG

Grundgesetz

ggf.

gegebenenfalls

HAG

Heimarbeitsgesetz

HGB

Handelsgesetzbuch

i.d.F.

in der Fassung

i.d.R.

in der Regel

Abkürzungsverzeichis

XIII

i.S.

im Sinne

i.S.d.

im Sinne des

i.V.m.

in Verbindung mit

JArbSchG

Jugendarbeitsschutzgesetz

KAPOVAZ

Kapazitätsorientierte variable Arbeitszeit

KSchG

Kündigungsschutzgesetz

LAG

Landesarbeitsgericht

MuSchG

Mutterschutzgesetz

mwN

mit weiteren Nachweisen

NachwG

Nachweisgesetz

nF

neue Fassung

NJOZ

Neue Juristische Online Zeitschrift

NJW

Neue Juristische Wochenschrift (Zeitschrift)

Nr.

Nummer

NZA

Neue Zeitschrift für Arbeits- und Sozialrecht (Zeitschrift)

NZA-RR

NZA-Rechtsprechungs-Report (Zeitschrift)

PersVG

Personalvertretungsgesetz

PflegeZG

Pflegezeitgesetz

RdA

Recht der Arbeit (Zeitschrift)

Rdnr.

Randnummer

S.

Satz, Seite

SGB II

Sozialgesetzbuch 2. Buch Grundsicherung für Arbeitsuchende

SGB III

Sozialgesetzbuch 3. Buch Arbeitsförderung

SGB IV

Sozialgesetzbuch 4. Buch Gemeinsame Vorschriften

SGB IX

Sozialgesetzbuch 9. Buch Rehabilitation und Teilhabe behinderter Menschen

SGB V

Sozialgesetzbuch 5. Buch Krankenversicherung

XIV

Abkürzungsverzeichnis

SGB VI

Sozialgesetzbuch 6. Buch Rentenversicherung

SGB VII

Sozialgesetzbuch 7. Buch Unfallversicherung

SGB X

Sozialgesetzbuch 10. Buch Verwaltungsverfahren

SGB

Sozialgesetzbuch

SprAuG

Sprecherausschussgesetz

StGB

Strafgesetzbuch

TVG

Tarifvertragsgesetz

TzBfG

Teilzeit- und Befristungsgesetz

u.a.

unter anderem

usw.

und so weiter

u.U.

unter Umständen

UWG

Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb

z. B.

zum Beispiel

1

Rechtsgrundlagen

Arbeitsrecht ist das für die Rechtsbeziehungen zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer geltende Recht. Sein Grundtatbestand ist die abhängige Arbeit. Sein Ziel ist, die Nachteile aus der Marktwirtschaft für Arbeitnehmer bei Vertragsabschluss und Vertragsdurchführung abzumildern. Arbeitsrecht, das heißt auch: ca. 120 Gesetze, ca. 6.000 Vorschriften (Legislative), ca. 10.000 Gerichtsentscheidungen, die das Arbeitsrecht prägen (Judikative), ca. 4.000–5.000 Tarifvertragsabschlüsse pro Jahr Schon allein diese Zahlen legen die Vermutung nahe, das Arbeitsrecht sei zu komplex und unübersichtlich, als dass es von Nicht-Juristen tatsächlich gekannt und verstanden werden könne. Das liegt in erster Linie daran, dass das Arbeitsrecht in Deutschland nicht in einem Arbeitsgesetz oder Arbeitsgesetzbuch zusammengefasst ist. Tatsächlich ist das Arbeitsrecht ein gewachsenes Recht, welches aus einer Vielzahl von einzelnen Gesetzen und Regelungen besteht. Zudem wurden und werden viele außerordentlich wichtige Grundsätze im Arbeitsrecht erst durch die Arbeitsgerichte, allen voran das Bundesarbeitsgericht, entwickelt. Auf den ersten Blick muss das Arbeitsrecht als komplex und unübersichtlich erscheinen. Im Arbeitsrecht gilt aber mehr als in jeder anderen Rechtsmaterie: Man muss nicht alles wissen, man muss nur wissen, wo es steht. Im Einzelnen herauszufinden, welche arbeitsrechtlichen Regelungen im konkreten Fall zu beachten sind, kann angesichts der Vielzahl der Regelungen und der Dynamik des Arbeitsrechts Schwierigkeiten bereiten, muss aber nicht. Hat man erst mal die Grundprinzipien des Arbeitsrechts verstanden, lassen sich Informations- und Verständnisprobleme relativ leicht lösen oder kommen gar nicht erst auf.

2

1 Rechtsgrundlagen

1.1

Arbeitsrecht in der betrieblichen Praxis

Bei aller Kritik an der Unübersichtlichkeit des Arbeitsrechts, bleibt das Arbeitsrecht ein generell notwendiger Bestandteil des betrieblichen Alltags und Handelns. Arbeitsrecht will Unternehmen unterstützen, nicht stören. Arbeitsrecht spielt in der Personalarbeit eine zentrale Rolle als Handlungsanleitung und tägliches Werkzeug. Es beeinflusst zwangsläufig die betrieblichen und persönlichen Handlungsspielräume von Personalverantwortlichen. Auf diese Weise gewährleistet es ein systematisches Vorgehen bei Personalentscheidungen und macht diese damit letztlich auch berechenbarer. Diese Aussagen dürfen auf der anderen Seite nicht dazu verleiten, anzunehmen, das Arbeitsrecht spiele für betriebliche Personalentscheidungen eine herausragende Rolle. So hängen etwa betriebliche Einstellungsentscheidungen in erster Linie von konjunkturellen und anderen Faktoren ab und nur in äußerst geringem Maße vom Arbeitsrecht. Hinzu kommen die individuellen Personalstrategien der handelnden Personen. Selbst im Bereich des Personalabbaus hängt die Entscheidung zur eigentlichen Kündigung in aller erster Linie von betriebswirtschaftlichen und persönlichen Faktoren (wie etwa die Dauer der Betriebszugehörigkeit) ab. Erst in zweiter Linie stellt sich dann die Frage, ob und wie eine Entscheidung vor dem Hintergrund des Arbeitsrechts umgesetzt werden kann. Ein Beispiel mag dies verdeutlichen: In einem Unternehmen arbeiten jeweils vier Arbeitnehmer an einer Maschine. Neben dem Grundlohn erhält jede „Maschinenmannschaft“ eine von ihrem quantitativen Arbeitsergebnis abhängige monatliche Prämie. In einer Mannschaft kommt es zu Konflikten. Einer der vier Mitarbeiter bringt eine extrem hohe und weit überdurchschnittliche Leistung. Die anderen drei tun zwar ihr Bestes, bleiben aber dennoch durchschnittlich. Die Höhe ihrer Prämie ist folglich in erster Linie der Leistung des einen Mitarbeiters zu verdanken. Dieser beschließt nunmehr, lieber auf mehr Prämie zu verzichten und sich dem Arbeitstempo seiner Kollegen anzupassen; er trödelt. Aus arbeitsrechtlicher Sicht, würde man jetzt fragen, ob der trödelnde Arbeitnehmer abgemahnt und ggf. gekündigt werden kann. Er kann. Aus personalpolitischer Sicht würde eine solche Entscheidung aber wenig sinnvoll erscheinen. Hier würde sich viel eher die Frage stellen, wie der Mitarbeiter motiviert werden könnte, seine volle Leistung zu erbringen. Das Arbeitsrecht sollte also mehr als eine Art Werkzeugkasten für die Umsetzung betrieblicher Entscheidungen verstanden werden, denn als kostenträchti-

1.2 Grundprinzipien des Arbeitsrechts

3

ger Stolperstein. Bestätigt wird dies letztlich auch durch die Praxis. Gemessen an der Anzahl der in Deutschland bestehenden Beschäftigungsverhältnisse, bleibt die Zahl arbeitsgerichtlicher Verfahren vergleichsweise klein.2 Dabei spielt Arbeitsrecht in allen Bereichen des Personalmanagements eine Rolle. Das fängt schon mit den Mitbestimmungsrechten des Betriebsrats bei der Personalplanung an. Zahlreiche Regelungen finden sich für die Bereiche der Personalbeschaffung, des Personaleinsatzes und natürlich der Personalfreisetzung. Dagegen ist der Arbeitgeber im Bereich der Personalentwicklung weitgehend frei. Allerdings sind hier die Vorgaben des Berufsbildungsgesetzes und ggf. Mitbestimmungsrechte des Betriebsrats zu berücksichtigen. Im Bereich der Personalverwaltung sind neben den Regelungen des Lohnsteuer- und Sozialversicherungsrechts vor allem Fragen zur Führung von Personalakten und des Datenschutzes von Bedeutung. Es gilt also, je besser man sich mit dem Arbeitsrecht auskennt, desto besser lassen sich die Werkzeuge nutzen. Aus diesem Grund empfiehlt es sich beim Durcharbeiten des Buches die in Bezug genommenen Gesetzestexte zu lesen.

1.2

Grundprinzipien des Arbeitsrechts

Das Wichtigste Grundprinzip für ein Verständnis des Arbeitsrechts ist, dass es sich dabei in der Regel um Arbeitnehmerschutzrecht handelt. Arbeitsrecht ist Arbeitnehmerschutzrecht Das Arbeitsrecht regelt die Rechtsbeziehungen zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer im Arbeitsverhältnis. Das Arbeitsverhältnis kommt durch den Arbeitsvertrag zustande, den der Arbeitnehmer mit dem Arbeitgeber geschlossen hat. Vom Grundsatz her ist ein Arbeitsvertrag also ein gewöhnlicher Vertrag, der wie viele andere Verträge des täglichen Lebens, wie z. B. Kauf- oder Mietvertrag, auf den Austausch von Leistungen – Geld gegen Arbeit – gerichtet ist. Insoweit unterliegt der Arbeitsvertrag den allgemeinen Regeln des Vertragsrechts, insbesondere der Vertragsfreiheit. Dazu gehören die Abschlussfreiheit, die Inhaltsfreiheit, die Formfreiheit und vor allem die Aufhebungsfreiheit. Eine Einschränkung dieser Freiheiten von staatlicher Seite erfolgt nur dann, wenn nicht davon ausgegangen werden kann, dass beide Seiten sich in einem Machtgleichgewicht befinden.

2

Vgl hierzu Schramm, Arbeitsrecht in der betrieblichen Anwendung, S. 373.

4

1 Rechtsgrundlagen

Ein Arbeitnehmer ist von seinem Arbeitgeber persönlich und wirtschaftlich abhängig. Das Machtgefälle wird unmittelbar offensichtlich. Der Arbeitnehmer bedarf also zum Ausgleich seiner schwächeren Position eines besonderen Schutzes. Diesen Schutz leistet das Arbeitsrecht. Es verpflichtet den Arbeitgeber, bestimmte Schutzregelungen zu Gunsten des Arbeitnehmers zu beachten und einzuhalten. Sie betreffen die Sicherheit des Arbeitsplatzes (Kündigungsschutz), den Gesundheitsschutz, den Persönlichkeitsschutz, den Arbeitszeitschutz und vieles andere mehr. Der Arbeitgeber kann demnach schlicht davon ausgehen, dass es zu nahezu jedem Thema des Verhältnisses zwischen ihm und seinem Arbeitnehmer eine entsprechende Reglung gibt, die ihm als Handlungsanweisungen und Werkzeug dient. Die Frage, „ob“ in einem konkreten Fall arbeitsrechtliche Regelungen zu beachten sind, stellt sich folglich nicht wirklich. Damit verliert aber auch die angebliche Komplexität und Unübersichtlichkeit des Arbeitsrechts erheblich an praktischer Bedeutung. Der Arbeitgeber muss sich schlicht bei jeder Maßnahme, die seine Arbeitnehmer betrifft, fragen, „welche“ arbeitsrechtlichen Regelungen im konkreten Fall zur Anwendung kommen. Er muss sie also nur finden. Dabei gilt grundsätzlich, dass der Arbeitgeber von den Regelungen zugunsten des Arbeitnehmers immer abweichen darf. Insoweit gewährleistet das Arbeitsrecht über weite Strecken „nur“ einen Mindeststandard. Individuelles und kollektives Arbeitsrecht Der Schutz der Arbeitnehmer wird aber nicht nur durch die Regelungen für das individuelle Arbeitsverhältnis gewährleistet (individuelles Arbeitrecht). Vielmehr stellt das Arbeitsrecht darüber hinaus auch einen sog. kollektiven Schutz zur Verfügung (kollektives Arbeitsrecht). So haben nach Art. 9 Abs. 3 GG die Gewerkschaften mit den Arbeitgeberverbänden die Aufgabe, sich für die Wahrung und Förderung der Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen einzusetzen und diese in Tarifverträgen zu regeln. Notfalls führen sie hierzu sogar Arbeitskämpfe (Streik und Aussperrung), die der Verbesserung der jeweiligen Arbeitsbedingungen dienen. Die Gewerkschaften können sich in der Regel aber nur für ihre Mitglieder einsetzen. Freilich werden in den meisten Betrieben die Tarifverträge auf alle Arbeitnehmer angewendet, unabhängig von ihrer Gewerkschaftszugehörigkeit. Daneben wird der Schutz des Arbeitnehmers im Betrieb durch die Mitbestimmung des Betriebsrats verstärkt, der sich für das Wohl der Arbeitnehmer und des Betriebs einzusetzen hat.

1.2 Grundprinzipien des Arbeitsrechts

5

Treuepflicht des Arbeitnehmers Neben den verschiedenen arbeitsrechtlichen Regelungen gibt es zwei wichtige generelle Elemente, die in der Regel auf die ein oder andere Art bei jeder Entscheidung zu berücksichtigen sind: Die Treuepflicht des Arbeitnehmers und die Fürsorgepflicht des Arbeitgebers. Der Arbeitnehmer hat aus dem Arbeitsvertrag in erster Linie die Pflicht, seine Arbeitsleistung zu erbringen. Daneben ist er aber aus Treu und Glauben und § 241 Abs. 2 BGB verpflichtet, sich in der Weise „vertragstreu“ zu verhalten, dass er die Interessen seines Arbeitgebers schützt. Er muss seine Verpflichtung so erfüllen, wie es von ihm unter Berücksichtigung seiner Stellung im Betrieb, seiner eigenen Interessen und der Interessen der Arbeitskollegen in angemessener Weise erwartet werden kann. Allein aus diesen Formulierungen wird bereits deutlich, dass die Treuepflicht nur für den speziellen Einzelfall unter einer umfassenden Interessenabwägung konkretisiert werden kann. Trotzdem haben sich in der Rechtssprechung hierzu eine Reihe von Fallgruppen herausgebildet. Hierzu gehören etwa,

Fallgruppen

! die Wahrung von Betriebsgeheimnissen, ! ein Wettbewerbsverbot für die Zeit der Beschäftigung (d.h. dass der Arbeitnehmer seinem Arbeitgeber keinen Wettbewerb in dessen Marktbereich machen darf), ! das Schmiergeldverbot, ! die Unterlassung provokatorischer parteipolitischer Betätigung im Betrieb, wenn sie den Betriebsfrieden konkret stört3, ! die Meldung von Störungen im Betriebsablauf, ! in Notfällen Hand anzulegen, ggf. sogar Überstunden zu machen, ! das Verbot der Abwerbung von Mitarbeitern, ! die Pflicht zur Einhaltung der bestehenden Regeln hinsichtlich des Verhaltens und der Ordnung im Betrieb. Das außerdienstliche Verhalten eines Arbeitnehmers im privaten Bereich ist für das Arbeitsverhältnis grundsätzlich irrelevant. Es kann aber ausnahmsweise eine Treuepflichtverletzung darstellen, wenn sich das Verhalten konkret negativ auf das Arbeitsverhältnis auswirkt. In Betracht kommt dies z. B. bei Straftaten oder bei Lohnpfändungen. Normalerweise beginnt die Treuepflicht des Arbeitnehmers mit der Begründung und endet mit der Beendigung des Arbeitsverhältnisses. Allerdings kann der Arbeitnehmer auch schon bei den Vertragsverhandlungen zur Aufklärung

3

Vgl hierzu die umstrittene Entscheidung des BAG, Urteil vom 09.12.1982 – 2 AZR 620/80, NJW 1984, 1142.

Zeitraum

6

1 Rechtsgrundlagen

verpflichtet sein. Nachwirkende Treuepflichten bestehen für den Arbeitnehmer insbesondere als nachwirkende Verschwiegenheitspflichten. Er darf also auch nachdem er aus dem Unternehmen ausgeschieden ist, keine Betriebs- oder Geschäftsgeheimnisse verraten. Fürsorgepflicht des Arbeitgebers Das Gegenstück zur Treuepflicht des Arbeitnehmers ist die Fürsorgepflicht des Arbeitgebers. Sie dient dem Schutz des Arbeitnehmers und kann bei schuldhafter Verletzung zu Schadensersatzansprüchen führen.4 In der Praxis spielt die Fürsorgepflicht des Arbeitgebers in nahezu allen Bereichen eine bedeutende Rolle. Gesundheitsschutz

In erster Linie ist der Arbeitgeber verpflichtet, Leib und Leben seiner Arbeitnehmer zu schützen. Inzwischen ist die Verpflichtung zum Schutz von Leben und Gesundheit des Arbeitnehmers am Arbeitsplatz überwiegend gesetzlich geregelt. So konkretisiert etwa § 618 Abs. 1 BGB die Fürsorgepflicht des Arbeitgebers in Bezug auf den Schutz von Leben und Gesundheit der Beschäftigten. Das Arbeitsschutzrecht konkretisiert den Mindestinhalt der arbeitsvertraglichen Schutzpflichten des Arbeitgebers in medizinischer und technischer (z. B. ArbStättV, Unfallverhütungsvorschriften) sowie in sozialer Hinsicht (z. B. ArbZG, MuSchG). Zum Gesundheitsschutz kann u. U. auch ein Rauchverbot am Arbeitsplatz gehören, wobei andererseits auf das Persönlichkeitsrecht der Raucher Rücksicht zu nehmen ist.

Persönlichkeitsschutz

§ 75 Abs. 2 BetrVG betont die aus der Fürsorgepflicht resultierende Verpflichtung des Arbeitgebers zum Persönlichkeitsschutz. Hiervon umfasst ist etwa das Verbot des heimlichen Mithörens eines Telefongesprächs, die Sicherung personenbezogener Daten gegen Missbrauch und der Schutz vor Mobbing.

Vermögens- und Eigentumsschutz

Weiterhin hat der Arbeitgeber die Pflicht, Vermögen und eingebrachten Sachen des Arbeitnehmers zu schützen. So hat er etwa dafür zu sorgen, dass beruflich mitgebrachte Sachen sicher aufbewahrt werden können.

1.3

Rechtsquellen

Wie regelt nun das Arbeitsrecht das Arbeitsverhältnis mit seinen Arbeitsbedingungen und auf welche Weise gewährleistet es den Schutz des Arbeitnehmers?

4

Die Auswirkungen der Fürsorgepflicht werden vertieft bei den jeweiligen Sonderthemen behandelt. Ein guter Überblick findet sich in dem jährlich erscheinenden Personalbuch von Küttner unter dem Stichwort Fürsorgepflicht.

1.3 Rechtsquellen

7

Wie bereits erwähnt, existieren eine Vielzahl von unterschiedlichen Regelungsmechanismen und Rechtsquellen, die gestaltend auf die Beziehungen zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer einwirken. Zunächst ist es wichtig, diese unterschiedlichen Rechtsgrundlagen und ihre Bedeutung zu kennen. Wie das folgende Schaubild verdeutlichen soll, finden sich Regelungen zum Arbeitsverhältnis an vielen verschiedenen Stellen in der Rechtsordnung.

Gesetzliche Regelungen

Europarecht

Verfassung

Einfache Gesetze

AGG

mittelbare Drittwirkung der Grundrechte

Vertragsrecht

Schutzrecht i.e.S.

Kollektivrecht

BGB/HGB Gewerbeordnung TzBfG usw.

Arbeitszeitgesetz Arbeitsschutzgesetz usw.

Tarifvertragsgesetz Betriebsverfassungsgesetz

Zwingende Kollektivvereinbarungen

Tarifvertrag

Betriebsvereinbarung

Arbeitsvertrag in Verbindung mit Betriebliche Übung

Arbeitsrechtlicher Gleichbehandlung sgrundsatz

Allgemeine Arbeitsbedingungen

Direktionsrecht des Arbeitgebers

Abb. 1-1: Schaubild: Rechtsquellen

1.3.1

Europarecht

Für das Arbeitsrecht von Bedeutung sind vor allem die Artikel 39 und 141 EGV. Diese Artikel besagen, dass Bürger der Europäischen Union im gesam-

8

1 Rechtsgrundlagen

ten Gebiet der Gemeinschaft arbeiten dürfen und sich in den Gebieten aufhalten dürfen. (Art. 39 EGV) Weiterhin wird die Gleichstellung von Männern und Frauen im Art. 141 EGV geregelt, nach dem Männer und Frauen für vergleichbare Arbeit auch gleichen Lohn bekommen sollen. Diese Normen des EGV entfalten direkte Rechtswirkung, so dass sich ein Arbeitnehmer direkt auf diese Regelungen berufen kann. Im Übrigen richten sich die Rechtsakte der EG an die Mitgliedstaaten und verleihen nur in Ausnahmefällen individuelle Rechtsansprüche des Einzelnen. Die Mitgliedstaaten sind zur Harmonisierung des nationalen Rechts verpflichtet. Aus der Pflicht zu gemeinschaftskonformem Verhalten lassen sich aber keine direkten Verpflichtungen des Arbeitgebers ableiten. Wenn unmittelbar anwendbares Gemeinschaftsrecht der EU und nationales Recht kollidieren, dann geht das Gemeinschaftsrecht dem nationalen Recht vor.

1.3.2

Verfassung

Grundsätzlich richtet sich die Verfassung an die öffentliche Gewalt und kann deshalb nicht von Privatleuten untereinander geltend gemacht werden. Gerade im Bereich des Arbeitsrechts wirken aber die Grundrechte in vielerlei Hinsicht mittelbar. Wichtige Grundrechte für das Arbeitsrecht sind etwa ! der Gleichheitsgrundsatz (Art. 3 Abs. 1 GG), ! die Religions- und Gewissensfreiheit (Art. 4 Abs. 1 GG) Pharmaforschung5 Ein in der Pharmaforschung beschäftigter Arzt soll u.a. an einem Medikament forschen, das bei Strahlenkrankheiten zur Beruhigung des vegetativen Nervensystems eingesetzt werden kann. Ein besonderer Vorteil des Medikamentes liegt darin, dass dieses Medikament Symptome atomarer Verstrahlung kurzfristig unterdrückt und so den Einsatz von Soldaten im Falle eines Atomkriegs verlängern könnte. Der Arzt ist anerkannter Kriegsdienstverweigerer. Er lehnt seine Beteiligung an der weiteren Erforschung des Medikaments ab. Der Arbeitgeber will das nicht hinnehmen und spricht die Kündigung aus. Das Bundesarbeitsgericht hat dem Arbeitnehmer unter Hinweis auf dessen Gewissensfreiheit Recht gegeben. Eine Kündigung wäre nur dann rechtmäßig, wenn der Arbeitgeber den Arbeitnehmer nicht anderweitig in seinem Unternehmen beschäftigen könnte.

5

Nach BAG, Urteil vom 24.05.1989 – 2 AZR 285/88, NZA 1990, 144 ff.

1.3 Rechtsquellen

9

! die Meinungsfreiheit (Art. 5 Abs. 1 GG), ! die Berufsfreiheit des Arbeitnehmers (Art. 12 Abs. 1 GG) und natürlich ! die Koalitionsfreiheit (Art. 9 Abs. 3 GG). Gewerkschaftsbeitritt Ein Unternehmer hat sich vorgenommen, seinen Betrieb „gewerkschaftsfrei“ zu halten. Seine Arbeitsverträge beinhalten deshalb eine Klausel, nach der der Arbeitnehmer zustimmt, dass ihm im Falle seines Gewerkschaftsbeitritts gekündigt werden kann. Es versteht sich nahezu von selbst, dass eine solche Klausel unwirksam ist und nicht zur Kündigung berechtigt.

1.3.3

Einfache Gesetze

Die wohl wichtigsten Rechtsquellen im Arbeitsrecht stellen die einfachen Gesetze dar. In verschiedenen Gesetzen werden ganz unterschiedliche und weite Bereiche des Arbeitsrechts geregelt. Gesetzliche Vorschriften des Arbeitsvertragsrechts zum Schutz des Arbeitnehmers enthalten z. B.: ! ! ! ! ! ! ! ! ! ! ! ! ! ! !

Arbeitsvertragsrecht

Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) Gewerbeordnung (GewO) Handelsgesetzbuch (HGB) Gesetz über den Nachweis der für ein Arbeitsverhältnis geltenden Bedingungen (Nachweisgesetz – NachwG) Gesetz über die Zahlung des Arbeitsentgelts an Feiertagen und im Krankheitsfall (Entgeltfortzahlungsgesetz – EFZG) Gesetz über den Ausgleich von Arbeitgeberaufwendungen für Entgeltfortzahlung (Aufwendungsausgleichsgesetz – AAG) Bundesurlaubsgesetz (BUrlG) Bundeselterngeld- und Elternzeitgesetz (BEEG) Pflegezeitgesetz (PflegeZG) Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz (AGG) Gesetz über Arbeitnehmererfindungen (ArbnErfG) Gesetz zur Verbesserung der betrieblichen Altersversorgung (BetrAVG) Kündigungsschutzgesetz (KSchG) Teilzeit- und Befristungsgesetz (TzBfG) Arbeitnehmerüberlassungsgesetz (AÜG)

Das einfache Gesetzesrecht muss in zwingendes und dispositives Recht unterschieden werden. Von zwingenden Normen kann nicht abgewichen werden,

Zwingendes und dispositives Recht

10

1 Rechtsgrundlagen

sie gelten im Arbeitsrecht meist dem Schutz des Arbeitnehmers. Daher gilt der Schutz nur in eine Richtung und zu Gunsten des Arbeitnehmers kann von den Regelungen abgewichen werden. Es handelt sich also um einseitig zwingendes Gesetzesrecht. Dispositive Normen gelten dagegen nur, wenn nichts anders Lautendes im Vertrag vereinbart wurde. Dies sorgt dafür, dass Regelungslücken in Verträgen geschlossen werden. Sozialer Arbeitsschutz

Der soziale Arbeitsschutz ist neben dem technischen und dem medizinischen Arbeitsschutz ein wichtiger Bestandteil des staatlichen Arbeitnehmerschutzes. Er umfasst insbesondere den Arbeitszeitschutz (Arbeitszeitgesetz) und den Schutz von Leben und Gesundheit für besonders schutzbedürftige Personengruppen, z. B. für Jugendliche oder für Frauen vor und nach der Geburt eines Kindes (Mutterschutzgesetz). Hierzu gehören auch das Jugendarbeitsschutzgesetz und das Berufsbildungsgesetz.

Technischer und medizinischer Arbeitsschutz

Der technische und medizinische Arbeitsschutz bildet zusammen mit dem sozialen Arbeitsschutz den öffentlich- rechtlichen Arbeitsschutz. Als staatliche Aufgabe hat er zum Ziel, Sicherheit und Gesundheit der Beschäftigten bei der Arbeit zu gewährleisten. Dabei ist der deutsche Arbeitsschutz maßgeblich europäischen und internationalen Einflüssen unterworfen. Im Einzelnen wird das Ziel der Gewährleistung von Sicherheit und Gesundheit bei der Arbeit durch Maßnahmen zur Verhütung von Arbeitsunfällen, Berufskrankheiten und arbeitsbedingten Gesundheitsgefahren verfolgt. Grundlegendes Gesetz im Arbeitsschutz ist seit 1996 das Arbeitsschutzgesetz. Es enthält die grundsätzlichen Arbeitsschutzpflichten von Arbeitgebern und Beschäftigten und bildet die Grundlage für weitere Regelungen (z. B. die Arbeitsstättenverordnung, die Betriebssicherheitsverordnung, die Bildschirmarbeitsverordnung).

1.3.4

Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz – AGG

Wesentlicher Inhalt Beim Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz (AGG) handelt es sich um ein einfaches Gesetz i.S. von 1.3.3, das europarechtliche Vorgaben umsetzt. Anfänglich genoss das Gesetz eine erhebliche Medienaufmerksamkeit. Es wurden nahezu us-amerikanische Verhältnisse befürchtet, was die Zahl der Klagen und die Höhe der Entschädigungszahlungen angeht. Diese Befürchtungen haben sich – zumindest bisher – nicht bestätigt. Trotzdem spielt das Gesetz in allen Bereichen der betrieblichen Praxis eine nicht unerhebliche Rolle und wird daher an dieser Stelle gesondert behandelt.

1.3 Rechtsquellen

11

Das AGG verlangt entgegen seines etwas missverständlichen Namens keineswegs, alle Menschen gleich zu behandeln. Vielmehr zielt das Gesetz darauf ab, Benachteiligungen aus Gründen ! ! ! ! ! !

Unmittelbare und mittelbare Diskriminierung

der Rasse oder ethnischen Herkunft, des Geschlechts, der Religion und der Weltanschauung, einer Behinderung, des Alters oder der sexuellen Identität

zu verhindern oder zu beseitigen. Dabei umfasst der Schutzbereich des Gesetzes sowohl unmittelbare wie auch mittelbare Benachteiligungen. Der Personenkreis, der sich auf die Bestimmungen des AGG berufen kann, ist entsprechend der gesetzlichen Zielsetzung weit gefasst: Hierzu gehören Arbeitnehmer einschließlich leitender Angestellter, Auszubildende, Heimarbeiter, arbeitnehmerähnliche Personen und Bewerber sowie Selbständige und Organmitglieder.

Betroffener Personenkreis

Die unmittelbare Benachteiligung ist stets verboten, es sei denn es greifen bestimmte Ausnahmen oder Rechtfertigungsgründe. Die mittelbare Benachteiligung ist dagegen nicht verboten, wenn das damit zu erreichende rechtmäßige Ziel sachlich gerechtfertigt ist und die Mittel angemessen und erforderlich sind.

Gerechtfertigte Ungleichbehandlung

Benachteiligung

Unmittelbare Benachteiligung

Mittelbare Benachteiligung

Ziel sachlich gerechtfertigt und Mittel angemessen und erforderlich?

Rechtfertigung über §§ 8–10 und § 5

ja Keine unzulässige Benachteiligung Abb. 1-2: Schaubild: Benachteiligung nach dem AGG

nein Rechtfertigung über §§ 8–10 und § 5

12

1 Rechtsgrundlagen

§ 8 betrifft die berufliche Anforderung. Ist eine Eigenschaft nicht nur zweckmäßig sondern für eine bestimmte Position unabdingbar, so kann eine Benachteiligung im Einzelfall dennoch zulässig sein. So darf etwa ausdrücklich ein weibliches Model für Damenunterwäsche gesucht werden. § 9 betrifft Religion und Weltanschauung. Wenn die katholische Kirche einen Pastor sucht, sollte dieser katholisch sein. § 10 betrifft das Höchst- oder Mindestalter. Bestimmte altersbedingte Benachteiligungen sind zulässig. Interessant für die Stellenanzeige sind insbesondere die Nr. 2 (Mindestanforderungen an Alter, Berufserfahrung, Dienstalter) und die Nr. 3 (Festsetzung eines Höchstalters). § 5 betrifft positive Maßnahmen. So kann etwa eine Schwerbehindertenquote zulässig sein. Kundenwünsche und Marktausrichtung als Rechtfertigungsgrund

Bisher noch in der Diskussion ist, ob durch Kundenwünsche oder eine bestimmte Marktausrichtung ggf. eine Benachteiligung gerechtfertigt werden kann. So haben z. B. Bekleidungsgeschäfte, die einen besonders jungen Kundenkreis ansprechen wollen, häufig Alterbeschränkungen für ihr Verkaufspersonal. Unter strenger Anwendung des AGG dürfte eine solche Alterbeschränkung nicht zulässig sein. Auf der anderen Seite würde dies einen erheblichen Eingriff in die unternehmerische Entscheidungsfreiheit hinsichtlich des Unternehmenskonzepts darstellen.6

Schadensersatz und Entschädigung

Bei einem Verstoß gegen das Benachteiligungsverbot ist der Arbeitgeber verpflichtet, den hierdurch entstandenen Schaden zu ersetzen. Dies gilt ausnahmsweise dann nicht, wenn der Arbeitgeber die Pflichtverletzung nicht zu vertreten hat. Noch wichtiger ist § 15 Abs. 2 AGG. Danach kann der Beschäftigte für den Nichtvermögensschaden eine angemessene Entschädigung in Geld verlangen. Die Entschädigung darf bei einer Nichteinstellung drei Monatsgehälter nicht übersteigen, wenn der oder die Beschäftigte auch bei benachteiligungsfreier Auswahl nicht eingestellt worden wäre.

Beweislast

Wenn im Streitfall eine Partei Indizien beweist, die eine Benachteiligung wegen eines Diskriminierungsmerkmals vermuten lassen, trägt die andere Partei die Beweislast dafür, dass kein Verstoß gegen das AGG vorgelegen hat. Ein Beschäftigter muss danach lediglich Indizien vortragen, die eine Benachteiligung vermuten lassen. Hierfür reicht z. B. die nicht neutral verfasste Stellenanzeige bereits aus. Den Arbeitgeber trifft dann die volle Beweislast dafür, dass ausschließlich sachliche Gründe für die unterschiedliche Behandlung maßgeblich waren.

6

Siehe hierzu ausführlich Schlachter in Erfurter Kommentar, AGG § 8 Rn. 3, 9. Aufl. 2009.

1.3 Rechtsquellen

13

Das AGG und § 61b ArbGG sowie die Informationen über die für Beschwerden zuständigen Stellen sind nach § 12 Abs. 5 AGG im Betrieb bekanntzumachen. Diese Bekanntmachung kann durch Aushang, Auslegung oder die üblichen technischen Kommunikationswege erfolgen.

Bekanntmachungspflicht

Darüber hinaus ist der Arbeitgeber verpflichtet, die erforderlichen Maßnahmen zum Schutz vor Benachteiligungen zu treffen. Nach § 12 Abs. 2 AGG soll er die Beschäftigten als Präventionsmaßnahme „in geeigneter Art und Weise“, insbesondere im Rahmen der beruflichen Aus- und Fortbildung, auf die Unzulässigkeit von Benachteiligungen hinweisen und darauf hinwirken, das diese unterbleiben. Welche Maßnahmen erforderlich sind, kann je nach der Größe des Betriebs unterschiedlich zu beurteilen sein. Eine Möglichkeit, dieser Verpflichtung nachzukommen, ist jedenfalls die geeignete Schulung der Beschäftigten. Welche Schulung wiederum „geeignet“ ist, richtet sich nach den Umständen des jeweiligen Einzelfalls. Werden Beschäftigte bei der Ausübung ihrer Tätigkeit durch Dritte, z. B. Kunden oder Lieferanten, benachteiligt, hat der Arbeitgeber auch in dieser Hinsicht Schutzmaßnahmen zu ergreifen.

Schutzmaßnahmen

Praktischer Handlungsbedarf Im Einzelnen entsteht für den Arbeitgeber insbesondere an folgenden Stellen Handlungsbedarf: ! Auf diskriminierungsfreie Stellenausschreibungen achten ! Ablauf von Bewerbungs- und Vorstellungsrunden so festlegen, dass Diskriminierungen ausgeschlossen werden, vor allem durch unzulässige Fragen ! Standardisierte Absagen entwickeln ! Regelungen für das vorübergehende Aufbewahren von Bewerbungsunterlagen ! Durchsicht von Formulararbeitsverträgen und Betriebsvereinbarungen auf (vor allem mittelbar) benachteiligende Inhalte ! Verhaltensregelungen für die Belegschaft, dass Benachteiligungen nicht zulässig sind ! Benennen einer Beschwerdestelle für die Mitarbeiter ! Betriebsvereinbarung über ein Beschwerde-Management mit dem Betriebsrat entwickeln ! Personelle Auswahlrichtlinien für Kündigungen im Hinblick auf das Merkmal „Alter“ überarbeiten ! Schulung, insbesondere von Vorgesetzten In der Praxis kommt es immer wieder zu Problemen mit dem AGG wegen unbedachter Äußerung auch und vor allem von Führungskräften. Der Arbeitgeber sollte daher eindeutige Regelungen im Unternehmen aufstellen, wer, wann, welche Auskünfte an wen erteilen darf.

Kommunikationsregeln

14

1 Rechtsgrundlagen Befristeter Arbeitsvertrag und Schwangerschaft7 Die K. ist als hauswirtschaftliche Helferin für die B. beschäftigt. Dem Arbeitsverhältnis liegen der befristete schriftliche Arbeitsvertrag vom 20. 6. 2006 sowie drei verlängernde Vereinbarungen zugrunde, wonach das Arbeitsverhältnis zuletzt bis zum 31. 5. 2008 befristet war. Das Arbeitsverhältnis wurde nicht verlängert. Im April 2008 hat die B. erfahren, dass die K. schwanger ist. Als es nicht zur Festanstellung kam, hat sich die Mutter der K. telefonisch bei dem Betriebsleiter A. beschwert. Dieser entgegnete, dass er die K. aufgrund der bekannt gewordenen Schwangerschaft nicht eingestellt habe. Die B. entgegnet dem, der Betriebsleiter vor Ort entscheide nicht, ob ein Arbeitsverhältnis begründet, verlängert oder beendet werde. Der Betriebsleiter vor Ort sei nur fachlich Vorgesetzter, dürfe aber selbst weder Einstellungen noch Entlassungen von Mitarbeitern vornehmen. Das Arbeitsgericht entschied, dass eine Arbeitnehmerin, deren befristetes Arbeitsverhältnis wegen einer Schwangerschaft nicht verlängert wird, Anspruch auf Schadensersatz wegen entgangenen Arbeitseinkommens und zusätzlich auf angemessene Entschädigung wegen einer Benachteiligung nach dem Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz hat. Hat sie im Prozess eine Indiztatsache dafür bewiesen, dass die Nichtverlängerung auf der Schwangerschaft und damit auf einer Benachteiligung wegen ihres Geschlechts beruhte, so trägt dann der Arbeitgeber die Beweislast dafür, dass kein Verstoß gegen das AGG vorgelegen hat.

Rechtsprechung Gerade weil es sich beim AGG um ein relativ junges Gesetz handelt, ist die Rechtssprechung besonders zu beachten. Hieraus lassen sich in der Regel Anhaltspunkte dafür entnehmen, wie die einzelnen Vorschriften anzuwenden sind.8 Vorsicht ist allerdings auch hier geboten bei der unreflektierten Übernahme von Einzelfallentscheidungen.

7

ArbG Mainz Urteil vom 02.09.2008, – 3 Ca 1133/08.

8

Eine Sammlung von Urteilen findet sich beispielsweise unter www.agg-hopping.de/urteile.html oder unter www.berlin.de/lb/ads/agg/urteile/index.html oder unter www.haufe.de/Auftritte/ShopData/media/attachmentlibraries/rp /RechtsprechungsuebersichtAGG_aktuell.pdf (bis Mai 2008).

1.3 Rechtsquellen

1.3.5

15

Tarifverträge

Eine der wichtigsten Rechtsquellen für die arbeitsrechtliche Praxis sind die Tarifverträge. Für deren Anwendung auf das konkrete Arbeitsverhältnis gibt es mehrere Möglichkeiten. Grundsätzlich gelten die Regeln des Tarifvertrags nur dann, wenn beide Parteien des Arbeitsvertrags Mitglieder in dem jeweiligen Verband sind, der den fraglichen Tarifvertrag abgeschlossen hat. Der Arbeitnehmer muss beispielsweise Mitglied der IG-Metall sein, der Arbeitgeber seinerseits dem für ihn zuständigen Arbeitgeberverband der Metallindustrie angehören. In diesem Fall gelten wesentliche Normen des Tarifvertrags „unmittelbar und zwingend“ (§ 4 Abs. 1 TVG). Nicht einmal durch den Austritt aus dem Arbeitgeberverband vermag der Arbeitgeber diese Bindung zu beseitigen. In der Praxis ist in den Betrieben in der Regel nur ein bestimmter Prozentsatz der Arbeitnehmer gewerkschaftlich organisiert. Häufig erhalten aber alle Arbeitnehmer die gleichen – mindestens tariflichen – Leistungen. Natürlich wollen die Arbeitgeber ihre Mitarbeiter nicht zum Gewerkschaftsbeitritt ermutigen, was zwangsläufig bei einer Schlechterbehandlung der Nichtorganisierten der Fall wäre. Vielmehr wird in einer Vielzahl von Arbeitsverträgen auf Tarifverträge Bezug genommen. Damit gelten die tariflichen Arbeitsbedingungen im einzelnen Arbeitsvertrag als vereinbart.9

1.3.6

Betriebsvereinbarung

Neben den Tarifverträgen spielen die Betriebsvereinbarungen eine wichtige Rolle als arbeitsrechtliche Rechtsgrundlage. Die Betriebsvereinbarung ist ein Vertrag zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat, der für alle oder die in der Betriebsvereinbarung bezeichneten Arbeitnehmer des Betriebes unmittelbar und zwingend gilt (vgl. § 77 Abs. 4 BetrVG). Im Gegensatz zum Tarifvertrag hängt die Geltung einer Betriebsvereinbarung also nicht von der Gewerkschaftszugehörigkeit des Arbeitnehmers ab. Die Betriebsvereinbarung gilt vielmehr automatisch für die betroffenen Arbeitnehmer, unabhängig vom Arbeitsvertrag, sogar ohne Wissen und Wollen für neu eintretende Arbeitnehmer. Ähnlich wie der Tarifvertrag kann die Betriebsvereinbarung Regelungen über den Inhalt und die Beendigung von Arbeitsverhältnissen sowie betriebliche Normen enthalten. Betriebsvereinbarungen kommen insbesondere dort in Betracht, wo im Betriebsverfassungsgesetz Mitbestimmungsrechte des Betriebsrats vorgesehen sind. Zu beachten ist aber, dass Betriebsvereinbarungen keine 9

Im Einzelnen siehe hierzu unten unter 3.2.

16

1 Rechtsgrundlagen

Gegenstände regeln dürfen, die bereits Inhalt oder jedenfalls üblicher Inhalt eines Tarifvertrages sind (Tarifvorrang, § 77 Abs. 3 BetrVG). Namentlich Arbeitsentgelte und vergleichbare Arbeitsbedingungen scheiden daher als Regelungsgegenstand einer Betriebsvereinbarung aus. So dürfen nicht einmal für den Arbeitnehmer günstigere Betriebsvereinbarungen abgeschlossen werden, wenn der Tarifvertrag eine entsprechende Regelung vorsieht. Die Vorrangkompetenz der Tarifpartner ist in der durch Art. 9 Abs. 3 GG abgesicherten Tarifautonomie begründet. Eine Betriebsvereinbarung soll nicht als „Ersatztarifvertrag“ für nicht organisierte Arbeitnehmer wirken oder Tarifregelungen unterlaufen.

1.3.7

Betriebliche Übung

Neben den ausdrücklichen Regelungen existieren im Bereich des Arbeitsrechts einige wenige gewohnheitsrechtliche Regelungen. Hierzu gehört insbesondere die so genannte „betriebliche Übung“. Vereinfacht dargestellt handelt es sich dabei um ein wiederholendes gleichförmiges Verhalten des Arbeitgebers, das zu einem rechtlichen Anspruch auf eben dieses Verhalten führt. Unter Umständen muss dieses Verhalten nicht einmal gegenüber dem jeweiligen Arbeitnehmer erfolgt sein. Tritt ein Arbeitnehmer in einen Betrieb ein und werden mit ihm – wie meist der Fall – die Vertragsbedingungen vereinbart, die allgemein im Betrieb angewendet werden, so gelten auch für ihn betriebliche Übungen, ohne dass es einer wiederkehrenden Handlung ihm gegenüber bedarf. Freiwilliges Weihnachtsgeld10 Der Arbeitgeber hatte in den letzten fünf Jahren jeweils ein Weihnachtsgeld von 500 € pro Arbeitnehmer ausgezahlt. Auf Grund der allgemeinen Kostensteigerung will A in diesem Jahr kein Weihnachtsgeld auszahlen. Er meint, dass er schließlich das Weihnachtsgeld freiwillig ausgezahlt habe, sodass es ihm auch freistehen müsse, nunmehr hiervon Abstand zu nehmen. Hier irrt sich der Arbeitgeber. Tatsächlich haben die Mitarbeiter aus dem Arbeitsvertrag in Verbindung mit einer betrieblichen Übung einen Rechtsanspruch auf das Weihnachtsgeld erworben. Begründet wird die betriebliche Übung einerseits mit dem besonderen Vertrauensverhältnis zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer (Vertrauenstheorie), andererseits wird das mehrmals gleichartige Handeln des Arbeitgebers als ein Angebot auf Änderung des Arbeitsvertrages angesehen, das der Arbeitnehmer durch das widerspruchslose Weiterarbeiten akzeptiere (Vertragstheorie). Gegenstand der betriebli10

Vgl. hierzu BAG, Urteil vom 11.04.2000 – 9 AZR 255/99, NZA 2001, 24; BAG, Urteil vom 24.06.2003 – 9 AZR 302/02, NJW 2003, 3725, 3727.

1.3 Rechtsquellen

17

chen Übung kann grundsätzlich alles sein, was auch Gegenstand der Arbeitsverträge ist. Die häufigsten Fälle sind etwa Zahlungen von Weihnachtsgeld, Urlaubsgeld, Prämien, Gratifikationen oder Fahrtkostenzuschüssen, Regelungen zu Urlaubsanmeldung, Urlaubsgewährung, Krankmeldung oder Pausen. Voraussetzungen sind immer eine vorbehaltlose Handlung und deren regelmäßige Wiederholung. Wie oft die Handlung gleichförmig wiederholt werden muss, damit sie als betriebliche Übung angesehen werden kann, ist nicht einheitlich bestimmt. In der Regel wird ein dreimaliges, gleichförmiges Verhalten des Arbeitgebers als bindend angesehen. Der Arbeitgeber kann sich jedoch, um dem zu entgehen, die Freiwilligkeit seiner Leistung ausdrücklich vorbehalten (Freiwilligkeitsvorbehalt). Wird also über drei Jahre hinweg ohne Freiwilligkeitsvorbehalt eine Weihnachtsgratifikation vom Arbeitgeber gezahlt, so hat der Arbeitnehmer auch in den folgenden Jahren einen Anspruch darauf. Eine mehrmalige Zahlung unterschiedlich hoher Weihnachtsgratifikationen stellt dagegen keine betriebliche Übung dar, da in einem solchen Fall kein schützenswertes Vertrauen geschaffen wurde. Eine betriebliche Übung kann grundsätzlich auch schriftliche Arbeitsverträge ändern. Früher wurde versucht, diesen Effekt mit einer so genannten „doppelten“ Schriftformklausel zu vermeiden. Danach bedürfen Ergänzungen des Arbeitsvertrages der Schriftform und eine mündliche Änderung des Schriftformerfordernisses ist unzulässig. Eine betriebliche Übung wäre also ausgeschlossen.11 Nunmehr hat das Bundesarbeitsgericht mit Urteil vom 20. Mai 200812 entschieden, dass diese Klauseln unwirksam sind. Mietkostenzuschuss Einem in China beschäftigten Arbeitnehmer waren von seinem Arbeitgeber ohne schriftliche Regelung mehrfach die Mietkosten erstattet worden. Sein Arbeitsvertrag enthielt eine klassische sog. doppelte Schriftformklausel mit folgendem Wortlaut: „Änderungen und Ergänzungen dieses Vertrages sind, auch wenn sie bereits mündlich getroffen wurden, nur wirksam, wenn sie schriftlich festgelegt und von beiden Parteien unterzeichnet worden sind. Dies gilt auch für den Verzicht auf das Schriftformerfordernis.“ Der Arbeitnehmer verlangte rückwirkend die Erstattung seiner Mietkosten für einen bestimmten Zeitraum. Der Arbeitgeber berief sich demgegenüber auf die vertraglich vereinbarte Schriftform. Nach Ansicht des Bundesarbeitsgerichts hat der Kläger einen Anspruch auf Erstattung der Mietkosten aus betrieblicher Übung. Dem stehe die vereinbarte sog. doppelte Schriftformklausel nicht entgegen. Denn diese sei gem. § 307 Abs. 1 S. 1 BGB unwirksam. Sie erwecke entgegen der 11

So noch Urteil des BAG vom 24.06.2003 – 9 AZR 302/02, NZA 2003, 1145.

12

BAG, Urteil vom 20.05.2008 – 9 AZR 382/07, NZA 2008, 1233.

Entstehung

18

1 Rechtsgrundlagen Schutzvorschrift des § 305b BGB, wonach individuelle Vertragsabreden Vorrang vor Allgemeinen Geschäftsbedingungen haben, den Eindruck, dass auch eine mündliche individuelle Vertragsabrede wegen Nichteinhaltung der Schriftform gem. § 125 S. 2 BGB unwirksam wäre. Dies bedeute eine unangemessene Benachteiligung im Sinne des § 307 Abs. 1 S. 1 BGB

Beseitigung

Eine betriebliche Übung kann nur durch eine einvernehmliche Änderung des Arbeitsvertrages, eine Änderungskündigung oder eine erneute, so genannte negative betriebliche Übung, geändert werden.13 Bei der negativen betrieblichen Übung kann eine betriebliche Übung dadurch geändert werden kann, dass die Arbeitnehmer einer neuen Handhabung über einen Zeitraum von drei Jahren nicht widersprechen. Die Arbeitnehmer nehmen damit die Änderung quasi konkludent an. Voraussetzung hierfür ist jedoch, dass der Arbeitgeber klar und unmissverständlich erklärt, die bisherige betriebliche Übung etwa einer vorbehaltlosen Zahlung solle beendet und durch eine Leistung ersetzt werden, auf die in Zukunft kein Rechtsanspruch mehr bestehen.

Vermeidung

Zahlt der Arbeitgeber Weihnachts-, Urlaubsgeld oder andere Gratifikationen, so sind diese Sonderzahlungen grundsätzlich freiwillig. Der Arbeitgeber hat daher das Recht, den Anspruch des Arbeitnehmers auf diese Gratifikationen zukünftig auszuschließen. Voraussetzung ist jedoch, dass er die Zahlungen unter einen Freiwilligkeitsvorbehalt stellt, sonst würde bei wiederholter Zahlung durch sog. „betriebliche Übung“ ein Anspruch der Arbeitnehmer auf die Gratifikation entstehen. Nach Ansicht des Bundesarbeitsgerichts bleibt es grundsätzlich jedoch dem Arbeitgeber vorbehalten, ob und in welcher Höhe er zukünftig Sonderzahlungen gewähren will. Für den Freiwilligkeitsvorbehalt, der die betriebliche Übung ausschließen soll, genügt eine entsprechende, klar verständliche Klausel im Arbeitsvertrag.

Widerrufsvorbehalt

Alternativ kann der Arbeitgeber einen Widerrufsvorbehalt verwenden, der zwar einer betrieblichen Übung nicht entgegensteht, jedoch dem Arbeitgeber die Möglichkeit bietet, sich für die Zukunft von dieser loszusagen. Der Arbeitgeber kann also durch einseitigen Widerruf die betriebliche Übung beseitigen, dies jedoch unter strengen Voraussetzungen und nur nach billigem Ermessen.

13

Siehe zur negativen betrieblichen Übung BAG, Urteil vom 04.05.1999 – 10 AZR 290/98, NJW 2000, 308.

1.3 Rechtsquellen

1.3.8

19

Arbeitsrechtlicher Gleichbehandlungsgrundsatz

Neben der betrieblichen Übung stellt der arbeitsrechtliche Gleichbehandlungsgrundsatz ein gewohnheitsrechtlich anerkanntes Rechtsinstitut dar. Danach trifft den Arbeitgeber grundsätzlich die Pflicht, seine Arbeitnehmer gleich zu behandeln und Differenzierungen nur aus sachlichen Gründen vorzunehmen. D.h. eine willkürliche Schlechterstellung einzelner Arbeitnehmern oder Arbeitnehmergruppen gegenüber anderen einzelnen Arbeitnehmern oder Arbeitnehmergruppen ist dann verboten, wenn sich diese in einer vergleichbaren Lage befinden. Während die betriebliche Übung Gleichbehandlung in der Zeit („es war schon immer so“) bedeutet, bedeutet der Gleichbehandlungsgrundsatz Gleichbehandlung in der Person. Zu unterscheiden ist dabei aber die Möglichkeit einer Begünstigung – d.h. einer Besserstellung – einzelner Arbeitnehmer. Ein Arbeitnehmer kann deshalb im Prinzip keinen Anspruch daraus ableiten, dass einzelne Arbeitnehmer ihm gegenüber bevorzugt werden, sondern er kann einen Anspruch nur darauf stützen, dass er willkürlich von einer allgemeinen Regelung ausgeschlossen und deshalb benachteiligt wird. Schematisiert ausgedrückt liegt ein Verstoß gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz vor, wenn

Voraussetzungen

(1) der Arbeitgeber eine bestimmte Ordnung in der Reihe oder in der Zeit (Stichtage) geschaffen hat, (2) ein oder einzelne Arbeitnehmer von dieser Ordnung ausgenommen werden, (3) für die Ausnahme kein sachlicher Grund besteht. Dabei wird jedoch auch überprüft, ob die vom Arbeitgeber getroffene Ordnung (Gruppeneinteilung) selbst sachlich gerechtfertigt ist. Rechtliche Folge eines Verstoßes gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz ist, dass die von der Grundregelung ausgenommene Gruppe in diese einbezogen wird und dieselben Ansprüche wie die andere Gruppe erlangt (Liftfunktion). Unter Umständen kann dies für den Arbeitgeber teuer werden. Dies gilt erst recht, wenn die Arbeitsorganisation seines Unternehmens aus zwei oder mehreren Betrieben besteht. Die Rechtsbindung beschränkt sich nämlich nicht auf den einzelnen Betrieb; sie ist vielmehr unternehmensbezogen.

Rechtsfolge

20

1 Rechtsgrundlagen Kein Ausschluss eines einzelnen Betriebs14 Die Arbeitgeberin betreibt ein Logistik- und Paketdienstleistungsunternehmen mit zahlreichen Niederlassungen und bundesweit über 15.000 Arbeitnehmern. Zum 1.9.2005 nahm sie eine Lohnerhörung von 2,1 % vor. Das Werk in G nahm sie von der Erhöhung vollständig aus. Ein im Betrieb G als Zusteller tätiger Arbeitnehmer sah hierin einen Verstoß gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz. Die Arbeitgeberin wandte hiergegen ein, im Betrieb in G habe sie alle Arbeitnehmer gleichbehandelt. Im Übrigen sei die Ungleichbehandlung gegenüber anderen Betrieben sachlich gerechtfertigt, weil das Vergütungsniveau im Werk in G bereits überdurchschnittlich hoch sei und die Kosten je befördertes Paket dort am höchsten lägen. Außerdem sei G die einzige Niederlassung, in der sie durch betriebliche Regelungen daran gehindert sei, einseitig ohne Zustimmung der Belegschaft Mehrarbeit anzuordnen. Hat der Arbeitgeber ein unternehmensweites Vergütungssystem geschaffen, nach dem er bestimmte Leistungen erbringt, muss er einen sachlichen Grund haben und beweisen können, wenn er einzelne Arbeitnehmer, bestimmte Arbeitnehmergruppen, oder ganze Betriebe aus dem Kreis der Begünstigten ausnehmen will. Im Prozess muss der Arbeitgeber dabei einen unternehmensweiten Vergleich aller Betriebe offenlegen und die bestehenden Unterschiede aufzeigen.

Lohnerhöhungen

Der arbeitsrechtliche Gleichbehandlungsgrundsatz, der Arbeitgebern eine „willkürliche Ungleichbehandlung“ von Arbeitnehmern verbietet, gilt nur bei einer generellen, einheitlichen Lohnerhöhung.15 Mitarbeiter eines Unternehmens haben nicht ohne weiteres einen Anspruch auf Gleichbehandlung mit anderen Beschäftigten, sofern der Arbeitgeber z. B. Lohnerhöhungen mit einzelnen Beschäftigten aushandelt oder nach „individuellen Leistungskriterien“ vornimmt. In diesem Fall ist es nicht möglich, dass Arbeitnehmer, die sich benachteiligt fühlten, im Wege des Gleichbehandlungsgrundsatzes ebenfalls eine durchschnittliche Lohnerhöhung geltend machen können. Der Grundsatz der Gleichbehandlung greift nur dann ein, wenn der Arbeitgeber Leistungen nach einem erkennbar generalisierten Prinzip aufgrund einer abstrakten Regelung gewährt.

Freiwillige Sozialleistungen

Das Hauptanwendungsgebiet des Gleichbehandlungsgrundsatzes liegt auf dem Gebiet der freiwilligen Sozialleistungen. Freilich kann der Arbeitgeber auch hier nach individuellen Voraussetzungen und Bedürfnissen seine Leistung erbringen. Er ist jedoch dann zu seiner Einhaltung verpflichtet, wenn er eine

14

BAG, Urteil vom 03.12.2008, 5 AZR 74/08.

15

Vgl. LAG-Rheinland-Pfalz – Urteil vom 20.07.2006, 4 Sa 325/06.

1.3 Rechtsquellen

21

allgemeine Ordnung eingeführt hat. Zu den freiwilligen Sozialleistungen gehören vor allem die Ruhegelder und Gratifikationen. Zulässige Differenzierung Der Arbeitgeber hat dem Arbeitnehmer seit 10 Jahren immer ein Weihnachtsgeld i.H.v. 2.000 € gezahlt, jedoch immer nur unter einem Freiwilligkeitsvorbehalt, welcher auch durch die Arbeitnehmer unterschrieben wurde. Als der Arbeitnehmer in diesem Jahr, abgesehen von wenigen Tagen arbeitsunfähig krank war, zahlt der Arbeitgeber dieses Jahr nur gegenüber den anderen Arbeitnehmern. Der Arbeitnehmer könnte gegen den Arbeitgeber einen Anspruch auf Zahlung der 2.000 € aus betrieblicher Übung haben. Allerdings existiert hier ein Freiwilligkeitsvorbehalt. Es könnte sich aber ein Anspruch aus dem arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz ergeben. Dies setzt eine Ungleichbehandlung hinsichtlich einer generell motivierten, einseitigen Maßnahme voraus. Die Zahlung von Weihnachtsgeld unter einem Freiwilligkeitsvorbehalt unterliegt grundsätzlich der freien Entscheidung des Arbeitgebers. Da hier nur ein Arbeitnehmer, nicht aber die anderen Arbeitnehmer das Weihnachtsgeld erhielten, liegt eine Ungleichbehandlung vor. Diese Ungleichbehandlung müsste willkürlich bzw. sachwidrig sein. Hier differenzierte der Arbeitgeber zwischen solchen Arbeitnehmern, welche während des vergangenen Jahres im Betrieb tatsächlich tätig waren und solchen, die weitgehend krankheitsbedingt fehlten. Eine solche Unterscheidung hält das BAG für zulässig.16 Daher lag kein Verstoß gegen das Gleichbehandlungsgebot vor, so dass dem Arbeitnehmer hieraus kein Anspruch entstehen konnte. Die Verweigerung der Zahlung geschah damit zu Recht. Da der Grundsatz der Vertragsfreiheit Vorrang vor dem Grundsatz der Gleichbehandlung hat, kann sich ein Arbeitnehmer u.U. mit einer bestimmten, ihn benachteiligenden ungleichen Behandlung einverstanden erklären. Insbesondere kann im Einzelarbeitsvertrag wirksam festgelegt werden, dass ein Arbeitnehmer bestimmte Leistungen, die der Arbeitgeber bisher nach einer bestimmten Regel gewährt hat, nicht erhalten soll. Wenn eine Maßnahme bereits unter Verletzung des Gleichbehandlungsgrundsatzes getroffen ist, kann der Verstoß durch ein Einverständnis des Betroffenen geheilt werden. Jedoch genügt es nicht, dass der Arbeitnehmer sich lediglich dem Unrecht beugt. Eine allgemeine Vertragsabrede, durch die ein Arbeitnehmer sich generell einverstanden erklärt, dass der Arbeitgeber ihm gegenüber nicht zur Gleichbehandlung verpflichtet ist, verstößt gegen die guten Sitten. Die Gleichbehandlungspflicht des

16

BAG, Urteil vom 07.08.2002 – 10 AZR 709/01, MDR 2003, 91, 92.

Verhältnis zum Einzelarbeitsvertrag

22

1 Rechtsgrundlagen

Arbeitgebers gehört vielmehr zu den rechtsethischen Grundlagen des Arbeitsverhältnisses. Verhältnis zum AGG

Der arbeitsrechtliche Gleichbehandlungsgrundsatz darf nicht mit der Allgemeinen Gleichbehandlung im Sinne des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes (AGG) verwechselt werden. Gem. § 7 Abs. 1 i.V.m. § 1 AGG sind nur Benachteiligungen erfasst, die die Rasse/Herkunft, Geschlecht/sexuelle Identität, Religion/Weltanschauung; Behinderung, Alter betreffen. Die Aufzählung in § 1 AGG ist abschließend. Geht es also um andere als die im AGG genannten Anknüpfungspunkte, ist der arbeitsrechtliche Gleichbehandlungsgrundsatz anwendbar (vgl. § 1 Abs. 3 AGG).

1.3.9

Allgemeine Arbeitsbedingungen

Mit dem Begriff „Allgemeine Arbeitsbedingungen“ sind in diesem Zusammenhang Regelungen gemeint, die für alle Beschäftigten eines Betriebs oder zumindest für bestimmte Gruppen gelten sollen. Es kann sich dabei zum einen um vom Arbeitgeber einseitig aufgestellte und einzelnen Arbeitsverträgen formularmäßig zu Grunde gelegte Regeln handeln. Zum anderen auch um vom Arbeitgeber (i.d.R.) durch Aushang oder ein Schreiben bekannt gemachte Regelungen. Die allgemeinen Arbeitsbedingungen sind mit den sonst im Privatrecht üblichen Allgemeinen Geschäftsbedingungen vergleichbar und werden daher auch wie diese behandelt. Folglich sind die Vorschriften der §§ 305 ff. BGB über allgemeine Geschäftsbedingungen auch auf allgemeine Arbeitsbedingungen anwendbar. Allerdings sind nach § 310 Abs. 4 BGB die arbeitsrechtlichen Besonderheiten zu berücksichtigen. Rauchverbot Ein Unternehmer beschließt in seinem Betrieb ein Rauchverbot zu verhängen. Am schwarzen Brett des Betriebes lässt er einen Aushang anbringen, in dem er mitteilt, dass ab sofort auf dem gesamten Betriebsgelände das Rauchen verboten sei. Die Raucher unter den Arbeitnehmern fühlen sich dadurch in ihren Persönlichkeitsrechten verletzt. Das umfassende Rauchverbot muss sich als Allgemeine Arbeitsbedingung an den Vorschriften der §§ 305 ff. messen lassen. Hier kommt eine Inhaltskontrolle über den Rechtsgedanken des § 307 (unzumutbare Benachteiligung) in Betracht. Es kann keinen Zweifel geben, dass der Arbeitgeber in erster Linie verpflichtet ist, die Nichtraucher unter den Arbeitnehmern zu schützen und diesen eine rauchfreie Umgebung zu gewährleisten. Tatsächlich dürfte aber ein absolutes Rauchverbot, das ausnahmslos für das gesamte Betriebsgelände gilt, d.h. auch im Freien, eine unangemessene Benachteiligung darstellen.

1.3 Rechtsquellen

1.3.10

23

Direktionsrecht des Arbeitgebers

Die Aufgaben und Pflichten, die ein Arbeitnehmer im Rahmen des Arbeitsverhältnisses übernimmt, sind im Arbeitsvertrag notgedrungen nur rahmenmäßig beschrieben. Der Arbeitgeber hat daher im Rahmen seines Direktions- und Weisungsrechts die Möglichkeit, die Leistungspflichten durch entsprechende Anweisungen einseitig näher zu konkretisieren. Geregelt ist das Direktionsrecht in § 106 der Gewerbeordnung (GewO). Danach kann der Arbeitgeber Inhalt, Ort und Zeit der Arbeit selbst bestimmen, es sei denn, es besteht diesbezüglich eine höherrangige Regelung. Die Ausübung des Direktions- und Weisungsrechts muss nach billigem Ermessen gem. § 315 BGB erfolgen.

1.3.11

Rechtsprechung

Die Rechtsprechung der Arbeitsgerichte ist keine Rechtsgrundlage im eigentlichen Sinne. Bei Gerichtentscheidungen wird über ein ganz bestimmtes Arbeitsverhältnis oder ein konkretes, einmaliges Problem entschieden. Solche Entscheidungen entfalten über die beteiligten Parteien hinaus grundsätzlich keine Bindungswirkung. Sie können also nicht unmittelbar auf eine konkrete Rechtsfrage angewandt werden. Andererseits sind die Entscheidungen der Gerichte, insbesondere des Bundesarbeitsgerichts, eine unverzichtbare Auslegungs- und Interpretationshilfe für die Anwendung des Arbeitsrechts. Es empfiehlt sich daher, vor allem die Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts fortlaufend „im Auge“ zu behalten. Andererseits muss davor gewarnt werden, Entscheidungen der Gerichte mehr oder minder unkritisch auf andere Rechtsprobleme zu übertragen und daraus eine Lösung abzuleiten. Die Entscheidungen der Arbeitsgerichte sind in besonderem Maße immer auch Einzelfallentscheidungen. Gerade wegen der im Arbeitsrecht so häufig erforderlichen Abwägung der beiderseitigen Interessen, können zwar die Grundsätze einer Entscheidung, aber nur sehr selten die Ergebnisse der Entscheidungen auf andere Fälle übertragen werden.

1.3.12

Verhältnis der Regelungen

Was gilt jetzt eigentlich? Ein Arbeitgeber möchte aus wirtschaftlichen Gründen einem 29-jährigen Arbeitnehmer nicht mehr als drei Wochen Urlaub gewähren. Das seien ja immerhin 21 freie Tage. Im Arbeitsvertrag wurden eine 5-Tage-Woche und 20 Tage Urlaub vereinbart. Eine bestehende Betriebsvereinbarung gewährt mit Erreichen des 30. Lebensjahres zwei zusätzliche Urlaubstage (was der Arbeitnehmer diskriminierend findet). Der gesetzliche Anspruch auf Erholungsurlaub beträgt 24 Werktage (§ 3 Abs.1 BUrIG). Der ein-

24

1 Rechtsgrundlagen schlägige Tarifvertrag setzt die Urlaubsdauer mit 30 Arbeitstagen fest. Welchen Urlaubsanspruch hat denn nun der Arbeitnehmer?

Für das Verhältnis der einzelnen Rechtsquellen untereinander gelten die folgenden Regeln. Rangprinzip

Bezüglich der zwingenden Normen gilt das Vorrangprinzip: die jeweils ranghöhere Norm hat Priorität vor der rangniederen Norm. Damit werden Mindeststandards zwingend festgelegt. So ist z. B. der vierwöchige gesetzliche Mindesturlaub gem. § 3 BUrlG vertraglich und tariflich nicht abdingbar.

Günstigkeitsprinzip

Im Übrigen gilt das Günstigkeitsprinzip. Danach können rangniedere Normen grundsätzlich günstigere Regelungen enthalten. Sieht z. B. eine Betriebsvereinbarung ein Weihnachtsgeld von einem halben Monatsgehalt vor, kann trotzdem in rangniedrigeren Arbeitsvertrag ein Weihnachtgeld von einem Monatgehalt vereinbart werden.

1.3.13

Grenzen des Arbeitnehmerschutzes

Die Normen des Arbeitsrechts reichen nicht so weit, dass die Dispositionsfreiheit des Arbeitgebers über sein Unternehmen ernstlich beeinträchtigt wäre. Investitionen in neue Technologien sind ihm ebenso vorbehalten, wie die Eröffnung neuer Filialen, die Schließung seines Betriebes oder die Gestaltung der Preise. Selbst unzweckmäßiges unternehmerisches Verhalten wird von den Arbeitsgerichten nicht korrigiert. Nur bei offensichtlich völlig „willkürlichen“ und „unsachlichen“ Maßnahmen soll Abweichendes gelten. Gemeint sind damit Extremfälle unsozialen Verhaltens Tarifverträge und Mitbestimmung greifen nur mittelbar in die unternehmerische Freiheit ein, indem sie bestimmte „Rahmenbedingungen“ festlegen: Der Arbeitgeber muss in seiner Kalkulation mit bestimmten Lohnkosten rechnen, die Belegschaft steht nur während der Stunden zur Verfügung, die mit der Gewerkschaft und dem Betriebsrat ausgehandelt wurden usw.

1.3.14

Ethik-Richtlinien

Compliance-Richtlinien für Angestellte sind für deutsche Tochtergesellschaften börsennotierter amerikanischer Muttergesellschaften bereits vorgeschrieben. Inzwischen ist es jedoch bei einer Vielzahl von größeren Unternehmen üblich, Ethik- oder Compliance-Richtlinien aufzustellen. Dabei geht es in erster Linie um die haftungsträchtigen Bereiche des Kartell- und Kapitalmarktrechts sowie die Korruptionsbekämpfung. Viele „Ethik-Richtlinien“ versuchen aber darüber hinaus z. B. das außerbetriebliche Verhalten ihrer Mitarbeiter zu regeln oder dienstliches Verhalten näher zu konkretisieren.

1.3 Rechtsquellen

25

Im Zusammenhang mit „Ethik-Richtlinien“ ist vor allem die Abgrenzung zwischen einer mitbestimmungsfreien Konkretisierung der Arbeitspflicht einerseits und der mitbestimmungspflichtigen Regelung des Ordnungsverhaltens der Arbeitnehmer andererseits entscheidend. Mitbestimmung des Betriebsrats bei Ethik-Richtlinien17 Im konkreten Fall ging es um eine Richtlinien bei der Honeywell Deutschland Holding GmbH (Offenbach). Deren US-amerikanische Muttergesellschaft hatte im Jahr 2004 einen Verhaltenscode für alle weltweit im Konzern beschäftigten Arbeitnehmer erstellt. Die Richtlinien regeln unter anderem die Beziehungen zu den Kunden und untereinander. Auch ein Programm zur Einhaltung der Verhaltensregeln und zur Wahrung der Integrität gehört dazu. Darin heißt es unter anderem, dass alle Mitarbeiter den Verhaltenskodex sowie die Grundsätze und Verfahren des Unternehmens genau befolgen und mutmaßliche Verstöße umgehend melden müssen. Die Nichterfüllung könne ein Disziplinarverfahren bis hin zur Kündigung nach sich ziehen. Der Konzernbetriebsrat hatte erklärt, dass er die Einführung des Verhaltenskodexes zwar vorerst toleriere, zur Klärung aber ein gerichtliches Verfahren einleitet. Das Bundesarbeitsgericht bejahte grundsätzlich ein Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats. Es bestehe allerdings kein Mitbestimmungsrecht bei Regelungen, mit denen lediglich die geschuldete Arbeitsleistung konkretisiert werden soll. Ethik-Richtlinien könnten sowohl mitbestimmungspflichtige als auch mitbestimmungsfreie Teile enthalten. Das Mitbestimmungsrecht an einzelnen Regelungen begründe jedoch nicht notwendig ein Mitbestimmungsrecht am Gesamtwerk. Insgesamt wies das Gericht den Antrag des Konzernbetriebsrat daher ab, mit dem dieser ein Mitbestimmungsrecht an der Gesamtheit von konzernweit eingeführten EthikRichtlinien festgestellt wissen wollte. Es stellte jedoch fest, dass der Betriebsrat an bestimmten Regelungen, wie etwa der Verpflichtung der Arbeitnehmer, Interessenkonflikte schriftlich zu melden, zu beteiligen sei. Darüber hinaus stellte das Gericht fest, dass ausländische Vorschriften, die für börsennotierte Unternehmen die Einführung von „Ethik-Richtlinien“ vorsehen, die Mitbestimmungsrechte nach dem Betriebsverfassungsgesetz nicht ausschließen. Insgesamt kann bei der Einführung von „Ethik-Richtlinien“ der Weg über den Abschluss einer Betriebsvereinbarung mit dem Betriebsrat sinnvoll sein. Ge-

17

BAG, Beschluss vom 22.07.2008 – 1 ABR 40/07, NJW 2008, 3731.

26

1 Rechtsgrundlagen

gebenfalls bietet sich eine Aufspaltung der „Ethik-Richtlinie“ in mitbestimmungsfreie Weisungen und mitbestimmungspflichtige Regelungen an.18

18

Siehe zu Ethik-Richtlinie ausführlich Meyer, Ethikrichtlinien internationaler Unternehmen und deutsches Arbeitsrecht, NJW 2006, 3605 ff.

2

Beteiligte

Arbeitsrecht ist das für die Rechtsbeziehungen zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer geltende Recht. Dies sind zunächst die entscheidenden Akteure im Rahmen der arbeitsrechtlichen Praxis. Bei größeren Betrieben kann dann ein Betriebsrat hinzukommen. Ausgangsfrage für die arbeitsrechtliche Praxis ist demnach, welche Mitarbeiter und Beschäftigte als Arbeitnehmer des jeweiligen Arbeitgebers zu qualifizieren sind.

2.1

Arbeitnehmer

Ob ein Mitarbeiter Arbeitnehmer des Unternehmens oder selbständiger freier Mitarbeiter oder sogar selber Unternehmer ist, können die Vertragparteien nicht selber entscheiden. Die Arbeitnehmereigenschaft bestimmt sich vielmehr nach objektiven Kriterien. Arbeitnehmer ist, wer aufgrund eines privatrechtlichen Vertrages für einen anderen abhängige, unselbständige und weisungsgebundene Arbeit leistet. Das Arbeitsverhältnis unterscheidet sich von Rechtsverhältnissen eines freien Mitarbeiters (Dienstverhältnis) durch den Grad der persönlichen Abhängigkeit, in welchem der zur Dienstleistung Verpflichtete jeweils zum Dienstberechtigten steht. Arbeitnehmer ist, wer seine Dienstleistung gegenüber einem Dritten im Rahmen einer von diesem Dritten bestimmten Arbeitsorganisation zu erbringen hat. Die Eingliederung in die fremde Arbeitsorganisation wird besonders dadurch deutlich, dass der Arbeitnehmer hinsichtlich Zeit, Dauer und Ort der Ausführung der übernommenen Dienste einem umfassenden Weisungsrecht des Arbeitgebers unterliegt. Bei der Frage nach der persönlichen Abhängigkeit muss indessen vor allem auf die Eigenart der jeweiligen Tätigkeit geachtet werden. Abstrakte, für alle Arbeitsverhältnisse gleichermaßen geltende Kriterien lassen sich insoweit nicht aufstellen. Eine Anzahl von Tätigkeiten kann sowohl im Rahmen eines Arbeitsverhältnisses als auch im Rahmen eines freien Dienstverhältnisses (freien Mitarbeiterverhältnisses) erbracht werden. Maßgeblich für ein Arbeitsverhältnis ist, dass der Arbeitgeber innerhalb eines

Arbeitnehmerbegriff

28

2 Beteiligte

bestimmten zeitlichen Rahmens über die Arbeitsleistung eines Arbeitnehmers verfügen darf.19 Über die Einordnung eines Rechtsverhältnisses als freier Dienstvertrag oder Werkvertrag oder als Arbeitsvertrag entscheidet der Geschäftsinhalt, nicht dagegen eine von den Parteien lediglich gewählte Bezeichnung, die dem Geschäftsinhalt nicht entspricht. Der den Vertragstyp bestimmende Geschäftsinhalt ergibt sich aus den getroffenen Vereinbarungen oder aus der tatsächlichen Durchführung des Vertrages. Widersprechen sich Vereinbarung und tatsächliche Durchführung, so ist letztere maßgebend. Aus der praktischen Handhabung der Vertragsbeziehungen lassen sich am ehesten Schlüsse darauf ziehen, von welchen Rechten und Pflichten die Parteien in Wirklichkeit ausgegangen sind. Kurzum, nicht überall wo „freier Mitarbeiter“ draufsteht, ist auch ein freier Mitarbeiter drin.

2.2

Besondere Arbeitnehmergruppen

Die Arbeitnehmer gliedern sich wiederum in unterschiedliche Gruppen oder solche mit besonderen Arbeitsverhältnissen, für die zum Teil besondere Regelungen gelten.

2.2.1

Leitende Angestellte

Leitende Angestellte sind Arbeitnehmer, die unternehmens- oder betriebsleitende Aufgaben wahrnehmen. Eine genaue Beschreibung enthält § 5 Abs. 3 und Abs. 4 BetrVG. Von den übrigen Arbeitnehmern grenzen sie sich dadurch ab, dass sie weitgehend Arbeitgeberfunktionen wahrnehmen. Das Betriebsverfassungsgesetz ist in weiten Teilen auf leitende Angestellte nicht anwendbar. Sie gehören nicht zu der vom Betriebsrat repräsentierten Belegschaft und sind zum Betriebsrat weder wahlberechtigt noch wählbar. Sie rechnen insbesondere auch nicht mit bei der Anzahl von Arbeitnehmern, von der u.a. die Betriebsratsfähigkeit eines Betriebes, die Größe des Betriebsrates oder bestimmte Beteiligungsrechte des Betriebsrates abhängen.20 Trotzdem muss der Arbeitgeber den Betriebsrat vor der Einstellung oder vor personellen Veränderungen von leitenden Angestellten unterrichten.21

19

BAG, Beschluss vom 29.01.1992 – 7 ABR 27/91, NZA 1992, 894 ff.

20

Vgl. §§ 1, 9, 38 Abs. 1, 99 Abs. 1, 106 Abs. 1, und 111 Abs. 1 BetrVG.

21

Vgl. § 105 BetrVG.

2.2 Besondere Arbeitnehmergruppen

29

Die leitenden Angestellten haben im Bereich der Betriebsverfassung und der Unternehmensmitbestimmung eine eigene Interessenvertretung. Nach § 1 des Sprecherausschussgesetzes sind in Betrieben mit in der Regel mindestens zehn leitenden Angestellten Sprecherausschüsse zu wählen. Darüber hinaus ist der Kündigungsschutz für leitende Angestellte nach § 14 Abs. 2 KSchG eingeschränkt.

2.2.2

Aushilfen und geringfügig Beschäftigte

Von Aushilfen spricht man in der Regel, wenn das Arbeitsverhältnis nur einen vorübergehenden Bedarf decken soll (z. B. Vertretung bei Krankheit, Mutterschaft, Elternzeit, vermehrter Arbeitskräftebedarf in der Saison). Das Arbeitsverhältnis ist also in der Regel nicht auf Dauer angelegt. Entgegen landläufiger Annahmen gilt das Arbeitsrecht uneingeschränkt auch für Aushilfskräfte. Auch diese haben also unter den gesetzlichen Voraussetzungen Anspruch auf Urlaub oder Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall.

Aushilfen ganz normale Arbeitnehmer

Soweit der zeitliche Rahmen für die Aushilfstätigkeit bereits feststeht, handelt es sich um eine befristete Beschäftigung. Der vorübergehende Bedarf stellt dann einen sachlichen Grund dar im Sinne des § 14 Abs. 1 S. 2 Nr.1 TzBfG. Dabei muss der Inhalt des Arbeitsvertrages die nur vorübergehend beabsichtigte Beschäftigung deutlich ausweisen und eine Aushilfstätigkeit tatsächlich vorliegen. Darüber hinaus kann nach § 622 Abs. 5 Nr. 1 BGB die vierwöchige Kündigungsfrist durch vertragliche Vereinbarung verkürzt werden. wenn der Arbeitnehmer zur vorübergehenden Aushilfe bis zur Dauer von drei Monaten eingestellt ist. Die geringfügige Beschäftigung bis zu 400 Euro hat vor allem für das Sozialversicherungsrecht und das Steuerrecht Bedeutung. Arbeitsrechtlich sind die geringfügig Beschäftigten ganz normale Teilzeitarbeitnehmer. Dies stellt § 2 Abs. 2 TzBfG ausdrücklich klar. Auch sie haben daher Ansprüche auf Urlaub, Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall usw. und dürfen im Übrigen nach § 4 Abs. 1 TzBfG nicht wegen der Geringfügigkeit diskriminiert werden.

2.2.3

Ein-Euro-Jobber

Als Ein-Euro-Jobs werden Arbeitsverhältnisse bezeichnet, bei denen ein Arbeitsloser in der Regel ganz gewöhnlich wie ein vergleichbarer Arbeitnehmer in einem Betrieb beschäftigt wird, dafür jedoch keine reguläre Vergütung, sondern nur Arbeitslosengeld II und eine geringe Mehraufwandsentschädigung (in der Regel ein Euro pro Stunde) erhält. Solche Mitarbeiter sind keine Arbeitnehmer. Damit gilt das Arbeitsrecht für sie nicht.

Keine Diskriminierung geringfügig Beschäftigter

30

2 Beteiligte Status einer „Ein-Euro-Jobberin“22 Eine Arbeitslose bezog Arbeitslosengeld II. Die Arbeitslose schloss mit der ARGE eine Eingliederungsvereinbarung. Danach wurde die Arbeitslose als Raumpflegerin in der Schule einer Gemeinde eingesetzt. Die Arbeitslose erhielt dafür zusätzlich zum Arbeitslosengeld II eine Mehraufwandsentschädigung von € 1,25 pro Stunde. Die Arbeitslose leistete dabei die üblichen Reinigungsarbeiten, die auch eine festangestellte Reinigungskraft geleistet hätte. Die Arbeitslose klagte schließlich gegen die Gemeinde, für die sie die Reinigungsarbeiten ausführte, darauf, dass sie „normale“ Arbeitnehmerin der Gemeinde sei (und somit Anspruch auf den vollen üblichen Stundenlohn hätte, einen Anspruch auf Urlaubsgeld hätte, Kündigungsschutz hätte usw.) Die Klage der Arbeitslosen hatte vor dem Bundesarbeitsgericht keinen Erfolg. Vereinbaren eine ARGE und ein Arbeitsloser einen Arbeitseinsatz mit Mehraufwandsentschädigung, so entsteht kein Arbeitsverhältnis zwischen der ARGE und dem Arbeitslosen und auch kein Arbeitsverhältnis zwischen einem (privaten) Dritten als Maßnahmeträger – hier die Gemeinde – und dem Arbeitslosen. Ein privatrechtliches Arbeitsverhältnis entsteht auch dann nicht, wenn von der ARGE gesetzliche Grenzen der Mehraufwandsentschädigung nicht eingehalten werden. Vielmehr richtet sich das Verhältnis zwischen dem Arbeitslosen „1-EuroJobber“ und der ARGE sowie zwischen dem (privaten) Arbeitgeber und dem Arbeitslosen allein nach öffentlichrechtlichen Vorschriften. Der Arbeitslose ist kein Arbeitnehmer des Betriebes.

Mitbestimmung des Betriebsrates

Zwar sind die Ein-Euro-Jobber keine Arbeitnehmer. Sie werden aber in den Betrieb eingegliedert und verrichten zusammen mit den dort beschäftigten Arbeitnehmern weisungsgebundene Tätigkeiten. Deshalb hat der Betriebsrat mitzubestimmen, wenn der Arbeitgeber in seinem Betrieb Ein-Euro-Jobber beschäftigen will. Es handelt sich insoweit um eine mitbestimmungspflichtige Einstellung i.S.v. § 99 Abs. 1 S. 1 BetrVG.23 Die Beteiligung der Personalvertretung soll sicherstellen, dass Arbeitslose tatsächlich nur zusätzliche Aufgaben im öffentlichen Interesse erledigen und nicht genau die gleiche Arbeit wie ihre voll bezahlten Kollegen.

Sonstige Rechte

Ein-Euro-Jobber sind zwar keine Arbeitnehmer, aber natürlich nicht völlig rechtlos. Sie haben z. B. nach Beendigung ihres Einsatzes gemäß § 630 BGB Anspruch auf ein Zeugnis. Elementare Ansprüche von Ein-Euro-Kräften regelt zudem § 16 SGB II. So gelten beim Einsatz in Arbeitsgelegenheiten die gleichen Arbeitsschutzbestimmungen wie für reguläre Arbeitnehmer. Außerdem 22

BAG, Urteil vom 26.09.2007 – 5 AZR 857/06, NZA 2007, 1422.

23

BAG, Beschluss vom 02.10.2007 – 1 ABR 60/06, NZA 2008, 244.

2.2 Besondere Arbeitnehmergruppen

31

haben Arbeitslose mit Ein-Euro-Job Anspruch auf den gesetzlichen Jahresurlaub von 24 Werktagen. Ein Anspruch auf Entgelt während des Urlaubs besteht jedoch nicht.

2.2.4

Leiharbeitnehmer

Ein Leiharbeitnehmer im Sinne des „Gesetzes zur Regelung der gewerbsmäßigen Arbeitnehmerüberlassung“ (AÜG) ist ein Arbeitnehmer, der zu einem Verleiher in einem Arbeitsverhältnis steht und Dritten (Entleihern) gewerbsmäßig zur Arbeitsleistung überlassen wird. Zum Schutz des Leiharbeiters sieht das Arbeitsrecht besondere Regelungen für die Arbeitnehmerüberlassung im Arbeitnehmerüberlassungsgesetz vor.

Zeitarbeitsfirma

Überlassungsvertrag

Entleiher

§ 12 AÜG

Arbeitsvertrag §§ 611 ff. BGB

Arbeitsleistung Weisungsbefugnis

Zahlung der Vergütung Leiharbeitnehmer

Abb. 2-1: Schaubild: Rechtsbeziehungen in einem Leiharbeitsverhältnis

Für Zeitarbeitsfirmen gilt das sog. „Equal-Pay-Gebot“ nach § 9 Nr. 2, § 10 Abs. 4 AÜG. Danach ist ein Verleiher verpflichtet, dieselbe Vergütung zu zahlen, die ein Arbeitnehmer bei dem entleihenden Unternehmen erhalten würde. Etwas anderes gilt nur, wenn in einem für das Leiharbeitsverhältnis maßgebenden Tarifvertrag eine niedrigere Vergütung vorgesehen ist.

Equal-Pay-Gebot

32

2 Beteiligte Arbeitnehmerüberlassung und Equal-Pay-Gebot24 Eine Sekretärin ist in München seit 1981 bei einer Leiharbeitsfirma angestellt und arbeitet seit dieser Zeit für verschiedene Kunden des Verleihers, ua. seit 1997 regelmäßig für einen großen juristischen Fachverlag. Im Arbeitsvertrag von 1981 war noch eine Bezugnahme auf den seinerzeit zwischen dem Arbeitgeberverband der Zeitarbeitsfirmen und der Deutschen Angestellten-Gewerkschaft abgeschlossenen Tarifvertrag enthalten. In einem auf Wunsch des Arbeitgebers im Jahre 1997 abgeschlossenen neuen Arbeitsvertrag fehlte jeder Hinweis auf einen Tarifvertrag; allerdings hatte der Arbeitgeber der Klägerin in einem Begleitschreiben mitgeteilt, die alten Vereinbarungen seien – mit einigen Ausnahmen – weiter gültig. Als nach Inkrafttreten des „Equal-Pay-Gebots“ im AÜG (2003) der Arbeitgeber die Klägerin erneut aufforderte, einen neuen Vertrag zu unterschreiben, der diesmal wieder auf einen Tarifvertrag verweisen sollte, nämlich den mit der Arbeitsgemeinschaft der DGB-Gewerkschaften geschlossenen, weigerte sich die Klägerin und verlangte stattdessen nach dem Grundsatz des „Equal-Pay-Gebots“ die Vergütung, die nach einer ihr von dem juristischen Verlag erteilten Auskunft dort einer angestellten Sekretärin gezahlt würde. Der Leiharbeitgeber muss ihr die Vergütung zahlen, die einer vergleichbaren Arbeitnehmerin in dem entleihenden Betrieb (hier: in dem juristischen Fachverlag) gezahlt wird, weil der Arbeitsvertrag von 1997 keinen wirksamen Bezug auf einen Tarifvertrag enthält.

Erlaubnispflicht

Ein Verleiher, der gewerbsmäßig Arbeitnehmer an Dritte überlässt, braucht nach § 1 AÜG dafür die Erlaubnis der Agentur für Arbeit.25 Erfolgt die Arbeitnehmerüberlassung ohne die erforderliche Erlaubnis, so sind sowohl der Überlassungsvertrag als auch der Arbeitsvertrag nach § 9 AÜG unwirksam. Es gilt dann die Annahme, dass zwischen Arbeitnehmer und Entleiher ein Arbeitsverhältnis zustande gekommen ist. Der „Entleiher“ trägt damit alle Konsequenzen eines Arbeitgebers in dem fiktiven Arbeitsverhältnis. Alle weiteren zivil- und arbeitsrechtlichen Folgen sind in § 10 AÜG beschrieben. Schon wegen dieser Regelung empfiehlt es sich, sich vor der Einstellung eines Leiharbeitnehmers die Arbeitnehmerüberlassungserlaubnis vorlegen zu lassen. 24

BAG, Urteil vom 19.09.2007 – 4 AZR 656/06, NZA-RR 2008, 231.

25

Eine Ausnahme besteht nach § 1 a AÜG für die so genannte Kollegenhilfe. Wenn ein Arbeitgeber weniger als 50 Arbeitnehmer beschäftigt und die Arbeitnehmerüberlassung (bis zur Dauer von 12 Monaten) der Vermeidung von Kurzarbeit oder Entlassungen dient, genügt die bloße Anzeige bei der Arbeitsagentur.

2.2 Besondere Arbeitnehmergruppen

33

Die Beteiligungsrechte des Betriebsrats bei der Beschäftigung von Leiharbeitnehmern sind in § 14 AÜG geregelt. Besonders zu beachten ist, dass der Entleiher vor der Übernahme eines Leiharbeitnehmers aufgrund von § 14 Abs. 3 AÜG die Zustimmung seines Betriebsrates nach § 99 BetrVG einholen muss.

2.2.5

Beteiligung des Betriebsrats

Auszubildende

Für ein Ausbildungsverhältnis gelten die allgemeinen arbeitsrechtlichen Bestimmungen. Auch Auszubildende sind Arbeitnehmer. Zusätzlich sind sie durch das Berufsbildungsgesetz (BBiG) und ggf. das Jugendarbeitsschutzgesetz (JArbSchG) besonders geschützt. Die praktisch wichtigsten Sonderregelungen im BBiG beziehen sich auf die Probezeit (§ 20 BBiG), die Vergütung (§ 17 BBiG), die Kündigung (§ 22 BBiG) und besondere Ansprüche auf Freistellung. Nach § 17 BBiG ist dem Auszubildenden eine „angemessene“ Vergütung zu zahlen. Die Höhe der Vergütung kann durch Tarifvertrag oder einzelvertraglich bestimmt werden und ist gem. § 11 Abs. 1 Nr. 6 BBiG schriftlich festzuhalten. Fehlt eine tarifliche Regelung, sind die Empfehlungen von Kammern/Innungen zu berücksichtigen. Eine „angemessene“ Vergütung entspricht in der Regel mindestens der tariflichen Ausbildungsvergütung. Nicht tarifgebundene Betriebe müssen sich im Prinzip ebenfalls an diese branchenübliche Vergütung halten. Sollten diese Betriebe weniger zahlen, gilt eine um bis zu 20 % niedrigere Vergütung noch als angemessen. Die Vergütung muss von Jahr zu Jahr steigen, um der zunehmenden Berufserfahrung der Auszubildenden Rechnung zu tragen. Für geleistete Überstunden erhalten Auszubildende entweder eine Überstundenvergütung oder einen Freizeitausgleich.

Vergütung

Auszubildende sind für die Teilnahme am Berufsschulunterricht und an den Prüfungen nach § 15 BBiG von der Ausbildung freizustellen.. Der Begriff des Berufsschulunterrichts ist weiter als der der Berufsschulpflicht. Er umfasst auch die freiwillige Teilnahme, z. B. an Nachhilfestunden und Vorbereitungslehrgängen. Die Pflicht zur Anrechnung von Berufsschulzeiten auf betrieblichen Ausbildungszeiten ist dagegen im BBiG nicht geregelt. Sie ergibt sich aber für jugendliche Auszubildende aus § 9 JArbSchG.

Freistellungen

2.2.6

Praktikanten

Als Praktikant wird bezeichnet, wer vorübergehend zum Erwerb praktischer Kenntnisse und Erfahrungen eine bestimmte betriebliche Tätigkeit ausübt. In der Regel erfolgt die Tätigkeit im Rahmen einer Gesamtausbildung, weil der Praktikant das Praktikum für die Zulassung zum Studium oder Beruf, zu einer Prüfung oder zu anderen Zwecken benötigt. Die Vergütung ist der Höhe nach

34

2 Beteiligte

deshalb auch eher eine Aufwandsentschädigung oder Beihilfe zum Lebensunterhalt. Dies gilt allerdings nur, soweit tatsächlich der Ausbildungszweck im Vordergrund steht. Praktikanten, die als reguläre Arbeitskraft eingesetzt werden, haben dagegen Anspruch auf eine angemessene Vergütung. Lohndumping bei Praktikanten26 Im konkreten Fall hatte eine Praktikantin ihren Praktikumsbetrieb auf Nachzahlung einer angemessenen Vergütung verklagt. Die Praktikantin hatte zuvor ein sechsmonatiges Praktikum absolviert und für eine Wochenarbeitszeit von 35 Stunden monatlich 375 Euro erhalten. Sie begründete ihre Lohnforderung damit, dass sie während der sechs Monate ausschließlich für eine Abteilung gearbeitet habe und der jeweiligen Projektleitung als normale Arbeitskraft zugeteilt worden sei. Die Richter gaben der Praktikantin Recht. Die vereinbarte Vergütung sei unter den gegebenen Umständen sittenwidrig. Zwar sei ein Praktikum nicht das gleiche wie eine Berufsausbildung, jedoch müsse auch bei einem Praktikum der Ausbildungsaspekt eindeutig im Vordergrund stehen. Da die Klägerin jedoch überwiegend Aufgaben erledigt habe, die normalerweise von einer Sachbearbeiterin oder Sekretärin übernommen würden, habe sie Anspruch auf eine angemessene Bezahlung. Im Endergebnis sprachen die Richter der Klägerin die für eine Aushilfskraft im Unternehmen übliche Vergütung von 10 Euro pro Stunde beziehungsweise gut 1500 Euro pro Monat zu. Werkstudenten sind keine Praktikanten

Zu unterscheiden sind Praktikanten von den so genannten Werkstudenten. Diese werden regelmäßig nicht zu ihrer Berufsausbildung, sondern im Rahmen eines Arbeitsverhältnisses beschäftigt. Anders als beim Praktikanten steht nicht die Ausbildung im Vordergrund sondern die entgeltliche Arbeitsleistung. Demgemäß sind Werkstudenten normale – in der Regel teilzeitbeschäftigte – Arbeitnehmer.

Praxissemester

Abzugrenzen sind normale Praktikanten auch von Hochschulpraktikanten im Praxissemester. Studenten, die im Rahmen ihres Studiums in Betrieben eine praktische Ausbildung ableisten müssen, sind keine Praktikanten. § 26 BBiG sowie die §§ 10 bis 25 BBiG finden auf sie u.a. mit der Folge keine Anwendung, als sie keinen Anspruch auf Urlaub, auf Arbeitsentgelt und auf Einhaltung der besonderen Kündigungsschutzbestimmungen nach dem BBiG haben. Auch das BetrVG findet auf sie keine Anwendung.

26

LAG Baden-Württemberg, Urteil vom 08.02.2008 – 5 Sa 45/07, NZA 2008, 768.

2.2 Besondere Arbeitnehmergruppen

2.2.7

35

Arbeitnehmerähnliche Personen

Sozusagen „zwischen“ dem Arbeitnehmer und dem Selbstständigen gibt es eine weitere Beschäftigungsform: die arbeitnehmerähnlichen Personen. Das sind Personen, die zwar keinem Weisungsrecht unterliegen, die aber fast ausschließlich für einen Auftraggeber arbeiten und deshalb wirtschaftlich und sozial abhängig sind. § 12a TVG definiert die arbeitnehmerähnliche Person wie folgt:

Voraussetzungen

! Die betreffende Person muss wirtschaftlich vom Auftraggeber abhängig sein, ! sie muss aufgrund eines Werk- oder Dienstvertrages für einen anderen tätig sein, ! dabei muss die Leistung persönlich und ohne die Mitarbeit von eigenen Arbeitnehmern erbracht werden, ! die Person muss überwiegend für einen Auftraggeber tätig sein und ! zudem muss mehr als die Hälfte des Einkommens von diesem Auftraggeber bezogen werden (maßgebender Zeitraum: die letzten sechs Monate). Für arbeitnehmerähnliche Personen gilt das Arbeitsrecht grundsätzlich nicht. Da sie aber wegen ihrer Abhängigkeit von einem Auftraggeber sozial schutzbedürftig sind, beziehen einige Gesetze sie in ihren Schutz ein. So ist das Bundesurlaubsgesetz nach § 2 S. 2 BUrlG auch auf arbeitnehmerähnliche Personen anwendbar. In einem solchen Fall haben also auch Selbständige einen Anspruch auf vier Wochen vom Auftraggeber bezahlten Erholungsurlaub. Auch das Arbeitsgerichtsgesetz, das einen schnellen und kostengünstigen Weg zu den Arbeitsgerichten zur Verfügung stellt, gilt nach § 5 Abs. 1 S. 2 ArbGG für arbeitnehmerähnliche Personen. Eismann-Fall27 Der K. war aufgrund schriftlichen Vertrags als „Vertriebspartner“ im Franchise-System der B. tätig. Nach einer entsprechenden Schulung erhielt er das Alleinverkaufsrecht für ein bestimmtes, für ihn geschütztes Gebiet. Er hatte in eigenem Namen und auf eigene Rechnung unter Nutzung der Marke der B. deren Tiefkühlkost unter Inanspruchnahme eines Einkäuferrabatts zu kaufen und im Vertragsgebiet auf der Grundlage der jeweils gültigen Preisliste der B. an Haushalte und Endverbraucher zu vertreiben. Nach der Präambel und nach §5 Abs. 2 des Vertrags hatte die Zusammenarbeit „auf der Grundlage des Handbuchs“ zu erfolgen, das „in seiner jeweils gültigen neuesten Fassung Bestandteil des Vertrages“ war. Dieses Handbuch enthält detaillierte Regelungen über die bereitzuhalten27

BAG, Beschluss vom 16.07.1997 – 5 AZB 29/96, NZA 1997, 1126

Schutzrechte

36

2 Beteiligte de Ware, die Aufstellung von Tourenplänen, die wöchentlichen Einsatzzeiten (Tages-Touren von Montag bis Freitag, der Sonnabend als Reservetag bzw. als Tag für Büroarbeiten), Staupläne für das Tiefkühlfahrzeug sowie zahlreiche weitere Durchführungshinweise. Die für den Geschäftsbetrieb erforderliche Erstausstattung hatte de Kl. von der B. für 20.000 DM erworben, das Fahrzeug von ihr gemietet. Das Bundesarbeitsgericht ließ offen, ob der K. nicht sogar Arbeitnehmer sei. Jedenfalls sei er zumindest arbeitnehmerähnliche Person: „Die Gestaltung des Vertragsverhältnisses beanspruchte den K. derart, dass er daneben keine nennenswerte weitere Erwerbstätigkeit mehr ausüben konnte (...). Der K. war auch gleich einem Arbeitnehmer sozial schutzbedürftig (...). Er unterhielt keine eigene Unternehmens- oder Betriebsorganisation außer dem Lieferwagen, den er wiederum von der B. gemietet hatte, und er beschäftigte seinerseits jedenfalls im Verkauf keine eigenen Arbeitnehmer“

Schließlich können Arbeitgeber und Gewerkschaften nach § 12a TVG für arbeitnehmerähnliche Personen Tarifverträge abschließen, wenngleich hiervon in der Praxis kaum Gebrauch gemacht wird.

2.2.8

Handelsvertreter

§ 84 Abs. 1 Satz 1 HGB definiert den Begriff des Handelsvertreters als selbstständig Gewerbetreibenden, der ständig damit betraut ist, für einen anderen Geschäfte zu vermitteln oder in dessen Namen abzuschließen. Da Handelsvertreter somit Selbständige bzw. freie Mitarbeiter sind, ist das Arbeitsrecht im allgemeinen auf sie nicht anwendbar. Wer allerdings eine solche Tätigkeit unselbständig ausübt, gilt nach § 84 Abs.2 HGB als Angestellter. Nach § 84 Abs. 1 Satz 2 HGB ist selbstständig, wer im Wesentlichen frei seine Tätigkeit gestalten und seine Arbeitszeit bestimmen kann. Entscheidend ist die tatsächliche Ausgestaltung und Durchführung des Vertragsverhältnisses. Handelsvertreter können allerdings eine arbeitnehmerähnliche Person sein. Voraussetzung ist, dass Sie wirtschaftlich abhängig und sozial schutzbedürftig sind. Das ist vor allem dann der Fall, wenn sie als Vertreter eines einzigen Unternehmens tätig sind und zudem eher geringe Einnahmen haben.

2.2.9

Heimarbeiter

Heimarbeiter bilden ebenfalls eine besondere Gruppe von sozial schutzbedürftigen Selbständigen. Heimarbeiter ist, wer in selbst gewählter Arbeitsstätte (zum Beispiel bei sich zu Hause) allein oder mit Familienangehörigen im Auftrag von Gewerbetreibenden oder Zwischenmeistern erwerbsmäßig arbeitet,

2.3 Arbeitgeber und seine Vertreter

37

aber die Verwertung seiner Arbeitsergebnisse seinem Auftraggeber überlässt. Für diese Erwerbstätigen gibt es ein spezielles Gesetz – das HAG (Heimarbeitsgesetz). Einige arbeitsrechtliche Gesetze schützen auch Heimarbeiter. So bekommen Heimarbeiter nach Maßgabe von § 12 BUrlG bezahlten Urlaub. Außerdem können auch sie nach § 5 Abs. 1 ArbGG ihre Ansprüche vor den Arbeitsgerichten geltend machen.

2.2.10

Sonstige schutzbedürftige Arbeitnehmergruppen

Zu den vom Gesetzgeber als besonders schutzwürdig angesehenen Arbeitnehmergruppen zählen zudem Jugendliche zwischen 15 und 17 Jahren, Schwangere und Schwerbehinderte. Für sie gelten bestimmte Sonderregelungen vor allem im Bereich des Urlaubs, der Kündigung und der Arbeitszeit. Zudem unterliegen sie u.U. bestimmten Beschäftigungsverboten.

2.3

Arbeitgeber und seine Vertreter

2.3.1

Begriff

Im Gesetz findet sich keine Definition des Arbeitgeberbegriffs. Sie ergibt sich vielmehr aus der Umkehrung des Arbeitnehmerbegriffs. Folglich ist Arbeitgeber jeder, der einen anderen in abhängiger, unselbständiger und weisungsgebundener Arbeit beschäftigt. Arbeitgeber können natürliche Personen, aber auch juristische Personen, wie die Aktiengesellschaften, GmbH usw., sein. Religionsgemeinschaften sowie der Bund, das Land und die Gemeinden sind ebenfalls Arbeitgeber. Der Arbeitgeber legt den Arbeitsbereich des Arbeitnehmers fest und sorgt dafür, dass der Arbeitsplatz den gesetzlichen Sicherheitsvorschriften entspricht. Er ist verantwortlich für die Sicherheit der Arbeitnehmer und für die wirtschaftliche Lage des Unternehmens. In größeren Unternehmen nimmt der Arbeitgeber seine Aufgaben häufig nicht in Person wahr. Vielmehr bedient er sich dazu seiner Vertreter oder Bevollmächtigten, in der Regel seiner Führungskräfte und Vorgesetzten. Diese werden zwar hierdurch nicht ihrerseits zum Arbeitgeber, nehmen aber insoweit gegenüber anderen Mitarbeitern Arbeitgeberfunktionen wahr, treten diesen also als Arbeitgeber gegenüber. Dementsprechend haftet der Arbeitgeber nach § 278 BGB für das Verhalten seiner Vertreter und ist insbesondere auch an deren Zusagen gebunden.

38

2.3.2

2 Beteiligte

Rechtliche Konsequenzen der Betriebsgröße

Arbeitsrechtliche Regelungen hängen nicht selten von der Anzahl der im Betrieb oder Unternehmen beschäftigten Arbeitnehmer ab. Das bedeutet, dass sich durch Personalaufbau oder -abbau unter Umständen erhebliche rechtliche Konsequenzen und damit nicht selten auch wirtschaftliche Folgen ergeben können. Umso wichtiger ist es, die wichtigsten Grenzwerte zu kennen.

Arbeitnehmeranzahl

Arbeitsrechtliche Regelung

In der Regel mindestens 5 ständig wahlberechtigte

§ 1 BetrVG: Betriebsräte können gewählt werden

Mehr als 5 Arbeitnehmer, die vor 2004 beschäftigt waren bis zu 10 Arbeitnehmern

§ 23 Abs. 1 S. 2 KSchG: Kündigungsschutzgesetz gilt für Arbeitnehmer die vor 2004 beschäftigt waren.

Mehr als 10 Arbeitnehmer

§ 23 Abs. 1 S.3 KSchG: Kündigungsschutz für alle, die länger als 6 Monate im Betrieb sind

Mehr als 10 Arbeitnehmer

§ 6 Abs. 3 ArbstättVO: Pausenräume sind einzurichten

Mehr als 15 Arbeitnehmer

§ 8 Abs. 7 TzBfG: es besteht ein allgemeiner Anspruch auf Teilzeitarbeit § 15 Abs. 7 BEEG: Anspruch auf Teilzeitarbeit während der Elternzeit

Ab 20 Arbeitsplätze

§ 71 Abs. 1 SGB IX: es besteht die Pflicht zur Beschäftigung Schwerbehinderter

Ab 21 Arbeitnehmer

§ 17 KSchG: Anzeigepflicht bei Massenentlassungen

Bis zu 30 Arbeitnehmer

§§ 1, 3 AAG: Der Arbeitgeber ist verpflichtet, am Umlageverfahren U1 für Arbeitgeber für Entgeltfortzahlungen teilzunehmen

Abb. 2-2: Übersicht: Rechtliche Konsequenzen der Zahl beschäftigter Arbeitnehmer

2.4 Betriebsrat

2.4

39

Betriebsrat

In Betrieben und Unternehmen ab einer Größe von mindestens 5 ständig wahlberechtigten Arbeitnehmern, wovon 3 wählbar sein müssen, haben die Mitarbeiter laut Betriebsverfassungsgesetz (BetrVG) das Recht, einen Betriebsrat zu wählen. Der Arbeitgeber muss dazu nicht aktiv werden. Andererseits darf er die Wahl nicht behindern oder verbieten und trägt die Wahlkosten sowie alle durch die Arbeit des Betriebsrats entstehenden Kosten

Einrichtung

Wahlberechtigt sind Arbeiter und Angestellte des Betriebs, die das 18. Lebensjahr erreicht haben. Dazu gehören auch Außendienstmitarbeiter, Tele- und Heimarbeiter, sofern sie überwiegend für den Betrieb tätig sind, sowie Auszubildende. Werden Arbeitnehmer eines anderen Arbeitgebers zur Arbeitsleistung überlassen, so sind diese wahlberechtigt, wenn sie länger als drei Monate im Betrieb eingesetzt werden. Hauptsächlich betrifft dies die Leiharbeitnehmer. Wählbar sind nach § 8 BetrVG wahlberechtigte Arbeitnehmer, die sechs Monate im Betrieb beschäftigt sind. Gemäß § 5 Abs. 2 BetrVG gilt das BetrVG nicht für die Organe juristischer Personen (Vorstände einer AG, Geschäftsführer einer GmbH) sowie für die geschäftsführungsbefugten Gesellschafter einer oHG oder KG. Nach § 5 Abs. 3 BetrVG findet das Gesetz weiterhin keine Anwendung auf leitende Angestellte. Für diese greift das Sprecherausschussgesetz (SprAuG) ein. Das BetrVG enthält detaillierte Regelungen für ! ! ! ! !

die Größe (§§ 9–12 BetrVG), das Wahlverfahren (§§ 13–20 BetrVG), die Amtszeit (§§ 21–25 BetrVG), die Geschäftsführung (§§ 26–36 BetrVG), die teilweise oder vollständige Freistellung von der Arbeit (§§ 37, 38 BetrVG) und für ! die Kosten und den Sachaufwand des Betriebsrats (§ 40 BetrVG).

Bei mehreren Betrieben eines Unternehmers sowie bei mehreren Betrieben konzernrechtlich verbundener Unternehmen werden nach den §§ 47–59 BetrVG zusätzlich Gesamtbetriebsräte bzw. Konzernbetriebsräte gebildet. In Betrieben mit mindestens 5 Arbeitnehmern unter 18 Jahren oder Auszubildenden unter 25 Jahren werden zusätzlich Jugend- und Auszubildendenvertretungen gewählt, bei mehreren Jugend- und Auszubildendenvertretungen wird nach den §§ 60–73 BetrVG eine Gesamt- Jugend- und Auszubildendenvertretung gebildet. Der Betriebsrat vertritt die Interessen der Arbeitnehmer im Betrieb. Oberste Aufgabe des Betriebsrats ist die Förderung und Sicherung der Beschäftigung für die Arbeitnehmer.

Aufgaben

Verweigerung der Zustimmung, Vetorecht/Initiativrecht Einigungszwang

Mitbestimmungsrechte

Anhörungs-, Beratungs- und Vorschlagsrechte ohne Bindungswirkung

Mitspracherechte

§ 80 Abs. 2 BetrVG: Auskunftspflicht und Fragerecht weitere Informationsrechte aus dem Gebot vertrauensvoller Zusammenarbeit ergeben, §§ 2 Abs. 1, 74 Abs. 1 und 2 BetrVG

Informationsrechte

§ 106 ff Wirtschaftsausschuss, §§ 112 ff Betriebsänderungen, Interessenausgleich

§§ 112, 112a Betriebsänderungen – Sozialplan

§ 92 Personalplanung, §§ 93, 99 Abs. 2 Nr.5 Betriebsinterne Ausschreibung freier Arbeitsplätze, §§ 96, 97 Einrichtungen und Maßnahmen der Berufsbildung, § 102 I – Der Betriebsrat ist über alle für die Kündigung bedeutsamen Umstände zu unterrichten. § 94 Aufstellung von Personalfragebögen und allgemeinen Beurteilungsgrundsätzen, § 95 Aufstellung von Richtlinien über die personelle Auswahl bei Einstellungen, Versetzungen, Umgruppierungen § 98 Durchführung betrieblicher Bildungsmaßnahmen, § 99 Einstellungen, Eingruppierungen, Versetzungen, Umgruppierungen, § 103 Kündigung von Betriebsräten,

§ 85 Abs. 1 Abhilfe bei Beschwerden von Arbeitnehmern § 89 Abs. 1 Arbeitsschutz, Unfallverhütung, Umweltschutz, § 90 Gestaltung von Arbeitsplatz, -ablauf und umgebung,

§ 87 I Nr. 1-13; praktisch relevant: Nr.1 – z.B. Regeln über private Telefon- und Internetbenutzung Nr. 2 – nur die Lage der Arbeitszeit Nr. 3 – z.B. Anordnung von Kurzarbeit oder Überstunden Nr. 5 – z.B. Betriebsferien; betrifft jede Art der Freistellung; Nr. 6 – Kameras, Telefonabhöranlagen, E-Mail Überwachung, Nr. 7 – entspr. Rahmenvorschriften müssen vorhanden sein (ArbSchG) Nr. 8 – z.B. Kantine, Betriebskindergarten Nr. 10 – nicht die Höhe des Lohnes Nr. 11 – betrifft alle Entgelte, die unmittelbar auf die Leistung des einzelnen Arbeitnehmers bezogen sind Nr. 12 – Vorschläge der Arbeitnehmer zur Verbesserung der betrieblichen Arbeit in technischer, kaufmännischer, sozialer oder organisatorischer Hinsicht Nr. 13 –zunehmende Projektbezogenheit von Arbeitsabläufen

§§ 106 ff. Wirtschaftsausschuss § 111 Betriebsänderungen

§ 99 Abs. 1 S. 1, 105 Einstellungen, Eingruppierungen, Versetzungen, Umgruppierungen § 100 Abs. 2 vorläufige personelle Maßnahmen

Wirtschaftliche Angelegenheiten §§ 106–113 BetrVG

§ 85 Abs. 3 Beschwerden von Arbeitnehmern § 89 Abs. 2-6 Arbeitsschutz, Unfallverhütung, Umweltschutz

Personelle Angelegenheiten §§ 92–105 BetrVG

Beteiligungsrechte

Soziale Angelegenheiten §§ 85 Abs. 1 und 3, 87 ff. BetrVG

40 2 Beteiligte

Das Betriebsverfassungsgesetz regelt genau, wie der Betriebsrat bei sozialen, personellen und wirtschaftlichen Angelegenheiten zu beteiligen ist. Seine Beteiligungsrechte sind gestuft nach Informationsrechten, Mitspracherechten (Anhörungsrecht) und echten Mitbestimmungsrechten.

2.5 Betriebliche Einigungsstelle

2.5

41

Betriebliche Einigungsstelle

Auseinandersetzungen zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat sind bereits aufgrund der unterschiedlichen Interessenlage unvermeidlich. Können sich die Beteiligten nicht einigen, ist zur Beilegung von Meinungsverschiedenheiten zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat im Konfliktfall nach § 76 BetrVG eine Einigungsstelle zu bilden. Durch eine freiwillige Betriebsvereinbarung kann auch eine ständige Einigungsstelle eingerichtet werden. Manche Tarifverträge sehen vor, dass an die Stelle der betrieblichen Einigungsstelle eine tarifliche Schlichtungsstelle tritt. Die Einigungsstelle besteht aus einer gleichen Anzahl von Beisitzern, die vom Arbeitgeber und Betriebsrat je zur Hälfte bestellt werden. Die Bestellung von Beisitzern einer Einigungsstelle ist nicht auf einen bestimmten Personenkreis beschränkt. Ein Betriebsrat ist befugt, neben Mitgliedern des Betriebs auch betriebsfremde Personen als Beisitzer zu bestellen. Selbst, wenn diese nur gegen Bezahlung tätig werden. In Betracht kommen insbesondere Vertreter von Gewerkschaften und Arbeitgeberverbänden sowie Rechtsanwälte. Kann kein Einverständnis über die Zahl der Beisitzer erzielt werden, so entscheidet auf Antrag das Arbeitsgericht. Die Beisitzer dürfen in der Ausübung ihrer Tätigkeit nicht gestört oder behindert und wegen ihrer Tätigkeit weder begünstigt noch benachteiligt werden. Ein vorsätzlicher Verstoß hiergegen wäre strafbar. Zusätzlich müssen sich beide Seiten auf einen unparteiischen Vorsitzenden einigen. Neben der Unparteilichkeit wird darüber hinaus verlangt, dass der Vorsitzende konkrete Kenntnisse über die Arbeitswelt, insbesondere über betriebliche Abläufe und Interessenlagen, hat. Aus diesem Grund werden in der Praxis ganz überwiegend Berufsrichter der Arbeitsgerichtsbarkeit aller Instanzen als Einigungsstellenvorsitzende benannt. Kommt eine Einigung über die Person des Vorsitzenden nicht zustande, so bestellt ihn auf Antrag das Arbeitsgericht. Zu unterscheiden ist zwischen dem erzwingbaren und dem freiwilligen Einigungsstellenverfahren. Im erzwingbaren Mitbestimmungsverfahren wird die Einigungsstelle stets auf Antrag einer Seite tätig. Beim freiwilligen Einigungsstellenverfahren ist hingegen grundsätzlich der Antrag beider Betriebspartner erforderlich. Dieser kann auch formlos gestellt werden; die Schriftform bietet sich aber aus Beweiszwecken an. Bei Durchführung des Verfahrens sind die elementaren rechtsstaatlichen Grundsätze einzuhalten. Hierzu gehört etwa der Anspruch auf rechtliches Gehör. Danach ist allen Beteiligten ausreichend Gelegenheit zur mündlichen oder schriftlichen Stellungnahme zu geben. Darüber hinaus sind die Beschlüsse nach mündlicher Verhandlung mit Stimmenmehrheit zu fassen. Ein Verstoß

42

2 Beteiligte

gegen diese Verfahrensgrundsätze führt zur Unwirksamkeit des Einigungsstellenspruchs. Die Einigungsstelle fasst ihre Beschlüsse unter Berücksichtigung der Belange des Betriebs und der betroffenen Arbeitnehmer nach billigem Ermessen. Die Überschreitung der Grenzen des Ermessens kann durch Betriebsrat oder Arbeitgeber binnen zwei Wochen ab Zugang des schriftlich niedergelegten Beschlusses beim Arbeitsgericht geltend gemacht werden. In der Praxis wirkt sich allein die Tatsache eines erzwingbaren Einigungstellenverfahrens häufig zugunsten des Betriebsrats aus. Arbeitgeber haben ein Interesse daran, ihr Vorhaben schnell umsetzen zu können. Ruft der Betriebsrat die Einigungsstelle an, kann das zu nicht unerheblichen Verzögerungen führen. Das kann für den Arbeitgeber mit erheblichen Kosten verbunden sein. Darüber hinaus ist die Einrichtung der Einigungsstelle selbst ebenfalls mit nicht unerheblichen Kosten verbunden. Die Kosten der Einigungsstelle trägt nämlich der Arbeitgeber. Zu ersetzen sind alle Kosten, die erforderlich und verhältnismäßig sind. Dies kann einen Arbeitgeber durchaus dazu bewegen, dem Betriebsrat auch ohne Einschaltung einer Einigungsstelle entgegen zu kommen.

3

Planung des Arbeitsverhältnisses

Bevor man anfängt, an die Personalbeschaffung zu denken, sollte jedes Arbeitsverhältnis sorgfältig geplant werden. Was kann und was soll Inhalt des Arbeitsverhältnisses werden? Was kann und was soll – ggf. in Abweichungen von gesetzlichen Regelungen – ausdrücklich zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer vereinbart werden. Natürlich ist es nicht erforderlich, bei ähnlichen Arbeitsverhältnissen jedes Mal „das Rad neu zu erfinden“. In diesen Fällen bietet es sich an, mit vorformulierten Vertragsentwürfen zu arbeiten. Dabei ist aber unbedingt zu beachten, dass vorformulierte Arbeitsverträge der strengen Kontrolle durch das Recht der Allgemeinen Geschäftsbedingungen unterliegen. Obwohl das schon seit dem 01.01.2002 der Fall ist, haben die Gerichte noch längst nicht alle offenen Fragen in diesem Bereich entschieden. Arbeitsrecht ist äußerst dynamisch und schnelllebig. In keinem Bereich trifft dies momentan mehr zu, als bei der Frage der Vereinbarkeit vorformulierter Verträge mit dem AGB-Recht. Es reicht nicht aus, einmalig einen Vertrag von einem Fachmann erstellen zu lassen. Vielmehr müssen die verwendeten vorformulierten Verträge fortlaufend vor allem an die Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts angepasst werden. Nur sehr eingeschränkt zu empfehlen ist insoweit auch die Verwendung von „Musterarbeitsverträgen“. Bestenfalls finden sich in solchen Musterverträgen etliche Regelungen, die zwar zulässig, für das konkrete Arbeitsverhältnis aber völlig überflüssig sind. Schlimmstenfalls haben manche Klauseln für den konkreten Arbeitgeber sogar Nachteile. Besser erscheint es, zu entscheiden, welche Regelungen für das konkrete Arbeitsverhältnis sinnvoll sind und dann auf entsprechende einzelne Musterformulierungen zurückzugreifen.

3.1

Mindestinhalt des Arbeitsvertrages

Über den notwendigen Inhalt des eigentlichen Arbeitsvertrages gibt es bemerkenswert wenige Regelungen. Nach § 105 der Gewerbeordnung (GewO) können der Arbeitgeber und der Arbeitnehmer den Abschluss, den Inhalt und die

Musterverträge

44

3 Planung des Arbeitsverhältnisses

Form des Arbeitsvertrages frei vereinbaren, soweit nicht zwingende gesetzliche Vorschriften, Bestimmungen eines anwendbaren Tarifvertrages oder einer Betriebsvereinbarung entgegenstehen. Der Arbeitsvertrag muss also nicht einmal schriftlich geschlossen werden. Im Grunde müssen sich Arbeitgeber und Arbeitnehmer nur über folgende Punkte einig sein, um einen wirksamen Vertrag schließen zu können: ! ! ! !

die Vertragsparteien die zu erbringende Leistung den Beginn des Arbeitsverhältnisses die Höhe des Gehalts

Wobei letzteres im Grunde nicht zwingend erforderlich ist. Wird dazu nichts geregelt, gilt nach § 612 Abs. 1 BGB die übliche Vergütung als vereinbart. Da die Ermittlung der üblichen Vergütung aber erhebliche Schwierigkeiten bereiten kann, sollte eine Vereinbarung über die Vergütung in jedem Fall getroffen werden. Ein wirksamer Arbeitsvertrag könnte also ohne weiteres so aussehen: Frau Luise Meier wird ab dem 1.01.2009 als Personalsachbearbeiterin zu einem monatlichen Bruttogehalt von 3.000 € bei der Firma Euroconsulting beschäftigt. Unterschriften Im Gegensatz dazu werden die Arbeitsverträge in der Praxis immer umfangreicher. Bis zu 20-seitige Verträge sind heute keine Seltenheit mehr. Ob das wirklich zum besseren Gelingen des Arbeitsverhältnisses beiträgt, erscheint zumindest fraglich. Natürlich sollte das Arbeitsverhältnis optimal auf die betrieblichen Bedürfnisse zugeschnitten sein. Dies lässt sich aber über weite Strecken auch durch das Direktions- und Weisungsrecht des Arbeitgebers gewährleisten. Warum dieses durch Regelungen in einem schriftlichen Vertrag eingeschränkt werden sollte, ist dagegen nicht ersichtlich.

3.2

Geltung von Tarifverträgen

Unter Umständen können Tarifverträge Regelungen zum Vertragsinhalt enthalten. Einige Tarifverträge sehen beispielsweise die Schriftform für Arbeitsverträge vor. Es ist deshalb vor Vertragsschluss zu ermitteln, ob und welche Tarifverträge möglicherweise auf das Arbeitsverhältnis Anwendung finden. Arbeitsvertragliche Bezugnahme auf Tarifverträge

Geklärt werden muss auch, ob für das Arbeitsverhältnis nicht geltende Tarifverträge durch einen entsprechenden Verweis in das Arbeitsverhältnis einbe-

3.2 Geltung von Tarifverträgen

45

zogen werden sollen. In der Regel wollen Arbeitgeber ihre nicht gewerkschaftlich organisierten Mitarbeiter ja nicht schlechter stellen als die gewerkschaftlich organisierten. Außerdem erscheint es ohnehin sinnvoll, gleiche Standards für alle Mitarbeiter, unabhängig von der beiderseitigen Tarifgebundenheit zu schaffen. Häufig wird deshalb in den Arbeitsverträgen vereinbart, dass sich das Arbeitsverhältnis „im Übrigen“ nach einem bestimmten Tarifvertrag richten soll. Unterschieden werden hierbei dynamische und statische Verweisungen. Bei der dynamischen Verweisung wird nicht nur auf einen bestimmten Stand des Tarifvertrags Bezug genommen, sondern auf den Tarifvertrag in seiner jeweils geltenden Fassung. Dynamische Verweisungen auf einschlägige Tarifverträge sind im Arbeitsleben ein übliches Gestaltungsinstrument. Das BAG hat die Zulässigkeit so genannter dynamischer Verweisungen auf die einschlägigen Tarifverträge in Formulararbeitsverträgen unlängst bestätigt.28 Derartige Verweisungen können sich im Einzelfall auch ungünstig für den Arbeitnehmer auswirken. Mit Sanierungs- und Rationalisierungsschutzregelungen einschließlich möglicher Entgeltabsenkungen müssen Arbeitnehmer nach Auffassung des Gerichts dabei grundsätzlich rechnen.

Dynamische Verweisung

Bei der statischen Verweisung wird nur auf einen bestimmten Stand des Tarifvertrags, also auf den Tarifvertrag in der Fassung vom ……verwiesen.

Statische Verweisung

Probleme können sich ergeben, wenn der Arbeitgeber aus dem jeweiligen Arbeitgeberverband austritt. Diente die Verweisung tatsächlich in erster Linie dazu, gewerkschaftlich organisierte Mitarbeiter und nicht-gewerkschaftlich organisierte gleichzustellen (sog. „Gleichstellungsabrede“), dann wäre nach dem Austritt eine Weitergeltung des Tarifvertrags überflüssig. Die Rechtsprechung des BAG29 sieht indes in diesen Fällen den Arbeitgeber weiterhin an den Tarifvertrag gebunden, wenn nicht unzweifelhaft in der Klausel zum Ausdruck kommt, dass sie als Gleichstellungsabrede gemeint sein soll. Ein Arbeitgeber bleibt dann auch nach einem Verbandsaustritt dauerhaft an den in Bezug genommenen Tarifvertrag gebunden, wenn es ihm nicht gelingt, einvernehmlich mit den Arbeitnehmern eine Änderung der vorhandenen Arbeitsverträge zu erreichen. Bezugnahmeklauseln sollten daher sehr genau formuliert werden, will der Arbeitgeber nicht Gefahr laufen, auf ewig dynamisch an einen in Bezug genommenen Tarifvertrag gebunden zu bleiben. Die Bezugnahmeklausel sollte also deutlich machen, dass der Arbeitgeber nur solange den Tarifvertrag in Bezug nehmen will, wie er selbst (aufgrund Mitgliedschaft im tarifschließenden Arbeitgeberverband) hieran gebunden ist.

Austritt aus dem Arbeitgeberverband

28

BAG, Urteil vom 24.09.2008 – 6 AZR 76/07, veröffentlicht auf der Homepage des BAG www.bundesarbeitsgericht.de.

29

BAG, Urteil vom 22.10.2008 – 4 AZR 793/07, FD-ArbR 2008, 269671.

46

3.3

3 Planung des Arbeitsverhältnisses

Inhalt des Arbeitsverhältnisses

Zentrale Elemente für die Gestaltung des Arbeitsverhältnisses sind also die Arbeitsleistung und das Arbeitsentgelt. Die Planung der Arbeitsleistung bezieht sich dabei auf die Bereiche Art, Ort und Zeit der Arbeit. Zum Arbeitsentgelt gehören nicht nur der Grundlohn, sondern auch Sonderzahlungen (Gratifikationen, 13. Monatsgehalt), Zulagen (z. B. Überstundenzuschläge), Provisionen oder Prämien.

3.3.1

Art der Tätigkeit

Welche Arbeitsleistung der Arbeitnehmer zu erbringen hat, hängt also zunächst davon ab, was die Parteien miteinander vereinbaren. Kurzum, die Benennung der Tätigkeit legt den Rahmen fest, innerhalb dessen der Arbeitgeber sein Direktionsrecht ausüben und bestimmte Tätigkeiten verlangen kann. Je genauer also der Aufgabenbereich des Arbeitnehmers bezeichnet wird, desto enger sind die Grenzen des Direktionsrechts. Die Bezeichnung der Tätigkeit lässt sich grob in drei Kategorien einteilen: bestimmte Tätigkeit, fachliche Umschreibung oder generalisierende Umschreibung. Bestimmte Tätigkeit

Wird eine ganz bestimmte Tätigkeit benannt, wird auch nur diese geschuldet. Der Arbeitgeber darf einen Arbeitnehmer, der z. B. als „Lohnbuchhalter“ in einem Steuerberatungsbüro angestellt ist, nicht in die allgemeine Buchhaltung versetzen.

Fachliche Umschreibung

Wird die Tätigkeit fachlich beschrieben, z. B. als Verkäufer oder Maurer, schuldet der Arbeitnehmer alle Arbeiten, die von dem jeweiligen Berufsbild erfasst werden.

Generalisierende Umschreibung

Ist die Tätigkeit des Arbeitnehmers nur ganz allgemein umschrieben, wie etwa als Arbeiter oder Hilfsarbeiter, muss der Arbeitnehmer jede Arbeit übernehmen, die billigem Ermessen entspricht und bei Vertragsschluss vorhersehbar war. Je größer also der Spielraum des Arbeitgebers sein soll, sein Weisungsrecht zu nutzen und je nach Situation bestimmte Aufgaben zuweisen zu können, desto ungenauer sollte die Tätigkeit im Vertrag beschrieben sein. Ob der Arbeitgeber daneben für sich selber eine klar definierte Positionsbeschreibung oder fachlich genau umschrieben Tätigkeit definiert, ist eine andere Frage. Viele Unternehmen verfügen über detaillierte Stellen- oder Aufgabenbeschreibungen. U.a. kann das auch notwendig sein, um die Einstufung eines Mitarbeiters in ein im Unternehmen existierendes Entgeltsystem vorzunehmen. Das bedeutet aber nicht, dass eine solche Stellenbeschreibung auch zwingend zum Inhalt des Arbeitsvertrages gemacht werden sollte. Der einzige Vorteil eines genau be-

3.3 Inhalt des Arbeitsverhältnisses

47

schriebenen Tätigkeitsbereichs dürfte in einer Vereinfachung der bei einer betriebsbedingten Kündigung vorzunehmenden Sozialauswahl liegen.30 Ist eine jeweilige Arbeitsbedingung oder eine bestimmte Tätigkeit zwar nicht vertraglich festgelegt, übt der Arbeitnehmer sie aber während eines längeren Zeitraums aus, kann auch dadurch der Arbeitnehmer einen Anspruch auf die bisherigen Arbeitsbedingungen erhalten. Das Direktionsrecht des Arbeitgebers würde dann entsprechend eingeschränkt. Voraussetzung ist, dass eine Konkretisierung des Arbeitsverhältnisses eingetreten ist. Diese wird nicht allein schon durch die längere Ausübung der Tätigkeit erreicht. Vielmehr muss der Arbeitnehmer aus zusätzlichen besonderen Umständen schließen können, dass diese Tätigkeit bzw. Arbeitsbedingung dauerhaft sein soll. Konkretisierung von Arbeitspflichten31 Die Parteien streiten über die Wirksamkeit der Zuweisung eines anderen Tätigkeitsbereichs. Die B. betreibt ein zahntechnisches Labor. Der jetzt 44jährige K. ist dort seit 1977 beschäftigt. Im Betrieb sind 22 Arbeitnehmer tätig. Der K. wurde als ungelernte Kraft eingestellt und während der ersten Jahre mit verschiedenen, schnell erlernbaren zahntechnischen Arbeiten beschäftigt. Ab dem Jahr 1988 wurde er in erheblichem Umfang, in den Jahren 1990 und 1991 ausschließlich als Auslieferungsfahrer eingesetzt. Zwischen 1993 und 1997 war er an der Herstellung von Modellguss-Prothesen beteiligt. Im Jahr 1998 nahm er in verstärktem Umfang erneut Auslieferungsfahrten vor. Seit 1999 war der K. in der so genannten Gipsabteilung des Betriebs tätig. Seit dieser Zeit fielen Auslieferungsfahrten nur noch gelegentlich an. Spätestens im Oktober 2001 erhielt der K. die Anweisung, künftig nur noch als Auslieferungsfahrer zu arbeiten. Das BAG verneinte im vorliegenden Fall eine Konkretisierung. „…Unstreitig hat der Kl. als ungelernte Kraft aber tatsächlich unterschiedliche Tätigkeiten ausgeübt, darunter im wechselnden Umfang immer wieder, über zwei Jahre hinweg sogar ausschließlich, Fahrertätigkeiten. Auch nach der Zuweisung von Tätigkeiten in der Gipsabteilung im Jahre 1999 war er zumindest gelegentlich weiterhin als Fahrer eingesetzt. Damit beschränken sich die vertraglich geschuldeten Leistungen des Kl. nicht auf reine Zahntechnikerarbeiten. Zu ihnen gehören vielmehr weiterhin auch bloße Fahrertätigkeiten. Zwar können sich nur allgemein beschriebene und unterschiedliche Arbeitspflichten im Lauf der Zeit auf bestimmte, künftig als einzige geschuldete Tätigkeiten konkretisieren, wenn über längere Zeit nur noch diese verrichtet worden sind. Dann ist die Änderung der Arbeitsaufgaben der einseitigen Weisung durch den Arbeitgeber entzogen. Zu einer solchen Konkretisierung genügt aber nicht schon der bloße Zeitablauf. Es müssen weitere Umstände hinzutre30

Dazu siehe unten Kapitel 8.

Konkretisierung

48

3 Planung des Arbeitsverhältnisses ten, aus denen sich ergibt, dass der Arbeitnehmer künftig nicht mehr in anderer Weise eingesetzt werden soll.“

Dieser Effekt lässt sich allerdings unter Umständen mit einer Versetzungsklausel vermeiden.32 Notfälle

In Notfällen, wie z. B. bei Brand oder Überschwemmung, muss der Arbeitnehmer auf Weisung des Arbeitgebers kurzfristig auch andere als nach dem Arbeitsvertrag geschuldete Arbeiten auszuführen.

3.3.2

Arbeitsort

Die Frage nach dem vereinbarten Arbeitsort ist in letzter Zeit erheblich in die Diskussion gekommen.33 Bisher ging man davon aus, dass im Zweifel der Betrieb, an dem der Arbeitnehmer eingestellt wurde, auch der übliche Arbeitsort sei. Selbst eine Versetzung innerhalb derselben Gemeinde, etwa in eine andere Filiale, sollte nicht ohne weiteres möglich sein. Vielmehr sollte hierfür eine entsprechende Vereinbarung im Vertrag geschlossen werden müssen. Von dieser Rechtsprechung weicht das BAG aber neuerdings offensichtlich ab. Versetzung34 Die D. ist bei der B. als Redakteurin beschäftigt. In dem von der B. vorformulierten Arbeitsvertrag vom 29.6.1993 heißt es unter anderem: § 2. Anstellung. Frau D wird als Redakteur angestellt und in der Redaktion der K, Auflagengruppe über 30000, beschäftigt. § 4. Arbeitsgebiet. „Frau D wird als Redakteur (verantwortlich für Wort und Bild) in der Hauptredaktion, Ressort Sonderaufgaben, beschäftigt. Der Verlag behält sich unter Wahrung der Interessen des Redakteurs die Zuweisung eines anderen Arbeitsgebiets vor. Der B. gibt den No als eine regionale Tageszeitung im Gebiet des ehemaligen Regierungsbezirks N. mit einer Vielzahl von Lokalredaktionen heraus. … In einem Gespräch am 23. 6. 2004 teilte der Chefredakteur der B. der D. mit, sie in die Lokalredaktion der „M-Zeitung“ nach W. versetzen zu wollen. Die D., die ihre Tätigkeit bisher in den Räumen der Beklagte in N. ausgeübt hatte, widersprach. … Mit Schreiben vom 19. 8. 31

BAG, Urteil vom 29.09.2004 – 1 AZR 473/03, NZA-RR 2005, 616.

32

Siehe hierzu ausführlich 3.3.3.

33

Vgl hierzu ausführlich Fliss: Die örtliche Versetzung – Neue Regeln seit dem 11.04.2006? NZA-RR 2008, 225.

34

BAG, Urteil vom 11.04.2006 – 9 AZR 557/05, NJW 2006, 3303.

3.3 Inhalt des Arbeitsverhältnisses

49

2004 versetzte die B. die D. mit Wirkung ab 1. 9. 2004 in die Lokalredaktion nach W. Die D. hat die Auffassung vertreten, ihre geschuldete Arbeitsleistung habe sich auf Grund ihrer langjährigen Tätigkeit auf die Mantelredaktion der B. in N. konkretisiert. Der Zuweisungsvorbehalt in § 4 des Arbeitsvertrags rechtfertige keine Versetzung. Ihre Fahrzeit betrage nun nicht wie bisher zehn Minuten, sondern circa 58 Minuten. Das BAG hielt die Versetzung demgegenüber für zulässig. Das Direktionsrecht der B. zur Änderung des Arbeitsorts folge aus § 106 S. 1 GewO. Danach könne der Arbeitgeber den Ort der Arbeitsleistung nach billigem Ermessen näher bestimmen, soweit die Arbeitsbedingungen nicht durch den Arbeitsvertrag, Bestimmungen einer Betriebsvereinbarung, eines anwendbaren Tarifvertrags oder gesetzliche Vorschriften festgelegt seien. Die Parteien hätten in § 4 S. 1 des Arbeitsvertrags lediglich den fachlichen Aufgabenbereich der D. als Redakteurin in der Hauptredaktion festgelegt, nicht aber den Arbeitsort. Das ergäbe die Auslegung des Arbeitsvertrags. Wird also im Vertrag kein bestimmter Arbeitsort vereinbart und ergibt sich ein solcher auch nicht durch Auslegung des Vertrages, kann der Arbeitgeber sein Direktionsrecht nach § 106 GewO theoretisch bundesweit ausüben. Nur wenn ein konkreter Arbeitsort vereinbart wurde, sich der Arbeitgeber aber trotzdem die Versetzung an einen anderen Ort oder einen andere Betrieb vorbehalten möchte, muss eine entsprechende Klausel vereinbart werden. Da das BAG in seiner Entscheidung mit keinem Wort auf die Abkehr von der bisherigen Rechtsprechung eingegangen ist, ist an dieser Stelle aber Vorsicht geboten. Es bietet sich daher an, auch, wenn kein konkreter Arbeitsort vereinbart wurde, den möglichen Ortswechsel in die oben vorgeschlagene Formulierung zur Änderung der Tätigkeit aufzunehmen. Für eine Verlegung des gesamten Betriebes gelten im Wesentlichen die gleichen Regeln. In der Regel ist der Arbeitsort an einen bestimmten Betrieb und nicht an einen geographischen Ort gebunden ist. Der Arbeitnehmer muss also am neuen Betriebsort arbeiten, soweit das nicht unzumutbar ist. Bei der Zumutbarkeit stehen die Verkehrsverbindungen im Vordergrund. Unzumutbar ist dem Arbeitnehmer der Wechsel des Einsatzortes vor allem dann, wenn er nach Beendigung der Arbeit nicht in seine Wohnung zurückkehren kann. Erhöhen sich lediglich die täglichen Anreisezeiten, hängt die Unzumutbarkeit vom Verhältnis der neuen Anreisezeit zur bisherigen und zur täglichen Arbeitszeit ab. Entscheidend sind wie immer im Arbeitsrecht die konkreten Umstände des Einzelfalles. Die höheren Kosten für eine weitere Anreise muss in der Regel der Arbeitgeber zu tragen. Das Arbeitsverhältnis derjenigen Arbeitnehmer,

Betriebsverlegung

50

3 Planung des Arbeitsverhältnisses

denen die Betriebsverlegung unzumutbar ist, wird entweder einverständlich entsprechend geändert oder kann von beiden Seiten gekündigt werden. Wechselnde Einsatzorte

Bei Arbeitnehmern, die schon aus der Natur der Tätigkeit wechselnde Einsatzorte haben, ist das Weisungsrecht besonders weit. Auch hier muss der Arbeitgeber aber auf die Interessen des Arbeitnehmers Rücksicht nehmen.

3.3.3

Vertragliche Änderungsvorbehalte zu Tätigkeit und Ort

Vorteile

Versetzungsklauseln sind ein weit verbreitetes Mittel zur Flexibilisierung von Arbeitsverhältnissen. Durch Versetzungsklauseln lässt sich wie gezeigt das Direktionsrecht des Arbeitgebers erweitern oder vor Einschränkungen schützen. Abhängig von ihrer konkreten Formulierung gewährleisten sie eine einseitige Änderung des Inhalts oder des Ortes der Tätigkeit. Eine Versetzungsklausel kann sogar die Zuweisung geringer- oder höherwertiger Tätigkeiten ermöglichen. Der Grad der zulässigen Höher- und Geringerwertigkeit muss dabei bestimmt und angemessen sein.

Nachteile

Versetzungsklauseln bringen aber für den Arbeitgeber nicht nur Vorteile. Nachteile hat eine Versetzungsklausel vor allem bei der betriebsbedingten Kündigung. Voraussetzung für die Wirksamkeit einer betriebsbedingten Kündigung ist nach § 1 Abs. 3 KSchG die Sozialauswahl. Damit soll festgestellt werden, welcher von mehreren vergleichbaren Arbeitnehmern sozial am wenigsten schutzbedürftig ist und demnach gekündigt werden kann. Maßgebliches Kriterium ist also, ob die Arbeitnehmer vergleichbar sind. Vergleichbar sind diejenigen Mitarbeiter, die ausgetauscht werden können. Durch die Vereinbarung einer Versetzungsklausel wird der Kreis flexibel einsetzbarer und damit vergleichbarer Arbeitnehmer u.U. erheblich erweitert.

Gestaltung

Versetzungsklauseln sollten nicht auf „Vorrat“ in einen Arbeitsvertrag aufgenommen werden. Sie sollten vielmehr sorgfältig so gestaltet werden, wie es das konkrete Arbeitsverhältnis erfordert. Insoweit könnte die Versetzungsklausel etwa auf eine bestimmte Sparte des Unternehmens oder bestimmte Abteilungen beschränkt werden. In Betracht käme auch, eine ausschließlich orts-, nicht aber tätigkeitsbezogene Versetzungsklausel vereinbaren. Im Hinblick auf die Sozialauswahl kann es sogar interessant sein, die Versetzungsmöglichkeiten aufgrund des allgemeinen Direktionsrechts nach § 106 GewO auszuschließen, wenn eine Versetzung für den jeweiligen Arbeitnehmer ohnehin nicht in Betracht kommt.

Formulierung

Bei der Verwendung solcher Formulierungen ist allerdings Sorgfalt geboten, damit sie nicht gegen das Recht der Allgemeinen Geschäftsbedingungen verstoßen.

3.3 Inhalt des Arbeitsverhältnisses

51

Änderungsklausel35 Eine Mitarbeiterin wurde in einem Werk in der Personalabteilung beschäftigt. Im Arbeitsvertrag befand sich die folgende Klausel: „Frau L. steht ... als Personalsachbearbeiterin in den Diensten von H. Falls erforderlich, kann H. nach Abstimmung der beiderseitigen Interessen Art und Ort der Tätigkeit des/der Angestellten ändern.“ Nach dem Inhalt einer Zusatzvereinbarung betrug die Wochenarbeitszeit 40 Stunden. Nach einigen Jahren wurde der Betrieb veräußert. Im Folgenden wurde die Mitarbeiterin in die Produktionsabteilung versetzt und nach Kündigung der Zusatzvereinbarung in einem Umfang von 35 Wochenstunden beschäftigt. Sie war sowohl mit der Versetzung, als auch mit der damit verbundenen Reduzierung der Wochenarbeitszeit nicht einverstanden und klagte. Das Bundesarbeitsgericht stellte fest, dass die Zuweisung einer anderen Tätigkeit und die damit verbundene Beschäftigung in einem Umfang von 35 Wochenstunden rechtswidrig sind. Diesbezüglich könne sich der Arbeitgeber nicht auf § 106 GewO berufen, weil hiernach nur die Konkretisierung einer vertraglich geschuldeten Tätigkeit zulässig sei. Aus dem Wortlaut des Vertrages ergebe sich, dass die Mitarbeiterin als Personalsachbearbeiterin angestellt worden sei. Hiervon dürfe nicht einfach zu ihren Lasten abgewichen werden. Der Änderungsvorbehalt im Arbeitsvertrag verstoße gegen § 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB, weil er sie unangemessen benachteilige. Die Arbeitnehmerin werde hierdurch nicht vor einer willkürlichen Änderung des Arbeitsvertrages geschützt. Das Kündigungsschutzgesetz dürfe nicht auf diese Weise umgangen werden. Eine Änderungsklausel ist damit nur dann wirksam, wenn gewährleistet ist, dass eine gleichwertige Tätigkeit zugewiesen wird. Dies muss die Klausel ausdrücklich vorsehen. Die Klausel könnte dann etwa wie folgt lauten: „Der Arbeitgeber behält sich vor, das Aufgabengebiet der Mitarbeiterin nach den Bedürfnissen des Unternehmens abzugrenzen, zu erweitern oder einzuschränken und der Mitarbeiterin auch eine andere, ihren Kenntnissen und Fähigkeiten entsprechende gleichwertige Tätigkeit zu übertragen oder ihr einen anderen Arbeitsort zuzuweisen. Der Arbeitgeber wird von diesem Recht nur Gebrauch machen, soweit dies unter Berücksichtigung der Interessen des Unternehmens für die Mitarbeiterin zumutbar ist.“

35

BAG, Urteil vom 09.05.2006 – 9 AZR 424/05, NZA 2007, 145.

52

3.3.4

3 Planung des Arbeitsverhältnisses

Arbeitszeit

Als Arbeitszeit gilt nach des § 2 Abs. 1 ArbZG „die Zeit vom Beginn bis zum Ende der Arbeit ohne Ruhepausen“ Die vom Arbeitnehmer zu leistende Arbeitszeit ergibt sich aus der Vereinbarung der Parteien. Treffen Arbeitgeber und Arbeitnehmer keine ausdrückliche Vereinbarung über die Dauer und die Lage der Arbeitszeit, bestimmt der Arbeitgeber nach § 106 GewO die Zeit der Arbeitsleistung im Rahmen seines Direktionsrechts. Grenzen für die Vereinbarung oder die einseitige Bestimmung enthalten die Arbeitszeitgesetze (ArbZG, MuSchG, JArbSchG). Im Rahmen des Zulässigen kann der Arbeitgeber, vorbehaltlich der Mitbestimmungsrechte des Betriebsrats nach § 87 Abs. 1 Nr. 2 BetrVG, die wöchentliche Arbeitszeit auf die einzelnen Wochentage verteilen, Beginn und Ende der täglichen Arbeitszeit sowie die Pausen festlegen. Höchstarbeitszeit

Die höchst zulässige Arbeitszeit beträgt nach § 3 S. 1 ArbZG werktäglich acht Stunden. Sie kann auf bis zu 10 Stunden verlängert werden, wenn innerhalb von 6 Monaten oder 24 Wochen im Durchschnitt acht Stunden nicht überschritten werden. Da die Regelung von Werktagen ausgeht und der Samstag ein normaler Werktag ist, ergibt sich eine Höchstarbeitszeit von 48 Stunden bzw. 60 Stunden pro Woche. In den Arbeitszeitausgleich kann ein arbeitsfreier Samstag auch dann einbezogen werden, wenn an diesem Tag im Betrieb ohnehin nicht gearbeitet wird. Ein faktischer Ausgleich muss nur stattfinden, wenn die Arbeitszeit in einer Woche 48 Stunden überschreitet. Das Arbeitszeitgesetz geht damit deutlich über die in der betrieblichen Praxis übliche regelmäßige Wochenarbeitszeit hinaus.

Pausen

Die Arbeit ist durch im Voraus feststehende Ruhepausen von mindestens 30 Minuten bei einer Arbeitszeit über sechs Stunden und bei einer Arbeitszeit über neun Stunden von mindestens 45 Minuten zu unterbrechen. Eine Ruhepause muss mindestens 15 Minuten dauern. Länger als sechs Stunden hintereinander dürfen Arbeitnehmer nicht ohne Ruhepause beschäftigt werden.

Nacht- und Schichtarbeit

Nach § 6 Abs. 1 ArbZG ist die Arbeitszeit der Nacht- und Schichtarbeitnehmer nach den gesicherten arbeitswissenschaftlichen Erkenntnissen über die menschengerechte Gestaltung der Arbeit festzulegen. Die werktägliche Arbeitszeit der Nachtarbeitnehmer darf acht Stunden nicht überschreiten. Die werktägliche Arbeitszeit der Nachtarbeitnehmer kann auf bis zu zehn Stunden nur verlängert werden, wenn innerhalb von einem Kalendermonat oder innerhalb von vier Wochen im Durchschnitt acht Stunden werktäglich nicht überschritten werden. Der Arbeitgeber hat dem Nachtarbeitnehmer einen Ausgleich für die mit der Nachtarbeit verbundenen Beeinträchtigungen zu gewähren (§ 6 Abs. 5 ArbZG). Der Umfang des Ausgleichs ist im Gesetz nicht näher geregelt. Dem Nachtarbeitnehmer steht für die während der Nachtzeit geleisteten Arbeitsstunden eine angemessene Zahl bezahlter freier Tage oder ein angemessener Zuschlag auf das Bruttoarbeitsentgelt zu.

3.3 Inhalt des Arbeitsverhältnisses

53

Aus der Treuepflicht des Arbeitnehmers ergibt sich bei Vorliegen besonderer Gründe die Verpflichtung auf Anordnung des Arbeitgebers Überstunden zu leisten. Auch hier sind aber alle Umstände des Einzelfalls zu berücksichtigen. In der Praxis ist die Verpflichtung zur Leistung von Überstunden häufig ausdrücklich im Arbeitsvertrag, einem Tarifvertrag oder einer Betriebsvereinbarung geregelt. Dabei sind Überstunden nur im Rahmen des Arbeitszeitgesetzes zulässig. Sind die dort festgesetzten Grenzen für die zulässige Höchstarbeitszeit erreicht sind, kann der Arbeitnehmer die Ableistung von Überstunden verweigern.

Überstunden

Seit Inkrafttreten des Teilzeit- und Befristungsgesetzes steht dem Arbeitnehmer nach Maßgabe der §§ 8, 9 TzBfG ein einklagbarer Anspruch auf Verkürzung bzw. Verlängerung seiner bisherigen regelmäßigen Arbeitszeit zu.36

Teilzeitanspruch

3.3.5

Arbeitsentgelt

Zur Vergütung sollten im Arbeitsvertrag klare Regelungen getroffen werden. Zum Entgelt zählt nicht nur das laufende Entgelt, sondern jegliches Entgelt und jede geldwerte Leistung, die der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer als Gegenleistung für seine Tätigkeit gewährt. Entgelthöhe Die Höhe der Vergütung kann grundsätzlich frei vereinbart werden, wenn nicht gesetzliche Vorschriften, Tarifverträge oder Betriebsvereinbarungen entgegenstehen. Gesetzliche Regelungen enthalten lediglich § 17 BBiG und § 6 Abs. 5 ArbZG und das Arbeitnehmer-Entsendegesetz. Nach § 17 Abs.1 S. 1 BBiG ist dem Auszubildenden eine angemessene Ausbildungsvergütung zu zahlen. Nach § 6 Abs. 5 ArbZG dem Nachtarbeiter ein angemessener Zuschlag auf das Arbeitsentgelt zu entrichten. Das Arbeitnehmer-Entsendegesetz regelt Mindestlöhne Der Mindestlohn gilt für alle Arbeitnehmer der jeweiligen Branche, unabhängig von deren Tarifbindung. In folgenden Branchen gibt es Mindestlöhne: Baugewerbe, Malerhandwerk, Abbruchgewerbe, Dachdeckerhandwerk, Gebäudereinigerhandwerk, Briefdienstleistungen.

Gesetzliche Regelungen

Die Vereinbarung über die Höhe des Entgelts kann darüber hinaus wegen Lohnwuchers nach § 138 Abs. 2 BGB nichtig sein. Der Begriff und die Problematik des Lohnwuchers werden angesichts der gegenwärtigen Arbeitsmarktlage immer aktueller. Lohnwucher liegt vor, wenn Arbeitsleistung und Entgelt

Lohnwucher

36

Siehe zu den Einzelheiten des Teilzeitanspruchs unten 5.6.

54

3 Planung des Arbeitsverhältnisses

in einem auffälligen Missverhältnis stehen. Zudem muss die Vergütungsvereinbarung unter Ausnutzung einer Zwangslage, der Unerfahrenheit, eines Mangels an Urteilsvermögen oder einer erheblichen Willensschwäche zustande gekommen sein. Lohnwucher kann immer dann vorliegen, wenn ein verhältnismäßig geringer Arbeitslohn einer unangemessen hohen Arbeitsleistung gegenübersteht. Bei der Überprüfung der Lohnvereinbarung auf Sittenwidrigkeit ist der Tariflohn entscheidender Orientierungsmaßstab. Dies gilt jedenfalls dann, wenn in dem entsprechenden Wirtschaftsgebiet üblicherweise der Tariflohn gezahlt wird. In Bereichen, in denen keine einschlägigen Tarifverträge existieren, sind verwandte Tarifverträge als Vergleichsmaßstab entscheidend zu berücksichtigen. Letztlich ist aber umstritten, wo die Grenze für die Sittenwidrigkeit liegt. Das BAG hat bisher keine Richtwerte entwickelt. Das Landesarbeitsgericht (LAG) Rheinland-Pfalz entschied, dass ein Lohn, der um mehr als ein Drittel unter dem üblichen Tariflohn liegt, grundsätzlich sittenwidrig ist.37 Der BGH hat bei zwei Dritteln des Tariflohns Wucher i.S. des § 291 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 StGB angenommen. Letztlich dürfte die Entscheidung wie immer vom Einzelfall abhängen. Eine Unterschreitung am Rande des Existenzminimums ist anders zu bewerten, als eine Unterschreitung im gehobenen Einkommensbereich. Ist die Vereinbarung der Entgelthöhe nichtig, muss sie durch eine wirksame Regelung ersetzt werden. Nach allgemeiner Ansicht ist in einem solchen Fall vom Arbeitgeber der übliche und nicht etwa der niedrigste zulässige Lohn zu gewähren. Mitbestimmung des Betriebsrats

Der Betriebsrat hat, soweit die Arbeitsentgelte nicht üblicherweise durch Tarifvertrag geregelt werden, nach § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG ein Mitbestimmungsrecht bei allen Fragen der betrieblichen Lohngestaltung. Das gilt, soweit es sich um die Festlegung allgemeiner Regeln handelt, insbesondere bei der Aufstellung von Entlohnungsgrundsätzen sowie deren Änderung. Vergütungsformen

Zeitlohn

Beim Zeitlohn wird die Vergütung für eine bestimmte Zeit der Arbeitsleistung bezahlt. Zum Zeitlohn zählen damit der Monats-, Wochen-, Tages- oder Stundenlohn. Auch zeitbezogene Zulagen gehören hierzu, z. B. übertarifliche Stundenzuschläge, monatliche Zulagen, Überstundenzuschläge, Erschwerniszulagen, Funktionszulagen oder Sozialzulagen. An Arbeitszeit orientierte Entgeltmodelle sind trotz geringer entgeltlicher Leistungsanreize verbreitet.

37

LAG-Rheinland-Pfalz, Urteil vom 19.05.2008 – 5 Sa 6/08, BeckRS 2008 55566.

3.3 Inhalt des Arbeitsverhältnisses

55

Beim Leistungslohn ist die erbrachte oder zu erbringende Leistung Basis der Entgelthöhe. Die wichtigste leistungsbezogene Lohnform ist der Akkordlohn. Bezugspunkt für die Vergütung ist hierbei die vom Arbeitnehmer erbrachte Arbeitsmenge. In der jeweiligen Rechtsgrundlage für den Akkordlohn sind häufig Mindestlohngarantien aufgenommen, die gewährleisten, dass das Einkommen des Arbeitnehmers nicht unter den dort festgelegten Mindestlohn absinkt. Eine zweite leistungsbezogene Lohnform ist der Prämienlohn. Hierfür ist eine besondere Vereinbarung erforderlich. Zu den leistungsbezogenen Vergütungsformen gehören ferner alle leistungsbezogenen Zulagen und leistungsbezogene Entgeltbestandteile aus einer Zielvereinbarung.

Leistungslohn (Akkord- und Prämienlohn)

Überstundenvergütung Geleistete Überstunden sind in der Regel extra zu vergüten. Eine gesetzliche Regelung für Überstundenzuschläge gibt es nicht. Der Anspruch auf Überstundenvergütung setzt voraus, dass die Überstunden vom Arbeitgeber angeordnet, gebilligt oder geduldet worden sind. Überstunden können nicht nur in der Weise angeordnet werden, dass Zahl und Lage im Voraus festgelegt werden, sondern häufig allgemein dadurch, dass ein bestimmter Arbeitsauftrag innerhalb einer bestimmten Zeit durchgeführt werden muss. Diesbezüglich kann es auch genügen, dass der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer eine Arbeit zuweist, die innerhalb der vertragsgemäßen Arbeitszeit nicht erledigt werden kann.

Vergütungsanspruch

Häufig wird in Arbeitsverträgen vereinbart, dass eine bestimmte Anzahl von Überstunden mit dem Grundgehalt oder einer bestimmten Pauschale bereits abgegolten sein sollen. Pauschalierungsabreden sind aber unzulässig, wenn sie auch solche Arbeitszeiten erfassen, die der Arbeitnehmer über das nach dem Arbeitszeitgesetz zulässige Maß hinaus, erbringt.

Abweichende Vereinbarungen

Überstundenvergütung38 Der K. war seit Juli 2003 bei der B. als Fleischermeister beschäftigt. Das Arbeitsverhältnis endete durch ordentliche Kündigung. Dem Arbeitsverhältnis lag ein von der B. ständig verwendeter Formulararbeitsvertrag zu Grunde, in dem es u.a. heißt: § 2. Arbeitszeit. Die regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit ohne Pausen beträgt 40 Stunden. Der Arbeitnehmer verpflichtet sich, seine ganze Arbeitskraft seinen Aufgabengebiet bei dem Arbeitgeber zu widmen und – soweit dies erforderlich ist – auch über die betriebsübliche Arbeitszeit hinaus tätig zu werden.

38

BAG, Urteil vom 28.09.2005 – 5 AZR 52/05, NZA 2006, 149.

56

3 Planung des Arbeitsverhältnisses § 3. Vergütung. Der Arbeitnehmer erhält ein monatliches Gehalt von 2100 Euro brutto. Über-, Mehr-, Sonn- und Feiertagsstunden sind durch das gezahlte Bruttogehalt abgegolten. Der K. möchte nunmehr Überstundenvergütungen für die Monate Juli und August 2003 in Höhe von insgesamt 1075 Euro brutto. Er hat unter Berücksichtigung einer täglichen Pause von einer bzw. anderthalb Stunden im Juli 2003 235 Stunden und im August 2003 273 Stunden gearbeitet. Die Stunden sind von dem ihm vorgesetzten Schichtleiter angeordnet worden. Die Ansprüche auf Überstundenvergütung sind gem. § 612 Abs. 1 und 2 BGB entstanden. Gem. § 612 Abs. 1 BGB gilt eine Vergütung als stillschweigend vereinbart, wenn die Arbeitsleistung den Umständen nach nur gegen eine Vergütung zu erwarten ist. Hinsichtlich der Arbeitsstunden jenseits der gesetzlichen Höchstarbeitszeit fehlt es an einer Vergütungsabrede. Die Parteien haben zwar vereinbart, dass über die regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit von 40 Stunden hinausgehende Arbeitsstunden („Überstunden“) durch das vorgesehene Monatsgehalt von 2100 Euro abgegolten sein sollen, hiervon wurden aber nur die gesetzlich zulässigen Überstunden erfasst. Die Abgeltungsvereinbarung betrifft nicht die über das zulässige Maß des § 3 ArbZG hinausgehende Arbeit.

Provisionen Provisionen honorieren den Abschluss oder die Vermittlung von Geschäften. Provisionen werden regelmäßig angestellten Außendienstmitarbeitern zusätzlich zu einer festen Grundvergütung, dem sog. Fixum gezahlt. Gemäß § 65 HGB regeln die §§ 87 Abs. 1 und 3 sowie 87a bis 87c HGB die Provisionsansprüchen angestellter Außendienstmitarbeiter. Gewinnbeteiligung (Tantiemen) Die Gewinnbeteiligung ist die gebräuchlichste Art einer Erfolgsbeteiligung im Rahmen einer Mitarbeiterbeteiligung auf betrieblicher Ebene. In der Ausgestaltung genießen die Unternehmen große Freiheit, sämtliche Vereinbarungen beruhen auf Freiwilligkeit. Gewinnbeteiligungen, auch Tantiemen genannt, werden in der Regel mit leitenden Angestellten vereinbart. Damit der Arbeitnehmer seine Gewinnbeteiligung berechnen kann, hat er gegen den Arbeitgeber nach §§ 242, 259 BGB einen Auskunftsanspruch.

3.3 Inhalt des Arbeitsverhältnisses

57

Gratifikationen (Sonderzuwendungen) Bei Gratifikationen handelt es sich um freiwillig vom Arbeitgeber gezahlte Sondervergütungen, z. B. in Form von Jahresabschlussvergütungen, Erfolgsbeteiligungen, Weihnachtsgeld, Betriebliche Sonderzahlungen, 13. und sonstiges zusätzliches Monatsgehalt u.a. Ein gesetzlicher Anspruch auf eine Gratifikation existiert nicht. Ein Rechtsanspruch auf eine Gratifikation kann sich aus einem Tarifvertrag, einer Betriebsvereinbarung, einer besonderen Vereinbarung im Arbeitsvertrag, aus betrieblicher Übung oder aus dem arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz ergeben.

Anspruch des Arbeitnehmers

Der Arbeitgeber darf eine Jahressonderzahlung für Zeiten ohne Arbeitsleistung im Bezugszeitraum anteilig kürzen, wenn die Kürzungsmöglichkeit zuvor vereinbart wurde oder sich aus einer Betriebsvereinbarung oder einem Tarifvertrag ergibt. Die Frage, ob eine Kürzung der Gratifikation wegen Fehlzeiten des Arbeitnehmers zulässig ist, hängt vom Zweck der Gratifikation ab. Soll die Zahlung ausschließlich Entgeltcharakter haben, ist der Arbeitgeber berechtigt, die Gratifikation anteilig zu kürzen. Soll mit der Zahlung der Gratifikation die Betriebstreue honoriert werden, kommt es allein auf das Bestehen des Arbeitsverhältnisses im Bezugszeitraum an. Das hat zur Folge, dass eine Kürzung der Gratifikation ausscheidet, sofern das Arbeitsverhältnis bestanden hat.

Kürzung wegen Fehlzeiten

Der Umfang der Kürzungsmöglichkeit bei Krankheit ist in § 4a Entgeltfortzahlungsgesetz (EFZG) gesetzlich geregelt. Der Arbeitgeber darf die Sondervergütung für jeden Tag der Arbeitsunfähigkeit infolge Krankheit höchstens um ein Viertel des Arbeitsentgelts kürzen, das im Jahresdurchschnitt auf einen Arbeitstag entfällt. Soweit Tarifverträge, Betriebsvereinbarungen oder einzelvertragliche Abreden höhere Kürzungsraten vorsehen, verstoßen sie gegen § 12 EFZG. Bei Jahresgratifikationen hängt ein Anspruch auf Zahlung der anteiligen Gratifikation bei Ausscheiden aus dem Arbeitsverhältnis vor dem Stichtag oder vor Ablauf des Kalenderjahres von der Grundlage für die Zahlung ab. Ist keine Regelung getroffen, kommt es darauf an, ob die Gratifikation als zusätzliche Honorierung geleisteter Dienste gedacht ist. Da der Leistungszweck vor dem Stichtag zumindest teilweise erbracht wurde, besteht ein anteiliger Zahlungsanspruch. Soll mit der Gratifikation die Betriebstreue honoriert werden, führt die mangelnde Betriebstreue am Stichtag dazu, dass ein Anspruch auf anteilige Zahlung nicht besteht. Liegt Mischcharakter hinsichtlich der Zwecksetzung vor, entsteht mangels der Erfüllung beider Zweckelemente kein anteiliger Anspruch. Ausnahme: die Quotelung wurde vereinbart.

Anteilige Zahlung

58 Rückzahlung

3 Planung des Arbeitsverhältnisses

Eine Rückforderung der Gratifikation wegen Kündigung des Arbeitnehmers kurz nach Erhalt der Gratifikation kommt allenfalls dann in Betracht, wenn eine entsprechende Vereinbarung getroffen wurde. Das Bundesarbeitsgericht hat folgende Regeln für einzelvertraglich vereinbarte Rückzahlungsklauseln bei Weihnachtsgratifikationen aufgestellt: ! Rückzahlungsklauseln sind unzulässig bei Gratifikationen bis zu 100,00 Euro ! Bei Gratifikationen über 100,00 Euro, aber weniger als einem Monatsgehalt, kann eine Rückzahlungsvereinbarung für den Fall getroffen werden, dass der Arbeitnehmer vor dem 31. März des folgenden Jahres ausscheidet. ! Bei einer Weihnachtsgratifikation in Höhe von mindestens einem Monatsgehalt sind Bindungen bis zum 30.06. des Folgejahres zulässig. ! Rückzahlungsklauseln über den 30.06. des Folgejahres hinaus sind unzulässig. Die Bedingungen, unter denen eine Gratifikation gewährt wird, unterliegen ggf. dem Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats nach § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG. Änderungsvorbehalte Es liegt im Interesse des Arbeitgebers, Arbeitsbedingungen und insbesondere auch Vergütungszahlungen möglichst flexibel zu gestalten. Immer wieder ist dabei auch die Gefahr einer Bindungswirkung durch betriebliche Übung im Auge zu behalten. Änderungsvorbehalte beim Entgelt kommen vor allem in Form des Freiwilligkeitsvorbehalts und des Widerrufsvorbehalts vor. Darüber hinaus spielt in der Praxis die Anrechnung von Tariferhöhungen auf übertarifliche Zulagen eine wichtige Rolle.

Freiwilligkeitsvorbehalt

Will der Arbeitgeber hinsichtlich einer freiwilligen Leistung eine vertragliche Bindung insbesondere durch betriebliche Übung vermeiden, kommt die Vereinbarung eines Freiwilligkeitsvorbehalts in Betracht. Unter Freiwilligkeitsvorbehalt gewährt der Arbeitgeber eine Leistung, wenn er einen Rechtsanspruch auf Weiter- oder Wiedergewährung in der Zukunft ausschließt. Die Rechtsprechung hält einen Freiwilligkeitsvorbehalt grundsätzlich für zulässig bei der Gewährung von Jahressonderzahlungen, Gratifikationen, Jubiläumszuwendungen, Leistungszulagen und Prämien. Monatliche und im Gegenseitigkeitsverhältnis stehende Leistungszulagen können mit einem solchen Vorbehalt dagegen nicht mehr versehen werden.39

39

BAG Urteil vom 25.04.2007 – 5 AZR 627/06, NZA 2007, 853 ff.

3.3 Inhalt des Arbeitsverhältnisses

59

AGB-Kontrolle bei Freiwilligkeitsvorbehalt40 Eine Arbeitnehmerin klagte auf Zahlung einer Weihnachtsgratifikation. Im Formulararbeitsvertrag der Arbeitnehmerin ist vereinbart, dass die Arbeitnehmerin eine Weihnachtsgratifikation „nach den betrieblichen Vereinbarungen“ erhält. Gleichzeitig ist geregelt, dass die Zahlung eine „freiwillige, stets widerrufbare Leistung des Arbeitgebers“ darstellt. In den Jahren 1992 bis 2003 zahlt der Arbeitgeber allen Arbeitnehmern eine Weihnachtsgratifikation in Höhe einer Bruttomonatsvergütung. Im Jahr 2004 stellt der Arbeitgeber die Zahlung ein. Daraufhin klagt die Arbeitnehmerin vor dem ArbG. Das BAG hält die erhobene Klage auf Zahlung der Weihnachtsgratifikation für begründet. Für die Wirksamkeit eines Freiwilligkeitsvorbehalts bei Sonderzahlungen komme es grundsätzlich nicht auf den mit der Leistung verfolgten Zweck an. Ein Freiwilligkeitsvorbehalt sei auch bei Sonderzahlungen möglich, die ausschließlich im Bezugszeitraum geleistete Arbeit (und nicht nur Betriebstreue) honorieren sollen. Ein Freiwilligkeitsvorbehalt könne grundsätzlich auch in einem Formulararbeitsvertrag vereinbart werden und müsse dann nicht bei jeder Zahlung der Sonderzahlung nochmals wiederholt werden. Voraussetzung sei aber, dass der Freiwilligkeitsvorbehalt im Arbeitsvertrag dem Transparenzgebot entsprechend klar und verständlich formuliert ist. Hieran fehlt es, wenn die Formulierung im Arbeitsvertrag bzw. die Regelung widersprüchlich ist. Dies ist der Fall, wenn sie sowohl als Freiwilligkeitsvorbehalt als auch als Widerrufsvorbehalt formuliert ist. Im vorliegenden Fall hat der Arbeitgeber den Freiwilligkeitsvorbehalt nicht hinreichend deutlich zum Ausdruck gebracht (§ 307 Abs. 1 S. 2 BGB). Das BAG bestätigt damit, dass bei Sonderzahlungen ein Anspruch auf künftige Gewährung durch Freiwilligkeitsvorbehalte wirksam ausgeschlossen werden kann. Die Freiwilligkeitsklausel muss aber stets klar und widerspruchsfrei formuliert sein. Dabei ist insbesondere davor zu warnen, den Freiwilligkeitsmit einem Widerrufsvorbehalt zu verbinden. Ein Freiwilligkeitsvorbehalt könnte etwa wie folgt formuliert werden: „Leistungen, zu denen der Arbeitgeber nicht nach Tarifvertrag, Betriebsvereinbarung oder Arbeitsvertrag verpflichtet ist, werden ohne Anerkennung einer Rechtspflicht erbracht. Aus der tatsächlichen Erbringung solcher Leistungen können keine Rechtsansprüche für die Zukunft hergeleitet werden. Dies gilt auch dann, wenn die Leistung mehrfach und ohne ausdrücklichen Hinweis darauf erfolgt, dass aus der Leistung Rechtsansprüche für die Zukunft nicht entstehen können.“ 40

BAG, Urteil vom 30.07.2008 – 10 AZR 606/07, NZA 2008, 1173.

60 Widerrufsvorbehalt

3 Planung des Arbeitsverhältnisses

Eine Flexibilisierung vor allem der über das Grundgehalt hinausgehenden Entgeltbestandteile, wurde bisher häufig über einen so genannten Widerrufsvorbehalt versucht zu erreichen. D.h., die Leistung wurde zunächst zugesagt, jedoch unter den Vorbehalt des jederzeitigen und freien Widerrufs gestellt. Eine derartig allgemeine Widerrufsklausel hat das BAG für unzulässig erklärt AGB-Kontrolle bei Widerrufsvorbehalt41 Der K. ist bei der B. als Elektroinstallateur beschäftigt. Seinem Arbeitsvertrag liegt ein standardmäßig verwendetes Formular zu Grunde. Der Arbeitgeber hat nach dem Vertrag „das Recht, die übertariflichen Lohnbestandteile jederzeit unbeschränkt zu widerrufen“. Zusätzlich zu seinem Monatsgrundlohn von 1751,69 Euro brutto erhält der K. bis einschließlich April 2003 eine außertarifliche Zulage von 227,72 Euro brutto, ein arbeitstägiges Fahrtgeld von 12,99 Euro brutto sowie einen Prämienlohn in unterschiedlicher Höhe. Am 11.4.2003 widerruft die B. zum 1.5.2003 gegenüber allen Arbeitnehmern schriftlich und unter Bezugnahme auf den vertraglichen Widerrufsvorbehalt die übertarifliche Zulage sowie die Fahrtkostenerstattung. Sie begründet dies mit ihrer wirtschaftlichen Situation. Daraufhin möchte der K. vor dem Arbeitsgericht die Unwirksamkeit des Widerrufs festgestellt haben. Nach dem BAG die Widerrufsklausel den formellen Anforderungen des BGB nicht gerecht. Denn der Arbeitsvertrag der Parteien nenne keine Widerrufsgründe, sondern gestatte der B. „jederzeit unbeschränkt“ zu widerrufen. Dabei lasse sich der Maßstab der §§ 308 Nr. 4, 307 BGB – Angemessenheit und Zumutbarkeit – nicht unmittelbar aus dem Text der Klausel erkennen. Grundsätzlich müsse aber die Regelung Voraussetzungen und Umfang der vorbehaltenen Änderung konkretisieren. Folglich sei das Widerrufsrecht seit dem 1.1.2003 unwirksam, da ab diesem Zeitpunkt die §§ 305ff. BGB Anwendung fänden Demnach kann der Arbeitgeber über- und außertarifliche Leistungen grundsätzlich unter Widerrufsvorbehalt stellen. Das gilt jedenfalls dann, wenn der Widerruf nicht grundlos erfolgen soll, sondern wegen der unsicheren Entwicklung der Verhältnisse als Instrument der Anpassung nötig ist. Das richtet sich insbesondere nach der Art und Höhe der Leistung, die widerrufen werden soll, nach der Höhe des verbleibenden Verdienstes und nach der Stellung des Arbeitnehmers im Unternehmen. Die Vereinbarung eines Widerrufsvorbehalts ist zulässig, soweit der widerrufliche Anteil am Gesamtverdienst unter 25 bis 30% liegt und der Tariflohn nicht unterschritten wird. Ein wirksamer Widerrufsvorbehalt setzt also voraus, dass in der Klausel klar zum Ausdruck kommt, aus welchen Gründen ein Widerruf in Betracht kommt. 41

BAG, Urteil vom 12.01.2005 – 5 AZR 364/04, NZA 2005, 465.

3.3 Inhalt des Arbeitsverhältnisses

61

Als Widerrufsgrund kommt z. B. die wirtschaftliche Notlage des Unternehmens in Betracht. Die Formulierung könnte also etwa lauten: „Der Arbeitgeber zahlt dem Arbeitnehmer eine freiwillige übertarifliche Zulage von 100,00 €. Die Zulage wird freiwillig gewährt und kann vom Arbeitgeber widerrufen werden, wenn der Jahresgewinn vor Steuern um mehr als 10 % zurückgegangen ist.“ oder „Übertarifliche Vergütungsbestandteile, die zusätzlich zum monatlich laufenden Entgelt bezahlt werden, können aus wirtschaftlichen Gründen, Gründen in der Person oder des Verhaltens des Arbeitnehmers oder im Rahmen der Neustrukturierung des Vergütungssystems widerrufen werden.“ Ob eine Tariflohnerhöhung individualrechtlich auf eine übertarifliche Vergütung angerechnet werden kann, hängt von der zu Grunde liegenden Vergütungsabrede ab. Haben die Arbeitsvertragsparteien dazu eine ausdrückliche Vereinbarung getroffen, gilt diese. Anderenfalls ist aus den Umständen zu ermitteln, ob eine Befugnis zur Anrechnung besteht. Die Anrechnung ist grundsätzlich möglich, sofern dem Arbeitnehmer nicht vertraglich ein selbstständiger Entgeltbestandteil neben dem jeweiligen Tarifentgelt zugesagt worden ist. Wurde dagegen eine Zulage als selbstständiger Entgeltbestanteil mit eigenem Zweck zugesagt (z. B. Schmutzzulage) kann eine Tariferhöhung nur angerechnet werden, wenn der Arbeitgeber sich das ausdrücklich vorbehalten hat. Der Anrechnungsvorbehalt muss keine Voraussetzungen für die Anrechnung nennen; der Arbeitgeber kann jederzeit anrechnen. In der Praxis empfiehlt es sich, den Anrechnungsvorbehalt mit einem Widerrufsvorbehalt zu kombinieren. Eine entsprechende Klausel könnte etwa folgendermaßen formuliert werden: „Über- und außertarifliche Zulagen können aus wirtschaftlichen Gründen, insbesondere zur Sicherung oder Wiederherstellung der Wettbewerbsfähigkeit des Unternehmens, bei einer Änderung der Umstände, die für die Gewährung maßgebend waren, vor allem bei einer Änderung der Tätigkeit oder der Leistung des Arbeitnehmers sowie bei einer Umgestaltung des Entgeltsystems ganz oder teilweise widerrufen werden. Sie sind auf Erhöhungen des tariflichen Entgelts anrechenbar.“

Anrechnung übertariflicher Zulagen

62

3 Planung des Arbeitsverhältnisses

3.3.6

Sonstige Regelungen zugunsten des Arbeitgebers

Regelungen in Arbeitsverträgen zugunsten des Arbeitnehmers sind wegen des im Arbeitsrecht geltenden Günstigkeitsprinzips nur selten problematisch. Selbstverständlich steht es dem Arbeitgeber etwa frei, über den gesetzlichen Mindesturlaub hinaus weiteren Urlaub vertraglich zuzusichern. Arbeitgeber haben aber häufig ein Interesse daran, über die oben beschriebenen Essentialia eines Arbeitsverhältnisses hinaus für sie günstige Regelungen in den Vertrag aufzunehmen. Grundnorm der individualrechtlichen Gestaltung von Arbeitsbedingungen ist § 105 GewO. Danach können Arbeitgeber und Arbeitnehmer Abschluss, Inhalt und Form des Arbeitsvertrages frei vereinbaren, soweit nicht zwingende gesetzliche Vorschriften, Bestimmungen eines anwendbaren Tarifvertrages oder einer Betriebsvereinbarung entgegenstehen. Seit 2002 unterliegen vom Arbeitgeber vorformulierte Arbeitsverträge der strengen Kontrolle des Rechts der Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB). Danach sind Klauseln in Arbeitsverträgen unwirksam, wenn sie den Arbeitnehmer entgegen Treu und Glauben unangemessen benachteiligen oder die Bestimmung nicht klar und verständlich ist. Die in der Praxis am häufigsten vorkommenden Klauseln werden im Folgenden dargestellt. Verschwiegenheitspflichten Auch ohne besondere Vereinbarung sind Arbeitnehmer wegen ihrer Treuepflicht zur Verschwiegenheit über Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse verpflichtet. Grundsätzlich kann die Verschwiegenheitspflicht durch eine entsprechende Vereinbarung im Arbeitsvertrag auf weitere Tatsachen und über das Ende des Arbeitsverhältnisses hinaus erweitert werden. Zulässig ist eine Erweiterung auf Informationen und Kenntnisse, die vom Arbeitgeber ausdrücklich als vertraulich bezeichnet werden. Bis dato kann hierzu auch eine Vereinbarung gehören, die die Schweigepflicht über Lohnund Gehaltsdaten zum Inhalt hat.42 Eine entsprechende Klausel könnte lauten: „Der Mitarbeiter verpflichtet sich, sowohl während der Dauer des Arbeitsverhältnisses als auch nach seiner Beendigung über alle ihm bekannt gewordenen Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse sowie über die

42

Diese erstreckt sich nicht auf die Fälle, in denen der Arbeitnehmer zur Offenbarung seines Einkommens gegenüber Behörden verpflichtet ist, zur Erlangung sozialer Leistungen auf die Angabe angewiesen ist oder die Angaben für eine anderweitige Stellensuche erforderlich sind.

3.3 Inhalt des Arbeitsverhältnisses

63

vom Arbeitgeber als vertraulich bezeichneten Vorgänge Stillschweigen zu bewahren“. Dagegen sind Klauseln unverhältnismäßig und damit unwirksam, mit denen die Arbeitnehmer pauschal verpflichtet werden, alle ihnen bekannt gewordenen geschäftlichen und betrieblichen Tatsachen geheim zu halten. Wettbewerbsverbote Ein Arbeitnehmer darf gemäß seiner Treuepflicht während des bestehenden Arbeitsverhältnisses nicht in Konkurrenz zu seinem Arbeitgeber zu treten. Es bedarf insoweit also keiner vertraglichen Regelung. Häufig findet sich darüber hinausgehend in Arbeitsverträgen ein so genanntes „nachvertragliches Wettbewerbsverbot“. Damit soll dem ehemaligen Arbeitnehmer auch für die Zeit nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses jede Ausübung von Konkurrenz verboten werden. Ein solches nachvertragliches Wettbewerbsverbot ist grundsätzlich nach § 110 GewO zulässig, muss aber nach Inhalt, Ort und Zeit angemessen sein. Insbesondere muss das Wettbewerbsverbot einem berechtigten geschäftlichen Interesse des Arbeitgebers dienen. Das ist der Fall, wenn das Wettbewerbsverbot entweder dem Schutz von Betriebsgeheimnissen dient oder den Einbruch in den Kunden- oder Lieferantenkreis verhindern soll. Das bloße Interesse, Konkurrenz einzuschränken, genügt indes nicht. Formell muss das Wettbewerbsverbot nach § 74 Abs. 1 HGB schriftlich erfolgen und dem Arbeitnehmer eine Urkunde über die vereinbarte Bestimmung ausgehändigt werden. Bezüglich des Inhaltes ist zu beachten, dass das vereinbarte Wettbewerbsverbot für längstens zwei Jahre bestehen darf und dass dem Arbeitnehmer eine so genannte „Karenzentschädigung“ für den Zeitraum bezahlt werden muss. Diese Karenzentschädigung muss mindestens für jedes Jahr des Wettbewerbsverbotes die Hälfte der vom Arbeitnehmer zuletzt bezogenen vertraglich vereinbarten Leistungen betragen. Da das Wettbewerbsverbot inhaltlich genau bestimmt sein muss, sollte bei der Formulierung darauf geachtet werden, etwaige Verstöße genau zu bezeichnen.43 Nebentätigkeit Ein Arbeitnehmer ist grundsätzlich berechtigt, Nebentätigkeiten nachzugehen. Ein vertraglich vereinbartes Nebentätigkeitsverbot ist nur zulässig, wenn es berechtigte Interessen des Arbeitgebers schützt. Ein berechtigtes Interesse 43

Siehe ausführlich hierzu Hunold, Rechtsprechung zum nachvertraglichen Wettbewerbsverbot, NZA-RR 2007, 617.

64

3 Planung des Arbeitsverhältnisses

besteht dann, wenn durch die Nebentätigkeit die vertraglich geschuldete Leistung beeinträchtigt wird. Ein Nebentätigkeitsverbot kann auch dergestalt vereinbart werden, dass dem Arbeitnehmer verbunden mit einem grundsätzlichen Verbot ein Anspruch auf Erteilung einer Nebentätigkeitsgenehmigung eingeräumt wird, soweit nicht konkrete Belange des Arbeitsplatzes entgegenstehen. Eine mögliche Formulierung wäre demnach etwa: „1. Jede Nebentätigkeit, gleichgültig, ob sie entgeltlich oder unentgeltlich ausgeübt wird, bedarf der vorherigen Zustimmung des Arbeitgebers. Die Zustimmung ist zu erteilen, wenn die Nebentätigkeit die Wahrnehmung der dienstlichen Aufgaben zeitlich nicht oder allenfalls unwesentlich behindert und sonstige berechtigte Interessen des Arbeitgebers nicht beeinträchtigt werden. 2. Der Arbeitgeber hat die Entscheidung über den Antrag des Arbeitnehmers auf Zustimmung zur Nebentätigkeit innerhalb von vier Wochen nach Eingang des Antrags zu treffen. Wird innerhalb dieser Frist eine Entscheidung nicht gefällt, gilt die Zustimmung als erteilt“. Freistellungsklausel Insbesondere bei Führungskräften haben Arbeitgeber regelmäßig ein Interesse daran, nach Ausspruch einer Kündigung den Arbeitnehmer von seiner Arbeitsleistung unter Fortzahlung der Bezüge und Anrechnung noch offener Urlaubsansprüche freizustellen.44 Ob und unter welchen Voraussetzungen eine im Voraus vereinbarte Freistellungsklausel rechtswirksam ist, hat das BAG bisher noch nicht entschieden. Von den Instanzgerichten wird die Frage unterschiedlich beurteilt. Unter Berücksichtigung der sonstigen Rechtsprechung des BAG dürfte aber damit zu rechnen sein, dass die Gründe für eine Freistellung in einer entsprechenden vertraglichen Regelung benannt werden müssen. „Der Arbeitgeber ist berechtigt, den Arbeitnehmer im Falle einer Kündigung unter Fortzahlung der Bezüge von der Arbeitsleistung widerruflich freizustellen, wenn ein sachlicher Grund, insbesondere ein grober Vertragsverstoß, der die Vertrauensgrundlage beeinträchtigt (z. B. Geheimnisverrat, Konkurrenztätigkeit), gegeben ist oder die konkrete Gefahr eines Geheimnisbruchs besteht“.

44

Siehe hierzu ausführlich Bauer/Günther, Die Freistellung von der Arbeitspflicht – Grundlagen und aktuelle Entwicklungen, DStR 2008, 24.

3.3 Inhalt des Arbeitsverhältnisses

65

Vertragsstrafe In Arbeitsverträgen findet sich häufig eine Klausel, die Arbeitnehmer verpflichtet, im Falle bestimmter Vertragsverletzungen eine Vertragsstrafe in bestimmter Höhe zu zahlen. Zum einen sichert der Arbeitgeber damit zusätzlich die Vertragstreue des Arbeitnehmers, zum anderen erspart er sich damit im Fall einer Vertragsverletzung u.U. den konkreten Schadensnachweis. Solche Vertragsstrafenabreden sind grundsätzlich zulässig. Allerdings legt das BAG bei der Inhaltskontrolle gem. § 307 BGB strenge Maßstäbe an. Sowohl die zu leistende Strafe als auch die entsprechende Pflichtverletzung müssen so klar bezeichnet sein, dass sich der Arbeitnehmer in seinem Verhalten darauf einstellen kann. Der Arbeitnehmer muss erkennen können, was „gegebenenfalls auf ihn zukommt“.45 Dementsprechend sind Vertragsstrafeklauseln, die jedes „vertragswidrige schuldhafte Verhalten“ sanktionieren, unwirksam. Bei der Formulierung der Klausel ist demnach folgendes zu berücksichtigen: 1. Es muss geregelt werden, welche Pflichtverletzungen von der Vertragsstrafe erfasst sind. 2. Die Vertragsstrafe darf nur in angemessener Höhe vorgesehen sein. Maßstab für die Höhe einer angemessenen Vertragsstrafe ist in der Regel ein Monatsgehalt. 3. Der Arbeitgeber sollte sich das Recht vorbehalten, ggf. einen höheren tatsächlichen Schaden geltend zu machen. Eine entsprechende Klausel könnte lauten: „Im Falle der schuldhaften Nichtaufnahme oder vertragswidrigen Beendigung der Tätigkeit verpflichtet sich der Arbeitnehmer, dem Unternehmen eine Vertragsstrafe in Höhe eines Gesamtmonatseinkommens zu zahlen. Das Gesamtmonatseinkommen wird nach dem Durchschnitt der Bezüge der letzten 12 Monate oder, im Falle einer kürzeren Beschäftigungsdauer, nach dem Durchschnittsverdienst während der Beschäftigungszeit oder, sofern die Tätigkeit nicht aufgenommen wurde, der vereinbarten Vergütung errechnet. Das Unternehmen ist berechtigt, einen weitergehenden Schaden geltend zu machen“ Rückzahlung von Aus- und Weiterbildungskosten In Vereinbarungen mit Arbeitnehmern sind Rückzahlungsklauseln für Ausund Fortbildungskosten grundsätzlich zulässig. Allerdings müssen die Dauer

45

BAG, Urteil vom 14.08.2007 – 8 AZR 973/06, NZA 2008, 170.

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3 Planung des Arbeitsverhältnisses

der Fortbildung und die Dauer der Bindung des Arbeitnehmers an das Unternehmen in einem ausgewogenen Verhältnis zueinander stehen.46 Zulässige Gründe für eine Rückzahlungsforderung sind etwa die Kündigung durch den Arbeitnehmer, die Kündigung des Arbeitgebers aus verhaltensbedingten Gründen und der Abbruch der Ausbildung. Zudem darf eine angemessene Bindefrist nicht überschritten werden. Aus der Rechtsprechung sind tendenziell folgende Fristen zu entnehmen. Maßnahmedauer von bis zu 2 Monaten: höchstens 1-jährig Maßnahmedauer von bis zu 4 Monaten: höchstens 2-jährig Maßnahmedauer von bis zu 6 Monaten: höchstens 3-jährig Maßnahmedauer von bis zu 2 Jahren: höchstens 5-jährig Wenn Rückzahlungsklauseln diese Grundsätze nicht beachten, sind sie unwirksam. Eine Reduzierung auf das zulässige Maß der Bindung bzw. Rückzahlung findet nicht statt.47 Ausschlussfristen Arbeitgeber haben ein Interesse daran, dass Ansprüche ihrer Arbeitnehmer nur in einer bestimmten Form und vor allem nur in einer bestimmten Frist geltend gemacht werden können. Häufig werden daher in Arbeitsverträgen so genannte Ausschlussfristen vereinbart. Unterschieden wird dabei zwischen einstufigen und zweistufigen Ausschlussklauseln.

46

Siehe hierzu ausführlich mit Mustern und Gestaltungshinweisen Stück, Rückzahlungsvereinbarungen für Fortbildungskosten – Was ist noch zulässig?, DStR 2008, 2020.

47

BAG, Urteil vom 11.04.2006 – 9 AZR 610/05, NZA 2006 1042; BAG, Urteil vom 14. 01.2009 – 3 AZR 900/07, Pressemitteilung Nr. 4/09.

3.3 Inhalt des Arbeitsverhältnisses

67

Ausschlussfristen

einfache

Schriftliche Geltendmachung

Klage

doppelte 1. Stufe Schriftliche Geltendmachung 2. Stufe Klage

Abb. 3-1: Übersicht: Varianten der Ausschlussfristen

Die Vereinbarung von Ausschlussfristen in vorformulierten Arbeitsverträgen ist grundsätzlich zulässig. Für die Frist zur schriftlichen Geltendmachung ist, ebenso wie für die Frist zur gerichtlichen Geltendmachung von Ansprüchen, eine Mindestfrist von drei Monaten vorzusehen. Eine kürzere Frist benachteiligt den Arbeitnehmer unangemessen und wäre daher unwirksam. Eine einseitige Ausschlussfrist, die nur für den Arbeitnehmer zum Anspruchsverlust führt, ist ebenfalls unwirksam.48 Zu beachten ist weiterhin, dass für den Beginn der Ausschlussfrist auf die Fälligkeit der Ansprüche abzustellen ist und nicht allein auf die Beendigung des Arbeitsverhältnisses.49 Korrekte Formulierungen wären etwa für: Einstufige Ausschlussfrist „Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis verfallen drei Monate nach Ablauf des Monats der Fälligkeit, wenn sie nicht vorher schriftlich geltend gemacht werden.“

48

BAG, Urteil vom 31.08.2005 – 5 AZR 545/04, NZA 2006, 324.

49

BAG, Urteil vom 01.03.2006 – 5 AZR 511/05, NZA 2006, 783.

68

3 Planung des Arbeitsverhältnisses Zweistufige Ausschlussfrist „Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis verfallen drei Monate nach Ablauf des Monats der Fälligkeit, wenn sie nicht vorher schriftlich geltend gemacht werden. Lehnt der Anspruchsgegner den Anspruch endgültig ab oder gibt er nicht innerhalb einer Frist von drei Wochen nach Geltendmachung des Anspruchs eine Erklärung ab, verfällt der Anspruch, wenn er nicht innerhalb einer weiteren Frist von drei Monaten nach der Ablehnung oder nach Fristablauf geltend gemacht wird.“

Bei Ausschlussfristen ist besonders darauf zu achten, dass sie wegen des Transparenzgebots klar hervorgehoben werden müssen. So wäre eine Platzierung unter der Überschrift „Schlussbestimmung“ unwirksam. Die Ausschlussklausel sollte vielmehr in einem eigenständigen Vertragspunkt geregelt sein, der mit „Ausschlussfrist“ oder „Ausschlussklausel“ oder „Fristen zur Geltendmachung von Ansprüchen“ überschrieben wird. Ausschlussfristen kommen darüber hinaus nur für solche Ansprüche in Betracht, auf die der Arbeitnehmer auch wirksam verzichten kann. In den folgenden Fällen hat das BAG daher die Unwirksamkeit einer Ausschlussfrist ausdrücklich festgestellt: ! ! ! ! ! ! !

Leistungen der betrieblichen Altersversorgung; Sozialansprüche; gesetzliche Ansprüche auf Urlaub und Urlaubsabgeltung; Ansprüche auf vertragsgemäße Beschäftigung; Ansprüche wegen Eingriffs in Persönlichkeitsrechte; Anspruch auf vergleichsweise vereinbarte Abfindung; Ansprüche wegen Versorgungsschäden

Doppelte Schriftformklausel Mit der so genannten doppelten Schriftformklausel wurde bisher versucht, das Entstehen einer betrieblichen Übung zu verhindern. Die Klausel regelt, dass auch die Aufhebung der vereinbarten Schriftform ihrerseits der Schriftform bedarf. Dies ist nach einer neueren Entscheidung des BAG in dieser Form nicht mehr möglich. Unwirksamkeit einer doppelten Schriftformklausel50 Ein Arbeitnehmer war für ein Unternehmen als Büroleiter in China mit dortigem Wohnsitz beschäftigt. Das Unternehmen erstattete ihm und den anderen dort tätigen Mitarbeitern die Kosten für die Miete. Ab August 50

BAG, Urteil vom 20.05.2008 – 9 AZR 382/07, NZA 2008, 1233.

3.3 Inhalt des Arbeitsverhältnisses

69

2005 verweigerte es gegenüber dem mittlerweile gekündigten Arbeitnehmer die Fortsetzung dieser betrieblichen Übung unter Berufung auf die im Arbeitsvertrag enthaltene Schriftformklausel. Der Arbeitsvertrag enthielt eine klassische sog. doppelte Schriftformklausel mit folgendem Wortlaut: „Änderungen und Ergänzungen dieses Vertrages sind, auch wenn sie bereits mündlich getroffen wurden, nur wirksam, wenn sie schriftlich festgelegt und von beiden Parteien unterzeichnet worden sind. Dies gilt auch für den Verzicht auf das Schriftformerfordernis.“ Das BAG hielt einen Erstattungsanspruch aus betrieblicher Übung für gegeben. Die Schriftformklausel sei zu weit gefasst und daher gemäß § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB unwirksam. Sie erwecke beim Arbeitnehmer entgegen der Schutzvorschrift des § 305b BGB den Eindruck, auch eine mündliche individuelle Vertragsabrede sei wegen Nichteinhaltung der Schriftform gemäß § 125 Satz 2 BGB unwirksam. Trotzdem muss auf die doppelte Schriftformklausel nicht ganz verzichtet werden. Der Arbeitgeber hat grundsätzlich ein berechtigtes Interesse an einem gewissen vertraglichen „Bestandsschutz“. Dies akzeptiert auch das BAG. Insoweit sollte unter Berücksichtigung der zitierten Entscheidung die Klausel mit dem ausdrücklichen Hinweises versehen werden, dass Individualabreden gem. § 305 b BGB davon nicht erfasst werden. Salvatorische Klauseln Eine gebräuchliche Formulierung lautet: „Sollte eine der getroffenen Vereinbarungen nichtig sein, so bleibt der Vertrag im Übrigen wirksam.“ Unzulässig sind dagegen wohl sog. Ersetzungsklauseln, die eine konkrete Ersatzregelung benennen und sog. Reduktionsklauseln, die eine unwirksame Regelung auf ein angemessenes Maß zurückführen sollen. Transparenzgebot51 In einem Anstellungsvertrag vom 4. 1. 2002 findet sich folgende Klausel: „§ 11. Schlussbestimmungen … (f) Sollten eine oder mehrere Bestimmungen dieser Vereinbarung unwirksam sein oder werden, so wird hierdurch die Wirksamkeit 51

BAG, Urteil vom 25.05.2005 – 5 AZR 572/04, NZA 2005, 1111.

70

3 Planung des Arbeitsverhältnisses der Vereinbarungen im Übrigen nicht berührt. Die Vertragsparteien sind im Rahmen des Zumutbaren nach Treu und Glauben verpflichtet, die unwirksame Bestimmung durch eine ihrem wirtschaftlichen Erfolg möglichst nahe kommende wirksame Regelung zu ersetzen. Dies gilt auch für Bestimmungen in etwaigen Anlagen zu diesem Vertrag.“ Das BAG hält diese Klausel für unwirksam. § 306 Abs. 2 BGB kann nicht durch eine formularmäßige Klausel abbedungen werden. Diese ist selbst nach § 307 Abs. 1 S. 1, Abs.2 Nr. 1 BGB unwirksam. Außerdem fehlt ihr die erforderliche Transparenz (§ 307 Abs. 1 S. 2 BGB). Die Rechte und Pflichten des Vertragspartners werden nicht möglichst klar und durchschaubar dargestellt.

3.4

Probezeit

„Drum prüfe, wer sich ewig bindet….“ Aus diesem Grund wird in Arbeitsverträgen häufig eine so genannte Probezeit vereinbart. Es gibt kaum ein arbeitsrechtliches Thema, zu dem mehr Fehlvorstellungen existieren, als zur Probezeit. Zunächst ist die Probezeit abzugrenzen vom Probearbeitsverhältnis. Verkürzte Kündigungsfrist

Die Probezeit ist eine besondere Vereinbarung im Rahmen eines unbefristeten Arbeitsverhältnisses, mit dem die Kündigungsfrist nach § 633 Abs. 3 BGB auf zwei Wochen verkürzt wird. Eine entsprechende Regelung findet sich häufig in Tarifverträgen. Eine typische Klausel lautet: „Die Probezeit beträgt sechs Monate. Während dieser Zeit kann das Arbeitsverhältnis mit einer Frist von zwei Wochen gekündigt werden.“ Eine bestimmte Höchstdauer ist für die Probezeit nicht vorgeschrieben. Wird eine längere Probezeit vereinbart, gilt nach Ablauf des sechsten Beschäftigungsmonats allerdings die allgemeine Grundkündigungsfrist des § 622 Abs. 1 BGB von vier Wochen. Insofern bringt eine über 6-Monate hinausgehende Probezeit für den Arbeitgeber keine rechtlichen Vorteile.52

Keine Kündigungserleichterung

Ein weit verbreiteter Irrtum ist, dass der Arbeitnehmer in der Probezeit leichter gekündigt werden könne. Hierbei wird die „Probezeit“ mit der gesetzlich geregelten „Wartezeit“ des § 1 Abs. 1 des Kündigungsschutzgesetzes (KSchG) verwechselt. Der gesetzliche Kündigungsschutz tritt automatisch ein, wenn das Arbeitsverhältnis sechs Monate gedauert hat und die übrigen Voraussetzungen 52

Siehe ausführlich zur Möglichkeit der Verlängerung: Blomeyer, Aktuelle Rechtsprobleme der Probezeit, NJW 2008, 2812.

3.4 Probezeit

71

vorliegen. In den ersten sechs Monaten kann ein Arbeitnehmer fristgemäß ohne Grund gekündigt werden. Ist die Probezeit länger als sechs Monate, muss der Arbeitgeber ab dem siebten Monat die Kündigung begründen (soweit das KSchG einschlägig ist). Als Alternative zu einem unbefristeten Arbeitsverhältnis mit vorgeschalteter Probezeit bietet sich demnach ein von vornherein befristetes Probearbeitsverhältnis an. Ein Probearbeitsverhältnis ist nichts anderes als ein befristeter Arbeitsvertrag, der mit Ablauf einer im Vorhinein festgelegten Zeitpunktes (meist nach 3, 6, 9 oder gar 12 Monaten) automatisch, d.h. ohne Kündigung endet. Die Erprobung eines Arbeitnehmers ist ein nach § 14 Abs. 1 Nr. 4 des Teilzeit- und Befristungsgesetzes (TzBfG) zulässiger sachlicher Grund für eine Befristung. Eine solche Befristung muss nach § 14 Abs. 4 TzBfG schriftlich vereinbart werden. Vertraglich kann dies beispielsweise wie folgt formuliert werden. „Das Arbeitsverhältnis wird zunächst als Probearbeitsverhältnis vereinbart. Es beginnt zum oben bezeichneten Zeitpunkt und endet nach sechs Monaten, ohne dass es einer Kündigung bedarf, falls nicht vorher ausdrücklich die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses vereinbart wird.“ Die vereinbarte Dauer der Erprobungszeit muss den Umständen des Einzelfalls angemessen sein. Zu diesen Umständen zählen beispielsweise die Anforderungen der Tätigkeit, Branchenüblichkeit der Probezeitdauer oder Gründe in der Person des Arbeitnehmers. Danach können auch Probezeiten von deutlich über sechs Monaten zulässig sein. Ist die Dauer der Probezeit im Einzelfall jedoch unangemessen lang, ist die Befristung unwirksam. Insoweit kann auch eine befristete Probezeit von unter sechs Monaten Dauer ausnahmsweise bereits zu lang sein. Will der Arbeitgeber nach Ablauf der Befristung den Arbeitnehmer unbefristet einstellen, muss ein entsprechender Arbeitsvertrag geschlossen werden. Allerdings führt auch die stillschweigende Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses über den Fristablauf hinaus wegen § 16 TzBfG zu einem unbefristeten Arbeitsverhältnis. Der Verlängerung eines befristeten Probearbeitsverhältnisses muss der Betriebsrat nicht erneut zustimmen, sofern ihm bei Einstellung zur Probe mitgeteilt worden ist, dass der Arbeitnehmer bei entsprechender Eignung weiterbeschäftigt werden soll.

Probearbeitsverhältnis

72

3 Planung des Arbeitsverhältnisses

3.5

Sonderformen des Arbeitsverhältnisses

3.5.1

Befristete Arbeitsverhältnisse

Befristete Arbeitsverträge werden bei Unternehmern immer beliebter. Trotzdem werden bei der Vereinbarung einer Befristung immer noch häufig Fehler gemacht. Die Konsequenz solcher Fehler ist dann in der Regel, dass ein unbefristetes Arbeitsverhältnis begründet wird. Ein befristetes Arbeitsverhältnis sollte daher eben so sorgfältig geplant werden, wie ein unbefristetes. Allgemeine gesetzliche Grundlage für die Befristung von Arbeitsverträgen ist das Teilzeit- und Befristungsgesetz, insbesondere § 14 TzBfG. Danach muss die Befristung eines Arbeitsvertrages grundsätzlich durch einen sachlichen Grund gerechtfertigt sein. Sachliche Gründe § 14 Abs.1 Satz 2 TzBfG zählt beispielhaft eine Reihe von Sachgründen auf. Damit sind andere Gründe nicht ausgeschlossen, soweit sie den im Gesetz genannten Gründen gleichwertig sind. Nr. 1 Vorübergehender Bedarf

Die Befristung eines Arbeitsvertrages kann dadurch gerechtfertigt sein, dass der betriebliche Bedarf an der Arbeitsleistung nur vorübergehend besteht. Regelmäßig schwankender Arbeitskräftebedarf besteht etwa in Saisonbetrieben. Da jeder Saisoneinsatz für sich genommen die Befristung des Arbeitsvertrages rechtfertigt, kann auch derselbe Arbeitnehmer auf einem Saisonarbeitsplatz regelmäßig über Jahre jeweils befristet eingestellt werden.

Nr. 2 Befristung im Anschluss an eine Ausbildung oder ein Studium

Die befristete Beschäftigung hat in erster Linie den Zweck, dem Arbeitnehmer bei der Überwindung von Übergangsschwierigkeiten nach dem Abschluss seiner Ausbildung zu helfen. Die Befristung muss in zeitlichem Zusammenhang mit der Ausbildung oder dem Studium erfolgen. Ein kürzerer, etwa dreibis viermonatiger Abstand zwischen Ende der Ausbildung und Beginn der Tätigkeit, ist unschädlich. Eine zeitliche Begrenzung ist hierfür im Gesetz nicht ausdrücklich vorgesehen. Im Allgemeinen wird eine Befristungsdauer bis zu zwei Jahren als zulässig angesehen.

Nr. 3 Befristung zur Vertretung

Vertretungsbedarf entsteht in der Regel, wenn ein Arbeitnehmer zeitweilig ausfällt (z. B. wegen Krankheit, Beurlaubung, Einberufung zur Wehrdienst, Abordnung ins Ausland). Nicht notwendig ist, dass der befristet Beschäftigte genau diesen Arbeitnehmer vertritt. Der Arbeitgeber kann auch eine Umverteilung der Arbeitsaufgaben vornehmen. Zulässig ist es auch, dass der Arbeitge-

3.5 Sonderformen des Arbeitsverhältnisses

73

ber die Aufgaben des Vertretenen einem anderen Arbeitnehmer überträgt und dessen Aufgaben von dem befristet Eingestellten übernommen werden. Der Befristungsgrund „Eigenart der Arbeitsleistung“ bezieht sich insbesondere auf das aus der Rundfunkfreiheit (Art. 5 Abs. 1 GG) abgeleitete Recht der Rundfunk- und Fernsehanstalten, programmgestaltende Mitarbeiter aus Gründen der Programmvielfalt lediglich für eine bestimmte Zeit oder für ein bestimmtes Projekt zu beschäftigen.

Nr. 4 Eigenart der Arbeitsleistung

Die Erprobung des Arbeitnehmers ist als Befristungsgrund nicht gerechtfertigt, wenn der Arbeitgeber die Eignung des Arbeitnehmers für die entsprechende Tätigkeit bereits während einer vorangegangenen Beschäftigung ausreichend kennen lernen konnte. Im Allgemeinen werden sechs Monate als ausreichende Dauer der Probezeit angesehen. Bei einfachen Tätigkeiten kann die Probezeit kürzer, bei qualifizierten Tätigkeiten länger sein.

Nr. 5 Befristung zur Erprobung

Nach Ablauf der Probezeit steht es dem Arbeitgeber grundsätzlich frei, den Arbeitnehmer in ein unbefristetes Arbeitsverhältnis zu übernehmen oder nicht. Hat der Arbeitgeber allerdings dem Arbeitnehmer in Aussicht gestellt, er werde ihn bei Eignung und Bewährung unbefristet weiter beschäftigen, und ihn in dieser Erwartung im Laufe der Erprobung bestärkt, kann er zur unbefristeten Einstellung verpflichtet sein.53 Unter diesen Befristungsgrund fallen insbesondere die Fälle, in denen der Arbeitnehmer befristet beschäftigt wird, um ihm in einer sozialen Überbrückungssituation zu helfen. D.h., das Interesse des Arbeitnehmers an einer nur befristeten Beschäftigung muss der ausschlaggebende Grund der Befristung sein. Der Wunsch des Arbeitnehmers kann eine Befristung des Arbeitsvertrages rechtfertigen, wenn hierfür ein objektiver Grund vorliegt, z. B. bis zur Aufnahme eines Studiums oder dem Beginn des Wehr- oder Zivildienstes. Die Befristungsgründe des § 14 Abs. 1 S. 2 Nr. 7 (zeitlich begrenzte Haushaltsmittel) und Nr. 8 (Befristung auf Grund eines gerichtlichen Vergleichs) sind praktisch nur von untergeordneter Bedeutung. Befristung ohne sachlichen Grund Nach § 14 Abs. 2 TzBfG darf ein befristeter Arbeitsvertrag ohne Vorliegen eines sachlichen Befristungsgrundes bis zur Dauer von zwei Jahren abgeschlossen werden. Der Abschluss eines befristeten Arbeitsvertrages ohne

53

Das gilt vor allem, wenn der Arbeitgeber die Nicht-Einstellung auf einen der in § 1 AGG genannten Gründe stützt; siehe hierzu oben 1.3.8.

Nr. 6 In der Person des Arbeitnehmers liegender Befristungsgrund

74

3 Planung des Arbeitsverhältnisses

Sachgrund ist ausgeschlossen, wenn mit demselben Arbeitgeber bereits zuvor ein unbefristetes oder ein befristetes Arbeitsverhältnis bestanden hat. Die Höchstbefristungsdauer beträgt zwei Jahre. Wird ein sachgrundlos befristeter Arbeitsvertrag für weniger als zwei Jahre abgeschlossen, kann er bis zur Gesamtdauer von zwei Jahren höchstens dreimal verlängert werden. Dabei muss der Verlängerungsvertrag in schriftlicher Form noch vor Ablauf des laufenden Vertrages geschlossen werden. Es sollte unbedingt darauf geachtet werden, dass bei der Verlängerung die Arbeitsbedingungen nicht geändert werden. Wenn gleichzeitig mit der Verlängerung die übrigen Arbeitsbedingungen geändert werden, z. B. die auszuübende Tätigkeit, das Arbeitsentgelt, die Arbeitszeit u.a., liegt faktisch keine Verlängerung, sondern ein Neuabschluss vor. Unschädlich sind Veränderungen in den Arbeitsbedingungen nur, wenn sie auch bei Bestehen eines unbefristeten Arbeitsverhältnisses vereinbart worden wären, also z. B. die Erhöhung des Arbeitsentgelts. Dagegen ist die Änderung von Vertragsbedingungen während der Vertragslaufzeit – also vor oder nach der Vertragsverlängerung – unproblematisch. Für neu gegründete Unternehmen gilt eine gegenüber § 14 Abs. 2 TzBfG weitergehende Befristungserleichterung. Danach ist die sachgrundlose Befristung von Arbeitsverträgen bis zur Dauer von vier Jahren zulässig. Für die sachgrundlose befristete Beschäftigung von älteren Arbeitnehmern gilt seit dem 1. Mai 2007 eine geänderte Fassung des § 14 Abs. 3 TzBfG. Voraussetzung für die Befristung nach § 14 Abs. 3 TzBfG ist, dass der Arbeitnehmer bei Beginn des befristeten Arbeitsverhältnisses das 52. Lebensjahr vollendet hat, dass er unmittelbar vor Beginn des befristeten Arbeitsverhältnisses mindestens vier Monate beschäftigungslos gewesen ist und, dass er Transferkurzarbeitergeld bezogen oder an einer öffentlich geförderten Beschäftigungsmaßnahme nach dem Zweiten oder Dritten Buch Sozialgesetzbuch teilgenommen hat. Schriftform der Befristungsabrede Die Befristung eines Arbeitsvertrages und seine Verlängerung müssen stets schriftlich vereinbart werden. Dazu müssen Arbeitgeber und Arbeitnehmer grundsätzlich auf demselben Schriftstück unterzeichnen. Das Schriftformerfordernis bezieht sich nicht auf den Abschluss des Arbeitsvertrages insgesamt. Es reicht aus, dass eine Vereinbarung über die Befristung unterzeichnet wird. Diese Vereinbarung muss bei kalendermäßig befristeten Arbeitsverträgen lediglich die Dauer der Befristung (Beendigungsdatum oder genaue Zeitdauer in Tagen, Wochen, Monaten, Jahren) enthalten. Der Befristungsgrund ist nicht zwingend anzugeben. Bei einem zweckbefristeten Ar-

3.5 Sonderformen des Arbeitsverhältnisses

75

beitsvertrag muss der Befristungszweck, bei einem auflösend bedingten Arbeitsvertrag die auflösende Bedingung enthalten sein. Die Schriftform gilt als nicht eingehalten, wenn die Befristung des Arbeitsverhältnisses zunächst nur mündlich vereinbart wird und ein entsprechender Arbeitsvertrag erst nach Aufnahme der Tätigkeit unterschrieben wird. Umgekehrt soll es aber möglich sein, ein zunächst unbefristetes Arbeitsverhältnis durch eine entsprechende Vereinbarung in ein befristetes Arbeitsverhältnis umzuwandeln. Dies kann u.U. für Arbeitgeber ein Ausweg sein, wenn tatsächlich aufgrund von Fehlern ein unbefristetes Arbeitsverhältnis zustande gekommen ist. Da die Arbeitsgerichte immer nur die Wirksamkeit der letzten Befristung prüfen, kann unter Umständen erreicht werden, dass ein Arbeitnehmer eine neue – nunmehr wirksame – Befristungsabrede unterzeichnet. Kündigung des befristeten Arbeitsvertrages Eine ordentliche Kündigung eines befristeten Arbeitsvertrages ist grundsätzlich nach § 15 Abs. 3 TzBfG nur möglich, wenn sie zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer einzelvertraglich vereinbart oder in dem anwendbaren Tarifvertrag festgelegt ist. Auch, wenn grundsätzlich die Möglichkeit zur Kündigung vereinbart wurde, richtet sich die Wirksamkeit nach den kündigungsrechtlichen Vorschriften, insbesondere dem Kündigungsschutzgesetz. Befristung einzelner Arbeitsbedingungen Grundsätzlich möglich ist nicht nur die Befristung eines Arbeitsverhältnisses, sondern auch die Befristung einzelner Arbeitsbedingungen. Die Wirksamkeit einer solchen befristeten Veränderung einer Arbeitsbedingung richtet sich aber nicht nach §§ 14 ff. TzBfG. Sie unterliegt vielmehr als Allgemeine Geschäftsbedingung der Inhaltskontrolle nach § 307 BGB. Trotzdem bleibt ein Zusammenhang. Hierzu führt das BAG aus: Ein unbefristet teilzeitbeschäftigter Arbeitnehmer wird durch die Befristung einer Arbeitszeiterhöhung regelmäßig nicht i.S. von § 307 Abs. 1 BGB unangemessen benachteiligt, wenn die Befristung auf Umständen beruht, die die Befristung eines Arbeitsvertrags insgesamt nach § 14 Abs. 1 S. 2 Nr. 3 TzBfG sachlich rechtfertigen könnte.

3.5.2

Teilzeit

Der Teilzeitarbeitsvertrag ist ein normaler Arbeitsvertrag. Der teilzeitbeschäftigte Arbeitnehmer hat die gleichen Rechte und Pflichten wie ein in Vollzeit beschäftigter Arbeitnehmer. Insbesondere darf er nach den §§ 4, 5 TzBfG wegen der Teilzeitbeschäftigung nicht diskriminiert und wegen der Inanspruchnahme von Rechten aus dem TzBfG nicht benachteiligt werden.

76

3 Planung des Arbeitsverhältnisses

Teilzeitbeschäftigt ist ein Arbeitnehmer, dessen regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit kürzer ist als die eines vergleichbaren, vollzeitbeschäftigten Arbeitnehmers. Gibt es keinen vergleichbaren vollzeitbeschäftigten Arbeitnehmer, so ist der Vergleich anhand des anwendbaren Tarifvertrags, ansonsten anhand der Üblichkeit im jeweiligen Wirtschaftszweig durchzuführen. Soweit sich ein Arbeitgeber entschließt, eine Stelle in Teilzeit auszuschreiben, muss er innerbetrieblich folgendes beachten: Er ist nach § 7 Abs. 2 TzBfG verpflichtet, Arbeitnehmern, die ihre Arbeitszeit verändern wollen und ihm diesen Wunsch auch angezeigt haben, über entsprechende Arbeitsplätze zu unterrichten, die im Betrieb oder Unternehmen besetzt werden sollen. Er muss nach § 7 Abs. 2 TzBfG den Betriebsrat über Teilzeitarbeitsplätze im Betrieb und Unternehmen informieren. Schließlich sollte der Arbeitgeber wissen, wie sich Teilzeitbeschäftigte auf die Berechnung seiner Arbeitnehmerzahlen auswirken. So werden Teilzeitbeschäftigte zur Ermittlung der Arbeitnehmerzahlen des § 23 Abs. 1 KSchG bis maximal 20 Stunden mit 0,5 und bis maximal 30 Stunden mit 0,75 berechnet. Anders dagegen in § 8 Abs. 7 TzBfG. Hier erfolgt die Berechnung pro Kopf, d.h. unabhängig vom Beschäftigungsumfang. Job-Sharing

Eine besondere Form des Teilzeitarbeitsverhältnisses ist nach § 13 TzBfG das so genannte Job-Sharing. Man versteht darunter, die Besetzung eines Arbeitsplatzes mit zwei oder mehreren Arbeitnehmern, die gemeinsam die Verantwortung für die Arbeitspflicht übernehmen. Trotz der gemeinsamen Verantwortung schließt jeder Arbeitnehmer einen eigenen Arbeitsvertrag mit dem Arbeitgeber. Er verpflichtet sich darin in der Regel, den ihm zugewiesenen Arbeitsplatz in Abstimmung mit dem anderen Partner während der betriebsüblichen Arbeitszeit abwechseln zu besetzen. Der Arbeitgeber darf aber das Arbeitsverhältnis eines Jobsharers nach § 13 Abs. 2 TzBfG nicht allein deshalb kündigen, weil der andere Arbeitnehmer aus der Arbeitsplatzteilung ausscheidet. Eine Kündigung kommt nur in Betracht, wenn der verbleibende Arbeitnehmer aus wirtschaftlichen, technischen oder organisatorischen Gründen nicht weiterbeschäftigt werden kann. Der Arbeitgeber hat darüber hinaus bei Regelungen zum Jobsharing die Mitbestimmungsrechte des Betriebsrats nach § 87 Abs. 1 Nr. 2 BetrVG zu beachten. Gerade da die Arbeitnehmer jeweils eigene Verträge schließen und untereinander keine Verpflichtungen eingehen, empfiehlt es sich, die zugrunde liegende Vereinbarung besonders sorgfältig zu formulieren, um entsprechende Verpflichtungen zu begründen. Aus der Erfahrung hat sich gezeigt, dass besonders die gegenseitige Vertretung bei Urlaub oder Krankheit problematisch ist. Hier

3.5 Sonderformen des Arbeitsverhältnisses

77

kann der Arbeitgeber im Vertrag entsprechende Verpflichtungsklauseln einfügen.

3.5.3

Abrufarbeit

Bei der derzeitig wirtschaftlich unsicheren Lage ist ein flexibler zeitlicher Einsatz von Arbeitnehmern interessanter denn je. Dabei ist es besonderes vorteilhaft, die Dauer der Arbeitszeit möglichst flexibel zu gestalten und damit auf einen schwankenden Personalbedarf kurzfristig reagieren zu können. Eine Möglichkeit hierzu bietet die „Arbeit auf Abruf“ die in § 12 TzBfG gesetzlich geregelt ist. Nach § 12 Abs. 1 Satz 1 TzBfG liegt Arbeit auf Abruf vor, wenn „Arbeitgeber und Arbeitnehmer (...) vereinbaren, dass der Arbeitnehmer seine Arbeitsleistung entsprechend dem Arbeitsanfall zu erbringen hat“. Das bedeutet, es steht im alleinigen Ermessen des Arbeitgebers, ob und wann er die Leistung des Arbeitnehmers abruft. Ob tatsächlich Arbeit objektiv anfällt oder nicht, spielt keine Rolle. Allerdings wird der Arbeitgeber dabei durch die Regelungen des § 12 TzBfG beschränkt. § 12 Abs. 1 S. 2 bis 4 TzBfG bestimmt, dass der Arbeitsvertrag eine „bestimmte Dauer“ der wöchentlichen und täglichen Arbeitszeit festlegen muss. Geschieht dies im Hinblick auf die wöchentliche Arbeitszeit nicht, gilt insoweit eine Arbeitszeit von zehn Stunden als vereinbart. Wird die Dauer der täglichen Arbeitszeit nicht bestimmt, muss das Unternehmen die Arbeitsleistung des Beschäftigten jeweils für mindestens drei aufeinander folgende Stunden in Anspruch nehmen. Arbeitnehmer und Arbeitgeber können im Vertrag auch lediglich eine Mindestarbeitszeit und darüber hinaus ein flexibles Abrufkontingent vereinbaren. Dabei darf die über die vereinbarte Mindestarbeitszeit hinausgehende Arbeitsleistung nicht mehr als 25% der vereinbarten Mindestarbeitszeit betragen. Mindestarbeitszeit54 Die K. ist bei der B. als gewerbliche Arbeitnehmerin beschäftigt. Im vorformulierten Arbeitsvertrag heißt es: § 4. Arbeitszeit § 4.1. Die regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit beträgt dreißig Stunden. Die Parteien sind sich darüber einig, dass der Arbeitnehmer keinen Anspruch gegen den Arbeitgeber hat, ihn wöchentlich mehr als dreißig

54

BAG, Urteil vom 07.12.2005 – 5 AZR 535/04, NZA 2006, 423.

Mindestarbeitszeit plus flexibles Abrufkontingent

78

3 Planung des Arbeitsverhältnisses Stunden zu beschäftigen. Die Arbeitswoche beginnt am Montag und endet am Samstag. Der Beginn und das Ende der täglichen Arbeitszeit sowie die Pausenregelung richten sich nach den individuellen Vereinbarungen zwischen dem Arbeitnehmer und dem Arbeitgeber. … Der Arbeitgeber teilt dem Arbeitnehmer den Beginn und das Ende der Arbeitszeit jeweils eine Woche vorher mit. § 4.2. Der Arbeitnehmer erklärt sich ausdrücklich damit einverstanden und verpflichtet sich, auf eine Aufforderung des Arbeitgebers mehr als dreißig Stunden zu arbeiten. Die Arbeit wird je nach Arbeitsanfall jeweils eine Woche vorher eingeteilt. Für die geleisteten Arbeitsstunden von der dreißigsten Stunde bis einschließlich der vierzigsten Stunde erhält der Arbeitnehmer dieselbe Stundenvergütung je geleisteter Arbeitsstunde wie für die Arbeitsstunden innerhalb der Regelarbeitszeit. Nach Ansicht des Gerichts beträgt die wöchentliche Arbeitszeit der K. 35 Stunden, wobei die Verpflichtung besteht, auf Anforderung des Arbeitgebers bis zu 40 Stunden wöchentlich zu arbeiten. Dies folgt aus der Unwirksamkeit der getroffenen vertraglichen Abreden gem. § 307 BGB und einer entsprechenden ergänzenden Vertragsauslegung. Es verstößt nicht nicht gegen § 12 Abs. 1 TzBfG, wenn die Parteien im Arbeitsvertrag lediglich eine Mindestarbeitszeit (hier: 30 Wochenstunden) festlegen und darüber hinaus ein flexibles Abrufkontingent vereinbaren. Der flexible Anteil der Arbeit auf Abruf darf aber den Arbeitnehmer nicht unangemessen benachteiligen. Dies ist nach Auffassung des Gerichts nur der Fall, sofern die über die vereinbarte Mindestarbeitszeit hinausgehende Arbeitsleistung nicht mehr als 25% der vereinbarten Mindestarbeitszeit beträgt. Im vorliegenden Fall ist diese Relation nicht eingehalten, da die vereinbarte Arbeit auf Abruf (10 Wochenstunden), ausgehend von der festgelegten Mindestarbeitszeitdauer (30 Wochenstunden), 33,33 % beträgt. Die von der Arbeitnehmerin tatsächlich geschuldete Arbeitszeit ist im Wege der ergänzenden Vertragsauslegung zu ermitteln. Demnach beträgt die regelmäßige Arbeitszeit 35 Stunden in der Woche. Ausgehend davon ist die Arbeitnehmerin verpflichtet, auf Anforderungen des Arbeitgebers bis zu 40 Wochenstunden auf Abruf zu arbeiten.

Wie immer ist unbedingt darauf zu achten, dass eine entsprechende Vertragsklausel klar und eindeutig formuliert ist. Dies gilt insbesondere mit Blick auf das Verhältnis von geleisteter Arbeit und Vergütung. Die Klausel muss erkennen lassen, dass sie Abrufarbeit und keine Überstunden regelt.

3.5 Sonderformen des Arbeitsverhältnisses

79

Die Vorlaufzeit für einen Abruf beträgt nach § 12 Abs. 2 TzBfG mindestens vier Tage. Sie kann im Arbeitsvertrag also nicht verkürzt, ggf. aber verlängert werden.

Rechtzeitige Mitteilung

Eine Vertragsklausel könnte danach wie folgt aussehen55:

Formulierungsbeispiel

„Die wöchentliche Arbeitszeit beträgt 35 Stunden. Der Arbeitnehmer verpflichtet sich, je nach Arbeitsanfall, auf Aufforderung des Arbeitgebers bis zu 43,75 Stunden in der Woche zu arbeiten. Der Arbeitgeber teilt dem Arbeitnehmer spätestens bis zum Mittwoch jeder Woche die Arbeitszeitdauer für die Folgewoche und die Zeiteinteilung mit. Die Vergütung erfolgt nach den angeordneten Stunden.“ Theoretisch würde auch die Anordnung von Überstunden eine flexible Reaktion auf erhöhten Arbeitsanfall ermöglichen. Auf die Leistung von Überstunden liegt aber grundsätzlich kein Anspruch vor. Selbst, wenn man sich im Arbeitsvertrag die Leistung von Überstunden vorbehält, dienen diese lediglich der Deckung eines unvorhergesehenen, unregelmäßigen zusätzlichen Arbeitsbedarfs. Bei der Arbeit auf Abruf besteht hingegen eine selbstständige Verpflichtung, auf Anordnung des Arbeitgebers zu arbeiten. Die Vereinbarung von Arbeit auf Abruf und die Anordnung von Überstunden schließen sich allerdings nicht aus und können miteinander kombiniert werden.

Vorteil gegenüber Überstunden

Nach § 87 Abs. 1 Nr. 2 BetrVG hat der Betriebsrat über den Beginn und das Ende der täglichen Arbeitszeit sowie die Verteilung der Arbeitszeit auf die einzelnen Wochentage mitzubestimmen. Hierunter fallen allerdings nur kollektive Tatbestände, nicht die individualvertragliche Vereinbarung der Arbeitszeitdauer. Auch der jeweilige Abruf der Arbeitsleistung eines Arbeitnehmers ist mitbestimmungsfrei.

Keine Mitbestimmung des Betriebsrats

3.5.4

Praktikantenverträge

Viele Unternehmen arbeiten heute mit einem ständigen Stamm an Praktikanten. Dabei kann der Begriff „Praktikant“ wie oben bereits dargelegt ganz unterschiedliche Formen der Beschäftigung meinen. Es kann sich zum einen um ein Pflichtpraktikum innerhalb einer Ausbildung handeln. Dann findet das Arbeitsrecht keine Anwendung. Zum anderen kann es eine freiwillige zeitlich befristete berufliche Tätigkeit sein, die das Ziel haben kann, „praktische“ Erfahrungen im angestrebten Beruf zu sammeln oder die berufliche Alltagsatmosphäre kennen zu lernen. In diesen Fällen handelt es sich um ein befristetes Beschäftigungsverhältnis, bei dem ein Arbeitsvertrag mit dem Unternehmen 55

Siehe zu den vertraglichen Formulierungsmöglichkeiten ausführlich: Wisskirchen/Bissels, Arbeiten, wenn Arbeit da ist – Möglichkeiten und Grenzen der Vereinbarungsbefugnis zur Lage der Arbeitszeit, NZA-Beil. 2006, 24.

80

3 Planung des Arbeitsverhältnisses

abgeschlossen wird. Dieser Arbeitsvertrag unterfällt zum Teil den Regelungen des Berufsbildungsgesetzes (BBiG), im Übrigen dem normalen Arbeitsrecht (Kündigungsschutzgesetz, Urlaubsrecht etc.). Bei dem Arbeitsrecht unterliegenden Praktikantenverträgen sollten insbesondere folgende Punkte Beachtung finden: Probezeit

Die Probezeit darf höchstens vier Monate betragen. Im Unterschied zum Berufsausbildungsverhältnis kann sie aber auch auf einen geringeren Zeitraum als auf einen Monat verkürzt werden. Ein vollständiger Verzicht ist allerdings nicht möglich. Während der Probezeit kann das Praktikantenverhältnis von beiden Seiten ohne Einhaltung einer Frist gekündigt werden. Auch vertraglich kann eine Kündigungsfrist nicht vereinbart werden.

Keine ordentliche Kündigung

Nach Ablauf der Probezeit hat der Arbeitgeber kein Recht zur ordentlichen Kündigung. Lediglich bei wichtigem Grund besteht ein Recht zur außerordentlichen Kündigung.

Keine Vertragsstrafen

Vertragsstrafen können bei Praktikantenverhältnissen nicht wirksam vereinbart werden.

Vergütung

Nach dem BBiG besteht Anspruch auf eine angemessene Vergütung, die nach dem Lebensalter zu bemessen ist und mit fortschreitender Dauer des Praktikums, mindestens jährlich, ansteigt.

Keine Umgehung

Gerade bei Praktikanten ist besonders darauf zu achten, dass die tatsächliche Durchführung der Beschäftigung auch einem Praktikum entspricht. Wird ein vermeintlicher Praktikant wie ein normaler Arbeitnehmer behandelt und eingesetzt, steht nicht mehr der Ausbildungszweck im Vordergrund. Aus dem Praktikanten wird dann ein Arbeitnehmer mit den entsprechenden arbeitsrechtlichen Ansprüchen. Das gilt insbesondere für die Vergütung.56

3.5.5

Drittbezogener Personaleinsatz

Von „drittbezogenem Personaleinsatz“ spricht man, wenn fremdes Personal im eigenen Unternehmen eingesetzt wird. Vor allem die Leiharbeit nimmt in deutschen Unternehmen rapide zu. Die einem solchen Personaleinsatz zugrunde liegende Vereinbarung kann im Wesentlichen in drei verschiedenen Formen erfolgen. ! Arbeitnehmerüberlassungsvertrag, ! Werkvertrag oder ! Dienstvertrag.

56

Siehe oben 2.2.6.

3.5 Sonderformen des Arbeitsverhältnisses

81

Arbeitnehmerüberlassung (auch als Leiharbeit oder Zeitarbeit bezeichnet) liegt vor, wenn ein selbständiger Unternehmer einem anderen eigene Arbeitskräfte gegen Entgelt zur Arbeitsleistung zur Verfügung stellt. Der Entleiher gliedert die zur Verfügung gestellten Arbeitnehmer in seine betriebliche Organisation ein. Für einen außenstehenden Dritten gibt es dann keinen Unterschied mehr zwischen den eigenen Arbeitnehmern des Entleihers und den fremden Leiharbeitnehmern.

Arbeitnehmerüberlassung

Der wesentliche Vorteil der Arbeitnehmerüberlassung besteht darin, dass der Entleiher die Leiharbeitnehmer wie eigene Mitarbeiter einsetzen kann, ohne seinerseits an die arbeitsrechtlichen Vorgaben wie z. B. das Kündigungsschutzgesetz oder das Teilzeit- und Befristungsgesetzes gebunden zu sein. Vielmehr kann er den Einsatz des fremden Personals innerhalb von i.d.R. kurzen vertraglichen Kündigungsfristen relativ schnell beenden. Gewährleistet sein muss lediglich, dass für alle Leiharbeitnehmern die im Betrieb des Entleihers für einen vergleichbaren Arbeitnehmer geltenden wesentlichen Arbeitsbedingungen einschließlich des Arbeitsentgelts gelten. Von der Arbeitnehmerüberlassung abzugrenzen sind Werk- und Dienstverträge. Das ist deshalb von Bedeutung, weil die Rechtsprechung die Einordnung des konkreten Vertrages anhand der konkreten Art und Weise der Ausführung des Vertrages vornimmt. Die Bezeichnung des Vertrags, den die Parteien abgeschlossen haben, hat für die Abgrenzung dagegen keine Bedeutung. Praktisch geht es also um die Frage, ob entweder ein Werk- oder Dienstvertrag oder – u.U. illegale – Arbeitnehmerüberlassung vorliegt. Wenn ein Arbeitgeber die Arbeitskräfte seines Werkunternehmers wie eigene Arbeitnehmer einsetzt, also faktisch eine Arbeitnehmerüberlassung vorliegt, kann dies zu einer unangenehmen arbeits- und sozialversicherungsrechtlichen Haftung führen.57 Beim Abschluss eines Werkvertrags schuldet der Auftragnehmer einen bestimmten „Erfolg“. Der Werkunternehmer bedient sich in der Folge seiner eigenen Arbeitskräfte, um die vertraglichen Verpflichtungen zu erfüllen. Er organisiert die zur Erreichung eines wirtschaftlichen Erfolgs notwendigen Handlungen nach eigenen betrieblichen Voraussetzungen und bleibt für die Erfüllung der im Vertrag vorgesehenen Dienste und für die Herstellung des geschuldeten Werkes verantwortlich. Wird zwischen zwei Unternehmen ein Dienstvertrag abgeschlossen, schuldet der Auftragnehmer die Leistung von Diensten. Zur Erbringung dieser Dienste hat der Auftragnehmer alle notwendigen Handlungen selbst zu organisieren und er bleibt für die geschuldete Leistung in vollem Umfang verantwortlich. Die eingesetzten Arbeitnehmer unterliegen also ausschließlich den Weisungen des Werkunternehmers.

57

Siehe zu den weitreichenden zivilrechtlichen Haftungsfolgen auch BGH, Urteil vom 02.02.2006 – III ZR 61/05, BeckRS 2006 02447.

Notwendige Abgrenzung zu Werk- und Dienstvertrag

82

3 Planung des Arbeitsverhältnisses

Der wesentliche Unterschied zwischen Arbeitnehmerüberlassung und einem Werk- bzw. Dienstvertrag besteht also darin, dass bei letzterem das Weisungsrecht beim Werkunternehmer bzw. Dienstverpflichteten verbleibt. Bei der Arbeitnehmerüberlassung ist der Entleiher dagegen berechtigt, umfassende fachliche, zeitliche und örtliche Weisungen zu erteilen. Daneben hat die Rechtsprechung eine Fülle von Einzelkriterien festgelegt. Im Einzelnen dürften neben dem Weisungsrecht folgende Kriterien entscheidungsrelevant sein. Eingliederung in den Betrieb Bei der Frage der Eingliederung in den Betrieb wird überprüft, ob und inwieweit der Arbeitnehmer in eine fremdbestimmte Arbeitsorganisation eingebunden ist und dabei betriebliche Einrichtungen (Arbeitsgeräte) benutzt. Bestimmbarkeit der Werk- bzw. Dienstleistung Es muss ein abgrenzbares, dem Werkunternehmer als eigene Leistung zurechenbares und abnahmefähiges Werk vereinbart sein. Ansonsten würde der Auftraggeber erst durch seine Anweisungen die Leistung bestimmen und damit Arbeit und Einsatz organisieren. Gewährleistung Werkverträge unterscheiden sich von der Arbeitnehmerüberlassung dadurch, dass der Werkunternehmer die Gewährleistung übernimmt. Gesamtbetrachtung Schließlich sind alle für die rechtliche Einordnung der Vertragsbeziehungen wesentlichen Umstände als Gesamtbild zu betrachten.58 Rechtsfolgen von Fehlern

Liegt tatsächlich kein Werk- oder Dienstvertrag vor, handelt es sich um Arbeitnehmerüberlassung. Der als Werkunternehmer bezeichnete Arbeitgeber ist dann in Wahrheit Verleiher, der als Werkbesteller bezeichnete Dritte Entleiher. Hat der Verleiher die nach § 1 AÜG erforderliche Erlaubnis nicht, so handelt es sich um illegale Arbeitnehmerüberlassung. Nach § 9 Nr. 1 AÜG ist dann der Vertrag zwischen Verleiher und Entleiher sowie der Vertrag zwischen dem Verleiher und dem Leiharbeitnehmer nichtig. Zum Schutz des Arbeitnehmers wird in diesem Fall nach § 10 Abs. 1 AÜG ein Arbeitsverhältnis zwischen Entleiher und Leiharbeitnehmer fingiert. Der Entleiher hat also plötzlich und ganz ungewollt einen neuen Mitarbeiter mit allen arbeitsrechtlichen Verpflichtungen. Darüber hinaus enthält das Arbeitnehmerüberlassungsgesetz in § 16 AÜG für den Fall der nicht genehmigten Arbeitnehmerüberlassung hohe Geldbußen.

58

BAG, Urteil vom 06.08.2003 – 7 AZR 180/03, NJOZ 2004, 3635.

3.6 Nachweisgesetz

83

Das Tätigwerden eines Leiharbeitnehmers stellt eine „Einstellung“ im Sinne von § 99 Abs. 1 S. 1 des Betriebsverfassungsgesetzes (BetrVG) dar. Nach § 80 Abs. 2 S. 1 BetrVG ist der Betriebsrat zur Durchführung seiner Aufgaben aus dem BetrVG „rechtzeitig und umfassend“ zu unterrichten. Diese Unterrichtung erstreckt sich ausdrücklich auch auf die Beschäftigung von Personen, die nicht in einem Arbeitsverhältnis zum Auftraggeber stehen. Nach § 90 Abs. 1 Ziffer 3 BetrVG muss das Unternehmen den Betriebsrat rechtzeitig unter Vorlage der erforderlichen Unterlagen über die Planung von Arbeitsverfahren und -abläufen unterrichten. Unter Arbeitsablauf versteht man die organisatorische, räumliche und zeitliche Gestaltung des Arbeitsprozesses, die ein Einsatz von Fremdarbeitnehmern häufig tangiert. Schließlich muss das Unternehmen den Betriebsrat im Rahmen des § 92 BetrVG (Personalplanung) unterrichten. Hierzu gehören auch Überlegungen, ob der Personalbedarf durch Leiharbeitnehmer oder durch Fremdarbeitnehmer zu decken ist.

3.6

Nachweisgesetz

Nach § 2 Abs. 1 des Nachweisgesetzes (NachwG) hat der Arbeitgeber im Übrigen die wesentlichen Bedingungen des Arbeitsverhältnisses spätestens einen Monat nach dem Beginn des Arbeitsverhältnisses schriftlich niederzulegen, die Niederschrift zu unterzeichnen und dem Arbeitnehmer auszuhändigen.59 In die Niederschrift sind mindestens aufzunehmen: 1. der Name und die Anschrift der Vertragsparteien, 2. der Zeitpunkt des Beginns des Arbeitsverhältnisses, 3. bei befristeten Arbeitsverhältnissen: die vorhersehbare Dauer des Arbeitsverhältnisses, 4. der Arbeitsort oder, falls der Arbeitnehmer nicht nur an einem bestimmten Arbeitsort tätig sein soll, ein Hinweis darauf, dass der Arbeitnehmer an verschiedenen Orten beschäftigt werden kann, 5. eine kurze Charakterisierung oder Beschreibung der vom Arbeitnehmer zu leistenden Tätigkeit, 6. die Zusammensetzung und die Höhe des Arbeitsentgelts einschließlich der Zuschläge, der Zulagen, Prämien und Sonderzahlungen sowie anderer Bestandteile des Arbeitsentgelts und deren Fälligkeit, 7. die vereinbarte Arbeitszeit, 59

Die Verpflichtung gilt nicht für die Beschäftigung von Arbeitnehmern, die nur zur vorübergehenden Aushilfe von höchstens einem Monat eingestellt werden (§ 1 NachwG). Sie entfällt auch, wenn dem Arbeitnehmer ein schriftlicher Arbeitsvertrag mit diesen Angaben ausgehändigt worden ist (§ 2 Abs. 4 NachwG).

Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats

84

3 Planung des Arbeitsverhältnisses

8. die Dauer des jährlichen Erholungsurlaubs, 9. die Fristen für die Kündigung des Arbeitsverhältnisses, 10. ein in allgemeiner Form gehaltener Hinweis auf die Tarifverträge, Betriebsoder Dienstvereinbarungen, die auf das Arbeitsverhältnis anzuwenden sind. Häufig wird aus diesem Grund angeführt, es sei effizienter, direkt einen entsprechenden schriftlichen Arbeitsvertrag zu schließen. Dem muss widersprochen werden. Wie dargelegt können Vereinbarungen im Arbeitsvertrag, etwa zum Arbeitsort, zu einer Einschränkung des Direktionsrechts des Arbeitgebers führen. Es ist nicht Sinn des Nachweisgesetzes, das Direktionsrecht des § 106 GewO auf diesem Umweg einzuschränken. In der geforderten Niederschrift gibt der Arbeitgeber deshalb an, welchen konkreten Arbeitsort er derzeit im Rahmen seines Direktionsrechts angeordnet hat. Ändert er diese Entscheidung, muss er dies dem Arbeitnehmer nach § 3 NachwG spätestens einen Monat nach der Änderung schriftlich bestätigen. Nimmt der Arbeitgeber demgegenüber den Arbeitsort in einen Arbeitsvertrag auf, so tritt eine Bindung an diesen ein. Eine Flexibilisierung könnte dann nur über eine Versetzungsklausel erreicht werden. Im Ergebnis sollte der erforderliche Nachweis nach dem Nachweisgesetz daher keinesfalls mit einem schriftlichen Arbeitsvertrag gleichgesetzt werden.

4

Personalbeschaffung

4.1

Personalanwerbung

4.1.1

Stellenausschreibung

Die Stellenausschreibung als solche ist gesetzlich nicht besonders geregelt. Trotzdem gibt es aus arbeitsrechtlicher Sicht einige wichtige Regelungen zu beachten. Unter anderem insbesondere die Vorschriften des AGG und Beteiligungsrechte des Betriebsrats. AGG § 11 AGG regelt, dass ein Arbeitsplatz nicht unter Verstoß gegen das in § 7 Abs. 1 AGG festgeschriebene Benachteiligungsverbot öffentlich oder nicht öffentlich ausgeschrieben werden darf. Unter Umständen ist das gar nicht so einfach. Unproblematisch dürfte sein, dass in Stellenanzeigen nicht unmittelbar auf ein Diskriminierungsmerkmal Bezug genommen werden und eine geschlechtsneutrale Ausschreibung erfolgen sollte. Darüber hinaus ist zwischenzeitlich nahezu jede in Stellenanzeigen übliche Formulierung in die Diskussion geraten. Vorliegend soll nur auf die wichtigsten kurz eingegangen werden. Bezugnahmen auf Höchst- oder Mindestalter sind im Einzelfall zulässig, wenn die Ausnahmetatbestände in §§ 10 S. 3 Nr. 2 und 3 AGG bzw. § 8 AGG gegeben sind. Zusätzlich muss nach § 10 S. 1, 2 geprüft werden, ob die unterschiedliche Behandlung wegen des Alters objektiv und angemessen und durch ein legitimes Ziel gerechtfertigt ist, sowie ob die Mittel zur Erreichung des Ziel angemessen und erforderlich sind. So wäre etwa eine Altershöchstgrenze erlaubt, wenn die Einarbeitungsphase lange dauert und der Einsatz der erworbenen Kenntnisse aufgrund des Erreichens des Renteneintrittsalters nur kurz wäre.

Höchst- oder Mindestalter

Die Floskel „jung und dynamisch“ ist ein echter Klassiker in der Diskussion um das AGG. Auf sie sollte verzichtet werden. Das gilt sowohl im Hinblick auf das Anforderungsprofil des Bewerbers als auch für die Beschreibung des

Jung und dynamisch

86

4 Personalbeschaffung

eigenen Unternehmens. Obwohl mit der Selbstbeschreibung „wir sind ein junges und dynamisches Team“ nicht zwangsläufig eine Diskriminierung verbunden ist, mag sich doch der Verdacht ergeben, dass das Team auch jung und dynamisch bleiben will. Hingegen stellt die Formulierung „flexibel und belastbar“ keine Diskriminierung, insbesondere wegen Behinderung dar. Berufserfahrung

§ 10 S.3 Nr. 2 AGG beschäftigt sich mit der Anforderung von Berufserfahrung. Vorsichtshalber sollte auf Zahlenangaben in Zusammenhang mit der Berufserfahrung verzichtet werden. Je konkreter die Anforderung (etwa 2 oder 5 Jahre), desto schwerer wird die Notwendigkeit nachzuweisen sein. In der Regel dürfte es ohnehin ausreichen pauschal „Berufserfahrung“ bzw. „für die Position angemessenen Berufserfahrung“ zu verlangen. Unzulässig dürfte sein, die Berufserfahrung nach oben zu begrenzen. Die Berufserfahrung gilt als Ausnahmetatbestand nur für das Mindestalter (§10 S. 3 Nr. 2 AGG), nicht jedoch für die Begründung eines Höchstalters (§10 S. 3 Nr. 3 AGG).

Geschlechtsneutrale Ausschreibung

Vorsichtshalber sollte nicht nur die eigentliche Position in der männlichen und weiblichen Formen ausgeschrieben werden (alternativ: den Zusatz m/w führen), sondern der gesamte Text geschlechtsneutral formuliert sein.

Lichtbild und Lebenslauf

Viele Stellenanzeigen enthalten die Aufforderung, der Bewerbung ein Lichtbild beizufügen. Das ist nach dem AGG natürlich nicht ausgeschlossen. Es erscheint auch mehr als fraglich, ob hieraus ein Indiz für eine mögliche Diskriminierung abgeleitet werden kann. Richtig ist, dass ein Lichtbild möglicherweise Rückschlüsse auf Geschlecht, Alter, Rasse oder ethnische Herkunft zulässt. Ob sich daraus aber eine Wahrscheinlichkeit für eine Benachteiligung ableiten lässt, erscheint mehr als zweifelhaft. Ähnliches muss für die Forderung nach einem Lebenslauf gelten. Aus den meisten Lebensläufen ergeben sich das Alter und das Geschlecht. Wer aber ganz sicher gehen möchte, verzichtet auf die Forderung nach einem Lichtbild und verlangt statt des kompletten Lebenslaufs eine Aufstellung des „beruflichen Werdegangs“.

Sprache

Die Forderung nach einer bestimmten Muttersprache stellt in der Regel eine Benachteiligung aufgrund ethnischer Herkunft dar. Sind Deutschkenntnisse in Form von fließenden Kenntnissen oder akzentfreier Aussprache für die ausgeschriebene Stelle erforderlich, sollte man die Forderung auf das tatsächlich erforderliche Maß beschränken. Ob eine Forderung nach Fremdsprachenkenntnisse möglicherweise als Benachteiligung wegen ethnischer Herkunft besonderer Rechtfertigung bedarf, wird derzeit diskutiert.

Rechtsfolgen bei Verstoß

Zwar zieht eine insoweit fehlerhafte Stellenausschreibung keine unmittelbaren Sanktionen nach sich, jedoch kann bei einer späteren Klage eines abgelehnten Bewerbers allein die fehlerhafte Ausschreibung ein Indiz i.S.d. § 22 AGG

4.1 Personalanwerbung

87

darstellen. Damit ginge die Beweislast für eine diskrimierungsfreie Auswahl auf den Arbeitgeber über. D.h. der Arbeitgeber muss vor Gericht behaupten und nachweisen, dass das Verfahren tatsächlich korrekt durchgeführt wurde. Gelingt ihm das nicht, drohen nach § 15 AGG Schadensersatz und Entschädigungsansprüche. Dabei haben sogar Bewerber, die selbst bei diskriminierungsfreier Auswahl nicht genommen worden wären, Entschädigungansprüche bis zu drei Monatgehältern. Der Bewerber muss seinen Anspruch innerhalb einer Ausschlussfrist von 2 Monaten ab Bekanntgabe der Ablehnung gegen den Arbeitgeber schriftlich geltend machen. Aus diesem Grund erscheint es sinnvoll, darauf zu achten, wann Absagen und Ablehnungsschreiben den Bewerbern und Bewerberinnen zugegangen sind. Natürlich kann und soll nicht jede Absage per Einschreiben versendet werden kann. Ausreichen dürfte ein internes Verfahren zur Dokumentation des Postausgangs. So könnte z. B. der zuständige Mitarbeiter per Unterschrift oder Namenskürzel dokumentieren, wann welche Absage zur Post gegeben wurde. Lediglich in kritischen Fällen empfiehlt es sich, auf Einschreiben zurückzugreifen. Bedient sich der Arbeitgeber zur Personalbeschaffung Dritter wie Agenturen oder Personaldienstleister, muss er sich deren Fehler bei der Stellenausschreibung zurechnen lassen. Es empfiehlt sich daher, in den entsprechenden Verträgen Haftungsregelungen zu vereinbaren. Mitbestimmungsrecht des Betriebsrates Besteht ein Betriebsrat, kann dieser nach § 93 BetrVG eine innerbetriebliche Stellenausschreibung verlangen. Führt der Arbeitgeber eine vom Betriebsrat vorher verlangte Stellenausschreibung nicht oder inhaltlich unrichtig durch, kann der Betriebsrat nachträglich die Neubesetzung der Stelle nach § 99 Abs. 2 Nr. 5 BetrVG verweigern. Eine unrichtige Ausschreibung liegt insbesondere dann vor, wenn in der betrieblichen Ausschreibung höhere Anforderungen genannt werden, als in einer außerbetrieblichen Stellenanzeige. Ggf. bietet es sich an, mit dem Betriebsrat im Vorfeld eine Betriebsvereinbarung über die innerbetriebliche Stellenausschreibung abzuschließen. Inhalt könnte z. B. sein: Neue oder freiwerdende Stelle werden vor ihrer Neubesetzung innerhalb des Betriebes zur Besetzung ausgeschrieben. Die Stellenausschreibung erfolgt durch Aushang am schwarzen Brett an alle Arbeitnehmer. Die innerbetriebliche Stellenausschreibung beinhaltet: Abteilung, Arbeitsplatzbezeichnung, fachliche und persönliche Voraussetzungen Angabe der Lohn- und Gehaltsgruppe und Einsendeschluss der Bewerbung.

Verschulden von Erfüllungsgehilfen

88

4 Personalbeschaffung

Sonstiges Stellenausschreibungen sollten nicht irreführen und keine falschen Hoffnungen wecken. Andernfalls droht u.U. Schadenersatzpflicht. Eignet sich der ausgeschriebene Arbeitsplatz auch für die Besetzung mit einem schwerbehinderten Mitarbeiter, so ist nach § 81 Abs. 1 SGB IX das Arbeitsamt darüber zu informieren. Unterlässt der Arbeitgeber diese Information, kann er nach § 81 Abs. 2 SGB IX entschädigungspflichtig werden. Wenn sich der Arbeitsplatz für Teilzeit eignet, ist der Arbeitgeber nach § 7 Abs. 1 TzBfG verpflichtet, ihn auch als Teilzeitarbeitsplatz auszuschreiben.

4.1.2

Online-Bewerbungen

Um Mitarbeiter anzuwerben war es immer üblich, eine Anzeige, meist in einer Zeitung oder Fachzeitschrift, zu schalten. Doch in dieser Hinsicht verlieren die Printmedien heute zunehmend an Bedeutung. Das Internet läuft ihnen durch zunehmende Verbreitung und stärkeres Aufkommen von Jobbörsen den Rang ab. Online-Bewerbungen liegen bei Unternehmen zwischenzeitlich voll im Trend. Neben den normalen rechtlichen Anforderungen an eine Stellenausschreibung ist hierbei natürlich der Datenschutz besonders zu berücksichtigen. Das es dabei durchaus zu Pannen kommen kann, zeigt ein Fall einer großen Unternehmensberatung. Durch einen Fehler auf den Webseiten der OnlineBewerbung der Unternehmensberatung war es möglich, teilweise Daten des vorhergehenden Bewerbers einzusehen. Da fanden sich dann neben Anschrift und Anschreiben auch Lebenslauf mit Abschlüssen, ehemaligen Arbeitgebern sowie Gehaltswunsch und möglicher Eintrittstermin. Datenschutzanforderungen

Zentrale Norm ist insoweit § 9 Bundesdatenschutzgesetz (BDSG). Danach hat der Arbeitgeber insbesondere die folgenden Maßnahmen zu treffen: Er hat zu gewährleisten, dass personenbezogene Daten bei der elektronischen Übertragung oder während ihres Transports oder ihrer Speicherung auf Datenträger nicht unbefugt gelesen, kopiert, verändert oder entfernt werden können und dass überprüft und festgestellt werden kann, an welche Stellen eine Übermittlung personenbezogener Daten durch Einrichtungen zur Datenübertragung vorgesehen ist (Weitergabekontrolle nach Nr. 4 der Anlage zu § 9 Satz 1 BDSG). Er hat zu gewährleisten, dass nachträglich überprüft und festgestellt werden kann, ob und von wem personenbezogene Daten in Datenverarbeitungssysteme eingegeben, verändert oder entfernt worden sind (Eingabekontrolle nach Nr. 5 der Anlage zu § 9 Satz 1 BDSG).

4.1 Personalanwerbung

89

Er hat zu gewährleisten, dass die zur Benutzung eines Datenverarbeitungssystems Berechtigten ausschließlich auf die ihrer Zugriffsberechtigung unterliegenden Daten zugreifen können und dass personenbezogene Daten bei der Verarbeitung, Nutzung und Speicherung nicht unbefugt gelesen, kopiert, verändert oder entfernt werden können (Zugriffskontrolle nach Nr. 3 der Anlage zu § 9 Satz 1 BDSG). Als wesentliche Maßnahme kommt die Verschlüsselung der Daten in Betracht, deren Entschlüsselung nur dem Absender (also Bewerber) und dem Empfänger (befugte Personen des Arbeitgebers) ermöglicht werden darf.

4.1.3

Headhunting

Selbst in Zeiten hoher Arbeitslosigkeit sind Fachkräfte auf dem Arbeitsmarkt manchmal Mangelware. Das sog „Headhunting“ erfreut sich daher nicht nachlassender Beliebtheit. Das Abwerben fremder Mitarbeiter ist als Teil des freien Wettbewerbs grundsätzlich erlaubt. Die Abwerbung von Arbeitnehmern anderer Unternehmen kann aber zu verschiedenen arbeitsrechtlichen Problemen führen. Das Abwerben fremder Mitarbeiter kann sittenwidrig i.S.d. § 1 des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG) sein. Das ist insbesondere der Fall, wenn unlautere Mittel eingesetzt oder unlautere Zwecke verfolgt werden. Unzulässig sind deshalb täuschende und irreführende Angaben, die die Entscheidung des umworbenen Mitarbeiters beeinflussen oder herabsetzende Äußerungen über den bisherigen Arbeitgeber.

Unlauterer Wettbewerb

Verboten ist insbesondere auch die Abwerbung unter Verleitung zum Bruch des Arbeitsvertrages. Das wäre z. B. der Fall, wenn der Arbeitnehmer dazu überredet wird, sein Arbeitsverhältnis ohne Einhaltung der vereinbarten oder gesetzlichen Kündigungsfrist oder einer vereinbarten Befristung zu beenden.

Verleitung zum Vertragsbruch

Aus der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs60 folgt, dass grundsätzlich auch die direkte Ansprache eines Arbeitnehmers an seinem Arbeitsplatz zulässig ist. Danach kann der Arbeitnehmer nach seinem Interesse an einer neuen Stelle befragt und diese kurz beschrieben werden. Den Arbeitnehmer jedoch in ein ausführliches Bewerbungsgespräch zu verwickeln, ist unzulässig.

Abwerbung am Arbeitsplatz

60

BGH, Urteil v. 04.03.2004 – I ZR 221/01, NZA 2004, 794 und BGH Urteil v. 09.02.2006 – I ZR 73/02, NZA 2006, 500.

90

4 Personalbeschaffung Direktansprache am Arbeitsplatz61 Ein Personalberater befasst sich als selbständiger Unternehmer mit der Suche und Vermittlung von Führungs- und Fachkräften. Aufgrund eines entsprechenden Auftrags sucht er hoch qualifizierte und spezialisierte Mitarbeiter im Bereich der Computer-Software. Fündig wird er im Unternehmen X, das eben solche Mitarbeiter beschäftigt. Entsprechend nahm er telefonischen Kontakt mit einer Projektleiterin der X an deren Arbeitsplatz auf und bot ihr eine Stelle als Projektleiterin bei einem ausländischen Softwareunternehmen an. Das Unternehmen X hielt dieses Vorgehen für wettbewerbswidrig und verklagte den Headhunter auf Unterlassung und Schadensersatz. Der BGH gab dem Unternehmen weitgehend Recht. Ein Personalberater müsse sich beim ersten Telefongespräch, das er zur Personalsuche am Arbeitsplatz des avisierten Kandidaten führt, auf das „zur Kontaktaufnahme Notwendige“ beschränken. Überschreite die Gesprächsdauer „wenige Minuten“, stelle allein dies ein Indiz für ein wettbewerbswidriges „Umwerben“ dar. Headhunter dürfen Mitarbeiter lediglich nach deren Interesse an einer neuen Stelle befragen, eine offene Stelle knapp beschreiben und gegebenenfalls eine Kontaktmöglichkeit außerhalb des Unternehmens verabreden. Werden also im Rahmen einer solchen Direktansprache am Arbeitsplatz Lebenslauf und bisherige Tätigkeiten des Arbeitnehmers thematisiert, geht dies über das für eine erste Kontaktaufnahme Notwendige hinaus, und der Personalberater handelt wettbewerbswidrig.

Rechtsfolgen

Bei wettbewerbswidrigem Handeln kann der ursprüngliche Arbeitgeber sogar verlangen, dass eine Beschäftigung des abgeworbenen Arbeitnehmers unterlassen wird. Dies gilt jedenfalls dann, wenn und soweit er sich durch die Beschäftigung einen Wettbewerbsvorsprung verschafft hat. Darüber hinaus können gegen das wettbewerbswidrig abwerbende Unternehmen auch Schadensersatzansprüche bestehen Der Schaden kann in einer Gewinnminderung oder Kosten für Ersatzkräfte bzw. Überstundenzuschläge für verbleibende Mitarbeiter liegen.

4.2

Erkenntnisquellen

4.2.1

Mitteilungspflichten des Bewerbers

Aus der bereits im Rahmen des Einstellungsverfahrens bestehenden Treuepflicht des Arbeitnehmers, muss dieser von sich aus den Arbeitgeber über alle 61

BGH, Urteil vom 22.11.2007 – I ZR 183/04, NZA 2008, 177.

4.2 Erkenntnisquellen

91

Umstände aufklären, die ihn möglicherweise daran hindern, die Arbeitsleistung im vertraglich geschuldeten Umfang zu erbringen. Kommt der Bewerber dieser Verpflichtung nicht nach, kann der Arbeitgeber das Arbeitsverhältnis wegen arglistiger Täuschung anfechten. Er kann das Arbeitsverhältnis damit auflösen, ohne auf die Kündigung und die damit verbundenen Regelungen zurückgreifen zu müssen. Zu den Mitteilungspflichten gehören etwa Informationen über fehlende Qualifikationen oder Fähigkeiten oder Umstände, die die Arbeitsaufnahme zum vereinbarten Termin ausschließen. Im Übrigen ist der Bewerber im Einstellungsverfahren verpflichtet, zulässige Fragen des Arbeitgebers wahrheitsgemäß zu beantworten.

4.2.2

Fragerecht des Arbeitgebers

Potentielle Arbeitgeber dürfen wegen des Rechts des Bewerber auf informationelle Selbstbestimmung nicht alles fragen. Stellen sie dennoch unzulässige Fragen, darf der Bewerber lügen. Weitergehende Ansprüche kann der Bewerber aus einer unzulässigen Frage aber nicht ableiten. Es sei denn, es handelte sich um eine Frage, die einen Bezug zu den in § 1 AGG genannten Diskriminierungsmerkmalen hat. Solche Fragen sollte man tunlichst unterlassen. Im Einstellungsverfahren darf der Arbeitgeber nur solche Fragen stellen, an deren wahrheitsgemäßer Beantwortung er ein berechtigtes, billigenswertes und schutzwürdiges Interesse hat, welches die Interessen der Bewerber am Schutz der Persönlichkeit und an der Unverletzlichkeit der Individualsphäre überwiegt.62 Es ist also bei jeder Frage das Informationsinteresse des Arbeitgebers und das Geheimhaltungsinteresse des Bewerbers gegeneinander abzuwägen. Danach sind Fragen, die für das Arbeitsverhältnis bedeutungslos sind, von vornherein unzulässig. Im Einzelfall sollte darauf geachtet werden, Fragen nicht zu allgemein zu halten. So dürfte die allgemeine Frage nach Vorstrafen in der Regel unzulässig sein. Angemessen ist es aber jemanden, der mit Geld zu tun hat, nach Vermögensdelikten oder einen LKW-Fahrer nach Verkehrsdelikten zu fragen. Auch die Frage nach den persönlichen Vermögensverhältnissen ist grundsätzlich unzulässig. Etwas anderes muss aber geltend, wenn die Tätigkeit den Umgang mit Fremdgeldern mit sich bringt. Soweit es dem Arbeitgeber also auf eine wahrheitsgemäße Antwort ankommt, sollte er sich genau überlegen, welchen konkreten Bezug die Frage zur avisierten Tätigkeit hat und die Frage ggf. konkretisieren. Ob der Arbeitgeber darüber

62

BAG, Urteil vom 07.06.1984 – 2 AZR 270/83, NZA 1985, 57; BAG Urteil vom 05.10.1995 -2 AZR 923/94, NZA 1996, 371 und BAG Urteil vom 18.12.2000 – 2 AZR 380/99, NZA 2001, 315.

92

4 Personalbeschaffung

hinaus unzulässige Fragen stellt, mag ihm selber überlassen bleiben. Außerhalb des AGG kann er sich damit jedenfalls nicht mehr als eine unwahre Aussage des Bewerbers einhandeln.

4.2.3

Personalfragebögen

Viele Unternehmen verwenden zwischenzeitlich zum besseren Bewerbermanagement so genannte Personalfragebögen. In diesen sind alle relevanten Fragen über die persönlichen Verhältnisse, Leistungen, Kenntnisse, Fertigkeiten, Fähigkeiten und den beruflichen Werdegang enthalten. Natürlich dürfen in den Fragebögen nur solche Fragen enthalten sein, die auch in einem Vorstellungsgespräch gestellt werden dürften. Zustimmung des Betriebsrats

Personalfragebögen bedürfen nach § 94 Abs. 1 BetrVG der Zustimmung des Betriebsrats. Der Begriff des Personalfragebogens ist dabei weit auszulegen. Nicht erforderlich ist etwa, dass ein Bewerber den Bogen selber ausfüllt. Ein Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats besteht vielmehr bei allen standardisierten und formalisierten Verfahren zur Beschaffung von Informationen über Person und Qualifikation der Bewerber, wenn die Ergebnisse schriftlich erfasst werden.

Anspruch auf Vernichtung

Bei einer erfolglosen Bewerbung hat der Bewerber aus dem allgemeinen Zivilrecht (§§ 12, 862, 1004 BGB analog) einen Anspruch auf Vernichtung des Personalfragebogens. Dies gilt zumindest dann, wenn darin Angaben über die Privatsphäre wie Zeugnisnoten, berufliche Tätigkeiten oder den Gesundheitszustand enthalten sind.

Datenschutz

Wegen der Beschaffung von Daten i.S.d. BDSG muss die schriftliche Einwilligung der Bewerber vorliegen (§ 4 Abs. 1, § 4a Abs. 1 BDSG). Werden die Daten in Dateien gespeichert, etwa in einem automatisierten Personalinformationssystem, sind sie zu löschen, wenn die Speicherung nicht mehr erforderlich ist.

4.2.4

Ärztliche und psychologische Untersuchungen

Ärztliche und psychologische Untersuchungen im Rahmen eines Bewerbungsverfahrens sind rechtlich betrachtet lediglich besondere Formen des Fragerechts. Sie unterliegen daher im Grunde denselben Regeln und Beschränkungen. Gesundheitstests

Gesundheitstests dürfen sich also nur auf eine aktuelle Beeinträchtigung des Gesundheitszustandes beziehen, durch die die Eignung für die vorgesehene Tätigkeit eingeschränkt wird. Eine gesundheitliche Untersuchung darf nur mit

4.2 Erkenntnisquellen

93

Einwilligung des Bewerbers und nur durch einen ausgewählten fachkundigen Arzt (Betriebsarzt oder Vertrauensarzt) durchgeführt werden. Im Anschluss hieran darf der Arzt dem Arbeitgeber das Ergebnis der Untersuchung im Hinblick auf die Eignung für den künftigen Arbeitsplatz mitteilen. Hinsichtlich konkreter Diagnosen unterliegt er dagegen der Schweigepflicht. Unzulässig sind in diesem Zusammenhang auch so genannte „Drogen-Screenings“. Genetische Untersuchungen sind im Arbeitsverhältnis grundsätzlich verboten. Psychologische Tests sind dann zulässig, wenn der Test dazu dient, die Eignung des Bewerbers für die Tätigkeit festzustellen. Der Test darf nicht zu einem vollständigen Persönlichkeitsprofil führen, das Aufschluss über alle wesentlichen geistigen und charakterlichen Eigenschaften des Bewerbers gibt, Ähnlich wie Gesundheitstest, müssen die psychologischen Test von einer qualifizierten Fachkraft (Fachpsychologen) durchgeführt werden. Die gleichen Voraussetzungen gelten für andere Testverfahren wie z. B. graphologische Gutachten, Assessment-Center oder Voice Pitch Analysis-Verfahren, mit denen die emotional Belastbarkeit des Bewerbers im Rahmen eines telefonischen Interviews analysiert werden soll. Bei allen Verfahren muss sich der Bewerber mit der Durchführung des Tests ausdrücklich einverstanden erklären. Dabei setzt ein wirksames Einverständnis voraus, dass zuvor über Verfahren und Umfang der Tests detailliert unterrichtet wurde.

Psychologische Tests

Zum Schutz gegen Wirtschaftskriminalität, z. B. Korruption, haben Arbeitgeber ein Interesse daran, sich vor der Einstellung von Mitarbeitern (insb. Führungskräften) über deren Zuverlässigkeit zu erkundigen. Diese so genannten Background Checks sind nur dann und insoweit zulässig, als es die jeweilige Stellung bedingt.63

Background Checks

4.2.5

Auskünfte Dritter

Unter Umständen kann es für einen Arbeitgeber interessant sein, Auskünfte beim ehemaligen Arbeitgeber einzuholen. Der frühere Arbeitgeber ist allerdings nicht verpflichtet, derartige Auskünfte zu erteilen. Und es versteht sich nahezu von selbst, dass eine Einholung solcher Auskünfte nur mit Zustimmung des Bewerbers zulässig ist. Eine solche sollte man sich im konkreten Fall schriftlich geben lassen. Das Auskunftsverlangen darf sich nur auf die Leistung und das Verhalten im Arbeitsverhältnis beziehen. Jede weitere Information wäre eine Verletzung des Persönlichkeitsrechts des Bewerbers.

63

Siehe hierzu ausführlich Hohenstatt/Stamer/Hinrichs, Background Checks von Bewerbern in Deutschland: Was ist erlaubt?, NZA 2006, 1065; Thum/Szczesny, Background Checks im Einstellungsverfahren: Zulässigkeit und Risiken für Arbeitgeber, BB 2007, 2405.

94

4 Personalbeschaffung Herausgabe der Personalakte64 Das Unternehmen X war bemüht, seinen Personalbestand zu verringern, Es bot seiner Mitarbeiterin an, das Arbeitsverhältnis einvernehmlich zu beenden und als Sekretärin bzw. Assistentin auf eine freie Stelle der KBundesvereinigung zu wechseln. Die Mitarbeiterin stellte sich daraufhin bei dem Personalsachbearbeiter der K-Bundesvereinigung vor. Diesem hatte das Unternehmen X aus den Personalakten der Mitarbeiterin den Arbeitsvertrag und einen Vertrag zugänglich gemacht, in dem der Mitarbeiterin ein Personaldarlehen über 5000 DM gewährt worden war. Zu dem Wechsel der Mitarbeiterin in den Dienst der K-Bundesvereinigung kam es nicht. Die Mitarbeiterin sah in der Weitergabe von Teilen ihrer Personalakte eine schwere Verletzung ihres Persönlichkeitsrechts. Der BGH bestätigte diese Auffassung.

4.3

Pflichten des Arbeitgebers im Bewerbungsverfahren

Informationspflichten

Der Arbeitgeber muss den Arbeitnehmer über die Anforderungen informieren, die der ausgeschriebene Arbeitsplatz an den Bewerber stellt. Dazu gehören z. B. Informationen über künftige Aufgaben, die Verantwortung, die Art der künftigen Tätigkeit und ihre Eingliederung in den Arbeitsablauf sowie die Arbeitsorganisation des Betriebes. Dies gilt insbesondere, wenn bestimmte Anforderungen den Rahmen des Üblichen überschreiten (z. B. häufige Auslandsdienstreisen). Informieren muss der Arbeitgeber auch darüber, wenn er im Unternehmen organisatorische Änderungen plant, die in absehbarer Zeit zu einem Wegfall des Arbeitsplatzes führen.

Falsche Erwartungen

Der Arbeitgeber sollte besonders darauf achten, dass er in dem Bewerber keine falschen Erwartungen weckt. Das gilt vor allem für den Fall, dass im Bewerber die Annahme geweckt wird, es komme auf jeden Fall zu einem Vertragsschluss. Gibt der Bewerber daraufhin eine sichere Stelle auf, ohne dass es dann zu einem Arbeitsvertrag kommt, hat der Bewerber Anspruch auf Schadensersatz.

Bewerbungsunterlagen

Der Arbeitgeber hat die übersandten Bewerbungsunterlagen sorgfältig zu behandeln und aufzubewahren. Er ist zur Verschwiegenheit über den Inhalt der Unterlagen verpflichtet. Sobald feststeht, dass ein Arbeitsverhältnis nicht zustande kommt, sind die Bewerbungsunterlagen unverzüglich zurück zu geben.

64

BAG, Urteil vom 18.12.1984 – 3 AZR 389/83, NJW 1986, 341.

4.4 Absage

95

Allerdings sollte der Ablauf der im AGG vorgesehenen Zweimonatsfrist für die Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen abgewartet werden. Bewerbungsunterlagen, die dem Arbeitgeber ohne Aufforderung übersandt werden, sog „Initiativbewerbungen“, sind nur dann zurück zu schicken, wenn ein entsprechend frankierter Rückumschlag beiliegt. Der Arbeitgeber ist zum Ersatz der Vorstellungskosten verpflichtet, wenn er den Bewerber zu einer Vorstellung aufgefordert hat. Dazu gehören Fahrtkosten, erforderliche Übernachtungskosten und Verpflegungskosten. Im Zweifel richtet sich die Erstattungshöhe nach den einschlägigen Grundsätzen des Steuerrechts, so die Kilometerpauschale für die Benutzung des eigenen Fahrzeugs. Die Kostenübernahme kann im Vorfeld ausgeschlossen werden. Sollen keine Kosten übernommen werden, muss dies dem Bewerber im Vorfeld rechtzeitig und eindeutig mit der Aufforderung zum Vorstellungsgespräch mitgeteilt werden.

Vorstellungskosten

Nach § 99 Abs. 1 S. 1 BetrVG muss der Arbeitgeber in Betrieben mit in der Regel mehr als 20 (wahlberechtigten) Arbeitnehmern den Betriebsrat vor jeder Einstellung unterrichten. Er hat ihm die erforderlichen Bewerbungsunterlagen vorzulegen, Auskunft über die Person der Beteiligten zu geben und die Zustimmung des Betriebsrats zu der geplanten Einstellung einzuholen.

Beteiligung des Betriebsrates

Ein ohne Beteiligung des Betriebsrats geschlossener Arbeitsvertrag ist grundsätzlich wirksam. Der Arbeitgeber kann allerdings die Wirksamkeit von der Zustimmung des Betriebsrats abhängig machen. Tut er das nicht und schließt den Vertrag ohne Anhörung des Betriebsrates, kann er den neuen Arbeitnehmer u.U. nicht beschäftigen, ist aber zur Lohnzahlung verpflichtet.

4.4

Absage

Vor allem vor dem Hintergrund des AGG sollten Ablehnungsschreiben und mündliche Absagen künftig so kurz wie möglich gehalten werden. Insbesondere sollte in der Regel auf die Angabe von Gründen gänzlich verzichtet werden. Die sonst üblichen freundlichen Formulierungen und Begründungen könnten künftig Klagen auslösen. Eine wichtige Ausnahme gilt nach § 81 Abs. 1 S. 9 SGB IX bei Schwerbehinderung. Einem abgelehnten Schwerbehinderten steht ein Entschädigungsanspruch zu, wenn die Gründe nicht mitgeteilt wurden. Telefonische Auskünfte Ein Unternehmen schaltet eine AGG-konforme Stellenanzeige. Einige Tage später ruft ein Bewerber bei der Personalabteilung eines Unternehmens an und erkundigt sich, ob es für die zu besetzende Stelle Altergrenzen gäbe. Dies wird von der Mitarbeiterin am Telefon verneint. Daraufhin

96

4 Personalbeschaffung erklärt der Bewerber, er sei 62 Jahre alt und er wolle einfach sicherstellen, nicht seine teuren Bewerbungsunterlagen zu schicken, wenn er ohnehin keine Chance auf die Stelle habe. Die Mitarbeiterin reagiert hierauf mit Bedauern und erklärt am Telefon, dass es aus ihrer Sicht nicht viel Sinn mache, die Unterlagen einzureichen. Ein kurzes Schreiben mit einem Verweis auf das AGG und einer Klageandrohung des Anrufers folgte auf dem Fuße. Zur Klage kam es nicht, da sich die Parteien außergerichtlich auf eine Zahlung einigten.

Vor diesem Hintergrund bietet es sich an, telefonische Auskünfte schlicht ganz zu unterlassen oder zumindest intensiv geschultem Personal vorzubehalten. Im Übrigen sollte jedes Gespräch mit Bewerbern schriftlich in einer Aktennotiz mit Datum festgehalten werden.

5

Durchführung des Arbeitsverhältnisses

Selbst wenn das Arbeitsverhältnis sorgsam geplant und die Arbeitnehmer sorgfältig ausgesucht wurden, können sich bei der Durchführung des Arbeitsverhältnisses vielfältige arbeitsrechtliche Fragen ergeben. Die für die tägliche betriebliche Praxis wichtigsten werden im Folgenden dargestellt.

5.1

Ausübung des Direktionsrechts

Der Rahmen des Direktionsrechts ergibt sich wie bereits gezeigt aus § 106 GewO und den entsprechenden vertraglichen Vereinbarungen. Damit ist aber noch nichts darüber ausgesagt, wie das Direktionsrecht im betrieblichen Alltag auszuüben ist. Wichtigstes Element für die Ausübung des Direktionsrechts im Einzelfall ist das billige Ermessen im Sinne des § 315 BGB. Das bedeutet, es müssen alle wesentlichen Umstände des Einzelfalls abgewogen und die beiderseitigen Interessen angemessen berücksichtigt werden. Interessen des Arbeitgebers sind dabei in erster Linie der Betriebszweck und der geordnete Betriebsablauf. Auf Seiten des Arbeitnehmers kommen vor allem die Grundrechte, wie das Persönlichkeitsrecht, die Gewissensfreiheit und der Grundsatz der Gleichbehandlung sowie familiäre Bindungen und Verpflichtungen in Betracht. Dies gilt für Weisungen hinsichtlich der Arbeitszeit ebenso, wie für Weisungen hinsichtlich des Inhalts und der Art der Tätigkeit, sowie des Arbeitsorts. Der Arbeitgeber darf also nicht einfach nach eigenem Gusto handeln, sondern muss für seine jeweilige Weisung ein berechtigtes betriebliches Interessen haben.

Ausübung mit billigem Ermessen

98

5 Durchführung des Arbeitsverhältnisses Kurze Hosen65 Der K. ist bei der B. als Geldtransportfahrer beschäftigt. Während seiner Dienstausführung trägt er Dienstkleidung. Im Anschluss daran besteht für ihn die Möglichkeit, sich umzuziehen. Mit Kunden hat er keinen Kontakt. Im Sommer trug der K. bei hohen Temperaturen nach dem Umziehen, im Rahmen seiner Betriebsratstätigkeit innerhalb des Betriebes, kurze Hosen. Die Geschäftsführerin der B. hat ihm daraufhin untersagt, das Verwaltungsgebäude in kurzen Hosen zu betreten. Die im Verwaltungsgebäude tätigen Arbeitnehmer seien seit jeher darauf bedacht, ihr Äußeres so zu gestalten, wie es der Bürotätigkeit am Verwaltungssitz eines renommierten Unternehmens entspreche. Für Dritte, die sich aus geschäftlichen Gründen besuchsweise im Verwaltungsgebäude aufhalten, ergebe sich daraus ein gepflegter Eindruck. Zum Inhalt eines Arbeitsvertrags gehöre es, dass ein Arbeitnehmer verpflichtet sei, sein Äußeres den Gegebenheiten des Arbeitsverhältnisses anzupassen. Dazu gehöre, dass er sich auch dem äußeren Erscheinungsbild nach in einen gegebenen Rahmen einfüge und nicht dadurch auffalle, dass er den »Stil des Hauses« erheblich unterschreite. Das sah das Arbeitsgericht aber ganz anders. Das Verbot an den K., sich in kurzen Hosen im Verwaltungsgebäude im Rahmen der Betriebsratstätigkeit aufzuhalten, beinhaltet einen Eingriff in das Persönlichkeitsrecht des K. Er schädigt durch sein Verhalten nicht die berechtigten Interessen der B. Dies wäre dann der Fall, wenn er durch seinen Aufzug das Ansehen des Unternehmens, die Vermögensinteressen des Arbeitgebers oder die Zusammenarbeit im Betrieb beeinträchtigen würde. Wenn der K. das Verwaltungsgebäude der B. in kurzen Hosen betritt, erscheint er nicht in einem Aufzug, der einen negativen Eindruck von der B. vermitteln oder Kunden abstoßen könnte. Ansonsten kommen Anforderungen des Arbeitgebers an Bekleidung etc. nur in Betracht, wenn die vom Arbeitnehmer übernommene Funktion es erfordert. Im vorliegenden Fall ist nicht ersichtlich, dass es die Betriebsratsarbeit des Klägers erfordere, lange Hosen anzuziehen.

Neben den betrieblichen Interessen muss der Arbeitgeber auch prüfen, ob es nicht möglicherweise einen anderen Arbeitnehmer gibt, den die entsprechende Weisung weniger belastet. Im Zusammenhang mit der Verteilung von Arbeitszeit hat das BAG hierzu ausgeführt: Stehen betriebliche Gründe einer Berücksichtigung der schutzwürdigen Belange aller Arbeitnehmer entgegen, hat der Arbeitgeber eine personelle Auswahlentscheidung zu treffen, in die er eigene Interessen wie die einer Vermeidung einer möglichen Beeinträchtigung des Betriebsfriedens einstellen kann. Entscheidend dürfte letztlich sein, dass der 65

ArbG Mannheim, Urteil vom 16.02.1989 – 7 Ca 222/88, BB 1989, 1201.

5.1 Ausübung des Direktionsrechts

99

Arbeitgeber darlegen kann, die Interessen aller Beteiligten einbezogen und gegeneinander abgewogen zu haben. Über § 315 BGB zu beachten sind weiterhin vor allem das aus Art. 2 Abs. 1 GG folgende allgemeine Persönlichkeitsrecht und das Grundrecht der Gewissensfreiheit des Art. 4 GG. Nach dem oben bereits zitierten Grundsatzurteil des BAG66 ist ein Gewissenskonflikt zunächst so zu lösen, dass der Arbeitgeber versuchen muss, den Arbeitnehmer an anderer Stelle einzusetzen, um ihm den Gewissenskonflikt zu ersparen. Nur, wenn es keinerlei Möglichkeit gibt, den Arbeitnehmer anderweitig beschäftigen, entspricht die Weisung billigem Ermessen.

Beachtung der Grundrechte

Arbeitsverweigerung aus Gewissensgründen67 Drucker D ist anerkannter Kriegsdienstverweigerer und aktives Mitglied der „Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes – VVN – Bund der Antifaschisten“, wobei er das Amt des Vorsitzenden der Ortsgruppe P bekleidet und sowohl dem Präsidium des VVN auf Bundesebene als auch dem geschäftsführenden Vorstand des Landesverbandes SchleswigHolstein e.V. angehört. Er bekommt von seinem Arbeitgeber den Auftrag, Prospekte des Verlages für geschichtliche Dokumentation zu drucken, mit denen für den Kauf von zwei Buchpaketen mit jeweils sechs Büchern über das Dritte Reich und den Zweiten Weltkrieg geworben wurde, die aus seiner Sicht kriegsverherrlichend sind. Er weigert sich den Auftrag auszuführen. Das Weisungsrecht des Arbeitgebers wird vorliegend durch das Grundrecht des Arbeitnehmers auf Freiheit des Gewissens (Art. 4 Abs. 1 GG) eingeschränkt. Der Arbeitgeber darf D keine Arbeit zuweisen, die ihn in einen vermeidbaren Gewissenskonflikt bringt. Daneben muss der Arbeitgeber die Beteiligungsrechte des Betriebsrats nach den §§ 87 Abs. 1 Nr. 1 bis 3, 99 Abs. 2 und 3 BetrVG beachten. Der Betriebsrat darf mitbestimmen, soweit Fragen der Ordnung des Betriebs und des Verhaltens der Arbeitnehmer im Betrieb betroffen sind. Hierunter fallen nicht konkrete, arbeitsbezogene Einzelanweisungen, sondern nur generelle Maßnahmen, die sich auf die Gestaltung des Zusammenlebens und Zusammenwirkens vom Arbeitnehmer im Betrieb beziehen. So kann z. B. ein generelles Alkoholverbot im Betrieb nur unter Beachtung der Mitbestimmungsrechte des Betriebsrats angeordnet werden. Der Mitbestimmung unterliegen auch Kleiderordnung und Bekleidungsvorschriften.

66

Siehe oben 1.3.2.

67

BAG, Urteil vom 20.12.1984 –2 AZR 436/83, NZA 1986, 21.

Beteiligung des Betriebsrates

100

5 Durchführung des Arbeitsverhältnisses

Praktisch besonders wichtig ist die Mitbestimmungspflicht bei Versetzungen nach § 99 BetrVG: Der Arbeitgeber hat den Betriebsrat vor der geplanten Versetzung zu unterrichten und um Zustimmung zu bitten; der Betriebsrat kann aus den in § 99 Abs. 2 BetrVG abschließend aufgezählten Gründen die Zustimmung verweigern.

5.2

Änderungskündigung

Will ein Arbeitgeber die Arbeitsbedingungen gegen den Willen des Arbeitnehmers über die Grenzen seines Direktionsrechts hinaus verändern, bleibt ihm nur der Weg über eine Änderungskündigung. Die Änderungskündigung ist eine Kündigung des Arbeitsverhältnisses, verbunden mit dem Angebot an den Arbeitnehmer, das Arbeitsverhältnis zu geänderten Bedingungen fortzusetzen. Die Änderungskündigung besteht aus zwei Schritten: ! Einem Änderungsangebot, das die zukünftigen Arbeitsbedingungen zweifelsfrei erkennen lassen muss und ! einer für den Fall erklärten Beendigungskündigung, dass der Arbeitnehmer sich mit dem Änderungsangebot nicht einverstanden erklärt. Da es sich bei der Änderungskündigung für den Fall der Ablehnung durch den Arbeitnehmer um eine Beendigungskündigung handelt, sind alle rechtlichen Voraussetzungen zu erfüllen, die auch sonst bei einer Kündigung zu beachten sind. Es muss also insbesondere beachtet werden, ob der Arbeitnehmer Kündigungsschutz nach dem Kündigungsschutzgesetz hat. Reaktion des Arbeitnehmers

Nach § 2 KSchG hat der Arbeitnehmer verschiedene Reaktionsmöglichkeiten. Der Arbeitnehmer kann der vom Arbeitgeber gewünschten Änderung der Arbeitsbedingungen zustimmen. Geschieht dies rechtzeitig, besteht das Arbeitsverhältnis zu den geänderten Arbeitsbedingungen fort und die Kündigung ist gegenstandslos. Der Arbeitnehmer kann die vom Arbeitgeber gewünschte Änderung der Arbeitsbedingungen aber auch unter dem Vorbehalt annehmen, dass die Änderung der Arbeitsbedingungen nicht sozial ungerechtfertigt ist. Diesen Vorbehalt muss der Arbeitnehmer innerhalb der Kündigungsfrist, spätestens jedoch innerhalb von drei Wochen nach Zugang der Kündigung erklären. Für diesen Fall muss der Arbeitnehmer innerhalb von drei Wochen nach Zugang der Kündigung eine Änderungsschutzklage zum Arbeitsgericht erheben und die Feststellung verlangen, dass die Änderung der Arbeitsbedingungen sozial ungerechtfertigt ist. Gewinnt der Arbeitnehmer die Änderungsschutzklage, besteht das Arbeitsverhältnis zu unveränderten Bedingungen fort. Verliert der

5.3 Anforderungen an die Arbeitsqualität

101

Arbeitnehmer, besteht sein Arbeitsverhältnis zu den geänderten Arbeitsbedingungen fort. Schließlich kann der Arbeitnehmer die Änderung der Arbeitsbedingungen auch gänzlich ablehnen und Kündigungsschutzklage erheben. Ist die Kündigungsschutzklage rechtzeitig erhoben und sind die vom Arbeitgeber verlangten Änderungen der Arbeitsbedingungen sozial nicht gerechtfertigt, besteht das Arbeitsverhältnis zu unveränderten Arbeitsbedingungen fort.

5.3

Anforderungen an die Arbeitsqualität

5.3.1

Umfang und Intensität der Arbeitspflicht

Selbst wenn feststeht, welche Tätigkeiten der Arbeitnehmer im Einzelnen zu erbringen hat, ist damit noch nichts darüber ausgesagt, welche Qualität und welche Intensität seine Arbeitsleistung haben muss. Vereinfacht ausgedrückt gilt: Der Arbeitnehmer muss machen, was er soll und zwar so gut er kann. Die Arbeitsqualität hängt also vom persönlichen Leistungsvermögen des Arbeitnehmers ab. Er muss sich anstrengen, aber nicht überanstrengen. Er muss konzentriert und sorgfältig arbeiten, aber ohne sich zu verausgaben.

5.3.2

Leistungsschwache Mitarbeiter68

Leistungsschwache Mitarbeiter sind für jedes Unternehmen ein Problem. Dabei kann sich Leistungsschwäche in vielen Formen zeigen: In der Quantität der Arbeitsleistung, in der Qualität, bis hin zu echten Fehlleistungen. Arbeitsrechtlich mag man hier unmittelbar an Abmahnung und Kündigung denken. Das ist aber gar nicht so einfach. Gerade wegen der Tatsache, dass der Arbeitnehmer eigentlich nur so gut arbeiten muss, wie er kann, setzen eine spätere Abmahnung oder Kündigung wegen Leistungsschwäche besondere Sorgfalt bei der Durchführung des Arbeitsverhältnisses voraus. Wegen der praktischen Bedeutung wird hier besonders darauf eingegangen. Um überhaupt von einem leistungsschwachen Mitarbeiter sprechen zu können, stellt sich die Frage nach der Soll-Leistung. Die Soll-Leistung wiederum ergibt sich aus den vertraglichen Vereinbarungen. Häufig wird aber Quantität und Qualität im Arbeitsvertrag nicht ausdrücklich vereinbart sein. Dann richtet sie sich aber wieder nach den vom Arbeitgeber im Rahmen seines Direktionsrechts getroffenen Festlegungen und nach dem subjektiven Leistungsvermögen 68

Ausführlich hierzu Hunold/Wetzling, Umgang mit leistungsschwachen Mitarbeitern, 1. Aufl. 2006.

Soll-Leistung

102

5 Durchführung des Arbeitsverhältnisses

des Arbeitnehmers. Das BAG führt hierzu aus, die Leistungspflicht sei nicht starr, sondern dynamisch und orientierte sich an der Leistungsfähigkeit des Arbeitnehmers. Ein objektiver Maßstab ist nicht anzusetzen Ungeeignet zur Ermittlung der Soll-Leistung sind jedenfalls einseitige Zielvorgaben oder zweiseitige Zielvereinbarungen. Diese können lediglich Einfluss auf die Vergütung nehmen. Zur Begründung einer arbeitsvertragliche Pflichtverletzung taugen sie schon deshalb nicht, weil damit nicht der gesetzliche Kündigungsschutz umgangen werden darf. Zumutbarkeit

Letztendlich wird für die Bestimmung der Soll-Leistung auf das von vergleichbaren Arbeitnehmern erreichte durchschnittliche Leistungsniveau abzustellen sein. Allerdings liegt nicht schon deshalb eine Vertragsverletzung in Form einer Schlechtleistung vor, wenn ein Arbeitnehmer verglichen mit anderen schlechter oder am schlechtesten arbeitet. Der Umstand, dass der Arbeitnehmer unterdurchschnittliche Leistungen erbringt, muss nicht zwangsläufig bedeuten, dass der Arbeitnehmer seine persönliche Leistungsfähigkeit nicht ausschöpft. Es stellt sich vielmehr arbeitsrechtlich die Frage, welche mengenmäßige Minderleistung oder welche Fehlerquote des Mitarbeiters dem Arbeitgeber noch zuzumuten ist. Minderleistung und Durchschnitt69 Die K. ist im Versandkaufhaus der B. als Lager- und Versandarbeiterin beschäftigt. Sie ist im „Sorter-Versand“ eingesetzt. Dort werden die Warensendungen auf der Grundlage der Kundenbestellungen fertig gestellt. Die B. wirft der K. vor, ihre Fehlerhäufigkeit liege um ein Mehrfaches über der ihrer mit vergleichbaren Arbeiten beschäftigten Kolleginnen. Ausweislich der elektronischen Fehlerdokumentation habe die Kl. in den Jahren 2003-2004 eine Fehlerquote zwischen 4,01 Promille und 5,44 Promille verursacht. Die durchschnittliche Fehlerquote der 209 eingesetzten Mitarbeiter habe dem gegenüber im dritten Quartal 2004 nur 1,34 Promille betragen. Die B. führt an, die fehlerhafte Arbeitsleistung der K. führe in nicht mehr hinnehmbarem Maße dazu, dass bei einzelnen Sendungen Warenstücke fehlten, Kunden verwechselt würden und Sendungen den falschen Versandaufkleber erhielten. Dies führe zu einem Imageverlust beim Kunden. Durch die Fehlerbehebung entstünden auch nicht unerhebliche Kosten. Die K macht geltend, angesichts der Gesamtzahl der von ihr gepackten Pakete falle die ihr angelastete Fehlerquote nicht ins Gewicht. Hierzu führt das Gericht aus: Ein Arbeitnehmer genügt – mangels anderer Vereinbarungen – seiner Vertragspflicht, wenn er unter angemessener Ausschöpfung seiner persönlichen Leistungsfähigkeit arbeitet. Er verstößt 69

BAG, Urteil vom 17.01.2008 – 2 AZR 536/06, NZA 2008, 693.

5.3 Anforderungen an die Arbeitsqualität

103

gegen seine Arbeitspflicht nicht allein dadurch, dass er die durchschnittliche Fehlerhäufigkeit aller Arbeitnehmer überschreitet. Allerdings kann die längerfristige deutliche Überschreitung der durchschnittlichen Fehlerquote je nach tatsächlicher Fehlerzahl, Art, Schwere und Folgen der fehlerhaften Arbeitsleistung ein Anhaltspunkt dafür sein, dass der Arbeitnehmer vorwerfbar seine vertraglichen Pflichten verletzt. Es spricht also für eine Schlechtleistung, wenn der Arbeitnehmer das von vergleichbaren Arbeitnehmern erreichte durchschnittliche Leistungsniveau erheblich und über einen längeren Zeitraum unterschreitet. Zu klären bleibt dann, ob der Arbeitnehmer nicht will oder nicht kann. Sollen aus der Minderleistung des Arbeitnehmers arbeitsrechtliche Konsequenzen wie eine Abmahnung oder Kündigung gezogen werden, muss die angebliche Minderleistung genau beschrieben werden. Pauschalurteile oder allgemein gehaltene Vorwürfe reichen hierfür nicht aus. Die einzelnen Leistungsmängel sind vom Arbeitgeber vielmehr so konkret wie möglich zu bezeichnen.

Praktisches Vorgehen

Für den Arbeitgeber bedeutet das im laufenden Arbeitsverhältnis konkret folgendes: 1. Zunächst ist die Soll-Leistung des Arbeitnehmers zu bestimmen. Das bedeutet, es ist genau zu ermitteln, wie die Soll-Leistung des Arbeitnehmers aussieht: Was soll er tun, wie soll er es tun und wie soll er sich verhalten? 2. Die Abweichungen des Arbeitnehmers von der Durchschnittsleistung sollten so genau wie möglich dokumentiert werden. Also die genaue Ermittlung dessen, was er tatsächlich gemacht und wie er sich verhalten hat. 3. Dann sollte der Arbeitgeber versuchen, die Ursachen für die Fehl- und Minderleistungen des Mitarbeiters zu ermitteln. Auch hinsichtlich dieses Vorgehens empfiehlt sich dringend eine schriftliche Dokumentation. 4. Sollte der Verdacht bestehen, dass der Arbeitnehmer nicht in der Lage ist, seine Arbeitsleistung zu verbessern, muss der Arbeitgeber versuchen, mildere Mittel zur Wiederherstellung der vollen Leistungsfähigkeit einzusetzen. Ggf. muss er prüfen, ob eine Umsetzung oder Versetzung des Arbeitnehmers auf einen anderen Arbeitsplatz möglich und zumutbar ist. 5. Hat der Arbeitgeber dagegen den Eindruck, dass der Arbeitnehmer trotz vorhandenen Leistungsvermögens seine Arbeitskraft zurückhält, sollte er ihn abmahnen. Der Arbeitnehmer schuldet nach dem Arbeitsvertrag keinen Arbeitserfolg, sondern nur die Zurverfügungstellung seiner Arbeitskraft. Diese Leistungspflicht erfüllt der Arbeitnehmer auch dann, wenn er die ihm übertragene Tätigkeit schlecht ausführt. Eine Schlechtleistung des Arbeitnehmers berechtigt den Arbeitgeber daher grundsätzlich nicht zur Entgeltminderung, und zwar

Keine Entgeltminderung

104

5 Durchführung des Arbeitsverhältnisses

selbst dann nicht, wenn der Arbeitnehmer schuldhaft, d.h. fahrlässig oder gar vorsätzlich gehandelt hat. Die Schlechterfüllung der Arbeitsleistung könnte allenfalls einen Schadenersatzanspruch des Arbeitgebers nach § 280 Abs. 1 BGB begründen.

5.4

Mitarbeiterkontrollen

Bei allem Vertrauen zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer, haben Arbeitgeber grundsätzlich ein Interesse daran, ihre Arbeitnehmer kontrollieren zu können. Das erstreckt sich von einer Kontrolle der erbrachten Arbeitsleistung über das sonstige betriebliche Verhalten bis hin zur Kontrolle zur Vermeidung von Vermögensdelikten. Dem Kontrollbedürfnis des Arbeitgebers stehen jedoch die Schranken des Persönlichkeitsschutzes und der Datenschutzvorschriften entgegen. Auch sind die Mitwirkungsrechte des Betriebsrats zu beachten. Außerdem belasten ständige Kontrollen das Betriebsklima. Es gilt daher nicht nur ein rechtlich zulässiges, sondern auch ein sinnvolles Maß an Kontrolle zu finden.70 Ganz allgemein gilt, dass bei einer Kollision des allgemeinen Persönlichkeitsrechts mit schutzwürdigen Interessen des Arbeitgebers eine umfassende Güterabwägung unter Berücksichtigung der Einzelfallumstände durchzuführen ist. Dabei bestimmt sich das zulässige Maß einer Beschränkung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts nach dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit. Der Eingriff muss geeignet, erforderlich und angemessen sein, um den erstrebten Zweck zu erreichen. Überwachung durch technische Einrichtungen71 Heimliche Überwachung

Die heimliche Überwachung von Arbeitnehmern durch technische Einrichtungen wie eine Videokamera oder Abhöranlage ist nur unter sehr engen Voraussetzungen zulässig. Es müssen ! der konkrete, auf Tatsachen gestützte Verdacht einer strafbaren Handlung oder einer anderen schweren Verfehlung zu Lasten des Arbeitgebers bestehen, ! weniger einschneidende Mittel zur Aufklärung des Verdachts ausgeschöpft sein und ! die Überwachung insgesamt verhältnismäßig sein. 70

Zum arbeitsrechtlich relativ neuen Instrument des so genannten „Whistleblowing“ siehe ausführlich Mahnhold: „Global Whistle“ oder „deutsche Pfeife“ – Whistleblowing-Systeme im Jurisdiktionskonflikt, NZA 2008, 737.

71

Vgl. dazu ausführlich Oberwetter: Arbeitnehmerrechte bei Lidl, Aldi & Co., NZA 2008, 609.

5.4 Mitarbeiterkontrollen

105

Bei öffentlich zugänglichen Räumen ist eine verdeckte Videoüberwachung bereits nach § 6a des Bundesdatenschutzgesetz (BDSG) ausgeschlossen. Eine offene Kameraüberwachung kann nach entsprechender Abwägung der Interessen der Beschäftigten mit den schutzwürdigen Interessen des Arbeitgebers zulässig sein. Die Überwachung muss dann einen legitimen Zweck verfolgen und darf die Arbeitnehmer nicht schikanieren oder unter Beobachtungsdruck setzten. Ein legitimer Zweck liegt z. B. dann vor, wenn ein Arbeitgeber im Einzelhandel seine Ware schützen will. Videoüberwachung im Betrieb72 Die DP betreibt Briefverteilzentren. In ihrem Betrieb in L reklamierten innerhalb von zehn Monaten 250 Kunden den Verlust von Briefsendungen. Deswegen hatte eine auf Betreiben der DP eingerichtete Einigungsstelle eine „Betriebsvereinbarung zum Einsatz einer stationären Videoanlage im Briefzentrum L“ beschlossen. Danach sollen 13 fest installierte Videokameras Sendungsverluste, -beschädigungen und Inhaltsschmälerungen vermindern und aufklären. Sie sollen das Eigentum der DP, ihrer Kunden und Lieferanten sichern, die Beschäftigten und ihr Eigentum schützen und der Wahrung des Postgeheimnisses dienen. Die Videoanlage soll ausschließlich zur Aufklärung und Vorbeugung von Straftaten betrieben werden. Die Inbetriebnahme und die Auswertung der Aufzeichnungen konnte nur durch den Arbeitgeber und den Betriebsrat gemeinsam erfolgen. Die Anlage durfte nur dann in Betrieb gehen, wenn ein auf eine konkrete Person bezogener Verdacht vorlag. Allein zur Aufklärung dieses Verdachtes sollte die Videoaufzeichnung erlaubt sein. Die Überwachung war zudem auf einen bestimmten räumlichen Bereich zu beschränken, der mit maximal sechs Kameras überwacht werden durfte. Sollte diese beschränkte Überwachung keinen Erfolg bringen, so durfte diese auch erweitert werden, ggf. auf das gesamte Briefverteilungszentrum. Die aufgezeichneten und nicht mehr benötigten Daten mussten 60 Tage nach ihrer Herstellung gelöscht sein und die Arbeitnehmer über die Existenz und Funktionsweise der Anlage informiert werden. Der Betriebsrat klagte gegen den Beschluss der Einigungsstelle. Die Videoüberwachung greife unverhältnismäßig in die Persönlichkeitsrechte der Arbeitnehmer ein. Das BAG hielt die Maßnahme weitgehend für zulässig. Die Angemessenheit richte sich maßgeblich nach der Intensität des Eingriffes, welche von der Anzahl der beobachteten Personen, der Dauer der Überwachung und davon abhängig sei, ob die betroffenen Arbeitnehmer den Anlass für die Überwachung selbst gesetzt hätten (z. B. durch das Begehen von Straftaten). Vorliegend sei die Regelung weitestgehend angemessen, da sie einen konkreten Verdacht für die Überwachung verlange, der Umfang der 72

BAG, Beschluss vom 26.08.2008 – 1 ABR 16/07, NZA 2008, 1187.

Offene Überwachung

106

5 Durchführung des Arbeitsverhältnisses Überwachung geregelt und die Mitwirkung des Betriebsrates gesichert sei. Allerdings sei die Regelung, wonach bei Erfolglosigkeit der beschränkten Überwachungsmaßnahme diese ausgeweitet werden dürfe, unangemessen. Dies resultiere daraus, dass hierdurch eine Vielzahl von unschuldigen Arbeitnehmern ohne einen konkreten Verdacht in die Überwachungsmaßnahme einbezogen würden, ohne dass sie hierzu Anlass gegeben hätten.

Handelt es sich um öffentlich zugängliche Räume, muss nach § 6b BDSG ein sichtbarer Hinweis auf die Videoüberwachung erfolgen. Beteiligung des Betriebsrats

Bei jeder Einführung von Videoanlagen und anderen technischen Einrichtungen ist schließlich der Betriebsrat nach § 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG zu beteiligen. Dabei ist nicht erforderlich, dass die technische Einrichtung ausschließlich oder überwiegend die Überwachung der Arbeitnehmer zum Ziel hat. Es genügt, wenn die Einrichtung aufgrund ihrer technischen Gegebenheiten und ihres konkreten Einsatzes objektiv zur Überwachung der Arbeitnehmer geeignet ist. Internet, E-Mail und Telefon Generell ist zunächst jedem Arbeitgeber zu raten, die private und dienstliche Nutzung von Telefon, Internet und E-Mail sowie die entsprechenden Kontrollmöglichkeiten ausdrücklich zu regeln. Häufig wird dabei – vor allem von Juristen – angeraten, die private Nutzung einfach gänzlich zu untersagen. Dies wird zum einen mit Problemen aufgrund der Einordnung des Arbeitgebers als Telekommunikationsanbieter begründet, zum anderen damit, dass die nicht dienstlich veranlasste Nutzung des betrieblichen Internetanschlusses inzwischen einen ganz erheblichen Teil der Arbeitszeit ausmache. Auf der anderen Seite trägt die grundsätzliche auch private Nutzungsmöglichkeit sicher auch zur Zufriedenheit der Mitarbeiter und damit deren Produktivität bei. Tatsächlich gibt es aus rechtlicher Sicht keinen Grund, die private Nutzung gänzlich auszuschließen. Gerade im Hinblick auf die Kontrollmöglichkeiten scheint es besser, durch vernünftige Regelungen und Vereinbarungen das motivierende Potential dieser Medien positiv zu nutzen.73 Die Überwachung von Internet und E-Mail sowie von Telefonkontaktdaten kann technisch ohne Probleme durch geeignete Programme erfolgen. Es bestehen jedoch datenschutzrechtliche Einschränkungen sowie ein generelles Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats nach § 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG. 73

Siehe hierzu auch Forgó, Rechtslage bei privater E-Mail- und Webnutzung, www.lanline.de/articles/rechtslage_bei_privater_e-mail_und_webnutzung:/20060S4/30808430_ha_LL.html, Stand 10.01.2009.

5.4 Mitarbeiterkontrollen

107

Das Abhören von Telefonaten des Arbeitnehmers, gleichgültig, ob diese privat oder dienstlich sind, ist unzulässig. Nur unter sehr spezifischen Umständen kann Notwehr im Sinne des Strafgesetzbuches vorliegen. Möglich ist dagegen das bloße Mithören, wenn es sowohl dem Arbeitnehmer gegenüber, als auch gegenüber dessen Gesprächspartner offen gelegt wird. Zulässig ist darüber hinaus die Erfassung von Telefondaten, wie Datum, Uhrzeit und Dauer. Bei privaten Gesprächen darf allerdings die Zielnummer nicht miterfasst werden.

Telefon

Die Kontrolle von E-Mails und Internetsurfen richtet sich vor allem danach, ob die Nutzung privat oder dienstlich erfolgt. Dienstliche E-Mails und dienstlich aufgerufene Internetseiten dürfen nachverfolgt und kontrolliert werden. Der Arbeitgeber darf insbesondere nach den §§ 4 Abs. 1, 28 Abs. 1 BDSG Daten über die Internet- und E-Mail-Nutzung erheben, speichern, verarbeiten und nutzen, um das Arbeitsverhalten der Beschäftigten zu kontrollieren.

Internet und E-Mail

Private E-Mails und private Internetnutzung dürfen dagegen grundsätzlich nicht vom Arbeitgeber inhaltlich kontrolliert werden. Eine Ausnahme besteht nur in Fällen des Straftatverdachts oder Notfällen. Hat der Arbeitgeber allerdings die private Nutzung von Internet und E-Mail verboten, darf er auch inhaltliche Kontrollen durchführen. Überwachung durch Detektive Detektive werden von Arbeitgebern zur Aufdeckung vermuteter Vertragsverletzungen (z. B. Krankfeiern, Ausübung einer Konkurrenztätigkeit oder einer anderen Erwerbstätigkeit während der Krankschreibung), zur Aufklärung von Straftaten im Betrieb oder zur Durchführung sog. „Ehrlichkeitstests“ genutzt. Die Voraussetzungen für das heimlich „Bespitzeln“ sind identisch mit denen für die heimliche Videoüberwachung. Es gilt damit ein ausgesprochen strenger Maßstab. Eine weitere Möglichkeit der Überprüfung bieten so genannte Ehrlichkeitstests. Dabei wird einem verdächtigen Mitarbeiter bewusst die Möglichkeit geschaffen, den Arbeitsvertrag zu verletzen oder sogar eine strafbare Handlung zu begehen. Allerdings darf der Mitarbeiter hierzu keinesfalls angestiftet werden. Auch hier gilt, dass die schutzwürdigen Interessen des Arbeitgebers überwiegen müssen. Es muss also eine umfassende Güter- und Interessenabwägung stattfinden. Insoweit dürfte ein allgemeiner Test ohne konkrete potentielle Gefährdungssituation für die Interessen des Arbeitgebers unzulässig sein. Vielmehr müssen bereits konkrete Verdachtsmomente vorliegen.

Ehrlichkeitstest

108

5 Durchführung des Arbeitsverhältnisses

Torkontrollen und Durchsuchungen Torkontrollen und Durchsuchungen dürfen nur mit Einwilligung des Arbeitnehmers erfolgen. Allerdings kann eine entsprechende Einwilligung bereits im Arbeitsvertrag – idealerweise schriftlich – vereinbart werden. Ist die Zulässigkeit derartiger Kontrollmaßnahmen arbeitsvertraglich nicht geregelt ist, kann der Arbeitgeber sie aufgrund seines Weisungsrechtes nur anordnen, wenn dafür zwingende sachliche Gründe bestehen, d.h., wenn ein hinreichend begründeter Anlass vorliegt. Die Intensität der Kontrolle muss in jedem Fall verhältnismäßig sein. In der Regel sind die Kontrollen auf das Öffnen der Taschen zu beschränken. Im Übrigen sollte unbedingt darauf geachtet werden, dass die Kontrollen wegen Diskriminierungsverbots alle Arbeitnehmer in gleicher Weise treffen. Alkohol- und Drogentest Arbeitnehmer müssen Alkoholtests und Drogentests nur bei Vorliegen eines überwiegenden Interesses des Arbeitgebers dulden. Ein solches Interesse liegt nur vor, wenn der begründete Verdacht besteht, dass ein Arbeitnehmer wegen Alkohol- oder Drogenabhängigkeit für den Arbeitsplatz ungeeignet ist. Vorbeugende Routineuntersuchungen sind in aller Regel unzulässig.

5.5

Disziplinarmaßnahmen

Disziplinarmaßnahmen sollten in einem Arbeitsverhältnis stets die Ausnahme und nicht die Regel sein. Trotzdem stellt sich für jeden Arbeitgeber die Frage, wie er auf Vertragsverstöße des Arbeitnehmers reagieren kann oder ggf. sogar muss. Gesetzliche Regelungen über Disziplinarmaßnahmen gibt es dabei im Grunde nicht.

5.5.1

Verweise und ähnliches

Die einfachste Form, einer „Disziplinierung“ stellt dar, den Arbeitnehmer auf den konkreten Vertragsverstoß bzw. Fehler hinzuweisen und ihn dazu aufzufordern, ein solches Verhalten zukünftig zu unterlassen. In der Ausgestaltung ist der Arbeitgeber frei. Er kann das als Verweis, Belehrung, Vorhaltung, Ermahnung, Verwarnung oder auch Rüge bezeichnen, die mündlich oder schriftlich erfolgen kann. Allen gemeinsam ist, dass sie i.d.R. keinen konkreten Hinweis darauf enthalten, welche Maßnahmen der Arbeitgeber bei Wiederholung ergreifen wird.

5.5 Disziplinarmaßnahmen

5.5.2

109

Abmahnung

Im Gegensatz zu den oben genannten Hinweisen auf ein Fehlverhalten in Form von Verweisen oder ähnlichem, rügt der Arbeitgeber mit der Abmahnung ein konkretes Fehlverhalten und warnt gleichzeitig mit der Androhung weiterer Konsequenzen bei Wiederholung des Verhaltens. Auch die Abmahnung ist gesetzlich nicht geregelt. Sie ist jedoch regelmäßig Wirksamkeitsvoraussetzung für weitere auf ein arbeitsvertragswidriges Verhalten gestützte Maßnahmen – bis hin zur Kündigung. Trotz der Bedeutung der Abmahnung treten bei der Erteilung der Abmahnung in der betrieblichen Praxis häufig Fehler auf. Dies mag auch daran liegen, dass die Rechtsprechung an eine wirksame Abmahnung als Kündigungsvoraussetzung relativ strenge Anforderungen stellt.74 Voraussetzungen für die Wirksamkeit Die Abmahnung kann jeder Mitarbeiter aussprechen, der gegenüber dem Arbeitnehmer weisungsbefugt ist. Dazu gehören sowohl Dienst- als auch Fachvorgesetzte. Darüber hinaus kann der Arbeitgeber Dritte, also z. B. einen Anwalt zur Erteilung der Abmahnung bevollmächtigen. Da die Erteilung einer wirksamen Abmahnung nicht einfach ist, sollte der Arbeitgeber das Recht zur Abmahnung aber nur entsprechend geschulten Mitarbeitern überlassen.

Berechtigung

Die Abmahnung kann mündlich erfolgen. Da Inhalt und Zugang einer Abmahnung aber möglicherweise in einem späteren Prozess bewiesen werden müssen, empfiehlt es sich in jedem Fall, die Abmahnung schriftlich zu erteilen.

Form

Die Abmahnung muss grundsätzlich nicht innerhalb einer bestimmten Frist nach dem Vertragsverstoß erklärt werden. Trotzdem sollte sie zeitnah erfolgen. Das Recht auf Abmahnung kann nämlich verwirkt werden. Das Recht ist dann verwirkt, wenn der Arbeitgeber längere Zeit gewartet hat und durch sein Verhalten beim Arbeitnehmer, der seit dieser Zeit vertragstreu war, den Eindruck erweckt hat, er wolle sein Recht nicht mehr geltend machen. Entscheidend ist aber immer der Einzelfall.

Zeitpunkt

Der Arbeitnehmer muss die Möglichkeit haben, von der Abmahnung und ihrem Inhalt Kenntnis zu nehmen. Dies bedeutet z. B. auch, dass dem der deutschen Sprache nicht mächtigen ausländischen Mitarbeiter die Abmahnung übersetzt werden muss. Es empfiehlt sich daher, sich nicht nur den Erhalt, sondern auch die inhaltliche Kenntnisnahme auf einer Kopie des Abmahnungsschreibens durch den Arbeitnehmer schriftlich bestätigen zu lassen.

Zugang

74

Gute Musterbeispiele für eine Abmahnung finden sich in Beckerle, Die Abmahnung, 9. Aufl. 2005.

110 Inhalt

5 Durchführung des Arbeitsverhältnisses

Der Arbeitgeber muss das gerügte Verhalten im Sinne einer präzisen Sachverhaltsdarstellung wiedergeben. Schlagworte wie „Störung des Betriebsfriedens“, „Unzuverlässigkeit“, „mangelnde Arbeitsbereitschaft“ oder „Schlamperei“ reichen nicht aus. Vielmehr müssen die einzelnen Verfehlungen konkret mit Datum und ggf. Uhrzeit genau beschrieben sein. Bereits inhaltliche Ungenauigkeiten der Abmahnung können die Abmahnung unwirksam werden lassen.75 Unter Umständen muss darüber hinaus das erwartete Alternativverhalten des Arbeitnehmers beschrieben werden.76 Bei der Androhung weiterer Maßnahmen muss das Wort „Kündigung“ nicht zwingend verwendet werden. Der Arbeitgeber muss jedoch klar und unmissverständlich zum Ausdruck bringen, dass er bei einem erneuten gleichen oder ähnlichen Verstoß das Arbeitsverhältnis nicht in der bisherigen Form fortsetzen wird.

Angemessenheit

Die Abmahnung muss, wie jede andere Maßnahme im Arbeitsverhältnis auch, angemessen sein. Das bedeutet, dass das abgemahnt Verhalten von Gewicht sein muss. Einzelne Bagatellverstöße können nicht wirksam abgemahnt werden. Häufen sich allerdings solche Verstöße, ist die Abmahnung wiederum angemessen. Davor gewarnt werden muss, aus Unsicherheit zu oft abzumahnen. Mehrere Abmahnungen wegen des gleichen Fehlverhaltens, denen keine weiteren Konsequenzen folgen, können dazu führen, dass trotz eines weiteren Vertragsverstoßes nicht gekündigt werden kann. Der Arbeitgeber muss in diesen Fällen die letzte Abmahnung vor Ausspruch einer Kündigung besonders eindringlich gestalten, um dem Arbeitnehmer klar zu machen, dass weitere Pflichtverletzungen nunmehr endgültig zur Kündigung führen werden. Entfernung aus der Personalakte Unter bestimmten Umständen kann der Arbeitnehmer einen Anspruch auf die Entfernung einer Abmahnung aus seiner Personalakte haben. Dies gilt zum einen, wenn die Abmahnung unwirksam ist, zum anderen, wenn der Arbeitgeber kein schutzwürdiges Interesse am Verbleib der Abmahnung mehr hat.

Berechtigte Abmahnung

Es ist immer dann davon auszugehen, dass der Arbeitgeber kein Interesse mehr an der Abmahnung hat, wenn diese durch Zeitablauf ihre Wirkung verloren hat. Ob eine Abmahnung nach Ablauf einer bestimmten Zeit wirkungslos geworden ist, lässt sich nicht pauschal beurteilen. Es kommt vielmehr auf die

75

Vgl. beispielsweise LAG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 02.07.2008, 7 Sa 68/08, BeckRS 2008 55923.

76

Vgl beispielsweise LAG Hamm, Urteil vom 10.01.2006 – 19 Sa 1258/05, NZA-RR 2006, 290.

5.5 Disziplinarmaßnahmen

111

genauen Umstände des Einzelfalles an. Das BAG führt hierzu aus77: „Eine ursprünglich ausreichende Abmahnung verliert ihre Bedeutung grundsätzlich erst dann, wenn auf Grund des eingetretenen Zeitablaufs oder auf Grund neuer Umstände (z. B. einer späteren unklaren Reaktion des Arbeitgebers auf ähnliche Pflichtverletzungen anderer Arbeitnehmer) der Arbeitnehmer wieder im Ungewissen sein könnte, was der Arbeitgeber von ihm erwartet bzw. wie er auf eine etwaige Pflichtverletzung reagieren wird. Dies lässt sich jedoch nur unter der Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls, insbesondere der Art der Verfehlung des Arbeitnehmers und des Verhaltens des Arbeitgebers im Anschluss an die Abmahnung, beurteilen.“ Der Arbeitnehmer hat Anspruch auf die Beseitigung und Rücknahme einer ungerechtfertigten Abmahnung. Eine Abmahnung ist ungerechtfertigt, wenn sie entweder ! ! ! ! !

auf unzutreffenden Tatsachen beruht, oder unangemessen ist, oder verwirkt ist, oder Ehrverletzungen oder unsachliche Werturteile enthält, oder nur vermeintliche Vertragsverstöße enthält, weil der Arbeitgeber eine unzutreffende rechtliche Wertung vorgenommen hat.

Rügt eine Abmahnung mehrere Pflichtverstöße und treffen davon nicht alle zu, ist sie insgesamt unwirksam. Die Abmahnung muss dann vollständig aus der Personalakte entfernt werden und kann nicht teilweise aufrechterhalten bleiben. Allerdings kann der Arbeitgeber dann eine neue, auf die zutreffenden Pflichtverletzungen beschränkte Abmahnung aussprechen. Korrekturvereinbarung statt Abmahnung Die Korrekturvereinbarung bezeichnet einen Vertrag zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer, mit dem ein bestimmtes Fehlverhalten des Arbeitnehmers für die Zukunft abgestellt werden soll. Dabei ist in der Regel in der Vereinbarung eine Abmahnung quasi enthalten.78 Vor allem aus personalpolitischen Gründen wird die Korrekturvereinbarung gegenüber der reinen Abmahnung als vorzugswürdig angesehen.79 Der wesentliche Unterschied liegt darin, dass der Arbeitnehmer aktiv an der Erstellung der Vereinbarung beteiligt wird statt sich nur als passives Opfer einer Disziplinarmaßnahme zu sehen. Aus arbeits77

BAG, Urteil vom 10.10.2002 – 2 AZR 418/01, NJOZ 2003, 3169.

78

Zur Formulierung von Korrekturvereinbarungen siehe Hunold/Wetzling, Umgang mit leistungsschwachen Mitarbeitern, S. 144 f.

79

So vor allem Wetzling/Habel, Adieu Abmahnung, Bonjour Korrekturvereinbarung, AuA 2006, S. 654 ff.

Unberechtigte Abmahnung

112

5 Durchführung des Arbeitsverhältnisses

rechtlicher Sicht dürfte der größte Vorteil einer Korrekturvereinbarung darin liegen, dass durch die gemeinsame Erarbeitung spätere Auseinandersetzungen über eine Abmahnung vermieden werden können. Die wesentlichen Merkmale einer Korrekturvereinbarung sind:80 ! Es handelt sich um das Ergebnis eines gemeinsamen Gesprächs mit dem Arbeitnehmer. ! Arbeitgeber und Arbeitnehmer kommen überein, dass sich das Fehlverhalten nicht wiederholen darf, soll der Bestand des Arbeitsverhältnisses nicht gefährdet werden. ! Neben dem gerügten Fehlverhalten enthält die Vereinbarung eine kurzgefasste positive Anmerkung zur Leistung und/oder zum Verhalten des Arbeitnehmers. ! In der Regel wird die Zeit für die Aufbewahrung des Vorgangs in der Personalakte (etwa 12 oder 18 Monate) verkürzt. ! Die Vereinbarung wird von Arbeitnehmer und Arbeitgeber unterzeichnet.

5.5.3

Betriebsbuße

Die Betriebsbuße ist eine Sanktion bei Verstößen des Arbeitnehmers gegen die kollektive betriebliche Ordnung. Demgegenüber ahndet sie nicht die Verletzung arbeitsvertraglicher Verpflichtungen. Betriebsbußen können nur verhängt werden, wenn eine mit dem Betriebsrat vereinbarte Betriebsbußenordnung besteht. Die Betriebsbuße kann verschiedene Formen haben. So sind insbesondere Verwarnungen, Verweise und Geldbußen bis zur Höhe eines Tagesverdienstes zulässig. Damit eine Betriebsbuße verhängt werden kann, muss der Arbeitnehmer rechtswidrig und schuldhaft gegen die betriebliche Ordnung verstoßen haben. Dies kann z. B. ein Verstoß gegen ein Alkoholverbot oder ein Verstoß gegen das Arbeitsschutzrecht sein.

5.5.4

Versetzung

Grundsätzlich dient eine Versetzung eher zur Anpassung von Arbeitsverhältnissen an bestimmte betriebliche Gegebenheiten, als zur Sanktionierung von Pflichtverletzungen. Eine Versetzung kann aber im Einzelfall eine geeignete Maßnahme sein, um die betriebliche Ordnung oder den Betriebsfrieden wieder herzustellen. Das ist z. B. der Fall, wenn zwischen Arbeitnehmern Spannungen bestehen, denen der Arbeitgeber durch Versetzung eines der Arbeitnehmer abhelfen will. Ob eine Versetzung arbeitsrechtlich möglich ist, hängt vom Inhalt des jeweiligen Arbeitsverhältnisses ab. 80

Ebd S. 656.

5.6 Teilzeitverlangen des Arbeitnehmers

5.6

113

Teilzeitverlangen des Arbeitnehmers

Gemäß § 8 Teilzeit- und Befristungsgesetz (TzBfG) haben Arbeitnehmer nach sechsmonatigem Bestand ihres Arbeitsverhältnisses Anspruch auf die Verringerung ihrer Arbeitszeit, sofern ihr Arbeitgeber in der Regel mehr als 15 Arbeitnehmer beschäftigt. Der Arbeitnehmer muss den Wunsch nach Reduzierung der Arbeitszeit und den Umfang der Reduzierung gemäß § 8 Abs. 2 S. 1 TzBfG spätestens drei Monate vor Beginn der gewünschten Verringerung geltend machen. Dabei soll er die gewünschte Verteilung der Arbeitszeit angeben. Zusammenhang von Arbeitszeitverringerungs- und Verteilungswunsch81 Die K. ist in der Rechtsanwaltskanzlei des B. als Rechtsanwaltsfachangstellte in Vollzeit mit einer wöchentlichen Arbeitszeit von 40 Stunden tätig. Zwischen den Parteien fanden Gespräche über eine von der K. gewünschte Verringerung der Arbeitszeit statt. Schriftlich beantragte die K. die Verringerung ihrer wöchentlichen Arbeitszeit von 40 auf 33 Stunden bei einer Verteilung von Montag bis Donnerstag von 8.30 Uhr bis 12.30 Uhr und von 13.00 Uhr bis 16.00 Uhr sowie am Freitag von 8.30 Uhr bis 13.30 Uhr. Der B. lehnte den Antrag „insbesondere hinsichtlich der Verteilung der Arbeitszeit“ mit der Begründung ab, die Mittagspause müsse einheitlich eine Stunde betragen. Die K. erhob Klage auf die Verringerung und Verteilung der Arbeitszeit. Im Laufe des Verfahrens änderte die K. die Verteilung der Arbeitszeit von Montag bis Donnerstag von 8.00 Uhr bis 12.30 Uhr und von 13.00 Uhr bis 15.30 Uhr sowie am Freitag von 8.00 Uhr bis 13.00 Uhr. Macht ein Arbeitnehmer sowohl einen Verringerungs- als auch einen Verteilungswunsch nach § 8 TzBfG geltend, hängen beide regelmäßig voneinander ab (einheitliches Vertragsangebot). Die Klage auf Verringerung der Arbeitszeit ist in diesem Fall schon dann unbegründet, wenn der Anspruch auf die gewünschte Verteilung der Arbeitszeit nicht besteht. Hat der Arbeitgeber das Angebot auf Verringerung und Verteilung der Arbeitszeit abgelehnt, ist das vorgerichtliche Verfahren des § 8 TzBfG abgeschlossen. Der Arbeitnehmer kann ab diesem Zeitpunkt seinen Verteilungswunsch nicht mehr ändern. Nach Ablehnung durch den Arbeitgeber ist der geänderte Verteilungswunsch nur durch neuerliche Geltendmachung von Verringerung und Verteilung unter den Voraussetzungen des § 8 Abs. 6 TzBfG durchsetzbar.

81

BAG, Urteil vom 24.06.2008 – 9 AZR 514/07, NZA 2008, 1289.

Teilzeitanspruch

114

5 Durchführung des Arbeitsverhältnisses

Um als Arbeitgeber zu verhindern, dass nach der gesetzlichen Regelung die Arbeitszeit in dem von dem Arbeitnehmer gewünschten Umfang oder die Verteilung der Arbeitszeit entsprechend den Wünschen des Arbeitnehmers festgelegt wird, sollte der Arbeitgeber unbedingt rechtzeitig handeln und die möglichen betrieblichen Auswirkungen der gewünschten Arbeitszeitreduzierung bedenken. Verhandlungspflicht

Nach § 8 Abs. 3 TzBfG muss der Arbeitgeber mit dem Arbeitnehmer die gewünschte Verringerung der Arbeitszeit mit dem Ziel erörtern, zu einer Vereinbarung zu gelangen. Tatsächlich handelt es sich dabei um eine Verhandlungspflicht. Dieser Verhandlungspflicht sollte der Arbeitgeber auf jeden Fall nachkommen. Verhandlung über Teilzeitwünsche82 K. ist bei der Sparkasse B. als Bankkauffrau in Vollzeit angestellt. Die K. beantragte unter Hinweis auf § 8 Abs. 2 TzBfG beginnend mit dem 1. 3. 2002 eine Arbeitszeit von 20 Wochenstunden, verteilt auf die Zeit von montags bis donnerstags 8 Uhr bis 13 Uhr, hilfsweise montags bis freitags 8 Uhr bis 12 Uhr. Diesen Antrag lehnte die B. ohne Verhandlungen mit Schreiben vom 5. 12. 2001 ab. Gleichzeitig erklärte sie sich aber bereit, die Arbeitszeitregelung mit dem Ziel einer für beide Seiten tragbaren Lösung zu erörtern. Die gesetzlich vorgesehene Verhandlungspflicht ist kein rechtlich unverbindlicher Appell des Gesetzgebers. In ihr kommt der Wille zum Ausdruck, durch Begründung von Rechtspflichten möglichst eine einvernehmliche, innerbetriebliche Regelung zu begründen. Der Gesetzgeber hat mit dieser Bestimmung eine Verhandlungsobliegenheit für den Arbeitgeber begründet. Diese Obliegenheit zeitigt Rechtsfolgen. So kann der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer keine Einwendungen entgegenhalten, die im Rahmen einer Verhandlung hätten ausgeräumt werden können, wenn er entgegen der Vorschrift nicht verhandelt. Ein Arbeitgeber verwirkt sein Ablehnungsrecht nicht schon, …, weil er ohne Verhandlungen den Arbeitszeitwunsch des Arbeitnehmers ablehnt. Allerdings kann der Arbeitgeber der die Verhandlungspflicht verletzt, später dem Arbeitnehmer keine Einwendungen mehr entgegenhalten, die er bei einer Erörterung hätte ausräumen hätte können.

Entscheidung des Arbeitgebers

Der Arbeitgeber muss dem Arbeitnehmer die Entscheidung über die Verringerung der Arbeitszeit und ihre Verteilung spätestens einen Monat vor Beginn der gewünschten Verringerung schriftlich mitteilen. Begründen muss er seine Entscheidung dabei nicht zwingend. Im Zweifel ist aber eine Begründung zu empfehlen. 82

BAG, Urteil vom 18.02.2003 – 9 AZR 356/02, NZA 2003, 911.

5.6 Teilzeitverlangen des Arbeitnehmers

115

Ein Teilzeitwunsch kann von dem Arbeitgeber abgewehrt werden, wenn dem Teilzeitverlangen betriebliche Gründe entgegenstehen.83 § 8 Abs. 4 S. 2 TzBfG zählt hierfür Beispiele auf. Betriebliche Gründe liegen insbesondere vor, wenn die Verringerung der Arbeitszeit die Organisation, den Arbeitsablauf oder die Sicherheit im Betrieb wesentlich beeinträchtigt oder unverhältnismäßig hohe Kosten für den Arbeitgeber verursacht. Teilzeitarbeit im Außendienst84 Der Arbeitnehmer arbeitet als Pharmareferent in Vollzeit im Außendienst. Zu seinen Aufgaben zählt die Beratung von Ärzten und Krankenhäusern hinsichtlich der von dem Arbeitgeber angebotenen Arzneimittel. Neu eingestellte Pharmareferenten schult der Arbeitgeber im Rahmen eines zweiwöchigen Grundkurses. Daneben nehmen sämtliche Außendienstmitarbeiter jährlich an verschiedenen Arbeitskreisen, Regionaltagungen und Gesamttagungen im Umfang von jährlich 142,5 Stunden teil. Der Arbeitnehmer beantragt eine Reduzierung seiner regelmäßigen Arbeitszeit von 37,5 auf 30 Wochenstunden. Dies lehnt sein Arbeitgeber ab. Dem Teilzeitbegehren stünden betriebliche Gründe entgegen. Arbeite der Arbeitnehmer in Teilzeit, müsse er eine zusätzliche Teilzeitkraft einstellen, was im ersten Jahr zu Mehrkosten in Höhe von 69.253 Euro führen würde. Die finanzielle Belastung ergebe sich aus einmaligen Ausbildungs-, Einarbeitungs- und Personalbeschaffungskosten sowie der einmaligen Zurverfügungstellung von Arbeitsmitteln. In der Folgezeit sei vor allem wegen der für die Pharmareferenten erforderlichen Weiterbildungsmaßnahmen mit jährlichen Mehraufwendungen in Höhe von mindestens 33.085 Euro zu rechnen. Ferner verursachten Neueinstellungen zusätzliche Organisations- und Verwaltungskosten der Personalverwaltung. Das BAG hat entschieden, dass die Kosten für die Einstellung einer zusätzlichen Teilzeitkraft unter Berücksichtigung der einmaligen Ausbildungs-, Einarbeitungs- und Personalbeschaffungskosten sowie laufenden Zusatzkosten für Arbeitsmittel und Weiterbildungsmaßnahmen in diesem Sinne als unverhältnismäßig hoch anzusehen sind. Die Klärung der Frage, ob der Teilzeitwunsch eines Arbeitnehmers durch einen betrieblichen Grund ausgeschlossen ist, erfolgt in einer dreistufige Prüfungsfolge.85

83

Siehe hierzu auch Mühlhausen, Ausweitung der Inhaltskontrolle von unternehmerischen Entscheidungen im Teilzeitrecht?, NZA 2007, 1264.

84

BAG, Urteil vom 21.06.2005 – 9 AZR 409/04, NZA 2006, 316.

85

BAG, Urteil vom 20.07.2004 – 9 AZR 626/03, NZA 2004, 1090.

Abwehr des Teilzeitwunsches

116

5 Durchführung des Arbeitsverhältnisses

1. Auf der ersten Stufe ist festzustellen, ob überhaupt ein betriebliches Organisationskonzept hinsichtlich einer bestimmten Arbeitszeitregelung besteht. 2. In der zweiten Stufe ist zu prüfen, inwieweit dieses Konzept unter Berücksichtigung zumutbarer Änderungsmöglichkeiten dem Arbeitszeitverlangen des Arbeitnehmers tatsächlich entgegensteht. Zumutbare Änderungsmöglichkeiten können etwa im Bereich von betrieblichen Abläufen oder des Personaleinsatzes liegen. 3. Ist dies der Fall, ist in einer dritten Stufe das Gewicht der entgegenstehenden betrieblichen Belange zu ermitteln und zu bestimmen, ob durch den Arbeitszeitwunsch die betrieblichen Belange oder das Organisationskonzept und die zugrunde liegende unternehmerische Ausgestaltung wesentlich beeinträchtigt werden. Fehlende Entscheidung des Arbeitgebers

Wenn Arbeitgeber und Arbeitnehmer sich nicht über die Verringerung der Arbeitszeit geeinigt haben und der Arbeitgeber den Wunsch des Arbeitnehmers nicht spätestens einen Monat vor Beginn der beantragten Teilzeitarbeit gegenüber dem Arbeitnehmer schriftlich ablehnt, verringert sich die Arbeitszeit automatisch in dem vom Arbeitnehmer gewünschten Umfang. Dasselbe gilt für die vom Arbeitnehmer beantragte Verteilung der Arbeitszeit. Allerdings kann der Arbeitgeber nach § 8 Abs. 5 S. 4 TzBfG die eingetretene Verteilung der Arbeitszeit einseitig ändern, wenn die betrieblichen Interessen die Interessen des Arbeitnehmers erheblich überwiegen und der Arbeitgeber die beabsichtigte Änderung spätestens einen Monat vorher angekündigt hat.

Verlängerung der Arbeitszeit

Nach § 9 TzBfG können teilzeitbeschäftigte Arbeitnehmer ihren Wunsch nach einer Verlängerung der Arbeitszeit dem Arbeitgeber anzeigen. Bei entsprechender Anzeige durch den Arbeitnehmer muss der Arbeitgeber diesen Arbeitnehmer bei der Besetzung eines freien Arbeitsplatzes bei gleicher Eignung bevorzugt berücksichtigen. Ablehnen kann er in diesem Fall nur, wenn dringende betriebliche Gründe dem Veränderungswunsch des Arbeitnehmers entgegenstehen. Auch bei dieser Entscheidung sollte der Arbeitgeber sehr sorgfältig vorgehen und seine Entscheidung schriftlich dokumentieren. Ein teilzeitbeschäftigter Arbeitnehmer hat nämlich Anspruch auf Schadensersatz wegen Unmöglichkeit der Erfüllung, falls der Arbeitgeber schuldhaft den Anspruch des Teilzeitbeschäftigten auf Verlängerung seiner Arbeitszeit nach § 9 TzBfG verletzt und den Arbeitsplatz endgültig mit einem anderen Arbeitnehmer besetzt. Das kann u.U. für den Arbeitgeber teuer werden. Der zu besetzende Arbeitsplatz muss mit dem Arbeitsplatz vergleichbar sein, auf dem der Arbeitnehmer bisher seine vertraglich vereinbarte Tätigkeit ausgeübt hat. Das ist der Fall, wenn beide Tätigkeiten die gleichen Anforderungen an die Eignung und Qualifikation des Arbeitnehmers stellen.

5.6 Teilzeitverlangen des Arbeitnehmers

117

Anspruch auf Verlängerung der Arbeitszeit86 Der K. ist bei einem Automobilclub als Disponent in der Pannenhilfe mit 20 Stunden wöchentlich beschäftigt. Nach dem maßgeblichen Manteltarifvertrag beträgt die regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit eines vollzeitbeschäftigten Arbeitnehmers 36 Stunden und kann mit seiner Zustimmung auf 40 Stunden verlängert werden. Im August 2005 schrieb der Automobilclub vier neu zu besetzende Disponentenstellen in Vollzeit aus. Der K. verlangte daraufhin die Zustimmung zur Verlängerung seiner regelmäßigen vertraglichen Arbeitszeit auf 36 Stunden, hilfsweise 40 Stunden wöchentlich. Das lehnte der Automobilclub mit der Begründung ab, es seien keine entsprechenden Arbeitsplätze gemäß § 9 TzBfG zu besetzen, denn die Arbeitsverträge für die neuen Arbeitsplätze sollten «tariffrei» mit einer regelmäßigen Arbeitszeit von 40 Stunden wöchentlich geschlossen werden. Der K. hat Anspruch auf die Stelle. Die Vergleichbarkeit der Stellen liegt nach § 2 Abs. 1 S.3 TzBfG vor, wenn die Tätigkeit gleich oder zumindest ähnlich ist. Eine ausreichende Vergleichbarkeit ist dann gegeben, wenn beide Tätigkeiten die gleichen Anforderungen an die Eignung der Arbeitnehmer stellen. Es kommt nur auf die arbeitsplatzbezogene Vergleichbarkeit, nicht aber auf die vom Arbeitgeber beabsichtigte Abweichung in der Vergütung an. Der Arbeitsplatz muss entsprechend sein, nicht aber der Arbeitsvertrag. Arbeitsplatz ist nach gebräuchlicher Auslegung die Beschäftigung in örtlich-räumlicher und zugleich in funktionaler Hinsicht. Die vom Arbeitgeber beabsichtigte Änderung von sonstigen nicht arbeitsplatzbezogenen Arbeitsvertragsinhalten ist deshalb unbeachtlich. Ein entsprechender Arbeitsplatz liegt vor, wenn der zu besetzende und vom Arbeitnehmer gewünschte Arbeitsplatz dem vertraglich vereinbarten Tätigkeitsbereich des Arbeitnehmers und damit seiner Eignung und Qualifikation entspricht. Demgegenüber besteht ein Anspruch auf Verlängerung der Arbeitszeit in einer höherwertigen Funktion nur im Ausnahmefall. Ein solcher Ausnahmefall ist gegeben, wenn die Personalorganisation des Arbeitgebers Teilzeitarbeit lediglich auf einer niedrigeren Hierarchiestufe als der bisher eingenommenen zulässt. Das bewirkt eine Selbstbindung: Die Grenze zwischen den beiden Hierarchieebenen wird für den späteren Verlängerungswunsch des teilzeitbeschäftigten Arbeitnehmers durchlässig. In diesem Fall gilt auch der Arbeitsplatz mit der höherwertigen Tätigkeit als „entsprechender Arbeitsplatz“ i.S. von § 9 TzBfG.87

86

BAG, Urteil vom 08.05.2007 – 9 AZR 874/06, NZA 2007, 1349.

87

BAG, Urteil vom 16.09.2008 – 9 AZR 781/07, NZA 2008, 1285.

118

5 Durchführung des Arbeitsverhältnisses

Sofern mehrere teilzeitbeschäftigte Arbeitnehmer den Wunsch nach Verlängerung der Arbeitszeit geäußert haben, muss der Arbeitgeber zwischen diesen verschiedenen Arbeitnehmern eine Abwägung treffen. Er muss den Wünschen der verschiedenen teilzeitbeschäftigten Arbeitnehmer genügen, wenn ausreichend Arbeitszeit zur Aufstockung zur Verfügung steht. Sollte das nicht der Fall ein, muss der Arbeitgeber im Rahmen einer Ermessensentscheidung nach sozialen Gründen abwägen und entscheiden. Bei Entscheidungen im Rahmen des § 9 TzBfG muss der Arbeitgeber unbedingt die Mitbestimmungsrechte des Betriebsrats nach § 99 BetrVG berücksichtigen. Die Einstellung eines Arbeitnehmers ohne Beachtung von § 9 TzBfG ist eine gegen ein Gesetz verstoßende Maßnahme im Sinne von § 99 Abs. 2 Nr. 1 BetrVG.

5.7

Besondere Probleme des Persönlichkeitsschutzes

5.7.1

Mobbing

Bedeutung Zur Verpflichtung des Arbeitgebers, die Persönlichkeitsrechte seiner Arbeitnehmer zu schützen, gehört auch der Schutz vor „Mobbing“ durch andere Arbeitnehmer oder durch Vorgesetzte. Daneben hat der Arbeitgeber aber noch ein weiteres Interesse, Mobbing in seiner Unternehmen zu verhindern. Mobbing kostet Geld. Und das beileibe nicht nur im Hinblick auf mögliche Schadensersatzansprüche des Opfers. Genannt seien nur beispielhaft die Kosten für Produktionsstörungen, Qualitätsdefizite, Aushilfskräfte, Versetzungen, Kündigungen, Einarbeitungen, Verlust von qualifizierten Arbeitnehmern, Imageschäden bei Kunden und in der Öffentlichkeit. Zudem ist in der Rechtsprechung eine deutliche Tendenz zu erkennen, Mobbing sehr ernst zu nehmen und die Rechte der Opfer deutlich zu stärken. Idealerweise sollte der Arbeitgeber bereits im Vorfeld klare Regelungen darüber zu treffen, wie Mobbing im konkreten Fall zu erkennen ist und wie damit umgegangen werden soll. Dies kann etwa in Form einer Betriebsvereinbarung erfolgen. Begriff Mobbing ist allerdings weder eine Anspruchsgrundlage noch überhaupt ein Rechtsbegriff, sondern vielmehr eine tatsächliche Erscheinung Der Begriff

5.7 Besondere Probleme des Persönlichkeitsschutzes

119

„Mobbing“ kommt wie so vieles aus dem Amerikanischen. Im Grunde geht es schlicht um das „Fertigmachen“ und „Rausekeln“ eines Arbeitnehmers durch Kollegen oder Vorgesetzte. Die Bandbreite der möglichen Methoden ist dabei extrem breit und mehr oder minder subtil. Im Wesentlichen beschreibt der Begriff das systematische Anfeinden, Schikanieren und Diskriminieren. Jede genauere Definition verwirrt mehr, als sie nützt. Zu den wichtigsten Erscheinungsformen gehören jedenfalls die dauernde, abwertende Kritik bei jeder Gelegenheit, „Telefonterror“ oder „E-Mail-Terror“ und die soziale Ausgrenzung am Arbeitsplatz. Andererseits ist nicht jeder Konflikt und jede Auseinandersetzung bereits dem Begriff des Mobbings zuzuordnen. Selbst wenn beim Arbeitnehmer der subjektive Eindruck besteht, dass er von seinem Vorgesetzten angegriffen wird, obwohl dieser lediglich die rudimentäre arbeitsvertragliche Pflichterfüllung moniert, liegt hierin noch kein Mobbing. Vielmehr muss sich auch objektiv das Bild einer Täter-Opfer-Konstellation ergeben. Ob tatsächlich ein Eingriff in das Allgemeine Persönlichkeitsrecht, die Ehre und die Gesundheit des Arbeitnehmers vorliegt, entscheidet sich – wie immer im Arbeitsrecht – nach den gesamten Umständen des Einzelfalles. Fürsorgepflicht Auf jeden Fall muss der Arbeitgeber seinen Fürsorgepflichten gegenüber dem Arbeitnehmer nachkommen. Das bedeutet in der Praxis, er muss die Beteiligten anhören und versuchen, den Sachverhalt zu ermitteln. Wenn sich der Vorwurf oder Verdacht bestätigt, ist er verpflichtet, geeignete, erforderliche und angemessene Maßnahmen zu treffen, um das Mobbing abzustellen. Hierzu gehört neben Gesprächen die gesamte Bandbreite arbeitsrechtlicher Maßnahmen: Ermahnung, Abmahnung, Umsetzung, Versetzung oder Kündigung des Täters. Rechtsfolgen Dem Arbeitnehmer stehen mehrere Möglichkeiten zur Verfügung, sich gegen Mobbing zu wehren. Zunächst hat er ein Beschwerderecht gegenüber dem Arbeitgeber und dem Betriebsrat. Soweit der Arbeitgeber nichts unternimmt, kann der Arbeitnehmer die Arbeitsleistung einstellen, ohne seine Lohnansprüche zu verlieren. Er kann weiterhin von dem mobbenden Kollegen oder Vorgesetzten oder Arbeitgeber die Unterlassung des Mobbings sowie die Beseitigung bereits eingetretener Mobbingfolgen, z. B. den Widerruf ehrenverletzender Äußerungen verlangen. Und schließlich kann er von den mobbenden Arbeitskollegen oder Vorgesetzten Schadensersatz verlangen. Der Schaden kann dabei z. B. in Arztkosten oder Bewerbungskosten, sowie Verdienstausfall wegen Verlustes des Arbeitsplatzes liegen. Darüber hinaus kann ein Schmerzensgeldanspruch bestehen

120 Haftung des Arbeitgebers

5 Durchführung des Arbeitsverhältnisses

Der Arbeitgeber haftet für Mobbing durch seine Arbeitnehmer, wenn er dieses kennt und trotzdem nicht unterbindet. Das Mobbingopfer kann bereits dann Schmerzensgeldansprüche geltend machen, wenn der Arbeitgeber eigene arbeitsvertragliche Verpflichtungen im Zusammenhang mit Mobbinghandlungen seiner Mitarbeiter nicht erfüllt. Haftung für Mitarbeiter88 Der K. war bei der B. als erster leitender Oberarzt beschäftigt, der C. als Chefarzt. Der K. wurde durch den C. systematisch über mehrere Jahre hinweg gemobbt. Dies führte zu einer mehrmonatigen Arbeitsunfähigkeit des K. Er erkrankte an Depressionen, die dauerhaft behandelt werden mussten. Das gegen den K. gerichtete Mobbing umfasste zunächst die persönliche Missachtung des K., öffentlich geäußerte unberechtigte Kritik an den fachlichen Fähigkeiten, das bewusste Verleumden bis hin zu offensichtlichen Schikanen, wie unberechtigten Abmahnungen und unrechtmäßigen Urlaubssperren. Später wurden dem K. Teile seines Aufgabengebietes entzogen, er wurde nicht mehr zu Dienstbesprechungen eingeladen und sollte seinen dienstlich benötigten Schreibtisch für eine Teilzeitkraft räumen. Weiterhin sollte der K. als einziger Oberarzt sein Arztzimmer, in dem auch Behandlungen durchgeführt werden, mit einem Kollegen teilen. Schließlich wurde K. von seinem Vorgesetzten öffentlich als „Handlanger“ bezeichnet und nur noch mit Arbeiten beauftragt, die weit unter seinem Ausbildungs- und Leistungsstand lagen. Die Versuche des K., sich gegen das Mobbing innerbetrieblich zur Wehr zu setzen, scheiterten. Die B. versuchte zwar alles Mögliche, um das Verhältnis zwischen K. und C, zu verbessern, was ihr aber im Ergebnis nicht gelang. Das BAG sprach dem K. daraufhin den geltend gemachten Schmerzensgeldanspruch gegen die B zu. Führt ein schuldhaftes dienstliches Verhalten eines Vorgesetzten dazu, das ein ihm unterstellter Mitarbeiter psychisch erkrankt, so hat der Mitarbeiter gegen seinen Arbeitgeber Anspruch auf eine billige Entschädigung in Geld (Schmerzensgeld), wenn sich der Arbeitgeber des Vorgesetzten als Erfüllungsgehilfen bedient. Früher wurde eine Haftung des Arbeitgebers häufig deshalb abgelehnt, weil dem Opfer nicht gelang, nachzuweisen, dass das Mobbing die konkrete Ursache für seine Gesundheitsschädigung war. Für die mobbenden Kollegen sei etwa nicht erkennbar, dass durch ihr Verhalten die psychische Krankheit des Mobbingopfers ausgelöst werde. Hierzu hat das BAG klargestellt, dass sich das Verschulden des Schädigers nur auf die Pflicht- und Rechtsgutverletzung beziehen muss, nicht aber auf den eingetretenen Schaden. Das gilt jedenfalls dann, wenn ein enger zeitlicher Zusammenhang zwischen Mobbinghandlungen 88

BAG, Urteil vom 25.10.2007 – 8 AZR 593/06, NZA 2008, 223.

5.7 Besondere Probleme des Persönlichkeitsschutzes

121

und Erkrankung besteht. Der Einwand, man habe mit der Erkrankung des Opfers nicht rechnen können, hilft daher gegen den Schadenersatzanspruch nicht mehr. Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz Liegt im Mobbing gleichzeitig eine Benachteiligung wegen der Rasse oder der ethnischen Herkunft, des Geschlechts, der Religion oder Weltanschauung, einer Behinderung, des Alters oder der sexuellen Identität, kann sich der Arbeitnehmer auch auf das AGG berufen. Praktisch von Bedeutung sind hier insbesondere Belästigungen und speziell sexuelle Belästigungen eines Arbeitnehmers. Das AGG nennt in § 3 Abs. 4 als unerwünscht sexuell bestimmtes Verhalten beispielhaft unerwünschte sexuelle Handlungen und Aufforderungen zu diesen, unerwünschte sexuell bestimmte körperliche Berührungen oder Bemerkungen sexuellen Inhalts genauso wie das unerwünschte Zeigen und sichtbare Anbringen von pornografischen Darstellungen.

5.7.2

Personalakten

Der Begriff der Personalakte ist gesetzlich nicht geregelt. Dementsprechend gibt es für Arbeitgeber auch keine Verpflichtung zur Führung einer Personalakte. Andererseits ist eine Personalakte nicht nur das, was der Arbeitgeber als Personalakte bezeichnet und führt. Rechtlich wird unter dem Begriff der Personalakte, jede Sammlung von Urkunden und Vorgängen verstanden, die sich auf die persönlichen und dienstlichen Verhältnisse des Arbeitnehmers bezieht und im Zusammenhang mit dem Arbeitsverhältnis steht. Dazu zählen auch die in Dateien und Personalinformationssystemen gespeicherten und auf die Arbeitnehmer bezogenen Informationen. Vor allem vor dem Hintergrund der Persönlichkeitsrechte der Arbeitnehmer hat das BAG eine Reihe von Grundsätzen für den Umgang mit Personalakten aufgestellt. Dabei dürfte der wichtigste Grundsatz sein, dass Personalakten ein möglichst vollständiges, wahrheitsgemäßes und sorgfältiges Bild über den Werdegang des Arbeitnehmers geben sollen. Vorschriften über die Form existieren nicht. Das BAG89 hat die Klage eines Sparkassenangestellten auf „Paginierung“ (das Aufbringen von Seitenzahlen) der über ihn geführten Personalakte abgewiesen. Dabei hat es die Organisationsbefugnis des Arbeitgebers betont, die Personalakte nach seinen Vorstellungen zu führen. Eine Pflicht zur Paginierung folge auch nicht aus § 241 Abs. 2

89

BAG, Urteil vom 16.07.2007 – 9 AZR 110/07, NZA 2008, 368.

Form und Aufbewahrung

122

5 Durchführung des Arbeitsverhältnisses

BGB. Daran ändere weder der Grundsatz der Vollständigkeit und wahrheitsgemäßen Dokumentation, noch das Einsichtsrecht etwas. Personalakten müssen sorgfältig verwahrt und vor unbefugter Einsichtnahme durch Dritte geschützt werden. Der Arbeitgeber muss Informationen aus den Personalakten vertraulich behandeln oder für eine vertrauliche Behandlung durch die Sachbearbeiter sorgen. Auch aus diesem Grund muss die Anzahl der mit Personalakten befassten Beschäftigten begrenzt bleiben. Der Schutzanspruch kann soweit gehen, dass sensible Daten (z. B. über den geistigen und körperlichen Gesundheitszustand sowie allgemeine Aussagen über die Persönlichkeit) nur zur Kenntnis genommen werden können, wenn sie für eine zu treffende Entscheidung erforderlich sind. Das kann etwa erfolgen, indem die Daten innerhalb der körperlichen Akte zusätzlich in verschlossenen Umschlägen aufbewahrt werden. Einsichtsrecht

Jeder Arbeitnehmer hat nach § 83 BetrVG das Recht, jederzeit in seine eigene Personalakte Einsicht zu nehmen. Die Einsicht ist grundsätzlich während der Arbeitszeit zu gewähren und der Lohn in dieser Zeit fortzuzahlen Zu dieser Einsichtnahme kann er als Zeuge ein Mitglied des Betriebsrates mitnehmen. Selbstverständlich ist die Personalakte dem Arbeitnehmer vollständig vorzulegen. Schriftstücke dürfen nicht vorher entfernt und gesondert verwahrt werden. Soweit der Arbeitgeber Personalinformationssysteme nutzt, kann der Arbeitnehmer verlangen, dass ihm ein Ausdruck ausgehändigt wird. Der Arbeitnehmer darf darüber hinaus Notizen und Abschriften fertigen, sowie auf seine Kosten Fotokopien machen. Zeitaufwändige Abschriften hat der Arbeitnehmer allerdings außerhalb seiner Arbeitszeit zu fertigen.

Beifügung von Unterlagen

Nach § 83 Abs. 2 BetrVG darf der Arbeitnehmer der Personalakte Erklärungen beizufügen. Hier kommen insbesondere Gegendarstellungen in Betracht für den Fall, dass in der Personalakte Tatsachen beschrieben sind, die aus der Sicht des Arbeitnehmers nicht zutreffen. Darüber hinaus kann er die Aufnahme von Unterlagen verlangen, wie z. B. ein Zeugnis über eine während des Arbeitsverhältnisses erworbene Zusatzqualifikation.

Anspruch auf Entfernung

Neben der Hinzufügung von Erklärungen wie einer Gegendarstellung hat der Arbeitnehmer auch das Recht, unrichtige, ihn zu Unrecht belastende oder unzulässig aufgenommene Schriftstücke aus der Personalakte entfernen zu lassen. Dabei haben Arbeitnehmer auch einen Anspruch darauf, dass Abmahnungen aus ihrer Personalakte entfernt werden, wenn sie sich in einer bestimmten Zeitspanne vertragstreu verhalten haben. Ein fester Zeitraum ist nicht festgelegt, da es auf die Situation im Einzelfall ankommt. Als Bandbreite werden zwischen 12 und 42 Monate genannt.

5.8 Arbeits- und Gesundheitsschutz

5.8

123

Arbeits- und Gesundheitsschutz

Eine wichtige Nebenpflicht des Arbeitgebers ist, Schäden an der Gesundheit seiner Arbeitnehmer durch ihre Tätigkeit zu verhindern. Diese vertragliche Pflicht wird durch die §§ 618 BGB, 62 HGB näher konkretisiert. Neben der Pflicht aus dem Arbeitsvertrag existieren eine ganze Reihe öffentlichrechtlicher Arbeitsschutzvorschriften. Hierzu gehören z. B. das Arbeitsschutzgesetz und die Arbeitsstättenverordnung sowie das Arbeitssicherheitsgesetz. Nach § 618 Abs. 1 BGB (§ 62 Abs. 1 HGB) muss der Arbeitgeber Räume, Vorrichtungen oder Gerätschaften, die er zur Verrichtung der Arbeitsleistungen zu beschaffen hat, so einrichten und unterhalten sowie Arbeitsleistungen, die unter seiner Anordnung oder seiner Leitung vorzunehmen sind, so regeln, dass die Arbeitnehmer gegen Gefahren für Leben und Gesundheit insoweit geschützt sind, als es die Natur der Arbeitsleistung gestattet. Zu den Räumen gehören nicht nur die Örtlichkeiten, an denen der Arbeitnehmer seine Arbeitsleistung erbringen muss, sondern alle Räume, die er in Zusammenhang mit seiner Arbeitsleistung aufsucht, z. B. also auch Baustellen im Freien, Pausenräume, Umkleideräume, Wasch- und Toilettenräume. Im Einzelnen konkretisiert die Arbeitsstättenverordnung die Pflichten des Arbeitgebers bei Einrichtung und Unterhaltung von Räumen. Zu den Vorrichtungen und Gerätschaften zählen etwa Werkzeuge, Maschinen, Schutzausrüstung und dergleichen. Praktisch relevant ist hier insbesondere das Anbringen von Schutzvorrichtungen. Dabei hat der Arbeitgeber auch Sorge dafür zu tragen, dass die entsprechenden Schutzvorrichtungen benutzt werden. Nicht selten passieren in der Praxis Unfälle, weil vorhandene Schutzvorrichtungen um des schnelleren Arbeitsablaufs willen umgangen werden. Schließlich ist der Arbeitgeber verpflichtet, die Arbeitnehmer über Sicherheits- und Gesundheitsschutz am Arbeitsplatz angemessen und ausreichend zu informieren. Wenig bekannt ist, dass sich der Arbeitgeber auch darum kümmern muss, dass seine Arbeitnehmer gesundheitsgefährdende Überanstrengungen vermeiden. Grundsätzlich muss ein Arbeitgeber, der seine Pflichten aus § 618 vorsätzlich oder fahrlässig verletzt, dem Arbeitnehmer daraus resultierende Gesundheitsschäden ersetzen. Soweit es sich allerdings um einen Arbeitsunfall im Sinne des Sozialgesetzbuches VII handelt, haftet er für Gesundheitsschäden nur bei vorsätzlichem Handeln.

124

5 Durchführung des Arbeitsverhältnisses

5.9

Haftungsfragen

5.9.1

Haftung des Arbeitnehmers gegenüber dem Arbeitgeber

Prinzipiell haftet der Arbeitnehmer für Schäden, die er dem Arbeitgeber im Rahmen seiner Tätigkeit zufügt, nach normalen Grundsätzen. Das bedeutet, er muss von ihm verursachte Schäden nach den §§ 280, 823 BGB ersetzen, soweit er sie fahrlässig oder vorsätzlich verursacht hat. Durch die Rechtsprechung wurde der Haftungsumfang allerdings erheblich begrenzt. Der tatsächliche Umfang der Haftung bestimmt sich nach dem Grad des Verschuldens, mit dem der Arbeitnehmer den Schaden verursacht hat. Hieraus ergibt sich folgende Haftungsverteilung:

Grad des Verschuldens Vorsatz

Leichte Fahrlässigkeit Keine Haftung

Mittlere Fahrlässigkeit Anteilige Haftung (Schadensteilung je nach Schadenshöhe, Versicherbarkeit, Gefahrgeneigtheit)

Grobe Fahrlässigkeit

Volle Haftung

Volle Haftung (u.U. Haftungsbegrenzung, wenn Missverhältnis zwischen Verdienst und Schadensrisiko)

Abb. 5-1: Übersicht: Haftungsverteilung

Mankohaftung

Einen Sonderfall stellt die so genannte „Mankohaftung“ des Arbeitnehmers dar. Dabei geht es um einen Schaden, den der Arbeitgeber dadurch erleidet, dass ein dem Arbeitnehmer anvertrauter Kassen- oder Warenbestand einen Fehlbetrag oder Fehlbestand aufweist. Grundsätzlich gelten auch hier die oben genannten Regeln. Allerdings ist es in diesem Fall zulässig, mit dem Arbeit-

5.9 Haftungsfragen

125

nehmer eine Mankoabrede zu treffen. Dann muss der Arbeitnehmer ohne Rücksicht auf ein etwaiges Verschulden für das Manko eintreten. Eine solche Vereinbarung muss klar und eindeutig sein. Insbesondere muss sie für den Arbeitnehmer einen angemessen finanziellen Ausgleich im Rahmen seiner Entlohnung vorsehen.

5.9.2

Haftung des Arbeitnehmers gegenüber Dritten

Schädigt der Arbeitnehmer bei Ausübung seiner Tätigkeit einen unbeteiligten Dritten, haftet er diesem nach den normalen Grundsätzen. Der Arbeitnehmer hat in diesen Fällen aber gegen den Arbeitgeber je nach Grad seines Verschuldens einen Freistellungsanspruch gem. § 670 BGB analog i.V.m. § 257 BGB bzw. einen Ersatzanspruch gem. § 670 BGB analog. D.h., bei leichter Fahrlässigkeit kann der Arbeitnehmer verlangen, dass der Arbeitgeber den Schaden in voller Höhe übernimmt und bei mittlerer Fahrlässigkeit anteilig.

5.9.3

Haftung des Arbeitnehmers gegenüber Arbeitskollegen

Verletzt der Arbeitnehmer bei der Arbeit einen Kollegen, ist zwischen Sachschäden und Personenschäden zu unterscheiden. Bei Personenschäden ist der Arbeitnehmer wegen § 105 SGB VII nur dann zum Ersatz verpflichtet, wenn er den Arbeitsunfall vorsätzlich herbeigeführt hat oder wenn der Arbeitsunfall bei der Teilnahme am allgemeinen Verkehr eingetreten ist. Für Sachschäden muss der Arbeitnehmer gegenüber seinem Arbeitskollegen grundsätzlich in voller Höhe einstehen. Je nach dem Grad seines Verschuldens hat der Arbeitnehmer – wie bei der Schädigung eines Dritten – einen Freistellungsanspruch gegen seinen Arbeitgeber.

5.9.4

Haftung des Arbeitgebers für Sachschäden

Soweit der Arbeitgeber seinen Arbeitnehmern schuldhaft Sachschäden zufügt, haftet er nach den normalen Grundsätzen. Darüber hinaus muss der Arbeitgeber aber aufgrund einer analogen Anwendung der §§ 670, 675 BGB auch sonstige Sachschäden ersetzen, die Arbeitnehmer im Zusammenhang mit ihrer Arbeit erleiden. Das gilt aber nur dann, wenn sich ein tätigkeitstypisches Risiko verwirklicht, nicht beim normalen Lebensrisiko. Praktisch relevant wird diese Haftung häufig bei dienstlichem Einsatz von Privatfahrzeugen. Der Arbeitgeber hat insoweit dem Arbeitnehmer den entstandenen Unfallschaden zu

126

5 Durchführung des Arbeitsverhältnisses

ersetzen, soweit der Schaden nicht von einer Versicherung gedeckt ist. Auch in diesem Rahmen kommen die oben genannten Grundsätze wiederum zum Tragen. Bei leichter Fahrlässigkeit des Arbeitnehmers haftet der Arbeitgeber voll, bei mittlerer Fahrlässigkeit anteilig und bei grober Fahrlässigkeit gar nicht. Selbstverständlich trifft den Arbeitgeber keine Ersatzpflicht, wenn der Arbeitgeber zur Abgeltung eventueller Schäden von vornherein eine erhöhte Vergütung zahlt wie z. B. Schmutz- oder Gefahrenzulagen.

5.10

Konfliktlösung

Gerichtliche Auseinandersetzungen sind häufig langwierig und teuer. Zudem sind Klagen innerhalb eines bestehenden Arbeitsverhältnisses eher selten. Ungelöste Konflikte verursachen aber bei den Beteiligten häufig Ängste und Aggressionen und führen u.U. zu einer destruktiven Arbeitsatmosphäre Zur Konfliktbehandlung sind verschiedene Möglichkeiten denkbar. Das reicht von der Streitvermeidung (Aussitzen, Rückzug) über die Streitbeendigung durch Macht bzw. Autorität (Versetzung auf eine andere Stelle, Zuweisung anderer Tätigkeiten oder Kündigung eines Mitarbeiters) bis hin zur Einschaltung eines Dritten zur Entscheidung des bestehenden Konflikts (Delegation). Ziel sollte aber nicht nur sein, einen einzelnen Konflikt zu beseitigen, sondern entstandene Konflikte kooperativen und kreativen Lösungen zuzuführen und damit neue Konflikte zu vermeiden. Das Arbeitsrecht kann der Einführung eines systematischen Konfliktmanagements jedenfalls sicher nicht entgegengehalten werden. Bei aller positiven Betrachtungsweise des Arbeitsrechts und seiner Konfliktlösungsverfahren, führen diese in der Regel nicht zur Beseitigung der Ursachen des Konflikts und sind häufig eher auf Konfrontation denn auf Kooperation angelegt. Es bietet sich also durchaus an, auf alternative Konfliktbeilegungsverfahren zurückzugreifen. Zumal diese häufig zu erheblich verkürzten Konfliktzeiten führen werden. Mediation

Eine der wichtigsten alternativen Methoden in diesem Zusammenhang ist die Mediation. Der Begriff „Mediation“ stammt aus dem Lateinischen und bedeutet „Vermittlung“. Bei der Mediation handelt sich um eine konsensuale Konfliktlösung, die von den Konfliktparteien eigenverantwortlich durch Verhandlungen und mit der Unterstützung eines unparteiischen Dritten, des Mediators, erarbeitet wird. Zentrales Element jeder Mediation ist, dass ein Interessenausgleich zwischen den Parteien angestrebt wird. Es soll eine so genannte „Win-

5.10 Konfliktlösung

127

Win“-Situation entstehen, die vor allem für die Zukunft ein weiteres Zusammenarbeiten sichern soll. Die Mediation verläuft in mehreren Stufen. Die erste Stufe dient dazu, das Verfahren der Mediation zu erklären und Verhandlungsregeln zu vereinbaren. In der zweiten Stufe erhält jede Partei zunächst Gelegenheit, den Konflikt aus ihrer Sicht zu schildern. Die Hauptaufgabe des Mediators besteht in dieser Phase darin, die unterschiedlichen Positionen, Sichtweisen und Anliegen der Parteien in bewertungsfreie Themen umzuformulieren. In der dritten Stufe geht es vor allem darum, den Focus von der Position der Parteien auf ihre Interessen zu lenken. In der vierten Stufe wird nach konkreten und kreativen Lösungen gesucht. Die gefundenen Lösungen werden bewertet und zusammengeführt. In der fünften Stufe werden schließlich einvernehmliche Lösungen schriftlich fixiert. Beim Mediationsverfahren werden allerdings kein Vorschlag und keine Entscheidung von außen vorgegeben. Die Aufgabe des Mediators besteht darin, die Beteiligten zu ihrer eigenen Lösung ihres Problems zu verhelfen. Die Mediation will vor allem das Funktionieren langfristiger Beziehungen sichern. Gerade im Arbeitsrecht bietet sie damit eine Möglichkeit, Konflikte zu lösen ohne das Arbeitsverhältnis zu belasten oder gar zu riskieren.90

90

Siehe ausführlich hierzu Denforder/Ponschab, Mediation und Konfliktmanagement in der Arbeitswelt in: Moll, Münchener Anwaltshandbuch Arbeitsrecht, 1. Aufl. 2005 § 77 Rn 1294.

6

Bezahlte Fehlzeiten

Grundsätzlich gilt im Arbeitsverhältnis, dass der Anspruch des Arbeitnehmers auf Vergütung entfällt, wenn er die versprochene Arbeitsleistung nicht erbringt. Von diesem Grundsatz gibt es eine Reihe praktisch wichtiger Ausnahmen.

6.1

Urlaub

Der Urlaub und seine Voraussetzungen sind im Bundesurlaubsgesetz (BUrlG) geregelt. Von den Vorschriften des Bundesurlaubsgesetzes darf arbeitvertraglich nur zugunsten des Arbeitnehmers abgewichen werden. D.h. der Arbeitnehmer kann auf seine Rechte aus dem BUrlG nicht wirksam verzichten.

6.1.1

Urlaubsanspruch

Nach § 1 BUrlG hat jeder Arbeitnehmer in jedem Kalenderjahr Anspruch auf bezahlten Erholungsurlaub. Voraussetzung für die Entstehung des Urlaubsanspruchs ist lediglich, dass das Arbeitsverhältnis wirksam bestanden hat. Es kommt also nicht darauf an, ob der Arbeitnehmer auch tatsächlich gearbeitet hat. Der volle Urlaubsanspruch entsteht also auch dann, wenn der Arbeitnehmer praktisch ununterbrochen krank war. Der gesetzlich vorgeschriebene Mindesturlaub beträgt 24 Werktage im Kalenderjahr. Dabei geht das Gesetz von 6 Werktagen in der Woche aus. Verteilt sich die Arbeitszeit des Arbeitnehmers auf weniger als sechs Arbeitstage in der Woche, vermindert sich die Anzahl der Urlaubstage entsprechend. Bei einer Fünf-Tage-Woche hat der Arbeitnehmer demnach 20 Arbeitstage Urlaub. Von dieser Berechnungsgrundlage wird allerdings in den meisten Tarif- und Arbeitsverträgen abgewichen und der Urlaubsanspruch in Arbeitstagen angegeben. Vor allem bei teilzeitbeschäftigten Mitarbeitern können sich bei der Umrechnung Bruchteile von Urlaubstagen ergeben. Diese sind entsprechend den Bruchteilen zu gewähren und werden weder auf, noch abgerundet.

Urlaubsdauer

130

6 Bezahlte Fehlzeiten

Sind darüber hinaus bei teilzeitbeschäftigten Mitarbeitern flexible Arbeitszeiten vereinbart, ist häufig eine Umrechnung auf Grundlage einer Arbeitswoche nicht möglich. Die Umrechnung erfolgt daher auf Grundlage des Kalenderjahres. Dabei geht man davon aus, dass bei einer Fünf-Tage-Woche 260 Tage im Jahr gearbeitet wird. Urlaubsberechnung bei flexibler Arbeitszeit In einem Unternehmen wird an 5 Tagen in der Woche gearbeitet. Die vollzeitbeschäftigten Arbeitnehmer haben laut Arbeitsvertrag 29 Arbeitstage Urlaub im Jahr. Die in Teilzeit Beschäftigte B. hat flexible Arbeitszeiten. Sie arbeitet im Jahr durchschnittlich an 200 Tagen. Für die B., die als Teilzeitbeschäftigte Anspruch darauf hat, wie ihre vollzeitbeschäftigten Kollegen behandelt zu werden, ergibt sich damit folgender Urlaubsanspruch: 29 ⋅ 200 = 22,30 260

B. hat also Anspruch auf 22,30 Urlaubstage Wartezeit

Der Arbeitnehmer kann nach § 4 BUrlG seinen vollen Urlaub erstmals beanspruchen, wenn das Beschäftigungsverhältnis sechs Monate ununterbrochen bestanden hat. Diese Wartezeit steht am Beginn jedes Arbeitsverhältnisses, also auch eines befristeten, einer Teilzeitbeschäftigung oder einer bloßen Aushilfe.

Teilurlaub

Arbeitnehmer, die wegen nicht erfüllter Wartezeit in dem Jahr ihrer Einstellung keinen vollen Urlaubsanspruch erwerben oder im Jahr des Ausscheidens in den ersten sechs Monaten wieder einbüßen, haben nach § 5 BUrlG Anspruch auf ein Zwölftel des Jahresurlaubs für jeden vollen Monat der Beschäftigung. Der Teilurlaubsanspruch beträgt pro vollem Beschäftigungsmonat 1/12 des vereinbarten Jahresurlaubs. Beim gesetzlichen Mindesturlaub von 20 Arbeitstagen sind das pro Monat 1,67 Tage. Der Gesamturlaubsanspruch muss auf volle Tage aufgerundet werden. Hat ein Arbeitnehmer, der nach Ablauf der Wartezeit ausscheidet, bereits mehr als den ihm zustehenden anteiligen Urlaub erhalten, so kann das dafür gezahlte Urlaubsentgelt nach § 5 Abs. 3 BUrlG nicht zurückgefordert werden. In einem neuen Arbeitsverhältnis entsteht dann aber nach § 6 Abs. l BUrlG insoweit kein Urlaubsanspruch, als dem Arbeitnehmer für das laufende Kalenderjahr bereits von dem früheren Arbeitgeber Urlaub gewährt worden ist.

6.1 Urlaub

6.1.2

131

Gewährung des Urlaubs

Den Zeitpunkt des Urlaubs legt der Arbeitgeber fest. Er hat dabei nach § 7 Abs. l BUrlG auf die Wünsche und Bedürfnisse der Arbeitnehmer Rücksicht zu nehmen, soweit nicht dringende betriebliche Erfordernisse oder die Wünsche anderer Arbeitnehmer unter sozialen Gesichtspunkten den Vorrang verdienen. „Dringend“ sind betriebliche Belange, wenn die Urlaubsgewährung für den Arbeitgeber zu einer erheblichen Beeinträchtigung des Betriebsablaufes führt. Dabei kommt es z. B. auf die konkrete Situation des Betriebes und die Bedeutung des Arbeitnehmers und der von ihm ausgeübten Tätigkeiten für den Betrieb an. Der Urlaubsgewährung können etwa personelle Engpässe in Saisonoder Messezeiten, plötzlich auftretende Produktionsnachfragen oder Jahresabschluss- und Inventurarbeiten entgegenstehen. Zu berücksichtigende soziale Gesichtspunkte können etwa sein das Lebensalter, die Dauer der Betriebszugehörigkeit, das Alter und die Anzahl von Kindern, Urlaub anderer Familienangehöriger, aber auch ein „bestehendes Erholungsbedürfnis“ oder Urlaubsregelungen in den vergangenen Jahren. Urlaub muss zwingend vom Arbeitgeber „gewährt“ werden. Ein Recht des Arbeitnehmers zur Selbstbeurlaubung und zum eigenmächtigen „Nehmen“ von Urlaub besteht nicht. Das gilt vor allem auch im gekündigten Arbeitsverhältnis während der Kündigungsfrist. Auch ein Mitarbeiter, der gekündigt hat, kann nicht eigenmächtig seinen „Resturlaub“ nehmen. Der Arbeitgeber kann – in Betrieben mit Betriebsrat mit dessen Mitwirkung – für einen bestimmten Zeitraum Betriebsferien oder eine Urlaubssperre festlegen. Besteht kein Betriebsrat, legt der Arbeitgeber Betriebsferien oder Urlaubssperren einseitig fest, hat dabei aber die Interessen der Arbeitnehmer insgesamt angemessen zu berücksichtigen und den betrieblichen Belangen gegenüberzustellen.

Betriebsferien/ Urlaubssperren

Hat der Arbeitgeber Urlaub einmal genehmigt, ist er daran gebunden. Er kann dies nur in absoluten Ausnahmefällen einseitig widerrufen. Dasselbe gilt für einen Rückruf des Arbeitnehmers aus dem Urlaub. Auch dieser ist nur in absoluten Ausnahmefällen möglich, etwa wenn nur ein sofortiges Eingreifen des Arbeitnehmers gravierende Schäden vom Unternehmen abwenden kann.

Rück- und Widerruf

Ruft der Arbeitgeber den Beschäftigten zurück oder widerruft er bereits erteilten Urlaub, kann der Betroffene vom Arbeitgeber Ersatz der ihm hierdurch entstehenden Kosten sowie Nachgewährung des nicht in Anspruch genommenen Urlaubs zu einem späteren Zeitpunkt verlangen. Ist der Urlaub genehmigt, kann auch der Beschäftigte die Abänderung des Termins nur im Einvernehmen mit dem Arbeitgeber erreichen.

Änderungswunsch des Mitarbeiters

132

6 Bezahlte Fehlzeiten

Urlaubsteilung

Wegen des Erholungszwecks soll eine Teilung des Urlaubs nach § 7 Abs. 2 BUrlG nur ausnahmsweise vorgenommen werden. Eine Teilung darf aus dringenden betrieblichen Gründen oder aufgrund von Belangen des Arbeitnehmers geschehen. Dabei sollte der Arbeitgeber darauf achten, dass der Beschäftigte mindestens zwei Wochen Urlaub am Stück erhält. Der darüber hinausgehende Urlaub kann unproblematische in kürzere Abschnitte aufgeteilt werden.

Übertragung von Urlaub

Urlaub ist grundsätzlich während des laufenden Kalenderjahres zu gewähren und zu nehmen. Wird er nicht bis zum 31. Dezember in Anspruch genommen, verfällt er.91 Wenn dringende betriebliche oder in der Person des Arbeitnehmers liegende Gründe es erfordern, kann der Urlaub nach § 7 Abs. 3 BurlG allerdings auf das folgende Jahr übertragen werden und ist dann bis spätestens 31.03. des laufenden Kalenderjahres zu nehmen. Selbstverständlich hat der Arbeitgeber die Freiheit, mit seinen Arbeitnehmern zu vereinbaren, diesen Zeitraum zu verlängern. In seiner neuesten Entscheidung vom 20. Januar 2009 hat der EuGH diese Regelung jedoch stark eingeschränkt.92 Bislang galt nach § 7 Abs. 3 S. 3 BUrlG, dass arbeitsunfähig erkrankte Arbeitnehmer, die ihre Tätigkeit nicht bis zum Ende des Übertragungszeitraumes wieder aufnehmen konnten, keinen Anspruch auf spätere Gewährung oder finanzielle Abgeltung des Urlaubs hatten. Der EuGH wendet hiergegen ein, der Anspruch auf bezahlten Jahresurlaub könne bei einem ordnungsgemäß krankgeschriebenen Arbeitnehmer nicht von der Voraussetzung abhängig gemacht werden, dass der Arbeitnehmer während des Bezugzeitraums gearbeitet habe. Ein Verlust des Anspruchs am Ende des Bezugszeitraums oder des Übertragungszeitraums käme nur dann in Betracht, wenn der betroffene Arbeitnehmer auch tatsächlich die Möglichkeit gehabt habe, seinen Urlaubsanspruch auszuüben. Arbeitnehmer, die während des gesamten Bezugzeitraumes oder über den Übertragungszeitraum hinaus krankgeschrieben seien, hätten diese Möglichkeit jedoch nicht. Ihre Ansprüche würden folglich auch nicht verfallen. Auf diese Weise können langzeiterkrankte Arbeitnehmer u.U. hohe Urlaubsansprüche aufbauen und so für den Arbeitgeber erhebliche Kosten verursachen. Es bleibt abzuwarten, wie die deutschen Gerichte mit der EuGH Entscheidung umgehen werden. Es erscheint aber durchaus möglich, dass künftig Urlaubsansprüche generell nur dann nach § 7 Abs. 3 S. 3 BUrlG verfallen, wenn der Arbeitnehmer den Urlaub aus von ihm zu vertretenden Gründen nicht rechtzeitig genommen oder geltend gemacht hat.

91

Zum Sonderfall, dass Urlaub wegen Elternzeit nicht genommen werden kann, siehe BAGUrteil vom 20.05.2008 – 9 AZR 219/07, NZA 2008, 1237.

92

EuGH, Urteil vom 20.01.2009 – C-350/06 und C-520/06 – http://curia.europa.eu/jurisp/cgibin/form.pl?lang=DE&Submit=rechercher&numaff=C-350/06, Stand 21.01.2009.

6.1 Urlaub

6.1.3

133

Krankheit während des Urlaubs

Erkrankt der Mitarbeiter im Urlaub und weist er seine Arbeitsunfähigkeit und deren Dauer durch ein ärztliches Attest nach, sind ihm die Krankheitstage nach § 9 BUrlG nicht auf den Urlaub anzurechnen. Die krank verbrachten Urlaubstage werden auf dem Urlaubskonto wieder gutgeschrieben. Der Arbeitnehmer darf aber nicht seinen Urlaub eigenmächtig um diese Tage verlängern. Die Festlegung des neuen Urlaubstermins ist Sache des Arbeitgebers. Dies gilt auch, wenn der Arbeitnehmer seine Krankheit selbst verschuldet hat; allerdings ist der Arbeitgeber in einem solchen Fall nicht zur Entgeltfortzahlung verpflichtet. Wird der Arbeitnehmer vor seinem geplanten Urlaub krank und dauert die Arbeitsunfähigkeit in den geplanten Urlaub hinein an, bleiben ihm seine Urlaubstage erhalten.

6.1.4

Urlaubsentgelt

Während des Erholungsurlaubs hat der Arbeitnehmer Anspruch auf Weiterzahlung seiner Vergütung, sog. Urlaubsentgelt. Das Urlaubsentgelt wird gem. § 11 Abs. l BUrlG nach dem durchschnittlichen Arbeitsverdienst der letzten 13 Wochen vor Beginn des Urlaubs errechnet, wobei Überstundenentgelte nicht berücksichtigt werden. Nach § 11 Abs. 2 BUrlG ist das Urlaubsentgelt vor Antritt des Urlaubs auszuzahlen. Das Urlaubsentgelt darf nicht mit einem besonderen Urlaubsgeld verwechselt werden. Dieses wird häufig kraft tarifvertraglicher Regelungen oder einzelvertraglicher Vereinbarungen gewährt. Hierbei handelt es sich um eine zusätzliche Leistung aus Anlass des Urlaubs.

6.1.5

Erwerbsverbot

Während des Urlaubs darf der Arbeitnehmer nach § 8 BUrlG keiner Erwerbstätigkeit nachgehen, die dem Erholungszweck widerspricht. Nicht untersagt sind alle Arbeiten, die nicht dem Erwerb dienen, für die der Arbeitnehmer also kein Entgelt erhält und dies auch nicht üblich ist – unabhängig davon, ob sie dem Erholungszweck widersprechen oder nicht. Der Arbeitnehmer darf also auch anstrengende Arbeiten, wie etwa die Renovierung des eigenen Hauses, ausführen. Die Übernahme einer Tätigkeit gegen Entgelt wäre dagegen eine Verletzung von Nebenpflichten aus dem Arbeitsvertrag.

Urlaubsgeld

134

6.1.6

6 Bezahlte Fehlzeiten

Urlaubsabgeltung

Eine Urlaubsabgeltung ist grundsätzlich unzulässig. Sie ist nach § 7 Abs. 3 und 4 BUrlG nur ausnahmsweise möglich, wenn wegen der Beendigung des Arbeitsverhältnisses eine Urlaubsgewährung ausgeschlossen ist. Ein Anspruch auf Urlaubsabgeltung entsteht aber auch dann, wenn der Arbeitgeber keinen Urlaub gewährt, obwohl der Arbeitnehmer seine Urlaubsansprüche geltend gemacht hat. Der Arbeitgeber gerät dann in Verzug und schuldet Urlaub bzw. Urlaubsabgeltung als Schadensersatz aus §§ 280, 286, 287 BGB.

6.1.7

Mitbestimmung des Betriebsrats

Der Betriebsrat hat mitzubestimmen bei der Aufstellung allgemeiner Urlaubsgrundsätze, der Aufstellung des Urlaubsplans sowie der Festsetzung der zeitlichen Lage des Urlaubs für einzelne Arbeitnehmer, wenn zwischen dem Arbeitgeber und den beteiligten Arbeitnehmern kein Einverständnis erzielt wird. Bei der Aufstellung allgemeiner Urlaubsgrundsätze geht es etwa um die Einführung von Betriebsferien. Über die Frage, ob es diese im Unternehmen geben soll, welche Zeitspanne sie umfassen und inwieweit der Urlaub in den Betriebsferien zu nehmen ist, hat sich der Arbeitgeber mit dem Betriebsrat zu verständigen. Urlaubssperren wegen erhöhten Arbeitsanfalls (z. B. Produktionsstoßzeiten) oder Urlaubsvertretungen fallen ebenfalls unter diesen Aspekt der Mitbestimmung.

6.2

Krankheit

„Kranke Mitarbeiter sind Arbeitgebern zu teuer“ heißt es über einem im Juli 2008 erschienen Artikel in „Die Welt-online“93. Und weiter „Nach Angaben der deutschen Wirtschaft kostet die Lohnfortzahlung im Krankheitsfall die Unternehmen rund 120 Milliarden Euro im Jahr.“ Auf der anderen Seite gehen kranke Mitarbeiter aus falsch verstandenem Pflichtgefühl oder Angst vor Arbeitsplatzverlust zur Arbeit, obwohl sie sich besser zu Hause erholen sollten.

93

http://www.welt.de/wirtschaft/article2256907/Kranke-Mitarbeiter-sind-Arbeitgebern-zuteuer.html, Stand: 13.01.2009.

6.2 Krankheit

6.2.1

135

Anspruch auf Entgeltfortzahlung

Grundsätzlich haben alle Arbeitnehmer, die infolge einer Krankheit arbeitsunfähig sind, nach § 3 Entgeltfortzahlungsgesetzes (EFZG) bis zu einer Dauer von sechs Wochen Anspruch auf Entgeltfortzahlung durch den Arbeitgeber. Der Anspruch auf Entgeltfortzahlung besteht allerdings erst, wenn das Arbeitsverhältnis vier Wochen ununterbrochen bestanden hat.

Grundsatz

Der Arbeitnehmer kann nur dann Entgeltfortzahlung beanspruchen, wenn ihn an der Erkrankung und der daraus folgenden Arbeitsunfähigkeit kein Verschulden trifft. Davon erfasst ist allerdings nur ein grobes Verschulden des Arbeitnehmers gegen sich selber. Das bedeutet, dass der Arbeitnehmer gegenüber dem Arbeitgeber nur für Vorsatz und grobe Fahrlässigkeit einstehen muss. Leichte Fahrlässigkeit gilt dagegen nicht als Verschulden i.S. des § 3 EFZG.

Verschulden

Kurzum, eine selbstverschuldete Erkrankung kann zum Ausschluss der Entgeltfortzahlung führen. Der Arbeitgeber muss dann darlegen und beweisen, dass die Erkrankung auf einem groben Verschulden des Arbeitnehmers beruht. Ob tatsächlich eine selbstverschuldete Erkrankung vorliegt, kann im Zweifel allenfalls durch einen Vergleich mit der bestehenden Rechtsprechung zu diesem Thema beurteilt werden. Der Arbeitsvertrag verpflichtet den Arbeitnehmer grundsätzlich nicht zu einem gesundheits- oder genesungsfördernden Verhalten. Der leichtfertige Umgang mit der Gesundheit kann deshalb für sich genommen keine arbeitsvertraglichen Sanktionen rechtfertigen.

Gesundheitsschädliches Verhalten

Der Arbeitnehmer darf selber bestimmen, wie er seine Freizeit verbringt. Deswegen kann ihm auch dann kein Vorwurf gemacht werden, wenn er eine gefahrenträchtige Sportart betreibt. Das gilt jedenfalls so lange, wie er seine Kräfte und Fähigkeiten nicht deutlich überschätzt und er die Regeln und Sicherheitsvorschriften der jeweiligen Sportart beachtet. Das gilt auch für allgemein als gefährlich eingestufte Sportarten wie Drachenfliegen, Fallschirmspringen, Skispringen und auch für verletzungsträchtige Sportarten wie Fußball, Inline Skating oder Boxen.

Sportunfälle

Wer aufgrund Alkohol- oder Drogenkonsums arbeitsunfähig wird, ohne alkoholabhängig oder drogensüchtig zu sein, handelt schuldhaft und hat keinen Anspruch auf Entgeltfortzahlung. Das dürfte in der Praxis allerdings nur eine untergeordnete Rolle spielen. Kaum ein Arbeitnehmer wird sich mit der Begründung krank melden, dass er einen Kater hat oder sich im Drogenrausch den Kopf angehauen hat. Alkohol- oder Drogensucht sind demgegenüber als Krankheiten anerkannt, bei denen in der Regel die Arbeitsunfähigkeit nicht selbstverschuldet ist.

Alkohol und Drogen

136 Verkehrsunfälle

6 Bezahlte Fehlzeiten

Hat ein Arbeitnehmer einen Verkehrsunfall grob fahrlässig verursacht und sich dabei verletzt, hat seine Arbeitsunfähigkeit verschuldet und verliert den Anspruch auf Entgeltfortzahlung.

6.2.2

Höhe der Entgeltfortzahlung

Der Arbeitnehmer erhält 100% des Entgelts, das er bekäme, wenn er nicht arbeitsunfähig wäre. Von der Entgeltfortzahlung ausgenommen ist das für Überstunden gezahlte Arbeitsentgelt. Berücksicht werden also folgende Vergütungsbestandteile: ! die effektiv gezahlten Grundbezüge, also Monatsgehalt, Wochen-, Tages-, Stunden- oder Akkordlohn; ! Zulagen für Nacht-, Sonntags- oder Feiertagsarbeit, für Gefahren oder Erschwernisse, wenn diese Zulagen ansonsten angefallen wären; ! vermögenswirksame Leistungen; ! Aufwendungsersatz, wenn die Aufwendungen auch während der Krankheit anfallen; ! die mutmaßlichen Provisionen für Empfänger von Provisionsfixa, Umsatzund Abschlussprovisionen; ! allgemeine Lohnerhöhungen oder Lohnminderungen. Nicht zum normalen Arbeitsentgelt gehören dagegen Zulagen oder Leistungen, wenn die damit abzugeltenden Aufwendungen im Falle der Arbeitsunfähigkeit nicht entstehen. Der Arbeitgeber kann Sondervergütungen auch für Zeiten der Arbeitsunfähigkeit kürzen, wenn das in einem Tarifvertrag, einer Betriebsvereinbarung oder einzelvertraglich vorgesehen ist. Die Kürzung darf nach § 4a EFZG für jeden Tag der Arbeitsunfähigkeit infolge Krankheit aber höchstens ein Viertel des Arbeitsentgelts, das im Jahresdurchschnitt auf einen Arbeitstag entfällt, betragen.

6.2.3

Meldepflicht und Nachweispflichten

Den Arbeitnehmer treffen im Falle der Krankheit nach § 5 EFZG verschiedene Anzeige- und Nachweispflichten. In erster Linie muss er die Arbeitsunfähigkeit und deren voraussichtliche Dauer unverzüglich, d.h. so schnell, wie es machbar und zumutbar ist, dem Arbeitgeber mitteilen. Dauert die Arbeitsunfähigkeit länger als drei Kalendertage, muss er spätestens am folgenden Arbeitstag eine ärztliche Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung vorlegen. Aus der Bescheinigung muss auch die voraussichtliche Dauer der Arbeitsunfähigkeit hervorgehen.

6.2 Krankheit

137

„Drei Kalendertage“ bedeutet, dass die Dreitagesfrist auch an Sonn- und Feiertagen und ggf. Samstagen läuft. Die Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung muss allerdings erst am „darauf folgenden Arbeitstag“ vorgelegt werden. Damit ist nicht der Arbeitstag des konkreten Arbeitnehmers gemeint. Entscheidend ist, ob im Betrieb gearbeitet wird. Relevant kann das insbesondere für teilzeitbeschäftigte Arbeitnehmer werden. „Vorlage“ bedeutet, der Arbeitgeber selber bzw. ein dafür zuständiger Mitarbeiter hat die Bescheinigung tatsächlich erhalten. Es genügt also auch nicht, die Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung einem Kollegen in die Hand zu drücken. Der Arbeitnehmer ist nicht verpflichtet, den Arbeitgeber über die Art der Erkrankung und die Krankheitssymptome zu unterrichten. Ist der Arbeitnehmer allerdings wegen derselben Krankheit mehrfach arbeitsunfähig geschrieben, muss er das dem Arbeitgeber mitteilen. Für die Praxis wichtig ist, dass der Arbeitgeber nach § 5 Abs. 1 S. 3 EFZG berechtigt ist, die Vorlage der ärztlichen Bescheinigung auch schon früher zu verlangen. Und zwar auch noch in dem Moment in dem der Arbeitnehmer seine Arbeitsunfähigkeit mitteilt. Dafür muss der Arbeitgeber keinen besonderen Grund haben oder gar nennen. Er muss allerdings wie bei jeder Maßnahme innerhalb seines Direktionsrechtes seine Entscheidung mit billigem Ermessen ausüben. Das bedeutet z. B. das Verlangen einer früheren Nachweispflicht darf sich nicht als Schikane eines einzelnen Arbeitnehmer darstellen. Ein Mitbestimmungsrecht des Betriebsrates besteht insoweit nicht.

Frühere Nachweispflicht

Eine frühere Vorlage kann auch bereits im Arbeitsvertrag einzelvertraglich oder in Betriebsvereinbarungen vereinbart werden. Um Ungleichbehandlungen von vornherein zu vermeiden, bieten sich ggf. mitbestimmungspflichtige betriebliche Regelungen an, welche die Voraussetzungen für eine solche „vorgezogene“ Nachweispflicht im Vorfeld festlegen. Erkrankt ein Arbeitnehmer im Ausland (z. B. im Urlaub), ist er nach § 5 Abs. 2 EFZG verpflichtet, dem Arbeitgeber unverzüglich die Arbeitsunfähigkeit, deren voraussichtliche Dauer und den genauen Aufenthaltsort schnellstmöglich mitzuteilen. Dauert die Arbeitsunfähigkeit länger als drei Kalendertage, so muss der Arbeitnehmer auch aus dem Ausland eine ärztliche Bescheinigung über die Arbeitsunfähigkeit unverzüglich vorlegen.

Krankheit im Ausland

Wer es versäumt, eine Arbeitsunfähigkeit seinem Arbeitgeber mitzuteilen, verstößt gegen eine grundlegende arbeitsvertragliche Pflicht. Zeigt der Arbeitnehmer dem Arbeitgeber die Arbeitsunfähigkeit verspätet an, hat dies zunächst keinen Einfluss auf die Entgeltfortzahlung. Solange allerdings der Arbeitnehmer seiner gesetzlichen Pflicht zur Vorlage der ärztlichen Bescheinigung nicht nachkommt, ist der Arbeitgeber nach § 7 EFZG berechtigt, die Entgeltfortzahlung insgesamt zu verweigern. Legt der Arbeitnehmer die ärztliche Bescheinigung über die Arbeitsunfähigkeit irgendwann später jedoch noch vor, hat er rückwir-

Verletzung der Pflichten

138

6 Bezahlte Fehlzeiten

kend wieder Anspruch auf Entgeltfortzahlung ab dem ersten Tag der Arbeitsunfähigkeit. Kommt der Arbeitnehmer mehrfach seinen Anzeige- und Nachweispflichten nicht nach, sollte diese Vertragsverletzung abgemahnt werden.

6.2.4

Zweifel an der Arbeitsunfähigkeit

Nach dem ersten Anschein ist zunächst davon auszugehen, dass eine ärztliche Bescheinigung inhaltlich richtig ist. Das gilt aber nur so lange, wie keine begründeten, ernsthaften Zweifel an ihrer Richtigkeit bestehen. Ist das Vertrauen in die Richtigkeit der Bescheinigung nachvollziehbar erschüttert, muss wiederum der Arbeitnehmer beweisen, dass er tatsächlich krank war. Gründe für die Zweifel

Die Rechtsprechung hat hierzu eine Reihe von Fallgestaltungen entschieden: ! Der Arbeitnehmer erklärt, er werde krank, wenn der Arbeitgeber ihm den Urlaub nicht verlängert. ! Der Arbeitnehmer geht während einer attestierten Arbeitsunfähigkeit schichtweise einer Nebenbeschäftigung bei einem anderen Arbeitgeber nach. ! Ein Arbeitnehmer verrichtet während einer Arbeitsunfähigkeit private Tätigkeiten, deren Vornahme mit der ärztlich bescheinigten Arbeitsunfähigkeit nicht vereinbar ist. ! Ein Arbeitnehmer verbleibt im Anschluss an seinen in der Heimat verbrachten Urlaub wiederholt aufgrund behaupteter Arbeitsunfähigkeit in seiner Heimat. ! Die Erteilung der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung erfolgte nach nur telefonischer Rücksprache. ! Ankündigung einer Erkrankung durch den Arbeitnehmer. ! Erkrankung nach Ablehnung eines Urlaubsantrages im beantragten Urlaubszeitraum. ! Wiederholte gemeinsame und gleichzeitige Erkrankung von Ehegatten nach Urlaubende. ! Nichtbefolgung einer Vorladung zur vertrauensärztlichen Untersuchung. ! Strapaziöse sportliche Betätigungen während der Krankheit. ! Häufige Arbeitsunfähigkeit am Freitag oder am Montag. Noch wichtiger erscheint, welche Tatsachen nicht geeignet sind, um den Beweiswert einer Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung zu beseitigen: ! ! ! !

Abwesenheit des Arbeitnehmers von seiner Wohnung. Spaziergänge oder leichte sportliche Betätigung. Besorgungs- oder Einkaufsgänge des Arbeitnehmers. Häufiger Arztwechsel. Es sei denn, es werden innerhalb kurzer Zeit mehrere Bescheinigungen vorgelegt, die jedes Mal von einem anderen Arzt stammen und stets eine „Ersterkrankung“ ausweisen.

6.2 Krankheit

139

Hierbei ist daran zu denken, dass der Arbeitnehmer gegenüber dem Arbeitgeber keine Verpflichtung zu gesundheitsförderndem Verhalten hat. Hat der Arbeitgeber Zweifel an der Arbeitsunfähigkeit seines Arbeitnehmers, sollte er auf jeden Fall in einem ersten Schritt mit dem Arbeitnehmer reden. Dabei sollte er ihn auf die Gründe für seine Zweifel hinweisen und um entsprechende Erklärung bitten. Allerdings ist der Arbeitnehmer berechtigt, ein solches Gespräch und insbesondere Auskünfte über seinen Gesundheitszustand zu verweigern. Besteht der begründete Verdacht, dass der Arbeitnehmer gar nicht krank ist weiter, muss wiederum der Arbeitnehmer beweisen, dass eine Arbeitsunfähigkeit vorliegt. Bis dahin kann der Arbeitgeber die Entgeltfortzahlung verweigern.

Gespräch mit dem Arbeitnehmer

Nach § 275 Abs. 1 Nr. 3 Buchst b) SGB V hat der Arbeitgeber die Möglichkeit, die Krankenkasse zu unterrichten und sie zur Einschaltung des Medizinischen Dienstes auffordern, soweit der Arbeitnehmer gesetzlich versichert ist. Dieser hat die Aufgabe, bei Zweifeln an der Arbeitsunfähigkeit ein medizinisches Gutachten abzugeben. § 275 Abs. 1 a SGB V sieht vor, dass die Prüfung der Krankenkasse unverzüglich nach Vorlage der ärztlichen Feststellung über die Arbeitsunfähigkeit zu erfolgen hat. Zweifel an der Richtigkeit von Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen sind danach insbesondere dadurch begründet, dass der Arbeitnehmer

Einschaltung des Medizinischen Dienstes

a) auffällig häufig oder auffällig häufig nur für kurze Dauer arbeitsunfähig ist oder der Beginn der Arbeitsunfähigkeit häufig auf einen Arbeitstag am Beginn oder Ende einer Woche fällt oder b) dass das Attest von einem Arzt kommt, der durch die Häufigkeit der von ihm ausgestellten Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen auffällig geworden ist. Wenn Tatsachen dringende Zweifel an der Arbeitsunfähigkeit begründen, besteht damit auch der Verdacht einer Verletzung arbeitsvertraglicher Pflichten durch den Arbeitnehmer. In diesem Fall hat das Interesse des Arbeitgebers an der Aufklärung des Sachverhalts den Vorrang gegenüber dem Interesse des Arbeitnehmers am Schutz seiner Privatsphäre. Es ist daher auch zulässig, wenn der Arbeitgeber zur Aufklärung des Verdachts Nachforschungen anstellt oder Detektive beauftragt.

Kontrollen

Immer mehr Arbeitgeber interessieren sich für die Krankheitsursachen ihrer Mitarbeiter. Der Arbeitgeber hat das Recht, den Arbeitnehmer nach der Rückkehr zur Arbeit zu einem Gespräch aufzufordern, um seine gesundheitliche Situation und ihre Auswirkungen auf das Arbeitsverhältnis zu klären. Der Arbeitnehmer ist verpflichtet, zu dem Gesprächstermin zu erscheinen. Auf seinen Wunsch ist ein Mitglied des Betriebsrats hinzuzuziehen. Verweigert der Arbeitnehmer ein solches Gespräch, kann dies ein Grund für eine Abmahnung sein.

Rückkehrgespräche

140 Stufenweise Wiedereingliederung

6 Bezahlte Fehlzeiten

Kann ein arbeitsunfähig erkrankter Arbeitnehmer trotz seiner Krankheit seine Tätigkeit teilweise verrichten und verbessert voraussichtlich eine stufenweise Wiederaufnahme der Tätigkeit die Eingliederung in das Erwerbsleben, so soll der Arzt nach § 74 SGB V auf der ärztlichen Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung Art und Umfang der der Wiedereingliederung dienlichen Tätigkeit angeben. Dazu soll ggf. die Stellungnahme des Betriebsarztes oder mit Zustimmung der Krankenkasse die Stellungnahme des Medizinischen Dienstes eingeholt werden.

6.2.5

Arbeitsrückkehr vor Ende der „Krankschreibung“?

Die Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung des Arztes ist kein Beschäftigungsverbot. Sie bedeutet nur, dass der Arbeitnehmer, während der attestierten Dauer der Arbeitsunfähigkeit nicht arbeiten muss. Der Arbeitnehmer darf also selber entscheiden, ob er sich fit genug fühlt, zu arbeiten. Auf Grund der Fürsorgepflicht des Arbeitnehmers sollte dieser aber auf jeden Fall prüfen, ob der Arbeitnehmer aus seiner Sicht den Eindruck macht, arbeiten zu können. Hat der Arbeitgeber Zweifel daran, dass der Arbeitnehmer fit genug ist, um zu arbeiten, sollte er den Arbeitnehmer auffordern, seinen Arzt aufzusuchen und sich die Wiederherstellung der Arbeitsfähigkeit bescheinigen zu lassen. Aber Vorsicht: Die Arbeitsunfähigkeit eines Arbeitnehmers endet mit dem in der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung bescheinigten Zeitraum. Der Arbeitgeber darf nach Ablauf der Bescheinigung die Annahme der vom Arbeitnehmer angebotenen Arbeitskraft ohne Hinzutreten besonderer Umstände nicht von der Vorlage einer „Gesundschreibung“ abhängig machen.

6.2.6

Arbeitsunfähigkeit durch Drittverschulden

Wurde die Arbeitsunfähigkeit schuldhaft durch einen Dritten verursacht, ist der Arbeitgeber trotzdem zur Entgeltfortzahlung verpflichtet. Der Anspruch des Arbeitnehmers auf Schadensersatz wegen Verdienstausfalls gegen den Dritten geht aber nach § 6 EFZG auf den Arbeitgeber in der Höhe über, in der der Arbeitgeber selbst Entgeltfortzahlung leistet.

6.3 Eltern- und Pflegezeit

6.3

Eltern- und Pflegezeit

6.3.1

Elternzeit

141

Nach § 15 Bundeselterngeld- und Elternzeitgesetzes (BEEG) haben Arbeitnehmer, denen die Personensorge für ein Kind zusteht, vom Tage der Geburt des Kindes bis zur Vollendung seines 3. Lebensjahres Anspruch auf Elternzeit. Der Anspruch kann von bis zu 12 Monaten mit Zustimmung des Arbeitgebers auf die Zeit bis zur Vollendung des 18. Lebensjahres übertragen werden. Die Elternzeit muss gemäß § 16 BEEG mit schriftlichem Antrag spätestens sieben Wochen vor dem Zeitpunkt der geplanten Inanspruchnahme geltend gemacht werden. Die Rechte und Pflichten des Arbeitgebers finden sich vor allem in § 15 Abs. 5–7 und 17 BEEG. Danach muss einer Teilzeittätigkeit im Rahmen von 15–30 Stunden pro Woche zugestimmt werden, wenn

Rechte und Pflichten des Arbeitgebers

! das Arbeitsverhältnis länger als 6 Monate besteht, ! mehr als 15 Arbeitnehmer beschäftigt werden ! und keine dringenden betrieblichen Gründe entgegenstehen. Nach Abs. 4 ist eine Teilzeiterwerbstätigkeit bis zu höchsten 30 Wochenstunden auch bei einem anderen Arbeitgeber zulässig, wenn der bisherige Arbeitgeber zustimmt. Die Zustimmung darf wiederum nur innerhalb von vier Wochen und nur aus dringenden betrieblichen Gründen verweigert werden. Der Arbeitgeber kann nach § 17 BEEG den Erholungsurlaub für jeden Monat Erziehungsurlaub um 1/12 kürzen. Nach § 21 BEEG kann für die Dauer der Elternzeit ein anderer Arbeitnehmer als Vertretung befristet beschäftigt werden. Zwar sind die gegenseitigen Pflichten aus dem Arbeitsverhältnis suspendiert, das Arbeitsverhältnis selber besteht aber fort. Deswegen besteht nach § 18 BEEG Sonderkündigungsschutz. Das bedeutet, der Arbeitgeber kann das Arbeitsverhältnis während der Elternzeit nur nach Zustimmung der für den Arbeitsschutz zuständigen obersten Landesbehörde kündigen. Demgegenüber muss der Arbeitnehmer nach § 19 BEEG bei einer Kündigung zum Ende der Elternzeit eine Kündigungsfrist von 3 Monaten einhalten.

6.3.2

Pflegezeit

Am 28. Mai 2008 ist das neue Pflegezeitgesetz (PflegeZG) in Kraft getreten. Da nach Expertenmeinung die Zahl der Pflegebedürftigen in den nächsten

Auswirkungen

142

6 Bezahlte Fehlzeiten

Jahren drastisch ansteigen wird, wird das Gesetz für die betriebliche Praxis zunehmend an Bedeutung gewinnen. Das Pflegezeitgesetz sieht für die Arbeitnehmer folgende Möglichkeiten vor: Bei unerwartetem Eintritt einer besonderen Pflegesituation haben Arbeitnehmer das Recht, kurze Zeit der Arbeit fern zu bleiben, um die sofortige Pflege eines nahen Angehörigen sicherzustellen (kurzzeitige Arbeitsverhinderung). Zu einer längeren Pflege in häuslicher Umgebung können berufstätige Angehörige von pflegebedürftigen Personen durch eine vollständige oder teilweise Freistellung von der Arbeit bis zur Dauer von sechs Monaten den Umfang ihrer Erwerbstätigkeit dem jeweiligen Pflegebedarf anpassen (Pflegezeit). Kurzzeitige Freistellung

Nach § 2 PflegeZG müssen Arbeitnehmer kurzfristig bis zu zehn Tage von der Arbeit frei gestellt werden, wenn ein Pflegefall plötzlich auftritt. Es muss sich um eine Pflegebedürftigkeit zumindest der „Pflegestufe 1“ handeln, wobei die Pflegebedürftigkeit des Angehörigen nur „voraussichtlich“ bestehen muss. Die Freistellung des Beschäftigten zur Pflege des Angehörigen muss „erforderlich“ sein. Ein Anspruch auf Freistellung nach § 2 PflegeZG besteht also nicht, wenn die Pflege durch andere Personen organisiert oder geleistet werden kann. Dies gilt auch, wenn der pflegende Angehörige in so geringem Umfang beschäftigt ist, dass sich die Pflege mit seiner beruflichen Tätigkeit ohne weiteres vereinbaren lässt. Der Arbeitgeber kann eine ärztliche Bescheinigung verlangen, aus der sich die voraussichtliche Pflegebedürftigkeit des nahen Angehörigen sowie die Notwendigkeit ergibt, eine angemessene Pflege zu organisieren oder selbst sicherzustellen. Einen Freistellungsanspruch haben nur nahe Angehörige, d. h. vor allem Ehegatten, Lebenspartner oder Partner einer eheähnlichen Gemeinschaft, Geschwister, Eltern, Schwiegereltern und Großeltern sowie Kinder, nicht aber z. B. Onkel und Tanten des Pflegebedürftigen.

Entgeltregelung

Interessanterweise regelt das Pflegezeitgesetzt die Entgeltfortzahlung in diesen Fällen nicht. Theoretisch müsste der Vergütungsanspruch daher zunächst entfallen. Eine Pflicht zur Entgeltfortzahlung kann sich allerdings aus anderen Regelungen ergeben. In Betracht kommen hierfür §§ 616 S. 1 BGB, 19 I Nr. 2 lit. b) BBiG, Tarifverträge, Betriebsvereinbarungen oder auch einzelne Arbeitsverträge. Aus § 616 BGB ergibt sich ein Anspruch auf Fortzahlung der Vergütung bei vorübergehender, vom Arbeitnehmer nicht zu vertretender Verhinderung. Der Angehörigenbegriff des § 616 S. 1 BGB ist deutlich enger als der des § 7 Abs. 3 PflegeZG. Er erfasst nur Ehepaare, Eltern, Abkömmlinge, Geschwister und Lebenspartner. Dazu kommt, dass § 616 BGB im Arbeitsvertrag ausgeschlossen werden kann. Es besteht also die Möglichkeit, mit dem Arbeitnehmer im Arbeitsvertrag zu vereinbaren, dass im Falle einer kurzfristigen Freistellung nach § 2 PflegeZG kein Lohn bezahlt werden muss.

6.4 Sonstige Freistellungen

143

Arbeitnehmer haben nach § 3 PflegeZG außerdem einen Anspruch, sich für bis zu sechs Monate ohne Lohn- und Gehaltszahlung von der Arbeit freistellen zu lassen, um einen Angehörigen zu pflegen. Voraussetzung hierfür ist u. a., dass der Arbeitgeber über mehr als fünfzehn Arbeitnehmer verfügt. Die Pflegebedürftigkeit muss durch entsprechende Bescheinigung nachgewiesen werden. Außerdem ist die Inanspruchnahme der Pflegezeit mit einer Vorlaufzeit von zumindest zehn Tagen schriftlich anzukündigen und dem Arbeitgeber muss mitgeteilt werden, über welchen Zeitraum und in welchem Umfang die Pflegezeit in Anspruch genommen werden soll. Nimmt der Arbeitnehmer Pflegezeit zunächst nur in geringerem Umfang als sechs Monate in Anspruch, so kann er eine Verlängerung nur verlangen, wenn der Arbeitgeber dem zustimmt oder ein eigentlich vorgesehener Wechsel in der Person des Pflegenden aus einem wichtigen Grund nicht erfolgen kann.

Pflegezeit

Während der Pflegezeit und einer kurzzeitigen Arbeitsverhinderung besteht ein besonderer Kündigungsschutz. Eine Kündigung darf nach § 5 PflegeZG erst nach Zustimmung der obersten Landesbehörde ausgesprochen werden.

Kündigungsschutz

Nicht geregelt ist, wie sich die Pflegezeit auf Urlaubsansprüche auswirkt. Offen ist auch, welche Auswirkungen eine Pflegezeit auf vom Arbeitgeber zu leistende Sonderzahlungen hat.

Offene Fragen

6.4

Sonstige Freistellungen

Ein Arbeitnehmer hat nach § 616 BGB bei einer persönlichen Arbeitsverhinderung Anspruch auf Entgeltfortzahlung, wenn er unverschuldet für eine verhältnismäßig nicht erhebliche Zeit durch einen in seiner Person liegenden Grund an der Arbeitsleistung verhindert ist. § 616 erfasst nicht nur die Fälle der tatsächlichen Unmöglichkeit zu arbeiten, sondern auch die Fälle, in denen es dem Arbeitnehmer aus übergeordneten rechtlich und sittlichen Gesichtspunkten nicht zumutbar ist, zu arbeiten. Es findet also wieder – wie so oft im Arbeitsrecht – eine Abwägung zwischen den Interessen des Arbeitnehmers und denen des Arbeitgebers statt. Die Hinderungsgründe müssen in der Person des Arbeitnehmers liegen. Objektive Hindernisse, Glatteis auf dem Weg zur Arbeit oder der Ausfall öffentlicher Verkehrsmittel, zählen nicht hierzu. Zu den anerkannten Verhinderungsgründen des § 616 zählen z. B.: ! eigene standesamtliche oder kirchliche Hochzeit, ! besondere Familienereignisse (Goldhochzeit der Eltern, Geburten sowie Kommunion- und Konfirmationsfeiern der Kinder, Todesfälle und Begräbnisse von Eltern, Geschwistern, Ehegatten oder Kindern), ! aber auch persönliche Unglücksfälle wie Einbruch oder Brand,

144

6 Bezahlte Fehlzeiten

! Arztbesuche, die medizinisch notwendig und außerhalb der Arbeitszeit nicht möglich sind. Ist der Arbeitnehmer aber akut krank, kommt das EFZG zur Anwendung. ! schwerwiegende unvorhergesehene Erkrankung naher Angehöriger, ! Wahrnehmung öffentlicher, politischer oder religiöser Ämter und Pflichten für nicht erhebliche Zeit, die nicht außerhalb der Arbeitszeit erfüllt werden kann (z. B. Laienrichteramt), ! Umzug mit dem eigenen Hausstand oder ! Versagen des eigenen Fahrzeugs oder unverschuldeter Unfall auf dem Weg zur Arbeit. Für die Ermittlung der „nicht erheblichen Zeit“ kommt es auf die Umstände des Einzelfalles an. Einzubeziehen sind etwa: das Verhältnis der Zeit der Arbeitsverhinderung zur Gesamtdauer des Arbeitsverhältnisses, die Länge der Kündigungsfrist und die für die Arbeitsverhinderung objektiv notwendige Zeit. Für das Verschulden gilt derselbe Maßstab wie bei der Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall. Der Anspruch aus § 616 BGB kann allerdings sowohl durch einen Tarifvertrag, als auch durch einen einzelnen Arbeitsvertrag eingeschränkt oder ausgeschlossen werden.

6.5

Annahmeverzug und Betriebsrisiko

6.5.1

Annahmeverzug

Der Arbeitnehmer behält nach § 615 S. 1 BGB auch dann seinen Anspruch auf Vergütung, obwohl er nicht gearbeitet hat, wenn sich der Arbeitgeber im Annahmeverzug befindet. Das ist der Fall, wenn der Arbeitnehmer seine Arbeitsleistung ordnungsgemäß und rechtzeitig anbietet, der Arbeitgeber das Angebot aber nicht annimmt. Praktisch relevant wird das insbesondere in Fällen der unwirksamen Kündigung. Häufig wird nach erfolgter Kündigung und Ablauf der Kündigungsfrist die Arbeitsleistung des Arbeitnehmers auch dann nicht mehr angenommen, wenn dieser Kündigungsschutzklage erhoben hat. Stellt das Arbeitsgericht dann fest, dass diese Kündigung unwirksam ist, befindet sich der Arbeitgeber in Annahmeverzug und muss für die vergangene Zeit die Vergütung bezahlen. Der Arbeitnehmer muss sich nach § 615 S. 2 BGB auf seinen Vergütungsanspruch allerdings das anrechnen lassen, was er durch den Wegfall der Arbeitsleistung erspart oder durch anderweitige Arbeit erwirbt oder zu erwerben böswillig unterlässt. Wie das folgende Beispiel zeigt, kann das praktisch durchaus relevant werden.

6.5 Annahmeverzug und Betriebsrisiko

145

Ablehnung einer anderen, nicht vertragsgemäßen Arbeit94 Im Unternehmen des U wurde der einzige LKW des Betriebes gestohlen. U entschied daraufhin, anfallende Transporte künftig durch Spediteure durchführen zu lassen. Er erklärte daher gegenüber dem bisher als LKWFahrer eingesetzten Arbeitnehmer eine ordentliche Änderungskündigung mit einer Kündigungsfrist von sieben Monaten und bot eine Tätigkeit im Restholzbereich an. Gleichzeitig ordnete U während des Laufs der Kündigungsfrist eine Tätigkeit des Arbeitnehmers im Restholzbereich an, ohne dass seine Versetzung in diesen Bereich rechtswirksam möglich war. Der Arbeitnehmer weigerte sich daher, während des Laufs der Kündigungsfrist der Weisung nachzukommen und bestand auf seine vertragsgemäße Beschäftigung. Er erschien weiter täglich zur Arbeit und bot die Arbeitsleistung als LKW-Fahrer tatsächlich an. Der Arbeitnehmer machte vor dem BAG geltend, ihm stehe der volle Lohnanspruch zu, obwohl er sich geweigert habe, im Restholzbereich zu arbeiten. Bietet der Arbeitgeber objektiv vertragswidrige Arbeit an, sind im Hinblick auf § 615 S. 2 BGB die Art dieser Arbeit und die sonstigen Bedingungen im Vergleich zu der bisherigen Arbeit zu prüfen. Das Maß der gebotenen Rücksichtnahme beim Arbeitnehmer hängt davon ab, aus welchen Gründen der Arbeitgeber keine vertragsmäßige Arbeit anbietet. Bestehen für die Änderung dringende Gründe, handelt der Arbeitnehmer nicht rücksichtsvoll, wenn er die Arbeit allein deswegen ablehnt, weil sie nicht vertragsgemäß ist. Die Gründe des Arbeitgebers für die Zuweisung und die Gründe des Arbeitnehmers für die Ablehnung der neuen Arbeit sind gegeneinander abzuwägen. Kurzum, im vorliegenden Fall hätte der Arbeitnehmer die ihm zugewiesene Tätigkeit ausüben müssen.

6.5.2

Betriebsrisiko

Nach § 615 Satz 3 BGB trägt der Arbeitgeber das Risiko für das Funktionieren seine Betriebes. D.h. er muss auch dann den Lohn bezahlen, wenn aus betrieblichen Gründen nicht gearbeitet werden kann. Hierzu gehören z. B. Stromausfall, Brand, Erdbeben, Überschwemmungen, Mangel an Rohstoffen oder Defekt einer Maschine.

6.5.3

Ausschluss der Regelungen

§ 615 S. 1 BGB kann sowohl durch den einzelnen Arbeitsvertrag als auch durch kollektivrechtliche Vereinbarungen ausgeschlossen werden. Die ent94

BAG, Urteil vom 07.02.2007 – 5 AZR 422/06, NZA 2007, 561.

146

6 Bezahlte Fehlzeiten

sprechenden Klauseln unterliegen allerdings der Inhaltskontrolle für Allgemeine Geschäftbedingungen nach §§ 305 ff. Die Vereinbarungen müssen deshalb eindeutig und klar sein und dürfen den Arbeitnehmer nicht unangemessen benachteiligen. Die Formulierung „Lohn wird nur für geleistete Arbeit bezahlt“ reicht hierfür nicht aus. Eine unangemessene Benachteiligung liegt etwa vor, wenn der vertragliche Ausschluss des Anspruchs dazu führt, dass der Arbeitnehmer auch in Fällen einer unwirksamen Arbeitgeberkündigung keinen Lohnanspruch hat. Ausgeschlossen sein dürfte auch ein arbeitsvertraglicher Ausschluss des Annahmeverzugslohnanspruchs in den Fällen, in denen der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer aufgrund betrieblicher oder wirtschaftlicher Störungen, insbesondere wegen Auftragsmangels, keine Arbeit zuweisen kann. Risiko des Arbeitsausfalls bei witterungsabhängigem Unternehmen95 Der Arbeitgeber betreibt einen Zement- und Baustoffhandel. Der Arbeitnehmer ist dort als LKW-Fahrer beschäftigt. In den Monaten Dezember bis Februar schränkt der Arbeitgeber die Betriebstätigkeit witterungsbedingt aus Gründen der Wirtschaftlichkeit ein. Für diesen Zeitraum wird der Arbeitnehmer nicht beschäftigt. Der Arbeitgeber teilt ihm mit, er werde seine Arbeitskraft bei Bedarf abrufen, spätestens im März des Folgejahres. Im Arbeitsvertrag ist ein solches Vorgehen vorgesehen. Der Arbeitnehmer erhält keinen regulären Lohn, sondern lediglich eine über ein Zeitarbeitskonto aufgesparte Vergütung. Er macht Lohnzahlung für die Monate Dezember bis Februar gerichtlich geltend. Das BAG sprach dem Arbeitnehmer den geltend gemachten Vergütungsanspruch zu. Das Arbeitsverhältnis wurde weder befristet, noch haben die Parteien ein Ruhen beschlossen. Entsprechende Willenserklärungen der Parteien sind nicht zu erkennen. Auch wurde keine Abrufarbeit wirksam vereinbart. Die entsprechende Vereinbarung im Arbeitsvertrag ist vorliegend gem. § 307 Abs. 1 S.1 BGB unwirksam, da sie den Arbeitnehmer hier unangemessen benachteiligt. Das Risiko des witterungsbedingten Arbeitsausfalls trägt gem. § 615 S. 3 BGB grundsätzlich der Arbeitgeber. Dies gilt auch dann, wenn der Arbeitsbedarf allein auf Grund der Entscheidung des Arbeitgebers, den Betrieb aus wirtschaftlichen Gründen in den Wintermonaten einzuschränken, entfällt.

95

BAG, Urteil vom 09.07.2008 – 5 AZR 810/07, NZA 2008, 1407.

7

Personalfreisetzung

7.1

Aufhebungsverträge

Aufgrund der Vertragsfreiheit können Arbeitsverhältnisse ebenso aufgelöst werden, wie sie geschlossen wurden: durch Vertrag. Enthält der Vertrag eine Vereinbarung, dass das Arbeitsverhältnis einvernehmlich beendet werden soll, handelt es sich um einen Aufhebungsvertrag. Geht dem Vertrag eine Kündigung voraus und regelt der Vertrag dann das weitere Vorgehen zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer, handelt es sich um einen so genannten Abwicklungsvertrag. Ein Aufhebungsvertrag bietet für den Arbeitgeber eine Reihe von Vorteilen. Im Aufhebungsvertrag müssen z. B. weder Kündigungsschutz noch Kündigungsfristen beachtet werden. Das gilt selbst für besondere Schutzgesetze wie z. B. SGB IX, MuSchG, BEEG. Vor allem erspart er beiden Seiten lange und aufwändige rechtliche Auseinandersetzungen. Allerdings unterliegen Aufhebungsverträge auch einer strengen rechtlichen Kontrolle. Sie sollten daher grundsätzlich auch von Arbeitgeberseite nicht übereilt, sondern nur nach sorgfältiger Prüfung abgeschlossen werden. Inhalt Im Aufhebungsvertrag können alle Regelungen, die die Beendigung des Arbeitsverhältnisses betreffen, weitgehend frei ausgehandelt werden. Hierzu gehören insbesondere Regelungen über Urlaubsabgeltung, bezahlte Freistellungen und natürlich die Zahlung einer Abfindung. Für den Abschluss von Aufhebungsverträgen gilt dasselbe wie für den Abschluss von Arbeitsverträgen: allgemeine Muster sind nur eingeschränkt verwertbar. Auch ein Aufhebungsvertrag sollte genau auf das jeweilige Arbeitsverhältnis und seine konkreten Anforderungen zugeschnitten werden. Insbesondere sollte darauf geachtet werden, alle relevanten Punkte auch zu regeln. Ein Aufhebungsvertrag verliert viel von seinen Vorteilen, wenn nach seinem Abschluss Auseinandersetzungen über die Vergütung von Überstunden oder den Inhalt des Zeugnisses geführt werden.

148

7 Personalfreisetzung

Aber wie immer gilt es auch hier, den Einzelfall zu betrachten. Es kann Umstände geben, bei denen es dem Arbeitgeber in erster Linie darauf ankommt, das Arbeitsverhältnis so einfach und schnell wie möglich zu beenden und quasi die „Gunst der Stunde“ zu nutzen. Ob und wie die weiteren Ansprüche geregelt werden, kann dahinter völlig zurücktreten. In diesen Fällen kann ein Aufhebungsvertrag auch auf genau diese Frage beschränkt werden. Er könnte dann lauten: „Arbeitgeber und Arbeitnehmer sind sich darüber einig, dass das Arbeitsverhältnis am … im gegenseitigen Einvernehmen endet.“ Für den Arbeitnehmer würde es sich aus sozialversicherungsrechtlichen Gründen noch empfehlen, einen Grund für die Beendigung aufzunehmen. Im Idealfall sollte ein Aufhebungsvertrag aber die gesamten Ansprüche zwischen Arbeitnehmer und Arbeitgeber klären. Insoweit sollte der Aufhebungsvertrag mindestens Regelungen zu den folgenden Punkten beinhalten: ! der Zeitpunkt der Beendigung des Arbeitsverhältnisses und die Klarstellung, dass das Arbeitsverhältnis auf Veranlassung des Arbeitgebers beendet wird (diese Klausel ist bei Vereinbarung einer Abfindung wegen des EStG wichtig); ! sämtliche noch ausstehende Zahlungen (Provisionen, Überstundenausgleich, Reisekosten u.s.w.); ! die Behandlung von Resturlaub; ! bezahlte Freistellung; ! ggf. die Zahlung einer Abfindung und die Frage, wann diese fällig wird (sofort bzw. mit Abschluss des Vertrages oder erst mit dem rechtlichen Ende des Arbeitsverhältnisses); ! Anforderungen an das Zeugnis (um spätere Streitigkeiten über den Inhalt des Zeugnisses zu vermeiden, sollte man sich über dessen Inhalt am besten schon geeinigt haben); ! die Rückgabe von Firmeneigentum (Mobiltelefon, Firmenwagen etc.); ! eine allgemeine Erledigungs- oder Ausgleichsklausel, mit der festgehalten wird, dass durch den Aufhebungsvertrag alle gegenseitigen Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis erledigt sind; ! salvatorische Klausel Natürlich ist auch die Höhe einer möglichen Abfindung frei verhandelbar. In der Regel werden bei der der Berechnung die Dauer der Betriebszugehörigkeit und die Höhe der bisherigen Vergütung berücksichtigt. Pro vollendetem Jahr der Betriebszugehörigkeit rechnet man als Faustregel eine halbe Monatsvergütung.

7.1 Aufhebungsverträge

149

Wirksamkeit Aufhebungsverträge müssen nach § 623 BGB schriftlich geschlossen werden. Dies bedeutet, dass der Aufhebungsvertrag auf einer Urkunde von beiden Parteien eigenhändig unterzeichnet sein muss. Es reichen also weder E-Mails noch Schriftwechsel, auf dem jeweils nur eine Unterschrift der Parteien erfolgt ist. Weitere Formerfordernisse können sich aus Tarifverträgen oder Betriebsvereinbarungen ergeben. Abwicklungsverträge sind demgegenüber formfrei. Allerdings empfiehlt sich auch hier die Schriftform. Wie jede andere Erklärung kann auch die Unterschrift unter einem Aufhebungsvertrag nach §§ 119, 123 BGB wegen Irrtums, arglistiger Täuschung oder widerrechtlicher Drohung angefochten werden, sofern die entsprechenden Voraussetzungen vorliegen. Praktische Probleme treten hier insbesondere dann auf, wenn der Arbeitgeber für den Fall, dass der Aufhebungsvertrag nicht geschlossen wird, die Kündigung ankündigt. Eine Drohung mit irgendeiner Sanktion berechtigt den Arbeitnehmer aber nur dann zur Anfechtung, wenn die Drohung widerrechtlich war. Widerrechtlich ist eine solche Drohung aber nur, wenn „ein verständiger Arbeitgeber“ die angedrohte Sanktion tatsächlich nicht ernsthaft in Erwägung ziehen durfte. Auch ein vom Arbeitgeber geschaffener Zeitdruck gibt grundsätzlich kein Recht zur Anfechtung. Dies wäre nur dann möglicherweise der Fall, wenn der Arbeitnehmer um eine angemessene Bedenkzeit gebeten hat und der Arbeitgeber dies kategorisch ablehnt.

Anfechtung

Widerrufs- und Rücktrittsrechte bestehen nur bei besonderer Vereinbarung. Manche Tarifverträge räumen dem Arbeitnehmer die befristete Möglichkeit des Widerrufs oder ein befristetes Rücktrittsrecht ein. Ein Widerrufsrecht nach den §§ 355, 312 BGB steht dem Arbeitnehmer nicht zu. Zwar ist der Arbeitnehmer Verbraucher i.S. des. § 13 BGB, der Abschluss eines Aufhebungsvertrags ist aber kein Haustürgeschäft.

Widerruf

Aufklärungspflichten Bei Abschluss eines Aufhebungsvertrags können den Arbeitgeber u.U. Aufklärungspflichten aus § 242 BGB treffen. Hierbei ist auf die genauen Umstände des Einzelfalles abzustellen. Es kommt z. B. besonders darauf an, von wem die Initiative zum Abschluss des Aufhebungsvertrags ausging. Erkennt der Arbeitgeber, dass dem Arbeitnehmer wegen des Aufhebungsvertrags sozialrechtliche Nachteile drohen, muss er den Arbeitnehmer hierauf hinweisen. Die Verletzung möglicher Aufklärungspflichten führt nicht zur Unwirksamkeit des Aufhebungsvertrags. Allerdings kann sie eine Schadensersatzpflicht des Arbeitgebers nach § 280 BGB begründen. Schließlich soll nach § 2 Abs. 2 S.2 Nr. 3 SGB III der Arbeitgeber den Arbeitnehmer darüber informieren, dass der

150

7 Personalfreisetzung

Arbeitnehmer verpflichtet ist, sich unverzüglich nach Kenntnis des Beendigungszeitpunkts bei der Agentur für Arbeit arbeitsuchend zu melden. Es empfiehlt sich aus Beweisgründen, Hinweise und Belehrungen in den Vertragstext des Aufhebungs- oder Abwicklungsvertrages aufzunehmen. Eine entsprechende Formulierung könnte etwa wie folgt aussehen: „Der Arbeitnehmer wurde darauf hingewiesen, dass der Abschluss eines Aufhebungsvertrages möglicherweise negative sozialrechtliche Folgen haben kann. Es wurde ihm empfohlen, vor Unterzeichnung des Aufhebungsvertrages entsprechende Informationen einzuholen. Der Arbeitnehmer wurde weiterhin darüber informiert, dass er gegenüber der Agentur für Arbeit verpflichtet ist, das Ende des Arbeitsverhältnisses unverzüglich nach Unterzeichnung des Vertrages mitzuteilen.“

7.2

Kündigung

7.2.1

Folgen der unwirksamen Kündigung

Es wäre lebensfremd, würde man davon ausgehen, dass Arbeitgeber nur dann kündigen, wenn sie auch kündigen dürfen. Ob das Kündigungsschutzgesetz Kündigungen tatsächlich verhindert, vor allem bei der mitarbeiterbedingten Personalfreisetzung, mag zumindest in Frage gestellt werden.96 Für die Entscheidung, ob einem Arbeitnehmer gekündigt werden soll, spielen jedenfalls wesentlich mehr Faktoren eine Rolle, als die Frage, ob eine Kündigung rechtmäßig ist. Wer sich außerstande sieht, mit einem Arbeitnehmer weiter zusammen zu arbeiten, wird häufig nicht danach fragen, ob die Arbeitsgerichte Verständnis für seine Aversion haben. Letztlich scheint das auch das KSchG trotz des Vorrangs des Bestandsschutzes so zu sehen. Grundsätzlich geht das Gesetz davon aus, dass eine rechtswidrige Kündigung unwirksam ist und damit das Arbeitsverhältnis zu den bisherigen Bedingungen fortbesteht. Darüber hinaus räumt das Gesetz in § 9 KSchG unter bestimmten Voraussetzungen aber für beide Seiten die Möglichkeit ein, das Arbeitsverhältnis trotz unwirksamer Kündigung gegen Zahlung einer Abfindung durch das Arbeitsgericht auflösen zu lassen. Auflösung nach § 9 KSchG

Voraussetzung für einen Auflösungsantrag durch den Arbeitgeber ist, dass eine Vertrauensgrundlage für eine sinnvolle Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses 96

Siehe hierzu die aufschlussreiche Studie von Schramm/Zachert (Hrsg.), Arbeitsrecht in der betrieblichen Anwendung – Mythen und Realität, 2008.

7.2 Kündigung

151

nicht mehr besteht. Entscheidender Zeitpunkt für die Beantwortung dieser Frage ist der Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung in der Tatsacheninstanz. Hiervon ausgehend muss das Arbeitsgericht eine Prognose anstellen. Es hat also zu prüfen, ob – basierend auf dem Verhalten des Arbeitnehmers in der Vergangenheit – in Zukunft noch eine Vertrauensgrundlage für eine weitere Zusammenarbeit zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer besteht. Für den Arbeitgeber kommen als Auflösungsgründe gem. § 9 Abs. 1 Satz 2 KSchG vor allem solche Umstände in Betracht, die das persönliche Verhältnis zum Arbeitnehmer, die Wertung seiner Persönlichkeit, seiner Leistung oder seiner Eignung für die ihm gestellten Aufgaben oder sein Verhältnis zu den übrigen Mitarbeitern betreffen. Insbesondere auch während des laufenden Kündigungsschutzprozesses kann der Arbeitnehmer durch sein Verhalten Anlass dazu geben, dass sich der Arbeitgeber eine weitere Zusammenarbeit mit dem Arbeitnehmer nicht mehr vorstellen kann und einen Auflösungsantrag stellt. Sehr deutlich macht das BAG, wie damit umzugehen ist, wenn der Arbeitgeber selbst die Spannungen, die das Vertrauensverhältnis zum Arbeitnehmer belasten, (mit-) verursacht hat. Die Rechtsprechung erlaubt es dem Arbeitgeber nicht, sich auf Auflösungsgründe zu berufen, die von ihm selbst oder von Personen, für die er einzustehen hat, provoziert worden sind. Überwiegt der dem Arbeitgeber zuzurechnende Anteil an der Verursachung der Spannungen den Anteil des Arbeitnehmers hieran, so kann der Arbeitgeber sich nicht auf die entsprechenden Auflösungsgründe berufen, wenn er das von ihm beanstandete Verhalten geradezu provoziert hat. Die wichtigsten Faktoren für die Berechnung der Abfindung nach § 10 KSchG sind die Dauer der Betriebszugehörigkeit und das Lebensalter des Arbeitnehmers. Bei kurzer Betriebszugehörigkeit kann je einem Jahr Betriebszugehörigkeit ein Monatsverdienst angemessen sein. Die Gerichte gewähren weitgehend ein Monatseinkommen für zwei Beschäftigungsjahre.

Höhe der Abfindung

Die Kenntnis der Regelungen zur Kündigung helfen also nicht nur bei der Frage, ob man kündigen „darf“ oder nicht, sondern auch und gerade dabei, das finanzielle Risiko, das mit einer Kündigung verbunden ist, einzuschätzen. Insoweit ist es auf jeden Fall sinnvoll, die formellen Anforderungen einer Kündigung sehr sorgfältig einzuhalten. Erweist sich eine Kündigung plötzlich als kostenintensiv, nur weil ihre Wirksamkeit an formellen Fragen scheitert, ist das einfach nur ärgerlich. Gerade weil die Rechtsprechung an die Begründetheit einer Kündigung sehr hohe Anforderungen stellt, sollte darüber hinaus immer geprüft werden, welches finanzielle Risiko der Arbeitgeber für den Fall der Unwirksamkeit der Kündigung einzugehen bereit ist.

Konsequenzen für die Praxis

152

7.2.2

7 Personalfreisetzung

Allgemeine Anforderungen

Kündigungserklärung Die Kündigungserklärung ist an bestimmte Formen und Regeln gebunden, die unbedingt beachtet werden sollten, soll die Kündigung nicht bereits an einer fehlerhaften Erklärung scheitern. Zeitpunkt

Eine Kündigung kann grundsätzlich zu jeder Zeit und an jedem Ort ausgesprochen werden. Nur in krassen Ausnahmefällen kann eine Kündigung wegen des Zeitpunkts ihres Ausspruchs sittenwidrig und damit unwirksam sein. Die Unwirksamkeit verneint hat das BAG eindeutig für eine Kündigung am 24.12. Es müssen weitere Umstände hinzutreten, die gerade für diesen konkreten Arbeitnehmer und der unterstellten Kenntnis des Arbeitgebers dieser Umstände die Kündigung als zur Unzeit ausgesprochen erscheinen lassen. Eine Kündigung kann schließlich auch bereits vor Arbeitsantritt ausgesprochen werden, es sei denn, der Arbeitsvertrag verbietet dies.

Schriftform

Die Kündigung muss nach § 623 BGB schriftlich erfolgen. Schriftlich bedeutet, dass dem Arbeitnehmer ein Originalschriftstück mit einer eigenhändigen Unterschrift zugehen muss. Gekündigt werden kann also weder per Fax noch per E-Mail und schon gar nicht per SMS. Häufig sehen Tarifverträge oder Betriebsvereinbarungen darüber hinaus vor, dass die Kündigung per Einschreiben zugestellt werden muss. Trotzdem darf dem Arbeitnehmer das Kündigungsschreiben persönlich übergeben werden. Allerdings muss sich der Arbeitgeber den Empfang quittieren lassen.

Vertretung

Zur Kündigung berechtigt ist der Arbeitgeber. Ist der Arbeitgeber eine juristische Person, so ist Vertreter das gesetzliche Organ der juristischen Person. Bei einer GmbH also der Geschäftsführer oder bei einem eingetragenen Verein der Vorstand. Darüber hinaus kann sich der Arbeitgeber nach § 164 BGB vertreten lassen. Hier ist allerdings Vorsicht geboten. Der Arbeitnehmer hat nämlich nach § 174 BGB die Möglichkeit, die Kündigung unverzüglich, innerhalb von einer Woche, zurückzuweisen, wenn ihm keine Vollmachtsurkunde vorgelegt wird. Die Kündigung wäre damit unwirksam. Erfolgt die Kündigung also durch einen Vertreter, sollte die Originalvollmachtsurkunde mit der Kündigung vorgelegt werden.

7.2 Kündigung

153

Aus der Kündigung muss für den Arbeitnehmer klar ersichtlich sein, dass das Arbeitsverhältnis beendet werden soll und ob es sich um eine fristgemäße oder fristlose Kündigung handelt. Insoweit muss sich aus der Kündigungserklärung der Zeitpunkt der Beendigung des Arbeitsverhältnisses ergeben. Ein konkretes Datum muss nicht genannt werden, es reicht etwa die Formulierung „fristgerecht“.

Inhalt

Die Kündigung darf grundsätzlich nicht unter einer Bedingung erfolgen. Zulässig ist aber bei einer außerordentlichen Kündigung vorsorglich oder hilfsweise ordentlich zu kündigen, für den Fall, dass die außerordentliche Kündigung unwirksam ist. Der Arbeitgeber muss die Kündigung in der Kündigungserklärung grundsätzlich nicht begründen. Auch hier gilt, dass Tarifverträge, Betriebsvereinbarungen oder Arbeitsverträge eine andere Regelung enthalten können.

Begründung

Gesetzlich vorgeschrieben ist die Angabe von Kündigungsgründen in der Kündigungserklärung in § 9 Abs. 3 MuSchG und § 15 Abs. 1 BBiG. Der Arbeitgeber muss beweisen, dass die Kündigungserklärung dem Arbeitnehmer zugegangen ist. Deshalb empfiehlt es sich, die Kündigung dem Arbeitnehmer persönlich zu übergeben oder sie mit eingeschriebenem Brief zustellen zu lassen. Aus Beweisgründen ist die Übergabe verbunden mit einer Quittung auf der Kopie der Erklärung der beste Weg. Nach der Rechtsprechung geht eine an die Wohnungsanschrift des Arbeitnehmers gesandte Kündigung auch dann zu, wenn der Arbeitnehmer wegen Urlaubs oder aus anderen Gründen zeitweilig abwesend ist. Das gilt selbst dann, wenn der Arbeitgeber dies weiß. Anhörung des Betriebsrats Immer wieder scheitern Kündigungen am Erfordernis der ordnungsgemäßen Anhörung des Betriebsrats nach § 102 BetrVG.

Zugang

154

7 Personalfreisetzung

Kündigungsabsicht

Mitteilung von Person, Art, Grund, Termin an BR-Vorsitzenden § 26 Abs. 2 BetrVG Sitzung BR § 33 BetrVG

Widerspruch § 102 Abs. 3 BetrVG

Schriftl. Bedenken § 102 Abs. 2 BetrVG

Kündigung mit Stellungnahme BR § 102 Abs. 4 BetrVG

Klage

Keine Reaktion 1 Woche (3 Tagen) Kündigung

Keine Kündigung

Zustimmung Kündigung

Kündigung

Weiterbeschäftigungsanspruch § 102 Abs. 5 BetrVG

Abb. 7-1: Übersicht: Beteiligung des Betriebsrats bei Kündigungen

Unterrichtung

Der Arbeitgeber muss den Betriebsrat zunächst ordnungsgemäß informieren. Er muss insbesondere den zu kündigenden Arbeitnehmer benennen, die Art der Kündigung angeben (ordentlich oder außerordentlich) und er muss seine subjektiven Gründe für den Kündigungsentschluss mitteilen. Dem Betriebsrat nicht mitgeteilte Gründe kann der Arbeitgeber im Kündigungsrechtsstreit nicht verwenden.

Widerspruchsrecht

Ein Widerspruchsrecht steht dem Betriebsrat in folgenden Fällen zu: 1. Der Arbeitgeber hat bei der betriebsbedingten Kündigung soziale Gesichtspunkte bei der Auswahl des zu kündigenden Arbeitnehmers nicht hinreichend berücksichtigt.

7.2 Kündigung

155

2. Der Arbeitnehmer kann an einem anderen Arbeitsplatz weiterbeschäftigt werden. 3. Die Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers ist nach zumutbarer Umschulung oder Fortbildung möglich. 4. Die Weiterbeschäftigung ist bei geänderten Vertragsbedingungen möglich. 5. Die Kündigung verstößt gegen eine Auswahlrichtlinie. Hat der Betriebsrat unter Angabe einer dieser Gründe fristgerecht schriftlich Widerspruch gegen die beabsichtigte Kündigung erhoben, so kann der Arbeitgeber dennoch die Kündigung aussprechen. Für die Wirksamkeit der Kündigung ist völlig ohne Belang, ob und welche Stellungnahme der Betriebsrat abgibt. Wenn der Betriebsrat widerspricht, folgt daraus lediglich, dass der Arbeitnehmer trotz der Kündigung einen Weiterbeschäftigungsanspruch bis zum rechtskräftigen Abschluss des Kündigungsschutzprozesses nach § 102 Abs. 5 BetrVG hat. Ein Weiterbeschäftigungsanspruch besteht danach unter folgenden Voraussetzungen: ! der Betriebsrat hat der Kündigung frist- und ordnungsgemäß widersprochen, ! der Arbeitnehmer hat Kündigungsschutzklage eingereicht und ! er hat vor Ablauf der Kündigungsfrist seine Weiterbeschäftigung vom Arbeitgeber verlangt. Liegen die Voraussetzungen vor, muss der Arbeitgeber das bisherige Arbeitsverhältnis mit dem Arbeitnehmer fortsetzen. Bei Betrieben ohne Betriebsrat hat der Arbeitnehmer grundsätzlich keinen Weiterbeschäftigungsanspruch. Hiervon gibt es zwei Ausnahmen: ! Die Kündigung ist offensichtlich unwirksam oder ! es besteht ein besonderes Beschäftigungsinteresse des Arbeitnehmers. Obsiegt der Arbeitnehmer in der 1. Instanz, so hat der Arbeitnehmer grundsätzlich einen Anspruch auf eine Weiterbeschäftigung bis zum Ende des Kündigungsschutzprozesses, es sei denn die Weiterbeschäftigung ist für den Arbeitgeber unzumutbar. Besonderer Kündigungsschutz Bestimmte Arbeitnehmergruppen, die aus persönlichen oder sozialen Gründen besonders schutzbedürftig sind, unterliegen einem besonderen gesetzlichen Kündigungsschutz.

Weiterbeschäftigung

156

7 Personalfreisetzung

Schwerbehinderte

Einem Arbeitnehmer, der als Schwerbehinderter anerkannt ist und bereits länger als sechs Monate im Betrieb arbeitet, kann gem. § 85 SGB IX nur nach vorheriger Zustimmung des Integrationsamtes gekündigt werden. Jede ohne Zustimmung ausgesprochene Kündigung ist unwirksam.

Mutterschutz

Jede Kündigung einer Frau während der Schwangerschaft und bis zum Ablauf von vier Monaten nach der Entbindung ist gem. § 9 MuSchG unzulässig. Zur Feststellung des Beginns der Schwangerschaft und damit auch des Beginns des Kündigungsschutzes ist vom Zeugnis eines Arztes oder einer Hebamme auszugehen.

Elternzeit

Das Arbeitsverhältnis kann nach § 18 Abs. 1 S. 1 BEEG ab dem Zeitpunkt, ab dem Elternzeit verlangt worden ist (höchstens jedoch acht Wochen vor Beginn der Elternzeit) und während der gesamten Dauer der Elternzeit nicht gekündigt werden. Dieses Kündigungsverbot gilt sowohl für ordentliche wie für außerordentliche Kündigungen. Verboten ist während der Elternzeit auch eine Kündigungserklärung, bei der die Kündigung erst zu einem Zeitpunkt nach Beendigung der Elternzeit wirksam werden soll.

Mitglieder des Betriebrates

Besonderen Kündigungsschutz genießen die Funktionsträger von Betriebsvertretungen. Nach § 15 KSchG darf eine ordentliche Kündigung während der Amtszeit des Arbeitnehmers und innerhalb eines Jahres danach nicht erfolgen. Für eine außerordentliche Kündigung ist nicht nur die Anhörung des Betriebsrates notwendig, sondern seine ausdrückliche Zustimmung.

Betriebsübergang

In Fällen des Übergangs von einem Unternehmen auf neue Eigentümer ist gesetzlich festgelegt, dass die bestehenden Arbeitsverhältnisse übernommen werden. Der Betriebsübergang als solcher darf nach § 613a BGB dementsprechend nicht Anlass einer Kündigung sein.

Sonstige

Wehr- und Zivildienstleistende werden ebenfalls besonders geschützt. Eine Kündigung während der Verrichtung des Dienstes oder aus Anlass des Dienstes ist unzulässig. Auszubildenden kann in der Probezeit ohne Einhaltung einer Frist gekündigt werden. Danach jedoch ist ein wichtiger Grund Voraussetzung, der auch in der Kündigung angegeben werden muss. Unwirksamkeitsgründe Unabhängig von der Anwendbarkeit des Kündigungsschutzgesetzes muss jede Kündigung mit den allgemeinen Rechtsvorschriften vereinbar sein. Kündigungen sind danach insbesondere dann unwirksam, wenn sie ! gegen ein gesetzliches Verbot, insbesondere das Maßregelungsverbot des § 612 a BGB, verstoßen, ! sittenwidrig sind i.S.d. § 138 BGB oder ! wenn sie gegen den Grundsatz von Treu- und Glauben aus § 242 verstoßen.

7.2 Kündigung

157

Eine Kündigung eines Arbeitnehmers, die wegen des Geschlechts, der Abstammung, der Sprache, der Heimat und ethnischen Herkunft, des Glaubens, der religiösen oder politischen Anschauungen, einer Behinderung, des Alters oder der sexuellen Identität erfolgt, verstößt gegen das Diskriminierungsverbot des Art. 3 Abs. 3 GG und des § 1 AGG und ist daher gem. § 134 BGB unwirksam.

Diskriminierung

Das Maßregelungsverbot schützt den Arbeitnehmer, der in zulässiger Weise seine Rechte ausübt. Eine unzulässige Maßregelung i.S.d. § 612 a BGB kann z. B. darin liegen, dass eine Kündigung wegen des aktiven gewerkschaftlichen Einsatzes im Betrieb ausgesprochen wird oder wegen der Teilnahme an einem rechtmäßigen Streik. Ebenso wenig darf der Arbeitgeber eine ordentliche Kündigung eines Arbeitnehmers mit einer fristlosen Kündigung „bestrafen“.

Maßregelungsverbot

Sittenwidrig ist eine Kündigung insbesondere, wenn sie auf einem verwerflichen Motiv, wie etwa Rachsucht oder Vergeltung, beruht, z. B., wenn gekündigt wurde, weil eine Arbeitnehmerin unsittliche oder anstößige Zumutungen abgelehnt hat oder sich ein Arbeitnehmer geweigert hat, Beihilfe zu einer Straftat des Arbeitgebers zu leisten.

Sittenwidrigkeit

Dazu gehören Kündigungen, mit der sich der Arbeitgeber selber widerspricht. Hat er z. B. einen Arbeitnehmer, der selber kündigen und die Stelle wechseln wollte, dazu bewegt, das Stellenangebot abzusagen, kann er ihn nicht unmittelbar danach kündigen. Treuwidrig sind auch Kündigungen in ehrverletzender Form wie z. B. vor versammelter Belegschaft oder durch Aushang am „Schwarzen Brett“.

Treuwidrigkeit

Eine betriebsbedingte Kündigung in einem Kleinbetrieb verstößt nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts gegen Treu und Glauben, wenn der Arbeitnehmer bei der Auswahl zwischen den für die Kündigung in Frage kommenden Arbeitnehmern jede soziale Rücksichtnahme außer Acht lässt. Der Rückgriff auf zivilrechtliche Generalklauseln darf allerdings nicht dazu führen, den Kündigungsschutz nach dem Kündigungsschutzgesetz auf alle Arbeitnehmer auszudehnen. So dürfen etwa die im Kündigungsschutzgesetz vorgegebenen Maßstäbe der Sozialwidrigkeit nicht einfach auf einen Kleinbetrieb übertragen werden. Die allgemeinen Unwirksamkeitsgründe müssen deutlich hinter dem Schutz des Kündigungsschutzgesetzes zurückbleiben. Kündigungsfrist Die Kündigungsfrist beurteilt sich nach § 622 BGB. Bezeichnet wird damit die Zeit vom Ausspruch der Kündigung bis zur tatsächlichen Beendigung des Arbeitsverhältnisses. Demgegenüber bezeichnet der Kündigungstermin den Tag, auf den eine Kündigung nur erfolgen kann. Kündigungstermin ist nach

158

7 Personalfreisetzung

§ 622 BGB der 15. eines Monats oder das Ende eines Monats. In der Probezeit kann auf jeden beliebigen Tag gekündigt werden. Die Kündigungsfrist beträgt grundsätzlich vier Wochen. § 622 Abs. 2 BGB verlängert diese Kündigungsfrist für den Arbeitgeber staffelweise in Abhängigkeit von der Länge des Arbeitsverhältnisses. Die Kündigungsfrist beträgt, wenn das Arbeitsverhältnis in dem Betrieb oder Unternehmen ! ! ! ! ! ! !

zwei Jahre bestanden hat, einen Monat zum Ende eines Kalendermonats, fünf Jahre bestanden hat, zwei Monate zum Ende eines Kalendermonats, acht Jahre bestanden hat, drei Monate zum Ende eines Kalendermonats, zehn Jahre bestanden hat, vier Monate zum Ende eines Kalendermonats, zwölf Jahre bestanden hat, fünf Monate zum Ende eines Kalendermonats, 15 Jahre bestanden hat, sechs Monate zum Ende eines Kalendermonats, 20 Jahre bestanden hat, sieben Monate zum Ende eines Kalendermonats.

Bei der Berechnung der Beschäftigungsdauer werden Zeiten, die vor der Vollendung des 25. Lebensjahrs des Arbeitnehmers liegen, nach § 622 Abs. 2 S. 2 BGB nicht berücksichtigt. Allerdings hat das LAG Düsseldorf dem Europäischen Gerichtshof die Frage vorgelegt, ob die Regelung in § 622 Abs. 2 BGB gegen das gemeinschaftsrechtliche Verbot der Altersdiskriminierung verstößt. Die Entscheidung bleibt abzuwarten. Da § 622 Abs. 2 BGB die Kündigungsfristen nur für den Arbeitgeber verlängert, kann es sinnvoll sein, arbeitsvertraglich die Kündigungsfrist des Arbeitnehmers entsprechend anzupassen. Eine gegenüber der Arbeitgeberfrist längere Kündigungsfrist kommt allerdings nach § 622 Abs. 6 BGB nicht in Betracht. Ist die Probezeit noch nicht abgelaufen, so kann das Arbeitsverhältnis mit einer Frist von zwei Wochen gekündigt werden. Berechnet der Arbeitgeber die Kündigungsfrist falsch und ist die berechnete Frist länger als die gesetzliche oder vertragliche Kündigungsfrist, so gilt die vom Arbeitgeber berechnete Frist. Ist diese jedoch kürzer als die gesetzliche oder vertragliche Kündigungsfrist, so ist sie unwirksam und es gilt die gesetzliche oder vertragliche Frist. Die Kündigung ist also zu dem nächst zulässigem Zeitpunkt wirksam. Durch kollektive Regelungen oder Einzelarbeitsverträge kann hiervon zugunsten des Arbeitnehmers abgewichen werden. Ungünstigere Regelungen, also kürzere Fristen, dürfen nach § 622 Abs. 5 S. 1 Nr. 2 BGB nur vereinbart werden, wenn der Arbeitnehmer zur vorübergehenden Aushilfe eingestellt ist oder der Arbeitgeber i.d.R. nicht mehr als 20 Arbeitnehmer beschäftigt und die Kündigungsfrist vier Wochen nicht unterschreitet.

7.2 Kündigung

7.2.3

159

Kündigungsschutzgesetz

Anwendungsbereich Ob das Kündigungsschutzgesetz auf ein Arbeitsverhältnis anzuwenden ist oder nicht, hängt von der Größe des Betriebes und vom Beginn des Arbeitsverhältnisses ab. Hat das Arbeitsverhältnis am 01. Januar 2004 oder später begonnen, findet das Kündigungsschutzgesetz Anwendung, wenn in dem Betrieb in der Regel mehr als zehn Arbeitnehmer (mit Ausnahme der Auszubildenden) beschäftigt sind. Hat das Arbeitsverhältnis bereits am 31. Dezember 2003 bestanden, ist das Kündigungsschutzgesetz anzuwenden, wenn in dem Betrieb am 31. Dezember 2003 in der Regel mehr als fünf Arbeitnehmer (mit Ausnahme der Auszubildenden) beschäftigt waren, die zum Zeitpunkt der Kündigung des Arbeitsverhältnisses noch im Betrieb beschäftigt sind. Arbeitnehmer, die nach dem 31. Dezember 2003 neu eingestellt worden sind, werden hier also nicht mitgezählt. Als Arbeitnehmer wird voll gezählt, wer regelmäßig mehr als 30 Stunden in der Woche beschäftigt ist. Arbeitnehmer, die weniger arbeiten, werden nur teilweise berücksichtigt. ! bis einschließlich 20 Stunden = 0,50 volle Arbeitnehmer ! bis einschließlich 30 Stunden = 0,75 volle Arbeitnehmer Betriebsgröße Eine Werbeagentur beschäftigte am 31.12.2003 drei Vollzeitkräfte, zwei Teilzeitkräfte mit je 25 Wochenstunden, eine Teilzeitkraft mit 15 Wochenstunden und eine Teilzeitkraft mit 8 Wochenstunden. Für die Feststellung der Zahl der beschäftigen Arbeitnehmer gilt: Es sind (3 + 2 x 0,75 + 2 x 0,5 =) 5,5 Arbeitnehmer beschäftigt. Das Kündigungsschutzgesetz fand am 31. Dezember 2003 Anwendung; der Kündigungsschutz besteht für diese Beschäftigten über den 31. Dezember 2003 hinaus weiterhin. Im Laufe der ersten drei Monate des Jahres 2004 werden noch mal drei Vollzeitkräfte und zwei Teilkräfte mit je 28 Wochenstunden eingestellt. Jetzt verfügt die Firma über (5,5 + 3 + 2 x 0,75 =) 10 Arbeitnehmer. Das Kündigungsschutzgesetz gilt weiterhin für die Arbeitnehmer, die am 31. Dezember 2003 beschäftigt waren, für die neu eingestellten Arbeitnehmer jedoch nicht, da der neue, für sie geltende Schwellenwert von mehr als 10 Arbeitnehmern nicht überschritten wird. Kommt jetzt eine zusätzliche Teilzeitkraft mit 10 Wochenstunden dazu, wird der Schwellenwert von 10 überschritten und Kündigungsschutzgesetz gilt für alle Arbeitnehmer.

Betriebsgröße

160

7 Personalfreisetzung

Wartezeit

Weiterhin muss das Arbeitsverhältnis des Arbeitnehmers zum Zeitpunkt der Kündigung in dem Betrieb oder Unternehmen ununterbrochen länger als 6 Monate bestanden haben.

Leitende Angestellte

Für leitende Angestellte gilt der Kündigungsschutz gem. § 14 Abs. 2 KSchG nur mit Ausnahmen. Leitende Angestellte können nicht nach § 3 KSchG beim Betriebsrat Einspruch erheben und der Arbeitgeber kann den Antrag auf Auflösung des Arbeitsverhältnisses im Kündigungsschutzprozess auch ohne Begründung stellen. Nach dem Gesetz über gewählte Sprecherausschüsse ist der Sprecherausschuss vor jeder Kündigung eines leitenden Angestellten zu hören. Sprecherausschüsse sind in Betrieben mit mindestens zehn leitenden Angestellten zu bilden. Soziale Rechtfertigung Das Kündigungsschutzgesetz schützt Arbeitnehmer nach § 1 KSchG vor sozial nicht gerechtfertigten Kündigungen. Eine Kündigung ist gem. § 1 Abs. 2 S. 1 KSchG grundsätzlich nur dann sozial gerechtfertigt und damit rechtswirksam, wenn sie durch Gründe in der Person, Gründe im Verhalten des Arbeitnehmers oder dringende betriebliche Erfordernisse begründet ist. Daneben gibt es die absoluten Gründe der Sozialwidrigkeit nach § 1 Abs. 2 Satz 2 und 3 KSchG. Für die Frage, ob eine Kündigung sozial gerechtfertigt ist, ist also zu unterscheiden: ! Stammt die Kündigungsursache aus der Sphäre des Arbeitnehmers, so muss ein Grund in seiner Person oder seinem Verhalten sie rechtfertigen. ! Stammt die Kündigungsursache aus der Sphäre des Arbeitgebers, so ist die Kündigung nur sozial gerechtfertigt, wenn dringende betriebliche Erfordernisse einer Weiterbeschäftigung entgegenstehen und der Arbeitgeber der sozialen Auswahl gem. § 1 Abs. 3 KSchG genügt hat.

7.2.4

Mitarbeiterbedingte Kündigung nach KSchG

Als mitarbeiterbedingte Kündigung kommt entweder die personen- oder die verhaltensbedingte Kündigung in Betracht. Personen- und verhaltensbedingte Kündigung unterscheiden sich dadurch, dass ein personenbedingter Grund vorliegt, wenn der Arbeitnehmer die geforderte Leistung erbringen will, dazu aber nicht in der Lage ist, während ein verhaltensbedingter Grund dann gegeben ist, wenn der Arbeitnehmer die Leistung erbringen könnte, aber dazu nicht bereit ist.

7.2 Kündigung

161

Personenbedingte Kündigung Gründe in der Person des Arbeitnehmers können eine Kündigung rechtfertigten, wenn der Arbeitnehmer im Zeitpunkt der Kündigung und voraussichtlich auch danach die Eignung und Fähigkeit nicht besitzt, die vertragsgemäß geschuldete Arbeitsleistung ganz oder teilweise zu erbringen. Auf das Verschulden des Arbeitnehmers kommt es nicht an. Deshalb setzt eine personenbedingte Kündigung – im Unterschied zu einer verhaltensbedingten Kündigung – eine vorherige Abmahnung nicht voraus. Eine personenbedingte Kündigung kommt z. B. bei Krankheit des Arbeitnehmers, fehlender Eignung bzw. Befähigung des Arbeitnehmers oder Verbüßung einer Freiheitsstrafe in Betracht. In der Praxis zeigen sich die größten Schwierigkeiten bei der krankheitsbedingten Kündigung. Das mag auch daran liegen, dass die Gerichte an eine Kündigung wegen Krankheit sehr hohe Anforderungen stellen. Danach sind die Voraussetzungen für eine krankheitsbedingte Kündigung in drei Stufen zu prüfen: 1. Stufe Es muss eine negative Prognose hinsichtlich des Gesundheitszustandes gegeben sein. 2. Stufe Die betrieblichen Interessen müssen erheblich beeinträchtigt sein (Störungen im Betriebsablauf oder wirtschaftliche Belastungen). 3. Stufe Vornahme einer Interessenabwägung dahingehend, dass die erheblichen Beeinträchtigungen zu einer nicht mehr hinzunehmenden Belastung des Arbeitgebers führen. Um einen Maßstab dafür zu erhalten, was das konkret bedeutet, kann nur auf die Rechtsprechung zurückgegriffen werden. Wiederholt hat die Rechtsprechung klar gestellt, dass es keine allgemein gültigen Grenzen für die Annahme einer Langzeiterkrankung und das Recht zur Kündigung gibt. Nach dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit kommt eine ordentliche Kündigung wegen langandauernder Erkrankung erst dann in Betracht, wenn dem Arbeitgeber nicht mehr zuzumuten ist, die Kündigung durch Überbrückungsmaßnahmen zu vermeiden. Er muss daher prüfen, ob sich negative betriebliche Auswirkungen durch Einstellung von Hilfskräften, Mehrarbeit, Versetzungen vermeiden lassen.

Langzeiterkrankung

162

7 Personalfreisetzung

Nach Auffassung des BAG kann auch allein die Ungewissheit darüber, wann der Arbeitnehmer wieder einsatzfähig sein wird, zu einer erheblichen Beeinträchtigung der betrieblichen Belange führen.97 Dabei soll die Ungewissheit der Wiederherstellung der Arbeitsfähigkeit einer krankheitsbedingten dauernden Leistungsunfähigkeit gleich stehen, wenn in den nächsten 24 Monaten nach Ausspruch der Kündigung mit einer anderen Prognose nicht gerechnet werden kann. In einem weiteren Fall entschied das BAG, dass eine Wiederherstellung der Arbeitsfähigkeit dann ungewiss ist, wenn die Wiederherstellung nicht in einem absehbaren Zeitraum erfolgen kann. Unter einem absehbaren Zeitraum versteht das BAG einen Zeitraum von 24 Monaten.98 Ist der Arbeitnehmer aufgrund einer Erkrankung auf Dauer nicht mehr in der Lage, seine Arbeitsleistung zu erbringen, braucht der Arbeitgeber eine darüber hinausgehende erhebliche Beeinträchtigung der betrieblichen Interessen nicht mehr darzulegen. Häufige Kurzerkrankungen

Die Kündigung wegen häufiger Kurzzeiterkrankungen stellt sicher in der Praxis den problematischsten Fall dar. Häufige Kurzzeiterkrankungen sind für jedes Unternehmen nicht nur wegen der Entgeltfortzahlungspflicht belastend. Gleichzeit erweist sich nirgendwo eine negative Zukunftsprognose als schwieriger. Es gibt jedenfalls keine allgemein gültige Erfahrung, dass häufige Erkrankungen in der Vergangenheit auch in der Zukunft vorkommen werden. Das spiegelt sich auch deutlich in den Entscheidungen der Arbeitsgerichte wieder. Allgemeine Regeln sind dabei kaum auszumachen. Fehlzeiten von sechs Wochen im Durchschnitt der letzten drei Jahre berechtigen jedenfalls noch nicht zur Annahme einer negativen Prognose. In der Praxis der Gerichte schwankt der der „kritische Wert“ zwischen 25% und 43%. Die prognostizierten Fehlzeiten (erste Stufe) sind nur dann geeignet, eine krankheitsbedingte Kündigung sozial zu rechtfertigen, wenn sie auch zu einer erheblichen Beeinträchtigung der betrieblichen Interessen führen (zweite Stufe). Dabei können neben Betriebsablaufstörungen auch wirtschaftliche Belastungen, etwa durch zu erwartende, einen Zeitraum von mehr als sechs Wochen pro Jahr übersteigende Entgeltfortzahlungskosten, zu einer derartigen Beeinträchtigung betrieblicher Interessen führen.99

Krankheitsbedingte Leistungsminderung

Auch die durch Krankheit hervorgerufene Minderung der Leistungsfähigkeit ist grundsätzlich geeignet, eine Kündigung zu rechtfertigen, wenn sie zu einer

97

BAG, Urteil vom 18.01.2007 – 2 AZR 759/05, AP KSchG 1969 § 1 Krankheit Nr. 44 (für eine seit 18 Monaten andauernde Krankheit).

98

BAG, Urteil vom 12.04.2002 – 2 AZR 148/01, NZA 2002, 1081.

99

BAG, Urteil vom 08.11.2007 – 2 AZR 292/06, NZA 2008, 593.

7.2 Kündigung

163

erheblichen Beeinträchtigung der betrieblichen Interessen führt. Die erheblichen Beeinträchtigungen betrieblicher Interessen können darin liegen, dass der Zahlung des vollen Zeitlohnes keine nach betriebswirtschaftlichen Grundsätzen adäquate Arbeitsleistung gegenübersteht. Es kommt darauf an, ob dem Arbeitgeber ein Festhalten an dem Arbeitsverhältnis unzumutbar wird. Auch bei der krankheitsbedingten Leistungsminderung muss vor der Kündigung die Möglichkeit der Weiterbeschäftigung an einem anderen Arbeitsplatz oder unter anderen Arbeitsbedingungen geprüft werden. Das Erfordernis eines betrieblichen Eingliederungsmanagements nach § 84 Abs. 2 SGB IX besteht für alle Arbeitnehmer, die innerhalb eines Jahres länger als sechs Wochen ununterbrochen oder wiederholt arbeitsunfähig gewesen sind. Diese Regelung sollte vor einer krankheitsbedingten Kündigung beachtet werden. Zwar stellt sie keine formelle Wirksamkeitsvoraussetzung für eine personenbedingte Kündigung dar. Jedoch kann sie die Frage der Verhältnismäßigkeit einer Kündigung erheblich beeinflussen. Betriebliches Eingliederungsmanagement100 Der K. war bei der B., die in ihrem Werk in S. ca. 150 bis 200 Arbeitnehmer beschäftigt, als Maschinenbediener tätig. Er war ist seit dem 26. 3. 2002 arbeitsunfähig krank, da er an einem Bandscheibenvorfall litt. Die B. lud mit Schreiben vom 17. 11. 2003 den K. zu einem klärenden „Sozialgespräch“ unter Teilnahme des Betriebsarztes und eines Betriebsratsmitglieds ein. Die B. informierte den Betriebsrat mit Schreiben vom 29. 10. 2004 über eine beabsichtigte fristgemäße Kündigung des Arbeitsverhältnisses des K. wegen dessen Dauererkrankung und der völligen Ungewissheit der Wiederherstellung seiner Arbeitsfähigkeit. Mit Schreiben vom 29. 10. 2004 kündigte die B. das Arbeitsverhältnis zum 30. 4. 2005. Der K. argumentierte dagegen, wegen des unterbliebenen betrieblichen Eingliederungsmanagements sei die Kündigung schon unwirksam. Dem entgegnete die B. sie sei zur Durchführung des Eingliederungsmanagements nicht verpflichtet. Den stimmte das BAG zwar zu, kam aber trotzdem zu einem anderen Ergebnis. Eine Kündigung ist insbesondere nicht gerechtfertigt, wenn es andere geeignete mildere Mittel gibt, um die Vertragsstörung künftig zu beseitigen. Durch das betriebliche Eingliederungsmanagement können solche milderen Mittel erkannt und entwickelt werden. Vor dem Hintergrund, dass ein betriebliches Eingliederungsmanagement nicht stattgefunden hat, hätte der Arbeitgeber insoweit insbesondere nähere Angaben zu der aufgeworfenen Möglichkeit eines modifizierten oder anderweitigen Einsatzes des Arbeitnehmers machen müssen.

100

BAG, Urteil vom 12.07.2007 – 2 AZR 716/06, NZA 2008, 173.

Eingliederungsmanagement

164

7 Personalfreisetzung

Verhaltensbedingte Kündigung Auch die verhaltensbedingten Kündigung folgt einer dreistufigen Prüfung. 1. Stufe Es ist zu prüfen, ob ein vertragswidriges Verhalten des Arbeitnehmers vorliegt. Dieses muss zu konkreten Störungen des Arbeitsverhältnisses auch in der Zukunft führen. 2. Stufe Es ist zu prüfen, ob die Störung des Arbeitsverhältnisses durch ein milderes Mittel beseitigt werden kann. 3. Stufe Das Interesse des Arbeitgebers an der Beendigung des Arbeitsverhältnisses und das Interesse des Arbeitnehmers an der Erhaltung des Arbeitsplatzes müssen im Rahmen einer umfassenden Interessenabwägung einander gegenübergestellt werden. Pflichtverletzung

Möglichkeiten zur Vertragsverletzung – vor allem im Bereich der Nebenpflichten – gibt es vermutlich so viele, wie es Menschen gibt. Als vertragswidriges Verhalten kommen u.a. in Betracht ! ! ! ! ! !

Arbeitsverweigerung und Bummelei, Unpünktlichkeit, eigenmächtiger Urlaubsantritt, Vortäuschung von Arbeitsunfähigkeit wegen Krankheit, Alkohol am Arbeitsplatz (wenn keine Alkoholsucht vorliegt), Störung des Betriebsfriedens oder Verstöße gegen die betriebliche Ordnung, ! Straftaten im Betrieb, ! Minder- oder Schlechtleistung.

Verhältnismäßigkeit

In der Regel setzt eine verhaltensbedingte Kündigung eine vorherige erfolglose Abmahnung voraus. Zwingend ist das allerdings nicht.101 Das BAG hat vielmehr deutlich gemacht, dass die private Nutzung des Internets durch den Arbeitnehmer den Arbeitgeber selbst dann zur Kündigung ohne Abmahnung berechtigen kann, wenn die private Nutzung des Internets im Betrieb nicht untersagt ist. Es muss sich dabei jedoch um exzessive Nutzung des Internets handeln. Ob dies der Fall ist, hängt u. a. vom Umfang und der damit einhergehenden Versäumung bezahlter Arbeitszeit oder einer durch die Art der Nut101

BAG, Urteil vom 31.05.2007 – 2 AZR 200/06, NZA 2007, 922.

7.2 Kündigung

165

zung herbeigeführten Gefahr der Rufschädigung des Arbeitgebers ab. Das BAG begründet das damit, dass bei einer „schweren Pflichtverletzung“ dem Arbeitnehmer die Rechtswidrigkeit seines Handels ohne weiteres genauso erkennbar ist, wie der Umstand, dass eine Hinnahme des Verhaltens durch den Arbeitgeber offensichtlich ausgeschlossen ist

7.2.5

Betriebsbedingte Kündigung nach KSchG

Nach § 1 Abs. 2 S. 1 KSchG ist eine ordentliche Kündigung sozial gerechtfertigt, wenn sie durch dringende betriebliche Erfordernisse, die einer Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers im Betrieb entgegenstehen, bedingt ist. Der Arbeitgeber muss also mit der Kündigung den Zweck verfolgen, den Personalbestand dem Personalbedarf anzupassen. Der Grund für eine notwendige Personalanpassung kann sich aus innerbetrieblichen Umständen (z. B. Rationalisierungsmaßnahmen, Einstellung oder Einschränkung der Produktion) oder aus außerbetrieblichen Umständen (z. B. Auftragsmangel, Umsatzrückgang) ergeben. Grundsätzlich ist der Arbeitgeber in seinen unternehmerischen Entscheidungen relativ frei. Unternehmerische Entscheidungen können nur daraufhin überprüft werden, ob sie ganz offensichtlich unsachlich, unvernünftig oder willkürlich sind. Gerade weil das Gericht aber weitgehend an die Entscheidung des Arbeitgebers gebunden ist, werden regelmäßig hohe Anforderungen an die Darlegung und Dokumentation der Entscheidung und ihrer Gründe gestellt. Die Rechtsprechung will dadurch zumindest gewährleisten, dass ein Arbeitgeber gezwungen ist, sich mit seinen Entscheidungen intensiv auseinanderzusetzen. Dass eine Entscheidung nicht auf Ihre Zweckmäßigkeit überprüft werden kann, bedeutet also nicht, dass sie nicht sehr sorgfältig begründet sein muss. Nicht selten scheitern betriebsbedingte Kündigungen im Prozess genau an dieser Stelle. Die Gerichte akzeptieren insoweit keine oberflächlichen oder schlagwortartigen Begründungen. Für die Praxis bedeutet das, dass bei einer betriebsbedingten Kündigung die einzelnen Schritte im Entscheidungsprozeß, bis hin zur Entscheidung selber, nicht nur sehr sorgfältig, sonder auch ausführlich dokumentiert werden sollten. Das gilt insbesondere dann, wenn sich aus den konkreten Umständen der Verdacht ergeben kann, dass die Organisationsentscheidung eher auf dem Kündigungsentschluss beruht, als umgekehrt. Das BAG hat hierzu eindeutig erklärt: „Je näher die eigentliche Organisationsentscheidung an den Kündigungsentschluss rückt, umso mehr muss der Arbeitgeber durch Tatsachenvortrag ver-

166

7 Personalfreisetzung

deutlichen, dass ein Beschäftigungsbedürfnis für den Arbeitnehmer entfallen ist“.102 Innerbetriebliche Gründe Ein innerbetrieblicher Grund für eine Kündigung liegt vor, wenn eine unternehmerische Entscheidung auf technischem, organisatorischem oder wirtschaftlichem Gebiet Ursache für den reduzierten Personalbedarf ist. In Betracht kommen Rationalisierungsmaßnahmen, Umstellung der Produktion, Einstellung der Produktion, organisatorische Veränderungen, Änderung oder Einführung neuer Fertigungsmethoden. Im Fall eines Kündigungsschutzprozesses muss der Arbeitgeber darlegen und nachweisen, dass überhaupt eine die Umstrukturierung des Betriebs betreffende Unternehmensentscheidung getroffen wurde. Dies gelingt in der Regel durch Vorlage eines entsprechend dokumentierten Beschlusses der Geschäftsführung bzw. der Unternehmensleitung. Weiterhin muss dargelegt und bewiesen werden, dass durch die Umsetzung der getroffenen Entscheidung der Bedarf an Arbeitskraft sinkt. Das ist z. B. nicht der Fall, wenn der Arbeitgeber aus Kostengründen eine bestimmte Abteilung schließt und die dort bisher angefallene Tätigkeit in eine andere Abteilung verlagert. Der Bedarf an Arbeitskraft ändert sich nämlich damit zunächst nicht. Entschließt sich der Arbeitgeber dagegen, bisher von Arbeitnehmern ausgeführte Tätigkeiten in Zukunft nicht mehr durch Arbeitnehmer, sondern durch selbstständige Unternehmer ausführen zu lassen, handelt es sich um eine freie Unternehmerentscheidung, die eine Kündigung rechtfertigen kann. Austausch von Arbeitnehmern gegen freie Mitarbeiter103 Der K. war bei der B. als Arbeitnehmer in der Funktion eines so genannten „Moskito-Anschlägers“ tätig. Die Aufgabe eines „Moskito-Anschlägers“ besteht im Anbringen von Werbeplakaten an Schaltschränken. Im Juni 2004 schloss die B. mit dem bei ihr bestehenden Betriebsrat einen Interessenausgleich. Darin ist die Einstellung sämtlicher gewerblicher Tätigkeiten, insbesondere der Plakatierung, vorgesehen. Nach Anhörung des Betriebsrats kündigte die B. dem K. fristgemäß aus betriebsbedingten Gründen. Die ausgesprochene Kündigung ist durch dringende betriebliche Erfordernisse gem. § 1 Abs. 2 KSchG gerechtfertigt. Durch eine unternehmerische Entscheidung des Arbeitgebers sind sämtliche Arbeitsplätze im Be102

BAG, Urteil vom 17.06.1999 – 2 AZR 141/99, NZA 1999, 1098.

103

BAG, Urteil vom 13.03.2008 – 2 AZR 1037/06, NZA 2008, 878.

7.2 Kündigung

167

reich des Plakatierens entfallen. Nach dem vom Arbeitgeber vorgesehenen Konzept sollen die entsprechenden Tätigkeiten künftig als „echte“ Fremdarbeiten an Dritte vergeben werden. Dafür, dass die Entscheidung des Arbeitgebers unsachlich oder willkürlich ist, liegen keine hinreichenden Anhaltspunkte vor. Das Gesetz zwingt einen Marktteilnehmer nicht, den Bedarf an Leistungen ausschließlich durch Arbeitsverträge zu decken. Der Arbeitgeber kann vielmehr auf jeden rechtlich zulässigen Vertragstyp zurückgreifen, muss dann aber auch die jeweiligen nachteiligen Folgen – hier etwa den Verzicht auf das Direktionsrecht gegenüber den Subunternehmern – in Kauf nehmen. Außerbetriebliche Gründe Außerbetriebliche Gründe sind solche Umstände, die von außen auf das Unternehmen einwirken. In Betracht kommen unter anderem Auftragsmangel, Umsatzrückgang, Gewinnverfall, Unrentabilität, Absatzschwierigkeiten, Veränderungen auf dem Markt. Der Arbeitgeber muss zunächst die äußeren Umstände anhand betriebswirtschaftlicher Zahlen nachweisen. Keinesfalls reicht es aus, nur zu behaupten, die Auftragslage habe sich erheblich verschlechtert, es sei ein erheblicher Umsatzeinbruch zu verzeichnen oder das Unternehmen habe Verluste verzeichnet. In einem nächsten Schritt muss der Arbeitgeber die unmittelbare Auswirkung dieser Umstände auf den konkreten Arbeitsplatz im Einzelnen darlegen. Hier ist Vorsicht geboten. Der Zusammenhang zwischen Umsatzrückgang und gemindertem Personalbedarf mag noch darzulegen sein. Aber nachzuweisen, dass damit genau der Arbeitsplatz des gekündigten Arbeitnehmers wegfällt, ist schwierig und häufig angreifbar. Für die Praxis ergibt sich hieraus folgendes: Der Arbeitgeber muss eine Kündigung selbst dann nicht zwingend mit außerbetrieblichen Umständen begründen, wenn die Kündigung letztlich darauf zurückzuführen ist. Es steht ihm vielmehr frei, aufgrund der äußeren Umstände freie organisatorische Unternehmerentscheidungen zu treffen und die Kündigung dann auf innerbetrieblichen Gründen zu stützen, die letztlich leichter darzulegen sind. Weiterbeschäftigungsmöglichkeit Ein dringendes betriebliches Erfordernis für die Kündigung besteht auch dann nicht, wenn der Arbeitnehmer an anderer Stelle im Betrieb weiter beschäftigt werden könnte. Der Arbeitgeber muss also sorgfältig prüfen, ob nicht ein anderer freier Arbeitsplatz zur Verfügung steht. Dieser muss nicht zwingend

168

7 Personalfreisetzung

gleichwertig gegenüber dem bisherigen Arbeitsplatz sein. Vielmehr geht eine Änderungskündigung der Beendigungskündigung als milderes Mittel vor. Sozialauswahl Kündigt der Arbeitgeber aus betriebsbedingten Gründen, ist er zur Sozialauswahl verpflichtet. Nach § 1 Abs. 3 KSchG ist eine betriebsbedingte Kündigung sozial ungerechtfertigt, wenn der Arbeitgeber bei der Auswahl des gekündigten Arbeitnehmers die Dauer der Betriebszugehörigkeit, das Lebensalter, die Unterhaltspflichten und die ggf. vorhandene Schwerbehinderung nicht oder nicht ausreichend berücksichtigt hat. Sonderregelung für Leistungsträger

Die Sozialauswahl kann sich für einen Arbeitgeber als äußerst bittere Angelegenheit erweisen. Jeder Arbeitgeber würde die betriebsbedingte Kündigung gern dazu nutzen, sich in erster Linie von leistungsschwächeren Arbeitnehmern zu trennen. Das macht ihm die Sozialauswahl unmöglich. Sollen mehrere Arbeitnehmer entlassen werden, kann das gar zu einer unerwünschten Veränderung in der allgemeinen Personalstruktur des Betriebes führen, weil vor allem jüngere Mitarbeiter mit kurzer Betriebszugehörigkeit und geringen Unterhaltsverpflichtungen gekündigt werden müssen. § 1 Abs. 3 S. 2 KSchG mildertet diesen Effekt zwar, beseitigt ihn aber nicht ganz. Danach dürfen zwar für den Betrieb unverzichtbare Arbeitnehmer aus der Sozialauswahl ausgenommen werden. Auch in diesem Fall muss aber eine Abwägung zwischen den Interessen des sozial schwächeren Arbeitnehmers und dem betrieblichen Interesse an der Weiterbeschäftigung des Leistungsträgers erfolgen. Je schwerer also das soziale Interesse wiegt, umso gewichtiger müssen die Gründe für die Ausklammerung des Leistungsträgers sein. Sozialauswahl und hohe Krankheitszeiten104 Die K. war seit dem 15.10.1991 bei der B. als „Wirtschaftshilfe“ beschäftigt. Sie arbeitete ursprünglich auf der Intensivstation des SKrankenhauses (im Folgenden: ITS) und verrichtete dort unter anderem Reinigungs- und Servicearbeiten. Im Jahr 1998 erlitt die K. einen Herzinfarkt. Sie wurde mit einem Grad der Behinderung von 50 als Schwerbehinderte anerkannt. Daraufhin wurde sie zunächst im Bereich „Sterilgut“ des S-Krankenhauses eingesetzt. Der Bereich „Sterilgut“ wurde später geschlossen. Nach einer Arbeitsunfähigkeit vom 14.9.1998 bis zum 25.10.1998 wurde die K. in die Wäscherei des B-Krankenhauses umgesetzt. In dem früheren Arbeitsbereich der K. auf der ITS setzte die B. ab Mai 1998 die am 27.8.1955 geborene, verheiratete Arbeitnehmerin N als „Stationshilfe“ ein: In der Zeit vom 16.1.1999 bis zum 30.9.2004 wies die 104

BAG, Urteil vom 31.05.2007 – 2 AZR 306/06, . NZA 2007, 1362.

7.2 Kündigung

169

K. Arbeitsunfähigkeitszeiten in Höhe von 293 Kalendertagen auf. Mit Schreiben vom 29.3.2004 kündigte die B. das Arbeitsverhältnis der K. ordentlich aus betriebsbedingten Gründen. Das BAG war der Auffassung, die B. hätte nach einer ordnungsgemäßen Sozialauswahl der N. kündigen müssen. § 1 Abs. 3 Satz 2 KSchG gibt die Möglichkeit, die höhere Krankheitsanfälligkeit eines Arbeitnehmers zur Begründung eines berechtigten betrieblichen Belangs für die Weiterbeschäftigung eines anderen, nicht so krankheitsbedingt fehlzeitenbelasteten Arbeitnehmers heranzuziehen. § 1 Abs. 3 S. 2 KSchG ermöglicht keine Negativauswahl. Der Arbeitgeber kann sich deshalb nicht auf „Nachteile“ des zu kündigenden sozialschwächeren Arbeitnehmers berufen. Der auszunehmende Arbeitnehmer muss vielmehr dem Betrieb erhebliche Vorteile vermitteln und seine Weiterbeschäftigung besonders bedeutsam sein. Die größten praktischen Probleme ergeben sich bei der Sozialauswahl dabei, festzulegen, welche Arbeitnehmer in die Auswahl einzubeziehen sind. Die soziale Auswahl ist auf alle „vergleichbaren“ Arbeitnehmer des gesamten Betriebes und nicht nur auf Abteilungen zu erstrecken. Dabei kommt es auf die Austauschbarkeit der einzelnen Arbeitnehmer an. Die Frage ist also, welche anderen besetzten Arbeitsplätze kämen für den zu kündigenden Mitarbeiter in Betracht. Das können nur Arbeitsplätze sein, auf die der Arbeitnehmer im Rahmen des Direktionsrechts versetzt werden könnte. Eine Änderung des Arbeitsvertrages oder eine Änderungskündigung dürfen dafür nicht erforderlich sein. An dieser Stelle wird deutlich, warum eine Versetzungsklausel im Arbeitsvertrag die Gruppe der in die Sozialauswahl einzubeziehenden Arbeitnehmer u.U. erheblich erweitern kann.

Vergleichbare Arbeitnehmer

Die Austauschbarkeit richtet sich im Übrigen nach arbeitsplatzbezogenen Merkmalen und damit nach der ausgeübten Tätigkeit. Der Arbeitgeber muss prüfen, ob der Arbeitnehmer, dessen Arbeitsplatz wegfällt, die Aufgabe eines anderen Arbeitnehmers wahrnehmen kann. Dafür reicht es aus, wenn der Arbeitnehmer aufgrund seiner bisherigen Aufgaben und seiner beruflichen Qualifikation nach einer angemessen kurzen Einarbeitungszeit die gleichwertige Tätigkeit eines anderen ausüben kann. Es muss sich allerdings um Tätigkeiten auf derselben Hierarchieebene handeln. Falls mehrere Arbeitnehmer betriebsbedingt gekündigt werden und die Sozialauswahl fehlerhaft ist, kann sich auf den Fehler nur der Arbeitnehmer berufen, der ohne den Fehler nicht gekündigt worden wäre. Das Gesetz enthält in § 1 Abs 3 KSchG eine abschließende Aufzählung der bei einer sozialen Auswahl heranzuziehenden Kriterien: Dauer der Betriebszugehörigkeit, Lebensalter, Unterhaltspflichten und Schwerbehinderung. Bei der Gewichtung der einzelnen Kriterien hat der Arbeitgeber einen gewissen Spielraum. Üblicherweise wird dabei ein Punktesystem verwendet. Die Kunst liegt

Kriterien

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7 Personalfreisetzung

dann darin, die einzelnen Kriterien so zu gewichten, dass sie in Relation zueinander fair und im Sinne des Gesetzes jeweils „ausreichend“ gewichtet sind. Dieses kann z. B. wie folgt aussehen: ! Betriebszugehörigkeit: 1 Punkt pro vollendetem Jahr der Betriebszugehörigkeit bis 10 Dienstjahre – vom 11. Dienstjahr an 2 Punkte pro vollendetem Jahr (max. 70 Punkte) ! Alter: 1 Punkt pro vollendetem Lebensjahr (max. 55 Punkte) ! Unterhaltspflichten: 4 Punkte je unterhaltsberechtigtem Kind, 8 Punkte für unterhaltsberechtigten Ehegatten ! Schwerbehinderung: 5 Punkte bei Schwerbehinderung von 50 GdB, über 50 jeweils 1 Punkt für 10 GdB Zusätzliche Kriterien

Darüber hinaus kann der Arbeitgeber zusätzliche Kriterien anlegen, solange nur die vier gesetzlichen Kriterien ausreichend berücksichtigt sind. Das bietet sich vor allem an, um bei Punktgleichstand zwischen unterschiedlichen Arbeitnehmern wählen zu können. Soweit man ein Punktesystem aufstellt, müssen diese zusätzlichen Kriterien ebenfalls aufgenommen werden. Nicht zulässig ist, Kriterien, die im Punktesystem nicht aufgeführt sind, nachträglich heranzuziehen.

Betriebsvereinbarung

Haben Betriebe einen Betriebsrat, empfiehlt es sich dringend, mit diesem eine Vereinbarung über die Sozialauswahl zu treffen. Wenn eine Betriebsvereinbarung festlegt, welche sozialen Gesichtspunkte bei der Auswahl zu berücksichtigen sind und wie sie im Verhältnis zueinander zu gewichten sind, stellt sie eine Auswahlrichtlinie im Sinne des § 95 BetrVG dar. Nach § 1 Abs. 4 KSchG kann das Arbeitsgericht dann die getroffene Auswahl nur noch auf grobe Fehlerhaftigkeit überprüft. Andernfalls prüft das Gericht die Auswahl im Einzelfall im Detail nach. Abfindung nach § 1a Kündigungsschutzgesetz

Voraussetzungen

Grundsätzlich gilt, dass ein Arbeitgeber bei einer rechtmäßigen Kündigung keine Abfindung zahlen muss. Der Arbeitgeber kann dem Arbeitnehmer bei einer betriebsbedingten Kündigung aber nach § 1a KSchG eine Abfindung anbieten für den Fall, dass dieser keine Kündigungsschutzklage erhebt. Er muss dann in der Kündigung darauf hinweisen, dass er die Kündigung auf dringende betriebliche Erfordernisse stützt und dass der Arbeitnehmer nach Ablauf der 3-wöchigen Klagfrist ohne Klagerhebung eine Abfindung beanspruchen kann. Fällig wird der Anspruch auf Abfindung dann allerdings erst mit Ablauf der Kündigungsfrist.

Abfindungshöhe

Die Höhe der Abfindung beträgt nach § 1a Abs. 2 KSchG ein halbes Bruttomonatsgehalt pro Beschäftigungsjahr. Zeiträume von mehr als sechs Monaten sind dabei auf ein volles Jahr aufzurunden.

7.2 Kündigung

171

Nach § 1a Abs. 1 KSchG setzt der Anspruch auf Zahlung einer Abfindung nicht voraus, dass die Höhe der Abfindung oder die für Berechnung des Anspruchs maßgebliche Vorschrift des § 1a Abs. 2 KSchG ausdrücklich im Kündigungsschreiben erwähnt werden. Hieraus ergibt sich das Problem, was gilt, wenn der Arbeitgeber zwar auf § 1 a KSchG hinweist, gleichzeitig aber einen niedrigeren Betrag als den in Abs. 2 vorgesehenen nennt. Geringere als gesetzlich vorgesehene Abfindung105 Der K. war seit 1988 bei der B. beschäftigt. Am 28.10.2004 kündigte die B. das Arbeitsverhältnis zum 28.2.2005. In dem Kündigungsschreiben heißt es u.a.: „Es handelt sich um eine Kündigung auf Grund von dringenden betrieblichen Erfordernissen nach § 1 Abs. 2 S.1 KSchG. Wir weisen Sie darauf hin, dass Sie eine Abfindung beanspruchen können, wenn Sie innerhalb der dreiwöchigen Frist für die Erhebung einer Kündigungsschutzklage nach § 4 S. 1 KSchG keine Klage erheben.“ Weiterhin geht der Arbeitgeber davon aus, es sei eine Abfindung von 8000 Euro vereinbart worden. Der K. hat keine Kündigungsschutzklage erhoben. Er möchte aber über die 8000 Euro hinaus einen Betrag von 4076,16 Euro. Dabei handelt es sich um die rechnerisch Differenz zu dem sich gem. § 1a Abs. 2 KSchG errechnenden Abfindungsbetrag. Tatsächlich hat der Arbeitnehmer Anspruch auf die Differenz. Will der Arbeitgeber von dem sich aus Abs. 2 ergebenden Betrag abweichen, muss er diesen Willen im Kündigungsschreiben eindeutig und unmissverständlich zum Ausdruck bringen. D.h. er muss im Kündigungsschreiben ausdrücklich erklären, dass es sich gerade nicht um ein Angebot nach § 1a KSchG handelt. Andernfalls hat der Arbeitnehmer Anspruch auf Zahlung der fehlenden Differenz zu einem halben Bruttomonatsgehalt pro Beschäftigungsjahr. Im Übrigen schließt § 1a KSchG abweichende Abfindungsvereinbarungen im Zusammenhang mit einer betriebsbedingten Kündigung nicht aus. Der Arbeitgeber ist nicht gehindert, einen Hinweis auf die gesetzliche Abfindung nach § 1a KSchG zu unterlassen und dem Arbeitnehmer stattdessen, z. B. im Rahmen eines Abwicklungsvertrages, einen höheren oder niedrigeren Betrag als Abfindung für den Fall in Aussicht zu stellen, dass der Arbeitnehmer gegen die Kündigung nicht Klage erhebt.106 Will der Arbeitgeber tatsächlich ein Angebot nach § 1a KSchG unterbreiten, sollte er nur Bezug auf die gesetzliche Regelung ohne Berechnung der konkre-

105

BAG, Urteil vom 13.12.2007 – 2 AZR 807/06, NJOZ 2008, 3141.

106

BAG, Urteil vom 10.07.2008 – 2 AZR 209/07, NZA 2008, 1292.

Praxisempfehlung

172

7 Personalfreisetzung

ten Abfindung nehmen. Wirklich angeraten werden kann ein solches Vorgehen aber nach den Erfahrungen in der Praxis nicht. Viele Arbeitnehmer erheben trotzdem Kündigungsschutzklage in der Hoffnung, auf diese Weise eine höhere Abfindung zu erzielen. Soweit der Arbeitgeber ein eigenständiges Abfindungsangebot machen will, sollte er das nicht mit der eigentlichen Kündigung verbinden. Besser ist, dem Arbeitnehmer außerhalb der Kündigung die Schließung eines Vertrages anzubieten, in dem sich der Arbeitnehmer gegen Zahlung einer Abfindung zum Klageverzicht oder zur Klagerücknahme verpflichtet. Massenentlassungen Die §§ 17 ff. KSchG regeln den besonderen Kündigungsschutz bei Entlassungen einer größeren Zahl von Arbeitnehmern. Anzeigepflicht

Arbeitgeber müssen nach § 17 Abs. KSchG beabsichtigte Massenentlassungen bei den Agenturen für Arbeit anzeigen, bevor die Kündigungen ausgesprochen werden. Der Arbeitgeber muss Entlassungen anzeigen, bevor er innerhalb von 30 Kalendertagen eine bestimmte Mindestzahl Arbeitnehmer kündigt. Zunächst muss der Arbeitgeber also ermitteln, ob die Zahl der Kündigungen, die er innerhalb von 30 Kalendertagen plant, den für die Größe des Betriebes maßgeblichen Schwellenwert überschreitet. Betriebsgröße

Zahl der Kündigungen

21 bis 59 Arbeitnehmer

Mindestens 6 Arbeitnehmer

60 bis 250 Arbeitnehmer

mindestens 10 v. H. der Arbeitnehmer

251 bis 499 Arbeitnehmer

Mindestens 26 Arbeitnehmer

500 und mehr Arbeitnehmer

Mindestens 30 Arbeitnehmer

Die Anzeige ist schriftlich zu erstatten – zweckmäßigerweise mit dem bei der Agentur für Arbeit erhältlichen Vordruck „KSchG 2“ und „KSchG 2a“ (im Internet abrufbar). Ist ein Betriebsrat vorhanden, muss dessen Stellungnahme beigefügt werden. Beteiligung des Betriebsrats

Der Arbeitgeber muss den Betriebsrat rechtzeitig schriftlich unterrichten über ! ! ! ! !

die Gründe für die geplanten Entlassungen, die Zahl und die Berufsgruppen der zu entlassenden Arbeitnehmer, die Zahl und die Berufsgruppen der in der Regel beschäftigten Arbeitnehmer, den Zeitraum, in dem die Entlassungen vorgenommen werden sollen, die vorgesehenen Kriterien für die Auswahl der zu entlassenden Arbeitnehmer, ! die für die Berechnung etwaiger Abfindungen vorgesehenen Kriterien.

7.2 Kündigung

173

Außerdem hat er weitere zweckdienliche Auskünfte zu erteilen. Gleichzeitig hat der Arbeitgeber eine Abschrift seiner Mitteilung an den Betriebsrat der Agentur für Arbeit zuzuleiten, die für den Betriebssitz zuständig ist. Im Anschluss hieran müssen Arbeitgeber und Betriebsrat die Möglichkeiten beraten, Entlassungen zu vermeiden oder einzuschränken und ihre Folgen zu mildern. Zu einem Ergebnis müssen sie dabei nicht zwingend kommen.

7.2.6

Außerordentliche Kündigung

Nach § 626 BGB kann das Arbeitsverhältnis bei Vorliegen eines wichtigen Grundes auch außerordentlich und damit fristlos gekündigt werden. Wichtiger Grund Ein wichtiger Grund im Sinne des § 626 Abs. 1 BGB ist jeder Grund, der dem Arbeitgeber die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses bis zum Ablauf der Kündigungsfrist oder bis zum vereinbarten Ende des Arbeitsverhältnisses unter Berücksichtigung der beiderseitigen Interessen unzumutbar macht. Die Prüfung, ob ein bestimmter Umstand eine außerordentliche Kündigung rechtfertigt, erfolgt danach in zwei Schritten. 1. Ist ein bestimmter Sachverhalt an sich geeignet, einen wichtigen Grund abzugeben? 2. Ist die Fortführung des Arbeitsverhältnisses unter Interessenabwägung und Berücksichtigung der konkreten Umstände des Einzelfalls für den Arbeitgeber unzumutbar? Die Anzahl der in Betracht kommenden Gründe ist nahezu unendlich. An dieser Stelle sollen nur die wichtigsten in der Rechtsprechung anerkannten Gründe aufgezählt werden: ! beharrliche Arbeitsverweigerung oder Arbeitsbummelei, ! Ankündigung von Krankheit, ! Teilnahme an rechtswidrigem Streik, wenn der Arbeitnehmer die Rechtswidrigkeit kennt, ! wiederholte Verletzung von Arbeitsschutzbestimmungen (entscheidend ist der Grad der heraufbeschworenen Gefahr), ! außerdienstliches Verhalten kann die Kündigung rechtfertigen, wenn es eine schwerwiegende Verletzung der Treuepflicht darstellt und direkt oder indirekt auf den Arbeitsvertrag zurückwirkt, ! grobe Beleidigungen, ! ausländerfeindliche Äußerungen, ! Trunkenheit eines Kraftfahrers oder Führerscheinentzug (wenn der Arbeitnehmer nicht anderweitig eingesetzt werden kann),

Beispiele

174 ! ! ! ! ! ! ! ! ! !

! ! ! !

7 Personalfreisetzung

Verstoß gegen Rauchverbote, Annahme von Schmiergeldern, Bestechung, sexuelle Belästigungen, Spesenbetrug, Straftaten, die mit dem Arbeitsverhältnis in Zusammenhang stehen, z. B. Vermögensdelikte eines Angestellten in Vertrauensstellung, tätliche Auseinandersetzungen im Betrieb, private Nutzung des betrieblichen Internetanschlusses, falls dies untersagt ist, Versenden privater E-Mails, falls dies untersagt ist, Computerspiele während der Arbeitszeit, unbefugtes Herunterladen von Daten aus dem Internet, insbesondere bei einer erheblichen Menge und der Gefahr der Viren-Infizierung oder anderer Störungen des betrieblichen Computersystems oder bei Aufrufen von Internetseiten oder Herunterladen von Daten insbesondere strafbaren oder pornografischen Inhalts, Telefonate, wenn sie privat und unerlaubt geführt werden, eigenmächtiger Urlaubsantritt und unbefugte Urlaubsüberschreitungen, wenn sie nicht unverschuldet sind, Verstoß gegen die Verschwiegenheitspflicht, Verstoß gegen das Wettbewerbsverbot.

Interessenabwägung

Die außerordentliche Kündigung erfordert weiterhin eine Interessenabwägung unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles. Zu diesen Umständen gehören vor allem die Dauer der Betriebszugehörigkeit, das Lebensalter des Arbeitnehmers und die wirtschaftliche Lage des Unternehmens. Von Bedeutung können ferner u.a. die Höhe des Schadens bzw. die Auswirkungen einer Verfehlung, der Grad des Verschuldens und die Folgen der Auflösung des Arbeitsverhältnisses für den Arbeitnehmer sein. Bei der Abwägung der widerstreitenden Interessen, d.h. des Interesses des Arbeitgebers an einer sofortigen Beendigung des Arbeitsverhältnisses und des Interesses des Arbeitnehmers an der Einhaltung der Kündigungsfristen, muss das Interesse des Arbeitgebers an einer sofortigen Beendigung überwiegen.

Verhältnismäßigkeit

Die Kündigung muss darüber hinaus verhältnismäßig sein, d.h. es darf kein milderes Mittel geben. Ein milderes Mittel kann je nach Lage der Dinge eine ordentliche Kündigung, eine Änderungskündigung, eine Versetzung oder eine Abmahnung des Arbeitnehmers sein. Insbesondere ist eine außerordentliche Kündigung ohne vorherige ergebnislose Abmahnung in der Regel unwirksam. Entbehrlich ist eine Abmahnung ausnahmsweise dann, wenn keine Aussicht auf ein vertragsgemäßes Verhalten besteht oder das notwendige Vertrauen zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer unwiederbringlich zerstört ist.

7.2 Kündigung

175

Kündigungserklärungsfrist Die außerordentliche Kündigung muss nach § 626 Abs. 2 BGB innerhalb von zwei Wochen erklärt werden. Das bedeutet, die Kündigungserklärung muss dem Arbeitnehmer innerhalb dieser Frist in schriftlicher Form zugehen. Die Frist beginnt, wenn der Kündigende Kenntnis von den für die Kündigung maßgebenden Tatsachen erlangt. Wegen der Kürze der Frist wird sie häufig zum Streitpunkt in Kündigungsschutzprozessen. Problematisch ist das insbesondere in den Fällen, in denen der Arbeitgeber den zugrunde liegenden Sachverhalt erst noch umfänglich ermitteln muss. Durch die Rechtsprechung ist inzwischen anerkannt, dass dem Arbeitgeber eine angemessene Frist zur Sachverhaltsaufklärung eingeräumt werden muss und die Frist insoweit angehalten wird. Die Kündigungserklärung muss keine Angabe von Gründen enthalten. Nach § 626 Abs. 2 S. 2 BGB ist der Arbeitgeber allerdings dazu verpflichtet, dem Arbeitnehmer auf Verlangen den Kündigungsgrund unverzüglich schriftlich mitzuteilen. Der Verstoß gegen diese Pflicht macht die Kündigung aber nicht unwirksam.

7.2.7

Sonderfall Verdachts- und Druckkündigung

Druckkündigung Eine Druckkündigung liegt vor, wenn Dritte, wie z. B. Teile der Belegschaft, Geschäftspartner oder Kunden, mit schweren Sanktionen drohen, sofern der Arbeitgeber einen bestimmten Arbeitnehmer nicht kündigt. Als angedrohte Sanktionen kommen z. B. die Weigerung der Belegschaft, mit dem betreffenden Arbeitnehmer zusammenzuarbeiten oder die Androhung des Abbruchs der Geschäftsbeziehungen durch Kunden oder Lieferanten in Betracht. Der Arbeitgeber kann dann u.U. außerordentlich oder ordentlich kündigen. Der Arbeitgeber darf dem Druck jedoch nicht ohne weiteres nachgeben. Er muss vielmehr alles ihm Zumutbare versuchen, um den oder die Dritten umzustimmen. Erst wenn die auszusprechende Kündigung das einzige in Betracht kommende Mittel ist, um schwere wirtschaftliche Schäden vom Arbeitgeber abzuwenden, kann die Kündigung gerechtfertigt sein. Besonders problematisch dürfte es in der Praxis werden, wenn die Forderung zur Kündigung eines Arbeitnehmers auf einem der im AGG genannten Merkmale beruht. Es ist damit zu rechnen, dass die Gerichte in diesen Fällen eine

Begründung

176

7 Personalfreisetzung

Kündigung selbst dann für unwirksam erklären werden, wenn im Übrigen die Voraussetzungen für eine Druckkündigung vorliegen. Verdachtskündigung Bei einer so genannten Verdachtskündigung kann auch der Verdacht, der Arbeitnehmer könne eine strafbare Handlung, insbesondere Diebstahl oder Betrug, oder eine schwerwiegende Pflichtverletzung begangen haben, eine außerordentliche Kündigung rechtfertigen. In weniger schweren Fällen kommt auch eine ordentliche Kündigung in Betracht. Entscheidend ist hier, dass es gerade der Verdacht ist, der das zur Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses erforderliche Vertrauen des Arbeitgebers in den Arbeitnehmer nachhaltig zerstört hat. Der Verdacht muss objektiv durch Tatsachen begründet sein, die einen vernünftigen Arbeitgeber zur Kündigung veranlassen können. Vor allem muss der Verdacht dringend sein, d.h. es muss eine große Wahrscheinlichkeit dafür bestehen, dass der gekündigte Arbeitnehmer die Straftat oder Pflichtverletzung tatsächlich begangen hat. Praktisches Vorgehen

Der Arbeitgeber muss alle zumutbaren Anstrengungen unternehmen, um den betreffenden Sachverhalt aufzuklären. Hierbei empfiehlt sich folgendes Vorgehen: 1. Zunächst muss der betroffene Arbeitnehmer angehört werden. Hierbei sollte darauf geachtet werden, dass dem Arbeitnehmer Gelegenheit gegeben wird, sich zu äußern und er nicht nur mit den Vorwürfen konfrontiert wird. Insbesondere muss sich die Anhörung auf einen greifbaren Sachverhalt beziehen. Der Arbeitnehmer muss die Möglichkeit haben, bestimmte, zeitlich und räumlich eingegrenzte Tatsachen zu bestreiten oder den Verdacht entkräftende Tatsachen zu bezeichnen und so zur Aufhellung der für den Arbeitgeber im Dunkeln liegenden Geschehnisse beizutragen. Der genaue Umfang der Anhörung richtet sich nach den Umständen des Einzelfalles. Der Arbeitnehmer hat aber jedenfalls das Recht, einen Anwalt seiner Wahl beizuziehen. Die Anhörung ist zu dokumentieren und sollte in Gegenwart geeigneter Zeugen stattfinden. 2. Selbst wenn der Arbeitnehmer sich nicht erklärt oder die Mitwirkung an der Aufklärung verweigert, sollten alle geeigneten Personen befragt werden, die Kenntnisse haben könnten. Es sollten grundsätzlich auch externe Personen wie Kunden oder Geschäftspartner befragt werden.107 Die Sachverhaltsaufklärung sollte unbedingt wegen der 2-Wochen-Frist des § 626 BGB ohne Verzögerungen erfolgen.

107

Vgl. hierzu LAG Hessen Urteil vom 17.06.2008 – 4/12 Sa 523/07, BeckRS 2008 57220.

7.3 Ausgleichsquittung

177

3. Dem Betriebsrat sind ohne Ausnahme sämtliche Erkenntnisse des Arbeitgebers mitzuteilen, die dieser während der Aufklärung gewonnen hat. Stellt sich erst nach dem Abschluss des Kündigungsschutzprozesses heraus, dass der Arbeitnehmer schuldlos in Verdacht geraten ist, macht dies die Kündigung nicht nachträglich unwirksam. Der Arbeitnehmer kann aber vom Arbeitgeber ggf. die Wiedereinstellung verlangen.

7.3

Ausgleichsquittung

Wurde das Arbeitsverhältnis durch Kündigung beendet, kann es für den Arbeitgeber vorteilhaft sein, sich vom Arbeitnehmer eine so genannte Ausgleichsquittung unterzeichnen zu lassen. Mit der Ausgleichsquittung soll der Arbeitnehmer bestätigen, dass er keine weiteren Ansprüche gegenüber dem Arbeitgeber hat und ggf. auch, dass er auf eine Kündigungsschutzklage verzichtet. Der Arbeitgeber kann damit Auseinandersetzungen um bestehende oder zukünftige Ansprüche verhindern und klare Verhältnisse schaffen. Allerdings gibt es häufig in Tarifverträgen, Betriebsvereinbarungen oder auch Gesetzen Ansprüche, auf die der Arbeitnehmer nicht wirksam verzichten kann. Die Ausgleichsquittung wird in der Regel in Form einer formularmäßigen Verzichtserklärung einseitig vom Arbeitgeber erstellt. Sie unterliegt damit der strengen Inhaltskontrolle nach den §§ 305 ff. BGB. D.h. sie muss in aller erster Linie unbedingt klar und verständlich sein. Aus dem Wortlaut der Erklärung und den Begleitumständen muss sich klar ergeben, dass und in welchem Umfang der Arbeitnehmer auf mögliche Ansprüche verzichtet. Die Ansprüche, die von der Ausgleichsquittung erfasst werden, müssen also eindeutig und korrekt bezeichnet sein. Der Arbeitnehmer sollte auch eindeutig auf den Inhalt der Ausgleichsquittung hingewiesen werden. Glaubt der Arbeitnehmer, dass er lediglich eine Quittung unterschreibt, die seine Ansprüche und Rechte nicht tangiert, kann er seine Erklärung u.U. wegen Irrtums anfechten. Bei einem ausländischen Arbeitnehmer muss die Erklärung ggf. in seine Muttersprache übersetzt werden.

8

Abwicklung der Beendigung

8.1

Arbeitszeugnis

Nach § 109 GewO hat der Arbeitnehmer bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses Anspruch auf ein schriftliches Zeugnis. Das Zeugnis muss mindestens Angaben zu Art und Dauer der Tätigkeit enthalten (einfaches Zeugnis). Der Arbeitnehmer kann verlangen, dass sich das Zeugnis darüber hinaus auf seine Leistung und sein Verhalten erstreckt (qualifiziertes Zeugnis). Es gibt eine Reihe von Grundsätzen, welche Anforderungen an die äußere Form eines Zeugnisses gestellt werden dürfen. Hierzu gehören insbesondere: ! Erteilung des Zeugnisses auf Firmenpapier, ! das Zeugnis muss ordentlich sein, d.h. ohne Flecken, ohne Durchstreichungen, ohne Radierungen etc., ! es muss Name und Anschrift des Ausstellers enthalten und mit einem Ausstellungsdatum versehen sein, ! das Zeugnis muss grundsätzlich vom Arbeitgeber eigenhändig unterschrieben werden, und zwar mit einem dokumentenechten Stift, ! unterschreibt der Arbeitgeber nicht selbst, ist im Text klar zu stellen, dass der Vertreter gegenüber dem Arbeitnehmer weisungsbefugt war. Nicht dazu gehört ein Anspruch auf eine so genannte Schlussformel (z. B. „Wir wünschen Herrn L. für seinen weiteren beruflichen und privaten Lebensweg alles Gute.“) Der Arbeitgeber kann das Zeugnis mit einer Schlussformel abschließen, muss aber nicht. Aus § 109 Abs. 2 GewO ergibt sich weiterhin, dass das Zeugnis klar und verständlich formuliert sein muss. Es darf keine Merkmale oder Formulierungen enthalten, die den Zweck haben, eine andere als aus der äußeren Form oder aus dem Wortlaut ersichtliche Aussage über den Arbeitnehmer zu treffen. Weiterhin müssen bei der Zeugniserteilung die Grundsätze der Vollständigkeit und Wahrheit beachtet werden. Das Zeugnis muss sowohl seinem Wortlaut, als auch seinem Sinnzusammenhang nach, objektiv richtig sein. Ein Zeugnis ist

180

8 Abwicklung der Beendigung

auch dann falsch, wenn es Umschreibungen enthält, die den Arbeitnehmer quasi in einer Art „Geheimsprache“ in Wirklichkeit negativ beurteilen sollen. Ein Beispiel hierfür ist etwa die Formulierung „Durch seine Geselligkeit trug er zur Verbesserung des Betriebsklimas bei“, wenn damit zum Ausdruck gebracht werden soll, dass der Arbeitnehmer zu Alkoholkonsum neigt. Darüber hinaus kann sich der weitere notwendige Zeugnisinhalt aus dem Zeugnisbrauch der jeweiligen Branche ergeben. Beredtes Schweigen im Arbeitszeugnis ist unzulässig108 Der K. war von Februar 1993 bis März 2003 als Redakteur bei der von der B. herausgegebenen Tageszeitung tätig. Am 31.03.2003 erteilte die B. ihm ein qualifiziertes Zeugnis. Der K. bemängelt, dass die B. darin nicht hervorhebt, dass er in Stresssituationen belastbar ist. Hierauf hätte er in der Tat Anspruch. Ein Arbeitnehmer kann einen Anspruch auf Ergänzung seines Arbeitszeugnisses haben, wenn übliche Formulierungen ohne sachliche Rechtfertigung weggelassen wurden. Welche Formulierungen üblich sind, hängt von der jeweiligen Branche, in der der Arbeitnehmer tätig ist, oder von der Berufsgruppe ab, der er angehört. Aufgrund der Fürsorgepflicht des Arbeitgebers, muss er das Zeugnis grundsätzlich wohlwollend abfassen. Für den Arbeitgeber ergibt sich hieraus zuweilen eine Gratwanderung zwischen Wohlwollen und Wahrheitspflicht.

8.2

Freistellung zur Stellensuche

Nach § 629 BGB haben Arbeitnehmer im gekündigten Arbeitsverhältnis in angemessenem Umfang Anspruch auf Arbeitsbefreiung zur Stellensuche. Der Arbeitnehmer muss hierzu nicht seinen Erholungsurlaub verwenden. Die Regelung wird auf Befristungen und Aufhebungsverträge entsprechend angewandt. Der Lohnanspruch während dieser Zeit beurteilt sich nach § 616 BGB. Danach hat der Arbeitnehmer Anspruch auf Lohn, wenn er unverschuldet für eine verhältnismäßig nicht erhebliche Zeit nicht arbeiten kann. Die „nicht erhebliche Zeit“ ist nicht unbedingt deckungsgleich mit dem „angemessenen Umfang“. Ist die Stellensuche zwar angemessen, nimmt aber gemessen an § 616 BGB zuviel Zeit in Anspruch, muss der Arbeitgeber zwar freistellen, der Anspruch auf Lohn für diese Zeit kann aber entfallen. 108

BAG, Urteil vom 12.08.2008 – 9 AZR 632/07, NZA 2008, 1349.

8.3 Hinweispflichten

8.3

181

Hinweispflichten

Nach § 2 Abs. 2 S. 2 Nr. 3 SGB III soll der Arbeitgeber den Arbeitnehmer vor der Beendigung des Arbeitsverhältnisses ! frühzeitig über die Notwendigkeit eigener Aktivitäten bei der Suche nach einer anderen Beschäftigung sowie über die Verpflichtung unverzüglicher Meldung bei der Agentur für Arbeit informieren, ! ihn hierzu freizustellen und ! die Teilnahme an erforderlichen Qualifizierungsmaßnahmen ermöglichen. Diese Pflichten bestehen unabhängig davon, ob ein unbefristetes Arbeitsverhältnis gekündigt werden soll, ob ein befristetes Arbeitsverhältnis ausläuft oder ob ein Aufhebungsvertrag geschlossen wird. Allerdings hat das BAG ausdrücklich entschieden, dass eine Verletzung dieser Hinweispflicht nicht zu einem Schadenersatzanspruch des Arbeitnehmers gegen den Arbeitgeber führt.109

8.4

Herausgabepflichten

Der Arbeitgeber muss dem Arbeitnehmer am letzten Arbeitstag eine Reihe von Unterlagen aushändigen. Dazu gehören insbesondere: ! ! ! ! !

die Lohnsteuerkarte (Lohnsteuerbescheinigung), Versicherungskarten (§ 286 SGB VI), der Sozialversicherungsausweis (§ 95 SGB IV), die Mitgliedsbescheinigung der gewählten Krankenkasse, Bescheinigung über die den Sozialversicherungsträgern durch Datenübertragung erstatteten Meldungen (§ 25 DEÜV), ! Urlaubsbescheinigung (§ 6 Abs. 2 BUrlG), ! die Arbeitsbescheinigung (§ 312 SGB III) zur Vorlage bei der Bundesagentur für Arbeit.

Kann der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer die Arbeitspapiere am letzten Arbeitstag aus betrieblichen Gründen nicht geben, kann der Arbeitnehmer eine Bescheinigung verlangen, dass die Unterlagen noch erstellt und demnächst übergeben werden.

109

BAG, Urteil vom 29.09.2005 – 8 AZR 571/04, NZA 2005, 1406.

182

8 Abwicklung der Beendigung

Wichtig ist insbesondere, dass der Arbeitgeber die Papiere auch dann nicht zurückhalten darf, wenn er gegenüber dem Arbeitnehmer noch irgendwelche Ansprüche hat. Allerdings gilt das auch umgekehrt. Der Arbeitnehmer muss an den Arbeitgeber alle im Eigentum des Arbeitgebers stehenden Arbeitsmittel herausgeben. Hierzu zählen Werkzeuge, Geschäftsunterlagen, Schlüssel, Stempelkarte, Dienstwagen usw. Auch der Arbeitnehmer hat grundsätzlich kein Zurückbehaltungsrecht. Werden die Papiere zu spät oder unrichtig ausgehändigt, kann der Arbeitnehmer unter den Voraussetzungen des § 280 BGB einen Schadenersatzanspruch gegen den Arbeitgeber haben.

9

Hilfsmittel

9.1

Gesetzestexte

„Ein Blick ins Gesetz erleichtert die Rechtsfindung“. Eine Zusammenstellung der wichtigsten Gesetze und Normen des Arbeitsrechts findet sich in arbeitsrechtlichen Gesetzessammlungen. Es bietet sich auf jeden Fall an, sich für den täglichen Gebrauch eine solche Textsammlung in der jeweils neuesten Auflage zuzulegen. Die bekanntesten sind:

Textsammlungen

Nipperdey, Arbeitsrecht, Loseblattsammlung dtv-Beck-Texte, Arbeitsgesetze Kittner/Deinert, Arbeits- und Sozialordnung: Gesetzestexte, Einleitungen, Anwendungshilfen NWB, Wichtige Arbeitsgesetze: mit Vorschriften der Sozialgesetzbücher und des Europarechts Entsprechende Sammlungen erhält man inzwischen auch auf CD-ROM, wie etwa Arbeits- und Sozialrecht, Textsammlung aus dem Haufe-Verlag. Selbstverständlich finden sich auch alle relevanten Vorschriften im Internet. Am zweckmäßigsten dürfte als Fundstelle das gemeinsame Projekt zwischen dem Bundesministerium der Justiz und der juris GmbH sein, mit dem nahezu das gesamte aktuelle Bundesrecht kostenlos im Internet bereitgestellt wird. http://bundesrecht.juris.de/index.html Hilfreich ist insoweit auch die Seite des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales (BMAS) unter www.bmas.de. Tarifverträge sind in den Textsammlungen in der Regel nicht enthalten. Allerdings findet man sie inzwischen nahezu vollständig im Internet veröffentlicht. Ein Verzeichnis der für allgemeinverbindlich erklärten Tarifverträge findet sich auf der Seite des BMAS unter

Internet

184

9 Hilfsmittel

http://www.bmas.de/coremedia/generator/13548/allgemeinverbindliche__tarif vertraege.html

9.2

Aushanggesetze110

Es existieren in zahlreichen Gesetzen Vorschriften, die den Arbeitgeber dazu verpflichten, die Arbeitnehmer über bestimmte Texte zu informieren. Je nach Regelung soll dies in geeigneter Weise durch Auslegen, Aushängen oder Bekanntmachung geschehen. Üblicherweise erfolgt ein Aushang an einem „Schwarzen Brett“ an einer allgemein zugänglichen Stelle des Betriebes. Teilweise sind in den gesetzlichen Regelungen aber auch bestimmte Aushangsorte vorgesehen. Besteht ein Betriebsrat, ist dieser über den Aushang zu unterrichten. Sind von dem Aushang ausländische Mitarbeiter betroffen, die der deutschen Sprache nicht mächtig sind, kann eine (zusammenfassende) Übersetzung erforderlich sein. Kommt der Arbeitgeber seiner Aushangpflicht nicht nach, können unterschiedliche Folgen eintreten. Der Arbeitgeber kann sich schadensersatzpflichtig machen, wenn der Verstoß gegen eine Aushangpflicht ursächlich für den Eintritt eines Schadens geworden ist. Bei den meisten Vorschriften stellt eine Verletzung der Aushangverpflichtungen eine Ordnungswidrigkeit dar, die mit einem Bußgeld belegt werden kann. Sind betriebsverfassungsrechtliche Regelungen betroffen, können Beseitigungs- und Unterlassungsansprüche bestehen. Zu den wichtigsten aushangpflichtigen Regelungen zählen: ! Arbeitszeitregelungen (Arbeitszeitgesetz, Ladenschlussgesetz, Regelungen für bestimmte Betriebe), ! Schutzvorschriften.(AGG, § 61 b ArbGG, JArbSchG, MuSchG, Regelungen für bestimmte Betriebe wie z. B. Druckluftverordnung, Gefahrstoffverordnung), ! Tarifverträge, ! betriebsverfassungsrechtliche Regelungen (Betriebsvereinbarungen), ! unternehmensbezogene Regelungen.

110

Einen guten Überblick hierzu gibt Pulte, Die arbeitsrechtlichen Aushang- und Bekanntmachungspflichten, BB 2008, 2569.

9.3 Rechtsprechung

9.3

185

Rechtsprechung

Die Bedeutung der aktuellen Rechtsprechung für die betriebliche Praxis kann gar nicht überschätzt werden. Auch, wenn es sich stets um die Entscheidung von Einzelfällen handelt, die nicht ohne weiteres auf andere Fallgestaltungen übertragen werden können, gibt die Rechtsprechung doch die zentralen Leitlinien vor. Die Entscheidungen des Bundesarbeitsgerichts des laufenden und der letzten vier Jahre können im Volltext im Internet auf der Seite des Bundesarbeitsgerichts unter www.bundesarbeitsgericht.de recherchiert werden. Hier finden sich auch die Pressemitteilungen des BAG, die einen Überblick über die neuesten Entscheidungen geben. Darüber hinaus kann der Jahresbericht des BAG als pdf-Dokument heruntergeladen werden. Dieser hat den Vorteil, dass die Entscheidungen thematisch geordnet zusammengefasst werden. Die Rechtsprechung der Untergerichte lässt sich am besten aus verschiedenen Zeitschriften erschließen. Hierzu gehört insbesondere die monatlich im BeckVerlag erscheinende „Arbeitsrechtliche Praxis (AP) – Nachschlagewerk des Bundesarbeitsgerichts – Die Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts und die arbeitsrechtlich bedeutsamen Entscheidungen anderer Gerichte mit erläuternden Anmerkungen“.

9.4

Zeitschriften

Es gibt eine ganze Reihe von Zeitschriften, die sich auf Arbeitsrecht spezialisiert haben bzw. arbeitsrechtliche Schwerpunkte enthalten. Genannt seien hier nur die wichtigsten: Der Betrieb (DB)

www.der-betrieb.de

Betriebs-Berater (BB)

www.betriebs-berater.de

Neue Zeitschrift für Arbeitsrecht (NZA)

www.nza.de

Recht der Arbeit (RdA) Sammlung Arbeitsrechtlicher Entscheidungen (SAE)

www.fachverlag.de/sae/

Zeitschrift für Arbeitsrecht (ZfA)

http://zfa.heymanns.com

186

Newsletter

9 Hilfsmittel

Fachanwalt Arbeitsrecht (FA)

www.arbeitsrecht-fa.de

Arbeitsrecht im Betrieb (AiB) – Zeitschrift für Betriebsratsmitglieder

www.aib-verlag.de

Arbeit und Recht (AuR)

www.aib-verlag.de

Der Arbeitgeber

www.arbeitgeber.de

Personal

www.fachverlag.de/personal/

sicher ist sicher – Arbeitsschutz aktuell

www.esv.info/z/sis/zeitschriften.html

Arbeitsrecht Kompakt – Urteilsblitzdienst für Arbeitgeber

www.vnr.de/verlagsshop/article--6.htm

ZMV – Die Mitarbeitervertretung

www.zmv-online.de

Arbeit und Arbeitsrecht

www.arbeit-und-arbeitsrecht.de

Der Arbeits-Rechts-Berater (ArbRB)

www.arbrb.de

Wer auf dem Laufenden bleiben möchte, kann sich auch einen der inzwischen von vielen Fachverlagen kostenlos angebotenen Online-Newsletter bestellen. In der Regel hat das zwar den Nachteil, dass man dabei mit viel Werbung konfrontiert wird. Auf der anderen Seite erhält man einen guten Überblick über aktuelle Entwicklungen. Eine Fachzeitschrift können allerdings solche Veröffentlichungen häufig nicht ersetzen. Es empfiehlt sich dort vorgestellte Gerichtsentscheidungen bei Interesse an anderer Stelle vertieft nachzulesen.

9.5

Gesamtdarstellungen

Die arbeitsrechtliche Literatur ist inzwischen nahezu unüberschaubar, Empfehlungen in diesem Bereich abzugeben nahezu unmöglich. Ob und welches „Werk“ ein Arbeitgeber sich zulegen sollte, hängt ganz von der Intention und den Wünschen ab. Dennoch seien einige Werke als Hilfestellung für die tägliche Praxis genannt. Vertiefung

Zum vertieften „Studium“ eignen sich: Däubler, Arbeitsrecht: Ratgeber für Beruf, Praxis und Studium, 7. Aufl. 2008 Hromadka, Arbeitsrecht für Vorgesetzte: Rechte und Pflichten bei der Mitarbeiterführung, 2. Aufl. 2009

9.5 Gesamtdarstellungen

187

Als Nachschlagewerke für einzelne Fragestellungen empfehlen sich insbesondere: Küttner, Personalbuch, 16. Aufl. 2009 (erscheint jährlich) Kittner/Zwanziger, Arbeitsrecht: Handbuch für die Praxis, 4. Aufl. 2007 Schaub, Arbeitsrechts-Handbuch: Systematische Darstellung und Nachschlagwerk für die Praxis, 12. Aufl. 2007 BMAS, Übersicht über das Arbeitsrecht / Arbeitsschutzrecht 2008 Müller-Glöge/Preis/Schmidt (Herausgeber), Erfurter Kommentar zum Arbeitsrecht, 9. Aufl. 2009

Nachschlagewerke

Stichwortverzeichnis Abfindung 68, 147, 148, 150, 151, 170, 171, 172 Abmahnung 101, 103, 109, 110, 111, 119, 139, 161, 164, 174 Abrufarbeit 77, 78, 146 Abschlussfreiheit 3 Abwerbung 5, 89 Abwicklungsvertrag 147 Akkordlohn 55, 136 Alkohol 99, 108, 135, 164 Allgemeine Arbeitsbedingungen 22

Arbeitsrechtlicher Gleichbehandlungsgrundsatz 19 Arbeitsschutz 10, 30, 141, 186 Arbeitsunfähigkeit 57, 120, 133, 135, 136, 137, 138, 139, 140, 164, 168 Arbeitsvertrag 3, 5, 14, 15, 16, 17, 18, 23, 24, 28, 32, 44, 48, 50, 51, 53, 57, 59, 60, 62, 68, 71, 73, 74, 75, 76, 77, 79, 83, 84, 94, 95, 101, 103, 107, 108, 117, 123, 130, 133, 135, 137, 142, 144, 145, 146, 152, 169, 173 Arbeitsverweigerung 99, 164, 173

Allgemeine Geschäftsbedingungen 17, 22, 43, 50, 62

Arbeitszeitschutz 4, 10

Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz 9, 10, 14, 22, 121

Aufhebungsvertrag 147, 148, 149, 181

Alter 12, 13, 22, 86, 131, 170

Aufklärungspflicht 149

Änderungskündigung 18, 100, 145, 168, 169, 174

Ausgleich -sklausel 148 -squittung 177

Änderungsvorbehalte 50, 58 Anfechtung 149 Angestellter leitender 11, 28, 29, 39, 56, 160 Anhörung 95, 153, 156, 166, 176 -srecht 40

Aushilfe 29, 83, 130, 158 außerordentliche Kündigung 80, 153, 156, 173, 174, 175, 176 Auswahlrichtlinien 13 Auszubildender 11

Annahmeverzug 144

Background Checks 93

arbeitnehmerähnliche Person 11, 35, 36

Befristung 71, 72, 73, 74, 75, 89 Berufserfahrung 12, 33, 86

Arbeitnehmerüberlassung 31, 32, 81, 82

Beschäftigter geringfügig 29

Arbeitsbedingungen allgemeine 22

betriebliche Übung 16, 17, 18, 19, 58, 68

Arbeitsort 48, 49, 51, 83, 84

190 Betriebs-buße 112 -ferien 131 -rat 3 -risiko 144 -vereinbarung 13

Stichwortverzeichnis Ethik-Richtlinien 24, 25 Fehlzeiten 57, 129, 162 Formfreiheit 3 Fragebogen Personal- 92 Fragerecht 91

betriebsbedingte Kündigung 47, 50, 154, 157, 165, 168, 170, 171

freier Mitarbeiter 27, 28, 36, 166

Betriebsbuße 112

Freistellung 33, 39, 64, 142, 148, 180

Betriebsferien 131, 134

fristlose Kündigung 153, 157

Betriebsrat 13, 15, 24, 25, 27, 28, 30, 39, 40, 41, 42, 54, 71, 76, 79, 83, 87, 95, 99, 100, 105, 106, 112, 119, 131, 134, 154, 155, 160, 163, 166, 170, 172, 173, 177, 184

Fürsorgepflicht 5, 6, 119, 140, 180

Betriebsrisiko 144, 145 Betriebsvereinbarung 13, 15, 23, 24, 25, 41, 44, 48, 53, 57, 59, 62, 87, 105, 118, 136, 170 Bewerbung 86, 87, 88, 92 Bezugnahmeklausel 45 Bummelei 164 Datenschutz 88, 92 Dienstvertrag 28, 80, 81, 82 Direktionsrecht 23, 46, 47, 48, 49, 50, 84, 97, 166 Diskriminierung 11, 29, 85, 86, 157 Disziplinarmaßnahme 108, 111 Dokumentation 87, 99, 103, 122, 165 Drogen 93, 135 Druckkündigung 175, 176 Ein-Euro-Job 29, 30 Eingliederungsmanagement 163 Einigungsstelle 41, 42, 105 Einstellung 28, 30, 32, 71, 73, 83, 93, 95, 115, 118, 130, 161, 165, 166 Elternzeit 29, 38, 132, 141, 156 E-Mail 106, 107, 119, 149, 152, 174 Entgelt 31, 53, 58, 61, 81, 133 -fortzahlung 29 Entgeltfortzahlung 9, 29, 133, 135, 136, 137, 139, 140, 142, 143, 144

geringfügig Beschäftigter 29 Geschäftsbedingungen Allgemeine 17, 22, 43, 50, 62 Gleichbehandlungsgrundsatz arbeitsrechtlicher 19, 20, 22 Gratifikation 17, 18, 57, 58 Haftung 81, 120, 124, 125 Manko- 124 Heimarbeiter 11, 36, 39 Inhaltsfreiheit 3 Internet 88, 106, 107, 172, 174, 183, 185 Job-Sharing 76 Krankheit 29, 57, 72, 76, 120, 133, 134, 135, 136, 137, 138, 140, 161, 162, 164, 173 Kündigung 2, 8, 9, 25, 33, 37, 47, 50, 51, 58, 64, 66, 71, 75, 76, 80, 84, 91, 100, 101, 103, 109, 110, 119, 126, 141, 143, 144, 147, 149, 150, 151, 152, 153, 154, 155, 156, 157, 158, 159, 160, 161, 162, 163, 164, 165, 166, 167, 170, 171, 172, 173, 174, 175, 176, 177 Änderungs- 18, 100, 145, 168, 169, 174 außerordentlich 80, 153, 156, 173, 174, 175, 176 betriebsbedingt 47, 50, 154, 157, 165, 168, 170, 171 Druck- 175, 176 fristlos 153, 157 ordentlich 55, 75, 80, 156, 157, 161, 165, 174, 176

Stichwortverzeichnis personenbedingt 161, 163 verhaltensbedingt 66, 160, 164 Kündigungsfrist 29, 70, 80, 89, 100, 131, 141, 144, 145, 155, 157, 158, 170, 173 Kündigungsgrund 175 Kündigungsschutz 4, 29, 30, 38, 70, 100, 102, 143, 147, 155, 156, 157, 159, 160, 172 leitender Angestellter 28, 29, 39, 56, 160 Lohn Akkord- 55, 136 Mankohaftung 124 Meinungsfreiheit 9 Minderleistung 102, 103 Mitarbeiter freier 27 Mitbestimmung 4, 15, 24, 25, 30, 54, 79, 99, 134 -srecht 25, 40, 54, 58, 83, 87, 92, 106, 137 Mobbing 6, 118, 119, 120, 121 Mustervertrag 43 Mutterschutz 156 Nachtarbeit 52 Nachweisgesetz 9, 83, 84 Nebentätigkeit 63, 64 ordentliche Kündigung 55, 75, 80, 156, 157, 161, 165, 174, 176 Personalakte 3, 94, 110, 111, 112, 121, 122 Personalfragebogen 92 personenbedingte Kündigung 161, 163 Persönlichkeitsrecht 6, 93, 97, 98, 99, 119 Pflegezeit 141, 142, 143 Probezeit 33, 70, 71, 73, 80, 156, 158 Rechtsquellen 6, 7, 9, 15, 24 Richtlinien Ethik- 24, 25

191 Rückzahlung 58, 65, 66 Schriftform 17, 41, 44, 68, 74, 75, 149, 152 -klausel 17, 68, 69 Schwangerschaft 14, 156 Schwerbehinderte 37, 95, 156, 168 Stellenausschreibung 13, 85, 86, 87, 88 Tarifvertrag 15, 23, 31, 32, 33, 45, 53, 54, 57, 59, 75, 136, 144 Teilzeit 9, 29, 53, 71, 72, 75, 76, 81, 88, 113, 115, 130 Treuepflicht 5, 6, 53, 62, 63, 90, 173 Überstunden 5, 33, 53, 55, 78, 79, 136, 147 Übung betriebliche 16, 17, 18, 19, 58, 68 Unpünktlichkeit 164 Urlaub 23, 29, 34, 37, 62, 68, 76, 129, 130, 131, 132, 133, 134, 137, 138 -sabgeltung 68, 134, 147 -ssperre 131 Verdacht 86, 103, 104, 105, 108, 119, 139, 165, 176, 177 verhaltensbedingte Kündigung 66, 160, 164 Versetzung 48, 49, 50, 51, 100, 103, 112, 119, 126, 145, 174 Vertrag Abwicklungs- 147 Aufhebungs- 147, 148, 149, 181 Verweis 44, 95, 108 Vorstellung 13, 95 Wartezeit 70, 130, 160 Weihnachtsgeld 16, 17, 21, 24, 57 Weiterbeschäftigung 155, 160, 163, 165, 168 Werkvertrag 28, 80 Widerruf 18, 60, 119, 131, 149 Zeugnis 30, 122, 148, 156, 179, 180

Umfassend, praxisorientiert und bewährt Hans Jung Personalwirtschaft 8. aktualisierte und überarbeitete Auflage 2008 1.018 S. I gebunden € 39,80 I ISBN 978-3-486-58709-8 Ziel dieses Buches ist, die betriebliche Personalarbeit auf der Basis wissenschaftlicher Erkenntnisse in einer modernen und praxisbezogenen Form darzustellen. Dazu wird zunächst das erforderliche Grundlagenwissen vermittelt, um dann Möglichkeiten zur praktischen Umsetzung dieser Erkenntnisse aufzuzeigen. Thematisch umfasst das Buch neben den Grundlagen der Personalwirtschaft die personelle Leistungsbereitstellung, den Leistungserhalt und die Leistungsförderung sowie Informationssysteme der Personalwirtschaft. Neuere Aspekte der Personalarbeit, die sich zum Beispiel durch die Veränderungen im europäischen Wirtschaftsraum und die daraus resultierenden Trends und Problemfelder ergeben, werden ebenso aufgezeigt wie moderne Ansätze für die Zukunft der Personalwirtschaft. Dabei steht die Anregung zu einer kritischen Auseinandersetzung bezüglich der Einsetzbarkeit und der Vor- und Nachteile neuerer Instrumente der Personalwirtschaft im Vordergrund. Nach den einzelnen Abschnitten werden Fragen zur Kontrolle und Vertiefung angeboten. Das Buch richtet sich sowohl an Studierende an Universitäten, Fachhochschulen und Berufsakademien als auch an Praktiker im Personalbereich. Über den Autor: Prof. Dr. rer. pol. Hans Jung lehrt an der Fachhochschule Lausitz Betriebswirtschaftslehre und Personalmanagement.

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Die Perspektive der Wirtschaft Markus Conrads, Friedrich Schade Internationales Wirtschaftsprivatrecht Auflage 2008 I ca. 270 S. I Broschur ca. € 29,80 I ISBN 978-3-486-58340-3 Das Studienbuch »Internationales Wirtschaftsprivatrecht« stellt die Fortsetzung der in Deutschland existierenden Studienbücher zum nationalen Wirtschaftsprivatrecht dar. Der Ansatz bei diesem Lehrbuch ist es, gerade aus der Perspektive von Studierenden der Betriebswirtschaftslehre und Entscheidern aus dem Mittelstand anhand von wirtschaftswissenschaftlichen Schlagwörtern Problemlösungen aus juristischer Sicht aufzuzeigen. Daher grenzt sich dieses Werk von seiner Grundausrichtung von den typischen am Markt vorhandenen Studienbüchern im Wirtschaftsprivatrecht erheblich ab. Das Buch eignet sich insbesondere für Bachelor- und Master-Studiengänge, in denen verpflichtend Rechtsvorlesungen zu belegen sind. Über die Autoren: Prof. Dr. Markus Conrads ist Professor an der International School of Management in Dortmund und Partner einer in Münster ansässigen Rechtsanwaltskanzlei. Prof. Dr. Friedrich Schade lehrt an der BiTS Business and Information Technology School, Iserlohn.

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Das Produkt als Risiko Claudius Eisenberg, Rainer Gildeggen Andreas Reuter, Andreas Willburger Produkthaftung Kompaktwissen für Betriebswirte, Ingenieure und Juristen 2008 I 191 S. I gebunden

€29,80 I ISBN 978-3-486-58575-9 Die Produkthaftung ist nicht nur ein Thema für Unternehmensjuristen. In ihrem Arbeitsalltag sind auch in zunehmendem Maße Betriebswirte und Ingenieure mit Fragen rund um die Haftung für Produktfehler konfrontiert. In diese Welt führt das vorliegende Buch fachkundig ein. Es beleuchtet die theoretische Grundlegung aus dem nationalen, europäischen und internationalen Blickwinkel und illustriert die unterschiedlichen Facetten der Produkthaftung anhand von weit über 100 Praxisbeispielen. Darüber hinaus geht es auf die straf- und arbeitsrechtlichen Aspekte ein, die in diesem Kontext keinesfalls vernachlässigt werden dürfen. Auch neuere gesetzliche Entwicklungen etwa im Bereich des internationalen Privatrechts, verschiedener Produkthaftungsregime in anderen Teilen der Welt sowie die Produkthaftungscompliance kommen nicht zu kurz. Zahlreiche Übungsfälle und Kurzzusammenfassungen zu jedem Kapitel runden das Buch ab. Dem Leser wird genau das Wissen an die Hand gegeben, das ihn in die Lage versetzt, eigenständig Lösungen für Produkthaftungsprobleme zu entwickeln. Der Praktiker erhält außerdem handhabbare Vorgaben für die Produktherstellung und Vermarktung. Dieses Buch eignet sich für Betriebswirte und Ingenieure in Studium und Beruf sowie für Juristen.

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